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Harvard Universitif
£(bnr)t of
TSht CDedical School
Che School of l>ublic tHealth
Dr. J.C. White.
Begründet von H. Auspitz und F. J. Pick.
ARCHIV
far
Dermatologie und Syphilis.
Unter KLiwirkong vou
Prst.H'CAU. AMDBRSOM, Dr. ASNItfa, DT,BBUKEKD,Dr.Bt;8NIBR. Fm/.BBRQB.Dr.TIOBCK,
Prof. DOnTBELEPONT. Prof. DUHRINS, Dr. ELSENBERO, Prof. EPSTEIN, Dr. PINOER, Dr. J.
OBÜNPEU), Pref.HASLUND, Dr.T.HEBRA, Dr. C. HBRXHEOfEa, Dr.HOCBBlNOBH, Dr. CDRO-
TITZ, Dr. JADASBORN, Prof. JAKOWSKT, Prof. JARISCH, Prof. EÖBNER, Dr. KOPF, Prof.
I^tlQ, Dr. LEDEBKANN, Prcf. I.EL01R, Prof. LESSER, Prof. LüKASIEWICZ, Dr. LUSTOABTEM,
Dr. dB HBSinL, Dr. KBAOEK, Fraf. NEUMANM, Dr. OBERLÄHDER, Prof. PBTEBfiBK, J. E.
PBOKSOH, Prof. RKDBR, Dr.SIEHL, Dr. rAnA, Dr.O.BOBENTUAL, Dr.SOBlPF, Dr.BOHÜTZ,
Di. SCHUSTER, Prof. SOHWIUMER, Dr. SZADEK, Prof. TARKOWSK7, Br. TODTON, Dr.
ULLMAtai, Dr. VEIHL, Dr. t. WATRABZGWSKI, Dr. WBLAMDER, Dr. WINTBRHITZ,
Praf. WOLPF. Dr. -r, ZEI8SL
Prof. Caspaiy, Prot Kaposi, Prot Lewin, Prof. Nelsser,
KApIgaberv WIbb Berlin Breilaa
herausgegeben von
Prof. P. J. Piek in Prag.
Sechsundzwanzigster Band.
Wien und Leipzig.
Wilhelm Braumüller,
Inhalt.
Origiaal-Abhaiilliifeii.
Pag.
Rückblick auf ein Vierteljahrhundert (1869—1894). Von Prof. F. J. Pick V
Finden sich in den als leprafrei bekannten Landstrichen Frankreichs^
insbesondere im Norden und in Paris, Sparen der alten Lepra?
Yen Prof. Henri Leloir in Lille 8, 241
Zar Lehre von den Arzneiausschl&gen. Von Prof. Casparj in Kd-
nigsberg 11
Vier FäUe von Hydroa vacciniforme, Bazin, Summeremption, Jonathan
Hntchinson. Von Dr. G. Boeck, Director der Universitätsklinik
fnr Haatkranke in Christiania 23
Ueber Liehen scrofhlosorum. Von Prof. Dr. Lukasiewicz in Inns-
bruck. (Hierzu Taf. I— III) 83
üeber einen Fall von Epithelioma verrucosum abortivum nebst einem
Beitrage zum Studium der Psorosp'ermosen. Von Prof. Pierleone
Tommasoli in Modena. (Hierzu Taf. IV— VI) 49
Ueber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. Von Prof.
Georg Lewin in Berlin 71, 217
üeber einige ungewöhnliche Formen von Acne (Folliculitis). Von
Prof. M. Kaposi in Wien. (Hierzu Taf. VH— X) 87
Zur Behandlung des Lupus vulgaris. Beitrag von Dr. Josef Schütz
in Frankfurt a. Main 97
Extragenitale Syphilisinfection. 539 Fälle. Von Dr. Rud. Erefting,
L Assist-Arzt an der Üniv.-Klinik für Hautkranke in Christiania 167
Bemerkungen zur Behandlung der Nasenhöhlensyphilis. Von Dr.
Schuster in Aachen 187
Aus der med. Klinik des Prof. £rb in Heidelberg, üeber den bakte-
riologischen Befund und die anatomischen Veränderungen bei der
Urethritis gonorrhoica des Mannes. Von Dr. M. Dinkler, I. Assist.
und Privatdocent. (Hierzu Taf. XI.) 196
Kann die Behandlung mit Quecksilber Cylindrurie und Albuminurie
hervorrufen? Von Dr. Edvard Welander in Stockholm. . . . 831
IV Inhalt,
Paff.
üeber Psorospermien bei Hautkrankheiten. (Bericht über einen ty-
pischen Fall von sog. Darier'scher Psorospermose.) Von Dr. J.
Fabry in Dortmund, (ffierzu Taf. XIII) 378
Ein Fall von Tuberculosis cutis verrucosa. Von Dr. Julius Heller,
Assistent des Prof. Dr. G. Lewin, und Dr. Karl Hirsch, Assi-
stent am Charlottenburger Krankenhaus. (Hierzu Taf. XIV) ... 893
Aus der kgl. Universitätsklinik für Syphilis und Hautkrankheiten des
Geheimrath Prof. Dr. Doutrelepont zu Bonn. Ueber Tuberculosis
verrucosa cutis. Von Dr. Ernst Knickenberg, Assistenzarzt der
Klinik für Hautkrankheiten zu Bonn 405
Bericht Ober die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatoiogle
und Syphilis.
Verhandlungen der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
in Nürnberg. 1893 111
Verhandlungen der Berliner dermatol. Vereinig ng 138, 281
Verhandlungen der Wiener dermatol. Gesellschaft 144, 273, 433
Venerische Krankheiten 153, 315, 457
Hautkrankheiten 287, 441
Buchanzeigen und Besprechungen 160, 327
Varia 163, 328, 500
Rückblick auf ein Vierteljahrhundert
1869-1894.
Von
Prof. F. J. Pick in Prag.
Mit dem vorliegenden Hefte tritt das Archiv für Der-
matologie und Syphilis in das zweite Vierteljahrhundert
seines Bestandes.
Ein Zeitraum, voll der wichtigsten Ereignisse auf dem
Gebiete der Forschung und der Lehre für beide Fächer ist
dahingegangen, das Archiv aber hat diese Ereignisse nicht bloss
verzeichnet, es ist ihm vielfach vergönnt gewesen, leitend und
bestinunend in die Geschehnisse dieser Zeitepoche einzugreifen.
Als wir vor fünfundzwanzig Jahren an die Gründung des
Archivs gingen, haben wir als Motiv besonders den Umstand
hervorgehoben, dass die Literatur unseres Faches einen erstaun-
lichen Mangel an speciellen Fachjoumalen darbietet, „es zer-
theilt sich in unseren Disciplinen der Strom der wissenschaft-
Uchen Publicationen nach allen Seiten hin in die Blätter für
Gesanuntmedicin und mag in Folge dessen manche nicht un-
wichtige Thatsaclie, manch fruchtbringender Keim, welchen die
auf ein Fachblatt coucentrirte Aufmerksamkeit sofort aufgefasst
VI
und entwickelt hätte im Meere des allgemein medicinischen
Details verloren gegangen sein".
In der That bestand zu dieser Zeit ausser in Italien,
nirgends sonst ein dermatologisches Fachblatt, nachdem der
Versuch, den Fr. J. B ehrend mit seinem Archiv für Syphilis
und Hautkrankheiten im Jahre 1846 unternommen hatte, miss-
glückt war.
„In dem Wunsche, der dermatologischen und syphilido-
logischen Forschung einen Bremipunkt zu bieten, haben wir
uns mit den ausgezeichnetesten Vertretern unseres Faches
begegnet," Das Erscheinen des ersten Heftes wurde allseitig
mit Wärme begrüsst und eingehend besprochen,*) unser Pro-
gramm wurde nicht allein, gebilligt, es erfreute sich auch der
thätigsten Mitwirkung aller hervorragenden Zeitgenossen.
Hervorgegangen aus der Hebra'schen Schule, in deren
Dienst sich das Archiv gestellt, deren Lehren es weit in die
Welt hinausgetragen und verbreitet hat, gestaltete sich das
Archiv zu einem Organ der deutschen Dermatologie.
Der würde Hebra schlecht verstehen und seinem An-
denken einen schlechten Dienst erweisen, der die Anhänger-
schaft an seine Schule abhängig machen würde von dem Fest-
halten an seinen Lehren. In der Universalität, in der streng
wissenschaftlichen Forschungsmethode , in dem siegreichen
Kampfe gegen wissenschaftliche Vorurtheile, in dem Ausmerzen
des alten verrotteten scholastischen Ballastes, in der strengen
Prüfung der medicinischen Theorien an den objectiv beobach-
teten pathologischen Vorgängen an der Haut — darin lag der
Grund, dass sich Hebra's Schule die Welt eroberte.
*) Es dürfte Vielen von Interesse sein zu erfahren, dass auch Ro-
bert Mayer dem Erscheinen des ersten Heftes unseres Archivs eine
wohlwollende und eingehende Recension gewidmet hat. Weyrauch:
Kleinere Schriften von Robert Mayer. Stuttgart 1898. Cotta'scher Verlag.
MI
Auf diesem Standpunkte ist die Redaction des Archiv
unentwegt gestanden und diesem Umstände verdankt sie es
ihrerseits, dass sich das Archiv aus kleinen Anfängen zu einem
Organ von internationaler Geltung emporgeschwungen hat.
Auf immer sicherere Basis sollte die Dermatologie gestellt
werden, nun galt es die physiologische, die normal- und pa-
thologisch-anatomische Forschung zu pflegen und diese letztere
musste fast ausschliesslich von den Dermatologen selbst in
Angriff genommen werden, denn nur das dem Lebenden ent-
nommene Material versprach in den meisten Fällen Aufschlüsse
aus dem pathologischen Befunde zu bieten. Wir haben diese
Forschungsrichtung besonders begünstigt, niemals wurde eine
Arbeit aus diesem Gebiete, wenn auch noch so kostspielige
artistische Beilagen nothwendig waren, zurückgewiesen, vielmehr
wurde solchen Arbeiten der Vorrang eingeräumt vor anderen,
jedenfalls vor den mehr speculativen, die deshalb auch immer
mehr in den Hintergrund traten.
Die ätiologische Forschung stand gleich vom Beginne des
Erscheinens unseres Archivs im Vordergrunde der Publicationen.
Lange bevor auf anderen Gebieten der Medicin dem Studium
der parasitären Ki*ankheiten jene Aufinerksamkeit zugewendet
wurde, die ihnen heute nach den grossen Impulsen geschenkt
wird, welche die Gesammt-Medicin von der bakteriologischen
Forschung empfangen hat, war die Erforschung der contagiösen
und infectiösen Hautkrankheiten und ihrer Erreger zu schönen
Resultaten gelangt. Hier war auch das pathologische Experi-
ment in voller Uebung, jeder Jahrgang des Archivs bringt Kunde
hievon und von dem Ansporn, der daraus für die weitere For-
schung gewonnen wurde. Und als vollends die Bakteriologie
neue und sichere Methoden für das Studium der pflanzlichen
Parasiten geliefert hatte, bemächtigte sich die Dermatologie und
Sjphilidologie derselben mit solchem Erfolge, dass die gewon-
VIII
nenen Resultate zu den sichersten Errungenschaften der neuem
Medicin gehören. Wieder erwies sich hier die Richtigkeit des
Satzes, den wir in dem Vorworte zum 1. Hefte des Archivs
ausgesprochen haben, dass nämlich die Dermatologie sich aus
einem Eckstein der medicinischen Wissenschaft zu einem Prüf-
stein derselben entwickelt hat.
Dabei stand die klinische Forschung stets obenan. Man
hat über dem Studium der Hautkrankheiten, wie ich oft her-
vorgehoben habe, nicht den armen Hautkranken vergessen dürfen.
Die aus Unverstand und Unkenntniss, zuweilen auch aus Uel)el-
woUen, hervorgegangene Behauptung, dass die grosse deimato-
logische Schule, welche das Archiv zu vertreten für seine Auf-
gabe erachtete, einer einseitigen specialistischen Richtung hul-
dige, findet auf jeder Seite des Archivs ihre Widerlegung, viel-
mehr darf mit Stolz gesagt werden, dass die anderen Zweige
der Medicin von der Dermatologie mindestens ebensoviel segens-
reiche Impulse erhalten, als sie ihrerseits der Dermatologie ge-
boten haben, dass die Dermatologie den Zusammenhang mit
der Gesammtmedicin sorgsam gepflegt hat.
Die Arbeiten aus dieser Epoche haben wesentlich dazu
beigetragen, die Diagnose und Charakteristik der Haut-
krankheiten zu festigen, eine vereinfachte und allgemein ver-
ständliche Terminologie zu begründen, ihnen ist es zu danken,
dass das Chaos in der Nomenclatur gelichtet und eine inter-
nationale Verständigung ermöglicht wurde.
Das hat sich nicht ohne eine gewisse Gewaltthätigkeit
vollzogen. Niemand hat das früher begriffen, als H e b r a's nächste
Schüler, die Herausgeber und Mitarbeiter des Archivs, aber
man war der Ansicht, dass vorerst eine Festigung des unbe-
streitbar Richtigen erzielt werden müsse und dass die genaue
Kenntniss desselben allmälig von selbst zu einer neuerlichen
Richtung führen werde.
IX
Das, was die Hebra'scho Schule als die objective Diagnostik
bezeichnet, das Erkennen der Hautkrankheiten aus den ob-
jeetiven Symptomen, hat dem Kliniker eine Sicherheit und Festig-
keit in der Au£Fassung, in der Vorhersage und in der Behand-
lung verliehen, die zu ähnlichen therapeutischen Erfolgen führte,
wie sie die chirurgischen Fächer aufzuweisen haben. Es wurde
immer dankenswerther, sich der Behandlung der Hautkrank-
heiten zu widmen, denn auch das Laienpublicum wurde es
nachgerade müde, die Unwissenheit der Aerzte, die sich unter
dem Deckmantel der Behauptung von der Gefährlichkeit der
Heilung von Hautkrankheiten versteckte, länger zu ertragen, da
es so oft Gelegenheit hatta, das Gegentheil zu erfahren. Bei
diesem glücklichen Gange der Dinge konnte es leider nicht
ausbleiben, dass sich immer mehr Unberufene an die praktisclie
dermatologische Thätigkeit herandrängten, solche, deren Kühn-
heit oft nur von ihrer bodenlosen Unwissenheit übertroffen
wird und die die mühsam errungene Reputation des Faches
gefährden. Das gilt nicht allein bezüglich der sogenannten
specialistischen Praktiker, die in der Nothlage des ärtzlichen
Standes zu allerlei tiaurigen Mitteln ihre Zuflucht nehmen, das
gilt noch mehr hinsichtlich jener viel gefährlicheren Elemente, die
unter dem wissenschaftlichen Gewände nur persönliche Reclame
betreiben. Sich solche Elemente fern gehalten, ihnen die Pforten
des Ai-chivs verschlossen zu haben, rechnet sich die Redaction
als ein Verdienst an, das nicht hoch genug anzuschlagen ist.
Ueberall auf dem Gebiete der praktischen Medicin gibt es
solche Uebelstände zu beklagen, es ist aber evident, dass sie
auf dem Gebiete unserer Specialitäten viel häufiger vorkommen.
Der specielle Gnmd hiefür liegt in unserem Unterrichtswesen,
wie sich sofort ergeben wird.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei dem tröstlichen
Gedanken, den uns der hohe Aufschwung bietet, den unsere
Specialwissenschaften in der abgelaufenen Zeitepoche
genommen haben.
Kaum ein Jahr nach der Gründung des Archivs entstanden
auch in Frankreich, in England, in Nordamerika dermatologische
Fachjournale mit ähnlicher Tendenz wie unser Archiv. Der
Gedankenaustausch zwischen den Dermatologen gestaltete sich
immer reger und inniger. Es erfüllt uns mit grosser Befriedi-
gung, auch auf diesem Wege vorangegangen zu sein, allein ganz
besondere Freude empfinden wir darüber, dass durch die Be-
gründung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, welche
von der Redaction dieses Archivs ausgegangen ist, eine Schöpfung
ins Leben gerufen wurde, die schon jetzt, nach kurzem Be-
stände, schöne Früchte getragen hat, der das Archiv zwei Er-
gänzungshefte gewidmet hat und von der wir hoffen, dass sie
zur Erfüllung der Bestrebungen, denen diese Blätter gewidmet
sind, immer ausgedehnter und immer eingehender beitragen wird.
Nicht mit gleicher Befriedigung können wir auf die Er-
folge zurückblicken, die auf dem Gebiete des Unterrichtswesens
in unseren Specialfächern erzielt worden sind. Das Archiv hat
schon in seinem ersten Hefte 1869, in einem einleitenden
Artikel Siegmunds auf die Nothwendigkeit der Errichtung
von Kliniken für Dermatologie und Syphilidologie hingewiesen
und dieselbe seither immer wieder urgirt. Von durchschlagender
Wirkung waren diese Bestrebungen nur in Oesterreich, wo den
Specialfächern überhaupt, seit der Initiative, welche von der
grossen Kaiserin ausging, von Seite der Regierung erhöhte Auf-
merksamkeit und verständnissvolles Wohlwollen geschenkt wird.
Es muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass Wien
diesem Umstände, das ist der Pflege der Specialitäten, seine
Anziehungskraft gegenüber den anderen Universitäten Oester-
reichs und Deutschlands zu verdanken hatte und noch hat.
Nach Wien, wo zuerst der Ophthalmologie, der Dermatologie
XI
und Syphilidologie, der Ijaryngologie etc. Kliniken gewidmet
wurden, pilgerten deswegen und nur deswegen Aerzte und
Studierende aus aller Herren Länder, um sich Kenntnisse auf
Gebieten zu erwerben, deren Wichtigkeit sie früher begriffen
haben als ihre heimischen Regierungen und Lehrercollegien.
Diese letzteren verhalten sich überhaupt unseren Specialitäten
gegenüber vielfach kühl, wenn nicht gar abweisend. Um so
dankbarer muss es anerkannt werden, dass das Prager medic.
ProfessorencoUegium mit grosser Wärme und dem Gewichte
des grossen Ansehens, den dasselbe, während des neuerlichen
Aufblühens der med. Facultät im Anfange der siebziger Jahre,
bei der Begierung genoss, die Emchtuug einer Klinik für
Hautkrankheiten und Syphilis für Prag und mittelbar für alle
med. Facultäten Oesterreichs, die dem Beispiele des Prager
CoUegiums folgten, zu begründen verstand. Seither bestehen
in Oest^rreich an allen medicinischen Facultäten Kliniken für
Hautkrankheiten und Syphilis und eben ist die Regierung, ge-
treu den Traditionen, die aus der Zeit der Kaiserin Maria
Theresia diesbezüglich lebendig erhalten wurden, daran ge-
gangen, diese Professuren zu ordentlichen zu gestalten.
Die wohlthätigen Folgen dieser Institutionen sind nicht
ausgebheben, die Ausbildung der Aerzte in diesen Fächern ist
eine allgemeinere geworden und hat eine erfreuliche Wirkung
auch dahin geübt, dass den specialistischen Charlatanen und
Reclamhelden, in Oesterreich wenigstens, immer mehr der Boden
entzogen wird, denn dieser Boden, darüber kann kein Zweifel
bestehen, ist die Unwissenheit der Aerzte auf diesem Gebiete,
wie überhaupt die mangelhafte Ausbildung der Aerzte in der
praktischen Medicin die Ursache ist des üppigen Emporwucherns
der Kurpfuscherei.
Es ist hier nicht der Oi-t, die Nothwendigkeit einer tüch-
tigen Ausbildung der Aerzte auf dem Gebiete der Haut- und
xn
Geschlechtskrankheiten des Breiteren auszuführen, schon aus
hygienischen und sanitätspolizeilichen Gründen hat der Staat
die Pflicht für eine solche Ausbildung zu sorgen und sich die
Ueberzeugung zu verschafien, dass die approbirten Aerzte sich
die entsprechenden Kenntnisse erworben haben. Diese Ueber-
zeugung kann sich der Staat aber nur verschaflFen, wenn er die
Aerzte verpflichtet, diese Kliniken zu frequentiren und aus
diesen Fächern bei dem Staatsexamen Prüfungen abzulegen.
Auch nach dieser Richtung ist nunmehr in Oesterreich und
zwar insbesondere auf Andringen der Sanitätsbehörde eine
Action eingeleitet, die, wir wollen es hoffen, bald zu einem
entsprechenden Resultate führen wird.
So erfreulich sich die Dinge in Oesterreich gestaltet haben,
und wir wollen mit Vergnügen constatireu auch in der Schweiz
zu gestalten beginnen, in Deutscliland ist es damit schlecht
bestellt. Noch gibt es in Deutschland Universitäten, in welchen
vom Staate selbst, für einen gedeihlichen Unterricht in un-
seren Fächern gar nicht oder nur sehr mangelhaft vorgesorgt
ist. Noch besteht an manchen Universitäten die Gepflogenheit,
dass der Unterricht in unseren Fächern nur so nebenher an
den internen und chirurgischen Kliniken gegeben wird. Zumeist
jedoch liegt die ganze Arbeit auf den Schultern opferwilliger
Privatdocenten, welche sich durch Errichtung von Ambulatorien
das Material für den Unterricht selbst beschaffen und die
Kosten für die Bestreitung der Lehrmittel aus Eigenem tragen
müssen. Es ist absolut nicht zu verstehen, weshalb selbst an
Universitäten, an welchen eigene Spitalsabtheilungen für Haut-
und Geschlechtskranke bestehen, diese Abtheilungen nicht zu
Kliniken umgewandelt werden und der selbständigen Leitung
eines Fachmannes als eigene Lehrkanzeln unterstellt werden.
Ist es doch sogar geschehen (Würzburg), dass eine derai'tige
selbständige Abtheilung, die von einem gediegenen Fachmanne
XIII
in vortrefflicher Weise zu Unteirichtszwecken verwerthet wurde,-
nach dem Tode des Vorstandes wieder der Leitung des internen
Klinikers, gewiss gegen seinen Wunsch und gegen sein Inter-
esse, übei'geben wurde. Das ist ein nicht genug zu beklagender
Rückschritt, weshalb wir erwarten, dass der bayerische Herr
Unterrichtsminister, der bei Gelegenheit der Naturforscher- Ver-
sammlung in Nüniberg in erhebender Weise die Versicherung
ortheilte, dass ihm als Ehren-Doctor der Medicin die Förderung
des medicinischen Studiums besonders am Herzen liege, diesen
Anachronismus beseitigen und an den bayerischen Hochschulen
entsprechende Einrichtungen ti'effen werde, dies um so ge-
wisser, als den Universitäten München und Würzburg der Ruhm
gebührt, bis in die siebziger Jahre, neben Berlin die einzigen
Stätten in Deutschland gewesen zu sein, an welchen in unseren
Fächern von hervorragenden Männern Unterricht ertheilt wurde.
Mit Vei^nügen schliessen vdr diesen Rückblick mit dem
Hinweise auf die in Breslau und Bonn erzielten Erfolge. Hier,
wo seit 1877 und 1882 Kliniken fiir Haut- und Geschlechts-
krankheiten bestehen, finden wir diese Institute in eigens hiefüi*
aufgeführten Neubauten untergebracht, welche allen Anforde-
rungen an klinische Institute entsprechen. Ganz besonders
gilt dies von der neuen Breslauer Klinik, "*") die auf demselben
Terrain me die anderen neuen Breslauer Kliniken, in bevor-
zugter Lage stehend, sowohl in der prachtvollen baulichen
Ausführung, wie in der äusserst praktischen inneren Einrich-
tung ein wahres Musterinstitut bildet. Es ist daraus ersichtlich,
dass nun auch in Deutschland, speciell inPreussen, die Unter-
richtsbehörden die Bedeutung der Dermatologie besser zu
würdigen beginnen und die argen Unterlassungssünden zu tilgen
suchen. Wir beti-achten die neue Breslauer Klinik > als das
*) Kino ausführliche Beschreibung dioser Klinik mit Abbildungen
bleibt dein nächsten Hefte vorbehalten.
XIV
glanzToUe Wahrzeichen einer Wandlung, die sich nunmehr auch
in der äusseren Stellung unserer Fächer in Deutschland voll-
ziehen wird.
Aus diesen Auseinandersetzungen ergibt sich, dass das
Archiv an den Bestrebungen zur Förderung der Wissenschaft
und des Unterrichtes jederzeit werkthätigeu Antheil genommen
hat und so dürfen wir wohl mit Genugthuung auf die Leistungen
des Archivs in dem abgelaufenen Vierteljahrhundert zurück-
blicken.
Der Aufschwung, den das Archiv im Laufe der Jahre ge-
nommen, zeigt sich schon in dem Umfange, der den einzelnen
Jahresbänden gegeben werden musste. Anfangs viermal im Jahre
in Heften von 8 — 10 Bogen ausgegeben, erschien es seit 1886
sechsmal in Heften von 10 Bogen und musste schliesslich bei
namhafter Uebei*schreitung des Umfanges von CO Bogen pro Jahr^
zur Herausgabe von Ergänzungsheften geschritten werden. Abge-
sehen von der reichen Fülle von Originalarbeiten boten und
bieten die Berichte über die Leistungen auf dem Gebiete der
Dermatologie und Syphilidologie einen Ueberblick über die in
zahlreichen Zeitschriften zerstreute Fachliteratur, welcher dem
Forscher eine möglichst vollständige und rasche Orientirung
über die Publicationen gestattet.
Diese Leistungen wären nicht möglich gewesen, wenn sich
die Redaction nicht der Unterstützung und Mitwirkung aus-
gezeichneter Fachgenossen zu erfreuen gehabt hätte, die sich
zu verschiedenen Zeiten an der Herausgabe des Archivs bethei-
ligt haben. Mit Wehmutli gedenken wir hier unseres zu früh
dahingegangenen Freundes Au spitz und zollen unseren herz-
lichsten Dank den Herren Herausgebern, den Professoren Ca-
spary, Kaposi, Lewin, Ne isser, insbesondere den Herren
Kaposi und Neisser, welche seit dem Jahre 1886 die
Redaction des Referatentheils mit ausserordentlichem Erfolge
XV
leiten und danken ebenso den Herren Doctoren Horovitz
und Jadassohn, welche sie bei derRedaction wesentlich unter-
stützen. Aber auch allen anderen Mitarbeitern des Archivs,
die einzeln anzuführen uns der Raum nicht gestattet, sagen
wir unseren wärmsten Dank und erbitten uns ihre fernere Mit-
wirkung. Die Redaetion ihrerseits kann diesem Danke keinen
besseren Ausdruck geben als durch das Versprechen, an dem
Programme des Archivs auch in der Zukunft festzuhalten.
Es drängt uns noch unseren herzlichsten Dank und unsere
wärmste Anerkennung auszusprechen der ausgezeichneten Ver-
lagshandlung, welche den Wünschen der Herausgeber und Autoren
jederzeit bereitwillig entgegengekommen ist und in richtigem
Verständniss von der Wichtigkeit unseres Unternehmens dem-
selben grosse Opfer gebracht hat, sich somit einen wesent-
lichen Antheil erworben hat an dem Blühen und Gedeihen des
Archivs.
PRAG, November 1893.
Originalabhandlungen .
Archiv fRr D«mato]. n. Syphil. Band XXVI.
Finden sich in den als leprafrei bekannten
Landstrichen Frankreichs, insbesondere im
Norden und in Paris, Spuren der alten
Lepra?
Von
Prof. Henri Leloir in Lille.
Die Frage von der Persistenz der Lepra in enropäischen
leprafreien Gegenden und insbesondere in Frankreich, eine
Frage von höchstem Interesse, wurde zwar öfters schon erhoben,
wie wir alsbald sehen werden; da sie aber von Neuem im
August 1890 in der Academie de Medecine discutirt wurde,
ohne dass ich an dieser Discussion theilnehmen konnte, erlaubte
ich mir der Akademie diesbezüglich eine Arbeit in der Meinung
vorzulegen, dass das im Hinblick auf die Arbeiten, die ich
über diesen Gegenstand früher veröffentlicht habe, nicht ohne
Nutzen sein dürfte.
Im Jahre 1882 habe ich in meinem Buche: „Recherches
cliniques et anatomo-pathologiques sur les affections cutanees
d'origine nerveuse." Paris, A. Delahaye et Cie. I88I, p. 117
u. ff. eine Beobachtung mitgetheilt, bei der es sich um ein
junges Mädchen handelte, das eine bis jetzt unbenannte Affec-
tion darbot, welche ich mit dem Namen Plaques gangreneuses
cutanees multiples en rapport avec une lesion du Systeme ner-
veux bezeichnete, welche aber in gleicher Weise als Lepra auf-
gefasst werden konnte.
Poncet de Cluny, dessen Competenz in diesen Dingen
Jedermann kennt, zögerte nicht die Diagnose Lepra zu machen.
4 L e 1 o i r.
Ich meinerseits glaubte diese Diagnose nur nut grosser
Reserve annehmen zu dürfen und rechnete also diese Affection
unter die noch unbenannten Hauterkrankungen nervösen Ur-
sprungs und bezeichnete sie als „trophoneurotische Gangrän der
Haut unter dem Bilde der Lepra".
Dieses junge Mädchen, in Paris geboren, hat Paris niemals
verlassen. Ich lasse hier die Krankengeschichte dieses jungen
Mädchens folgen:
Fall I.
Multiple Gangrän der Hant bei einem MAdchen
von IS Jabren.
Beginn der Hautaffection mit schmerzhaften Sensationen
im Bereiche umschriebener Stellen der Haut. Anästhesie
an der Stelle, wo der gangränöse Schorf erscheint. Multiple
Herde vonGangrän von pergamentartigem Aussehen; daran
anschliessend Ulcerationen mit nachfolgender Keloidbil-
dung. Keine bemerkenswerthe Störung des Allgemeinbe-
findens. Beginn der Erkrankung vor 3 Jahren. Verschiedene
Methoden der Behandlung. Keine Besserung.
Margnerite M..., 18 Jahre alt, Näherin, geboren in Paris, hat
Paris niemals verlassen.
Hereditäre Verhältnisse: Vater, ein wenig erregbar, hat keine
Syphilis durchgemacht. Mutter, 42 Jahre alt, scheint bis 1876 gesund
gewesen zu sein, zu dieser Zeit wurde sie plötzlich von einem epilepti-
formen Anfalle mit vollständigem Verluste des Bewusstseins befallen, und
diese Anfalle wiederholten sich fast alle 14 Tage, sogar während des
Schlafes (vorausgegangen war während einiger Jahre eine Verminderung
des Gedächtnisses). Gharcot und ebenso sein Schüler, Dr. Rieh er, der
später consultirt wurde, scheinen bei dieser Kranken Hysterie diagnoslicirt
zu haben. Dieser Ehe entstammen 6 Kinder, von denen eines im Alter
von 3Va Jahren an einer nach Morbillen aufgetretenen Bronchopneumonie
starb; eine Tochter litt in ihrem 13. Lebensjahre, also während der
Pubertät, an Chorea; der erste Anfall dauerte 2 Monate; er hinterliess
dann noch einige choreatische Zuckungen. Zwei Töchter sind vollkommen
gesund.
Antecedentien der Patientin selbst: Keine Ausschläge, keine Drüsen-
schwellangen während ihrer Jagend, kein Ausfluss aus dem Ohre; gra-
nulöse Ophthalmie im Alter von 2, Scarlatina im Alter von 10 Jahren.
Oefters an Migräne leidend. Mit 11 V^ Jahren wurde sie das erstemal
menstruirt- ohne Beschwerden; seit dieser Zeit ist sie alle 14 oder 18
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 5
Tage menstmirt, die RegeLi danem 6 bis 7 Tage und sind nicht selten
begleitet von Schmerzen im Bauche und in der Nierengegend. Fünf
Monate vor Beginn der gegenwärtigen Affection eine Eruption von Fu-
runkeln auf dem Halse und dem linken Arme.
Beginn der Erkrankung. September 1878 erschien auf der rechten
Wange ein rother, nur wenig schmerzhafter Fleck, der so während 6
Monaten persistirte; dieser Fleck war sogar manchmal leicht schwärzlich
am Morgen und war von einer intermittirenden Injection des rechten
Auges begleitet. Ein herbeigerufener Arzt (Bepasse) dachte an eine
Entzündung des Jochbeins, während sieBernutz für eine Art Er3rthema
nodoeum hielt. Niemals irgend ein Hautausschlag, niemals kleinere oder
grossere Blasen. 6 Monate nach Auftreten dieses rothen Fleckes zeigte sich
auf der Wange ein kleiner grauer Schorf, ungefähr von der Grösse eines
50 Centimesstückes, ähnlich dei^enigen, welche in der Folge auftraten,
aber yiel oberflächlicher, so dass das sich entwickelnde Geschwür und
die später entstehende Narbe nur sehr klein waren. Einige Wochen nach
dem Erscheinen der ersten gangränösen Stelle zeigte sich eine ähnliche
hinter dem linken Ohre und diese hinterliess eine zwar seichte, aber sehr
hartnäckige Ulceration. Darauf folgte eine neue kleine gangränescirende
Stelle auf der Wange, femer ähnliche am Halse, in der Magengrube und
am linken Arme. Seit dieser Zeit erscheinen jeden Augenblick neue
Eruptionen von gangränösen Herden, so dass die Kranke kaum 14 Tage
Ruhe hat. Seit 2 Jahren vergeht keine Woche, ohne dass sich ein neuer
Herd zeigt. Der Vater der Kranken consultirte nach und nach Bepasse,
der Ferrum jodatum, dann arsenigsaures Natron. Einreibungen mit einer
Jodoformsalbe, dann phosphorsauren Kalk, später Kupfersulphatbäder,
verordnete, sodann B er nutz, der ebenso arseniksaures Natron verordnete,
dann Leberthran und Belladonapillen, Ricord, der arseniksaures Eisen,
Fournier, der Jodeisen und Jodkali verordnete und die erkrankten
Theile mit Vigo-Pflaster bedecken liess. Landouzy liess Eisen- Arsenik
und Reispuder gebrauchen, Hardy Jodkali, Leberthran, Ergotin und
endlich Tinctura nucis vomicae.
Status praesens (4. April 1881): Das junge Mädchen ist von
kräftigem Wüchse. Die A£fection bietet sich uns in verschiedenen Stufen
der Entwicklung dar im Bereiche der oberen Extremitäten , des Halses
und des Kopfes, des linken Knies und der Magengrube.
Linke obere Extremität: Diese ist ganz besonders interessant, in-
sofeme man an ihr die verschiedenen Formen der Affection in den
verschiedenen Graden ihrer Entwicklung verfolgen und studiren kann.
Erster Typus: Ln Bereiche der mittleren Partie des Vorderarmes
findet sich ein gangränöser Herd, der sich letzten Donnerstag angeblich
zeigte und während 24 Stunden durch ein fortwährendes, ziemlich un-
angenehmes Prickeln, das die Kranke nach ihrer Angabe sogar aus dem
Schlafe weckte, angekündigt wurde. Wenn das junge Mädchen mit dem
Fioger auf die hyperästhetische Stelle, wo sich später der Herd ent-
wickelte, drückte, entstand daselbst eine sehr intensive, schmerzhafte
() L e 1 o i r.
Sensation, die es zwar nicht genau definiren kann, aber am liebsten mit
einem heftigen Kneifen vergleichen würde. Da die Patientin ihren Arm
immerwährend verbunden tragt, ist es uns unmöglich zu bestimmen, ob
dem Entstehen der Herde Hyx>eramie oder Anämie der Haut vorhergeht.
Die Schorfe bieten von allem Anfange an das Aussehen, wie wir es jetzt
sofort beschreiben werden. Doch ist der Schorf im Momente seines
Erscheinens etwas weisser und die Ränder etwas stärker entzündet.
Die Kranke ebenso wie ihr Vater beharren fest auf der Behauptung, dass
weder eine Blase noch eine Abhebung der Epidermis der Schorfbildung
jemals vorhergeht, sondern dass sie von allem Anfang pergamentartige
Schorfe darstellen, wie wir sie mit Beziehung auf den Herd am
Vorderarme stndiren werden, endlich dass sie leicht eingesunken er-
scheinen.
Der Herd Ä ist ein wenig oval, 6 Cm. lang, 4 Gm. breit, leicht
eingesunken. Er hat eine graue Farbe, ist pergamentartig, leicht braan
in seinem Centrum, absolut glatt. Er ist vollkommen unempfindlich, so
dass man eine Nadel bis zur Tiefe eines Mm. und noch tiefer einstechen
kann, ohne Sehmerz zu erzeugen. Die so verschorfte Haut ist ausser-
ordentlich dicht, so dass man nur mit grosser Mühe eine Nadel ein-
stechen kann; wenn der Schorf sich ablöst, so soU er nach Angabe der
Kranken ebenso wie ihres Vaters, ungefähr 2 Mm. dick sein und sehr
fest, 60 dass er nur mit Aufwand von Kraft mit der Schere durchschnitten
werden kann. Die Ränder des gangränösen Herdes sind in einer Breite
von 1 — 2 Mm. ungefähr heftig entzündet und leicht hervorragend über
die umgebende Haut, ebenso wie über den Schorf; sie haben eine dunkler-
rothe Farbe, welche von der rothen Farbe der den Schorf in einer
grösseren oder kleineren Entfernung umgebenden Haut deutlich absticht.
Die Haut ist leicht geröthet und anscheinend ein wenig narbig, weil der
Schorf sich an Theilen entwickelt hat, welche schon früher von derselben
Affection ergriffen worden waren, indem der Herd Mitte Januar 1881
entstanden war. Die Sensibilität ist im Bereiche der den Schorf in einer
Distanz von ungefähr 2 Cm. umgebenden Haut deutlich vermindert, und
es ist diese Verminderung der Sensibilität hauptsächlich im Bereiche der
rothen, den Schorf begrenzenden Ränder ausgesprochen. So empfindet z. B.
die Patientin im Bereiche der Ränder einen leichten Nadelstich nicht,
den sie ungefähr 2 Cm. nach aussen empfindet ; sie empfindet eine leichte
Berührung oder ein Reiben mit dem Stecknadelkopfe hier nicht, während
sie dieselben 2 Cm. nach aussen von dem Schorfe deutlich empfindet;
ebenso ist die Empfindung für Druck mit dem Nadelkopfe sehr ver-
mindert.
Zweiter Typus : Wenn der Schorf abfallen soll, was nicht vor Ablauf
einer verschieden langen Zeit, 2—3 Wochen und darüber erfolgt, bräunt
sich der Schorf, strebt sich abzuheben, seine Ränder lösen sich allmälig
los, es entsteht eine leichte Eiterung, und nach und nach löst sich der
Schorf ab (der Vater schneidet gewöhnlich die sich erhebenden Ränder
ab, damit sie nirgendwo hängen blieben und so der Kranken Schmerzen
Finden sich in Frankreich Sporen der alten Lepra? 7
verorsachten), so dass nngeiahr 14 Tage vergehen, bevor der Schorf
vollkommen abgestossen ist. unter dem Schorfe kommt die in verschie-
dener Tiefe (1 — 3 Mm.) exolcerirte Haut mit dem exulcerirten Papillär-
körper, von wenig reichlichem Eiter bedeckt, zum Vorschein. Man kann
diese beiden Arten des Verlaufes sehr gut an den beiden Schorfen am
Halse verfolgen. Der eine im Begriffe sich abzulösen, der andere schon
zum Theile abgelöst. Im Bereiche der Hand findet sich ein ovales Ge-
schwür von 3 Gm. Länge, 2 Mm. Breite; sein Grund ist braunüch, an
einzelnen Stellen leicht granulirend und theilweise mit einer dünnen
Schicht getrockneten Eiters bedeckt. Die Bänder dieser Ulceration, die
aus einem vor ungefähr 3 Wochen aufgetretenem Schorfe entstand,
zeigen eine gewisse Tendenz zur Vemarbung und sind steil abfallend.
Ein wenig unterhalb der Ellbogenbeuge ist eine gut granulirende
Ulceration auf dem Wege der Vemarbung; sie entstammt einem vor 5
Wochen aufgetretenen Schorfe.
Ausser diesem Schorfe und diesen mehr oder weniger auf dem
Wege der Vemarbung befindlichen Ulcerationen findet man auf dem
Vorderarme reichliche Karben, Spuren alter Efflorescenzen, welche den
oben beschriebenen ganz analog waren. Unter dem Schorfe Ä befindet
sich eine Narbe von 5 Cm. Länge und 5 Gm. Breite, unregelmässig
viereckig; oberhalb dieses Schorfes findet] sich eine etwas kleinere
Narbe von Sichelform. Die untere Narbe, leicht eingezogen, ganz glatt,
von bläulichrother Farbe, sieht einer alten Narbe nach einer Verbrennung
3. Grades zum Verwechseln ähnlich; sie entstammt einem im März 1880
zum Vorschein gekommenen Schorfe. Etwas höher oben, in der oberen
Hälfte des Vorderarmes, befinden sich analoge, aber weniger einge-
zogene Narben. In der Nähe der granulirenden Ulceration finden sich
etwas längliche unregelmässige , leicht vorspringende Narben , welche
die Tendenz zeigen, keloidartig zu wuchern; sie stammen von Schorfen,
welche sich December 1879 gezeigt haben. Alle diese Narben, welche die
Neigung zeigen, sich in Eeloide umzuwandeln, sind glatt, bläulich-braun
und sehen leicht vorspringenden Narben nach Verbrennungen 3. Grades
ausserordentlich ähnlich. Dieser Keloidcharakter der Narben ist besonders
im Gebiete des Halses und des Gesichtes ausgesprochen, wo sie, wie wir
sehen werden, den durch concentrirte Schwefelsäure erzeugten Narben
auffallend ähnlich sehen.
Im Bereiche aller dieser Narben findet man ziemlich ausgesprochene
Anästhesie; die Patientin empfindet hier leichte Nadelstiche, leichte Be-
rührung mit dem Nadelkopfe nicht. In der unmittelbar unter • dem Schorfe
A gelegenen Narbe empfindet sie öfters Prickeln und sogar Schmerzen,
wenn sie dieselbe berührt. 5 ähnliche Narben, darunter eine ziemlich
vorspringende, befinden sich im Bereiche der vorderen, seitlichen Partieen
des linken Armes.
Rechte obere Extremität: Im Bereiche der vorderen Gegend des-
rechten Handgelenkes finden sich 2 Narben ungefähr von der Grösse^
g L e 1 o i r.
eines IFrankstückes, glatt, leicht erhaben ; sie gingen aus Schorfen hervor,
welche im März 1880 erschienen waren.
Im Bereiche des linken Knies findet sich eine kleine , leicht
bläuliche Narbe von der Grösse eines IFrankstückes, welche von einem
Juli 1880 entstandenen Schorfe stammte.
Im Bereiche der Magengrube eine wenig vorspringende, weisse
Narbe von einem Durchmesser, der dem eines 50Ceo timesstück entspricht;
sie entstammte einem Mai 1879 erschienenen Schorfe.
Hals und Kopf. In den seitlichen Partien des Halses und in der
regio submaxillaris finden sich 2Frankstück grosse Narben, mehr oder
weniger länglich oder unregelmässig, von dunkelrother Farbe, Spuren vor
Herden von Nekrose, welche sich seit ungefähr 2 Jahren gezeigt hatten.
Yor dem linken Ohre finden sich 3 rothe, längliche, vorspringende
Narben, welche denen nach Schwefelsäureverbrennung ausserordentlich
ähneln.
Aehnliche Herde weist unsere Kranke auf der rechten Seite auf.
Ebenso trägst sie in der Regio subhyoidea zwei g^ue nekrotische Stellen,
von der ungefähren Grosse eines IFrankstückes, im Begriffe, abgestossen
zu werden. Auf der linken Hälfte der Stirn eine rothe, sichelförmige
Keloidnarbe, Spuren eines im letzten Sommer aufgetretenen Herdes.
Im Bereiche der rechten Backe 2 Narben von der Grösse eines
öOCentimesstückes, wenig eingezogen, weiss und von einer zartrosa Haut
umgeben, Spuren der ersten Herde, welche sich im September 1878 ge-
zeigt hatten.
Die behaarte Haut und der Rest des Körpers sind vollkom-
men frei.
12. April. Die Patientin hat am 8. April um 10 ühr Vormittags
über ziemlich heftiges Prickeln hinter dem rechten Ohre geklagt. Der
Vater, von uns beauftragt, hat sofort diese Gegend untersucht und die
Gegenwart eines rothen Herdes von öFrankgrösse constatirt; er stach mit
einer Stecknadel in diese Stelle, ohne dass die Kranke die geringste Em-
pfindung davon hatte. Am selben Tage, gegen 5 Uhr Abends, zeigte sich
im Gentrum dieses rothen Herdes eine nekrotische Partie von grau-weisser
Farbe und von der Grösse eines 2Frankstücke8 ungefähr und umgeben
von einem rothen Hofe; dieser Herd gleicht vollkommen dem genau und
ins Detail beschriebenen Herde auf dem linken Vorderarme. Bis zu dem
Augenblicke, wo der Schorf sich gebildet hat, vermehrt sich das Prickeln ;
sobald aber der Schorf da ist, leidet die Kranke nicht mehr oder nur
wenig bis zum Momente seiner Ablösung.
Den 10. April gegen 9 ühr Morgans Prickeln im Bereiche der
seitlichen Partien des Halses, ein wenig unterhalb und hinter dem rechten
Ohre und Auftreten eines gangränösen Herdes von der Grösse eines
2Frankstücke8 um 6 ühr Abends.
12. April. Nachdem Patientin Hardy um Rath gefragt hatte,
kam sie zu Vulpian, der ihr von folgender Lösung täglich 1 Esslöffel
Finden sich in Frankreich Sparen der alten Lepra? 9
Terordnete : Aqoae destillatae Gr. 300*0, auri chlorati 0*02 und eine, spater
3 Belladonapillen k 0*02.
Seit einiger Zeit empfindet Patientin lancinirende Schmerzen in den
Keloidnarben des Halses.
26. April. Am 14. April ist ein neuer Herd in der linken Regio
parotidea erschienen, und am 18. ein neuer in der linken Regio sub-
maxillaris, und zwar scheinen sich diese Herde viel rapider zu entwickeln
als gewöhnlich.
Behandlung: Durch 8 Tage 8 Löffel der Goldchloridlösung, in 8
darauffolgenden Tagen 4 Löffel.
2. Mai. Keine neuen Herde.
7. Mai. Wir stellen die Patientin der biologischen Gesellschaft vor.
Poncet diagnosticirt Lepra.
17. Mai. Am 14. Mai ist ein neuer Schorf von der Grösse eines
2Frank8tückes in der vorderen und mittleren Partie des linken Vorder-
armes erschienen, er erscheint viel oberflächlicher als die früheren und
ein anderer neuer in der linken Regio submaxillaris. Ihrem Erscheinen
gingen dieselben Phänomene voran, immer fand sich anfangs Anästhesie.
Täglich zwei Gläser folgender Lösung auf mehrere Male zu
nehmen : Wasser 1800 Gr., Natrii phenylici 2 Gr.
Täglich Früh und Abends von folgenden Pillen 1 zu nehmen:
Ghinini hydrobromici Gr. 3*0; Pulv. Yalerian. q. s., ut fiant pil-
lulae Kr. XX.
Nach Verlauf von 3 Tagen 3 Pillen, nach Verlauf von 4 Tagen 4
zu nehmen.
Vulpian verordnet dann verschiedene Mittel: Jodoformpillen, dann
Carbolsänre, folia Jaborandi, Eisenarsen und Strychnin.
Trotz dieser Behandlung fahrt die Krankheit jedoch fort sich
weiter zu entwickeln, Woche für Woche sieht die Kranke neue Herde
▼on Nekrose entstehen, sei es auf dem Halse, sei es auf den Armen;
regelmässig geht dem Auftreten dieser Herde eine schmerzhafte Sensation
voran und vollkommene Anästhesie im Bereiche desjenigen Punktes, wo
die Gangrän in der Folge eintritt (der Vater hat mehreremale mit einer
Nadel bis zu einer Tiefe von 2 Mm. eingestochen, ohne Schmerz zu er-
zeugen). Häufig constatirt man an dem Punkte, wo dann Gangrän eintritt,
Röthung; zweimal aber war die Hautfarbe nach Aussage des Vaters
normal, ja sogar ein bischen blässer.
Am 3. August sehe ich die Kranke, welche sich immer in dem-
selben Znstand befindet, wieder. Es hat sich noch eiu neuer Herd auf
dem Arme gezeigt.
1855 schrieb ich im Vorworte meines der biologischen
Gesellschaft am 13. Juni 1885 überreichten und dem Ministe-
rium für Unterricht im October 1884 zur Verfügung ge-
stellten Berichtes über die Lepra in Norwegen: „Ich benütze
10 Leloir.
diese Veröffentlichung, um der Gesellschaft von 2 bemerkens-
werthen Fällen, welche ich gerade jetzt in Lille beobachte, und
welche in ihrem Aussehen eine ausserordentliche Aehnlichkeit
mit der Lepra mutilans zeigen, zu berichten." *) Der eine dieser
Fälle wurde erst kürzlich in meiner Klinik von Dr. Chaon
aus Nizza besichtigt, der mir beim Anblicke des Patienten sogar
sagte: „Sie haben also Lepra hier?" — Schon 1881 habe ich
einen Fall von Hautaffection beobachtet, der der Lepra zum
Verwechseln glich, was auch die Ansicht des Dr. Poncet war.*)
Bei diesen 3 Fällen, von denen ich später noch zu sprechen
haben werde, handelt es sich um in Frankreich geborene Fran-
zosen, von französischen Eltern abstammend, und keiner hat je
sein Land (der eine Paris, die beiden anderen das Departement
du Nord) verlassen.
Würden diese Kranken in einem Lande wohnen,
wo die Lepra zuHause ist, so würde man sicherlich
dieDiagnoseLepra mutilans machen. Daaber diese
Leute in Frankreich leben, so gibt man diesen
Affectionen einen problematischen Namen. — Sind
das nicht verkümmerte Fälle von Lepra, Spuren
der alten Lepra? Ich werde auf diese Frage, welche ich
breiter in meinen Vorlesungen behandelt habe, alsbald wieder
zurückkommen.
(ForUetzang folgt)
*) Diesen Fall illustrirten übrigens die am 13. Juni 1885 von mir
der biologischen Gesellschaft demonstrirten Photographien.
') Diesen Fall iUustrirten der Abdruck, den ich gemeinschaftlich
mit Dejerine im Mai 1881 der biologischen Gesellschaft vorlegte und
das diesen Fall betreffende Bild, welches 1881 veröffentlicht wurde, in
meiner Arbeit, betitelt: ^^Klinische und pathologisch-anatomische Unter-
suchungen über Hautaffectionen nervösen Ursprungs.^ Paris, A. Delahaye
& Co. 1881.
Zur Lehre von den Arzneiausschlägen.')
Von
Prof. Caspary in Königsberg.
Es ist ja lange bekannt, dass nach Einnahme von Jod- und
Brompräparaten und von Balsamicis bei vielen Menschen typische
Ausschläge — acnelform einerseits, Urticaria- oder roseolaförmig,
andererseits — auftreten. Aber es ist nicht viele Jahre her, dass auf
Idionsynkrasie beruhende, also unvorhergesehene Arzneiexant^eme
häufiger beobachtet und beschrieben werden, ich möchte fast
sagen, dass sie überhaupt beachtet werden. Ich irre wohl nicht,
wenn ich diese erhöhte Aufmerksamkeit, zumal in Deutschland
und Oesterreich, von dem Jahre 1877 datire, in dem Ko ebner
scharlachälmliche Exantheme nach Chinin beschrieb und zugleich
die spärliche Literatur über ähnliche Vorkommnisse angab. Seit-
dem sind nun sehr viele Mittheilungen erfolgt, aber ich glaube,
immer noch nicht genug. Schon aus Gründen der Therapie. Da
steht uns Allen doch immer noch obenan der hippokratische
Grundsatz : Nil nocere ! Wenn nun auch eine Jodacne und eine
Urticaria ex balsamicis uns meist keinen grossen Kunmier
machen werden, so gibt es doch ganz böse Arzneiausschläge,
die uns während ihres Bestehens sehr in Athem erhalten, und
') Nach einem Vortrage in dem Verein für wissenschaftliche Heil-
kunde.
12 Caspar y.
von denen manche zu Blindheit und Tod geführt haben. Dann
in diagnostischer Hinsicht. Es ist doch nicht gleichgiltig, wenn
jene Aebtissin in Meran, deren Beobachtung Ko ebner zu so
wichtigen Ergebnissen führte, mehrere Male an Scharlach be-
handelt, viele Wochen abgesperrt wurde und immer wieder
Chinin — dreimal in 5 Monaten — erhielt, das bei ihr immer
wieder ein scarlatiniformes Erythem hervorrief. Abei: es knüpfen
sich noch eine ganze Reihe anderer, praktisch und wissenschaft-
lich wichtiger Fragen an: Woher in manchen Fällen die plötz-
lich eintretendie Idionsynkrasie gegen ein lange vertragenes
Mittel? Woher ebenso plötzliches Erlöschen dieser eben noch
erprobten Idionsynkrasie ? Entstehen die nach äusserlichem Ge-
brauche des Mittels auftretenden Ausschläge auf dieselbe Weise
wie die auf internem Wege erzielten? Und wie kommen diese
letzteren überhaupt zu Stande? Auf reflectorischem Wege von
den Nervencentren aus? Oder durch Reizung der peripheren
Nerven? Oder durch directen Uebergang von dem Blute aus
in die Haut, etwa in die Hautdrüsen?
M. H., ich denke nicht, Sie hier durch einen Vortrag
über diese Fragen zu ermüden, nur um Ihnen schliesslich er-
klären zu können, dass sie mir alle noch als unaufgeklärte
Räthsel erscheinen. Ich bitte heute nur um die Erlaubniss,
Ihnen einige Beobachtungen als klinischen Beitrag zur Kennt-
niss der Arzneiexantheme vortragen zu dürfen.
Und da möchte ich zunächst von einem Krankheitsfalle
berichten, bei dem ich mit grosser Sicherheit eine falsche Dia-
gnose gestellt und sie — zum Glück dann selbst — corrigii-t habe.
Ein 28jähr. Mann wurde vor einem Jahre wegen eines chron. Haut-
ausschlageB von seinemArzte an michgewiesen. Seit'/« Jahren wurde der Pat.
den Sie seiner Hünengestalt wegen wahrscheinlich Alle von der Strasse
her kennen y immer wieder von Schüben desselben Exanthems heimgesucht.
Diese Schübe hatten gewöhnlich von den Händen oder Vorderarmen ihren
Anfang genommen, waren anfangs wenig verbreitet gewesen, aber mit j edem
neuen Anfall scheint die Zahl der Effloreszenzen und Ausbruchstellen zuge-
nommen zu haben, bis schliesslich der ganze Körper, freilich mit vielen freien
oder wieder freien Stellen dazwischen ergriffen war. So auch die Lippen
und manchmal die Zunge. Anfangs immer starkes Jucken, später mehr
Brennen und Spannungsgefuhl. Während der erste Anfall und wohl auch
spätere — der junge Mann ist ziemlich sorglos gewesen über die Einzeln-
heiten des Verlaufs, der ihn gar nicht so interessirte wie mich — fieber-
Zur Lehre von den Arzneiausschlägen. 13
los verlanfen zu sein scheinen, traten die späteren mit Schüttelfrost,
Uebelkeit und ein- bis mehrtägigem Fieber auf. Ich fand den Patienten
schon wieder ganz wohl, es waren mehrere Tage seit der letzten Erup-
tion vergangen, aber das Exanthem und seine Folgen waren sehr erheb-
lich. An einer Reihe von Stellen waren grosse Bullae vorhanden, an
anderen hellrothe oder dnnkelrothe, an noch anderen pigmentirte, braune
oder schiefergraue Flecken, zu vielen Hunderten im Ganzen. Zumal im
Gesicht war die Entstellung arg, wo sich alle diese Formen verbunden
fanden, besonders auch an den Lippen.
Wenn die Diagnose des chronischen Pemphigus vulgaris benignus
keine Mühe machen konnte, so war die Therapie doch sehr zweifelhaft.
Wir sind bis auf die seltenen Fälle, in denen der Arsenik günstig wirkt,
gegen Pemphigus ziemlich machtlos. Die baumstarke Körperlichkeit des
Patienten und die vielen Schmisse im Gesicht legten die Frage nach
öfteren Trinkgelagen nahe, und er erzählte ohne Zaudern, dass er für ge-
wöhnlich sehr massig, bei Festen mit seinen Corpsbrüdem tüchtig trinke^
Beliebiges vertrage, aber am nächsten Tage doch durch etwas Kopfschmerz
und massiges Unbehagen daran erinnert werde. Und an solchen Tagen
seien nun auch Eruptionen seit dem Ende v. J. gewöhnlich aufgetreten.
Kleine Gichtanjfalle, zu denen er hereditär disponirt scheine, seien seitdem
fortgeblieben.
Die nun eingeschlagene Therapie wirkte anscheinend Wunder. Ich
verbot schon mit Rücksicht auf das vorhandene kolossale Exanthem, zu-
mal die vielen Blasen, und natürlich auch zur Verhütung neuer Schübe,
körperliche Strapazen, schrieb eine sehr eingeschränkte Diät vor, Carls-
bader Salz u. 8. w. Alle Blasen schwanden unter normaler Ueberhäutung,
später alle Röthungen, nur dass sehr viele Pigmentirungen zurückblieben,
deren Schwinden ja auch bald zu erwarten war. Ich sah den Patienten
Monate lang nicht wieder, bis er eines schönen Tages mit einem tollen
Schübe sich wieder vorstellte. Zum ersten Male hatte er wieder an einem
Gelage Theil genommen, am nächsten Tage sich in alter Weise unbehag-
lich gefühlt, Kopfschmerzen gehabt und am Abende desselben Tages unter
Schüttelfrost das Exanthem entstehen gesehen. Das anfangliche Jucken
war bald, das Fieber nach ca. 24 Stunden geschwunden. Ich sah den Pati-
enten etwa 36 Stunden nach dem Beginne des Hautleidens. Ausser vielen
alt«n Pigmentflecken besonders der Lippen, auch der Gesichtshaut, fanden
sich besonders zahlreich an Beinen und Kreuzgegend, hier auch conflu-
irend, aber auch an allen übrigen Körpertheilen mehr isolirt, unzählige
rothe Flecken, alle etwa von der Grösse eines Grau-Erbsen-Durchschnitts ;
z. Th. hochroth, z. Th. mit darauf sich erhebenden Blasen rein serösen
oder auch trüberen Inhalts, z. Th. schon abblassend. Dabei kein Fieber
mehr, Wohlbefinden.
Dieses gleichzeitige Aufschiessen unzähliger Flecken, die theilweise
Rückgängigkeit nach wenigen Stunden ohne Blasenbildung, das gute Be-
finden sprachen doch gegen Pemphigus. Und als ich den Patienten fragte,
ob er nicht am Tage der Eruption statt des in meiner Jugend üblichen
14 C a 8 p a r y. - . ^
sauem Härings ein Medicament genommen habe, sagte er: Ja, 2 Gramm
Antipyrin. Und nun konnte er sofort 4 Schübe «eines pemphigoiden Lei-
dens auf dasselbe Medicament zurückfuhren. Morgens 1 bis 2 Gramm
Antipyrin, nach ca. 6 Stunden Schüttelfrost, Erbrechen, Fieber und Beginn
der Eruption. Wenn das anfangs sehr starke Jucken, das Fieber, das
schlechte Befinden nach wenigen Tagen verschwunden waren, scheinen
auch neue Flecken nicht mehr aufgetreten zu sein, während die alten
zum Theil zurückgingen, vielfach unter Hinterlassung von Pigmentflecken
— mit denen der Körper übersäet ist, — z. Th. sich mit länger persi-
Btirenden Blasen bedeckten. Es ist dem Patienten höchst wahrscheinlich,
und mir zweifellos, dass die Schübe nur nach Antipyringenuss auftraten.
Er glaubt sich zu erinnern, dass einmal nach der Einnahme des Medi-
caments kein Ausschlag eintrat, ' glaubt aber damals nur y, Gramm ge-
nommen zu haben.
M. H., erlauben Sie mir nur noch eine kurze Epikrise.
Ich denke, Sie werden nach dem Vorgetragenen auch nicht
daran zweifeln^ dass es sich hier um ein toxisches Exanthem an
«inem sonst gesunden Manne handelte, wenn ich gleich hinzu-
füge, dass ich bei der Untersuchung an ihm nichts Krankhaftes
ausser den Veränderungen an der Haut finden konnte, dass
speciell der Urin frei war von abnormen Bestandtheilen, dass
früher ausser acuten Exanthemen nie Hautausschläge vorge-
kommen waren. Aber bei der jedesmaligen Ursache des Anti-
pyringebrauchs konnte man daran denken, ob die Schädlichkeit,
die Noxe, das im Blute kreisende Irritans vielleicht im Alkohol
zu suchen sei. Nun, über solche Zweifel konnte mich der Pat.,
der mit seinen anamnestischen Angaben sonst sehr vorsichtig
war, weil er eingestehen musste, sich wenig beachtet zu haben,
sofort beruhigen. Er wusste genau, dass nach so manchen Trink-
gelagen keine Eruption gefolgt war. — Eine zufällige Verun-
reinigung des Antipyrins konnte auch nicht angeschuldigt werden,
da die Drogue theils hier, theils in Berlin, theils in einem Orte
in Westphalen entnommen war. Kurz, der maculo-buUöse Aus-
schlag war ein reines Antipyrin-Exanthem, das sich von den
vielen bekannten, doch wohl durch seine Intensität, vor Allem
durch das Zurückbleiben der vielen Pigmentflecke, die im Ge-
sicht, zumal an den Lippen entstellend und verdachterregend
waren, unterschied.
Aber ich möchte doch noch einmal auf den acuten Alko-
holverbrauch oder im Sinne der Temperenzler Alkoholmissbrauch
Zar Lehre von den Arzneiausschlägren. 15
zurückkommen, nicht für den eben mitgetheilten Krankheitsfall
sondern mit der allgemeineren Frage, ob nicht auch dagegen
eine sich in Hautyeränderungen aussprechende Idionsynkrasie
beobachtet seL Vereinzelt bei einem Individuum danach auf-
tretende Urticaria, die ich öfter gesehen habe, will ich nicht
hierher rechnen, da wirkte als bekannte Schädlichkeit eine acute
Magenstörung. Es müsste doch eine öfter erprobte Disposition
festgestellt sein, um den Alkohol direct anschuldigen zu können,
wie wir das für Krebse, Hummern und so viele andere, von den
meisten Menschen gut vertragene Speisen thun können. Und
da kann ich eine Beobachtung mittheilen, die leider sehr un-
vollständig ist, weil der Patient, den mir College S. zugeschickt
hatte, weder mehr zu ihm noch zu mir nach einmaliger Vor-
stellung gekommen ist
Der kräftige, 37 Jahre alte Mann, der nach eigenem Gestandniss
zeitweise stark trank, wurde seit etwa 8 Monaten — ich sah ihn Mitte «
September 1891 — alle 4 — 6 Wochen von acutem umschriebenem Oedem
einer Körperstelle befallen. Dieses Mal war es das ziemlich gleichmässig
ödematöse G^esicht, andere Male war es ein Bein, die Unterbauchgegend
oder andere Stellen gewesen. Immer hatte sich bei gutbleibendem All-
gemeinbefinden das Oedem schnell ausgebildet, hatte nach 12 Stunden
die Acme erreicht, in der es 24 Stunden verharrte, war dann in 1—2
Tagen vollständig geschwunden. Während dieser Anfalle soll der Urin
roth und trübe gewesen sein, was ich nicht mehr feststellen konnte; der
jetzt entleerte war von normalem Aussehen und ohne krankhafte Bei-
mischung. Auf Befragen konnte Patient sicher angeben, dass die Schwel-
lung immer etwa 2 Tage nach einer tüchtigen Kneiperei aufgetreten war.
Das ist leider Alles, was ich über den Kranken, den ich
nicht wieder gesehen habe, berichten kann. Mir ist der Gausal*
nexus zwischen starkem acuten Alkoholgenuss und acutem um-
schriebenem Oedem durchaus glaublich; ich zweifle, ob er so
selten ist, ob nicht manche von den chronisch ödematösen
Gesichtern unserer Säufer daher ihren Ursprung genommen
haben. Aber ich hätte den Fall gar nicht angeführt, wenn
nicht Max Joseph auf dem Dermatologen-Congress in Prag
1889 uns einen ähnlichen, den er längere Zeit beobachten
konnte, erzählt hätte.
Auch da handelte es sich um einen 37 Jahre alten Mann, der seit
4 Jahren daumenglied- bis faustgrosse Anschwellungen an den verschie-
densten Körpers teilen, besonders oft "aber im Gesicht, bekam. Sie kamen
liemlich plötzlich und verschwanden nach verschieden langer Zeit, mit-
16 Caspar y.
unter schon nach einer, oft nach 24 Stunden. Bemerkenswerth war die
einmal beobachtete halbseitige Anschwellung an der Zunge, die mehrere
Stunden lang bestand; ein mehrfach eingetretenes beängstigendes Gefahl
im Halse des Patienten, als ob er ersticken sollte, das immer einige
Stunden hindurch anhielt, war vielleicht auch auf eine Riesenquaddel
zurückzufahren. Der Einfluss des Alkoholgenusses auf das Auftreten der
Oedeme war sicher erprobt. Schrankte der Patient, der eingeständlich
sehr viel Schnaps genoss, das Trinken ein, so wurden die Oedeme seltener
und geringer. Nach Fortlassung des Schnapses vergingen Monate, ohne
dass neue Schwellungen auftraten. Excedirte Patient wieder einmal, so
rächte sich dies durch das Auftreten der Oedeme, die sich 24- -48 Stunden
nachher einstellten.
Ich kehre zu den medicamentösen Exanthemen zurück,
zunächst zu den Antipyiinfolgen. Jeder Ton Ihnen hat Ausschläge
der Art gesehen oder viel darüber gelesen. Ich werde mich
kurz fassen und drei Fälle erwähnen, die ich schnell nachein-
ander vor etwa einem Jahre gesehen habe, zwei durch Zu-
sendung von Collegen, einen in eigener Praxis. Alle drei waren
in gleicher Weise erwähnenswerth, weil sie dieselbe Localisation
hatten und gerade dadurch den Verdacht auf Syphilis rege
machten. So waren mir zwei der genannten Kranken als
syphilis-verdächtig zugesandt worden, der eine nach nutzloser
intensiver Mercurialcur. Ich will nur einen Fall beschreiben,
da ihm die anderen auf das Haar ähneln: An dem 30 Jahre
alten, sonst gesunden Manne war seit einem Vierteljahre ca.
alle 3 Wochen ein Blasenausschlag auf der Zunge, am Scrotum,
am Anus, diesmal auch an der Unterlippe, unter schnell
schwindendem Fieber, mit leichten gastrischen Störungen ver-
bunden, aufgetreten. Unter Höllensteinpinselungen war immer
in ca. 8 Tagen narbenlose Verheilung eingetreten. Auf meine
Frage, ob er nicht vor dem Ausbruche Antipyrin oder ein
ähnliches Mittel genommen habe, konnte der Patient sofort
nachrechnen, dass er jedes Mal vorher wegen Hemicranie
1 — 2 Gramm Antipyrin genommen hatte, dieses Mal wenige
Stunden vor dem Auftreten des Ausschlages; sonst, soweit er
wisse, fast zwei Tage vorher. Eine solche verspätete Eruption
ist jedenfalls sehr selten, aber nicht vereinzelt. Ich erinnere
nur an die Oedeme nach Alkohol, an das hier und da beschrie-
bene Auftreten von Jod- und Mercurexanthemen mehrere Tage
nach Aussetzen des Medicaments, und bei Digitalisgebrauch
Zur Lehre von den Arzneiausschlägen. 17
angeblich sogar 4 — 5 Tage später. Freilich hatte in allen diesen
Fällen eine Art Cnmulation stattgefunden. — Die andere An-
gabe des Patienten, dass er früher schon oft dieselbe Dosis
Antipjrin ungestraft genommen habe und erst seit 12 Wochen
die Ausschläge aufgetreten seien, hat Analoga genug. Immerhin
ist diese plötzlich eintretende Idionsynkrasie nach langer Ver-
träglichkeit auffallend. Sie liesse einmal an Verunreinigungen
des Präparats denken, wobei freilich das neue Räthsel entstände,
welcher Art denn dieses Irritans sei. Für den zu Anfang aus-
führlichst beschriebenen Patienten, der allerdings Tor dem
Beginn seines Hautleidens nie Antipyrin genonmien hatte, konnte
ich angeben, dass er das Mittel den verschiedensten Apotheken
entnommen hatte, immer mit demselben Erfolge, wenn nur die
Dosis gross genug war. Man muss femer fragen, ob vielleicht
in dem Körper des Patienten — zumal eines solchen, der früher
das Mittel gut vertragen hat — Krankheitszustände vorhanden
sind, die irgendwie erklärend wirken könnten^ vor Allem Aen-
derungen in der früher normalen Nierensecretion. Für die von
mir angeführten Patienten ist nichts derartiges eruirt; es bleibt
bei dem dunklen Begriff der Idionsynkrasie. Und die wird nicht
klarer durch die Beobachtung, dass bei manchem Patienten
diese Beaction des Organismus sich abschwächt oder auch
plötzlich erlischt. Den merkwürdigsten Fall der Art, den ich
erlebt habe, habe ich Ihnen früher mitgetheilt : den einer jungen
syphilitischen Frau, die nach erster Injection von saücylsaurem
Quecksilber ein universelles Erythem bekam; nach späteren
schwächere, dann gar keines mehr. Als sie 2 Jahre später ein
Decigramm Hydrarg. tannicum einnahm, sofortiger Ausbruch
scarlatiniformen Erythems über die ganze Haut; bei Wieder-
holung der Dosis 10 Tage später, bei Steigerung der Dosis und
Einnahme durch viele Tage gar kein Ausschlag mehr. (S.
Verhandlungen der deutschen dermatologischen Gesellschaft, 2.
und 3. Congress. Leipzig 1892. p. 371.) — Ich erinnere Sie
femer an die Ausschläge nach Tuberkulin-Injectionen, an die
häufige Gewöhnung des Organismus an Jodkaligebrauch. Beim
internationalen Congress in Berlin 1890 berichtete Petersen,
dass er nach Injectionen von unlöslichen Quecksilbersalzen,
sowohl Calomel ab Hydr. oxydatum flavum und Hydrarg. salicyl.
ArehiT f. Oermatol. a. Syphil. B«nd XXVX. 9
18 Caspary.
der ersten Injection ein universalles Exanthem folgen sah, das
zweite Mal nur ein Erythem um die Injectionsstelle, später gar
keines mehr. Aber auf solche Gewöhnung oder Abschwächung
darf man nie rechnen. Schon die Fälle, die ich selbst nach
Antipyrin beobachtet und vorher mitgetheilt habe, zeigen die
ungeschwächte Fortdauer der Reaction während der Beobach-
tungszeit, der erste Fall sogar eine erhebliche Verschlimmerung
in späteren Anfallen.
M. H., ich muss schon noch einmal die eigenthümliche
Localisation betonen, die ich bei drei Kranken nach Antipyrin-
gebrauch gesehen habe: Das Auftreten von Flecken, Blasen,
Erosionen allein an der Mundhöhlenschleimhaut und an der
Haut der Genitalien. In den beiden bekannten Fällen von
Dontrelepont und Veiel waren ausser diesen Stellen noch
viele andere ergriffen. Aber es sind seither noch einige andere
Beobachtungen mitgetheilt, in denen auch nur die Mundhöhle
oder nur die Genitalien oder beide zugleich erkrankt waren.
(Moeller, Therapeutische Monatshefte 1892, p. 581, Short Therap.
Monatshefte 1892, p. 497 ; Freudenberg Centralblatt für Klinische
Medicin. 1893 Nr. 5.) Ich habe in letzter Zeit wieder mehrere
Antipyrinexantheme gesehen, aber weder in Ort noch Form den
oben geschilderten analog. Wenn andere Beobachter noch eine
Probe auf das Exempel machten, indem sie durch neue Anti-
pyrindarreichungen den prompt sich einstellenden Ausbruch
hervorriefen, so hatte ich in allen angegebenen Fällen nach der
ganz sicheren Ananmese gar keine Veranlassung dazu. Aber in
einem anderen, ähnlichen Falle, der eine junge Frau meiner
Praxis betraf, wünschte ich sehr durch solche Prüfung meine
Zweifel zu beseitigen. Die 35 Jahre alte, etwas nervöse, sonst
gesunde Frau nahm seit Jahren, wenn sie sich besonders schwach
und erregt zugleich fühlte, zumal wenn die Beschwerden in
einer Art von intermittirendem Typus auftraten, kleine Dosen
Chinin. Im October 1891 und im Februar 1892 traten nach
kleinen Gaben von salzsaurem Chinin Flecke und Blasen innerhalb
der Mundhöhle, auf den Lippen, an der Innenseite der Nymphen
auf. Das erste Mal konnte ich mir keinen Vers daraus machen.
Aber inzwischen belehrt durch meine Erfahrungen über das
Antipyrinexanthem an denselben Stellen zweifelte ich bei dem
Zur Lehre Ton den Arzneiausschlägen. 19
zweiten Ausbruche gar nicht, dass es sich hier um einen ana-
logen ChininauBSchlag handelte, zumal auch hier nach dem
Fortlassen des Mittels in wenigen Tagen die Eruption aufhörte,
die Blasen und Erosionen ganz oberflächlich sassen und schnell
Terheilten. Mir war nun natürlich an der sicheren Feststellung
des Causalnexus viel gelegen, aber die Dame, der ich unvor-
sichtiger Weise meine Diagnose und meine Absicht experimen-
teller Prüfung offen mitgetheilt hatte, lehnte dankend ab. —
Vor einigen Monaten nun, als wieder allabendlich ziemlich um
dieselbe Stunde nervöses Herzklopfen, Praecordialangst, Fieber-
gefiihl (ohne Temperaturerhöhung, ohne Milzschwellung) eintraten,
bat die £[ranke selbst um das in früheren Jahren so oft er-
probte Chinin. Sie wolle lieber den von mir vorhergesagten
Blasenausschlag als länger ihre nervösen Beschwerden erdulden.
Ich ging natürlich gern darauf ein; dreimal täglich sollten
0,15 Chininum hjdrochloratum in Pillen genommen werden.
Vier Stunden nach Einnahme der ersten Dosis traten auf Zungen-
und Lippenschleimhaut umschriebene rothe Flecken auf, die
sich innerhalb 12 Stunden zu Blasen fortbildeten. Unter dem
von der Patientin gewünschten Fortgebrauch der Pülen — im
Ganzen wurden in 3 Tagen 1,35 Gramm des Chininsalzes ge-
nommen — kam es zur Bildung von 2 schnell platzenden Blasen
der Zunge, von 4 auf der Innenseite der Lippen, zuletzt von
2 auf der Innenseite des rechten labinum minus. Alle waren
oberflächlich, heilten nach Aussetzen des Mittels schnell bis
auf die grösste fast kirschgrosse Blase der Innenseite der Ober-
lippe, die unter örtlicher Behandlung doch fast 8 Tage zur
Yerheilung brauchte. Die nervösen Beschwerden waren bis dahin
längst geschwunden, wären ohne Chinin vielleicht auch ge-
schwunden.
Dass das Chinin hier ein ganz anderes Exanthem hervor-
gerufen hat, als es sonst bei Idionsynkrasie dagegen zu thun
pflegt^ ist nichte Unerhörtes. Hat doch schon 1881 Auspitz
4 Exanthemformen, die nach Chinin beobachtet waren, zusam-
menstellen können: scharlachartiges Erythem, Papelerytheme
wie bei Masern, Haemorrhagien und Purpura, endlich Quaddeln
und Oedeme. Natürlich wird durch solche Polymorphie die
Diagnose erschwert. Wenn aber ein Kranker regelmässig nach
2*
20 C a 8 p a r y.
Einnahme eines Medicaments denselben Ausschlag bekommt,
der nach Aussetzen verschwindet, bei Wiederaufnahme wieder
eintritt, so muss der Arzt sehr eingenommen sein gegen die
Möglichkeit von ungewöhnlichen Arzneiausschlägen, wenn er
auf der Medication besteht Eine 26jährige Dame, der ihr Arzt
mit gutem Grunde — gegen asthmatische Beschwerden — Jod-
kali verordnet hatte, bekam in den 3 Jahi*en, da sie es zeit-
weise einnahm, jedesmal gleich nach Beginn der Cur einen
Papelausschlag, der sich nach dem Aussetzen wieder zurück-
bildete. Als dann das Jodkali dauernd eingenommen werden
sollte, trat ein Ekzem ein, das die Cur unterbrach und sofort
und schlimmer sich bei Neueinnahme wieder einstellte. Da der
College trotz Beschwerden und Bitten der Patientin auf dem
Gebrauche des Jodkali bestand, das nach seiner Meinung ein
Ekzem nie hervorrufen könne, so blieb nichts übrig, als ihn zu
verabschieden, und ich ward wegen des fortbestehenden Aus-
schlags consultirt. Es lag nun in der That ein nicht gewöhnliches
Arzneiexanthem vor, ein typisches nässendes Ekzem auf Gesicht
und beiden Vorderarmen. Ich musste der Patientin, die Wochen
brauchte, bis sie geheilt war, und zumal bis sie ungenirt aus-
gehen konnte, sagen, dass mir das Vorkommen dieses Ausschlages
nach Jodkali unbekannt sei; aber ich habe später doch solche
Fälle von Landrieux und Gemy beschrieben gefunden.
M. H., ich bin mit der Mittheilung eigener Beobachtungen,
die ich erwähnenswerth fand, zu Ende, Ich brauche nicht breiter
auseinander zu setzen, wie wichtig es sein kann, die richtige
Diagnose eines Arzneiausschlages zu stellen und nicht ein Artefact
als Scharlach, als Syphilid vielleicht gar mit einem Mittel zu be-
handeln, das weitere Verschlimmerungen herbeiführt. Hier möchte
ich doch an einen sehr interessanten, aber anscheinend wenig
bekannten Fall erinnern, der von Hallopeau in den Annales
de Dermatologie 1888 beschrieben ist, in dem ein Syphilitischer
bei jedesmaligem Gebrauche von Jodkali massenhafte Bullae auf
Haut, Cornea, Conjunctiva und Zunge bekam, indem auf dem
Grunde der geplatzten Bullae Vegetationen sich bildeten wie bei
dem Pemphigus vegetans Neumann's, entstelleiide Narben zurück-
blieben, die auf einer Cornea zu totalem Leucom führten. Der
Patient war Monate lang in zwei gut geleiteten Krankenhäusern
Zur Lehre Ton den Arzneiaasschlägen. 21
Ton Paris immer wieder mit Jodkalium, dem ein neuer Ausbruch
von Bullae folgte, behandelt worden, bisHallopeau dazu kam
und den fatalen Causalnexus aufdeckte. Vorher hatten die Blasen
immer als syphilitische imponirt, so auch Wochen lang Hal-
lopeau. — Auch in den von mir beobachteten Fällen fanden
sich lange anhaltende Irrthümer erfahrener und sorgsamer
Aerzte. Da die Idionsynkrasie plötzlich erlöschen kann, wie in
einem meiner Fälle, kann auch die experimentelle Prüfung, die
gewiss das sicherste Mittel zur Beseitigung von Zweifeln bildet,
versagen. Der Nachweis der Drogue in den Exkreten ist, ab-
gesehen von seiner Schwierigkeit wohl in manchen Fällen, in
denen kleinste Dosen krankmachend wirken, kaum möglich.
Aber vor allen Dingen muss man doch auf der richtigen Fährte
sein, muss man doch den Verdacht haben, dass ein vorliegender
Ausschlag Folge eines Medicaments sein möchte. Gestatten Sie
mir den naiven Rath, bei jedem acuten Ausschlag, bei dem Sie
nicht eme ausschliessende Diagnose stellen köipien, an Arznei-
Exanthem zu denken und nachzufragen. Und diese ausschlies-
sende Diagnose kann auch einmal irrig sein, weil der anscheinend
Scarlatinöse eine Diphtheritis hat mit einem nahezu universellen
Chininerythem, der anscheinend an Morbillen Erkrankte eine
Grippe, zu der nach Antipyrin ein weit verbreitetes, maculöses,
leicht erhabenes Erythem hinzugetreten ist. Aber der Scarlati-
nöse, werden Sie sagen, hat im Gesicht inmitten glänzender
Böthe ganz weisse Hautstellen um Nase und Mund, wieBohn,
He noch u. A. hervorheben. Jawohl, gewöhnlich, aber es gibt
ausnahmsweise auch solche Erytheme nach Mercurgebrauch, wie
ich eines auf dem Leipziger Congress der deutschen deimatolog.
Gesellschaft (s. o.) beschrieben habe. Aber gerade in diesem Falle
lehrten grosse infiltrirte Plaques an den Extremitäten, wie sie
beim Beginn des Scharlachs gar nicht auftreten können, dass
der hier nicht vorlag. Und so ist gewiss manches Mal aus
Form, Localisation, Ausbreitung des Exanthems eine sichere
Fährte zu gewinnen, von den gewiss sehr wichtigen, wenn auch
nicht immer eindeutigen Begleiterscheinungen auf den Schleim-
häuten zu geschweigen. Aber besonders betonen möchte ich
die eigenartige Localisation, die ich dreimal nach Antipyrin,
einmal nach Chinin sah : in Mundhöhle oder Lippen und Geni-
22 C a 8 p a r y.
tauen oder Anus. Vielleicht führt Sie das auch in dem einen
oder anderen Falle auf die richtige Diagnose. Woher es kommt,
dass diese Oertlichkeit bevorzugt wird, kann ich nicht sagen;
ich erinnere nur daran, dass es dieselben Stellen sind, an denen
Herpes facialis und progenitalis ihren Lieblingssitz haben, Affec-
tionen, bei deren Entstehen die Nerven wohl die Hauptrolle
spielen.
Vier Fälle von Hydroa vacciniforme, Bazin,
Sninmereruptioii, Jonathan HntcMnson.
Von
Dr. C. Boeek,
Director der UniTenitAtBUlnik für Haatkranke in ChrUtiania.
Die von Bazin*) vor mehr wie dreissig Jahren beschrie-
bene und von ihm als Hydroa vacciniforme bezeichnete Aflfec-
tion war bis vor Kurzem nicht nur eine „versäumte", sondern
geradezu eine vergessene Krankheit. Erst nachdem Jonathan
Hutchinson sie abermals vom Jahre 1888 an wiederholt als
j, Summereruption" beschrieben hat, ist die Aufmerksamkeit der
Dermatologen auf diese, in manchen Beziehungen interessante
Krankheit wieder gelenkt worden. Mittlerweile ist trotz den
Publicationen von Hutchinson, Handford,*) Jamies-
son,*) Berliner,*) Buri*) und Broes van Dort®) die
Casuistik der Krankheit immerhin als eine ziemlich sparsame
zu bezeichnen und weitere illustrirende Beiträge sind gewiss
sehr wünschenswerth. Dies um so mehr, als die Krankheit, ob-
schon im Ganzen eine sehr typische, doch, nachdem sie mehr
') Bazin. Le^ons sur les affections generiques de la peau, p. 132.
Paris 1862. — Bazin. Le^ons sur les affections cutanees de nature
arthritique et dartreuse. 2 edit Paris 1868, p. 261—63 u. 460—61.
•) Illtistrated med. News. Oct. 1889.
') Lancet. 18. Ang. 1889.
*) Monatsh. f. prakt. Dermatologie. Bd. 11 (1890) p. 449 u. 480.
^) Monatsh. f. prakt. Dermat. Bd. XIII, p. 181.
^ Monatsh. f. prakt. Dermat. März 1892.
24 B o e c k.
oder weniger intensiv, mehr oder weniger verbreitet auftritt,
ziemlich variable Bilder darbieten kann. Dass sie auch, obschon
sie in den meisten Fällen mehr als eine lästige wie eine ge-
gefahrliche Krankheit bezeichnet werden muss, mitunter ernst
genug werden kann, bewiesen zur Genüge einige der von Hut-
chinson bei dem Berliner Congresse und namentlich bei dem
Wiener dermatologischen Congresse demonstrirten Tafeln.
Ich theile also hier vier einschlägige Fälle mit, von wel-
chen namentlich die drei ersten typische Beispiele der Krank-
heit darstellen.
I. Fall: E. K., 9jähriger Knabe, stellte sich am 18. Juni 1891
vor. Die Mutter erzählte sofort unaufgefordert, dass die Krankheit jetzt
drei Sommer nach einander aufgetreten war. Die Krankheit
kommt jetzt symmetrisch auf den beiden Wangen, spurweise
auf der Stirn, vor allem aber auf der Ränder- und der Vor-
derfläche der beiden Ohren vor. Sie äussert sich dui'ch tiefsitzende
Yesikel und kleine Bullae von Nadelspitz- bis mehr wie Erbsengrösse.
Besonders auf den Rändern der beiden Ohren sind sie g^ss und tief-
greifend, und zeigen hier ausserdem theilweise kleine Hämorrhagien in
der Tiefe. Die Ohren sind wegen dieser Blasen so empfindlich, dass er
Nachts nicht auf der Seite liegen kann. Auf den Wangen sind die Yesikel
nur nadelspitz- bis nadelkopfgross. Auch auf dem rechten Handrücken
sieht man seit vorgestern einzelne, kaum nadelkopfgrosse Yesikeln. An
den hier erwähnten Hautpartien sieht man ausserdem zahlreiche, grös-
sere und kleinere, zum Theil ziemlich tiefe Narben nach den früheren
Eruptionen. Aus den verschiedenen Stadien, die an den jetzt vorhandenen
Yesikeln und Blasen beobachtet werden können, geht hervor, dass die
Efflorescenzen, wenn sie einige Tage gestanden haben, in der Mitte ein-
sinken, um einen kleinen, braunen Schorf zu bilden, der nach und nach
sich über die ganze frühere Bulla ausbreitet.
Bald sinkt dieser Schorf vollständig in das Niveau der angrenzenden
Haut herab, bleibt aber ziemlich lange sitzen. Wenn er endlich ausfallt,
lässt er eine dauernde Narbe hinter sich, die ziemlich tief sein kann.
Diesmal fing der Ausbruch zuerst auf den Wangen an und hat jetzt einen
Monat gedauert.
Als Behandlung wurden nur Waschungen zwei Mal täglich mit
gleichen Theilen Garbol- und Bleiwasser mit nachlblgender Application
von Puder verordnet.
Als ich 11 Tage später den Pat. wieder sah, war das Exanthem auf
den Wangen vollständig abgelaufen und hatte schwach vertiefte, über-
häutete Narben zurückgelassen. Auf den Ohren fSemden sich noch eine
ganze Menge Krusten vor, die mit Thiolwasser 1 : 5 bepinselt wurden.
Seitdem habe ich vom Pat. nichts erfahren.
Vier Fälle von Hydroa vacciniforme, Bazin. 25
Dieser erste Fall hatte sich also im 7. Lebensjahre zuerst
geäussert. Es war ein ausgeprägter, aber nicht sehr heftiger
FalL Der folgende war schon etwas ernster.
n. Fall: £. R., 3'/, Jahre alter Knabe, stellte sich am 26. April
1892 vor. Der Yater berichtete, dass der erste Aosbruch der Krankheit
sich eingefunden hatte, als der Patient vor zwei Jahren, also damals nur
ly, Jahre alt, im Frühjahre zum ersten Male in die freie Luft gebracht
wurde. Es brach dann auf der Nase und den beiden Wangen wie auch
über den Streckseiten der beiden Vorderarme mit den Handrücken eine
Eruption von Papeln und Yesikeln hervor, die zu Schorfen eintrockneten,
und als diese herausfielen, Narben hinterliessen. Die Krankheit kam auch
voriges Frulgahr und vorigen Sommer wieder und ist auch dieses Jahr
vom selben Tage, als das Kind im Frühjahre in die Luft gebracht wurde,
wiedergekommen. Nach der bestimmten Aussage des Vaters finden die
Ausbrüche sich ganz besonders ein, wenn der Pat. der directen Einwirkung
der Sonnenstrahlen ausgesetzt wird. Die Krankheit ist jetzt auf der
Nase, den Wangen, den Ohren und den beiden Handrücken vor-
handen. Auf der Nase sieht man mehrere, mehr wie erbsengrosse, ge-
spannte, weissliche, ödematöse, durchschimmernde papulöse Elevationen.
In der Mitte dieser Efflorescenzen sieht man violette Punkte, erweiterte
Gelasse und kleine Hamorrhagien aus der Tiefe hindurchschimmern,
ganz wie man es in einigen Fällen von Acne frontalis und necrotica be-
obachten kann.
Eine ähnliche, hanfkomgrosse, ödematöse, wachsähnliche Papel mit
violett durchschimmernden Gefassen und Hamorrhagien sieht man auch
am rechten Ohrläppchen. Zahlreiche weissliche, besonders im Gesichte
entstellende Narben von früheren Eruptionen herstammend, finden sich
im Gesichte, an den Streckseiten der Vorderarme, besonders gegen die
Radialseite hin und auf den beiden Handrücken vor.
Als Behandlung wurden Waschungen mit Carbol-Bleiwasser und
ausserdem während der Nacht folgende Bleiwasserpaste verordnet:
Rp. Subnitrat. bismuthici, Amyli äS 10*00, Glycerini 8*00, Aquae sa-
tuminae q. s. ut fiat pasta moUis.
Zwei Tage spater, am 28. April, ist weiter notirt: Die vorgestern
auf der Nase beobachteten grossen Bullae oder durchschimmernden Papeln
sind heute in der Mitte eingesunken und es haben sich hier zum Theil mehr
violette , zum Theil bräunliche Schorfe gebildet. Um diese Schorfe
herum sieht man noch einen erhabenen, weisslich gelben Limbus, der
eine jetzt etwas gelbliche, aber nicht purulente Flüssigkeit enthält. Auf
den beiden Wangen sieht man heute einige noch grössere, beinahe
bohnengrosse, etwas unregelmässig contourirte aber scharf begrenzte, er-
habene, serös infiltrirte, weissliche Plaques, die fest und hart anzufühlen
und von einem rothen Halo umgeben sind. Auch auf den Handrücken
seigen einige Efflorescenzen einen kleinen, eingesunkenen, braunen Punkt
in der Mitte. Einige neue hanfkomgrosse Papeln oder Vesikeln sind heute
26 B o e c k.
auf dem Rande der rechten Concha zum Vorschein gekommen. Nach
Punktion derselben sickert ein Tropfen klares Serum, ganz wie bei einer
Yaccinepustel heraus.
30. April: Der grosse Plaque auf der rechten Wange hat sich
in der Peripherie erweitert , indem sich hier ein neuer Blasenwall
um den alten Plaque gebildet hat. Die Nasenspitze ist jetzt ganz von
dicken, bräunlichen, trockenen Schorfen gedeckt. Auf den Handrücken
sieht man fortwährend einige hanfkomgrosse Papeln mit einem bräun-
lichen, eingesunkenen Punkte in der Mitte. Die vor vier Tagen ganz neue
Vesikel amrechtenOhrläppchen ist jetzt schon zu einem bräunlichen
Schorfe eingetrocknet, der fortwährend doch etwas über das Niveau der
Haut emporragt; die Mitte dieses Schorfes, wo früher kleine hämorrha-
gische Punkte sichtbar waren, ist mehr röthlich-braun, die Bänder gelb-
braun. Auf den Bändern der beiden Ohren sieht man eine ganze
Menge kleiner, bräunlicher, trockener Schorfe.
9. Mai: Beinahe alle Schorfen sind jetzt ausgefallen und haben
grösseren oder kleineren Substanzverlust der Haut zurückgelassen; nur
auf den beiden Wangen sind noch die grossen, braunen Schorfe nach
den oben erwähnten bohnengrossen Plaques oder Bullae übrig.
14. Mai: Seit vorgestern wieder neue Ausbrüche von klaren, aber
festen, harten Blasen auf der Nase, den Wangen und den Streckseiten
der Vorderarme. In einer bohnengrossen Blase auf der Nase sieht man
auch diesmal Hämorrhagien in der Tiefe.
Am 16. Mai sah ich zum letzten Male den Pat. Die Blasen und
Vesikel waren jetzt sämmtlich in braune Schorfe umgewandelt. Auf
den Vorderarmen sind doch die Schorfe durchgehends sehr klein, indem
sie nur die Mitte der kleinen Papeln decken, was dem Bild grosse Aehn-
lichkeit mit der Schorfbildung einer Acne necrotica gibt. Einige Zeit
nachher hörte ich vom Pat., dass er wenigstens vorläufig etwas besser war.
Dieser Fall war also, wie gesagt, schon etwas ernsterer
Natur. Schon im Alter von V/^ Jahren entstanden, hatte die
Krankheit ziemlich grosse und tiefe, entstellende Narben na-
mentlich auf der Nase hervorgebracht, welche letztere sogar in
ihrer Form dabei etwas verunstaltet erschien. Auch die
jetzigen Ausbrüche traten ja, wie man gesehen, mit bohnen-
grossen Plaques und Blasen auf. Es ist wohl auch sehr zu be-
fürchten, dass die Krankheit in diesem Falle nicht ihr letztes
Wort gesprochen hat.
Der folgende, ebenfalls ganz typische Fall, kam in der
Poliklinik vor. Die dort gemachten Notizen sind ganz kurz,
aber doch hinreichend, um die Natur der Krankheit zu zeigen.
m. Fall. 0. 0., 12jähriger Knabe, stellte sich am 7. Juni 1893 in
der Poliklinik vor. Die Mutter berichtete, dass Pat. schon den vierten
Vier Fälle von Hydroa vacciniforme, Bazin. 27
Sommer an seiner Krankheit litt. Der Nasenrücken, die Wangen, zum
Theil das Kinn waren mit zahlreichen nadelkopf- bis bohnengrossen, zum
Theil ziemlich tiefen Narben bedeckt. Fat. sah beinahe aus, als hätte er
an Pocken gelitten. Von neuen Efflorescenzen sah man jetzt nur einzelne
hanfkomgrosse Blasen vor den Ohren und eine ähnliche Yesikel hinter
dem rechten Ohre. Es waren ausserdem einige schon eingetrocknete,
bräunliche Schorfe den Bandern der Conchae aurium entlang zu beobachten.
Am 16. Juni fanden sich fortwährend mehr wie erbsengrosse Schorfe
an den Ohren und ein brauner Schorf auf der Nasenspitze vor. Später
sah ich den Pat. nicht mehr.
Während die drei ersten Fälle typische Beispiele der
Krankheit darstellen, ist dies nicht im selben Grade mit der
folgenden Krankengeschichte der FaU. Eben dieser umstand
verleiht doch vielleicht diesem Falle ein besonderes Interesse.
Erstens ist die Krankheit hier nicht, wie gewöhnlich, im kind-
lichen, sondern im reiferen Alter entstanden, ebensowenig wie
sie in der kalten Jahreszeit wieder vollständig schwand. Auch
die Symptome sind in einzelnen Beziehungen nicht so charakteri-
stisch, indem es namentlich nicht zu einer so deutlichen Nekrose
und zu Substanzverlust der Haut kam. Mittlerweile fanden sich
doch auch hier die Eruptionen ganz besonders im Frühjahi'e
ein und wurden speciell beim Aufenthalte in der freien Luft
hervorgerufen, ja sogar nach einem ganz kurzen Spaziergang.
Vorläufig wenigstens wird gewiss auch dieser Fall hieher
zu rechnen sein.
IV. Fall. Fraulein C. P., 27 Jahre alt, stellte sich am 6. Mai 1892
vor. Sie berichtet, dass sie voriges Frühjahr zum ersten Male eine Erup-
tion von hanfkom- bis erbsengrossen, klaren, durchsichtigen Blasen auf
dem Kinn hatte. Kurz nachher brach die Krankheit auch auf und um
die Ohren, auf den Extremitäten und zum Theile auch auf dem Stamme
hervor. Auf den unteren Extremitäten trat die Krankheit besonders an
den beiden Malleoli intemi auf, auf den oberen Extremitäten speciell um
den Ellenbogen herum und von hier sich sowohl über die Beuge- wie die
Streckseite der Vorderarme verbreitend. Die Hände sind meistens ganz
frei gewesen. Die Blasen trockneten im Laufe von 3 bis 4 Tagen ein und
es bildeten sich Schorfe von gelbbrauner Farbe, ¥^lche ziemlich schnell
herausfielen und kaum sichtbare, etwas röthliche Stellen hinter sich liessen.
Auch auf den Schultern, über die Akromialregionen wie über dem oberen
Theile der Brust und des Rückens kam der Ausschlag, obschon sparsamer,
vor. Die Krankheit ist seit ihrem ersten Auftreten nur während ganz
kurzer Intei*valle vollständig geschwunden gewesen, aber seit dem Monat
April dieses Jahres ist sie wieder stärker hervorgetreten.
28 B o e c k.
Stat. präsens. Die Krankheit kommt jetzt besonders auf dem
ganzen Kinn und den ang^renzenden Theilen des Gesichtes vor; sie
äussert sich hier mit flach erhabenen Vesikeln und Bullae, die ziemlich
fest anzufühlen sind. Die EfBorescenzen sind hanfkom- bis bohnengross.
Eine markirte Einsenkung in der Mitte derselben ist hier nicht zu be-
obachten. Zwischen den frischen Bläschen und Blasen sieht man einige
impetiginöse, flache, gelbe Krusten. Auf dem Septum nasi findet sich
auch eine erbsengrosse Blase, die geborsten ist und von welcher während
der Beobachtung fortwährend ein klarer Tropfen niederträufelt. Auf der
Beugefläche der Vorderarme sieht man einige hanfkomgrosse
Yesikel, von welchen einzelne eine Andeutung von Hämorrhagie in der
Mitte zeigen. Die Vesikel zeigen hier eine Neigung zur Gruppenbildung.
Auf den unterenExtremitäten kommt die Krankheit um die beiden
Mal. intemi vor und ausserdem eine erbsengrosse Bulla hinter dem linken
Mal. extemus. Seit einigen Tagen haben sich auch Eruptionen in den
Akromiolreg^onen wieder eingefunden. Diese Vesikeln scheinen doch ein-
zutrocknen, ohne eine merkbare Nekrose der Haut zu veranlassen. Auch
auf der Vorder fläche der Brust sieht man eine vereinzelte neue,
hanfkomgrosse, harte, feste Vesikel. An den früher angegriffenen Haut-
partien sieht man schwach pigmentirte Flecken, von welchen nur einzelne
eine Andeutung von Substanzverlust in der Haut zeigen. Aehnliche Flecken
finden sich ebenfalls auf der inneren Seite der Oberschenkel bei den
Knien. Fat. spürt ein leichtes Jucken unmittelbar vor den Ausbrüchen und
ein paar Tage nachher; sonst sind die Eruptionen nicht von Störungen
des Befindens im Allgemeinen begleitet. Es wurde der Patientin ange-
rathen, so wenig wie nur möglich während des Tages auszugehen.
8. Mai: Nach einem kurzen Spaziergang gestern Abend bat sie
bedeutend stärkere Ausbrüche, auf dem Kinn bekommen wie je früher.
Man sieht jetzt hier eine ganze Menge neue, hanfkom- bis erbsengrosse,
ganz wasserklare, durchsichtige, stark emporragende Vesikeln und Bullae,
von denen jedenfalls einige auf nicht hyperämischem Boden sitzen.
10. MaL Die vor zwei Tagen auf dem Kinn entstandenen Blasen
sind schon etwas eingesunken und der Inhalt derselben ist theilweise schon
getrübt. Die vor 5 Tagen erwähnte Blase beim linken Mal. extemus ist
noch nicht eingetrocknet, nur etwas geschrumpft und gerunzelt und der
Inhalt ist fortwährend klar, serös. Erst nach 9 Tagen hatte diese Bulla
eine dünne, gelbliche Kruste gesetzt, welche nach 14 Tagen noch nicht
abgefallen war. Am 25. war der Ausschlag beinahe überall geschwunden
und am 3. Juni ist notirt, dass keine neue Ausbrüche sich eingestellt
hatten und dass der Ausschlag von diesem Jahre nirgends deutliche Narben,
nur einige pigmentirte Flecken hinter sich gelassen hatte. Aber am II.
Juni ist wieder notirt: Fat. ist einige Tage verreist gewesen, bekam aber
noch während der Reise neue Ausbrüche von zum Theil sehr grossen,
stark erhabenen Blasen auf dem Kinn. Später habe ich die Fatientin
nicht gesehen.
Vier Fälle von Hydroa vacciniforme, Bazin 29
Ausser den schon oben erwähnten Momenten, durch
welche dieser Fall sich von den am meisten typischen unter-
scheidet, kann noch erwähnt werden, dass es hier nicht während
der Involution zu einer deutlichen Umbilication der Efflores-
cenzen kam. Dass die Krankheit auch auf den der directen
Einwirkung der Sonnenstrahlen nicht ausgesetzten Hautpartien,
z. B. auf dem Stamm, auftrat, verbietet dagegen keineswegs
diesen Fall hieher zu rechnen; schon Bazin nämlich fuhrt
ausdrücklich an, dass diese Krankheit, wenn sie zuerst die
unbedeckten Hautpartien angegriffen, sich auch über andere
Theile des Körpers verbreiten kann, und dies ist auch zur
Genüge durch die Fälle Hutchinson's, wo z. B. weit ver-
breitete Narben auf der Brust vorkamen, demonstrirt worden.
Jedenfalls kann vor der Hand ein Fall wie der obige nicht
mit irgend einer anderen Affection als eben mit der hier ab-
gehandelten Krankheit in Verbindung gebracht werden.
Der recht interessante pathologische Process, um welchen
es sich hier handelt, wird durch die drei ersten typischen
Fälle wenigstens in seinen gröberen Zügen recht klar illustrirt.
Es entsteht plötzlich in scharf begrenzten kleinen Hautpartien
eine heftige seröse Exsudation, die ganz besonders die Ober-
haut, aber auch einen Theil der unterliegenden Lederhaut in-
filtrirt. Das Resultat ist die Bildung von nadelkopf- bis zu bohnen-
grossen und noch grösseren blassen, weisslichen, halb durch-
schimmernden Papeln und papulösen Elevationen oder sogar
sofort von Blasen, welche sämmtliche Efflorescenzen sehr hart
und fest anzufühlen sind. Mitunter kommen auch zusammen-
hängende Plaques von weit grösserem Umfange vor. Dass auch
die Lederhaut vom ersten Momente an im pathologischen Pro-
cesse mit einbegriffen ist, geht aus den in der Tiefe der ganz
frischen, durchschimmernden Efflorescencen sichtbaren violett-
rothen Pünktchen hervor, welche letztere nämlich gewiss eben-
sowohl hier wie in einigen Fällen von Acne fi'ontalis s. necrotica
zum Theil erweiterte Papillargefässe, zum Theil kleine Hämor-
rhagien bezeichnen. In der Hegel schon nach ein paar Tagen
fangen die Effloreiscenzen an in der Mitte einzusinken und zu
bräunlichen Schorfen einzutrocknen, die anfangs von einem er-
liabenen Limbus von der noch durchschimmernden Randzone
30 B o e c k.
umfasst sind. Nachdem auch letztere eingetrocknet und in
das Niveau der angrenzenden Haut herabgesunken ist, fängt
nach einiger Zeit der ganze Schorf an sich abzulösen um
schliesslich abzufallen, worauf ein mehr oder weniger tiefer
Substanzverlust der Haut übrig bleibt. Der Process endet also
auch hier mit trockener Gangi*än der Haut ganz wie bei
der Acne necrotica. Im Ganzen ist ja die Aehnlichkeit des
pathologischen Processes bei diesen beiden Krankheiten eine
auffallende.
"Was aber der hier in Rede stehenden Krankheit ein
ganz besonderes Interesse verleiht, ist die so deutliche und un-
verkennbare ätiologische Bedeutung der Einwirkung des Tages-
lichtes. Ob diese Einwirkung direct auf die Zellen der Haut
oder durch Vermittlung der Hautnelren stattfindet, ist ja viel-
leicht vorläufig nicht mit Sicherheit zu entscheiden; aber der
Umstand, dass nicht nur die Oberhaut, sondern zu gleicher
Zeit auch die Lederhaut sofort reagirt, sogar mit starker Ge-
fässerweiterung und Hämorrhagien, scheint ja für die unmittel-
bare Mitwirkung der Nerven zu sprechen. Jedenfalls ist es,
wie Dr. Buri (1. c.) bemerkt, von grossem Interesse feststellen
zu können, dass ein so heftiger pathologischer Process, der
sogar zur Gangrän der Haut führt, durch ein Moment dieser
Art zu Stande gebracht werden kann.
üebrigens kennen wir ja schon vorher, selbst abgesehen
von dem Erythema und Ekzema solare, auch andere Haut-
krankheiten, die besonders im Sommer hervorzubrechen pflegen,
z. B. die von Jonathan Hutchinson beschriebene, sehr
lästige Sommerprurigo, von welcher Krankheit ich im
vorigen Sommer einen sehr ausgesprochenen Fall bei einem
Knaben behandelte. Auch der Lupus erythematosus, der
überdies bezüglich der Localisation grosse Uebereinstimmung
mit der hier abgehandelten Krankheit zeigt, tritt ja für gewöhn-
lich eben im Frühjahre und während des Sommers mit seinen
schlimmsten Ausbrüchen auf.
Die Histologie der hier in Bede stehenden Krankheit ist
noch nicht bearbeitet worden. Nur hat Dr. Buri durch Unter-
suchung der herausgefallenen Schorfe nachgewiesen, dass die-
selben Blutgefässe enthielten.
Vier Fälle von Hydroa Taccinifonne, Bazin. 31
Bei der Behandlung sollte es wohl versucht werden, die
Ton Unna*) und V e i e 1") gewonnene Erfahrung auszunützen, näm-
lich, dass man mittelst der Anwendung von curcumagefärbten und
rothen Schleiern die Einwirkung der chemisch wirkenden, ultra-
violetten Strahlen des Sonnenlichtes theilweise auszuschalten
vermag. Auch verdient gewiss die von Hammer') zum selben
Zwecke empfohlene wässerige Chininlösung und Chinin-Glycerin-
salbe geprüft zu werden. Die von mir angewendete Behandlung
mit Bleiwasser und Bleiwasserpasten schien übrigens auch nicht
unwirksam zu sein.
») Monatsh. f. prakt. Dermat. 1885, p. 286—94.
•) Yierte^ahresBchr. f. Dermatologie. 1887, p. 1113.
*) Dr. Hammer, üeber den Einfluss des Lichtes auf die Haut.
Stuttgart 1892.
üeber Liehen serofulosorum.
Von
Prof. Dr. £»kafl#ewieas in Innsbruck. ^)
(ffierzu Taf. I— EI.)
Alle Enötcheneruptionen auf der Haut wurden seit Will an
als Liehen bezeichnet. Da jedoch das Hautorgan bei sehr ver-
schiedenen Erkrankungen diese Eruptionsform darbietet, so er-
schwerte eine derartige, sich bloss auf dieses einzige Symptom
stützende Nomenclatur, die systematische Gruppirung vieler
Dermatosen. Hebra hat, in seinem Bestreben Hautkrankheiten
in ein System zu ordnen, für den Krankheitsbegriff Liehen po-
stulirt, dass die Enötchenform einen constanten und wesent-
lichen Bestandtheil des Krankheitsprocesses ausmache und er
bezeichnete nun mit diesem Namen zwei, von einander sehr
verschiedene Hauterkrankungen, welche aber eben während ihres
ganzen chronischen Verlaufes durch Knötchenbildung charakte-
risirt sind. Die eine von diesen Krankheiten nannte er Liehen
ruber, die andere Liehen srcofulosorum. An dieser Ein-
theilung wurde auch seither von fast allen Dermatologen fest-
gehalten. In der letzten Zeit haben die Franzosen (Vi dal,
Brocq und Jaquet) von neuem den Willan'schen Liehen
Simplex circumseriptus (das Eczema lichenoides der Wiener
Schule) als eine besondere Lichenform aufgestellt. Vi dal ^)
') Diese Arbeit datirt zum grössten Theile noch aus der Wiener
Dienstzeit des Antors an der Klinik Kaposi's.
*) Vortrag, gehalten am 6. September 1892 beim II. internationalen
dermatolog^sehen Gongress in Wien.
ArchiT f. Donnmtol. v. Syphil. Band XXVI. 3
34 Lukasiewicz.
hat sogar die Prurigo in die Lichengruppe eingereiht. Trotzdem
erscheint uns die Hebra'sche Eintheilung nach den prävali-
renden klinischen Symptomen als die einzig richtige. Dagegen
halte ich die subjectiven Symptome insbesondere den Pruritus
(von vielen Franzosen noch heute unrichtig Prurigo bezeichnet)
und das durch Kratzen veranlasste Auftreten von Knötchen
(Brocq's Lichenification) am wenigsten geeignet als Einthei-
lungsgrund herangezogen zu werden.
Der zuerst klinisch von Hebra, histologisch von Kaposi
bearbeitete „Liehen scrofulosorum" ist erst in der letzten Zeit
wieder einer neuen Erörterung unterzogen worden. Jakobi^)
hat auf Grund seiner Untersuchungen den Process als eine
Form der Hauttuberculose dargestellt. Bald darauf wurde auch
in Frankreich, wo diese AfFection trotz zweier französischer Pu-
blicationen (Lailler, *) Hardy,*) nicht allgemein gekannt
war, anerkannt. Noch vor drei Jahren hatte ich selbst Gelegen-
heit, mich im Hospital St. Louis zu überzeugen, dass unsere
Dermatose dort nicht bekannt war. Brocq schrieb darüber
in seinem „Traitement des Maladies de la peau** (890): „II
semble resulter de la discussion qui a eu lieu au Congres de
1889 que le L. scrofulosorum doit etre considere comme une
Variete speciale de folliculite pilosebacee." Dieselbe Ansicht
sprachen auch Besnier und Doyon aus in den Commenti-
rungen zu ihrer Uebersetzung des Kaposi'schen Lehrbuches
der Hautkrankheiten (2. Au£L T. 1, p. 626). Nun stellte im
März 1892 Hallopeau in der Soc. fran. d. Dermatol. et d.
Syphilogr.*) einen Fall von Liehen scofulosorum vor und hob
dabei die tuberculöse Natur dieser Dermatose und ihr seltenes
Vorkommen in St. Louis hervor. Etwas später demonstnrte
Thibierge daselbst auch einen Fall von Liehen scr. (1. c. p. 704).
Aehnlich wie zuerst Jakobi und dann Hallopeau hat
sich neulich Sack*) auf Grund eines von ihm in Wien be-
') Yerhandl. der denischen dermat. Ges. Leipzig 1891. (3. Congress.)
>) La France Med. 1877, p. 618, 630.
») Gaz. des Hop. 1877, p. 1161.
*) Ann. de Derm. et de syph. 1892, p. 284, 461.
') Zur Anatomie nnd Pathogenie des Liehen scrofalosomm. Monatsh.
für prakt. Denn. Bd. XVI, p. 437.
Ueber Xichen scrofalosorum. 35
obachteten Falles für den tuberculösen Charakter dieses Lei-
dens entschieden.
Von englischen und amerikanischen Autoren wurden
mehrere Fälle dieser Affection beschrieben. (Tilbury Fox,*)
Radcliff Crocker,«) Brouson,») Bulkley,*) Shep-
herd,*) Gottheil, •) Josef Grindon.)^ In der letzten
Zeit demonstrirte C. G. Currier einen Fall in der „New.
York. Dermatological Society" ®) als Liehen scrofulosorum,
Lustgarten hielt denselben für Syphilis.
Trotzdem diese Dermatose nun, wie ich schon Eingangs
erwähnte, zu den klinisch genau durchgearbeiteten gehört, er-
scheinen mir dennoch meine diesbezüglichen Beobachtungen
und Untersuchungen mittheilenswerth. Es yeranlassen mich dazu
sowohl die grosse Zahl der von mir (zumeist an der Wiener
dermatologischen Klinik) beobachteten und histologisch unter-
suchten Fälle, als auch die Verschiedenheit meiner Ansichten
Ton den, in der letzten Zeit über diese Affection geäusserten.
Meine Beobachtungen erstrecken sich auf 43 Liehen scrofulosorum
Kranke und zwar: 35 Männer und 8 Weiber. Sie boten durch-
wegs die charakteristischen von Hebra beschriebenen Erschei-
nungen dar, so dass für einen Fachmann die Diagnose keiner
Schwierigkeit unterlag: Auf der meist trockenen Haut befanden
sich nämlich mit stetiger hauptsächlicher Localisation am Stamme,
lebhafte bis dunkelbraunrothe, schlappe, alsbald ein dünnes,
fettiges Schüppchen oder ein winziges Pustelchen tragende
hirsekom- bis stecknadelkopfgrosse, meist in kreuzer- bis
thalergrosse Haufen gestellte, einzeln auch discrete, oder in
Kreislinien angeordnete Knötchen. Bei einzelnen occupirte die
') Tilbury Fox. Trans. Lond. Clin. Soc. 1879, p. 190.
') H. Radcliffe Grocker ibid. p. 195.
') Bronson. „Gase of Liehen Scroful.'^ Arch. ofDerm. 1882, p. 188.
*) Bulkley. „Analysis of 8000 cases of skin dis. G. Fall L. scr. ibid.
*) Shepherd. Ganada Med. and Sarg. Joom. 1880 — 1, p. 280.
*) Gottheil. Notes of a Gase of Liehen scrofulosus. Jonm. of Gut.
and Yener. Diseases. 1886, p. 133.
^) Grindon. A Gase of Liehen Scroftdosoram. Joam. of Gut. and
Gen. Urin. Dis. 1892, p. 163.
■) Ibid. p. 403.
3*
36 Lukasiewicz.
Eruption auch die Extremitäten. Nebstdem fand sich auch häufig
das schon von Hebra hervorgehobene eigenthümliche Ekzem
der Regio pubica et inguinalis, nebst schlappen Pustebi hier
und an den unteren Extremitäten (Acne cachecticorum).
Bei 21 von unseren Fällen fand sich die Affection nur
am Stamme (Bauch, untere Brusthälfte, Rücken) bei 11 Fällen
ausserdem an den Extremitäten, Streck- und auch Beugeseiten.
Bei einer Frau dagegen nur die unteren Extremitäten mit Liehen
scr. Efflorescenzen dicht besäet. In dem letzten Fall war die
Diagnose recht schwer, es handelte sich um eine etwas anä-
mische sonst ganz gesunde 21jährige Frau, die vier Wochen
vor ihrer Spitalsaufnahme ein gesundes Kind geboren hatte.
Der bis auf die Localisation typische L. scrof. hatte sich bei ihr
in den letzten Schwangerschaftsmonaten entwickelt und schwand
auf roborirende Behandlung (Ferr. oxalicum, innerlich). Die
Efflorescenzen waren in 36 unserer Fälle theils zu Kreisen und
Kreissegmenten gruppirt, bildeten aber meist kreuzer- bis thaler-
grosse Plaques. Ihre Zusammensetzung aus Knötchen war fast
immer ersichtlich. In wenigen (7) unserer Fälle waren die Knöt-
chen dicht gedrängt und gleichmässig über die ganze afficirte
Hautpartie vertheilt, ohne eine besondere Anordnung zu zeigen.
Die Dauer der Affection war von 10 Wochen bis zu einem
Jahre. Bei der Rückbildung blassten die Efflorescenzen ab,
wurden flacher und schuppten so stark, dass gewöhnlich eine
allgemeine Desquamation entstand. Dann sahen wir die kleinsten
und kurz bestehenden Lichen-Knötchen spurlos, die grösseren
mit Hinterlassung seichter, dunkel pigmentirter Hautatrophien
verschwinden. Am deutlichsten waren die letzteren nach Rück-
bildung der Plaques. Diese makroskopisch als narbenähnliche
Grübchen wahrnehmbare Atrophien fanden auch im mikrosko-
pischen Befunde ihre Erläuterung, wie dies weiter angeführt
werden soll.
Obgleich erfahrungsgemäss auch schon bei einer einfach
roborirenden Behandlung selbst die schwersten Fälle in mehre-
ren (2 — ^8) Wochen sich zuiückbildeten machten wir doch auch
behufs rascheren Effectes von localer Therapie Gebrauch. (Oleum
jecor. aselli, Zinkpasta, Borsalbe, Ichthyol, Bäder.)
üeber Liehen Bcrofulosorum. 37
Bei zwei Kranken traten Recidiven 2 Monate nach ihrer
Spitalsentlassung auf. Ein Kranker mit ausgedehntem Lupus
vulgaris der Extremitäten bekam während drei Jahre 4 Recidiven
von Liehen scr. am Stamme, ohne dass dabei eine Verschlim-
merung des Lupus zu constatiren gewesen wäre. An der Inns-
brucker Klinik hatte ich die Gelegenheit zwei Lupusfalle zu
beobachten, die vor 1 Jahre an Liehen scroful. litten, dann aber
trotz bedeutender Verschlimmerung des Lupus keine Recidive
vom ersteren bekamen. Die Recidiven traten im allgemeinen bei
ärmlichen Individuen auf, welche sich ausserhalb des Spitals
in schlechten Lebensverhältnissen befanden. Die Frist zwischen
dem Auftreten derselben betrug einen Monat bis zu einem
Jahre.
Was das Alter der Kranken anbelangt, so hatten wir öfter
Gelegenheit in der Ambulanz der Wiener dermatologischen
Klinik auch Kinder von mehreren Monaten bis zu mehreren
Jahren mit dieser Affection zu sehen. Sonst waren Fälle:
1 mit 7 Jahren 2 mit 20 Jahren
1 . 8 „ 3 „ 21 „
2»9jj 1„22„
1 . 11 n 3 „ 23 ,
2 „ 12 , 3 „ 25 ,
3 w 13 „ 1 „ 26 „
4 „ 15 „ 2 „ 28 „
2 « 16 , 1 „ 29 „
1 n 17 , 1 „ 31 „
3 „ 18 , 1 „ 32 „
4 „ 19 „ 1 „ 56 „
Von CompUcationen fanden sich bei diesen Fällen vor:
Bei 7 Individuen indolente Drüsenpackete (scrophulöse Lympha-
denitis) meistentheils am Halse, Nacken und in der Achselhöhle.
Bei 3 Individuen Scrophuloderma (exulcerirende, knotige aus
dem subcutanen Gewebe auf die Haut übergreifende Infiltrations-
herde), bei einem von diesen Canes der Fussknochen.
3 Kranke boten Conjunctivitis Ijmphatica, einer Narben
nach derselben dar. 6 weitere litten an Lupus vulgaris (2 faciei,
4 extremitatum), 2 an kalten Abscessen. Ein sonst sehr kräftig
38 Lukasiewicz.
gebauter und gut genährter Kranker (Wiener Beobachtung) mit
Lymphadenomata colli bot am Stamme eine Lieh. scr. Eruption
dar. (Aus dem Grunde wurde er vom Prof. Kaposi in der
W. denn. Gesellsch. vorgestellt. Sitzgsb. v. 20. Mai 1891.) Nur
einer unter unseren L. scr. Kranken ist an allgemeiner Tuber-
culose zu Grunde gegangen. Dies war ein 23 J. alter cachecti-
scher Mann, der 5 Monate vor seinem Spitalseintritte Lieh,
scroph. bekam. Man constatirte bei seiner Aufnahme neben einer
Pericarditis beiderseitige, theilweise exulcerirende tuberculöse
Lymphdrüsengeschwülste am Halse, die sich bis unter das
Stemum verfolgen liessen. Während des dreimonatlichen Spitals-
aufenthaltes bildete sich das Exanthem bei vorschreitender
Cachexie des Kranken meistentheils zurück, so dass die er-
krankte Haut weiss, verdünnt, leicht gefaltet und schuppend
wurde. Vor dem Tode des Patienten waren nur spärliche Lichen-
Knötchen mit abschuppender Epidermis vorhanden. Die Necro-
skopie ergab in diesem Falle Tuberculöse des Pericards, der
Hals-, Mediastinal- und Bronchialdrüsen.
Von anderen Complicationen beobachteten wir in 11 unserer
Fälle ein, wie schon H e b r a seinerzeit als bei L. scroph. häufig
vorkommend beschrieben, scharf begrenztes, stark nässendes
Ekzem, welches gewöhnlich von der Leistengegend ausgehend,
auf den Bauch und das Scrotum übergriff. Oft involvirten sich
die Liehen scr. Knötchen während das Ekzem noch fort be-
stand. Andererseits bekamen wir oft zur Behandlung bei lym-
phatischen Individuen scharf begrenzte, nässende Ekzeme mit
ähnlicher Localisation, die auf vorangegangenen Liehen scr.
zurückzuführen waren und neben localer eine roborirende Be-
handlung erforderten. Ungefähr in der Hälfte der von mir be-
obachteten Liehen scr. Fälle sah ich die ebenfalls schon von
Hebra für diese Krankheit hervorgehobenen Acne (cachecti-
corum) Pusteln. Sie waren lividroth, bis linsengross mit einem
dunkleren hämorrhagischen Hof umgeben, schlapp und zumeist
an den Extremitäten localisirt. Mit der Besserung des Allge-
meinzustandes der Kranken involvirten sich auch diese Efflores-
cenzen, indem ihr Inhalt mit der Pusteldecke zu Borken ein-
trocknete und nach dem Abfallen derselben ein frisch über-
häuteter, oft tiefer Defect entstand (Narbe).
üeber Liehen scrofalosoruin. 39
Bei acht £j*anken Hess sich hereditäre Belastung nach-
weisen, es kam nämlich in ihrer Familie Tuberculose vor. Da-
gegen sah ich 7 mit typischem Liehen scrophulorum behaftete
Individuen, die sonst gänzlich gesund, hereditär nicht belastet
und von kräftigem Körperbau waren, wenn auch ihr Ernährungs-
zustand direct vor der Eruption des Exanthems abgenommen
hatte. Unter diesen verdient ein FaU näher erörtert zu werden,
in welchem die Affection sowohl klinisch, als histologisch am
intensivsten entwickelt war.
Es handelte sich um eine 32jähr. Magd (F. Z.), die angeb-
lich früher ünmer gesund gewesen sein soll. Menstruation im
16. Lebensjahre, seither regelmässig. Ungefähr ein Jakr vor
ihrer Spitalsaufnahme bemerkte sie die Entwicklung eines Aus-
schlages. Dieser begann angeblich in den Ellenbeugen, am
Rücken und an den Unterschenkeln zu gleicher Zeit. Es bil-
deten sich rothe, leicht erhabene „Flecke", die sich später ver-
grösserten und zu schuppen anfingen. Nach 2 Monaten sollen
sie ganz abgeblasst gewesen sein. Drei Monate vor dem Spitals-
eintritte entwickelten sich nun ähnliche „Flecke", jedoch in viel
intensiverer Weise, an der Brust, an der Taille, am Rücken und
an den Extremitäten. Seit der ersten Eruption soll Patientin
blässer und etwas abgemagert sein. Bei der Untersuchung
konnten wir folgenden Befund constatiren. Ein mittelgrosses
Individuum, Musculatur gut entwickelt, Knochenbau kräftig,
Schleimhäute blass. Thorax kurz und breit, über den Lungen
heller Percussionsschall , vesiculäres Athmen , Herzdämpfung
nicht vergrössert, Töne rein, Abdominalorgane normal. Im Ge-
sichte mehrere pfenniggrosse braune Chloasma-Flecke. An der
vorderen Brustfläche und zwar an den Brüsten und der oberen
Brustapertur zerstreute, an den unteren Thoraxpartien, dicht
beisammen stehende kreuzer- bis thalergrosse, am Rande etwas
erhabene, braunrothe, mit feinen Schuppen bedeckte, im Gentrum
blasse, mehr braun gefärbte Plaques von Nieren-, Kreis- und
Schlangen-FomL Bei genauer Betrachtung bestehen die einzelnen
Plaques aus etwa hirsekomgrossen, braunrothen, konischen, fein-
schuppenden, auf Fingerdruck abblassenden Knötchen. Diese con-
fluiren an manchen Stellen zu diffusen, massig derben Infil-
traten, so dass sie in denselben ganz aufgehen. Der Nabel ist
40 £aka8ie'wicz.
von einer Gruppe hirsekomgrossen, flachen, blassrothen, licht
schuppenden Knötchen kreisförmig umgeben. Zwischen den
geschilderten, deutlich aus Knötchen zusammengesetzten Plaques
sieht man dann einzelne bis kreuzergrosse, blassrothe, unregel-
mässig begrenzte, flache, abschilfernde Infiltrate. An ein-
zelnen Stellen wieder, theils am Bande der Plaques, theils
isolirt, befinden sich die charakteristischen Pusteln mit
hämorrhagischem Hof (Acne cachecticorum). Besonders an der
Taille (also an der von Kleidern gereizten Stelle) sind diese
Efflorescenzen in grossen elyptischen Figuren angeordnet. Am
Bücken, dem Interscapularraum entsprechend, sieht man bis
kreuzergrosse, blass braunrothe, leicht erhabene, schilfernde,
unter dem Fingerdruck abblassende Infiltrate. Ihre Zusammen-
setzung aus Knötchen ist nur stellenweise erkennbar. Aehnliche
mehr längliche Plaques sieht man an den Ellen- und Knie-
beugen, einzelne zerstreute auch an den Unterschenkeln und
Fussrücken. Nach einem sechswöchentlichen Aufenthalte der
Patientin auf der Klinik hat sich ihr Leiden unter innerlicher
Behandlung mit Morrhuol (6 Kapseln zu 0*2 täglich) fast ganz
rückgebildet.
Bei der histologischen Untersuchung dieses Falles in der
ersten Hälfte des Jahres 1890 habe ich typische Langhan s-
sche Biesen^ellen gefunden, was ich auch meinem damaligen
Chef Prof. Kaposi demoDstrirte.
Ich habe gleichzeitig noch in vielen anderen Dermatosen,
wie bei der von mir beschriebenen „Folliculitis exulcerans,
Acne teleangiectodes (Kaposi), Folliculitis necrotisans (Kaposi),
Bron^ß.cne, den Abscessen nach Morphiuminjectionen typische
Biesenzellen nachgewiesen. Den letzteren jedoch habe ich nicht
die Bedeutung tuberculöser Elemente beigemessen, da es jetzt
allgemein bekannt ist, da sie nicht nur bei Tuberculose (Lang-
hans-Schuppe Tsche Ansicht), sondern auch in den Pro-
ducten anderer verschiedenartiger Processe vorkommen. Weitere
Untersuchungen und der klinische Verlauf erwähnter Dermatosen
bewiesen mir zur Genüge ihre nichttqberculöse Natur.
Zur histologischen Untersuchung benützte ich Hautstücke
von zwölf Fällen, indem ich sowohl in der Entwicklung be-
griffene, als correct vorgeschrittene Knötchen, Infiltrate und
Üeber Liehen serofiilosorum. 41
Pusteln histologisch untersuchte. Die excidirten Hautstücke
wurden theils in Alkohol^ theils in Flemming oder Sublimat fixirt
und zum Schneiden in CoUoidin eingebettet. Die Schnitte wurden
nach verschiedenen Methoden, insbesondere mit Alauncarmin,
Hämatoxilin-Eosin nach £ h r 1 i c h und Zi e hl -Ne eis engefärbt.
Uebereinstimmend mit den zuerst von Kaposi veröffent-
lichten histologischen Untersuchungen fand ich an meinen Prä-
paraten sehr oft den Ausgangspunkt des Processes in den
Haarbälgen und zwar um die Talgdrüsen herum (Fig. 1 und
2 il), nichtsdestoweniger scheint mir den Knäueldrüsen eine
wichtige Rolle an der Erkrankung zuzu&Ilen. In den jüngsten
Liehen scr.-Knötchen fand ich entsprechend den Haarbälgen
(Fig. 1 Ä) junges Granulationsgewebe, welches meistentheils
aus grosseren spindelförmigen, mit einem grossen, ovalen,
bläschenförmigen Kerne versehenen Zellen (epitheloiden nach
Ziegler) (Fig. 1, 2 a) bestand. Yerhältnissmässig spärlich
waren in diesen herdförmigen Infiltraten die Bundzellen vertreten.
Mit weiterem Yorschreiten des Processes geht die Drüse im
Granulationsgewebe immer mehr und mehr auf, so dass die
Cutis-Partie zwischen dem Haarbalge und dem Arrector pili
mit der Zeit vom Infiltrat ganz ausgefüllt wird. Das letztere
ist anÜGuigB in dem, der Drüse entsprechenden Theile des Haar-
balges am mächtigsten entwickelt. In etwas voi^eschrittenen
Stadien findet man daselbst mehrere unregelmässige, kleinere
Riesenzellen, mit central angeordneten Kernen (Fig. 1, 2 b).
Diese Zellen werden in späteren Stadien des Processes zahl-
reicher und sind zu mehreren aggregirt, oder ganz unregel-
mäsaig zerstreut. Die Infiltrate kommen in streifenförmigen
Herden vor (Fig. 1, 2) imd lassen sich auch um die Gefässe
und Lymphspalten herum verfolgen. Sie sind daselbst nicht so
massenhaft und bestehen vorwiegend aus länglichen Epitheloid-
zellen. Die Blutgefässe sind dann erweitert, ihre Wände zellig
infiltrirt, ihr Endothel wuchert. (Fig. 1 Ä)
Bereits in den Anfangsstadien der Affection ist die Fort-
setzung der Haarbalginfiltrate in den benachbarten Papillen
nachweisbar (Fig. 1). Um die sichtlich erweiterten Papillargefässe
herum liegen schmale streifenförmige Granulationsherde, welche
an&ngs weder die Papillen ausfüllen, noch bis zur Epidermis
42 Lnkasiewicz.
reichen. Die Mitbetheiligung der Enäueldrüsen an der Affection
ist in allen Stadien des Processes zu constatiren. (Fig. 1, 2,
3 C) Anfangs sieht man entsprechend dem Gefassreichthum
dieser Gebilde eine rundzellige Infiltration derselben. Sehr bald
aber entwickelt sich an ihrer Stelle ein Granulationsgewebe mit
vorherrschenden epitheloiden und grösseren, runden Riesen-
zellen. (Fig. 3 D.) Diese letzteren sind scharf contourirt und
enthalten randständige, oft in einem Zellensegmente gedrängte
Kerne. Entsprechend dem aus dem Drüsenknäuel in die Höhe
aufsteigenden Ausführungsgange lässt sich oft längs desselben
eine streifenförmige Fortsetzung der Infiltrate verfolgen. In den
weiter fortgeschrittenen Stadien wird das Gewebe der Knäuel-
drüsen vom Granulationsgewebe verdrängt, (Fig. 2, 3 £) und
nux hie und da ist das erste noch als solches erkennbar.
Man sieht dann eine scharfe Begrenzung solcher meist
runder Infiltrationsherde in der Drüsenschicht und eine
oft regelmässig kreisförmige Anordnung grosser Biesenzellen
in denselben. (Fig. 3 D.) Die aus den Haarbälgen her-
vorgegangenen Infiltrate hängen oft mit den der Knäuel-
drüsen zusammen. Die Hautschicht der Talg- und Schweiss-
drüsen bleibt lange an der Erkrankung hauptsächlich betheiligt,
indem die Papillen nur die früher erwähnten schmalen, streifen-
förmigen Herde zeigen. Später werden sowohl die Infiltrate des
Stratum subpapillare, als auch die der Papillen mächtiger. Die
letzteren nehmen dann an Grösse zu und werden von einem
deutlich vascularisirten Granulationsgewebe ausgefüllt. (Fig. 1.)
In diesem sind gewöhnlich mehrere mittelgrosse, scharf contou-
rirte, mit randständigen Kernen versehene Riesenzellen (Fig. 1,
2 b) vorhanden, welche die obersten Partien der Infiltrate ein-
nehmen. Die am stärksten vertretenen Epitheloidzellen sitzen
tiefer. (Fig. 2 a.) Gegen die Epidermis zu, ihre Stachelschicht
durchsetzend, sieht man spärliche Rundzellen. (Fig. 1 c.) Diese
ausgedehnten Infiltrate kommen in den dem Haarbalg benach-
barten Papillen vor. (Fig. 2.) Das bindegewebige Stroma der
Haut bleibt theilweise erhalten, ohne eine bestimmte Anordnung
zu zeigen. Die meisten Infiltrate enthalten Blutgefässe {E) und
zeigen eine längliche Form während der ganzen Dauer der
Affection. Die Rundzellen sind in denselben stets verhältniss-
Ueber Liehen scrofalosorom. 43
massig spärlich vertreten. Sie halten sich nicht an die periphere
Zone der Infiltrate, sondern liegen in diesen zerstreut.
In allen von mir untersuchten Fällen waren die Zellen
deutlich und ihre Kerne gut farhhar. Eine Verkäsung (Coagu-
lationsnekrose) hahe ich in keinem meiner Präparate vorge-
funden. Das Gros der Infiltrate kam in länglichen, zumeist
netzförmig verbundenen Zellzügen vor. Am mächtigsten waren
sie immer im Stratum subpapillare, den Talg- und Schweiss-
drüsen entsprechend. Die tieferen Cutisschichten und das sub-
cutane Gewebe blieben stets frei. Nur in dem zweiten, von mir
angeführten Falle waren die Infiltrate sehr mächtig, diffus und
reichten etwas tiefer in die Cutis. (Fig. 3.) Wenn auch da
grössere, spindelförmige Zellen vorherrschten, so waren doch
ganze Reihen von grossen, runden, kreisförmig gruppirten
Riesenzellen (Fig. 3 D) zu sehen. Diese regelmässige Anord-
nung der letzteren, eine scheidenartige Begrenzung (Fig. 3 F)
der Infiltrate und stellenweise noch erkennbare Drüsenknäuel
in denselben, beweisen zur Genüge, dass hier die Schweiss-
drüsen den Ausgangspunkt des Processes abgeben. Man sah in
diesen Präparaten verschiedene Uebergangsformen unter den
Riesenzellen (von einer Andeutung bis zu den typischen mit
randständigen Kernen). In diesem Falle waren sowohl die Pa-
pillen, als auch die Retezapfen viel breiter wie die der gesunden
Umgebung. Das Granulationsgewebe war jedoch viel mächtiger
in der Drüsenschicht, als im Papillarkörper entwickelt. In dem
letzteren kamen vereinzelte kleinere Riesenzellen mit in Seg-
menten angeordneten Kernen. (Fig. 3 6.)
Die tiefer gelegenen Knäueldrüsen boten nur in dem letzt-
erwähnten Falle eine leichte Rundzellen-Infiltration dar (Fig. 3 C),
sonst aber fanden wir sie an dem Processe nicht betheiligt.
Was die Epidermis anbelangt, so bildete sie in vor-
geschrittenen Stadien, mehr aber noch während der Rückbildung
der Affection aus vielen Lamellen bestehende Schuppen. Diese,
abgehoben in der Peripherie, hafteten im Centrum an der
übrigen Epidermis. Oft liess sich ein Zusammenhang der
Schüppchen mit dem Ausführungsgang der Haarbälge (Fig. 2 (?.)
oder der Knäueldrüsen constatiren.
44 Lukasiewicz.
Mitunter treten Entzündungserscheinungen in den Infil-
traten intensiver hervor, die sonst spärlich vorhandenen Rund-
zellen nehmen dann an Zahl bedeutend zu. Sowohl die Papillen,
als auch das Stratum subpapillare, werden dann kleinzellig in-
filtrü-t. Dabei schmelzt das Gewebe, unter Pustelbildung und
Verwölbung verdünnter Epidermis ein. — Der Inhalt der Pusteln
trocknet mit der Zeit ein, es werden Borken gebildet, unter
welchen die Regeneration des Gewebes vor sich geht. Bei der
Rückbildung der Infiltrate entwickeln sich längliche und spindel-
förmige Fibroblasten. Sie verdrängen die Rundzellen und
organisiren sich zu einer Bindegewebsschicht. Dieser Vorgang
spielt sich auch bei der Rückbildung der nicht vereiternden
Infiltrate ab und führt oft zum Verstreichen der Papillen, also
zu seichter Narbenbildung.
Nach diesem histologischen Befunde könnte ich die Liehen
scrofulosorum Infiltrate mit den wahren Tuberkeln nicht iden-
tificiren. Sie waren vascularisirt, zumeist streifenförmig und
bildeten nie typische, scharf abgegrenzte, gefasslose Knötchen
mit dem charakteristischen Reticulum. Gerade auffällig erschien
mir bei unserer Affection die verhältnissmässig geringe Menge
der lymphoiden Zellen, welche nie in der Peripherie der Infil-
trate angesammelt war. Die für Tuberculose charakteristische
Verkäsung kommt bei Liehen scr. nie vor. (Jakob i konnte
diese bei seinen Untersuchungen auch nicht nachweisen.) Die
auf die Verkäsung folgende Erweichung und Zerfall (Geschwürs-
bildung), welche bei allen tuberculösen Processen der Haut
(Ulcus tuberculosum, Scrofuloderma, Lupus vulgaris, Tuber-
culosis verrucosa) vorkonmien, werden bei L. scr. vermisst.
Der klinische, verhältnissmässig benigne Verlauf des Pro-
cesses spricht auch" gegen die tuberculose Natur desselben. Keine
von den genannten Formen der Hauttuberculose ist im Stande,
sich in so kurzer Zeit zu entwickeln und rückzubilden, wie
gerade der Liehen scrofiilosorum. Bei den typischen tubercu-
lösen Hautgeschwüren schwindet das Gewebe unter unseren
Augen und der Process auf der Haut schreitet rapid vor und
hält gleichen Schritt mit der Tuberculose innerer Organe. In
dem von mir beobachteten Falle des Liehen scrofulosorum bei
einem hochgradig tuberculösen Individuum involvirte sich diese
Ueber Liehen scrofulosorum. 45
Hautaffection auf eine indifferente Behandlung (mit Zinkpasta),
trotz des Fortschreitens der allgemeinen Tuberculose.
Ich untersuchte die meisten meiner Präparate auf Tuber-
kelbacillen, es gelang mir aber nach keiner der Methoden solche
nachzuweisen. Nicht einmal bei dem hochgradig tuberculösen
Individuum und dem so schweren angeführten zweiten Falle
waren, trotz eingehender Untersuchung zahlreicher Hautschnitte
Tuberkelbacillen vorhanden. Sowohl von diesen beiden Fällen,
als auch von vielen anderen Kranken, impfte ich etwa über
linsengrosse Stücke von entwickelten Liehen scr. Plaques,
Knötchen und Acne cachect. Pusteln auf Meerschweinchen unter
die Haut der Bauchgegend. Neun derartige Versuche sind er-
folglos verlaufen. (Bei einem wahren Ulcus tuberculosum gelang
es mir durch positiven Erfolg der Impfung die Diagnose fest-
zustellen. — Arch. für Dermatologie und Syphilis XXIL Jahrg.
p. 779.) Diese Untersuchungen befestigen mein Bedenken gegen
die specifisch tuberculose Natur dieses Hautleidens.
Was den Fall von Sack (1. c.) anbetrifft, kann ich be-
merken, dass ich ihn vor der Publication und nach derselben
gesehen habe. Ich halte denselben für einen Liehen syphiL, wofür
auch der Umstand sprechen mag, dass, wie der Pat. angibt, die
Affection auf den Gebrauch vom Dect. Zittmanni hin zurückging.
Schon aus der publicirten Krankengeschichte geht übrigens die
Richtigkeit meiner Diagnose hervor. Die acute Unterkiefer drüsen-
schwellung unter Fiebererscheinungen spricht für eine Adenitis
im Verlaufe eines vom Kranken übersehenen Primäraffectes im
Bereiche des Gesichtes oder der Mundschleimhaut. Die Mit-
affection der Penishaut, der Plantae pedum und volae manum
(meiner Ansicht nach eine typische Psoriasis palm. et plant,
specif.), eine von mir constatirte scharf begi-enzte lividrothe An-
gina sprechen zur Genüge zu Gunsten der Diagnose Lues. Auch
die Unwirksamkeit der drei Iprocentigen Sublimatinjectionen
ist nicht im Stande, mich an der Sicherheit meiner Diagnose
zweifeln zu lassen. Ich habe mich bei der Application der 5%
Sublimatinjectionen oft überzeugt, dass der Liehen syphiliticus
einen grossen Widerstand der Quecksilbertherapie leistet, bei
Stoffwechselanregung (z. B. durch innerlichen Gebrauch von Decoct-
Zittmanni) dagegen sich rasch involvirt. Der histologische Befund
46 Lukasiewicz.
Sack's stimmt mit den Befanden Griff ini's, Neumann's
und Michelson^s (besonders des letzteren) bei dem klein-
papulösen Syphilid überein.
Trotz dieser, der Tuberculose ähnlichen histologischen
Bilder bei syphilitischen Lichenefflorescenzen, die ich auch oft
gesehen habe, hält heutzutage Niemand den Liehen syphiliticus
weder für eine tuberculose Hautaffection, noch für eine syphi-
litisch-tuberculöse Mischinfection (Michel so n).
Was S a c k^s Anfechtungen der Nomenclatur anlangt, so lässt
sich für den Liehen scrofulosorum der ihm von Hebra, seinem
ersten Bearbeiter gegebene Name durch einen besseren kaum
ersetzen. Abgesehen von dem Prioritätsrechte Hebra's sind
die später creirten Namen L. scrofulosus (Au spitz) und Scro-
fuloderma papulosum (Hebra jun.) als nicht zutreffend von
den Dermatologen nicht angenommen worden. Wenn anderer-
seits auch seit Hebra bekannt ist, dass bei Steigerung der
Entzündung einzelne Liehen scr. Knötchen vereitern und sich
zu Pusteln entwickeln, dürfte dennoch hoffentlich der zuerst
für die Ki-ankheit gewählte Name beibehalten werden, da die
Knötchenefflorescenzen ein constanter und wesentlicher Be-
standtheil des Processes sind. Gerade so wie es Niemandem
einfallen wird den Namen Liehen ruber wegschaffen zu wollen,
weil seine Efflorescenzen sich mitunter zu Blasen entwickeln und
sogar durch sie verdrängt werden können (Liehen ruber pem-
phigoides (Kaposi). Die französische Bezeichnung „FoUiculite-
pilosebacee" ist schon aus dem Grunde unrichtig gewählt, da
so viele Dermatosen in die Gruppe der Folliculitiden gehören.
Es ist eben die Bestrebung der Wiener Schule, dieselben
näher kennen zu lernen und entsprechend zu bezeichnen.
Der von Jakob i in den L. scrofuL-Präparaten vorgefun-
dene Tuberkelbacillus wurde sonst von keiner Seite bestätigt,
So wie es nur nie gelang, denselben bei L. scrof. zu sehen,
haben ihn auch weder Riehl noch Hallopeau-Darier
nachweisen können, wenn sich auch die beiden letzteren für
die tuberculose Natur des Lichens entschieden.
Nach meinen Beobachtungen und Untersuchungen habe
ich nun die Ueberzeugung gewonnen, dass dieser Entzündungs-
process als Ausdruck der Ernährungsstörung auftritt. Man be-
lieber Liehen scrofulosoram. 47
obacbtet ihn also am meisten bei tuberculösen (scrofulösen)
Individuen, jedoch nicht in directer Abhängigkeit von der
Tuberculose, sondern in Folge von der hier eintretenden Cachexie.
Gerade so hatten wir doch, wie bereits erwähnt, einmal bei
einem Kranken mit Lymphadenomata colli, ein anderesmal bei
einer Schwangeren den Liehen scrof. gesehen.
Andererseits aber zeigten den letzteren auch sonst gesunde
Individuen unserer Beobachtung, welche nur schlecht genährt
erschienen.
Die Riesenzellen bei Liehen scrophulosorum kann ich auch
nicht etwa als eine Wirkung von Fremdkörpern (Riehl) auf-
fassen. Wie aus meinen Befunden ersichtlich, sind sie nicht nur
um die Haai*e (welche für sie Fremdkörper abgeben) localisirt,
sondern kommen noch viel zahlreicher an Stelle der Enäuel-
drüsen vor. Ich habe femer diese Elemente bei Liehen ruber
planus, einem viel chronischer verlaufenden Leiden immer ver-
misst, selbst dann, wenn seine Efflorescenzen um die Haarbalge
herum angeordnet waren. Das wäre nicht zu erwarten, wenn
die Haare hier als Fremdkörper anzusehen wären. Meines
Wissens sind bis jetzt nur kleine Riesenzellen mit mittelstän-
digen Kernen bei Liehen ruber moniliformis von Kaposi und
dann grosse mit rundständigen Kernen in einem Falle von
Liehen ruber acuminatus vonMaxJoseph vorgefunden worden.
Der krankhafte Ernährungszustand des Individuums mag
vielleicht zur Bildung dieser granulösen Gewebsformation bei-
tragen. Die letztere gelangt nicht zur höheren Organisation
in Folge von Ausbleiben der Protoplasmatheilung nach erfolgter
Kemtheilung in den Fibroblasten (die Biesenzellenbildung). Ge-
stützt auf die angeführten Befunde möchte ich schliesslich auch
dem Epithel der Knäueldrüsen eine wesentliche Rolle bei dem
Zustandekommen der Riesenzellen beimessen.
48 Lnkasiewicz.
Erklärnng der Abbildungen auf Tafel I— III.
Taf. I. Fig. 1. Vertical-Dturchschnitt eines kleineren Liehen scrofiil.
Plaques. Vergröss. Zeiss. Ocnl. 4. Obj. DD, a Epitheloidzellen, b Riesen-
zellen, e Randzellen. A Haarbälge, B Blutgefässe, C Knäueldrüsen.
Taf. n. Fig. 2. Yertical-Durchschnitt eines älteren Liehen scrof.
Knötchens. Yergr. Zeiss. Oc. 2. Obj. DD, a Epitheloidzellen, 6 Riesenzellen,
e Rundzellen. B Blutgefässe, C Knäueldrüsen, E Granulationsgewebe an
Stelle der Knäueldrüsen, O eine aus mehreren Lamellen bestehende Schuppe
im Zusammenhang mit dem Ausfuhrungsgange eines Haarbalges.
Taf. HL Fig. 3. Ein tief reichender Infiltrationsherd. Zeiss. Oc. 4.
Obj. DD, a Epitheloidzellen, b Riesenzellen, c Rundzellen. C Knäueldrüsen,
D Regelmässig angeordnete Riesen zellengruppe, E Granulationsgewebe an
Stelle der Knäueldrüsen, F eine scheidenartige Begrenzung der Infiltrate.
lieber einen Fall von Epithelioma verru-
cosum abortivmn nebst einem Beitrage
zmn Studium der Psorospermosen.
Von
Prof. Pierleone TommaisoU in Modena.
^ (Hierzu Taf. IV— VI.)
Die folgenden Mittheilungen, die einen vielleicht nicht zu
unterschätzenden Beitrag zur Theorie der Epitheliome und der
Psorospermosen liefern, sind dem blossen Zufalle zuzuschreiben.
In der That wollte ich in meinem Falle, wie man spätcir sehen
wird, nur die sehr bescheidene Histopathologie einer besonderen
Form von Akrokeratom studiren, das ich durch eine örtliche
Dystrophie des Handrückens infolge einer langsam sich ent-
wickelten krebsigen Kachexie hervorgerufen glaubte ; statt dessen
kam ich dahin, in den Präparaten viel complicirtere Hautalte-
rationen zu constatiren, die mich nöthigten eine Form von Epi-
theliom anzunehmen, dessen Existenz ich klinisch m'cht vermuthen
konnte. Dies wollte ich vor allem hervorgehoben haben, da ich
glaube, dass die Klinik auch aus diesem Eingeständnisse wird
einen Vortheil ziehen können. Und nun gehe ich ohne Weiteres
zur Auseinandersetzung meines Falles über:
R. D., 42 J. alt, Guisbeeitzer, hat stets unter günstigen hygienischen
Bedingungen gelebt. Was sich anf dessen Antecedentien und Familie be-
zieht, ist uns völlig unbekannt; wir wissen nur, dass unser Kranke durch
mehr als 20 Jahre hindurch an corrodirenden Geschwüren des Gesichtes
(Epitheliome perle, Perlschnur-Epitheliom der französischen Autoren,
Verneuil's Epithelioma sudoriparum) in ihrer typischesten Form gelitten
ArcbiT f. Dcrmatol. n. Syphil. Band XXVI. 4
50 Tommasoli.
hat. Nachdem die Affectioii) wie es in der Regel geschieht, jahrelang in
sehr mildem Grade und nur an den obersten Gesichtspartien beschrankt
gedauert hatte, entwickelte sich ein Geschwür am rechten Nasenloch,
woselbst es, durch den üblichen langsamen Verlauf, so schwere und tiefe
Ulcerationen veranlasste, dass zwei Drittel der Nase und der grösste Theil
der Oberlippe zerstört und selbst der Kieferknochen stark angegriffen,
sowie ein grosser Theil des rechten Gaumendaches corrodirt wurden.
In Folge dieser schweren Ulceration, die ein carcinpmatöses Aus-
sehen darbot, begann Patient, der früher stets einen guten Allgemein-
zustand gezeigt hatte, sehr beträchtliche Alterationen der ünterkieferdrüsen
aufzuweisen; dann wurde er nach und nach von Kachexie befallen, die
ihn nach einigen Monaten ins Grab führte.
In seinen letzten Lebensjahren haben sich am Handrücken und an
der Dorsalseite der Finger — insbesondere aber an den mehr centralen
Partien des Handrückens — andere Alterationen entwickelt, die eben die-
jenigen sind, die zu dieser meiner Veröffentlichung Anlass gegeben haben.
Diese Alterationen, die ich vom Standpunkte dieser Studie als sehr schwer
und interessant bezeichnen muss, waren hingegen vom Standpunkte des
Patienten von so geringer Bedeutung, dass dessen Aufmerksamkeit auf sie
gar nicht gelenkt wurde, so dass Patient nicht einmal annähernd angeben
konnte, seit wann dieselben bestanden. Deren Beginn ist absolut schlei-
chend gewesen, und Patient wusste mir nichts anderes zu sagen, als dass
er seit einiger Zeit bemerkt hatte, dass die Haut der Handrücken nicht
wie sonst aussah und an einigen Stellen glatter, an anderen runzelig imd
rauh geworden war; er hatte jedoch diesen Veränderungen niemals eine
Bedeutung beigelegt.
Bei der Untersuchung dieses Patienten, den ich später zur Be-
handlung in meine Klinik aufnahm, fand ich, dass fast die ganze Haut
der Handrücken tief verändert war. Die Haare waren hier fast gänzlich
verschwunden. Die Epidermis erschien glänzend und sehr glatt, als ob es
sich um eine sehr oberflächliche, regelmässige und sehr ausgebreitete
Pseudonarbe gehandelt hätte, und die Farbe dieser ganzen Epidermis \^ar
bald perlenweiss, bald rein violett: Der atrophische Zustand des ganzen
Hautgewebes war augenscheinlich, auch ohne dass es nothwendig gewesen
Wäre, diese Haut in Falten abzuheben. Auf diesem atrophisch-narbigen
Grunde, der gleichförmig vertheilt war, wiewohl die Läsion viel mehr
ausgeprägt im centralen und mehr hervorragenden Theile der Handrücken
erschien, erhoben sich, scharf umschrieben, zahlreiche Knötchen, wovon
einige hirsekomgross, andere hanfkomgross und etwas zusammengedrückt,
andere endlich linsenförmig waren. Diese Knötchen waren dem Gefahle
nach hart, leicht verschiebbar mit der dünnen Haut, worauf sie sassen,
und die meisten bedeckt von einer starken hyperkeratotischen Epidermis
mit einem kleinen vertieften und schwärzlichen Punkte in der Mitte.
Dann befanden sich zwischen diesen, aber in bescheidener Zahl, andere
Erhebungen, die ihrer Beschaffenheit nach den anderen sehr analog,
jedoch platter und ausgedehnter und von cornealen Anhäufungen voll-
Ueber einen Fall von Epithelioma verrucosum abortivum. 51
ständig überkleidet waren. Manche dieser Comealanhäufungen präsentirte
sich in Form kleiner isolirter Feischeu, nach Art derjenigen, die wir bei
Ichthyosis hystrix beobachten; manche andere bot die Form von
nnregelmässigen, aus dem Einpilanzangsknötchen selbst über zwei Mm.
hervorragenden Stacheln, und die meisten hatten die Form von kleinen
flachen Homwarzen, die bedeckt waren mit mehr oder weniger dicken
Kömchen aus Homsubstanz und von schmutzig gelber Farbe. Hie und
da einige Epidermisschüppchen, die entweder adhärent waren oder im
Wege spontaner Lostrennung sich befanden.
Das war das von den Handrücken dargebotene Krankheitsbild. Der
Rest der Hautoberfiäche zeigte normale Verhältnisse.
Klinisch betrachtet, hatte dieses Krankheitsbild längere
Zeit meine Verwunderung hervorgerufen, ohne dass ich imstande
gewesen wäre, mit voller Ueberzeugung eine bestimmte Diagnose
zu stellen. In der That konnte ich nicht an eine selbst atypische
Reproduction des Ulcus rodens des Gesichtes glauben, denn ein
Geschwür irgend welcher Form war auf dieser vom Gesichte
entfernten Region nicht aufgetreten, und wir wissen, dass, nach
Angabe des Kranken selbst, der Bücken seiner Hände immer
gesund geblieben war. Während ich jedoch selbst eine atypische
Beproduction des Ulcus rodens ausschliessen zu können glaubte,
konnte ich doch nicht in mir die Erinnerung unterdrücken,
dass vonVerneuil das Ulcus rodens epitheliome sudori-
pare genannt wurde, und dies veranlasste mich, zu fragen,
ob nicht jene verschieden grossen und verschieden geformten
Knötchen, die man an den Handrücken.. zerstreut fand, eine
jener absolut gutartigen Formen von Epithelioma sudoriparum
oder cysticum in sich geborgen hielten, die Török Syringo-
Gystadenom genannt und für die Besnier die Bezeichnung
Cystadenomes epitheliaux benins vorschlägt. Auch
musste ich daran denken, dass das Ulcus rodens gegenwärtig
von vielen Autoren als eine durch Coccidien hervorgerufene
parasitäre Affection angesehen wird, was mich bestimmte, zu
fragen, ob nicht in jenen eigenthümlichen, zum Theile nodulären,
zum Theile verrucösen Läsionen der Handrücken eine circum-
scripte Form jener ebenso eigenthümlichen Affectionen ver-
Wgen wäre, denen man in letzterer Zeit, in Ermangelung
einer befriedigenden klinischen Bezeichnung, den meiner Ansicht
nach ebenso überstürzten als unpassenden Namen von Psoro-
spermos^e foUiculaire vegetante d.e D a r i e r beigelegt hat.
4*
52 Tommasoli.
In jedem Falle aber erkannte ich, dass allzu gross die
Differenz war zwischen dem gewöhnlichsten Krankheitsbilde
aller dieser verschiedenen Affectionen und dem Kxankheitsbilde,
das mein Patient gezeigt hatte. Und noch mehr entfernte sich
dasselbe von anderen bekannten Erkrankungen^ die als End-
stadium eine atrophische oder pseudonarbige Läsion herbeiführen.
Indem ich demnach vor Allem auf die vemicösen Corneal-
productionen Rücksicht nahm, die inmitten der anderen Läsionen
das Feld beherrschten und zwei ganz bestimmte Regionen der
Extremitäten symmetrisch besetzt hielten, die öfters auch von
anderen der Akropathologie zugehörenden Läsionen befallen
werden, beschränkte ich mich darauf, die Läsionen der Hände
meines Kranken unter die Akrokeratome einzureihen, und
ich wartete auf seinen Tod, um mit Hilfe des Miki-oskops
meine Diagnose vervollständigen oder berichtigen zu können.
Als der Kranke starb — es geschah dies nach wenigen Mo-
naten — war ich abwesend ; aber einer meiner Assistenten beeilte
sich, einige Hautstücke vom Handi'ücken des Leichnams heraus-
zuschneiden und in absoluten Alkohol zu legen. Im Folgenden
theile ich die Resultate der von mir nachträglich vorgenommenen
histologischen Untersuchung mit.
Was das Akrokeratom anlangt, will ich hier in wenigen
Worten — gleichsam zur Rechtfertigung der klinischen Diagnose,
auf die ich mich, in Ermangelung von etwas Besserem, be-
schränken musste — daran erinnern, was ich bereits in einer
früheren Publication *) auseinandergesetzt habe , aus welcher
die Geschichte des Falles hier reproducirt ersclieint. Bei der
Untersuchung nämlich der Präparate bei geringer Vergrösserung,
fand ich in sehr vielen Schnitten mehr oder weniger starke
Anhäufungen von Homsubstanz, genau wie man es sehen kann
in einer histologischen Tafel von Akrokeratoma hystrici-
form« hereditarium, die ich zusammen mit der Chromo-
photographie des betreffenden Falles im „Intern. Atlas seltener
Fälle" (1893, Hamburg) veröffentlicht habe, und wie man es
sehen kann auf den histologischen Tafeln der sogenannten Psor o-
') Contrib. da servire alla Storia d. Akrokeratomi con una nuova
forma di Akrokeratoma hyBtr. hered. (Rass. sc. Med. Modena. Marzo 1893.)
üeber einen Fall von Epithelioma verrucoBum abortivum. 53
spermose folliculaire de Darier, die von Darier,^)
Boeck*) und Campana') pubKcirt wurden. Diese Homan-
hänfungen haben die eigenthümlichsten Formen von Schichtungen,
Fdeea, Stacheln, Federbuschen, und Fig. 1 der Taf. IV gibt
eben das Bild einer dieser bizarren Keratome wieder. Innerhalb
dieser Anhäafiingen erscheint die Homsubstanz an einigen
Punkten ganz homogen und compact ohne eine Spur von nucle-
olaren Residuen, an anderen Stellen erscheint sie wellenartig ge-
schichtet, in anderen wieder maschenartig und ge&anst, nament-
lich dort, wo die Ausmündungen der Schweissdrüsen zu sehen
sind« Oefters jedoch stellen diese Anhäufungen Zonen dar, in
welchen die Zellenelemente noch hinreichend erkennbar sind,
und wo ganze Cornealfelsen wahrgenommen werden können, die
mit kleinen Pünktchen dicht besäet erscheinen, die nichts anderes
sind als rundliche oder zusammengedrückte und noch vollkom-
men mit Hämatoxylin oder Caimin gefärbte Kerne.
Dieses besondere Aussehen der Hommassen, die aus
Epithelzellen zusammengesetzt sind, in welchen der Comei-
ficationprocess infolge der Alterationen der darunterliegenden
Schichten atypisch und unvollständig sich vollzieht, entspricht
vollkommen der Figur, die Darier in oberwähnter Tafel mit
dem Buchstaben b bezeichnet hat und die von ihm als „matiere
d'apparence plus dense, composee d'une accumulation de para-
sites sous forme de grains" gedeutet wurde.
Betreffs nun der ganzen Läsion im Allgemeinen, gestattet
uns vom Standpunkte ihrer Natur die Gesammtuntersuchung der
aus vielen Hautstücken gewonnenen Präparate vor Allem fest-
zusetzen, dass am Handrücken meines Kranken die Affection
zwei von einander wold unterschiedene Perioden, eine progres-
sive und eine regressive Periode darbot.
An den Schnitten, die uns die verschiedenen Stadien und
die verschiedenen Modalitäten der progressiven Periode der
Affection zeigen^ finden wir die Homschicht constant, wie bereits
oben erwähnt wurde, stark hypertrophisch, warzig, zerklüftet.
») AnnaleB d. Dermat. etc. Nr. 7, 1889. PI. IV, Fig. 1.
») Arch. f. Dermat. und Syph. Heft 6. 1891. Taf. XVI, Fig. 1.
*) Ittiosi Cornea e psorosperm. (Psorospermosi ittiosiforme.) Atti d.
R. Univ. di Genova, 1892. TaÜ I, Fig. 1.
54 Tommasoli.
Bei kleiner Vergrösserung bemerkt man, dass diese stark
verdickte Homschicht 10- bis 20mal dicker als das Stratum
spinosnm und ihre Lagen einen ausgeprägt welligen Verlauf
haben, entsprechend den vorspringenden Papillen und den tief
einsenkenden Interpapillärzwischenräumen. Nach der Umgebung
fällt die Homschicht schroff ab. Während in der Mitte des
Schnittes die Papillen senkrecht stehen, sind sie nach der
Peripherie zu niedergedrückt und verlaufen daher auch die
senkrecht getroffenen Leisten in Form der Epithelzapfen mehr
oder weniger schräg zur Oberfläche.
Auch das Stratum spinosum ist hypertrophisch, circa um
das Doppelte der Eandpartien.
Die Papillen sind meist schmal, lang und spitz; einige
sind vergrössert, ihre Vergrösserung aber ist vielleicht in der
Hauptsache auf die seitliche Compression der dichten Hommasse
zu setzen.
Das subpapilläre Gefässnetz ist von Rundzellen umgeben,
die Herde sind jedoch nicht so dicht, um das Zwischengewebe
ganz zu verdecken und reichen nur an einigen Stellen bis an
das Epithel heran. Die seitlichen Partien des Schnittes sind
frei davon. Die mittleren und unteren Cutisschichten dagegen
scheinen normal zu sein und fallen nur die auf ihrem geraden
Verlaufe zur Seite gedrängten Schweissdrüsengänge auf.
Bei starker Vergrösserung sieht man die Hornzellen und
ihre Contouren bis in den obersten Lagen erhalten. Zonenweise
haben sie, wie gesagt, einen gut erhaltenen und gut färbbaren
Kern und auch noch deutliche Beste ihres Stachelsaumes. Bei
Färbungen grenzt sich deutlich das verbreitete Stratum lucidum
von der übrigen Homschicht ab. Das Stratum granulosum ent-
hält reichlich Keratohyalin.
Ausserdem findet man hie und da zwischen den Hornzellen
mehr oder weniger mnde, homogene, glänzende, kernlose Kör-
perchen, welche durch diese Eigenschaften sich scharf von den
umgebenden Zellen unterscheiden.
Die zahlreichsten und wichtigsten Veränderungen weist
das Stratum spinosum auf, in welchem sich zahlreiche Mitosen
nachweisen lassen. Es gibt Schnitte, in denen bei Inmiersion,
?
^,'^
üeber einen Fall von Epithelioma verracosum abortivnrn. 55
im Gesichtsfeld 4, 5, 6 und noch mehr Mitosen zu sehen sind.
Meistens findet man Knäuel-, Spindel- und Stemformen. Diese
in Theilung hegriffenen Epithelien des Stratum spinosum fallen
bei starker Vergrösserung nicht allein durch den intensiv ge-
färbten Kern auf, sondern auch durch ihr glänzendes Proto-
plasma und durch die Grösse und runde Form desselben. Derartige
Zellen stellen sich also folgendermassen dar: zwischen den
Stacbelzellen, deren Protoplasma noch eine leichte Färbung yon
der Kemfarbe zurückbehalten hat, liegt ein gewöhnlich kreis-
runder, homogener, glänzender Körper, welcher die umgebenden
Zellen bei Seite gedrängt hat (s. Fig. 3, Taf. V). An diesem
Körper lässt sich ein feiner Stachelsaum erkennen, welcher
jedoch nicht mit dem der umgebenden Zellen in Verbindung
steht. Das Centrum dieses glänzenden Protoplasma ist gegen
den Kern zu in Form eines Ringes abgesetzt, so dass der Kern
in einem Hohlraimi liegt. Bei sehr yielen derartig veränderten
Zellen befindet sich der Kern, wie gesagt, in Mitose.
Es finden sich aber auch Kerne im Ruhestadium oder in
Form eines homogenen, intensiv gefärbten Klümpchens von runder
oder länglicher, unregelmässiger Form; in letzterem Falle be-
steht kein Hohlraum um dieselben. In manchen dieser verän-
derten Zellen ist der Kern zerfallen und zwar in grössere und
kleinere Partikelchen, welche unregelmässig im Protoplasma
zerstreut liegen können.
Ausser diesen pathologischen Zuständen finden sich noch
andere. Manche Zellen enthalten in der That Kerne von der
2 — Sfachen Grösse der übrigen mit stärkerem Ghromatinnetz
und mit mehreren grossen Nucleolen. Andere Zellen haben in
der Mitte eine Vacuole, die den Kern in Form einer Kugelculatte
an die Peripherie gedrückt, enthält. Dann findet man auch
homogene Massen ohne Kern, von der Grösse einer EpithelzeUe
oder auch grösser zuweilen auch kleiner, von mehr oder weniger
unregelmässiger Form, was von den umliegenden Zellen be-
dingt zu sein scheint. An wenigen Stellen sieht man das Epithel
aufgehellt, das Protoplasma nicht mehr scharf begrenzt, zum
Theil wie in Bröckelchen zerfallen, die Interspinalräume er-
weitert.
56 TommasolL
Die starke Mitosenbildung führt, wie aus einigen Schnitten
sehr deutlich zu ersehen ist (s. Taf. IV, Fig. 2 a), zu einem Aus-
wachsen des Epithels in Form von rundlichen Knospen in die
Cutis. Schon bei schwacher Vergrösserung sieht man die Unter-
fläche des Epithels an manchen Stellen in Form kleinerer
oder grösserer abgerundeter Fortsätze in das Bindegewebe vor-
dringen. Diese Stellen fallen auch dadurch auf, dass sie heller
gefärbt sind als die übrigen Partien des Epithels. Bei starker
Vergrösserung sieht man alle Zeichen der Proliferation an diesen
Herden : die Zellen liegen lockerer, sie sind vergrössert, befinden
sich in mitotischer Theilung und das angrenzende Bindegewebe
ist aufgelockert. Diese Eigenschaften sind so constant, dass
man bei Durchmusterung des Schnittes mit der Immersionslinse
aus dem Auffinden einer dersq^lben auf das Vorhandensein der
übrigen mit Sicherheit schliessen kann.
Was die Veränderungen der Cutis betrifft, so erweist sich
die Leucocytenauswanderung um die Gefässe des Stratum pa-
pilläre und subpapillare als die constanteste und wichtigste. Sie
findet sich hauptsächlich da und auch am reichlichsten, wo die
Epithelproliferation stattfindet. Hier besteht auch ein leichter
Grad von Oedem. Daneben findet man zahh-eiche Mastzellen um
die Gefässe und unregelmässig zerstreut im Bindegewebe.
Ausserdem findet man auch einige unregelmässig geformte, zum
Theil gegeneinander abgeplattete, homogene glänzende Kör-
perchen, welche theils dicht unterhalb des Epithels, theils im
Bindegewebe der Papille liegen.
Was die regressiven Veränderungen betrifft, finden wir das
Folgende :
Auf einigen Hautschnitten neben allen diesen Veränderungen
imd besonders nebst der warzigen Hornschicht sieht man noch
andere regressive Veränderungen, die beschrieben werden sollen.
Andere Hautschnitte endlich zeigen nur eine etwas verdickte,
glatte Oberfläche und die folgenden regressiven Veränderungen.
Bei schwacher Vergrösserung zeigen die Schiiitte mit der
warzigen Hornschicht noch unter derselben ein hypertrophisches
Stratum spinosum und lange, spitze Papillen. Dagegen ist die
Infiltration des Papillarkörpers eine geringere geworden. Andere
Schnitte, wo keine Hornschichtverdickung mehr besteht, zeigen
Üeber einen Fall von Epithelioma verracosum abortivnin. 57
dagegen bereits eine der normalen Umgebung gleich dickes
Stratum spinosum oder sogar ein niedrigeres (s. Fig. 6, Taf. VI).
Dementsprechend ist auch der Papillarkörper entweder von
normalem Aussehen oder offenbar atrophisch, resp. bereits nie-
driger und ganz verstrichen.
Bei starker Vergrösserung fällt im Stratum corneum der
Mangel der Kerne auf, trotzdem dasselbe noch so hypertrophisch
ist wie in den zuerst beschriebenen Schnitten. Auch ist die
Grenze zwischen den einzelnen Homzellen nicht mehr so deutlich.
Im Stratum spinosum sucht man vei^ebens nach Mitosen.
Man findet nur hie und da einige glänzende, veränderte Zellen,
welchen man auch in den höheren Lagen begegnet.
Im Papillarkörper liegen noch Rundzellen um die Gefässe,
jedoch entschieden weniger als im progressiven Stadium. Die
Zahl der Mastzellen scheint die gleiche zu sein, wie früher.
Dagegen zieht ein neues Element in der subepithelialen Cutis-
schicht die Aufmerksamkeit auf sich; es sind dann herdweise,
in einer Breite von zwei bis vier Papillen liegende, unregel-
mässig contourirte, glänzende, homogene Körperchen.
Die Cutis hat offenbar an ihrem Dickendurchmesser eiu-
gebüsst. Die zahlreichen und stark entwickelten Knäueldrüsen
sind ganz oberflächlich geworden, aber sie stellen keine der
von Darier beim Epitheliom der Knäueldrüsen geschilderten
pathologischen Zustände vor. Einige Arterien zeigen an der
Adventitia bindegewebige Verdickung.
Durch Taenzer's Orceinfarbung für elastisches Ge-
webe mit nachfolgender Methylenblau-Kernfarbung lassen sich
die eben erwähnten Körperchen am besten braun färben, ent-
weder blass oder intensiv braun. (Taf. VI, Fig. 5.)
Durch dieselbe Färbungsmethode sieht man, dass während
im subepithelialen Bindegewebe die elastischen Fasern sehr fein
und zierlich sind, finden sich in der Nähe der erwähnten Kör-
perchenherde und auch zwischen den Massen breitere, nicht so
dunkel gefärbte Fäden. Dieselben haben theils unregelmässige
Anschwellungen in ihrem Verlaufe, theils sind sie in einzelne
Stücke zerfallen, welche hintereinander aufgereiht liegen und
vielleicht 2 — 3mal so dick wie die n(»*malen Fasern dieser Gegend
sind. Auch diese Stücke zeigen bereits den eigenthümlichen
58 Tommasoli.
Glanz und sind homogen. Weiter findet man hufeisenförmig
gebogene glänzende Fäden und hornartig gewundene, runde
Körperchen mit centralem Loche.
Im weiteren Verlaufe ist von der ursprünglichen Faden-
strictur nichts mehr zu sehen und man findet nur homogene,
unregelmässig contourirte, glänzende Massen in den verschie-
densten Grössen, von der Grösse eines rothen Blutkörper-
chens bis zu dem Durchschnitt einer Erbse und noch mehr.
Ausser in Herden finden sich diese Elemente auch noch ver-
einzelt in den Papillen, mitunter sehr dicht dem Epithel an-
liegend und dann meistens von sehr kleiner Form. Die nächst-
liegenden Epithelzellen grenzen sich dann deutlich durch ihren
Stachelsaum von diesen Körperchen ab.
In den Hautschnitten, welche am deutlichsten das regres-
sive Stadium repräsentiren mit atropliischem Epithel und Pa-
pillarkörper und in welchen nur noch spärliche Leucocyten
liegen, finden sich nur noch wenige glänzende Körperchen in
der Cutis.
Ich gestehe es, dass gegenüber diesen verschiedenen
histologischen Befunden ein epikritischer Schluss ebenso schwer
zu ziehen war als ein diagnostischer Schluss gegenüber dem
klinischen Befunde. Drei Probleme stellten sich mir in der
That entgegen: 1. Wie konnte man jene warzenartigen Altera-
tionen deuten, die mit einem darunterliegenden Processe atypi-
scher Wucherung des Epithels innig zusamimenzuhängen schienen
und die sich auf der Haut eines Individuums entwickeln, das
an einem anderen Theile des Körpers mit Ulcus rodens behaf-
tet ist ? 2. Was stellten jene Alterationen der Epithelzellen dar,
die wir in der progressiven Periode der Läsion constatirt haben,
und vor allem war jene wirklich Zellenalterationen? 3. Was
stellten jene homogenen, glänzenden und durch Orcein braun
gefärbten Massen dar, die wir in den subepithelialen Haut-
schichten angetroffen haben?
In Betreff des ersten Problems bekräftigte mich die That-
sache des Vorhandenseins einer oberflächlichen und fast möchte
ich sagen, gutartigen Epitheliomform (Ulcus rodens), die an
einem anderen Körpertheile in Entwicklung begriffen war, in
Ueber einen Fall von Epithelioma verrucosum abortivum. 59
der Meinung, dass auch an den Handrücken jene atypische
Epithelwucherung als eine epitheliomatöse Alteration gedeutet
werden könnte. Weshalb blieb jedoch diese Alteration so
oberflächlich und wie konnte sie spontan ausheilen, indem sie
eine so ausgeprägte atrophisch-degeneratiye Alteration der ober-
flächlichen Hautpartien nach sich zog? Darier hat in seiner
Arbeit „Sur l'epitheliome des glandes sudoripares** *)
auf einige verschiedene Formen von Epitheltumoren mit sehr
langsamem Verlaufe und sehr gutartigem Charak-
ter hingewiesen. Und Karg hat in seiner Studie „Ueber
das Carcinom*^ ') behauptet, dass die Page tische Krankheit
„ebensowenig ein hartnäckiges chronisches Ekzem der Mamma
wie eine besondere Krankheit ist. Es handelt sich um ein Car-
cinom, und zwar um die oberflächlichste oder flachste Form
des Carcinom, die möglich ist; am nächsten steht ihm das
klinisch und pathologisch-anatomisch verwandte Ulcus rodens
der Haut, bei dem aber auch in den langsamst verlaufenden
Fällen eine viel weiter gehende und tiefer greifende Infiltration
des Bindegewebes mit Krebszellen erfolgt als hier".
Nun könnte es sich vielleicht in meinem Falle um eine
noch gutartigere und oberflächlichere oder flachere Epitheliom-
form als das epitheliome adenoide und die Paget'sche
Krankheit handeln? In seiner eben angeführten Arbeit hat
Darier geschrieben: „Parmi les conditions qui ont le plus
d^influence sur la marche des tumeurs notons la richesse plus
ou moins grande de la region en vaisseaux lymphatiques et
sanguins et surtout la resistance du tissu conjonctif. Sa resistance,
ou sa reaction, pour mieux dire, qui conduit ä Fencystement,
ou meme ä retouftement du tissu epithelial comme dans le
squirre atrophique, constitue une barriere reelle opposee
a renvahissement et ä la dissemination du neoplasme." *)
Rührte nun vielleicht in meinem Falle die spontane und regres-
sive Involution des Hautepitheliom von jener so manifesten
») Contrib. k Petude de l'epithel. des gl. sndor. Travail du labor.
d^Histol. du College de France. XII. Paris.
') Deutsche Zeitecbr. f. Chir., 34. Bd. Leipzig 1892, p. 167.
•) Loc. cit. p. 130.
60 Tbmmaeoli.
bindegewebigen Reaction her, die die Stellen der Epithelium-
wucherung umgab (Siehe Fig. 2 a, Taf. IV).
Was das zweite Problem anbelangt, so führte mich dieses
ohne Weiters mitten in die so viel erörterte Frage der Psoro-
spermosen zurück. Und ich, der ich schon, in Gemeinschaft
mit Török, Gelegenheit hatte, mit Bezug auf das Epithelioma
moUuscum einen Beitrag zu dieser Frage zu liefern, wobei ich
eine Ansicht vertrat, die nach den neuen Arbeiten von Stanziale
Ritsch, Israel, Karg, Marchand und namentlich nach
der neuesten Publication Kromeyer's') entschieden zu
triumphiren bestimmt ist, sah vor mir das Feld offen, um einen
neuen Beitrag zu dieser Frage der Psorospermosen mit Bezug
auf das Carcinom zu bringen.
Erst jüngst ist auf dem Gebiete des Carcinom aus dem
pathologischen Institute des Prof. Recklinghausen eine
bemerkenswerthe Arbeit von Eugen Burchardt: „Ueber ein
Coccidium im Schleimkrebs des Menschen und seine Dauer-
sporencyste" ^) erschienen. Diese parasitäre Theorie des Carci-
noms also, die Podwyssozki und Sawtschenko so wacker
vertheidigt haben, während Andere, die einst ihre Anhänger
waren, schon den Rückzug mehr oder weniger offen antreten,
kann noch nicht als abgethan betrachtet werden. Aber die
Publication Karg's und noch mehr die jüngste und werthvoUe
Arbeit Török's „üeber die protozoenartigen Gebilde des
Carcinoms und der Paget 'sehen Krankheit"^) haben vor-
eilige Behauptungen zurückgewiesen und das Feld von vielen
Irrthümern aufgeräumt. Und mir schien es, dass ich, mit Hilfe
dieser beiden Publicationen und der zahlreichen, ihnen beige-
scldossenen Illustrationen, aus meinen Präparaten Argumente
ziehen könnte, um mich ein zweites Mal auf die Seite des
Freundes Török zu stellen. Hatte ich aber auch wirklich
hinreichende Gründe um dies thun zu können?
Bezüglich des dritten Problems endlich fand ich mich von
neuem der nämlichen Frage gegenübergestellt. Waren vielleicht
parasitärer Natur jene homogenen und glänzenden Massen von
•) Virchow's Archiv. Bd. 132. 22. April 1893.
«) Virchow's Archiv. Bd. 131, 2. Januar 1893.
») Monatshefte f. prakt. Dermat. 1. März 1893. Bd. XVI. Nr. 5.
lieber einen Fall von Epithelioma Terracosnm abortivum. 61
Terschiedener Form und Grösse, die ich in den subepithelialen
Schichten zu Nestern zusammengehäuft und zumeist den soge-
nannten Körperchen des Molluscum contagiosum so ähnlich
sehend gefunden hatte? Oder waren es nicht vielmehr Dege-
neiiitionsproducte, die man neben jene stellen musste, die von
mir auf der seit langer Zeit an Pityriasis rubra ^) erkrankten
Haut vorgefunden wurden und die auch Török in den vorge-
sclirittenen Stadien des Liehen ruber angetroflfen hat. *-')
Bei Pityi'iasis rubra beschrieb ich sie folgendermassen :
^In allen von mir imtersuchten Schnitten sieht man mitten in
der Infiltration der obersten Lagen des Derma glänzende,
entweder runde oder rundliche oder ovale, birn- oder auch
keulenföi*mige Körperchen, welche sich nur schwach mit Orcein
und schlecht mit Carmin und Hämatoxylin und mit Safiranin
färben. Einzelne dieser Körperchen liegen vereinzelt, die Mehr-
zahl jedoch bildet Gruppen. Ihre Grösse variirt zwischen der-
jenigen eines rothen Blutkörperchens und dei;jenigen einer Epi-
thelialzelle. Ihi-en Sitz haben dieselben immer sehr nahe am
epithelialen Rande aufgeschlagen. In den Papillarüberresten und
genauer an deren Spitzen liegen sie zerstreut." Und von der-
selben Neugierde angeregt, die mich heute anstachelt, setzte
ich damals hinzu:
„Was mögen nun diese Körperchen^ sein? Gewiss nicht
anderes als ein Degenerationsproduct, es wäre denn, man wollte
in denselben auch hier, wie bei anderen Hautkrankheiten, wie
es Mode geworden, Parasiten wittern.
Wenn es nun Degenerationsproducte sind, woher kommen
sie denn? Mein sehr geschätzter Freund Török hat mir
fast ganz identische Figuren an Präparaten gezeigt, die ihm zu
seiner interessanten Arbeit „Ueber Liehen planus" gedient
haben. Dort gab Török, ohne die Frage lösen zu wollen, die
Möglichkeit zu, dass es sich um Theile degenerirter Bindege-
websfasern, oder um degenerirte Infiltrationszellen, oder um
') Tommasoli. Beitrag zur Histologie der Pityr. rubra. Monatsh.
f. prakt. Derm. IX., 6, p. 250.
') Török. Anat. d. Liehen planus (Wilson). Ziegler's Beitr. z. patk.
Anat. etc. Bd. VIII, p. 441.
62 Tommasoli.
Ablagerung von Hyalinschollen, wie man solche bei den ge-
wöhnlichen Hyalindegenerationen antrifft, handeln könne.'^
Wie man sieht, stimmt die von mir damals gegebene Be-
schreibung dieser Körperchen der Pityriasis rubra vollkommen
mit der gegenwärtigen Beschreibung der Körperchen, die Gegen-
stand meines dritten Problems bilden, vollkommen überein.
Und auch jetzt fühlte ich mich gedrungen, zu wiederholen, dass
sie „gewiss nichts anderes als ein Degenerationsproduct sind*".
Und die Thatsache femer der tiefgreifenden Alterationen, die
ich dieses Mal im elastischen Gewebe constatirte, sowie die
andere noch wichtigere Thatsache der besonderen Färbung,
die man in diesen homogenen Massen nach demTaenzer^schen
Verfahren zur Färbung des elastischen Gewebes erlangte, be-
gründeten noch mehr den Verdacht, dass diese homogenen und
glänzenden Massen ein Degenerationsproduct der elastischen
Fasern sein könnten. Eine Publication Schmidt ^s „über die
Altersveränderungen der elastischen Fasern in der Haut" *)
stützte ganz besonders diese meine Vermuthung. In der That
wird in derselben gesagt, „dass durch die Atrophie der Umge-
bung eine Aenderung der Substanz der elastischen Fasern unter
zwei Formen erfolgt, welche sich in der Regel combinirt vor-
finden : In einem Falle quillt dieselbe zu hyalinen Balken auf, im
anderen zerfällt sie in glänzende Kügelchen, welche
dann weitere Umwandlungen eingehen".
Eine andere jüngste Publication aber Du Mesnil de
Rochemont's „Ueber das Verhalten der elastischen Fasern
bei pathologischen Zuständen der Haut" ") belehrte mich, dass
dieser Beobachter die Alterationen des elastischen Gewebes bei
verschiedenen Hautaffectionen, darunter der senilen Atrophie
der Haut, wie eben Schmidt, und der Verruca senilis seu
seborrhoica, und auch in einem Falle von Lippencancroid unter-
sucht hat. Mit folgenden Worten schloss Verfasser seine Arbeit :
„Veränderungen der Fasern selbst (hyaline Quellung, Zerfall in
glänzende Kügelchen) wie sie Schmidt beschi-eibt, habe ich
in meinen Präpai'aten nicht nachweisen können". UebeixJies hat
<) Yirchow's Archiv. Bd. 125, 2. (6. Aug. 1891) p. 244.
«) Arch. f. Derm. u. Syph. 1893. Heft IV, p. 577.
Ueber einen Fall von Epithelioma verracosum abortivum. 63
Schmidt seiner überaus interessanten Arbeit keine Figur bei-
gefügt, wodurch nützliche, wenn nicht entscheidende Vergleiche
mit meinen Präparaten mögUch gewesen wären. Auch gegenüber
diesem dritten Problem gelang es mir also nicht, jeden Zweifel
zu beseitigen, und daher entschloss ich mich meine Fragen der
massgebenden Beurtheilung meines geehrten Freundes Dr.
Philippson (Director des pathologischen Laboratoriums im
dermatologischen Institute Unna ^ s) zu unterbreiten, welchem ich
meine Präparate zusammen mit einigen Hautstückchen einsandte.
Dr. Philippson theilte mir mit der ihm üblichen Liebens-
würdigkeit mit, dass er auch zwei Fälle gesehen habe, bei
welchen er, ausser den Läsionen des Ulcus rodens am Gesichte,
einige Warzen am Halse, an den Ohren und am Handrücken
beobachtet hat. Er hat jedoch die histologische Untersuchung
nicht ausgeführt, also war mein Fall für ihn Ton dem grössten
Interesse. In Bezug nun auf die von mir aufgestellten drei
Probleme erklärte er mir, er sei fest überzeugt, dass die epi-
theliomatöse Natur der Läsion, wie oberflächlich und gutartig
auch selbe sein mag, nicht ausgeschlossen werden könnte ; auch
könnten die grosse Zahl von Mitosen und die epitheliale Wuche-
rung in Form Yon schönen Knospen, wie sie auf der Taf. lY,
Fig. 2 zu sehen sind, keine andere Deutung zulassen.
Um nun mit grösserer Sicherheit den Ursprung der Krank-
heitserscheinungen, die in den Epithellagen nachgewiesen wurden,
und insbesondere die Natur jener kernlosen runden, homogenen
und glänzenden Körperchen, die man zwischen den Epithelzellen
beobachtete, festzustellen, hat Philippson die yerschiedensten
Färbungsmethoden angewendet, in erster Linie das W e i g e r tische
und Ton Kromeyer modificirte Verfahren zur Färbung des
Fibrin (Verhandl. der deutsch, derm. Gesellsch. 3. Congress,
geh in Leipzig 17. — 19. September 1891). *) Bei Anwendung
dieser Methode, die der dermatologischen Histologie bereits
so schöne Dienste erwiesen, ist natürlich Dr. Philippson von
dem feinen normalen Bau der Epithelzellen nach Ranvier's
Untersuchungen ausgegangen und hat nach und nach die
I) JLrch. i. mikr. Anat Bd. XXXIX, p. 141 und Arch. f. Derm. u.
Sjph. Ergänzungsheft L 1892, p. 306.
64 Tommasoli.
verschiedenen Modificationen studiert, welche die EpitheKasern
und die Fibrinfäden in den Interspinalenräumen darboten. Da-
durch hat er nachweisen können, dass in unseren Schnitten als
sehr intensiv gefärbte Massen zweierlei Gebilde deutlich hervor-
treten: ziemlich gleichmässig gefärbte rundliche Körperchen
von der Grosse einer Epithelzelle und Epithelzellen mit
dicken, innig verfilzten dunkelgefärbten Fasern. Zwischen beiden
Formen hat er zahlreiche Uebergänge gesehen, und zwar dunkel
gefärbte Fasern, welche ein ungefärbtes Centrum (die Kem-
höhle) umgeben (s. Fig. 4, Taf. V); dunkel gefärbte Fasern,
welche zum Theil verschmolzen sind und nur ein sehr kleines
farbloses Centrum einschliessen ; ein centrales rundes Gebilde,
welches seine Herkunft aus Fasern noch zum Theil erkennen
lässt, mit strahlenförmig nach allen Richtungen auslaufenden
dünnen Fortsätzen; runde grössere Gebilde, welche in ver-
schiedenen Theilen verschieden stark gefärbt sind.
Diese von Philippson nach der Fibrinfarbungsmethode
beobachteten Alterationen wurden zum grossen Theil auch von
Kromeyer constatirt (loc. cit. pag. 306) „bei einem Epi-
theliom gutartiger Natur". Sie sind ein deutlicher Be-
weis dafür, dass die Epithelzellen einem Degeneratiousprocesse
anheimgefallen sind, der sich vor Allem durch eine Verdickung
der Epithelfasern bekundet und bis zur Verschmelzung der-
selben vorwärts schreitet. Es ist logisch aus diesem Degenera-
tionsvorgange, den man nach der Fibrinmethode Schritt iür
Schritt verfolgen kann, die hyaline Umwandlung der Epithel-
zellen hervorgehen zu lassen. Sämmtliche Zellenalterationen, die
wir in den Epithellagen gefunden haben, und die kernlosen,
nfnden, homogenen, glänzenden Körperchen, die zwischen den
einzelnen Zellen angetroffen wurden, wären demnach nichts
anderes als Producte dieser hyalinen Degeneration.
Um endlich die nicht minder interessanten Alterationen
des. Denna zu begreifen und die Natur dieser anderen homo-
genen und glänzenden Körperchen festzustellen, die dessen
oberflächlichste Lagen bevölkern, hat sich Philippson der
besten unter den von Schmidt (loc. cit. p. 242) erwähnten
Methoden behufs Studium der Alterationen des elastischen Ge-
webes, speciell der W e i g e r t'schen Methode und des üblichen
Ueber einen Fall von Epithelioma vemicosum abortivum. 65
Tae n z er'schen Verfahrens mit nachfolgender Methylenblaukem-
farbung bedient: Nach der ersten Methode (Fibrinmethode)
lassen sich diese fraglichen Körperchen in allen Nuancen
blau färben. Dr. Philippson waren die Alterationen, die
meine Präparate aufwiesen, nicht imbekannt, da er ähnliche
Bildungen bei den verschiedensten Hautaffectionen beobachtet
hat, und auch er hält dafür, dass man sie mit den von
Schmidt hervorgehobenen Alterationen identificiren könne.
Also auch nach Dr. Philippson muss die parasitäre Natur
dieser im Derma vorgefundenen homogenen und glänzenden
Körperchen zurückgewiesen werden. Auch im Derma befinden wir
uns somit gegenüber den Producten einer hyalinen Degeneration,
die uns zum Theile die hyaline Degeneration des Epithels erklärt.
Nach diesem massgebenden Urtheile hatte ich keine
Schwierigkeiten mehr anzunehmen, dass ich mich auf dem Hand-
rücken einer Reproduotion des Ulcus rodens am Gesichte gegen-
über befand, die jedoch unter einer milden Form sich zeigte.
Hält man sich die klinische Beobachtung und die Resultate
der histologischen Untersuchung gegenwärtig, so würde der
Process etwa folgendermassen vor sich gehen: An einer um-
schriebenen Stelle des Epithels entwickelt sich eine gleichmäs-
sige Verdickung des Stratum spinosum, an welche sich eine
hypertrophische Verhomung anschliesst. Die Verhomungsano-
malie kennzeichnet sich klinisch durch Knötchen und hornige
Warzen am Handrücken, anatomisch durch längeres Erhalten-
bleiben des Kernes, des Stachelpanzers und überhaupt der ganzen
Form der Epithelzellen. Sie führt in rein mechanischer Weise
zu einer seitlichen Zusammenpressung der unter ihr gelegenen
Papillen und zu einer Abdachung und ßchräglagerung der an
der Peripherie gelegenen Papillen und Epithelleisten. In weiterer
Entwickelung kommt es zu einer atypischen Epithelprolifention,
welcher sich als Reaction in dem Outisgewebe eine Leuoocyten-
auswa^nderung zugesellt oder auch wahrscheinlich vorangebt. Die
EpithelproliferatioQ entspricht in ihrer Form derjenigen beim
Epitiielkrebs, «e ist aber, da wir es hier bereits mit der auf
dem Höhestadium der Entwickelung befindlichen Neubildung zu
thun haben, eine viel oberflächlichere und führt nicht zu Krebs-
nestem in dem Bindegewebe.
ArehiT f. DermmtoL u. SyphU. Bknd XXVI. 5
66 Tommasoli.
Mit der Wucherung des Epithels in 4er Form von kleinen
Knospen in den oberflächlichen Cutislagern tritt zu gleicher
Zeit eine hyaline Degeneration des Protoplasmas der mitotischen
Zellen ein, die sich hier Schritt für Schritt verfolgen lässt. Die
koUiquative Necrose der Epithelzellen mit und ohne mitotischen
Kern sieht man hier sehr selten. Endlich wird die Infiltration
des Papillarkörpers eine geringere. Das Stratum spinosum ist
entweder normal dick oder sogar etwas niedriger; dement-
sprechend ist auch der Papillarkörper entweder von normaler
Höhe oder bereits niedriger resp. ganz verstrichen und es endet
der Process spontan mit Hinterlassung einer oberflächlichen
Cutisatrophie und mit der hyalinen Degeneration der elastischen
Fasern, vielleicht auch der Bindegewebsfasern, in Form von
homogenen, glänzenden Eörperchen.
Ich fühle mich gedrungen, einen solchen Process an die
Seite der Page tischen Krankheit zu stellen, ebenso wie Karg
letztere Affection neben das Ulcus rodens, und mit demselben
Vorbehalt, gestellt hat. So besitzen wir ein neues Glied, um es
an die schon bekannten in der langen Kette der epithelialen
Neubildungen anzureihen.
Das erste Glied dieser langen Kette könnte, meines Er-
achtens, durch das Epithelioma Molluscum (Molluscum
contagiosum) dargestellt sein, bei welchem die grösste Anzahl
degenerirter Zellen vorkommt und der höchste Grad der Ober-
flächlichkeit und dauernder und absoluter Gutartigkeit vorhan-
den ist. Um den Begriff von Malignität, der gewöhnlich mit
der Bezeichnung -.Epitheliom verbunden wird, auszuschliessen,
könnte man dieser Krankheitsform den Namen „Molluscum
epitheliomato'ides" beilegen. Neben dieses erste Glied
möchte ich stellen das „multiple benign cystic epithelioma of
the skin" von J. A. Fordyce^) und das „Epithelioma foUicu-
lare" von Lache und Jsrael. *)
Ein zweites Glied könnte gebildet werden von allen jenen
oberflächlichen Hautaffectionen (die verschiedenen epithelioma-
togenen Keratoepidermitiden, darunter z. B. das Eczema epi-
') Joum. of cut. and genito-urin. Diss. Deo. 1892.
') Yirchow'B Festschrift. Berl. dermat. Gesellsch. 8. Mai 1892.
lieber einen Fall von Epithelioma verrucosum abortiviim. 67
theliomatodes Colomiatti's, die Lentigo senilis Hut-
chinson's, die Verruca seborrhoica, das Epithelioma
syphiloide Foumier's, ferner die gutartigen epithelia-
len Cystadenome und die yerschiedenartigen epithe-
lialen Naevi), bezüglich welcher gesagt werden kann, dass
das wahre Epitheliom latent oder in Embryoform vorhanden ist,
in Folge der chronischen Hypertrophie der epithelialen Lagen,
und sich eventuell nur entwickelt, wenn günstige Entwicklungs-
bedingungen sich einstellen.
Bei dem gegenwärtigen Stande der dermatologischen Wis-
senschaft könnte es scheinen, dass an diese verschiedenen Affec-
tionen — die den Keim des Epithelioms oder die Möglichkeit in
sich schliessen, in einem bestimmten Momente in Epitheliome
sich umzuwandeln — hier nur unpassenderweise erinnert wurde.
Wenn aber das Studium derselben ein vollkommeneres sein
wird, und wenn wir in der Lage sein werden, das Wie und
Warum dieser Umwandlungen zu ergründen, dann wird man
vielleicht die Erfahrung machen, dass es wohl möglich sei, den
Eintritt dieser Umwandlungen auch lange vorher vorauszube-
stimmen, und in einem solchen Falle wird man nicht mehr be-
haupten können, dass ich hier unpassend daran erinnert habe,
und man wird auch zugeben, dass meminisse juvabit.
Das dritte Glied könnte repräsentirt sein durch dem mei-
nigen analoge Fälle, bei welchen ein epitheliomathogenes
Keratom (Akrokeratom in meinem Falle) vorhanden ist,
und bei welchem das wahre Epitheliom bereits in der Entwicklung
war, jedoch durch eine Kraft, die für uns noch ein Geheimniss
bleibt, in seiner Entwicklung gehemmt wurde. Für diese Fälle
würde die Bezeichnung: abortive Epitheliome oder
Pseudo-Epitheliome sich eignen.
Als folgende Glieder würden sich daran reihen: sämmt-
liche wahre aber oberflächliche Epitheliome mit
langsamem oder pseudogutartigem Verlaufe. Unter
diesen nimmt den ersten Platz ein, als obei-flächlichste Form,
die Paget'sche Krankheit, die von den Franzosen allzu
voreilig unter die Psorospermosen eingereiht wurde, die jedoch
von Besnier sehr treffend als epitheliomatose eczema-
toide bezeichnet wurde. Hierauf folgen die vielen Varietäten
5*
68 Tommasoli.
oberflächlicher Epitheliome mit den verschiedenen Bezeichnun-
gen von Epithelioma papillär, epidermicnm, pavi-
mentosum, adenoides. Diesen ist beizuzählen das Ulcus
Jacob's oder Ulcus rodens, dessen lange Dauer wir auch
in unserem Falle gesehen haben, bevor es seinen Schein von
Gutartigkeit verlor.
Ein weiteres Glied in der Kette ist repräsentirt durch die
gleichfalls oberflächlichen Epitheliome jedoch mit raschem Ver-
laufe, wodurch sie rasch in die Tiefe greifen und bösartig wer-
den: das maligne Cancro'id, das Ulcus crateriforme
Hutchinson's, das sogenannte Xeroderma pigmentosum
Kaposi^s, welches ich lieber mit Manassei Ipercromia
verrucosa maligna oder noch besser mit Besnier Epi-
theliomatose pigmentaire nennen möchte.
Als letzte Glieder hätten wir schliesslich die tiefen, te-
rebranten oder bösartigen Epitheliome (Carcinome
im engeren Sinne des Wortes), die sehr selten sind und die
vielleicht besser als gemischte Formen von Epithelioma
superficiale und Epithelioma profundum zu betrachten wären.
Es bliebe nun noch festzustellen, um ein letztes Wort in
Bezug auf meinen Fall zu sagen, womit seine Form von Epi-
thelioma abortivum zusammenhängt, oder welchem Umstände
man dessen spontane Heilung zuzuschreiben hat. Aber ich sehe
mich gezwungen, denselben Schluss zu ziehen, den Karg be-
züglich des Epithelioma erythemato'ides formulirt hat: „Was
bei Paget's Disease den Einbruch der wuchernden Epithelien
in das Bindegewebe erschwert und die Epithelerkrankung so
lange auf sich selbst beschränkt, ist schwer zu sagen."
Wie Karg und wie Darier stimmen fast alle Patho-
logen in der Annahme überein, ^dass dabei vielleicht die ausge-
dehnte kleinzellige Infiltration der Cutis eine Bolle spielt, durch
welche die Lymphspalten der Haut, die natürlichen Verbrei-
tungswege des Carcinoms, verlegt werden müssen".^) Ich muss
aber gestehen, dass dieser Erklärungsgrund mich unbefriedigt
lässt, oder dass ich ihn wenigstens unzureichend finde. Indem
') Karg, loc. cit. p. 168.
üeber einen Fall von Epithelioma verrucosum abortivum. 69
Unna^) constatirt hat, dass die Epitholiome mit langsamerem
und daher gutartigerem Verlaufe die sind, bei welchen die
Zelleninfiltration der Cutis vorwiegend von Plasmazellen ge-
bildet ist, schreibt er diesen ausgedehnten Plasmomen das
Verdienst zu, ein Hinderniss für die Entwicklung des Epithe-
lioms abzugeben. Aber auch diese Meinung scheint mir noch
nicht begründet und voreilig zu sein, und sie enthebt uns nicht
von der Aufsuchung anderer Wege, um zu einer hinreichenden
und befriedigenden Erklärung zu gelangen. Ich für meinen Theil
glaube, dass, wenn wir noch fortfahren müssen, diese Neubil-
dungen als „le produit d'une deviation dans la nutrition des
cellules, d'une perturbation apportee ä l'activite et au deve-
leppement normal des protoplasmas et de leurs noyaux", ^ wie
es Brau It, im Einklang mit der Mehrzahl der Autoren, be-
hauptet hat, zu betrachten, wir dann die Ursache der Gutar-
tigkeit einiger dieser Neubildungen mehr als in etwas anderem
in den Verschiedenheiten dieser deviation s dans la nutri-
tion werden suchen können. Und ich glaube, dass dort, wo die
Zahl der Epithelzellen, die irgend eine Degeneration, wie z. B.
die hyaline Degeneration erleiden, grösser ist, man es eben
dieser Tendenz der Krebszellen zu degeneriren, zuzuschreiben
habe, wenn die Epithelwucherung keine Wurzel fasst.
Wir haben in unserem Falle gesehen, dass viele Epithel-
zellen existirten, bei denen der Nucleus in Mitose begriffen war
und das Protoplasma, bereits die wahrscheinlichen Zeichen der
hyalinen Degeneration darbot. Vielleicht haben wir in diesem
Contraste zwischen Kern und Protoplasma, nämlich zwischen
dem zuerst vom Kerne erfahrenen Anstosse Krebszelle zu wer-
den und dem Unvermögen des ganzen Zellenkörpers diesem
Anstosse zu folgen, dieses Geheimniss zu suchen. Aber jede
diesbezügliche Behauptung wäre voreilig. Und ich weiss nun
nichts Besseres zu thun, als dass ich allen Jenen, die beab-
sichtigen, die Forschungen in dieser Richtung fortzusetzen, und
') P. 6. Unna. lieber die Bedeutung der Plasmazellen für die
Genese der Geschwülste der Haut etc. Berliner klinische Wochenschrift.
1692, p. 1240.
') A. Brault. De Porigine non bacterienne du Carcinom. Archives
gen. de Med. 1885, Taf. 11.
70 Tommasoli.
die es für nützlich erachten, meinen Fall neuen Studien zu
unterziehen, alle jene im Alcohol aufbewahi-ten Hautstückchen,
die mir von meinem Falle übriggeblieben sind, zur Verfügung
stelle.
Erklärung der Abbildnngen auf Taf. IV— VI.
Taf. IV. Fig. 1. Koristka. Oc. 3. Ob. 8 (Vergr. 75.) Hämatoxylin.
Verschiedene Formen von Keratoma verruc. In der centralen, felsenartigen
Hommasse sieht man die nucleären Reste bis zu den oberflächlichsten
Homlagem. Seitlich hypertrophische Papillen.
Taf. IV. Fig. 2. Idem, Oc. 3. Ob. 5. (Vergr. 135.) Hämatoxylin. Unter
einer dieser, mit nucleären Resten erscheinenden Hommasse sieht man
die Epithelialwucherung in Form von eleganten rundlichen Knospen.
Starke Infiltration in Umgebung.
Taf. V. Fig. 3. Idem. Oc. 4. Ob. 8. (Vergr. 720.) Carbolfuchsin.
Progressive Veränderungen der Epithelzellen. Rundliche , glänzende
Körperchen mit mitosischem Kerne. Idem ohne Kern.
Taf. V. Fig. 4. Idem. Oc. 3. Ob. Immersion y,j Zeissl. (Vergr.
1100.) Weigert's Färbungsmethode. Sieht man einige Epithelzellen, bei
denen die Epithelfasem progressive Veränderungen und zwar Verdickung,
innige Verfilzung und Verschmelzung der Epithelfasern bis zur hyalinen
Umwandlung der Epithelzelle zeigen.
Taf. VI. Fig. 5. Idem. Oc. 3. Ob. 8. (Vergr. 380.) Orcein. DeutUche
Veränderungen des elastischen Gewebes. Dunkle, homogene, unregelmässige
Körperchen in den oberflächlichsten Lagen des Derma und im Stratum
papilläre.
Taf. VI. Fig. 6. Idem. Oc. 3. Ob. 3. (Vergröss. 75.) Hämatoxylin.
Regressive, athrophische Veränderungen.
lieber Cysticercus cellulosae in der Haut
des Menschen.
Von
Prof. Georg Lewin in Berlin.
L Theil.
Schon 1877 habe ich in den Annalen der Berliner Charite
sowie in Eulenburg's Real-Encyklopädie Arbeiten über den
Cysticercus cellulosae publicirt. Wenn ich mich jetzt wiederum
über dies Thema auslasse, so hat dies yerschiedene Gründe. Die
Aufmerksamkeit auf Hautfinnen, wenn auch gegen früher yer-
mehrt, steht auch jetzt keineswegs zur Wichtigkeit des Parasiten
im richtigen Verhältniss, wie dies durch die Thatsache bewiesen
wird, dass z. B. Fälle, in welchen der Cysticercus m der Haut
Geschwülste anderer Art, wie z. B. Gummata, vortäuscht, nur
von mir publicirt worden sind. Noch geringer ist die Casuistik
solcher Kranken, bei welchen die in der Haut aufgefundenen
Finnen die Diagnose gleichzeitiger, in inneren Organen, nament-
lich im Gehirn vorhandener Finnen ermöglichten — Vorkomm-
nisse, welche gerade in der letzten Zeit in meiner Praxis sich
auffallend vermehrt haben. Diese meine eigenen Fälle, welche
in dieser Arbeit zerstreut stehen, theüe ich in drei Kategorien,
und zwar 1. solche, in welchen die Hautfinnen keine oder
nur locale Beschwerden veranlassten; 2. in solche, welche für
Gummata gehalten und mit antisyphilitischen Curen behandelt
worden sind; 3. solche, welche neben Hautfinnen auch Stö-
72 Lewin.
rungen mannigfacher Art, namentlich des Gehirns verursachten,
und die in Berücksichtigung der Haut-Gummata für specifisch
gehalten und dem entsprechend falsch behandelt worden sind.
Geschichtlicher Ueberblicic.
Die Finnigkeit des Schweines war schon den Griechen bekannt.
Aristoteles nannte die Finnen ;r<><^asa«. Aristophanes ') erwähnt sie in
einem LustspieL
Die thierische Natur des Entozoen wurde erst 1688 von Ph. J.
Hartmann') nachgewiesen ; hundert Jahre später entdeckte sie G ö t z e ')
in einem ihm von Meckel d. Ae. zugeschickten Präparate.
Wer zuerst Cysticercen intra vitam beim Menschen nachgewiesen,
darüber existiren verschiedene Auffassungen. Rumler *) fand 1650 bei einer
Section „pustulae in capite supra duram meningem erosä ipsa et cerebro
per foramina eminente pluribus in locis^. Blanchard') erklärt diese
Pustulae für Finnen. Derselbe Autor fuhrt auch Panarolus an „en vit egale-
ment sur le corps d'un pretre epileptique". Wharton*) referirt einen
Fall, in welchem bei einem Soldaten, welcher erfolglos eine Schmier-
cur gebraucht hatte „salivationem inuncto mercurio sed frustra glandulas
in brachiis et femoribus movebis. Glandulae erant sanae valde numerosae,
modo racetim crescentes sub cute, mobile», indolente»*', üeber eine grössere
ausgeschnittene Glandula äussert sich W. »quae citia ullum putridum aut
corruptum humorem tota ex solida glandulosa atque alba carna constabat^.
Es ist schwierig zu entscheiden, ob die von den 3 Autoren beschrie-
benen Gebilde Finnen waren oder nicht. Auch Huber') hegt berechtigten
') Im Lustspiel „Die Ritter^ droht ein Sclave dem Kleon : Ja, beim
Himmel, wir wollen ihm einen Pflock ins Maul stecken, wie die Köche es
(mit den Schweinen) machen, dann die Zunge herausziehen, und wenn er
nun brav und tüchtig das Maul aufsperrt, wollen wir hineingucken bis
zum Hintern, ob der Eerl Finnen hat. — Diese Stelle zeigt, dass die
athemensischen Köche schon eine üntemuehnng auf Finnen ausübten. —
Diese Notizen verdanken wir J. Hirschberg, der noch weitere interes-
sante, entsprechende Mittheilungen in der BerL medic. Wochenschrift 1892
p. 363 gibt.
*) Hartmann. Ephemerid. Acad. nat. cur. Dec. H. Anno 11 p. 58.
*) Götze. Neueste Entdeckung, dass die Finnen im Schweinefleisch
keine Drüsenkrankheit, sondern wahre Bandwürmer sind. Halle 1784.
*) Ramler. Observ. med. 1558. Obe. LIH, p. 32.
^) Blanchard. Traite de Zoologie medic. Paris 1889. L p. 392.
') Th. Wharton. Adenographie. London 1656. Salp Bonetur Sepul-
chretum Genevae 1679 p. I54I.
^) Bibliographie der klinischen Medicin. München 1891. WerthvoUe
Sammlung und Benützung der betreffenden, bisher publicirten Literatur.
üeber Cysticercus cellulosae beim Menschen. 73
Zweifel. Leackard und Küchenmeister sprechen sich inWharton's
Fall ftr Finnen ans.
Zwei Jahrhunderte später sprach Peter Frank') in seiner Arbeit
über Blasenwürmer die Vermuthung aus, „dass die kleinen Knötchen, die
er öfter in der Haut sonst gesunder Menschen fand, den Cysticercus ent-
hielten*'. Als solche Kranke fahrt er zwei Manner an, die er in Mailand
und Petersburg beobachtet hatte. Beide zeigten „unzählige Knötchen von
ErbsengTOsse bis zu der eines Taubeneies und darüber im Gresichte.
Später machte Werner,*) Prosector in Leipzig, die erste Beobachtung
einer Finne im Muse, pectoralis eines ertrunkenen Soldaten.
Danach seheint, nach Rudolph i 's Angabe,') Chabert bei einem
jungen Mädchen eine Finne unter der Zunge entfernt zu haben. Ob
Dupuytren 's*) „ver vesiculair dans le muscle grand peronier" ein Cysti-
cercus gewesen ist^ muss dahin gestellt bleiben. Der Erste, welcher die
Diagnose auf Cysticerken intra vitam stellte und durch Exstir-
pation erhärtete, war Krukenberg *) und zwar bei einem Kranken, der
gegen 40 solcher Tumoren am Körper zeigte. Krukenberg 's Schüler
Uhde*) und Sticht bewiesen sich als ebenbürtige Diagnostiker. Der
Erste exfltirpirte bei einem ISjähr. Schlosserlehrling aus dem Muse, pec-
toralis eine Finne. Stich dagegen hat diese Parasiten der Haut durch
Excision bei 4 Kranken nachgewiesen.
Seine Fälle sind folgende: 1. Eine 34jähr. Witwe hatte eine Anzahl
linsengrosser €kschwülste, welche für Gichtknoten gehalten wurden. Ein
Knoten wurde exstirpirt. In den folgenden drei Jahren sollen die Finnen
„nach nnd nach bis auf einen geschwunden sein''.
2. Bei einer 36jähr. Frau fanden sich zahlreiche überbohnengrosse
Tumoren^ namentlich dicht gedrängt auf den Glutaeen. Die Section wies
400 — 600 Finnen nach. Auch in der Herzmuskulatur sassen zwei nahe der
äusseren Wand.
3. Ein Kranker hatte schon seit 3 Jahren Geschwülste am Körper
bemerkt. Stich fand 43 im subcutanen Bindegewebe und in den ober-
flachlieh gelegenen Muskeln.
4. Ein syphilitischer Mann hatte 37 haselnussgrosse Geschwülste an
den Armen, Beinen und Rumpf. Sie waren irrthümlich für Gummata ge-
halten und mit Quecksilberbäder und Jodkalium ohne Erfolg behandelt
worden.
') Frank. Behandlung der Krankheiten des Menschen. Uebersetzt
von S ob er abend. 1839. X. p. 135.
') Werner. Term. intest, her. ex pos. continuatio secnnda. Lipsia
1786 p. 7.
*) Rudolph!. Encyklopäd. Wörterb. d. med. Wissensch. Bd. IX, p. 89.
*) Dupuytren. Le^. erat, de clin. chir. Paris 183^. U. 186.
^) Krukenberg. Sendhe Diss. Cystic. eellul. Halle 1843 p. 30.
•) ühde. Deutsche Klinik. 1851. Kr. 40.
^ Stich. Annal. der Charite. Berlin 1854 p. 169.
74 L e w i n.
Nach Stich wurden mehrere Fälle publicirt, in welchen Gysticerken
zwar aufgefunden wurden, ohne dass dieselben jedoch vorher diagnosticirt
waren.
Lafette. ') Ein 25jähr. Maurer hatte eine den Gebrauch der Hand
hemmende und eino BeucrnTicf des kleinen Fingers bewirkende taubenei-
grosse Greschwulst an der Ulnar^eite der rechten Hand.
Lancereaux. *) Eine 43jähr. Lumpensammlerin zeigte über 1000
(Schwülste über dem ganzen Körper, olivenkem- bis haselnussgross. Ein
Tumor fand sich unter der Zunge, einige in den Masseteren.
Dumreicher. ') Ein 25jähr. Tischler hatte einen Tumor an der r.
vorderen Temporalgegend, von der Grösse einer gequollenen Erbse.
Höcker^) beobachtete bei einem Manne innerhalb eines operirten
Psoasabscesses die Finnen.
Frankenhauser*) fand bei einer Frau mehre Finnen am Vorderarme.
Dolbeau') stellte 1861 in der Societe anatomique de Paris ein
24j ähriges Mädchen vor, welches eine haselnussgrosse Geschwulst in der
Stimgegend zeigte, die er f&r eine Balggeschwulst gehalten hatte, sich
aber als Cysticercus entpuppte.
Gros') fand in einem linsen grossen Tumor der rechten Augen-
braue eine Finne bei einem 21jährigen Mädchen, welches seit einem Jahre
an Zahnschmerzen der rechten Gesichts-Hälfte gelitten hatte.
Nicoladoni^) publicirte einen Fall, in welchem bei einem Kranken
ein Cysticercus im ünterhautzellgewebe der rechten Schläfengegend ge-
funden wurde.
Sidney Jones*) fand den Wurm bei einer 20jährigen Frau in der
Unterlippe.
V. Graefe*) berichtet über eine Anschwellung im rechten unteren
Augenlide, welche sich allmälig vergfrösserte und das Augenlid ver-
drängte. Er gesteht selber, dass er ausser Stande gewesen, eine
Diagnose zu stellen.
In dem darauf folgenden langen Zeitraum schweigt
die Literatur über Cysticercus. Erst von 1874 an war es mir
vergönnt bei einer grösseren Anzahl von Kranken denPara-
siten zu diagnosticiren.')
') Lafette. Abcitte med. XXX. 28. Jan. 1869. Schmidt 's Jahrb.
Bd. 164, p. 187.
») Arch. genez. 1872. Nov. p. 543.
•) Wiener med. Presse. 1872 p. 425.
*) Conta's Zeitschr. f. Epidem. u. öfifentl. Ges. N. F. ÜI. Jahrg.'
1872 p. 154.
*) Bullet. Soc. anat. Paris 1861. 2 Ser. Tom. VI.
•) Gaz. de hop. 1871. Nr. 118.
') Wiener med. Presse. 1872.
») Arch. f. Ophtalm. Bd. XIL p. 194.
») Berl. Charite-Annal. 1877.
lieber Cysticercus cellulosae beim Menschen. 75
1. Bei einem 85jähr. Arbeitsmanne sassen 5 bohnen- bis haselnuss-
gfrosse Tumoren in der Käfae der rechten Brustwarze.
2. Bei einem 45jähr. Schlosser wurden circa 6 Tumoren an den
verschiedensten Körperstellen gefunden, wobei sich namentlich zwei auf
dem Kopfe durch UeberhaselnussgrÖsse und Hart« auszeichneten.
3. Bei einem 25jähr. Kaufmann sassen zwei Gysticerken in der
rechten Yola manus.
4. Bei einem 27jähr. Oekonom fanden sich 5 Gysticerken auf den
rechten Glutaeen, 7 auf dem linken Vorderarme und 2 in der rechten Wade.
5. Bei einem 25jähr. Tischler sassen an den verschiedensten Kör-
perregionen Tumoren, so namentlich auf Brust und Rücken.
6. Ein Sßjäkr. Zimmermann, welcher mich wegen eines chronischen
Ekzems consultirte, litt seit Va Jahr an einer kleinen Geschwulst in der
Mitte des rechten Handrückens. Sie soll linsengross gewesen sein, wuchs
aber zu der Grösse eines Taubeneies. In der letzten Zeit fing die Haut
darüber an roth, schmerzhaft und heiss zu werden und ihn an Arbeiten
zu hindern. Die Geschwulst machte den Eindruck eines furunculosen
Abscesses. Die Function entleerte eine kleine Quantität Eiter, in. dem die
Finne schwamm. Die bei den einzelnen Kranken durch die Finnen ver-
ursachten localen Beschwerden werde ich bei der Symptomatologie be-
sprechen.
In Folge dieser Erfahrungen suchte ich durch Vortrage und schrift-
liche Arbei en die Aufmerksamkeit meiner Gollegen auf die Wichtigkeit
des Befundes zu lenken. Der Erfolg war günstig, wie folgende seitdem
publicirte Casuistik zeigt.
Litten (Jahresbericht d. schles. Gesellsch. f. vaterländ. Cultur 1875.
Breslau 1876. p. 190). Bei einem öOjahr. Schäfer fand sich seit 15 Jahren
eine Menge Gysticerken unter der Haut.
Broca (Gaz. des höpit 1876 Nr. 24). Ein 27jähr. Kutscher bekam
plötzlich harte indolente Hautknoten auf Brust, Rücken, Bauch, den Extre-
mitäten, im Gesicht und Nacken. Sie waren länglich, von Linsen- bis
Erbsengrösse.
F.J.Pick u. Fuchs (Demonstr. im Verein deutscher Aerzte. Prager
med. Wochenschrift 1876). Solitäre, über walnussgrosse Cysticerkusge-
schwulst im Unterhautgewebe oberhalb des linken Schulterblattes bei einem
etwa oOjährigen Fleischer.
Ren du (Lyon med. 1877. XXV. p. 474). Ein 40jähr. Mann zeigt
einen harten, erbsengrossen verschiebbaren Tumor an der äusseren Seite
des rechten Knies und eine grössere Anzahl gleicher Geschwülste an ver-
schiedenen Körperregionen.
Paul Guttmann (Berl. klin. Wochenschr. 1877 p. 374). Bei einem
63jähr. Schneider fanden sich über 36 subcutane, erbsengrosse Tumoren
auf Rücken, Nacken, Armen, Brust und Bauch. (Gleichzeitig Taenia solium.)
Idem (ibidem 1879. p. 279). Ein 49jähr. Maurer mit zahlreichen
Tumoren auf Brust, Rücken, Oberarm, einigen am Kopfe, Bauche und an
den Oberschenkeln. — Rapid abnehmende Sehkraft des linken Auges.
76 L e w i n.
Idem (ibidem). Ein AckersmaiiB mit cardialgiachen Beschwerden
hatte einen bohnengrossen harten Tumor im Epigastrium, der exstir-
pirt wurde.
Heimpel (Bayr. ärztL Intelligens-Blatt 1878. Nr. 12). Ein 22jähr.
Artillerist bemerkte seit mehreren Wochen eine doppelte bohnengrosse
Geschwulst in der Gegend der linken 9. Rippe, seit einigen Tagen
schmerzhaft.
Fischer, Aschaffenburg (BerL klin. Woch^ischr. 1879 p. 730). Bei
einem jungen Manne zeigte sich seit L4 Tagen eine taubeneigrosse Hei^
▼orwölbung am rechten Arme, wodurch die Bewegung des letzteren
genirt war.
Schiff (Viertelj.-Schrift f. Dermat. und Syph. 1879. p. 276). Ein
26jähr. Mann mit zahlreichen subcutanen Tumoren von Erbsen- bis Hasel-
nussgrösse, knorpelhart, leicht verschiebbar. Ich komme weiter unten auf
diesen FaU zurück.
Duguet (L'Union medic. 1880, p. 572). Ein 27jähr. Mann mit
Polyarthritis rheumatica. Hat seit einigen Monaten gegen 80 subcutane
Tumoren, nur Gesicht und Grenitalien frei dayon. Anfalle von Verwirrt-
heit. Grosse Dosen von Natr. salicyl. — Nach 6 Monaten waren die Tu-
moren bis auf & oder 8 verschwunden.
Rufferi (L'Jnion med. 1880 p. 1037). Ein 32jähr. Tischler hatte
Schmerzen im Nacken und Reissen; seit 2 Jahren viel subcutane Knoten
von Kirschen- bis Haselnussgrösse. Bandwurmglieder gingen ihm ab.
Kopfeehmerzen, Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit.
Em. Frank (Allg. Wiener med. Zeitung 1880, Nr. 35). Ein 61j.
Pfründner hatte plötzlich geistige Störung, epileptische Anfalle, Streck-
krampfe, Störungen des Bewusstseins und der Sensibilität. Section: dif-
fuse Trübung der Hirnhäute mit chronischem Oedem, geringer Hydro-
cephalus internus, Cysticercus-Blase unter der Arachnoidea in der Mitte
der vorderen Centralwindung bei der linken Grosshim-Hemi&phäre, ausserdem
Cysticerken an der vorderen Wand des linken Herzventrikels, im Septum
ventriculi ; ebensolche Tumoren auf beiden Musculi pectorales majores und
dem Muse, vastus des vorderen Oberschenkels. Intra vitam nicht beobachtet.
Weiss (Anzeig, der Wiener ärztl. Gesellsch. 1880, Nr. 10). Ein
24jähr. Mann hatte an zahlreichen Stellen des subcutanen Gewebes kleine,
pralle, ovoide, leicht verschiebbare Tumoren; auf der Brust wurden 65
palpirt, fsist ebensoviel an Hals, Bauch und den unteren Extremitäten,
einer an der unteren Fläche der Zunge.
Hock (Wiener med. Wochenschrift 1883, Nr. 52). Cysticercus sub-
retinalis bei einem 23jähr. Patienten, ohne Entzündung des Uvealtractus.
Kop&chmerz, Aphasie, Neuritis optica. Zahlreiche Knoten im subcutanen
Zellgewebe und in den Muskeln. Im Gehirn 20 Gysticericen.
Troisier (L'Union med. 1882, Nr. 70). Ein 21jähr. Mann bekam
1881 in der rechten Wade 21 haselnussgrosse Tumoren, 4 am Halse, 2
an der Brust und je einen im Epigastrinm auf dem Rücken, in der linken
Leistengegend und an jedem Arm.
üeber Cysticercus cellulosae beim Menschen. 77
Talini (6az. med. ital. Lomb. 188S| Nr. 25) referirt über zwei
Fälle von Finnen am Kopf und in der Haut ("er Lambalgegend bei einer
60jähr. Frau.
Bathery (Lyon med. 1688, Nr. 42). Ein Patient mit Vitium oordis
zeigte 18 Tumoren an den verschiedensten Körpertheilen, ohne looale oder
allgemeine Beschwerden. Das Vitium cordis führte man auf einen Cysti-
cercus im Myocardium zurück.
Lutz (Monatshefte f. prakt. Dermatol. 1886, p. 85) hat mehrere
Fälle von Hautcysticerken beobachtet; es waren zahlreiche subcutane
Knoten namentlich am Bauche und den Oberschenkeln von verschiedener
Grosse vorhanden, so dass eine zweimalige Infection angenommen wurde.
Einer sass im Präputium.
Loeb (Inaug.-Diss. Strassburg 1885—1886). Ein Sljähr. Dachdecker
hatte seit 1884 Anorexie, Kopfschmerz, Schwindel, Augenflimmem, dann
1885 Knötchen am Bauche und anderen Körperstellen, im Ganzen etwa
170 — 180. Während des Hospital- Aufenthaltes entstanden noch immer
neue Knoten.
Tomm. de Amicis. Tre nuovi casi di cvsticerco cellulosae Na-
poli 1885. 1. 27jähr. Mann bemerkte vor 6 Jahren auf verschiedenen Kör-
perstellen Knötchen, die sich sehr langsam von Hanf- und Erbsen- zur
Oliven- und Mandelgrösse entwickelten, aber seitdem stationär blieben.
Es waren im Ganzen 56 ; ein olivengrosses wurde aus der r. Hüfte excidirt.
Die ersten mikroskopischen Untersuchungen fielen negativ aus bis 1683 das
in Alkohol bewahrte Präparat mit Erfolg untersucht wurde. 1883 konnten
von den 56 Tumoren nur noch 3 hanfgrosse gefunden werden.
2. 17jähr. Student, seit 2 Jahren über der rechten Augenbraue ein
erbsengrosser beweglicher, indolenter, subcutaner Tumor. Syphilitische
Polyadenitis, Boseoki maculosa. Bei der Operation wurden neben dem Cy-
sticercus 6 abgefallene Häkchen gefunden.
3. 29jähr. Friseur. Seit 8 Jahren Schwäche in den Extremitäten,
heftiger Kopfschmerz und Schlingbeschwerden. Vor 2 Jahren unter Con-
vulsionen bewusstlos hingefallen. Danach bemerkte er am Bauche einen
Tumor von der Grösse einer Schrotkugel, später mehrere an verschiedenen
Körperstellen. Abgang von Taenia-Gliedem. Präcordialschmerz. Im Ganzen
11 Tumoren.
Gellerstedt (Hygiea, Bd. XV p. 145). 47jähr. Frau. Seit meh-
reren Jahren Kopfschmerz, später Blödsinn. Tod. Unzählige Finnen in den
Muskeln und im Gehirn.
Karewski (Vortrag i. d. Bcrl. med. Gesellsoh.). 18. Nov. 1884
18jähr. Mädchen; erbsengrosse Blase unter der Schleimhaut des rechten
Mundwinkels. Zarte durehsiehtige Blase mit gelblicher Flüssigkeit; con-
tractiler, gerunzelter Hals, 4 Saugnäpfe, Hakenkranz.
Germelmann. Dissert. Göttingen 1884. Cysticerken in der Con-
junctiva palpebrarum.
Karewski (L c). 21. Februar 1865: Finne aus dem Musk. pectoralia
eines 9jähr. Mädchens extrahirt, pflaumengross, hart, beweglich.
78 L e w i n.
Karewski (1. c). 17. August 1885: 9jähr. Mädchen, Tumor in der
Mucosa der rechten Oberlippe.
Karewski (1. c.) October 1885: 25jähr. Frau mit wallnussgrossem
Tumor der rechten Mamma, einem Adenom ähnlich, auf Druck schmerz-
haft, von Muse, pectoralis nicht abhebbar. Bei der Exstirpation noch eine
eitergefullte Finnenblase im Muse, pectoralis gefunden.
Karewski (1. c). 19. Januar 1886: 6jähr. Mädchen mit rundem
hartem, indolentem, subcutanem Tumor auf der rechten Kniescheibe. Bei
der Exstirpation entschlüpft« einer sehr dicken Bindegewebskapsel ein
Blasenwurm.
Karewski (1. c). 9. Febr. 1886: 26jähr. Mann mit einem hühner-
eigrossen Tumor am rechten Oberarm. Bei der Operation zeigte sich
eine von schwieligen starren Wandungen begrenzte Eiteransammlung, in
welcher eine Finne mit reichen Kalkkömchen war.
Karewski (1. c). 17. Februar 1883. Ein VJ^^^* l^i^^^ mitAbscess
am inneren Winkel des rechten unteren Augenlides. JVach der Incision
entleerte sich mit etwas Eiter eine erbsengrosse Finnenblase. Die Mutter
litt am Bandwurm, das Kind war nur mit Kuhmilch genährt.
Karewski (1. c). 6. October 1886: 2jähr. Mädchen mit perforirtem
Abscess unter der Haut des Daumens. Bei Einfuhrung des scharfen Löffels
schlüpfte ein Cysticercus heraus. Bestand angeblich erst seit 8 Tagen.
Karewski (1. c). 23jähr. Kau^ann mit Abscess am linken Glu-
taeus. Hatte seit Monaten daselbst einen kleinen, schmerzhaften, lästigen
Tumor gefühlt. Litt an Taenia. Bei der Incision entleerte sich ein Cy-
sticercus mit hämorrhagischem Eiter.
Giameti (II Morgagni, 1888, L). 60jähr. Frau. Anämie, welche mit
einer abgelaufenen Pellagra in Verbindung gebracht wird. Tod. Zahlreiche
Cysticerken in den Intercostalmuskeln und in der Zunge.
Hirschberg (1. c, p. 362). Sjähr. Mädchen. Bohnengrosse Auftrei-
bung des unteren Augenlides, die unter dem Muskel lag.
Hirschberg (1. c). 1'/, jährig. Knabe. Am unteren r. Orbitalrand
eine unter der Haut gelegene, erbsengrosse Blase.
Hirschberg (1. c). 34jähr. Frau. Unter der Haut des unteren
Augenhöhlenrandes eine bohnengrosse Blase.
Hirschberg (1. c). Sjähr. Mädchen. Balggeschwulst des oberen
Augenhöhlenrandes.
Ausser dieser Casuistik wurden noch folgende Dissertationen publicirt :
Ed. Lommer. Der Cysticercus im Muskel etc. Jena 1876.
Jos. Boyron. £tude sur la ladrerie chez l'homme. These Nr. 83.
Paris 1876.
D res sei. üeber Cysticercus cellulosae. Berlin 1877.
J. Loeb. Ein Fall von multipl. Cysticerken. Strassburg 1887.
C. Gursky. Ein Fall von solitärem Cysticercus. Graifswald 1890.
Fr. Hau gg. üeber den Cysticercus cellulosae des Menschen. Er-
langen 1890.
üeber Cysticercus cellulosae beim Menschen. 79
Aus obiger Uebersicht ergibt sich, dass in dem Zeit-
räume Yon der ersten Auffindung des Cysticercus bis 1875, also
innerhalb zweier Jahrhunderte der Parasit nur achtmal intra Titam
angefunden wurde. Von 1875 an, wo ich die Aufmerksamkeit
meiner CoUegen auf die Wichtigkeit des Befundes zu lenken ver-
suchte und die Kriterien des durch den Parasiten erzeugten
Tumors feststellte, sind circa 50 Fälle publicirt. Diese zwar
häufigere AufEindung des Cysticercus steht trotzdem noch im
MissTerhältniss zu seinem wirklichen Vorkommen.
Häufigkeit des Vorkommens.
Cysticerken kommen beim Menschen relativ häufig vor
und zwar häufiger als Echinococcus, fast gleich häufig wie früher
Trichinen. Nach Försters, Zenkers, Grilhoms, Haughs,
Müllers und Dresseis Angaben fanden sie sich in 0*6 — 2%
aller Sectionen. Der Echinococcus wurde nach Angabe ver-
schiedener Anatomen durchschnittlich in 0*4%, die Trichinen
in 1 — 27o? in der letzten Zeit überhaupt sehr selten bei Secti-
onen aufgefunden.
Virchow (Charite-Annalen 1875 — 77) gibt folgende
Procentzahlen der Finnen an :
1875 1,6%,
1876 l,37o,
1877 1,1%.
In der Berliner Charite in den Jahren 1875—1880 nach-
gewiesene Echinococcen beliefen sich auf 31 ; 1881 stiegen sie
auf 8 ; 1887 auf 9 ; dann 1888 sanken die Zahlen auf 3.
Bei der Discussion in der Berliner medicinischen Gesell-
schaft am 2. März 1892 erklärte Virchow, in den letzten
17 Jahren (1875 — 1891) 122mal bei seinen Sectionen die Finnen
gefunden zu haben und zwar 104 allein im Gehirn.
Davon fielen 1882 1 Finne auf 31 Sectionen,
1890 1 , ,72 „
1891 „ „ 70 „
1875 1 , ,18 „
Dies enorme Verhältniss im Allgemeinen entspräche aber
noch lange nicht der Wirklichkeit, weil das Gehirn in vielen
Fällen nicht geöffaet würde.
so L e w i n.
Da aber das Gehirn keineswegs das Prädilectionsorgan
der Cysticerken ist, diese vielmehr auch in andere Organe, so
in das Ange, in die Lungen, ins Herz und namentlich in die
Muskeln und das Unterhautzellgewebe ') (woher ihr Zuname
Cysticercus cellulosae) einwandern, so scheinen aUe angegebenen
Procentverhältnisse, selbst die von Virchow liinter der
Wirkliclikeit zurückzubleiben.
Wenn die Sectionen die Bestätigung vermissen lassen, so
erklärt sich dies einfach dadurch, dass viele Organe, vorzüglich
auch die Haut und die Muskeln nicht hinreichend untersucht,
noch weniger in hierzu nöthige kleinste Partikelchen zer-
schnitten werden. Für Berlin ist die Auslassung Yirchow's
von Bedeutung, ,,da8S wir, wenn nicht ganz besondere Gründe
vorliegen und besonders fühlbare Stellen sich bemerkbar machen,
nicht dazu kommen, eine einigermassen genaue Uebersicht über
die Zustände der Muskeln und Knochen zu gewinnen." Einen
Beweis für die Häufigkeit der Finnen liefert auch der Befund
des Auges. A. v. Graefe^) hat das Entozoon lOOmal allein
im Auge, Hirschberg ^) etwa 70mal beobachtet, Germel-
mann in der Göttiger Klinik llmal; v. Conta^) gibt an, dass
in Sachsen- Weimar der Blasenbandwurm sehr häufig vorkomme,
besonders in Städten und bei Männern.
Ueber die Häufigkeit der Parasiten in der Haut
können wegen der mangelnden Untersuchungen keine genauere
Angaben existiren. Die wenigen vorhandenen Daten sind deshalb
auch werthlos. Nach Dressel fanden sich in 5300 Sectionen
87mal Cysticerken und davon l*67o in den Muskeln. Haugg in
Erlangen fand in seinen 29 Fällen 10 Finnen in der Haut und den
Muskeln, Müllerin 36 Fällen mir einen in den Muskeln, Grib-
') Bei Schweinen ist nach Angabe aller Helminthologen das Unter-
hautbmdegewebe am häufigsten von der Finne befallen. Was den Menschen
betriflft, so existiren die widersprechendsten Ansichten und zwar sind auch
diese problematisch, weil Niemand ein auf Thatsaehen, d. h. ein auf wirk-
lich grossen Erfahrungen beruhendes Urtheil in Anspruch nehmen kann.
*) A. V. Graefe. Arch. f. Ophthalm. L 1, 458; I. 2, 326; 11. 1, 259;
n. 2, 334; m. 2, 380; IV. 2, 171; VII. 2, 48; XII. 2, 174; XIV. 8, 143.
•) Hirschberg. Berl. med. "Wchschr. 1892.
*) Conta. Leuckart. Die menschl. Parasiten. 2. Aufl. Blanchard.
Zoologie medic. 1889. L, 339. Nach Hirschberg.
Ueber Cysticercus cellulosae beim Menschen. 81
bohm in 6 Fällen einen in den Muskeln, Siewers in 5 Fällen
einen in den Muskeln. Klob in Wien soll „bei 530 Obductionen
10 Finnen in den Muskeln gefunden haben". Virchow gibt
an, dass während der letzten 17 Jahre nur 15 Fälle von Cysti-
cerken in den Muskelen constatirt seien. „Ich bezweifle aber
nicht, dass es hätten mehr sein sollen, dass eine grössere Zahl
vorhanden war." Im Widerspruche mit dieser scheinbaren
Seltenheit steht, dass im letzten kurzen Zeiträume, in welchem
auf Hautfinnen geachtet wurde, diese relativ viel häufiger schon
intra vitam au%efunden wurden, so z. B. von mir in 14,*) von
Karewski in 7 Fällen. Leuckardt behauptet nach seinen
reichen Erfahrungen, dass bei notorischer Anwesenheit von
Finnen im Gehirn solche auch höchst wahrscheinlich in der
Haut sitzen und aufzufinden seien.
Aetiologie.
Der Cysticercus cellulosae ist der Finnenzustand eines
im Dünndarme sich aufhaltenden Bandwurms, in dessen
Eiern sich die zahlreichen Embryonen zum künftigen Cysti-
cercus befinden. Die Infection des Menschen mit diesen
Embryonen kann stattfinden direct durch die Eier der in
unserem Darme befindlichen Taenia oder indirect
durch die Eier, welche vom Bandwurm eines an-
deren Individuums herrühren.
Die Selbstinfection durch die Eier eines eigenen Band-
wurms leugnen einzelne Autoren, so namentlich Virchow (I.e.).
Zur Lösung dieser Frage müssen wir die zwei Wege der Selbst-
ansteckung unterscheiden, den vom Magen und den vom Darm
aus. Der letzte kann nur ausnahmsweise stattfinden, und wäre
überhaupt nnr möglich, wenn nachgewiesen wird, dass einerseits
der Eier schon im Menschendarm dem Bandwurm entschlüpfen
') Ich muss hier gestehen, dass ich nicht zu allen Zeiten die zur
Auffindung der Hautfinnen nöthige Aufmerksamkeit auf die Haut richtete ;
sonst wäre der Befund der Haut-Cysticerken ein viel grösserer gewesen»
Ich rathe meinen CoUegen, an die Kranken zuerst die Frage zu richten,
1. ob sie Bandwürmer haben oder gehabt haben, 2. ob sie Knötchen, Ge-
schwülste etc. an sich bemerkt haben und dann erst die Haut zu besich-
tigen resp. zu palpiren.
ArchiT f. Dermftiol. a. Syphll. Band XXVI. q
82 L e w i n.
und dass andererseits die Darmsecrete die Umhüllung der
Taenia-Eier aufzulösen im Stande sind.
Die Möglichkeit des Ausschlüpfens der Eier im Darme
nimmt Leuckart an, während Küchenmeister sie ver-
neint. Den zweiten Punkt, die Lösung der Umhüllung im Darm,
vertheidigt Klebs, der zugleich darauf hinweist, dass zu den
Darmsecreten der Pankreassafb gehört, welcher das ungelöste
Eiweiss des Chymus löst und in lösliche Peptone überfährt.
Gleichzeitig möchten vielleicht, wie ich meine, die im Darm sich
entwickelnden Gase, wie die Kohlensäure* und der Schwefel-
wasserstoff sich nicht neutral zu den Kalksalzen verhalten,
sondern möglicher Weise die Lösung befördern. *)
Was die Selbstinfection vom Magen aus betrifft, so handelt
es sich darum, ob Glieder unserer eignen Taenia überhaupt
aus dem Darm in den Magen gelangen können. Hierfür spricht
allerdings eine Reihe von Thatsachen. Der Bandwurm sitzt
zwar meistens im Dünndarm, doch ist er in einzelnen Fällen
auch viel höher angefunden worden^ selbst nahe dem Pylorus,
von wo er dann leicht in den Magen gelangen kann. Dazu
kommt noch, dass man darmaufwärts gelagerte Taenien in ein-
zelnen, seltenen Fällen beobachtet hat, wo also die letzten Pro-
glottiden sich immer näher dem Magen entwickelten und schliess-
lich in ihn schlüpfen konnten. Solche Befunde haben Sie hold,
Bobin, Prunneru. A. publiciit. Dass auch ausserdem durch
antiperistaltische Bewegungen Taenien in den Magen gelangen
und erbrochen werden können, weiss jeder erfahrene Arzt.
Interessante Beobachtungen darüber publicirten Rodinguez,
Schenk, Vallisnieri, Lavallete, van Doeveren, Kuntz-
mann, Witthauer u. A.
Dass unsere Hände mit den Proglottiden unseres eigenen
Bandwurms in Berührung kommen können, die Proglottiden
dadurch in den Magen gelangen und man sich nach Art der
Schweine mit Taenia-Brut inficirt, widerspricht, wie Leuckart
hervorhebt, zwar unserem ästhetischen Gefühl, aber nicht der
*) Küchenmeister, Lenckardt, Blanchard etc. geben an,
dass ich mich bestimmt für Klebs Ansicht ausgesprochen habe. Das ist
nicht richtig. Ich habe nur Klebs Ansicht mitgetheilt und nur eine Hy-
pothese von dem Einfluss beider Gase aufgestellt.
Ueber Cysticercus cellulosae beim Menschen. 83
Wirklichkeit. *) Wendt, Birch-Hirschfeld erwähnen auch
bandwurmkranke Koprophagen, bei denen Finnen im Gehirn auf-
gefunden wurden. Ausserdem sind noch manche andere Mög-
lichkeiten der Selbstinfection vorhanden. Während des Schlafes
gehen Proglottiden ab und können dann leicht auf die Hand
übertragen werden. Noch häufiger können diese Bandwurm-
glieder, durch Schrumpfung und Austrocknen unkenntlich, in
mannigfachster Art auf die verschiedensten Gegenstände ge-
langen und durch diese verschleppt werden. (Leuckart,
Küchenmeister S. 691.) Auch beim Beinigen mit Gras
u. dgl. nach einer Defäcation im Freien ist die Verunreinigung
der Hände mit Taenia-Eiem mögUch.
Uebrigens müssen, wie ebenfalls Leuckart angibt, in den
Fallen, wo sehr zahlreiche Finnen im Körper vorhanden sind,
wie z.B. bei Bonhomme, Lancereaux etc. nicht biossein
Ei, sondern längere Gliederstrecken verschluckt sein.
Ich habe absichtlich diesen Punkt näher erörtert, nicht
allein weil er für die Prophylaxis wichtig ist, sondern auch
weil Vi r c h o w, wie erwähnt, mit seiner ganzen Autorität dagegen
eintritt. Zwar gab er in der Discussion in der medicinischen
Gesellschaft über diesen Gegenstand zu, dass „in exceptio-
nellen Fällen die Möglichkeit nicht bestritten werden kann,
dass ein von rückwärts in den Magen hineingedrängter Taenien-
stock daselbst Larven und Eier absetzen mag", doch hält er die
gleichzeitige Anwesenheit von Finne und Taenia mehr für eine
Zufälhgkeit. Wenn man eine gleiche Statistik von den Fällen,
wo Taenien im Darm zugleich mit Cysticerken der innem Organe
vorhanden waren, auch bei Trichinen anwendete, so würde
man zu dem überraschenden Resultate gelangen, dass viel
häufiger die Trichinen mit Taenien als wie mit Cysticerken zu-
sammen vorkonmien. Diese Behauptung, entgegne ich, könnte
nur durch statistischen Nachweis bewiesen werden. Uebrigens
würde auch eine solche Statistik die Frage doch nicht völlig
lösen können. Taenien werden wohl, wenn sie nicht spontan
abgehen, meist durch Medicamente abgetrieben, was nicht allein
*) Man denke nur, wie Hämorrho'idarier namentlich bei hierbei nicht
«eltenem Pruritus mit ihren Händen das Rectum berühren.
6*
84 L e w i n.
von Aerzten, sondern auch von Kurpfuschern, wie bekannt, in
grossem Massstabe, geschieht. Man muss also beim Kranken
mit Finnen genau die Anamnese erforschen. SchUesslich ist es
erforderlich Anthelmintica zu geben, selbst wenn der Kranke
leugnet, Bandwurm zu haben. Ich verweise . auf die in dieser
Hinsicht beweisenden Fälle von v. Graefe, Hirschberg, von
mir und Anderen. Hirschberg weist darauf hin, dass trotz
der mangelnden Wirkung der Anthelmintica doch ein Bandwurm
vorhanden sein kann, der später abgeht, wie dies der weiter-
hin mitzutheilende Fall beweist. Dass übrigens die Coincidenz
von Taenia sohum und Cysticercus in einem Individuum keine
zufillige ist, dafür spricht die folgende Casuistik.
A. Wagnen*) 60jähr. Hausknecht mit paralytischem Blödsimi,
starb unter fortschreitenden Lähmungserscheinungen. Sect.: Gysticerken
in Haut, Gehirn, Pancreas und 1. Niere; im Jejunum eine Taenia solium,
deren Kopf dieselbe Bildung zeigte, wie der Cysticercus: einen Kranz
von 13 Doppelhaken und 4 Saugnäpfen.
Mende. ') 25jähr. Frau mit Augencysticerken verlor mehrere Band-
wurmglieder.
L endet'). 20jähr. Taglöhnerin, starb an Epilepsie; hatte an Band-
wurm gelitten und zeigte bei der Section öysticerken.
Hock er. *) Ein an Bandwurm leidender Mann hatte eine Finne
innerhalb des Lendenmuskels.
Wendt. ^) Ein 30jähr. Maniakalischer zeigte bei der Section viel
Gysticerken im r. Hirnlappen, 1. Seitenventrikel, 1. Linsenkem und 1. Gorpas
striatum. Im Darm Taenia solium.
Birch-Hirschfeld') fand bei einem Geisteskranken, der am
Bandwurm litt und seinen Koth verschlang, gegen 100 Gysticerken
im Gehirn.
Siebert. ^) 46jähr. Mann mit Paralysis progrediens zeigte bei der
Section im Jejunum einen Bandwurm, dessen untere Gliederkette darm-
aufwärts umgeschlagen war,
M. Seidel.') 33jähr. Tischler litt an verschiedene Zeichen von
Himerkrankung und hatte seit 5 Jahren an Taenia solium gelitten.
') Wagner. Schmidt's Jahrb. Bd. 133 p. 306.
•;.Mende. Graefe's Arch. Bd. VU p. 121.
») L endet. Bullet, de la Soc. anat. Tom. XXVIII.
*j Höcker. Zeitschr. f. d. Epidemiol. 1872 p. 163.
*) Wendt. Allg. Zeitschr. f. Psychiatr. 1872. III.
®) Lehrb. der allgem. path. Anat. 4. Aufl. p. 289.
•'') Zeitschr. f. Epidem.
*) Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturw. 1864 p. 223.
lieber Cysticercus cellulosae beim Menschen. g5
Kuntzmann,^) Witthauer,*) Frankenhauer,*)
Ger hart beobachteten die yerschiedenartigsten Krankheiten
sowohl des Nervensystems als auch der Organe des Unterleibs
bei Personen, yon welchen Bandwurmstücke entweder ausge-
brochen oder abgetrieben wurden und in deren Haut Cysticerken
waren.
Heller.') 50jäfar. Mann litt seit 13 Jahren an epileptischen An-
fallen tind Bandwurm. Bei der Section wurde ein Cysticercus racemosus.
Frerichs*) Patient mit Diabetes mellitus später Gehimkrankheit,
starb in Coma. Viel Cysticerken im Gehirn. Im Dünndarm 4 geschlechts-
reife Taenien.
Broca. ^) 27jähr. Kutscher. Ohnmachtsanfalle, Bewusstlosigkeit. Viel
Cysticerken in der Haut. Taenia.
Boyron (Etud. h. ladrerie 1876) fuhrt 2 Fälle von Cysticercus und
gleichzeitiger Taenia.
Müller (Statistik der menschl. Entoz. Diss. Erlangen 1874) fand
unter 86 Fällen von Cysticerken dreimal auch Bandwurm.
Fereol (Union med. T. 28. 1879, 1. c). Bei einem Kranken mit
zahlreichen Haut-Finnen waren zur Zeit ihrer Entstehung häufig Band-
wurmglieder abgegangen ; nach einem Anthelminthicum ging eine kopflose
Taenia ab.
Rathery (Bullet, de la Soc. med. des hop. XVI, 1879). Ein
Kranker mit vielen Hautfinnen gab an, dass die ersten vor ca. 2 Jahren
auftraten; vor 6 Wochen gingen ihm Bandwurmglieder ab.
Troisier (Bullet, de la Soc. med. des höp. XIX. 1882). Ein
dOljähr. Mann mit vielen Cysticerken entleerte nach Kousso eine Taenia*
Lutz (1. c). Einem Deutschen in Brasilien mit Haut-Cysticerken
gingen Bandvrurmglieder ab.
Virchow (Charite Ann. YII.). Bei einem 52jätir. Manne mit 1
Finne im linken Hirnventrikel wurde eine Taenia gefunden. Das Nähere
gibt er in der BerL klin. Wochenschr. 1892 Nr. 14 an, dass er einen Fall
secirte, wo ein grösserer Theil eines Bandwurmes in mehreren Schlingen
SU einem dicken Klumpen zusammengeballt vom Duodenum aus durch
den Pylorus in den Magen hineingeschoben war, offenbar auf antiperi-
staltischem Wege.
Weiss (Anzeig, der k. k. Gesellsch. der Aerzte in Wien 1881).
Ein 24jähr. Mann mit vielen Haut-Cysticerken, hatte früher an Taenia
gelitten.
') Zeitschr. f. Epidem.
') Schmidt's Jahrb. 1882.
*) Ein mir von Frerichs übergebener Krankheitsfall.
*) Broca. Gaz. hebd. 1876.
86 L e w i n.
Karewski (1.). Ein 23jähr. Kaufmann mit Cysticercus auf dem
]. Mu8C. glutaeus, litt an Taenia.
Zenker (Separ.-Abdr. aus Beiträge z. Anat. und Embr. J. Henle
als Fussgabe 1882). 47jä}ir. Mann mit epileptischen Krämpfen. Plötzlicher
Tod. Cysticercus yacciniformis. Zur Zeit der Epilepsie war ihm ein
Bandwurm abgetrieben.
Arndt (Berlin. Klinik Senator.) 44jähr. Kutscher. Bewusstloses
Fallen vom Bock. Tod. Gehimcysticerken. Früher an Bandwurm gelitten.
Amici (1. c.) zahlreiche Finnen in verschiedenen Körpertheilen
und gleichzeitig Taenia.
Zenker (Beitr. zur Anat. und Embryologie; in J. Henles Fest-
gabe 1888). Ein 47jähr. Mann mit epileptischen Krämpfen. Plötzlicher
Tod. Gehim-Cysticerken. Zur Zeit der Epilepsie ein Bandwurm abge-
trieben.
Arndt in Berlin. Bewusstloses Hinfallen. Himoysticercus. Früher
Bandwurm gehabt.
Per tot (Blanchard 1. o. p. 394). Details fehlen.
Mendel (Mündliche Mittheilung: Ein 47jähr. Gastwirth an Ver-
folgungswahn leidend, hat bei der Section neben Gehimcysticerken
2 Taenien.
V. Graefe gibt an, unter 80 Fällen von Augen-Finnen 6mal gleich-
zeitig Taenia gefunden zu haben. Hirschberg hat nachgewiesen, dass
diese Angabe irrthümlich ist, denn in den von ihm (v. Graefe) selber vorher
veröffentlichten Einzelbeobachtungen (17) sind schon 5 hierher gehörige
Fälle aufgezählt.
Hirschberg selbst hatte in 13 Fällen von Augenfinnen 5mal
gleichzeitig Taenien aufgefunden, einige Male erst nach Verabreichung
entsprechender Mittel.
Wecker (Handb. der ges. Augenheilk. 13. v. Graefe u. Sämisch
Bd. IV. p. 713) erwähnt einen ähnlichen Fall.
Hock (Wien med. Wchschr. 1883 Nr. 52) fand bei einer Kranken,
welche ausser einem subretinalen Cysticercus auch Cysticerken in den
Muskeln hatte, eine Taenia.
Ich selbst habe bei 14 Kranken 3mal Taenien gefunden.
In G«sammtheit sind es also über 40 Fälle, in denen Cysticercus
gleichzeitig mit Taenia vorhanden waren. Uebrigens schliessen sich die
bedeutendsten Helmintologen z. B. Küchenmeister, Leuckart, Blan-
chard etc. meiner Ansicht an.
(Fortietxnng folgt )
lieber einige imgewöhnliche Formen
von Acne (Folliculitis).
Von
Prof. Bf. Kaposi in Wien.
(Hierzu Taf. VH— X.)
Rücksichtlich der im Folgenden anzuführenden ungewöhn-
lichen Formen von Acne (Folliculitis) könnte ich mich
bloss auf die Beschreibung beziehen, welche ich in der jüngsten
Auflage meiner Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten,
4. Auflage, 1893 (Wien, Urban und Schwarzenherg) pag. 529 et
aequ. Ton denselben gegeben habe. Die Seltenheit des Vor-
kommens, so wie die klinische und histologische Eigenthüm-
Uchkeit und Wichtigkeit einzelner dieser Formen machen es
mir aber räthlich, die Abbildungen derselben mit weiteren erläu-
ternden Bemerkungen unseren FachcoUegen hiemit Yorzulegen,
namentlich mit Rücksicht auf die Erfahrung, dass auch andere
seltene Krankheitsformen, trotz correcter textlicher Beschreibung,
erst nach ihrer bildlichen Publication das entsprechende Ver-
ständniss und Interesse gefunden haben, so Lupus erythematosus
acutus, Xeroderma pigmentosum, Impetigo herpetiformis u. A.
Ich führe vor Allem in Taf. VII ein Specimen von Acne
varioliformis auf, zunächst als einen ebenfalls ungewöhn-
licheren, wenn auch nicht gar zu seltenen Fall, in welchem nicht
nur behaarter Kopf, Nacken- und Stirnhaar-Grenze betroffen er-
scheinen, sondern auch das ganze Gesicht. Ich habe auch schoa
die Eruption über Hals und Brust bis zur 4. Rippe, reichlich
gesäet angetroffen, dies allerdings nur einmal bei einem Manne^
bei dem auch von vielen Seiten irrthümlich die Erkrankung:
für Syphilis angesehen worden war.
88 Kaposi.
Es ist aber auch aus dem Grunde räthlich ein Beispiel
von Acne varioliformis vorauszuschicken, um den Unterschied
gegenüber den im folgenden zu beschreibenden Formen sofort
augenfällig zu machen.
üeber die Acne varioUformis selber habe ich mich in
meinem Buche (1. c. pag. 529) in folgender Weise geäussert:
Als Acnevarioliformis bezeichnen wir eine eigenthüm-
liche Acne, welche zumeist an der Haargrenze der Stime (Acne
frontalis) und des Nackens in gruppenförmig gestellten,
flachen Knötchen und Pusteln sich etablirt, in disseminirten
einzelnen Efflorescenzen auch im Bereiche des Capillitium, selten
auch selbst über dem Bereich des ganzen Gesichtes (s. Taf. VII)
und der oberen Brustregion. Die Krankheitsform ist nicht zu
verwechseln mit Acne varioliformis B a z i n, welche mit unserem
Molluscum verrucosum („contagiosum") gleichbedeutend ist.
üeber dem Centrum der linsengrossen, flachen, derben,
braunrothen Knötchen bildet sich eine schlappe Pustel, welche
bald zu einer unter das Niveau einsinkenden Borke vertrocknet ;
oder sofort ein trockener, pergamentartiger Schorf, nach deren
Abfallen eine narbige Depression zurückbleibt. Das Bild erinnert
lebhaft an Variolaefflorescenzen (daher der Name), sowie anderer-
seits vermöge der Anordnung zu Gruppen, der dunkeln Färbung
und der centralen Depression die Aehnlichkeit mit Syphilis
corymbosa gross ist. Der Process dauert durch hartnäckige
Wiederkehr solcher Eruptionen Jahre hindurch, üeber seine
Ursache sind wir vollständig im unklaren; doch scheint in
einzelnen Fällen eine Beziehung zu chronischer Verdauungs-
störung annehmbar.
Was C. Boeck und nach ihm Pick als Acne necro-
tisans beschrieben haben, wobei in analoger Locälisation und
Form, in jahrelang sich wiederholenden Nachschüben, linsen-
grosse und grössere, entzündlich knotige Erhebungen erscheinen,
mit bläulich durchschimmernden Gapillarhämorrhagien und
trockener Mumificirung der obersten Coriumschichte im Centrum,
wodurch daselbst festhaftende, derbe Schorfe sich bilden, nach
deren Abfallen flach eingesunkene Narben zurückbleiben, scheint
mir doch wesentlich der Kategorie der Acne varioliformis an-
zugehören und schon in Rücksicht auf die betroflfenen Indivi-
üeber einige ungewöhnliche Formen von Acne (Folliculitis). 89
dnen, die Localisation und Verlaufsweise ätiolo^sch eben so
wenig aufgeklärt, wie letztere."
Von der ebenfalls als Abart der A. varioliformis oder
necrotisans von mir angesehenen und 1. c. unter dem Namen
Acne urticata beschriebenen Erankheitsform habe ich bisher
weder eine Abbildung noch eine Plastique anfertigen zu lassen
Gelegenheit gehabt. Auch glaube ich, dass die Erstere kaum
das Charakteristische davon deutlich genug zum Ausdruck zu
bringen vermöchte. Ich muss mich daher ganz und gar auf
meine 1. c. gegebene Beschreibung beschränken, die ich aus
dem Grunde nur hier wiederhole, damit der für den Gegen-
stand sich interessirende Facheollege alles Bezügliche im Vor-
hegenden beisammen finde.
In jahrelang sich wiederholenden Nachschüben entstehen
bei der Acne urticata im Bereiche des Gesichtes, Stirne,
Nase, Kinn, Wangen, Capillitium, oder auch noch später an
den Händen, Unter- und Oberextremitäten, meist den Streck-
seiten, höchst acut und unter heftigstem Jucken, Brennen und
Schmerzgefühl ein und mehrere, höhnen- bis über kreuzer-
grosse, blassrothe, quaddelartige, sehr harte Erhebungen, welche
binnen Stunden, meist aber erst 2 — 4 Tagen spontan sich in-
volviren, in der Regel aber, wegen des äusserst heftigen
Brennens und Juckens, von den Kranken mittels der Finger-
nägel, Nadeln, Messerspitzen zerkratzt, dann gequetscht werden,
weil dieselben erst nach derart ermöglichtem Austritt von
Serum und Blut aus dem gequollenen Papillarkörper und Bete
etwas Erleichterung verspüren. Es stellt sich rasch Gerinnung
des Exsudates und Ueberhäutung ein, aber die Basis und Um-
gebimg bleiben im weiten Umfange sehr hart und insolange
dauern auch Jucken und Brennen, Schlaflosigkeit und nervöse
Unruhe an und wiederholen die Kranken die Stech- und Quetsch-
eingriffe. Endlich, nach 8 — 14 Tagen ist die Härte geschwunden
und bleiben entsprechend den Verletzungen und Eiterungen
flache, braun pigmentirte, narbige Streifen zurück.
Der Process hält in den wenigen Fällen, die ich über-
haupt beobachtet habe, besonders in drei Fällen, dem eines
dysmenorrhoischen weiblichen und zweier dyspeptischen männ-
hchen Kranken nun schon seit 15 — 20 Jahren an. Jucken,
90 Kaposi.
Schmerzhaftigkeit, Localisation, Yerwundang, Eitening, Schlaf-
losigkeit in Folge der subjectiven Belästiguiig und die conti-
nuirlichen Nachschübe gestalten den Process zu einem der
allerlästigsten und entmuthigendsten an der allgemeinen Decke.
Die in Taf. VllI, ausserdem in einer Henning'schen
Moulage (klinische Inventur G, 23) dargestellte und als Acne
oder Folliculitis necrotisans et exulcerans serpi-
ginosa nasi von mir bezeichnete Erkrankung, habe ich gleich-
zeitig an drei Kranken, einer Frau und einem Manne der
Klinik (s. Krankengeschichte) und einem Manne der Privat-
praxis, mittleren Lebensalters, als eine acut aufgetretene Erup-
tion an der Nasenspitze beobachtet, bei welcher stecknadel-
kopfgrosse und etwas grössere, bis kleinerbsengrosse, schlappe,
rasch lochförmig eiterig schmelzende oder grünUch necroti-
sirende Knötchen entstanden, die dann unter Eiterung und
warziger Granulation eben so viele und tiefe narbige Gruben
zurückliessen, worauf randständig eine dichte Beihe neuer
solcher Knötchen mit gleichem Verlaufe, und so fortschreitend,
sich entwickelte, so dass binnen wenigen Wochen und Monaten
der ganze häutige Nasenantheil narbig-grubig zerstört war.
Nach Auslöfflung des knotigen Walles, den die neue Eruption
um den narbigen Theil bildete, kamen doch noch Nachschübe,
bis der Process in der Höhe der knöchernen Nase stille hielt.
Krankengeschichten:
Acne necrotisans et exulcerans serpiginosa nasL
(Taf. VIII.)
Sophie Zabrada, 28 Jahre alt, Näherin aus Brunn, Aufnahme 10.
Nov. 1891, Inv. Nr. 18.901, immer gesund gewesen, bemerkte vor 2 Mona*
ten auf der Nase einen rothen Fleck, in diesem ein eitriges Bläschen.
Wegen steter Verschlimmerung des Zustandes Spitalsaufhahme.
Status praesens 10. Nov. 1891 : Sohlecht genährtes, anämisches,
schwächliches Individuum.
Die Haut an der Nasenspitze, sowie am linken Nasenflügel bis in
die Nähe des knöchernen Antheiles und nur theilweise auf den linken
Flügel übergreifend, von zahlreichen bis erbsengrossen Höckern zerklüftet,
theils mit dünner, röthlicher Epidermis überzogen, theils frei von solcher
und mit einem gelblichgrünen Belege oder auch mit schwarzen Krusten
Ueber einige nngewölinliciie Fonnen von Acne (Follicnlitis). 91
bedeckt. An den Wangen and am Kinn links einige röthlichbraiiney in
der Mitte mit Kmsten bedeckte oder glatte, massig erhabene, von Ge-
fasschen durchzogene, schlappe Knötchen; die Wangen sonst mit zahl-
reichen theils länglichen, theils mnden, im Centnim dunkler pigmentirten
Xarben besetzt; einige ebensolche am Stamme zerstreut. An der Stim-
Haargrenze Acne varioliformis.
Therapie: Zonachst Pflasterverbände, dann Lapis tmd Auskratzung
des schwammigen Gewebes mit scharfem Löffel, hierauf Paquelin. Fat.
verlässt nach 3 Monaten mit einer nur mehr kleinen granulirenden Fläche
das Spital.
Acne neorotisans et exuloerans serpiginosa nasi.
Ignaz Rode, 30 Jahre, verheir. Kaufmann, Krankheitsbild genau
so wie in der Abbildung des Falles 1, doch ohne gleichzeitige Acne des
übrigen Gesichtes, sondern lediglich mit der charakteristischen Affection
der Nasenspitze. Auch bei ihm war dieselbe acut entstanden in Form von
schrottkom- bis kleinerbsengrossen, schlappen, halbkugeligen, braunrothen,
dicht gedrängten, bei Druck nicht schmerzhaften Knötchen, welche sehr
rasch theils im Centrnm eitrig schmolzen, theils in Gänze oder nur im
Centmm en masse grünlich necrosirten und in dichter Reihe randständig
des verschorften Herdes neu auftauchten. Das erstemal verweilte der
Kranke vom 10. October bis Mitte November 1891 an der Klinik, das
zweitemal, da sehr bald Recidive randständig des vernarbten Herdes auf-
fretreten waren, vom 8. bis 15. März 1892. Jedesmal waren die Knoten
ezcochliirt und deren Gnindstellen paquelinisirt worden. Seither ist kein
Recidiv eingetreten, wie wir uns vor Kurzem überzeugen konnten.
Der 3. FaU von Acne exulcerans serpiginosa apicis nasi betraf einen
40 Jahre alten, kräftigen Mann meiner Privatpraxis, bei dem binnen 4
Monaten die Nasenspitze bis etwas über den knöchernen Antheil hinauf
unter stetigem randständigen Nachschub von alsbald necrotisirenden,
rundlichen Knötchen derart, wie von einem pustulösen Syphilid grubig-
narbig zerstört worden war. Die therapeutischen Eingriffe (Excochleation
und Cauterisation) mussten wiederholt und energisch vorgenommen werden,
nachdem in diesem, wie in den beiden ersteren Fällen die Application
von £mpl. sapon. salicylicum und von Empl. hydrargyri sich ganz wir-
kungslos gezeigt hatte.
Auch dieser Kranke ist seither von Recidive verschont geblieben.
Während durch die Necrosirung des hetroffenen Gewebes
die eben beschriebene Form sich der früher erwähnten und
längst bekannten Acne varioliformis (Taf. VII) und Acne necro-
tisans (C. Boeck und Pick) nähert, unterscheidet sich die-
selbe von den letzteren, sowie von meiner Acne urticata, welche
beide wesentlich doch in circumscripter entzündlicher In-
92 Kaposi.
filtration, mit dem theilweisen Ausgang in hämorrhagischer
(Trombosirungs-) Necrose bestehen, klinisch durch die Locah-
sation an der Nasenspitze und die Bildung von scharf begrenzten
und umgreifbaren Knötchen und Knoten und histologisch durch
den Charakter der letzteren als neugebildetes Granula-
tionsgewebe, welches durch die ursprünglich relativ bedeu-
tende Grösse und Hervorragung und Greifbarkeit an Syphilis-
knötchen, durch seine Schlappheit und histologische Wesenheit
aber mehr den Lupusknötchen vergleichbar erscheint.
Die Bildung von rasch necrotisirendem, vascularisirtem
Granulationsgewebe um die Follikel herum ist bei dieser Form
demnach wohl das Wesentlichste.
Hierdurch, sowie auch durch die anderen Details des
histologischen Charakters (Mangel an höherer Organisation,
Tendenz zu retrograder Metamorphose der Formelemente, zahl-
reiche Riesenzellen, wie dies noch im Späteren (Taf. X)
demonstrirt werden soll, reiht sich auch der merkwürdige Fall
von Folliculitis exulcerans aus meiner Klinik hier an,
den Lukasiewicz beschrieben hat (diese Vierteljahrschr. 1891.
Erg.-Heft H, p. 57, Taf. IE und IV), bei welchem durch 2—3
Jahre ad nates und an den Extremitäten eines anämischen
Mädchens solche Knoten in grosser Zahl und mit gleichem
Verlaufe in kreuzer- bis flachhandgrossen , durch periphere
Nachschübe fortschreitenden Plaques aufgetreten waren und die
Heilung schliesslich nur durch successive thermocauterische Eli-
mination zu erzielen war. Wie wir uns übrigens erst vor Kurzem
überzeugt haben, sind bei der Kranken seither noch immer in der
Sacralregion und an den Extremitäten kleine Nachschübe erfolgt.
In den folgenden 2 Fällen, welche ich Mangels einer zu-
treffenderen Nomenclatur vor der Hand unter der Bezeichnung
Acne telangiectodes vorführe, ist die acute Entwick-
lung solcher aus Granulations-Gewebe bestehenden
Knötchen das hervorstechendste Merkmal, indem sie dadurch
zwar der Acne exulcerans serpiginosa nasi analog, aber von
dieser doch wieder dadurch verschieden sich ergaben, dass die
Eruption allgemeiner und in unregelmässiger Disposition auf-
traten und nicht der Necrose anheimfielen, sondern nur theil-
weise zu Erweichung gelangten.
Ueber einige ungewöhnliche Formen von Acne (Folliculitis). 93
Den 1. Fall habe ich bereits mitget heilt (Ber. der Wiener
dennatol. Gesellschaft, diese Vierteljahrschr. 1890, p. 955). Ein
48jähriger kräftiger Mann, mit massiger Acne vulgaris des Ge-
sichtes, bekam 4 Wochen vor seinem Spitalseintritte (2. März
189D) im Bereiche der Stime, der Wangen, an den unteren
Augenlidern wie auch im Bereiche der übrigen Gesichtshaut
zahlreiche, theils flache, theils erhabene, vielfach gruppirte, sonst
aber disseminirte, schrotkom- bis erbsengrosse, rothe, massig
succulent sich anfühlende Knötchen. Ein Theil derselben trägt
ein kleines Schüppchen, andere an der Spitze ein molkig-bröck-
ligen Inhalt bergendes Pustelchen oder Krüstchen, die meisten
sind glatt, massig glänzend und erblassen auf Fingerdruck. Der
Mann ist Metallpresser. Aus den genau eruirten Verhältnissen
seines Gewerbes ist keinerlei Moment zu eruiren, welches, wie
bei Arbeitern in mit Theer- und anderen ähnlichen Substanzen ge-
schwängerter Atmosphäre, eine arteficielle acute Erregung von
Acne anzunehmen gestatten würde. Die Entstehung dieser Knöt-
cheneruption blieb uns ganz räthselhaft. Aeltere Knötchen liessen
sich sehr leicht als Ganzes mittelst Hohlsonde oder scharfen
Löffels aus der Cutis herausheben und als schlappes, gelbröth-
hches, vascularisirtes Gewebe zwischen den Fingern zerquetschen.
Bei der histologischen Untersuchung ergab es sich als ziemlich
reich vascularisirtes junges Granulationsgewebe mit in Häufchen
angeordneten Riesenzellen und epitheloiden Zellen, ohne Spur von
Mikroorganismen. Ihr anatomischer Sitz war das tiefere Corium
und mit der Hauptmasse um den Fundus der Haarbälge und
um die Knäueldrüsen.
Alle therapeutischen Versuche, welche auf eine Verschrum-
pfung der Knötchen gerichtet waren, Seifen-, Schwefel-, Resorcin-
Essigsäure-Paste etc. blieben erfolglos. Dagegen liess sich mit
grösster Leichtigkeit die ganze Summe derselben auslöffeln,
womit vollständige Heilung eintrat, unter Hinterlassung entspre-
chend kleiner, flacher Narben.
Geradezu verblüffend war aber der folgende Fall durch
sein Ansehen und seinen klinischen Verlauf, der in Tafel IX
dargestellt ist und erst nach genauer Erwägung als excessive
Form des eben beschriebenen Specimen und also wesentlich
ebenfalls als „Acne telangiectodes" angesprochen werden konnte.
94 Kaposi.
Er betraf eine 40 Jahre alte, yerheiratete, etwas anämische
und hysterische Frau (L. N.) aus Serbien, die am 3. März 1893
auf die Klinik aufgenommen wurde. Sie war stets gesund
gewesen.
Ihr Ausschlag war 3 Monate vorher in Form von Knöt-
chen im Bereiche des Gesichtes aufgetreten, ohne jegliche be-
kannte äussere oder inner-medicamentöse Veranlassung. Sie
hatte weder Jod, Brom, noch überhaupt ein Medicament ge-
nommen.
Der ganze Bereich des Gesichtes ist dicht besetzt von
zahlreichen schrotkorn- bis nahezu erbsengrossen, zum Theile
lebhaft rothen, grösstentheils aber livid- und braunrothen,
schlappen, bei Druck, nach Angabe der Kranken, sehr schmerz-
haften Knötchen, doch scheint dabei auch bezüglich der anderen
noch zu besprechenden Efflorescenzen mehr die bei dieser
Kranken überhaupt zu constatirende Hyperästhesie der Haut,
als die specielle Empfindlichkeit der Knötchen selbst zum Aus-
drucke gebracht worden zu sein.
lieber den Augenbrauen waren die Knötchen zu dichten
Haufen gedrängt, so dass dadurch sowie durch die livide Fär-
bung derselben und eine eigenthümliche livid-braune, flach-
knötige Eruption an den Extremitäten, und in Bücksicht auf die
Nationalität der Kranken die Auffassung des Falles als Lepra
sehr nahe gelegt war, ohne dass wir uns jedoch derselben
bei näherer Betrachtung hätten zuneigen können. Auf der Nase
nämlich und am Kinn zerstreut fanden sich hirsekom- bis
stecknadelkopfgrosse, offenbar Anfangsformen darstellende, leb-
haft rothe und theilweise zugespitzte Follicularknötchen und
unter den älteren und grösseren Knötchen solche mit begin-
nender eitriger Schmelzung ihrer Spitze, so dass die Affection
als subacute Folliculitis mit Bildung von Knoten jungen Binde-
gewebes, gleichwie im früher beschriebenen Falle dennoch sofort
aufgefasst werden konnte.
Noch verwirrender war der Anblick der an den Rücken-
und Seitenflächen der Finger, an den Vorder- und Oberarmen,
an den Knien und am Oberschenkel vorfindlichen Eruptionen.
Hier sah man nämlich grösstentheils linsen- bis pfennig-
grosse livid- und braunrothe, scharf begrenzte, flach erhabene,
Ueber einige ungewöhnliche Formen von Acne (Folliculitis). 95
ziemlich derbe, an der Oberfläche theils glatte und glänzende,
theils aber im Centrum hämorrhagische und flach eingesun-
kene Flecke und Knoten, also theils ähnlich beginnender Lepra
maculo-papulosa, theils — namentlich mit Rücksicht auf die
Localisation — an Erythema nodosum gemahnend. An den
Fingern gab es überdies punktförmige Hämorrhagien und derbe,
scharf begrenzte, derbrandige Flecke und flache Knoten mit
centraler hämorrhagischer Depression, pemioähnliche Vorkomm-
nisse, wie bei Lupus erythematosus.
Die Patientin yerweilte vom 3. März bis 19. Mai 1893 an
der Klinik, an welchem Tage sie wegen plötzlichen Todes ihres
Mannes abberufen wurde.
Während ihres Aufenthaltes gab es reichlich ganz analoge
Nachschübe an den Unterextremitäten, im Gesichte und auch
am behaarten Kopfe, wo aber die Erscheinungen nur in acuten
entzündlichen Follikelknötchen, mit Platzen und serös-blutiger
Secretion bestanden.
Neben innerlicher Darreichung yon Arsen — Eisen und
Leberthran, die eine merkliche Aufbesserung der Gesammt-
emährung zur Folge hatte, wurde mit befriedigender Wirkung
eine Beihe örtlicher Applicationen angewendet (Schwefel-,
Theer-, Seifen-, Resorcin-Pasten und Pflaster, enei^sche Seifen-
waschungen u. ä.), welche Yerschrumpfung und Ausfallen der
Knötchen und Knoten im Bereiche des Gesichtes bewirkten,
mit Hinterlassung seichter Narben. In entsprechender Modi-
fication wurde auch der Haarboden erfolgreich behandelt. Da-
gegen zeigte sich an den Extremitäten nur theilweise und
mehr als spontan zu deutende Involution, bei vorwiegend
unverändertem Fortbestand der alten und schubweisen Nach-
schübe neuer derber flacher Flecke und Knoten.
In der beigegebenen histologischen Tafel X ist nach vom
Assistenten Dr. Spiegier angefertigten Präparaten der histo-
logische Charakter der aus der Gesichtshaut exscindirten
Knötchen dargestellt: junges Granulationsgewebe, im tiefen
Corium knotenförmig eingelagert, hauptsächlich um den Fundus
der Haarbälge und um die Knäueldrüsen, mit Fortsetzung
der Zellinfiltration längs der aufsteigenden Gefässe gegen die
Papillarschichte, zahlreiche Zellen in fettiger Degeneration und
96 Kaposi.
viele in Haufen gestellte Riesenzellen. Dadurch charakterisirt
sich die Bildung ganz und gar übereinstimmend mit den in dem
früheren angegebenen Foimen.
Endlich sei ein seltener Fall von Acne cachecticorum
erwähnt, welcher neben der auffallenden Localisation im Bereiche
des Stammes auch noch dadurch besonders bemerkbar erscheint,
als an den Herden des Rückens nicht einfache hämorrhagisch
entzündliche schlappe FoUicularpusteln zur Entwicklung ge-
kommen sind, wie dies dem Typus der sonst auf die Unter-
extremitäten zumeist beschränkten Acne cachecticorum zukommt,
sondern dass hier auch massigere und zu hämorrhagischer
Necrose gelangende Bindegewebs-Neubildung zu Stande ge-
kommen ist in Form von flachkuchenförmigen, schlappen
Knoten, aus denen dann Abscesse mit unterwühlten hämorrha-
gischen, zersetzten Bändern hervorgegangen sind.
Sicherlich ist mit den aufgezählten seltenen und atypischen
Formen nicht die ganze Reihe von möglichen FoUiculitiden er-
schöpft, denn es kommen ätiologisch ganz unverständliche
allgemeine acute Folliculitiseruptionen vor, wie Barthelemy's
„Acnitis" (!) — ein bedauerlicher Barbarismus, den sein Autor
selber endlich zurücknehmen sollte — oder die Acne cornee
französischer Autoren, solche mit begleitender papillärer oder
epidermoidaler Hyperplasie, die ich unter Hinweis auf meine
bezüglichen Erörterungen im Capitel „Keratosen" meines
Buches (4. Aufl. pag. 629) an dieser Stelle nicht weiter er-
örtern will.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII— Z.
Taf. VII. Acne varioliformis.
Taf. VIII. Acne necrotisans (exulcerans) serpiginosa nasi.
Taf. IX. Acne telangiectodes.
Taf. X. Histologische Tafel der letzteren. I. a Papillarschichte,
h Knoten, cc Knäaeldrüsen mit ee deren Ausführongsgang, d Fettläppchen
(schwache Vergröss.). II. (starke Vergröss.) a runde und längliche, zum
Theile verfettende Zellen des Knotengewebes, h Knäueldrüsen, ec Riesen-
zellen.
Zur Bebandlimg des Lupus vulgaris.
Beitrag von
Dr. Josef Schütz in Frankfart a. Main.
Lupuskranke sind arme Geschöpfe. Grossentheils müssen
sie die Blüthezeit des Lebens einer langwierigen Behandlung hin«
geben. Nur wenige halten darin Stand, bis sie glückliche Heilung
finden. Seltener noch schafft eine frühzeitige Radicaloperation
das Uebel im Beginne weg. Dermatologie, Chirurgie, innere
Medicin wetteifern, neue Methoden zu ersinnen, welche von
Grund aus das sich hinschleppende Leiden mit einem Schlage
beseitigen möchten. Aber nach wie vor erscheinen derartige
Kranke hilfesuchend beim Arzt, weil auch die neuesten Unter-
nehmungen nichts nutzten.
Und doch muss man sagen, dass der Lupus ein rein ort-
ücher Krankheitsvorgang ist, der örtlich zerstört werden kann,
und dass zur Vernichtung desselben geradezu vorzügliche Mittel
es gibt, die aber in einem nur kleinen Procentsatz bis jetzt
zu dauernder Heilung fuhren.
Dass dem so ist, liegt gewiss manchmal daran, dass der
Lupusherd einer Behandlung überhaupt schwer zugänglich ist
und auch unter Umständen grosse diagnostische Schwierigkeiten
macht: so beim primären Lupus der Schleimhäute.
Ich will ein nicht allzuseltenes Beispiel herausgreifen : Ein
durchaus nicht schwächliches oder tuberculös erscheinendes
Kind kommt zum Arzt mit einer Dacryocystitis. Eine längere
Sondencur schafft vorübergehend Stillstand. Nach einigen Jahren
gesellt sich zu dem alten Uebel ein chronischer Nasencatarrh,
der hartnäckig der Behandlung vndersteht und nur zeitweise
Arehir f. Dennatol. «. Sypbil. Band XXVI. 7
98 Schütz.
Linderung findet. Nach weiteren ein, zwei Jahren erscheinen
auf den Wangen und den Nasenflügeln auf noch ToUkommen gesund
erscheinender, nicht infiltrirter Haut winzige Eiterpusteln, die
der Ungeübte für Acne halten könnte. Der Fall kommt dessent-
wegen wieder zum Arzte. Dieses charakteristische Bild des
Verlaufs veranlasst nun eine, wir wollen sagen rückläufige
Untersuchung. Die Lupusefflorescenzen der Wangen werden
trotz ihrer etwas ungewöhnlichen Form erkannt. Sie machen
uns misstrauisch gegen den chronischen Nasen-Catarrh. Wir
spiegeln. Aber wir sehen nichts als die Zeichen des ge-
wöhnlichen Catarrhs. Auch der geschickteste Untersucher ist
nicht im Stande, aus dem Spiegelbefund allein die beginnende
Tuberculose der Nasenschleimhaut festzustellen. Wir sondiren.
Das lupöse Infiltrat muss weicher, weniger resistent sein als
gesundes Gewebe. Und nun dringt mit einem Mal unsere Sonde
durch die Nasenscheidewand wie durch eine präformirte Oeffhung.
Wie sich später beim Auskratzen derselben herausstellt, ist der
Erweichungsherd so gross, dass man einen Bleistift bequem
hindurchstecken könnte. Wii* untersuchen das Secret, welches
sich aus dem Thränennasencanal herausdrücken lässt. Viele
Deckglastrockenpräparate werden vergeblich gemacht. Endlich
finden wir einzelne Tuberkelbacillen.
In einem solchen Fall ist allerdings die Aufgabe des
Arztes eine überaus schwierige und trotz aller Mühen wenig
aussichtsvolle. Exstirpation des Thränensacks, Verödung des
Thränennasenganges, Zerstörung des Schleimhautlupus in der
Nase, Ausrottung des Lupus der äusseren Wangenhaut, Alles
mag glatt gelingen und günstigen Eindruck anfänglich machen,
die vielen Verbindungsbrücken der Krankheitsherde untereinander
sind kaum aufzufinden und zu beeinflussen.
Solche von vorneherein ungünstigen Fälle sind zwar keine
grosse Seltenheiten, aber immerhin die Minderzahl. Die Mehr-
zahl der Lupus vulgaris-Herde ist nicht so mit verstecktem
Schleimhautlupus in continuo verbunden. Die Oertlichkeit des
Sitzes der Erkrankung ist oft direct günstig zu nennen; so
meist bei jenen Formen, bei welchen der Lupus nach irgend
einem eitrigen tuberculösen Vorgang plötzlich multipel, meta-
stasenartig an vielen Körperstellen zugleich autgetreten ist,
Zur Behandlung des Lupus vulgaris. 99
oder wenn Lupus durch äussere Infection am Kinn, Wangen,
Ohr, Hals u. s. w. sich bildete. Wenn hier keine dauernde
Heilung erzielt wird, so liegt das Misslingen der Behandlung
nur an der zeitlich oder örtlich nicht genug ausgedehnten Zer-
störung des Krankhaften.
Nachdem ich über mehrere, z. Th. demonstrirte Fälle
verfuge, welche nach einer einmaligen Behandlung nunmehr
über fünf Jahre recidivfrei blieben, glaube ich das von mir ge-
übte Verfahren vorschlagen und begründen zu dürfen, in der
Hoffnung, dass weitere Verbesserungen durch diese Anregung
mit der Zeit erfolgen möchten.
Das Verfahren hat den Vorzug, durchaus kein sogenanntes
neues zu sein, sondern erprobte alte Methoden in einer Weise
zu benutzen, dass deren bekannte Wirkung zu einem vollkom-
menen Resultate führt.
Doch zuvörderst einige Worte über die Indication. Ge-
wiss wird jeder Arzt, der einen frischen Lupusherd massiger
Ausdehnung vorfindet, so dass sich derselbe, ohne allzugrosse
kosmetische Störungen zu hinterlassen, ausschneiden und ver-
nähen lässt, nur die Excision im Gesunden vornehmen.
Diese Operationsform wird stets als Einfachstes und Bestes
bleiben.
Ebenso werden jene scheusslichen Formen von Gesichts-
lupus, welche im Laufe der Jahre Mund, Nase, Ohr, Lider
zerstörten und vom menschlichen Antlitz nur noch eine mit
narbiger und geschwüriger Haut bedeckte Kugel übrig liessen, auf
deren Oberfläche kleine Narbengruben und enge Oeffnungen
die Zugänge der Sinnesorgane andeuten, nicht einem einzelnen
Verfahren weichen, sondern nur die glückliche Auswahl und den
Wechsel vieler Methoden erfordern, um nach und nach zufrieden-
stellende Erfolge zu erlangen.
Unser Verfahren soll dem landläufigen, narbenuntermischten
Lupusfall dienen, welcher der Excision und Schliessung durch
Naht unzugänglich. ist.
Hier tritt das Verfahren in Concurrenz mit den neueren
Methoden subcutaner Injectionen und der chirurgischerseits als
das einzig Richtige und Sichere augenblicklich gepriesenen
Thiersch 'sehen Transplantation.
7*
100 Schütz.
UeberdieKoch'schen Einspritzungen braucheich bezüglich
der Lupusheileffecte kein Wort zu verlieren. Vorläufig haben sie
sich als nützlich nicht erwiesen, lieber H. H e b r a^s Thiosinamin-
Einspritzungen fehlen mir eigene Erfahrungen ebensowohl wie
Nachrichten über bleibende Erfolge und Bestätigungen Anderer,
Gerade in heutiger Zeit wird der Praktiker, so sympathisch
er dem bequemen InjectionsTerfahren auch sein mag, von ge-
nannten Verfahren lieber bei anderen vorsichtig das Aller-
beste hoffen, als selbst eigenes Material zur Prüfung des Neuen
hergeben.
Die T hier seh 'sehe Transplantation ist sicherlich auch
für die Lupustherapie eine überaus werthyolle Bereicherung des
Heilverfahrens und im Falle des Gelingens zu den allerschönsten
Ergebnissen führend. Es wird auch Umstände und Verhält-
nisse geben, welche genannte Ueberpflanzungen beim Lupus —
nach eingehender Ueberlegung — an erster Stelle oder aus-
schliesslich indicirt erscheinen lassen. Aber jeden Lupus,
welcher durch Ausschneiden und Nähen sich nicht beseitigen
lässt, ohne Weiteres als reif für das Verfahren nach Thiersch
zu erklären, gleichzeitig alle früher giltigen Massnahmen als
unbrauchbar hinzustellen und den Lupus sogar ausschliesslich
ins chirurgische Gebiet zu verweisen, nicht ohne die vermessene
Andeutung, dass jene Ueberpflanzungen nur der Fachchirurge zu
cultiviren im Stande sei, muss als wenig überlegte einseitige
Propaganda erscheinen. Fälle, z. B. wie der Eingangs geschil-
derte, die in Zusammenhang mit schwer zugänglichem Schleim-
hautlupus stehen, sind für Excision imd Implantation absolut
ungeeignet. Sodann ist der Erfolg der Lnplantation selbst da,
wo sie indicirt ist, durchaus kein sicherer, sondern ein von
vielen noch imbekannten, wie bereits bekannten oder erklär-
lichen Zufällen abhängiger. Ein unerwarteter Brechact während
des Verbands, eine unruhige Nacht eines leicht erregbaren
Kranken und tausende andere Eventualitäten können ein Nicht-
anheilen der Hautstreifen zur Folge haben. Ln Falle eines
Misserfolgs aber dürfte — namentlich in der Privatpraxis —
das gerade beim Lupus-Patienten so nothwendige dauernde Zu-
trauen zum Arzt sehr erschüttert sein. Es dürften manche
Kranke zu einer abermaligen Ueberpflanzung dann sich nicht
Zur Behandlung des Lupus vulgaris. IQl
Terstehen wollen und darauf verzichten, zum zweiten Mal ge-
sunde Haut vom eignen Leibe herzugeben.
Somit ist für die überwiegende Menge der Lupusfälle
auch heute noch die althergebrachte Behandlung nicht von der
Hand zu weisen.
Die günstigsten Erfolge erhielt ich nun auf folgende Weise :
In Chloroformnarkose wird mit dem scharfen Löffel in
langsamen kräftigen Zügen alles morsche Gewebe hinweggeschafft
und versprengte Nester möglichst in toto herausgehoben. Als-
dann wird der Boden der Wundfläche und etwa 7i bis 1 Cm. des
gesunden Randes sehr sorgfältig scarificirt. Hierzu benutze ich
theils das sechsklingige Stichelinstrument vonVeiel, theilsdas
mit 18 gedeckten Klingen durch Schnitt wirkende Messer von
Balmanno Squire. Beide Instrumente arbeiten rasch, sind
aber relativ kostspielig in der Unterhaltung und erfordern eine
umständliche Reinhaltung. Die Blutung ist meist eine erhebliche
und muss durch geschickte Compression mit feuchten Gace-
Compressen in Schranken gehalten und ebenso gestillt werden.
Es ist wichtig, dass die Stillung der Blutung vollkommen
hergestellt wird. Dann wird, noch in Narkose, das ganze Wund-
gebiet mit einer kalt gesättigten, durch Zusatz von etwas reiner
Salzsäure haltbar und klar erhaltenen, alkoholischen Chlorzink*
lösung mehrmals überpinselt. Die Wundfläche verfärbt sich
weiss. Grosser Schmerz tritt ein für ca. 6 Stunden. Bereitge-
haltene Eiscompressen und vernünftiger Zuspruch des Arztes
vermögen ihn etwas zu lindem. Moi*phium leistet wenig. Die
Operationsstelle schwillt im Verlauf der nächsten 12 Stunden
auf, je nach Oertlichkeit erscheinen auch mehr oder weniger
starke Oedeme in der Nachbarschaft. Unter Borwasserumschlägen
gehen die Erscheinungen nach und nach zurück, und in 1 bis
2 Tagen hat sich die Wunde gereinigt. Die Wunde erscheint
jetzt gleichmässig offen auch an den nur scarificirten Rändern.
Auf dieselbe wird nunmehr ein dreimal täglich gewechselter Pyro-
gallussäure-Vaselin- (1 : 4) Salben-Verband gebracht. Am dritten
Tage entstehen wieder lebhaftere Schmerzen, namentlich beim
Zutritt der Luft während des Verbandwechsels. Die Wunde ist
schwarz verfärbt, die krustige Oberfläche zum Theil blasig er-
hoben. Am 5. Tag wird der Verband durch Borwasserumschläge
102 Schütz.
ersetzt, so dass 4 Tage lang die Pyrogallussäure ihre Aetz-
wirkung ausüben konnte. Die Borwasserumschläge werden fleissig
erneuert. Andere antiseptische Flüssigkeiten, namentlich solche
aus Metallsalzen, wie Sublimatlösung, sind weniger zu empfehlen,
da grössere Schmerzen durch sie entstehen, zum Theil weil
Pyrogallussäurereste auf die Metallsalze einwirken und reizende
Verbindungen eingehen. Meist ist unter diesen Umschlägen
wieder in 4 bis 5 Tagen die Wunde rein. Nun wird abermals
4 Tage lang mit Pyrogallusvaseline verbunden. Alsdann ist das
Resultat dieser zweiten, resp. dritten Aetzung ein geringeres
als vordem. Dementsprechend sind auch die Schmerzen geringer
und erstrecken sich voi'wiegend auf den Rand der Wunde.
Ebenso braucht die Reinigung der Wunde unter Borwasserum-
schlägen nach dieser zweiten Pyrogallusapplication weniger Zeit
In zwei, höchstens drei Tagen ist das Terrain wieder blank. Nunmehr
folgt die dritte und letzte Pyrogallussäureätzung, welche nur
3 Tage anzudauern braucht. Dieselbe hinterlässt einen noch
geringeren Effect. Oft kann man wahrnehmen, dass unter diesem
letzten Pyrogallussalbenverbande die Wundfläche kleiner ge-
worden, in ihren Untiefen merklich ausgeglichen ist, ja dass
an einzelnen Stellen unter diesen Aetzsalbenverbänden eine
zarte Narbenbildung sich einleitet.
Borwasser-Umschläge erzielen jetztin wenigen Tagen eine sehr
gesund und glatt aussehende Wunde. Unter Emplastrum Hydrar-
gyri oder Jodoformpulver und Borsalbenlintverband vollzieht sich
die Schliessung des Defects verhältnissmässig rasch, so dass
durch das langwierige Verfahren im Ganzen doch nicht soviel
Zeit geopfert wird, als man geneigt sein wird a priori anzu-
nehmen. In 2V2 bis 3 Monaten ist ein ausgedehnter Lupusherd
vernarbt. Die Narben sind glatt und weich, alte Narbenstränge,
die vorher hässlich vorsprangen, wesentlich weniger auffallend.
Namentlich bei Anwendung des früher (Münchener med. Wochschr.
1888, Nr. 45 und 46) von mir empfohlenen Quecksilber-Pflaster-
Collodium-Druck-Verbands erscheint der kosmetische Erfolg
sehr zufriedenstellend.
Die Zahl der ohne Recidiv Gebliebenen ist nach dieser The-
rapie, die sich im Laufe der Zeit vollständig empirisch bei mir ent-
wickelt hat, grösser als nach irgend einem anderen mir bekann-
Znr Behandlung des Lupus vulgaris. 103
ten Verfahren. Es lag mir selbstyerständlich daran, eine mög-
lichst richtige Erklärung dieser Wirkungsweise zu erhalten.
Wenn man nach Lupus-Excisionen grosse Mikrotomquer-
schnitte sich anfertigt, die gute Uebersichtsbilder unter dem
Mikroskop ergeben, namentlich auch die gesunde Randzone weit
genug überblicken lassen, so kann man fiir das operative Vor-
gehen beim Lupus aus dem mikroskopischen Bilde wichtige
Fingerzeige erhalten.
Es fällt da besonders auf, dass die jüngsten Lupusherde,
wie sie als winzige runde Infiltrate an einer Gefässgabelung
aufsitzen, oder als wenige Lagen von Rundzellen und kleinen
Plasmazellen ein längsziehendes Gefäss begleiten, erstens
recht weit — Va — ^4 Ctm. — vom eigentlichen Krankheits-
herd abseits liegen, zweitens dass sie, je mehr sie vom Lupus-
herd sich entfernen, in um so grösserer Tiefe überdeckt
von ganz normaler Epidermis und Corium angetroffen werden,
und dass sie drittens so klein sind, dass sie ganz abgesehen
von ihrer verdeckten und versprengten Lagerung makroskopisch
überhaupt nicht wahrgenommen werden können. Hieraus folgt,
dass weder die mannigfachsten scharfen Löffel, noch auch die
Brenner des Paquelin'schen Apparates und Galvanokauters die
kleinsten Tuberkelanlagen im Gewebe alle auffinden können,
sondern dass selbst Aetzmittel, welche wie die Pyrogallussäure
elektiv das Lupusgewebe zerstören, ohne weiteres die im Ge-
sunden 80 zerstreut liegenden Lupusherde nicht alle werden
erreichen können. Die versteckten Lupusnester müssen erst der
Behandlung erschlossen werden, und hierzu dient die Scarifi-
cirung mit nachfolgender Aetzung. Chlorzink ist deshalb so
günstig, weil es Blut nicht zur Gerinnung bringt. Aber eine
einmalige chemische Einwirkung selbst so starker Substanzen
wie gesättigte Chlorzinklösung genügt, wie der Erfolg zeigte
durchaus nicht. ') Dies dürfte damit zu erklären sein, dass die
Dauersporen des Tuberkelbacillus im menschlichen Körper be-
züglich im lebenden lupösen Gewebe sich stellenweise unter
Bedingungen befinden, welche sie vor unserer Mitteln schützen.
*) Zu meiner Freude sehe ich während der Correctur in einem Aul-
satze von Dr. Veiel (Deutsche med. Wochenschr. 1893, Nr. 93) ein ähn-
liches Verfahren vorgeschlagen.
X04 Schütz.
Erst bei mehrfach wiederholten längeren chemischen Einwir-
kungen bleiben die Becidive aus. Ungezwungen kommt man zu
der Annahme, dass eine Art Sterilisation durch die wiederholte
Anwendung der chemischen Mitteln stattfindet, indem alles, was
aus den resistenten Dauersporen auskeimt, sofort die Bedingungen
seines Todes antrifft, so dass nach und nach innerhalb der
dreimaligen Pyrogallussäureeinwirkung der Sporengehalt gleich 0
wird. Eine öftere Einwirkung von Chlorzink anzuwenden ist nicht
rathsam, da 1. die Schmerzen hierbei zu gross sind, 2. die
Aetzwirkung zu sehr in dip Tiefe gehen kann und 3. schwächere
eventuell anzuwendende Chlorzinklösungen weniger sicher wirken.
Bei der Chlorzinkpinselung gleich nach der Operation aber
werden die Schmerzen wirklich dadurch berechtigt, dass
1. sofort weithin eine vorzügliche Desinfection stattfindet,
2. durch die Aetzwirkung die ganze Wundfläche inclusive
des gestichelten Randes der ferneren Behandlung sehr rasch
und gleichmässig zugänglich gemacht wird und
3. dass der Hauptschmerz noch in die Narkose fallt.
Hiernach wird es auch erklärlich, dass ich seit längerer
Zeit die Anwendung der Glühhitze zur Zerstörung des Lupus
soviel als möglich vermeide. Wie schon erwähnt, sind die klein-
sten Herde des Lupus unsichtbar und — im resistenten gesunden
Gewebe eingebettet — auch nicht fühlbar, also mit dem Brenner
nicht zu erreichen. Dagegen verlegt die beim Brennen eintre-
tende Eiweissgerinnung geradezu die Wege für unsere chemisch
einwirkende Substanzen. Von der oft hervorgehobenen „anre-
genden" Wirkung der älteren Autoren durch das cauterium
actuale habe ich bei Lupus nie einen anderen Effect erzielen
sehen, als dass mehr zerstört wurde als nöthig war, und dass die
Narbenbildung durch excessive Ausschreitung oft hässlich wurde.
Also weg mit allen Brennern bei der Lupus-Behandlung der
äusseren Hautdecke! Bei Schleimhautlupus an schwer zugäng-
lichen Stellen, die starke, schwer zu stillende Blutungen veran-
lassen werden, mag die Glühhitze nach wie vor unentbehrlich
sein, obgleich auch hier, z. B. am Zahnfleisch, am Rachen, der
Uvula Pinselungen mit 20 — 30% wässriger Chlorzinklösung oft
und in dreitägigen Zwischenräumen vorgenommen Besseres leisten
und auch bequemer erscheinen.
Zur Behandlung des Lupus vulgaris. 105
Gegen das blutige Verfahren und zu Gunsten der Kanter
ist bekanntlich mehrfach das möglicherweise erfolgende Auf-
treten von acuter Miliartuberculose ins Feld geführt worden.
Das Vorkommen selbst ist unbestreitbar; denn es liegen ein-
zelne Aufzeichnungen in der Literatur vor, auch habe ich selbst,
wenn auch glücklicherweise nicht in der eigenen Clientel, einen
solchen bösen Ausgang mit beobachtet
Indessen ein so exorbitant seltenes Unglück kann nicht
bedingen auf alle Vortheile einer Therapie zu verzichten, bei
welcher Gefässe eröflfnet werden. Mit gleich strenger Consequenz
dürfte man keinen Menschen mehr chloroformiren, keinen tu-
berculösen Abscess mit Jodoform mehr behandeln^ weil Chloro-
formtod und Jodoformintoxication in seltenen Fällen eingetreten
sind. Wer lange Zeit rastlos bemüht war, in mikroskopischen
Schnitten Tuberkelbacillen aufzufinden, wird zugestehen, dass
bei dem äusserst spärlichen Vorkommen der Tuberkelbacillen
im Lupus-Gewebe ein sehr grosser Zufall dazu gehört, wenn
Bacillen durch eine kurze Operation flott werden und dann in
venöse Bahnen gelangen und gerade Miliartuberculose anfachen.
Streng genonmien müsste dann nicht nur die Stichelung, son-
dern auch die Auslöffelung etc. perhorrescirt werden und Lupus
ein chirurgisches Noli me tangere abgeben.
Bei jeder Lupusbehandlung, wie sie auch stattfinden mag,
werden bis jetzt Fälle beobachtet, die nicht ohne Recidiv bleiben,
trotz aller Sorgfalt und Mühe, die man auf Operation und Be-
handlung verwandt hatte. Es liegt dies in der Natur der Sache,
und gerade jenen anatomischen Verhältnissen, welche wir vorher
zur Begründung unseres eingreifenden Verfahrens einer kurzen
Betrachtung unterzogen. Auch bezügl. des T hier seh 'sehen
Verfahrens finden sich in den verschiedenen Berichten B-ecidive
erwähnt, und uns erscheint für die Verhütung der Recidive es
als ein Nachtheil der Transplantationen, dass sie oft nur stück-
weise und nicht auf einmal sich ausführen lassen. Der stolze
Hinweis, dass man nach und nach die ganze Gesichtshaut durch
Oberschenkelhaut ersetzen könne, vermag uns das nicht ganz
auszureden. Wie überall, so schreitet auch beim Lupus das
Unglück schnell, und es handelt sich um die Möglichkeit, jeder-
zeit in der Lage zu sein, rasch demselben Einhalt zu thun.
106 Schütz.
Bei unserem Verfahi'en waren u. A. mehrfach Recidive
aufgetreten, die nur in 1, 2 frischen Knötchen bestanden. Ohne
Narkose gelingt es dieselben und ihre Umgebung gründlich zu
sticheln und die gestichelten Stellen nach vollkommener Blut-
stillung mit Chiorzinklösung zu ätzen. Es ist ein grosser Vor-
zug, dem Patienten so helfen zu können. Allerdings wird dies
ohne Erneuerung des beschriebenen längeren Verfahrens nur
dann der Fall sein, wenn die Patienten sich oft und früh genug
zur Controle vorstellen. Wie überall in der Medicin, so ist es
auch beim Lupus eine Hauptsache für den Arzt, nicht nur die
Krankheit, sondern auch deren Träger in seiner bestehenden
Eigenart zu studieren und zu beherrschen. Von Anfang an,
schon bei Erhebung der ersten Anamnese vor der Behandlung,
soll man dessen eingedenk sein und im Hinblick auf möglicher-
weise nöthige Recidivbehandlung während der ganzen Dauer
der ärztlichen Einwirkung die psychische Behandlung nicht
vergessen. Nur wenn der Patient die Tragweite der Operation
und des Krankheitsprocesses selbst kennt und im Arzt Wohl-
wollen und Sicherheit findet, wird er auch nach Abheilung
seines Lupus sich wieder zeigen und ev. früh genug zur Nach-
hilfe sich einstellen. Für den dauernden Erfolg der Heilung
halte ich dies für die wichtigste Seite der gesammten
Therapie.
Der verstockte Bauer, der blasirte Parvenü, die Welt
vergessende Verlobte, das unaufhörlich tändelnde Kind u. s. f.,
alle werden mit ihrer Umgebung das Recidiv ihres Lupus auf
andere Weise hinnehmen und darnach handeln.
Die, welche den Arzt am frühesten in den Himmel zu
erheben bereit sind, haben meist die nichtssagendsten Entschul-
digungen, warum gerade sie die Verordnung, sich frühzeitig
genug zur Recidivbehandlung einzustellen, nicht genau befolgen
konnten. Der im Menschen liegende Egoismus verlangt gleich-
laufende Interessen. Daher ist der deutliche Hinweis an den
Patienten sehr am Platz, dass der Lupusherd seitliche Ausläufer
treibe, so klein und so tief gelegen, dass sie mit dem mensch-
lichen Auge nicht zu sehen sind, die sofort zerstört werden
müssen, wenn sie grösser und bereits als rothe Pünktchen
sichtbar werden, damit nicht auch sie wieder weiter ranken
Znr Behandlung des Lupus Tulgsris. ]07
können , eine längere schmerzhafte Behandlung dann nötbig
machen, und so em grausames Spiel ohne Ende entstehe.
In der That dürften entsprechend die anatomischen wirk-
lichen Verhältnisse liegen, venu man sie einmal in einem all-
gemein verständlichen Bilde zu betrachten fiir gut finden will.
Schematisch gefasst erscheint die Gestaltung so, d^s die
ganze Wichtigkeit der operativen Eingriffe sich um die Zer-
störung der Lupusherde niedrigster Ordnung dreht (Siehe Fig.)
Erstreckt sich der Einfluss einer Operation A unglück-
hcherweise ziun Theü nur bis zu den Lupusknötchen zweiter
Ordnung, so kommt alles darauf an, möghchst früh die Knöt-
chen dritter Ordnung zu entdecken, sobald sie sichtbar werden,
um sie mit sanomt ihrer nächsten Umgebung durch kleinere
Operationen n x fi zu zerstören.
Jedes längere Zuwarten ist gleichbedeutend mit einer
weiteren Ausbreitung des Lupus, mit einem Anwachsen der
kleinsten Herde zu Knötchen höherer Ordnung, mit einer Aus-
saat von Infiltraten an der Peripherie, deren Lage nieder un-
bekannt und zur Zeit unbeeinflussbar sein kann.
So kann es geschehen, dass bei nicht ständiger Controle
durch den Arzt, der Lupus trotz vieler energischer Zerstörungen
nie zur Abheilung gelangt, sondern im Gegentheil durch Narben-
108 Schütz.
untermischung immer schwieriger für die Einwirkung irgend
welcher Verfahren wird.
Endlich ist für die Behandlung von Wichtigkeit, das Ge-
sammtbefinden der Kranken möglichst günstig zu gestalten.
Je widerstandsfähiger die gesunden Gewebe sind, um so
weniger schnell wird der Krankheitsherd sich ausdehnen. Dies
bestätigt reichlich die alltägliche Erfahrung.
Wir sehen auf der einen Seite Lupusaffectionen, die 10
und 20 Jahre kaum sich ändern, während wir andererseits
Formen antreffen, deren rasche Wucherung oder unaufhaltsamer
Zerfall in kurzer Zeit arge Verwüstung anrichtet. Stets handelt
es sich bei letztgenannten um herabgekommene, schlecht er-
nährte Individuen. Wir treffen dies nicht nur am einzelnen
Kranken, sondern, wer Gelegenheit hat, Material geograpliisch
zu sichten, kann bemerken, dass gerade ärmliche Gegenden
mit mangelnder Industrie und schlechten Lebensmitteln relativ
häufig schwere, an Lepra erinnernde Formen von Lupus erzeugen.
Es ist daher für die dauernde Einschränkung und Be-
kämpfung des Lupus von grosser Tragweite, die Emähi'ung zu
fördern, Begleiterkrankungen namentlich tuberculöser oder scro-
phulöser Art sorgsam zu behandeln und so gut es sich im ge-
gebenen Falle ermöglichen lässt, die allgemeinen Lebensbedin-
gungen günstig zu gestalten, da hierdurch wie bereits andernorts
(1. c.) betont, auch kosmetisch das Resultat gewinnt.
Trägt man bezügl. etwa eintretender Recidive und für die
nöthige körperliche Festigkeit der Patienten in vorbenanntem
Sinne Sorge, so wird in einer grossen Zahl von Fällen unser
Verfahren nachhaltig gute Resultate ergeben.
Allerdings erfordert es, wie jedes complicirtere Vorgehen
eine nur durch Uebung zu gewinnende Vertrautheit. Namentlich
das bisher mancherseits mit einer gewissen Geringschätzung
betrachtete Sticheln des ki*anken Gebiets und seiner Umgegend
erfordert grosse Aufmerksamkeit, Schnelligkeit, geschickt nach-
rückende Compression und auch chirurgischen Muth, wenn es
ganz und ausgiebig gelingen soll.
Möge das Verfahren denen, die es nachprüfen, dieselbe
Freude und Befriedigung verschaffen, die ich bei Anwendung
desselben durchweg gehabt habe.
BericM itter die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
Verhandlungen der Versammlung deutscher Natur
forscher und Aerzte in Nürnberg. 1893,
Bericht von Dr. J. Epstein in Nürnberg.
Abtheilung XXIt für Dermatologie und Syphilis.
1. Sitzung. 11. September 1893.
Oberarzt Dr. Beckh (Nürnberg) eröffnet die constituirende Sitzung mit
herzlicher Begrüssung der Anwesenden. Nach Erledigung geschäftlicher
Angelegenheiten folgt als 1. Vortrag:
Kolimann (Leipzig): Seruminjectionen gegen Syphilis.
K. hat Hammelblutserum injicirt bei 18 Syphilitischen, von denen
8 bereits specifisch vorbehandelt, 10 noch unbehandelt waren. Die ver-
brauchten Serumquantitaten betrugen stets mehr als die Maxima Tom-
masoli's (noch unter 90 Gem.), nämlich zwischen 91,5 und 165 Gem.
Bei beiden oben erwähnten Kategorien nun haben selbst diese hohen Dosen
nie eine heilende Wirkung ausgeübt. £s traten sogar in einzelnen Fällen
während der Injectionen oder ganz kurz nachher frische luetische Erschei-
nungen aui.
Die Injectionen verliefen local fast stets ohne jede Reaction. In
mehreren Fällen aber zeigte sich in den ersten Tagen nach der Injection
ausgebreitete Quaddelbildung.
Discussion :
Behrend (Berlin) bringt die Urticaria nach den Seruminjectionen in
Parallele mit der nach der Yaccination auftretenden. Die Yaccinationsaus-
schläge zeigen sich entweder in den ersten drei Tagen nach der Yaccination
oder in den ersten drei Tagen nach Beginn der Suppuration. Sie sind nicht
auf eine specifische Wirkung der Yaccine zurückzufuhren, sondern es wirkt
diese resp. die aus dem Pustelinhalte resorbirten Substanzen nur als fremder
Stoff innerhalb der Girculation ganz analog dem Einfluss der Arzneien in
Bezug auf Entstehung der Arzneiausschläge.
KSbner (Berlin) erinnert daran, dass bei den früher öfter bei Phthisis
pulmonum ausgeführten Hammelbluttransfusion fast regelmässig am 2. Tage
Urticaria ausbrach, gewöhnlich begleitet von Hämoglobinurie und fragt an,
ob Yortr. auch die letztere auftreten sah.
Pick (Prag) bemerkt gegenüber Köbner, dass eine directe Blut-
transfusion und eine subcutane Injection von Serum doch etwas ganz
112 Verhandlungen
Verschiedenes sind. Auch er kann bestätigen, dass nach Injection von
Blutserum, die er allerdings nur bei Gesunden ausgeführt hat, niemals
örtlich ähnliche Erscheinungen auftreten, wie sie Tommas oli geschildert
hat; der Verlauf war stets ein glatter.
Koilmann. Bei 2 Patienten zeigte sich während der Injectionsbehand»
lung hie und da Albumen im Harn; doch Hess sich nicht entscheiden, ob
in Folge der Injectionen oder der Lues. Blutigen Harn hat K, niemals
bemerkt.
2. Sitzung. 12. September 1893.
Ä, Gemeinsame Sitzung der Abtheilungen für Dermatologie und
für Hygiene.
1. „Ueber Vorbauung der Syphilis, mit Berücksichti-
gung der Frage: Ist die öffentliche oder die geheime Pro-
stitution die Hauptquelle für die Verbreitung der Syphilis
und der anderen venerischen Krankheiten.^
Referent Lang (Wien). Die Ausfahrungen des Referenten, die dem
umfangreichen Thema in umfassendster Weise gerecht wurden, gipfelten
in den folgenden Thesen:
I. Trotz anerkannter Schwierigkeiten, welche sich den prophylaktischen
Massnahmen entgegenstellen, sind die Behörden verpflichtet, der Weiterver-
breitung der venerischen Krankheiten nach Möglichkeit entgegen zu treten.
II. Für Arme und Minderbemittelte ist unentgeltliche Behandlung
und kostenfreier Bezug von Medicamenten sei es in der Behausung, sei
es in Ambulatorien oder Krankenanstalten anzustreben.
III. Venerisch-Kranke müssen über ihren Wunsch bedingungslose
Aufnahme in öffentlichen Heilanstalten finden.
IV. £s sind demnach die bestehenden Abtheilungen für Venerisch-
Kranke zu erweitem, bezw. neue Abtheilungen zu creiren.
V. Für Venerisch-Kranke aus der Beamtenwelt und dem Mittelstande
sind in den Krankenhäusern passende Zahlabtheilungen zu errichten, bezw«
die bestehenden zu erweitem und allgemein zugänglich zu machen.
VI. Errichtung von Krankenanstalten mit ausschliesslicher Bestim-
mung für Venerisch-Kranke sind nicht zu empfehlen.
VII. Venerisch-Kranke dürfen keine Zurücksetzung in ihrer Stellung,
noch eine materielle Schädigung bei Vereinen etc erfahren.
VIII. Verbreitung einer gemeinverständlichen Darstellung über die
gesammte Hygiene, welche auch über die Gefahren der Infection mit
venerischen Krankheiten belehren soll, ist empfehlenswerth.
IX. Die Gewerbebehörden haben im Vereine mit ärztlichen Func-
tionären auf Verhütung von Syphilisinfectionen bei gewissen Berufsarten
hinzuarbeiten.
X. Das Ammenverhältniss ist sanitätsbehördlich zu überwachen
und der Gesundheitszustand der Amme und ihrer Familie (zum mindesten
ihres Kindes), sowie des Säuglings und seiner Eltern den beiden interes-
sirenden Parteien bekannt zu geben.
d. Versamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 113
XT. Für die Verbreitung der yenerischen Krankheiten gibt die sog.
geheime Prostitution wegen Unmöglichkeit einer sanitären Gontrole die
gefährlichste Quelle ab.
XII. Nicht registrirte Prostituirte, die nachweislich venerische In-
fectionen beigebracht, sind einer obligatorischen Behandlung im Sinne
der Thesen XVI und XVII zuzuführen.
XIII. Mäuner, von denen nachweislich venerische Infectionen aus-
gingen, sind zu verhalten, ihre Krankheit regelrecht behandeln zu lassen
und überdies gerichtlich zu verfolgen, wenn sie sich ihrer Krankheit be-
wusst waren.
XIV. Die sanitäre Gontrole ist nur bei behördlich registrirten Pro-
stituirten möglich.
XV. Oertliche Verhältnisse sollen dafür bestimmend sein, ob für
die registrirte Prostitution die Greirung geschlossener Etablissements zu
gestatten ist.
XVI. Prostituirte, die venerisch-krank befunden wurden, sind sofort
in eine öffentliche Heilanstalt abzugeben.
XVII. Eine nothwendige Ergänzung der hygienischen Massnahmen
bilden unter Gontrole befindlicheEeconvalesceutenhäu8er,in welchen die aus
der öffentlichen Krankenanstalt als „geheilt ** entlassenen Puellae durch einige
Wochen oder Monate die Gonsolidirung ihrer Gesundheit abzuwarten haben.
Gorreferent Kopp (München) betont zunächst die Wichtigkeit der
polizeilichen Gontrole, die aber einen wesentlich ärztlich - hygienischen,
keinen moralisch-disciplinären Gharakter haben soll und die, wenn mit
ausreichenden Mitteln durchgeführt und durch eine ausreichende Behand-
lung der sistirten Prostituirten unterstützt, einen sehr beträchtlichen
Einüuss auf die Infectionsziffer ausübt. Ganz besondere Vurtheile für die
sanitätspolizeiliche Ueberwachung der gewerbsmässigen Prostitution bietet
natürlich deren Gonfinirung in öffentlichen Häusern, deren Bestand also
seitens der Polizeibehörden eher gefördert als unterdrückt werden sollte.
Die gewerbsmässige Geheimprostitution ist entschieden gefahrlicher als
die öffentliche Prostitution. Wenn auch statistisch das kaum festzustellen
möglich ist, so sind doch beweisend einmal die Erfahrungen, die man in
England mit der Gontagious diseases-Act, in Italien mit der jede Gontrole
aufhebenden Lex Grispi gemacht hat.
Kopp hat übrigens selbst eine Enquete über diese Frage unter
seinen Patienten angestellt. Unter 653 Befragten äusserten sich 480
günstig für die officielle Prostitution, 173 ungünstig. Sicher ist es Auf-
gabe einer rationellen Sanitätspolizei, diu heimliche Prostitution möglichst
zu unterdrücken resp. die in Frage kommenden Frauenzimmer der offf-
cielien Gontrole zu unterstellen. Gewisse Formen „gelegentlicher Prosti-
tution^ entziehen sich natürlich, obwohl sie mitunter gefährlich genug
sind, polizeilicher Behandlung durchaus. Uebrigens kann man auch von
der besten polizeilich-ärztlichen Gontrole nicht verlangen, dass sie jede
Gefahr der Prostitution beseitigt, sondern nur, dass die krank befundenen
Prostituirten internirt und sachgemäss behandelt werden. — Kopp sieht
Archlr f. Dennatol. u. Syphll. Band XXVI. Q
X 1 4 Verhandlungen
in der durch polizeilich-ärztliche Massnahmen herbeizuführenden A
nirung der Prostitntion nicht das einzige Mittel zur Bekämpfung
venerischen Krankheiten, sondern weist zum Schiusa noch auf am
Massnahmen hin, die in gleicher Richtung günstig wirken können, '
Aufklärung der heranwachsenden und ins Leben hinaus tretenden Jng
über die Bedeutung der venerischen Krankheiten, Schaffung ausgieb
Gelegenheit zur, wo nöthig unentgeltlichen Behandlung dieser Krankhei
bessere sexuell - sanitäre Gontrole gewisser männlicher Bevölkeru:
schichten (Soldaten, Matrosen etc.), bessere Vorbildung der Aerzte e
Discussion : HOppe (Prag) verlangt auch für die Prophylaxe der y(
Krankheiten die Durchführung des allgemeinen Princips der Isolii
der frischen Fälle und deren rechtzeitiger Behandlung. Gerade in Deut
land ist das durch die grund verfehlten Bestimmungen des Krankencae
gesetzes unmöglich gcmacbt und es ist Pflicht der Aerzte, eine euts
chende Aenderung der Gesetzgebung herbeizuführen. Auch müsser
Krankenanstalten — nach dem Vorgehen von Berlin — in grosse
Umfang zur Behandlung venerisch Kranker herangezogen werden.
Spinola (Berlin) ist im Wesentlichen mit den meisten Thesen des
einverstanden. These XVII jedoch geht ihm entschieden zu weit.
Einrichtung solcher Reconvalescentenhäuser würde unerschwing
Kosten verursachen, die man den Gemeinden nicht zumuthen könne
Aub (München) schliesst sich durchaus dem Gorreferenten an in
Ansicht von der grösseren Gefährlichkeit der clandestinen Prostitutioi
hält es deshalb für einen Fehler, wenn die Behörden die Registrirun
sehr erschweren und eine Erhöhung der Ziffer der registrirten Prostitu
scheuen. Er wendet sich ebenfalls gegen die bekannte Bestimmung
Krankencassengesetzes und mit besonderem Nachdruck gegen den
Kuppeleiparagraphen des deutschen Reiuhsstrafgesetzbuchs, wclchei
zur Erschwerung der Registrirung und zur Verheimlichung der P
tution führt.
Pick (Prag). Die Ammenfrage sei von grösster Wichtigkeit, nur
er sich mit Langes Auffassung der Sache nicht einverstanden erkl
Man muss die Amme stets ebenso schützen wie den Säugling, und
es in keinem Falle gestatten, dass sie ein syphilitisch krankes Kind
selbst wenn die Amme sich damit einverstanden erklärt. Es ist das
Gewissenssache des Arztes, die Behörden haben gewöhnlich in erster
damit nichts zu thun. Die Amme kann die Gefahren niemals ermessen
Person von dem Bildungsgrade einer Amme kann die Tragweite
Erkrankung nicht einmal für sich selbst, geschweige denn für ihr
milie begreifen und man muss sie deshalb in jedem Falle von dem kr
Kinde fernhalten, statt ihr Cautelen anzurathen. Zu These XVII
bemerken, dass man doch die Syphilis und die übrigen vener
Krankheiten von einander trennen muss. Mit den letzteren werd<
schon fertig, der Syphilitiker wird aber nach vier Wochen niemal
heilt'' entlassen, er ist dann noch krank. Die Reconvalescentenbäuse
also eigentlich auch noch Krankenhäuser, es handelt sich bei der L
d. Yersamml. dentscfaer Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 115
Echen Forderung also nur um eine Verlängerung der Behandlangs-
dauer.
Behrend (Berlin) tritt dafür ein, dass die Erankencassen zwar gehalten
sein sollen, unentgeltliche Krankeuhausbehandlung ihren syphilitischen Mit-
gliedern zu gewähren, nicht dagegen Zahlung von Krankengeld bei ambu-
lanter Behandlung leisten sollten: Syphilitische gehörten bei ihrer An-
»teckungsfahigkeit nicht in die PolikÜDik, sondern ins Krankenhaus.
Betreffs der Reconval^centenhäuser schliesst sich B. den gegen dieselben
erhobenen Ausstellungen vollständig an und weist darauf hin, dass nach
den in Deutschland bestehenden Gesetzen die zwangsweise Unterbringung
in dieselben nicht statthaft sein würde.
Neuberger (Nürnberg) bedauert, dass immer nur von der Syphilis die
Rede sei, da seines Erachtens die Gonorrhoe mit ihren Folgezuständen auch
Dicht zu unterschätzen sei, ja sogar in gewisser Hinsicht die durch die Sy-
philis hervorgerufene Gefahr noch übertrifft. Die von Lang empfohlenen
Reconvalescentenhättser hält er gerade mit Rücksicht auf die Gonorrhoe für
sehr zweckentsprechend, da die schwere Heilbarkeit der weiblichen Go-
norrhoe einen längeren Krankenhausaufenthalt und weitere Observation
erheische.
Kdbner (Berlin) hat den Vorschlag, auf den Entlassungsscheinen Syphi-
litischer statt „geheilt** zu notiren „symptomfrei**, schon dem Kopenhagener
internationalen Gongress 1884 unterbreitet und erneuert denselben zur
allgemeinen Einführung. Die auf lange Zeit auszudehnenden Gontrol-
Untersuchungen entlassener Puellae wie auch die Behandlung leichterer
Rück^Ie lässt sich fast eben so gut wie in Reconvalescentenhäusem,
aber mit sehr grosser Ersparniss in gut ausgerüsteten Ambulatorien
weiterfuhren. Köbner hat bei einer grossen Anzahl seiner Patienten
die lufectionsquellen ermitteln und daraus ersehen können, dass die nicht
controlirte Prostitution einen ganz erheblichen Procentsatz von An-
steckungen liefert und dass gerade hier ungemein ausgedehnte und hoch-
entwickelte, weil lange unbeachtete Syphilisformen angetroffen werden.
Lang hebt in seinem Schlusswort noch einmal die Vortheile der
Errichtung von Reconvalescentenhäusem hervor. Er spricht sich wieder-
holt dahin aus, dass das Ammenverhältnies behördlich zu überwachen
sei, so lange uns kein Mittel zu Gebote steht zu verhindern, dass sich
eine Amme für ein hereditär-syphilitisches Kind engagiren lasse.
B. Sitzung der Section für Dermatologie.
2. Kollmann : Zur Diagnostik und Therapie der männ-
lichen Gonorrhoe.
Kollmann hebt die Wichtigkeit der endoskopischen Untersuchung
in ausführlicher Darstellung hervor. Er verkennt nicht die Bedeutung der
Gonococcen-Untersuehung. Aber einmal sei bei dieser ja nur ein positiver
Befund entscheidend, ein negativer Beweis noch nicht die wirkliche Hei-
lung, während die Endoskopie jede, auch die geringste krankhafte Ver-
116 Verhandlungen
änderung der Urethra wahrnehmen lasse. Dann aber sei einzig die em
skopische Untersuchung im Stande, eine genaue locale Diagnose i
gonorrhoischen Erkrankung zu stellen und so eine präcisere locale ai
bakterielle und chirurgische Therapie zu ermöglichen. K, wendet freil
die endoskopische Methode regelmässig nur bei den chronischen i
«ubacuten Entzündungen der Urethra anterior an, bei denen der Postei
dagegen nur, wenn ganz besondere Indicationen vorliegen. Sonst bedi
er sich zur Entscheidung der Frage nach einer Urethritis posterior
von JadasBohn eingeführten Ausspülungsprobe, jedoch mit etwas i
änderter Technik. (Ausspritzen mit ca. 100 Gr. fassender Spritze, bis
Spülwasser klar abläuft, ganz geringer Druck, Orificium nicht zuhält«
Ohne über eine genaue statistische Zusammenstellung zu verfüj
kann er doch das eine behaupten, dass in der bei Weitem überwiegen
Anzahl der von ihm untersuchten Gonorrhoen die Secretion lediglich
der Pars anterior kam.
Die Behandlung der Urethritis richtet sich danach, ob Infilt
irgend welcher Art vorhanden sind oder nur reine Catarrhe der Uretli
drüsen. Im ersteren Falle Oberländer^sche Dilatationen abwechselnd
Irrigationen (Borsäure, Argentum nitricum), im letzteren wird die
krankte Drüse direct behandelt, mit Einspritzungen, mit dem Mei
Galvanocauter oder Elektrolyse. K. erwähnt dann noch eingehend
intraurethrale galvanische und faradische Behandlung, die er bei sexui
Neurasthenie, Prostatorrhoe, Spermatorrhoe vielfach anwendet. Er
nur schwächere Ströme zu wählen; beim galvanischen Strom in der K
nicht über 5 M.-A.
Der Vortrag wurde instructiv erläutert durch Vorzeigung des 0 1
1 an der'schen endoskopischen Apparates und diverser Instrumente (säii
lieh von Heynemann — Leipzig) und von Photogrammen der üret]
Schleimhaut, die K. beim Lichte des Oberlän der'schen Apparates
genommen hat.
Discüssion : Galewsky (Dresden) ist völlig der Ansicht K o 1 1 m a i
dass jede Behandlungsmethode anzuwenden ist. Mit der Dilatatiouämct
hat er freilich nicht die günstigen Erfolge gehabt wie K. Die Am
lungen der U. a. zu diagnostischen Zwecken haben sowohl Jadass
wie G. selbst auch mit grösseren Injectionsspritzen vorgenommen, ii
stets die früheren Resultate erhalten.
Kollmann will nicht entscheiden, ob die Differenz seiner uik
Jadass oh n'schen Resultate nur Folge der veränderten Technik ist,
statirt nur diese Differenz.
Lang. Die bisher üblichen Urethroskope mit künstlicher Beb
tung sind alle mit einem zu schweren Griff verbunden. L. hat d
einen elektrischen Beleuchtungstrichter für das Urethroskop angeg
der wegen seiner Leichtigkeit mit Daumen und Zeigefinger di:
werden kann.
3. GdrI. Casuistische Mittheilungen zur elektrolytischen Bebain
von Stricturen der Harnröhre.
d. Versamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 117
G. benützt zur Elektrolyse von Stricturen eine Leclanche-Batterie
Ton 10 Elementen und arbeitet mit Strömen von 15 — 18 M.-A. Die Le-
fort'schen Elektroden benützt er nicht mehr, da sie am Ansatz der
Beugte filiforme leicht abbrechen. Seine Elektrode besteht aus einem iso-
lirten Metallstab, an dem vom eine Kugel excentrisch aufsitzt. Dieselbe
ist durchbohrt, um ein Leitbougie (Charr. Nr. 6) in sich aufzunehmen.
Für Fälle, wo wegen engen Orificiums die Kugelelektrode nicht
eingeführt werden kann, hat G. eine andere Elektrode construirt, bei der
ein dicker Platindraht die Strictur von hinten nach vom elektrolytisch
duTchtrennt. Die Dauer der Sitzung ist nach Art, Sitz, Ausdehnung
der Strictur verschieden. Am hartnäckigsten sind Stricturen, die durch
Verletzungen entstanden sind. Die elektrolytisch gelöste Strictur besitzt
nur geringe Reizung zu einem Recidiv. Es tritt eben, wie endoskopisch
nachzuweisen, an die Stelle der alten, stark reticulirten Narbe eine ganz
zarte und leicht dehnbare. Vom 4. — 5. Tage nach der Elektrolyse an
wird für 4 Wochen in viertägigen Zwischenräumen bougirt und vom
Tage der Operation an eine Borsäurebleiwassermischung injicirt.
Discussion: Lang arbeitet jetzt meist nur mit schwachen Strömen,
2—5 M.-A. und kommt fast stets damit aus. Die Görl'sche Kugelelek-
trode findet er nicht so zweckmässig; die vom dünne Olivenelektrode ge-
stattet ein viel leichteres Vordringen in der Strictur.
4. Kopp: Die Prognose der chronischen Gonorrhoe un'd
die Criterien ihrer Heilung.
Die sehr bemerkenswerthe Arbeit Kopp ^s stützt sich auf fünf genau
beobachtete Fälle chronischer Gonorrhoe, in denen nach länger durchge-
führter Behandlung auf Grund zahlreicher (resp. 16, 24, 15, 18, 22) ne-
gativ ausgefallener Untersuchungen auf Gonococcen Heilung angenommen
worden war. Gleichwohl aber trat in allen 5 Fällen nach mehr oder
minder langer Zeit Recidiv mit gonococcenhaltigem Secret ein , in 3
Fällen kam es zur Ansteckung der Frau resp. Geliebten. Eine frische In-
fection glaubt K. in diesen Fällen sicher ausschliessen zu können. K.
fasst das Resultat seiner Beobachtungen in folgenden Thesen zusammen:
1. Eine absolut günstige Prognose der chronischen Gonorrhoe ist
nicht zu stellen. Manche Fälle erweisen sich als gegen jede Behandlung
refractär und bleiben für lange Zeit oder auch dauernd ungeheilt.
2. Eine sehr beträchtliche Zahl der geeignet behandelten Fälle von
chronischer Gonorrhoe werden dauernd geheilt. Meist ist dazu eine in-
Btrumentelle Behandlung und von den chemisch wirkenden Mitteln das
Argent. nitricum in erster Linie zu empfehlen.
3. Auch wenn gar kein Ausfluss aus der Harnröhre mehr vorhan-
den und alle Symptome subjectiver Art beseitigt sind, ist man in keiner
Weise berechtigt, die chronische Gonorrhoe für definitiv geheilt zu
erklaren. Es erscheint speciell, wenn die Frage der Eheschliessung
vorliegt, unbedingt nöthig, eine fortlaufende Untersuchungsreihe der aus
dem Harn erhaltenen Fadenbildungen oder eventuell gelegentlich auf-
tretenden Secretes vorzunehmen, und ist auch eine solche mit constant
213 Verhandlungen
negativem Befände vorgenommene Untersuchung nur von relativem Wert
Allerdings ist der Werth solcher Befunde um so grösser, je öfter *
Untersuchung vorgenommen wurde.
4. Der Werth der Gonococcenuntersuchungen kann noch gest
gfrt werden, wenn nach einer künstlichen Reizung der Haroröhr*
Schleimhaut £iterung hervorgerufen, und dieser Eiter als gonococcenf
befunden wird.
5. Dem probeweise mit Vorsieh tsmassnahmen ausgeübten Goi
kann, auch wenn jede Reaction ausbleibt, ein entscheidender Werth
die Beurtheilung einer definitiven Heilung einer Urethritis gouorrho
nicht zugesprochen werden.
6. Unter allen Umständen aber ist, bei Entscheidung der Fra
ob die Ehe erlaubt oder nicht, der Arzt zur grössten Vorsicht verpflich
und ist nach meiner Erfahrung die Prognose auch nach Berücksichtig)
der obigen Cautelen nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu stell
eine absolut verbindliche Aussprache in diesem Sinne aber seitens
Arztes besser abzulehnen.
7. Da man mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuthen darf, (
restirende localisirte virulente Herde im Schleimhautgewebe gelegent
den Ausgangspunkt des Wiederauflebens lange Zeit latenter Gonorrhc
abgeben, „und da insbesondere die Drüsen, Lakunen und Grypten
Bulbus und in der Pars prostatica diesbezüglich suspect sind, wird i
leicht mit weiterer Ausbildung der endoskopischen Methoden der Un
suchung und Behandlung die Möglichkeit eines gesicherteren Urtl
gegeben sein, und erscheinen mir weitere Versuche in genannter Rieht
wünschenswerth."
Discussion: Kfibner dankt Kopp für die ruckhaltlose Mitthei!
seiner Befunde und dessen Zustimmung zu den in Berlin herrschei
Ansichten. Schon Bröse habe den Werth der Entscheidung di
die Abwesenheit der Coccen derart in Zweifel gezogen, dass er sogar ii
tremer Weise diese ganze mikroskopische Untersuchung, als im Fall des Z
fels praktisch werthlos, nicht mehr vorzunehmen erklärt hat. Auch aus
Untersuchungen Kopp's ginge die Unzulässigkeit des Schlusses, auf G
noch so häufiger negativer mikroskopischer Untersuchungen Heilung
den Eheconsens auszusprechen, deutlich hervor. — Ferner schlägt Kö b
die Ersetzung der ganz antiquirten Bezeichnung „Gonorrhoe" d
„Blennorrhagie'^ für die acuten und „Blennorrhoe** für die chronis
Formen und demgemäas des Wortes „Gonococcus*' durch „Blennococcuä''
Pick (Prag) stimmt der Ausführung Köbner's über die Bezeich
„Blennorrhoe^ zu, die in seiner Klinik die einzig verwendete sei.
gegen müsste man die Benennung der Coccen dem Entdecker derse
Neisser, ganz allein überlassen. Was die ferneren Aasführ i
Kö b n e r's betrifit, su hat derselbe mehr aus K o p p^s Mittheilungen he
gelesen, als dieser wollte. Kopp war früher Optimist und ist Pessim
Bezug auf die Prognose der Gonorrhoe geworden; die Schlüsse Köb
in Bezug auf die Verlässlichkeit der Untersuchung auf Gonococcen j
d. Yersamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. HQ
aber zu weit, da er die Bedeutung derselben yollkommen leugnet. Wer die
Gonococcen als die pathogenen Erreger der Gonorrhoe anerkennt, darf
auch auf die Untersuchung derselben nicht verzichten, ebensowenig, wie
man die Untersuchung auf Tuberkelbacillen bei Tuberkulose unterlassen
wird, weil sie häufig negative Kesultate liefert.
Kopp ist mit dem von Prof. Pick Gesagten vollkommen einver-
standen und verwahrt sich entschieden dagegen, dass seine Arbeit als
eine Bestätigung der Arbeiten Bröse's aufgefasst werde, gegen die er
sich durchaus ablehnend verhalte. Er halte nur nach seinen jetzigen Er-
fahrungen die Prognose der Gonorrhoe für weniger günstig und die Go-
nococcenuntersuchung nicht für absolut ausschlaggebend.
3. Sitzung. Dienstag, den 12. Septemoer 1893. Nachm. 3 Uhr.
Gemeinsame Sitzung der Abtheilangen für Dermatologie und
Laryngologie.
1. y,Die Syphilis der oberen Luftwege."
Referent Seifert (Würzburg) behandelt die klinische Seite der Frage,
während der Gorreferent (Jarasz) die Besprechung der Trachealsyphilis
und der Therapie übernommen hat.
Die Nase und ihre Höhlen wird ziemlich häufig von Syphilis
ergriffen, selten freilich von primärer. S. hat 27 Fälle von Schanker der
Nase aus der Literatur zusammenstellen können: meist sass derselbe am
Nasenflügel, einige Male im Naseninnem, am seltensten am Septum.
Die Drüsensohwellung betrifft dabei die entsprechende Submaxillardrüse
und die am Ohr gelegene Lymphdrüse.
Weit häufiger finden sich die Frühformen der constitutionellenSyphilis.
Der luetische Catarrh wird freilich oft übersehen und unterscheidet sich
nur wenig von dem einfachen acuten Nasencatarrh. Zur Unterscheidung
kann dienen, dass er nicht so stürmisch einsetzt wie dieser, dass hie
und da, besonders an der Septumfiäche, erythematöse Flecke auftreten,
auf denen sich manchmal Papeln entwickeln, dass es bei reichlicher
eitriger Secretion leicht zur Zersetzung des Secretes kommt.
Das papulöse Exanthem scheint die Nase selten zu befallen oder
wird häufig übersehen S. hat bei seinem ziemlich reichlichen Material
nie wohlausgebildete Condylome im Innern der Nase gesehen, wohl dagegen
Plaques an den Naseneingängen und zwar meist in Fällen, bei denen das
äussere Integnment der Nase von einem acneartigen Syphilid befallen war.
Am häufigsten kommen an der Nase vor und am besten bekannt
sind die Spätformen. Ihre grösste Häufigkeit fällt in das erste bis dritte
Jahr nach der Infection. Schon an der Aussenwand und besonders an der
Innenseite der Nasenflügel sind sie nicht zu selten, und S. hat selbst
mehrere solche Fälle beobachtet. Sie haben manchmal grosse Aehnlichkeit
mit Lupus oder mit Epitheliom, so dass erst der Verlauf unter einer
specifischen Cur die Diagnose sichert. Auch Mischformen von Syphilis und
Tuberculose sowie Lupus, von Lopra und Syphilis kommen vor, ferner
Carcinombildung auf syphilitischen Geschwüren resp. Narben. — Die
120 Verhandlungen
irummöse Erkrankung im Innern der Nase fuhrt in der Begel zum Zerfall
Es kommt fast immer zur Knochen oder Knorpelnekrose ; oft greift de
Process auf die Nachbarschaft über. Muscheln und Septum oBseur
erkranken nahezu gleich häufig, etwas häufiger wohl noch das Septun
Die am öftersten beobachtete Entstellung ist die sog. Sattelnase. Doc
ist diese nicht stets auf Lues zurückzuführen, sondern wird zuweile
beobachtet nach Phlegmonen des Zellgewebes des Nasenrückens sowi
nach in den ersten Lebensjahren sich entwickelnder Rhinitis atroph, foetid:
Geschwüre des Nasenseptuma besitzen meist eine longitudinale Fern
präsentiren sich als Furchen. Dadurch imter»cheiden sie sich von de
tubercnlösen Geschwüren, die von rundlicher oder anregelmässiger For
sind. Ausserdem kommt für die Differentialdiagnose natürlich noch i
Betracht die histologische Untersuchung herausgekratzter Partien.
Im Nasenrachenraum wird der Primäreffect nur sehr seltc
beobachtet, bisher nur m 14 Fällen, und zwar war die Infectiou ste
durch einen Tnbencatheter vermittelt worden. Die Frühformen d
constitutionellen Syphilis kommen im Nasenrachenraum häufig genug vc
werden aber ebenso häufig übersehen. Ausser dem — seltenen — Erythe
kommen ulcerirte Papeln vor, theils mit theils ohne solche in Nase ui
in der Mundrachenhöhle. Die pharyngo -nasalen Gummen treten meist
der Zeit von 8 — 15 Jahren post infectionem auf; sie finden sich auch l
der hereditären Syphilis und zwar auch bei der tardiven Form. Prädilectioz
sitz für die Spätformen sind weicher Gaumen, Plica salpingo-pharyngi
hintere Rachen wand, seltener sind sie am Septum und Nasendach u
in der Umgebung der Tubenmündungen. Meist kommen erst die vor^
Bohrittenen Stadien zu klinischer Beobachtung. Difierentialdiagnostu
ist wohl nur die Tuberculose in Betracht zu ziehen. Doch greifen tub
culöse Geschwüre nie so sehr in die Tiefe und besitzen einen atoniscl:
Charakter, während die syphilitischen sich als tiefe, unförmliche, schmutz
Geschwüre präsentiren.
Der Rachen ist verhältnissmässig häufig der Sitz eines Prim
affectes. S. hat 179 Fälle zusammenstellen können, von denen 132
die Zeit vom 1. April 1888 bis 1. Juli 1893 treffen. Die Sklerose &
52mal auf der rechten, 23mal auf der lioken Tonsille, beide Tonsil
waren 12mal befallen, bei 62 Fällen findet sich nur die Tonsille, ol
nähere Bezeichnung, ob rechte oder links, als Sitz der Infection angegeb
in 24 Fällen die Fances, in zwei Fällen die hintere Rachenwand, in z
Fällen der weiche Gaumen, in zwei Fällen der Arcus palato-glossus.
Symptome: Unbehagen beim Schl..cken, mitunter Schmerz, der sich
Druck auf die Umgebung des Schankers steigert. Die Geschwüre
immer mit speckigem, graulich- braunem Belag, die Ränder der Geschw
uneben, hart, zickzackförmig, zuweilen als starke Ringe anzufühlen.
Submaxillar- und Maxillardrüsen angeschwollen und verhärtet. An^
syphilitica und Rachenpapeln werden, weil ja allgemein bekannt,
kurz gestreift. — Gummata entwickeln sich häufig an Tonsillen iwic
hinterer Rachenwand. Erstere sind dann geschwellt, uneben höcl
d. VerBamm]. deutscher Natarforscher u. Aerzte in Nürnberg. 121
es bilden sich tiefe kraterförmige Geschwüre, die weit um sich
greifen und narbige Stenosen des Pharynx bedingen können. An der
hinteren Rachenwand beobachtet man sowohl grössere Gnmmata, die zu
iörmlichen Tumoren anwachsen können, die schmerzlos sich entwickeln
oder Schwellungen an der seitlichen Rachenwand, die einfachen hyper-
trophischen Schwellungen sehr ähnlich sind. Differentialdiagnose gegen-
über Tuberculose und Lupus oft nur durch mikroskopische Untersuchung
oder ex juvantibus zu stellen.
Ueber die Häufigkeit der Eehlkopfsyphilis schwanken die
Daten sehr beträchtlich. Sie dürfte etwa 3 — 4% der vorkommenden Kehl-
kopfkrankheiten betragen. Die meisten Falle treffen auf das Alter
von 20 — iO Jahren, während sie im Kindesalter sehr selten ist. Primär-
»ffection ist im Larynx nicht beobachtet worden. Die verschiedenen
Formen, unter denen die Syphilis im Kehlkopf auftritt, sind nach laryngo-
logischer Eintheilung: Gatarrh, Papeln, Infiltrate, Gammata, Geschwüre,
Perichondritis und Narben.
Der syphilitische Gatarrh befallt seltener den ganzen Kehlkopf als
einzelne Theile desselben, insbesondere Kehldeckel und Stimmbänder
mit Röthung und leichter Anschwellung. Manchmal kommt es zu Ero-
sionen an der Epiglottis, an den Stimmbändern oder auf der Höhe der
Aryknorpel.
Die Papeln des Larynx sind auffallend selten; sie erscheinen als
bis über linsengrosse runde oder länglichrunde, wenig erhabene Flecken,
die grauweiss erscheinen, meist von einem schmalen hyperämischen Hofe
umgeben sind. Selten kommt es zur Geschwürsbildung.
Die Infiltration kommt an allen Stellen des Kehlkopfes vor. Bei
Localisation auf Kehldeckel und Seitenwände, auch bei der auf die Gegend
des Aryknorpel s können hochgradige Stenosen entstehen. Auch die
Infiltration der Stimmbänder bann schwere respinatorische Störungen
machen. Auch die Gummata können sich an den verschiedensten Stellen
des Kehlkopfes entwickeln. In einzelnen Fällen bilden sie sich zu form-
lichen Tumoren aus. Sie zeichnen sich ebenso wie die lufiitrate durch
ihre grosse Neigung zum Zerfall aus.
Die Geschwüre finden sich am häufigsten an der Epiglottis, aber
auch an allen anderen Stellen des Kehlkopfes. Sie zeigen infiltrirten Rand,
sind scharf ausgeschnitteo, der Grund belegt oder rothgrau granulirend;
in ihrer Umgebung zuweilen entzündliches Oedem. Die Zerstörungen, die
sie herbeifuhren, sind oft recht erheblicher Natur.
Die Differentialdiagnose zwischen tuberculösen, lupösen, typhösen
und carcinomatösen Geschwüren kann in der Regel nur durch den klinischen
Nachweis der Syphilis oder den Ausschluss anderer Grundkrankheiten
gestellt werden. Am schwierigsten ist die Unterscheidung zwischen tuber-
culösen und syphilitischen Geschwüren, zumal Gombinationen beider
Pk'ocesse im Kehlkopfe vorkommen.
Die Perichondritis kann primär entstehen, meist ist sie Folge der
n die Tiefe vordringenden Ulcerationen. Sie führt nicht nur durch sich
122 Verhandlungen
selbst grosse Gefahren herbei, sie kann auch durch entzündliche Reizung
und collaterales Oedem Laryngosienose bewirken.
Die durch die Narben hervorgerufenen Störungeu entsprechen
deren Sitz und Ausdehnung. Von besonderem Interesse sind jene Narben-
bilduDgen, welche iu Form von Membranen eine Stenose des Kehlkopfes
bedingen und dereu etwa IJO Fälle bekannt sind.
Correferent Jurasz (Heidelberg). Die Syphilis der Trachea ist bei
weitem nicht so häufig, wie die der Nase, des Rachens, des Kehlkopfs;
sie dürfte nur etwa 0.25 7o ^^^^^ Fälle von Syphilis der Halsorgane be-
tragen (Morell Mackenzie).
£in Primäraffect der Trachea ist natürlich nie beobachtet worden.
Von den Frühformen ist die häufigste der Catarrh; er trägt hier
ebensowenig wie der syphilitische Catarrh des Kehlkopfs etc. ein spe-
cifisches Gepräge an sich. Von Papeln der Trachea sind nur 5 Fälle bekannt.
Wichtiger sind die schweren, die Spätformen der Trachealsyphilis,
insbeeondere die häufigste, das diffuse Syphilom, eine ausgedehnte, meist
nur die unteren Abschnitte des Traobealrohrs einnehmende Flächeninfil-
tration mit reichlicher Gewebsneubilduug. Die Schleimhaut in grossem
Umfange verdickt, stellenweise hart und derb, mit Papillen, Knötchen,
Falten und Leisten besetzt. Selbstverständlich resultirt eine diffuse
Stenose des Tracheallumens. Beispiele des viel selteneren circumscripten
Syphiloms, des Trachealgumma, haben Zeissl und Mois sonnet be-
schrieben. Beide Formen, die diffuse wie die circumscripte, gehen in der
Regel in Ulceration über. Diese beginnt meist auf der Oberfläche; doch
kann der Gewebszerfall auch in der Tiefe seinen Anfang nehmen, zumal
an den Trachealknorpeln. Die Geschwüre können nicht nur die ganze
Trachealwand zerstören, sondern selbst in die benachbarten Organe ein-
dringen. Sofort letal enden natürlich die Fälle, bei denen es zur Ver-
letzung der grossen Blutgefässe (Arteria pulmonalis, Arcus aortae, Vena
Cava) gekommen ist. Häufig bleiben nach Abheilung der Geschwüre be-
trächtliche Stricturen zurück.
Die Diagnose bietet oft grosse Schwierigkeiten und ist mit Sicher-
heit nur auf Grund der Tracheoskopie zu stellen. Die Trachealsyphilis
kann, wenn im Anfangsstadium in Behandlung gekommen, vollständig aus-
heilen. Gewöhnlich gehen indess die Kranken bei lange andauernder Dyspnoe
an Entkräftung zu Grunde oder an einer intercurrenten Pneumonie.
Die Behandlung der syphilitischen Affectionen der oberen Luftwege
hat natürlich vor allem durch constitutionell wirkende, antidyskrasische
Mittel zu geschehen. Die Frage, ob daneben noch die locale Behandlung
nothwendig ist, wird von den Meisten bejaht. J. ist mit Türe k, Mond 1,
y o 1 1 o 1 1 n i der Ansicht, dass die Localtherapie im allgemeinen entbehrlich
ist. Nothwendig, ja die Hauptsache ist sie in der Behandlung der Ver-
wachsungen, Stenosen, Defecte, die nach den Abheilungen der Infllti*ate,
Geschwüre, der perichondritischen und periostitischen Prooesse und Ne-
crosen zurückgeblieben sind und die Functionen der Organe oft sehr stark
beeinträchtigen. Hier hat die rhinologisch- laryngologische Specialität
(1. Versamml. dentscher Natarforscher n. Aerzte in Nürnberg. 123
durch Ausbildung moderner Operationsmethoden sich unstreitig sehr be-
deutende Verdienste erworben. Instructive Krankengeschichten veran-
schaulichen diese Methoden. Doch bieten dieselben ein zu speciell laryn-
gologisches Interesse, so dass sich ein Referat über dieselben hier erübrigt.
Discussion: KÖbner demonstrirt mikroskopische Präparate von
einem condylomartigen kleinen Tumor der Trachea einer syphilitischen Frau.
Man sieht nächst der partiellen Necrose des Epithels eine dichte, die ganze
Mncosa und Submucosa bis auf den Knorpel durchsetzende Zelleninfiltration.
Schech (München) beobachtete 5 Fälle schwerer Trachealsyphilis,
speciell der Bifurcation. 3 Fälle verliefen letal, 2 endeten in Genesung. So
lange noch kein Zufall vorhanden ist, ist die Prognose gut, andernfalls
absolut schlecht. In dem zuletzt beobachteten Falle bestand eine nahezu
völlige Verwachsung des rechten Bronchus und eine Pericondritis und
Verengerung des linken Bronchus; die Afiection war 29 Jahre nach der
Infection aufgetreten.
Fischenich (Wiesbaden) betont J urasz gegenüber den grossen Vortheil
der gleichzeitigen localen Therapie. Die subjectiven Symptome verschwinden
dabei viel schneller. In einzelnen Fällen von ulcerirteu Plaques des Nasen-
rachenraumes, in denen das die Patienten am meisten belästigende Symptom
der hauptsächlich im Hinterkopf localisirte Kopfschmerz bildet, kann der-
selbe trotz energischer Schmiercur fortbestehen, während geeignete locale
Behandlung — Einblasung von Calomel — Cocain — ihn rasch beseitigt.
Barth. In Folge von Reizen scheinen bei latenter Syphilis leicht
frische Erkrankungen in den oberen Luftwegen einzutreten. B. hat drei
Fälle beobachtet, wo sich, in einem nach der Diphtherie au der hinteren
Hachenwand, in den beiden anderen nach Cauterisation der unteren
Xasenmuschel, direct syphilitische Ulcerationen anschlössen, die unter
Jodkali bald heilten.
Schuster ^.Aachen) befürwortet insbesondere für die ulcerativeu, zer-
störenden Formen der Nasenhöhlensyphilis sehr warm eine sorgfältige
örtliche Behandlung neben der allgemeinen.
2. Köbner. Unterstützung von Aetzwirkungen aui
Schleimhäuten durch Abänderungen physiologischer Se-
cretionen.
K hat bei Aetzungen der Mund- und anderseits der Harnröhren-
schleimhant mit Nutzen ein therapeutisches Princip erprobt, welches gewiss
allgemeinerer Auwendung fähig ist. Er hat in zweierlei Weise die Wirkungen
von Aetzmitteln aui Schleimhäute zu imterstützen gesucht: einmal
quantitativ durch Verminderung des Secrets, zweitens durch qua-
litative, chemische Veränderung des Secrets.
Wunden der Mundschleimhaut bei Leukoplakie, welche mit
Chrom säure oder Abrasio mucosae oder dem Thermokautei* behandelt
worden waren, heilten oft sehr schwer dadurch, dass reichliche Speichel-
secretion die gesetzten Schorfe hin wegschwemmte. Um für den Aetzschorf
eine längere Adhäsionsfähigkeit zu erzielen, liess K. 30 bis 40 Minuten
vor jeder Aetzung 20 Tropfen einer 2Voigen Lösung von Extractum
124 Verhandlungen
Belladonnae einnehmen und nach 2 — 3 Stunden wiederholen. Das Mittel
hatte den gewünschten Erfolg, die Geschwüre heilten rascher and die
Patienten waren von der lästigen Salivation befreit.
Für die zur Heilung der alten Urethritis postica unentbehrlichen
Lapisinjectionen (mittelst Gnyon'schen oder Ultzmann sehen In-
struments) suchte K. die Schmerzen beim Harnlassen und den Tenesmus
vcsicae durch qualitative Veränderung des Harns zu lindern. £r erreichte
dies, indem er % bis *\ Stunden vor der Injection Va bis 1 Theelöflfel
Katr. bicarbon. (in Wasser) einnehmen Hess. Durch die so bewirkte
Alkalescenz des Harns traten jene Beschwerden nicht mehr auf.
4. Sitzung. Mittwoch, den 13. September 1893, Nachmittag 2% Uhr.
1. Neuberger (Nürnberg). Vorstellung eines Falls von Lues
maligna.
Schwächlicher anämischer, 29jähriger Mann. Anfang Januar 1893
Sklerose , die recht schnell gangränescirte , bald von Roseola ge-
folgt war und im Verlauf einer Injectionscur mit Ilydrargyr. salicylic. ver-
narbte. Nunmehr aber traten papulöse Efflorescenzen auf, die bald
ulcerirten. Die Ulcerationen nahmen trotz Quecksilberbebandlung zu.
Patient wird in N.'s Klinik aufgenommen und durch Einnehmen von
Jodkaliuro, subcutane Europheninjectionen, locale Application einer
öVoigen Europhensalbe in 9 Tageu geheilt. Seitdem von Zeit zu Zeit
Recidive, stets in Form kleinerer und grösserer Ulcerationen. N. demon-
strirt die zahlreichen Narben und zwei grosse, vor etwa 14 Tagen auf-
getretene Gummata auf der linken Planta pedis.
N. rühmt besonders den Erfolg der Europhensalbe und der Euro-
pheninjectionen.
2. Neuberger. Vorstellung eines Falles von Dermatitis
herpetiformis.
Patient ist seit 5 Jahren mit einem juckenden, in unregelmässigen
Intervallen sich wiederholenden, in Gestalt kleiner, gruppirt angeordneter
Bläschen auftretenden Hautausschlage behaftet. Als Patient vor einem
Jahre in die Behandlung des Vortragenden trat, war die Eruption eine
sehr hochgradige. Durch interne Arsendarreichung und Anwendung von
lOVoig^^ Salicylpasta wurde in kurzer Zeit wesentliche Besserung erzielt.
Besonders günstigen Erfolg scheinen auch die im warmen Wasserbade
vorgenommenen Theerabpinselungen zu haben.
Patient hat seitdem nur ganz selten und nur geringgradige Reci-
dive gehabt. Zur Zeit besteht ein srJches: verschiedene neu aufgetretene
Efflorescenzen, speciell am Halse in Gruppenform sichtbar; ausserdem
als Reste der frühereu Eruptionen zahlreiche Pigmentirungen.
3. Neuberger. Fall von Trophoneurosis buUoso-gan-
graenosa.
18jähriges anämisches Mädchen, das sich vor etwa einem Viertel-
jahre auf der Beugeseite des rechten Vorderarmes vermittelst einer Glas-
scheibe eine Verletzung zuzog. An Stelle der Verletzung jetzt eine oa.
d. Versamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 125
4 Cm. lange, 1 Cm. breite derbe Narbe, neben derselben nach aussen
eine taubeneigrosse Vorwölbuug, die auf Druck schmerzhaft ist, und den
Eindruck eines Neuroms macht. £s handelt sich um eine Verletzung
des Nervus medianus, durch welche die 2. und 3. Phalangen des Zeige-
und Mittelfingers auf der Yolarseite und die £ndphalangen derselben
Finger auf der Dorsalseite völlig anästhetisch wurden. An den anästbe-
tischen Stellen treten von Zeit zu Zeit Blasen auf. Der luhalt der
Blasen wird bald eitrig, der Blaseugrund gangränös, nach einiger Zeit
tritt HeiluDg ein. Die letzte Eruption, die 4., trat vor ca. 14 Tagen
auf und war bisher die stürmischste. Zum Schluss geht N. auf die ver-
wandte Literatur ein, speciell auf den von Kaposi unter der Bezeichnung
Pemphigus neurotico-traumaticus geschilderten Fall.
4. Galewsky (Dresden). Liehen ruber und Pityriasis
pilaris.
G. demonstrirt Photographien und Mikrophotographien sowie mikro-
skopische Präparate seiner beiden Fälle von Pityriasis rubra pilaris und
eines jüngst beobachteteu Falles von acutem Liehen ruber, der primär
und perifolliculär entstand, also Gelegenheit bot zur Yergleichung der
perifoliiculären Knötchen beider Krankheiten. Eingehende mikroskopische
Untersuchung führt G. zu folgenden Schlüssen:
1. Das Lichen-ruber-Knötchen hat seine Entstehung in der Cutis,
während der ganzen Dauer der Erkrankung besteht starke kleinzellige
Infiltration im Corium, während und nach der Abheilung tritt dafür
sehr starkes Pigment auf. Das Pityriasis-r.-p.-Knötchen ist bedingt vor-
nehmlich durch eine Hyperkeratose ausgehend vom Follikel. Es besteht
nur eine geringe, kaum über das Normale hinausgehende Infiltration.
2. Das Lichen-ruber-Knötchen sitzt also fest im Corium und ist
infolge dessen nicht abkratzbar, das Pityriasis-r.-p.-Knötchen gemäss
seiner Zusammensetzung aus Hornmassen ist abkratzbar.
3. Das Lichen-ruber-Knötchen ist entsprechend seiner Entstehung
durch kleinzellige Infiltration primär mehr miliar als acuminirt, es wird
erst acuminirt, wenn die secundäre Hyperkeratose hinzutritt. Das Pity-
riasis-r.-p.-Knötchen ist stets acuminirt, entsprechend seinem Entstehen
durch Hyperkeratose.
ö. Sitzung. Donnerstag, den 14. September 1893. Vorm. 9 Uhr.
Saalfeld (Berlin). Bakteriologische Untersuchungen über
Losophan.
Angeregt durch die günstige therapeutische Wirkung des Losophans
hat S. dasselbe bakteriologischer Prüfung unterzogen. Die mit einer 17oigen
Spirituosen Lösung an mit Culturen imprägnirten Seidenfaden, theils auch
an isolirten Reinculturen (letzteres bei Trichophyton t. und Achorion
Schönleinii) unternommenen Versuche ergaben ausserordentlich günstige
Resultate, von denen S. zunächst als besonders wichtig hervorhebt, dass
Trichophyton tonsurans und Achorion Schönleinii in 30 Secunden abge-
tödtet wurden.
126 Verhandlungen
Auf Wunsch des Vorsitzenden theilt S. noch kurz seine therapeu-
tischen Erfahrungen über Losophan mit, die bereits in extenso publicirt
sind. (Therapeut. Monatshefte 1892 Nr. X.)
Discussion: Behrend. Die bisherigen Behandlungsmethoden der
Pityriasis versicolor gaben meist nur vorübergehend günstige Resultate
einmal weil stets noch Pilzelemente, namontlich in den Infundibulis der
Haarbälge zurückbleiben, dann weil häufig viele Flecken so blass sind,
dass sie übersehen werden. Nur das Chrysarobin und die Jodtiactur
leisten gerade auch mit Rucksicht auf diese beiden Punkte befriedigendes.
Ihre nachtheiligen Nebenwirkungen sind aber dabei so bedeutend, dass
es mit Freuden zu begrussen wäre, w*enn wir im Losophan ein Mittel
erhielten, welches ihre Leistungsfähigkeit, aber nicht ihre unangenehmen
Nebenwirkungen theilte.
Jessner (Königsberg) fragt, wie lange die Behandlung des Herpes
tonsurans an unbehaarten Stellen mit Losophan dauert, und ob dieselbe
schneller ist als mit den alten Mitteln wie Ungt. Wilkinsoni u. a. Man
muss in der heutigen Zeit, in der die Chemiker mit ihren Präparaten
die Medicin förmlich überfluthen, in der so viele Präparate, von denen
die besten Resultate zuerst gemeldet sind, bald der verdienten Vergessen-
heit anheimfallen, die grösste Skepsis an den Tag legen, stets prüfen, ob
dieselben Vorzüge vor den älteren haben.
Saalfeld möchte auf die Frage J e s s n e r's über die Behandlungsdauer
des Herpes tonsurans eine bestimmte Antwort nicht geben, doch hebt
er die günstigen Resultate gegenüber allen sonst gebräuchlichen Mitteln
hervor, die in einzelnen Fällen durch Controlversuche beim selben Patienten
an verschiedenen analogen Stellen sehr klar demonstrirt werden konnten.
2. Galewsky. lieber Naevus verrucosus linearis entspre-
chend dem Verlaufe der Grenzlinien von Voigt.
Der fragliche Naevus erstreckt sich, wie sich aus der vorgelegten
Photographie ergibt, von der Leistengegend längs der inneren Seite des
Femur bis zum Kniegelenk.
Es handelt sich in G.^s Falle um eine seit der Geburt bestehende
Affection, welche durch ihren Juckreiz und die dadurch entstandene
arteficielle Dermatitis des jetzt 6jährigen Kindes sehr hinderlich wurde.
Die Affection heilte unter Deckverbänden ab, der Juckreiz schwand,
kehrte aber stets wieder, sowie der Allgemeinzustand des Kindes darnieder-
lag (z. B. einmal nach Scharlach). G. erklärt im Anschluss an die mikro-
skopische Demonstration die Erkrankung für eine partielle Ichthyosis
hystrix, entsprechend den Anschauungen Philippsons.
Discussion: Saalfeld erwähnt zwei von ihm beobachtete Fälle von
sog. Nervennävus, von denen der eine für, der andere gegen die aus-
schliesslich neurotische Natur der Aftection spricht, so dass S. räth, vor-
läufig für die noch vielfach dunkle Erkrankung eine vermittelnde Stellung
einzunehmen.
3. Beckh. Aneur3'sma syphiliticum.
d. Versamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 127
B. stellt aus seiner Privatpraxis einen 26jährigen Arbeiter vor
mit einer bandtellergross über den rechten Brustbeinraiid sich erstrecken-
den, deutlich pulsirenden Geschwulst, welche unzweifelhaft ein Aneurysma
des Arcus aortae und der Aorta descendens ist. Dasselbe entvrickelte sich
Tor 2'/, Jahren unter neuralgischen Schmerzen in der rechten Oberarm-
und Schultergegend und machte bald den Kranken wegen heftiger Schmer-
zen und Dyspnoe vollständig arbeitsunfähig. Trotz absoluter Bettruhe und
Gebrauch des Eisbeutels wuchs die Geschwulst, hob den aufgelegten
Finger und spitzte sich in der Mitte konisch zu. Anamnestisch sprach
nichts für Syphilis, doch fand sich am Hodensack eine ausgedehnte Leuko-
dennie mit dunklen Pig^enträndem, welcher ein Blasenausschlag voraus-
gegangen sein soll. Femer hatte B. eins der Kinder des Pat. an einer
suspeeten Knochenauftreibung behandelt, die auf Jodkali vollständig
heilte, und ein anderes Kind zeigte nach der Untersuchung eines Augen-
arztes luetische Yeränderungen der Netzhaut. Frau und 5 andere Kinder
gesund. Am meisten für den syphilitischen Ursprung des Aneurysma aber
spricht, dass es unter IV4 Jalir lang consequent durchgeführter Jodkali-
cur sich bedeutend zurückbildete. Pat. ist jetzt seit über 1 Jahr bei zeit-
weiligem Jodkaligebrauch wieder arbeitsfähig. Die Geschwulst hat sich
beträchtlich abgeflacht; der Finger fühlt zwar, soweit die Dämpfung geht,
deutlich die Pulsation, wird aber nicht mehr gehoben.
Discussion: Kollmann erwähnt einen ähnlichen Fall, den er vor
ca. 10 Jahren in hausärztlicher Praxis sah. Auch hier bestand Verdacht auf
vorausgegangene Lues, ohne dass diese sicher nachzuweisen gewesen wäre.
Auf Jodkali gingen ebenfalls die Beschwerden zunächst merklich zurück.
4. Epstein. Ueber das Vorkommen eosinophiler Zellen
im Gonorrhoe-Eiter.
Im GoDorrhoe-Eiter finden sich für gewöhnlich nur ganz spärlich
eosinophile Zellen in der Masse der neutrophilen Zellen. E. hat in 6 Fällen
ein reichliches Vorkommen eosinophiler Zellen beobachtet, und zwar
einmal in einem Falle von (wahrscheinlich) Folliculitis blennorrhoica der
Fossa navicularis im FoUikulitis-Secret. Von den andern fünf Fällen war
bei dreien eine acute oder subacute Prostatitis vorhanden, und hier fanden
sich dann die eos. Z. im Prostataeiter ebenfalls vor, stets in reichlicher
Menge, in einem Falle etwa 8O7, aller Eiterkörperchen. Ein 4. Fall ohne
subjective Symptome von Seiten der Prostata, auch diese kaum ver-
grössert, nur wenig schmerzhaft, doch in ihrem Secret zahlreiche e. Z.
Im 5. Falle endlich Prostata normal, im spärlichen Secret derselben
keine e. Z.
Es hat also den Anschein, als ob die Ansicht Neusser^s, dass die
e. Z. im Gonorrhoesecret aus den Drüsen der Urethra, speciell der Pro-
stata stammten, durch die Beobachtungen E.'s eine gewisse Stütze fände.
Discussion: Seifert kann nach seinen Untersuchungen den e. Z.
keinerlei diagnostische Bedeutung zuerkennen. Er fand sie in grossen
Mengen sowohl bei ganz frischer Gonorrhoe als bei chronischer als auch
bei der acuten gonorrhoischen Urethritis des Weibes. Untersucht man in
1 28 Verhandlungen
solchen Fällen auch das Blut, so findet man einen gewissen Parallelisinus
zwischen dem mehr oder minder reichlichen Vorkommen von e. Z. im
Blute und im Secret.
Bezüglich der Bildungsstätte der e. Z. weichen S/s Untersuchungs-
resultate von denen Neusser's ab. Wäre, wie Neuss er will, die Haut eine
Bildungsstätte der e. Z., so müsste man bei jenen Hautkrankheiten, bei
denen das Blut einen hohen Gehalt an e. Z. aufweist, in excidirten Haut-
Stückchen eine erhebliche Vermehrung dere. Z. nachweisen können, und
das ist nach S.'s Untersuchungen sicher nicht der Fall.
6. Neuberger. Ueber einen Fall von Syringomyelie mit
Haut- und Schleimhauterscheinungen.
43jähriger Kaufmann, der ausser einem schon lange Jahre be-
stehenden Rachencatarrh stets gesund war. Fat. ist seit 14 Jahren ver-
heiratet, hat mehrere völlig gesunde Kinder. 1887 Ulcus auf der Dorsal-
seite des Praeputium, bald auch ein über den ganzen Körper verbreiteter
fleckenartiger Ausschlag. Beides heilt unter Inuuctionscur. In den
nächsten Jahren öfters anfallsweise unter heftigen Schmerzen auftretende,
beträchtliche Anschwellung der Zunge mit Bildung zahlreicher seichter
Geschwüre an der Zungenspitze und am rechten Zungenrande. Gleich-
zeitig einigemale auch Schmerzen im Halse, einmal sogar ein Erstickungs-
anfall. Stets trat nach einigen Tagen glatte Heilung ein. Trotz zahlreicher
antiluetischer Curen (Inunctionen, Hg.-Pillen, Jodkali) und trotz ärztlicher
Behandlung immer wieder Recidive. Im April 1892 traten auf der Haut
in ganz unregelmässigor Lokalisation zahlreiche Ulcerationen auf, die
absolut keine Heilungstendenz zeigten. Durch Jodoformapplication ent-
steht eine Dermatitis, derentwegen N. zugezogen wird.
Status: Patient sehr schwach, kolossal abgemagert. Beiderseitige
Periostitis tibiae. Am Körper unregelmassig vertbeilt zahlreiche, bis über
thalergrosse Ulcerationen, deren Umgebung ekzematösgereizt. Diagnose:
Lues maligna. Therapie: Nach Abheilung des Ekzems innerlich Jod-
kali bis zu 6.0 pro die, tägliche Europheninspcrsionen, local Emplastr.
cinereum. In 14 Tagen Heilung der Ulcerationen, der Periostitis, enorme
Gewichtszunahme. Mitte Juli traten an einzelnen Fingern neue Erup-
tionen auf: kreisrunde, scharf umschriebene, nässende Stellen, die den
Eindruck einer frisch geplatzten Blase machten, aber unter Emplastr.
hydrargyri schnell abheilten. Auch wiederholen sich in unregelmässigen
Intervallen die Schleimhauterschcinungeu iu eingangs geschildeter Form,
und es Hess sich beobachten, dass die zahlreichen Recidive auf Haut wie
Schleimhaut sich aus kleinen, stecknadelkopfgrossen, derben Bläschen
entwickelten, also Diagnose: Pemphigus. Erst später kurze Zeit vor
dem Tode wurde eine neurologische Untersuchung vorgenommeu, die
totale Anästhesie ergab und zur Feststellung einer Syringomyelie führte.
Durch plötzliches Auftreten zahlreicher Bläschen im Larynx und
durch hierdurch hervorgerufene Schwellung der Stimmbänder trat plötz-
lich im Juli dieses Jahres ein Erstickungsanfall auf, dem der Patient
d. Venamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 129
eriag. Sectionsbefond: Syrmgomyelie. Offenbar handelte es sich nm eine
Combinatiou von Lnes and Syringomyelie.
6. Bthrond (Berlin), lieber Dysidrosis (Tilbnry Tox).
Tilbnry Fox hat die Affection mustergiltig präcisirt als Eruption
Ton Bläschen mit wasserklarem Inhalt, die zumeist an den Seitenflächen
and Streckseiten der Finger, am Ulnarrande der Hand sowie an den
Handflächen, seltener an den Füssen vorkommen und das Aussehen ge-
quollener Sagokörner besitzen, die später eintrocknen, so dass die leere
Bläschenhülle zurückbleibt, die sich in Form von Hornblättchen ablöst.
Fox, der die Eruption auf eine Behinderung des Seh weisses zurückfuhrt,
sieht als Ursache der Erkrankung nervöse Allgemeinstöruogen an.
Diese Ansicht ist vollkommen irrig, da auch ganz gesunde Personen
sehr häufig von der Affection befallen werden. Wenn man die Locali-
sation der Bläschen näher betrachtet, ergibt sich, dass sie sich an Steilen
finden, welche einem häufigeren mechanischen Druck ausgesetzt sind. Hier-
durch wird der durch die Epidermis laufende gewundene Endtheil des
Drnsenausfuhrungsganges, der keine eigene Wandung besitzt, sondern
nur eine Lücke in den Zellagen darstellt, mechanisch verlegt, der ab-
gesonderte Schweiss infiltrirt sich in die intercellulären Lymphräume
und führt, indem er bei fortdauernder Secretioa die Zellagen zerreisst,
zur Trennung derselben und zur Abhebung der Horndecke. In diesem
Stadium reagirt der Bläscheninhalt sauer, sehr bald jedoch gesellt sich
zu der Flüssigkeit ein Exsudat aus den Qefassen, und man erhält alsdann
neutrale oder alkalische Reaction, wie beim Ekzembläschen, von dem sich
jenes auch mikroskopisch-anatomisch nicht unterscheidet. Indem dann
das Bläschen eintrocknet, die Bläschendecke abschilfert, entwickelt sich
genau das Bild des squamösen Ekzems. Bei ganz jungen Kindern können
sich die Bläschen selbst mit Eiter füllen und durch Eintrocknung zu
impetiginösen und nässenden Ekzemen werden; häufig entwickeln sich
letztere direct aus den Bläschen.
Da also weder pathologisch-anatomisch noch klinisch zwischen der
Dysidrosis und dem Ekzem eine Difierenz zu constatiren ist, muss man
dieselbe als Ekzem auffassen.
Discussion: Galewsky bemerkt, dass ähnliche Bilder, hervorgerufen
durch Hyperkeratose, also durch Verschluss, bei Pityriasis rubra pilaris
entstünden (cf. die Veröffentlichungen von Besnier und G. selbst über
diese Krankheit). In einem Falle von Dysidrosis, der sich stets auf die
Innenseite eines Fingers beschränkte, entstanden bald grosse, bald kleine,
miliare Bläschen.
Jessner. Nach Behrendts Ausführungen beruht die Dysidrosis
auf Retention von Schweiss. Es ist also die Schweisscyste das primäre,
für das Leiden charakteristische. Demnach könnte man nur klinisch das
Leiden mit Ekzem identificiren, dem Wesen nach sind sie ja doch ver-
schieden. Der primäre pathologische Vorgang ist nach Behrend ja die
Behinderung des Schweissabflusses, die entzündlichen Erscheinungen treten
ArcblT f. Dermatol. u. 8yphU. Band XXVI. 9
130 Verhandlungen
erst eecundar hinzu^ während beim Ekzem das Bläschen der Aosdmck
der durch Entzündung bedingten ExBudation ist.
7. Kfibner. lieber Pemphigus vegetans nebst diagnostischen
Bemerkungen über die anderen mit Syphilis verwechselten,
blasenbildenden Krankheiten der Schleimhäute und der
äusseren Haut. Eöbner gibt zunächst eine kurze, durch reiche eigene
Casuistik sehr interessante Synopsis der mit Syphilis öfters verwechselten,
blasenbildenden Processe der Haut und der Schleimhäute, nämlich der
Aphthen, der durch Uebertragung der Maul- und Klauenseuche entstan-
denen Aphthenseuche, der verschiedenen Herpesformen, des Herpes Iris,
der Dermatitis herpetiformis Duhring's (die er vorzieht Hydroa pruri-
ginös. TilburyFox zu nennen), der Impetigo herpetiformis, verschiedener
blasenbildender Arznei-, Ex- undEnantheme (nach Antipyrin, Jodsalzen etc.)
und des Pemphigus chronicus.
Gemeinsame Merkmale aller dieser Aflfectionen gegenüber Syphi-
lis sind:
1. ihr oberflächlicher Sitz, und dem zufolge 2. keine Narben oder
nur ganz vereinzelte, durch die complicirende Eiterung entstehende, 3. die
Beschaffenheit des Belages und der Umgebung desselben (auf Schleim-
häuten), 4. der häufige Wechsel des Sitzes während desselben oder ver-
schiedener Ausbrüche, 5. auf der Haut keine Polymorphie (mit Ausnahme
der Duhring'schen Krankheit), vielmehr Constanz desselben Ausschlags
typus, 6. die Beobachtung der Entstehungs weise und 7. der Verlauf.
Indem K. sich dann zum Pemphigus vegetans wendet, gibt er die
zum Theil durch Abbildungen illustrirten Krankengeschichten dreier von
ihm beobachteter Fälle, deren einer geheilt wurde, die beiden anderen
letal endeten. Von dem wichtigsten und schwersten dritten werden auch
Sectionsbefund und die (mit negativem Resultate vorgenommenen) bakte-
riologischen Untersuchungen berichtet.
Auf die histologischen, diagnostischen und allgemein therapeuti-
schen Daten einzugehen, war Köbner der vorgerückten Zeit halber nicht
mehr möglich ; er behält sich dies für die ausführliche, mit Abbildungen
ausgestattete Publication vor.
8. Berliner. Ueber eine Zinkösypuspasta. (Auszugsweise
verlesen.)
B. empfiehlt sehr warm Versuche mit folgender Pasta:
Rp. Zinc. oxydat.
Amyl. oryt. aa. 4.0.
Oesyp.
Ol. olivar. aa. 3.0.
Mfpasta.
Er hat dieselbe theils zur, theils mit Zusätzen von Schwefel, Bis-
muth, Resorcin angewandt und bei Ekzemen, Verbrennungen und Er-
frierungen, Acne vulgaris (hier zumal mit 20^1« Resorcin-Schälpasta),
Acne rosacea, Sycosis non parasitaria sehr günstige Resultat verwendet.
d. Yersaxnml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 131
Bei Psoriasis ist sie natürlich ohne jeden directen Einflnss, bewährt sich
aber in den Zwischenpausen der eigentlichen (Chrysarobin- oder Pyro-
gallol«) Behandlung sehr gut durch schnelle Beseitigung des durch diese
Mittel gesetzten Reizzustandes der Haut.
9. Oefelein (Nürnberg). Ueber die Verwendbarkeit des
Knrophens. Nach in Gemeinschaft mit Neuberger unternommenen
Untersuchungen.
Das Europhen wurde in fast 200 Fällen verwendet und bewährte
sieb in jeder Hinsicht aufs beste. Bei grösseren und kleineren Wunden,
sowobl firischen reinen wie eiternden erzielte Europhen, als Pulver appli-
cirt, schnelle und glatte Heilung.
Verbrennungen wurden mit 1 — 5% Europhensalbe sehr günstig
behandelt. Bei mehr als 30 Fällen von Balanitis erwies es seine reizlose,
schnell austrocknende Wirkung, ebenso in vielen Fällen von Erosionen,
Bhagadenbildungen, Herpes praeputialis etc. etc. Bei Ulcus molle — in
etwa 40 Fällen — ging die Heilung ausnahmslos schnell von Statten,
niemals eine Störung des Wundverlaufs durch Ekzem, Oedem etc. Das
£orophen wurde hier stets ohne vorherige Desinfection mit Garbolsänre
und ähnlichen Mitteln gebraucht ; es bewährte sich auch bei sehr grossen,
mnltipeln, gangränösen Ulcerationen. Auch bei luitialsclerosen, speciell
gangränösen, und bei nässenden Papeln gab das Mittel gute Re-
sultate.
Besonders empfehlenswerth ist das Mittel bei tertiärer Lues. Hier
hat es ebenso wie in Fällen von Lues maligna, sei es in subcutanen In-
jectionen (täglich 1 Spritze 1 — 27o Oeilösung) zur AUgemembehandlung,
sei es local als Pulver oder 1 — 10 7, Salbe angewandt, Oe. und N. gute
Dienste gethan, ohne je erwähnenswerthe Nebenwirkungen zu haben.
Discussion: Lieven hat das Europhen als Streupulver bei
chimrgischen Eingriffen sowie bei luetischen Affectionen mit gutem Er-
folge verwendet; nur zweimal traten wenige Minuten nach Application
heftige Schmerzen auf, welche die Entfernung des Pulvers nöthig
machten.
Von der irritirenden Wirkung des Mittels macht L. bei Rhinitis
atrophicans nach geheilter Nasenlues ausgiebigen Gebrauch. Er wendet es
in 107, Vaselinsalbe an und erzielt dadurch reichliche Secretion. Dabei
ist es nöthig den Naseneingang mit indifferenter Salbe zu bestreichen
zur Vermeidung von Ekzemen durch die abundante Secretion.
Am Kachmittage des Donnerstags versammelten sich dann noch
eine grossere Anzahl von Sectionsmitgliedern im städtischen Eranken-
hause, wo auf Beckh's Abtheilnng Kollmann und Görl je ihre Be-
/eucfatungsapparate zur Urethroskopie (Oberländer-Heymann resp. Reini-
ger^ Gebbert & Schall) an Patienten demonstrirten.
9*
132 Verhandl angen
Abtheilung XII für innere Medicin.
Sitzung vom 12. September.
Dehio (Dorpat) gibt zunächst eine kurze Schilderung des Erankheits-
bildes bei der Lepra anaesthetica.
Die mikroskopische Unterauchung der anästhetischeu Hautflecken
und der zugehörigen cutanen Nervenzweige zeigt, dass die localcn circum-
scripten Anaesthesien dadurch zu Stande kommen, dass die flachenhaft
in der erkrankten Haut sich ausbreitende lepröse Neubildung in die
Saffcsi^alten und Lymphgange der Haut eindringt und namentlich in die
röhrenförmigen Gewebslücken vorwuchert, in welchen die feinsten End-
zweige der Hautnerven verlaufen. Dadurch werden die feinsten Nerven-
endigungen innerhalb der Flecken zerstört, und so erklärt sich die bisher
so räthselhafte Anästhesie der letzteren.
Die Bildung der anästhetischen Hautflecken ist also
ein rein localer Process, der mit einer Erkrankung
grösserer Nervenstämme nichts zu thun hat.
In späteren Stadien der Krankheit kriecht nun die kleinzellige
lepröse Neubildung von der Haut, dem Verlauf der Nerven folgend, in
den Nervenscheiden aufwärts, zerstört die Nervenfasern und setzt an
Stelle der Nervenstämme schliesslich dicke, aus Bindegewebe und Rund-
zellen bestehende Gewebsstränge, die natürlich jegliches Leitungsvermögen
eingebÜBSt haben. Es sc hliesst sich also bei derLepra anaesthe-
tica an die Bildung der anästhetischen Hautflecke als
ein secnndärer Proce SS eine Neuritis lepro sa ascenden s
an. Von dieser abhängig sind : die mehr diffus ausgebreiteten Sensibilitäts-
störungen, atrophische Paresen und Lähmungen, die trophischen Störungen
in der Haut und den tieferen Geweben.
Abtheilung XVIII für Neurologie.
Sitzung vom 12. September.
Eulenburg (Berlin). Ueber Erythromelalgie.
E. beobachtete in den beiden letzten Jahren drei Fälle von Ery-
thromelalgie, welche seine Anschauung bestätigen, dass es sich bei diesem
Leiden nicht um eine selbständige Erkrankung, sondern um einen ge-
mischten, sensitiv-vasomotorischen Symptomencomplex von wahrscheinlich
centralem, intramedullärem Ursprünge handelt.
1. Fall. 30jährige Dame aus neuropathischer, zur Muskelatrophie
neigender Familie. Das Leiden war nach Chloroanämie und im Auschluss
an eine Entbindung eingetreten. Die Anfälle, meistens nächtlich, kamen
besonders nach Anstrengung durch Handarbeit, nach gastrischen Störungen
sowie vor der Menstruation; ausser der Erythromelalgie bestand eine
ausgebreitete Erkrankung der Museal» tur am Schultergürtel und Oberarm
in der Form sogenannter j uve niler Dystrophie. (Erb.)
d. Yersamml. deutscher Naturforscher n. Aerzte in Nürnberg. 133
2. Fall. 45jiUiri|Br6 Schneiderin, hysterisch, aus nenropathischer
Familie. Als ätiologische Momente kamen in Betracht schwere Gkmüthsaf-
fect«, Nahrungsaoigen, sowie langjährige Yerdauungsbeschwerden, daneben
anstrengende Handarbeit. Die Erythromelalgie trat auch hier plötzlich,
saerst Nachts anf ; die Anfalle wiederholten sich hänfig, waren im Winter
seltener und leichter. An den Extremitäten Abschwächung des Schmerz-
nnd des Temperaturgefühls, namentlich an den Endgliedern der Finger
sowie im Fussrücken. Ausser diesen Erscheinungen schwere Symptome
eines fortschreitenden Cerebralleidens mit Congestionen und
apoplecüformen Anfällen, heftigem Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen,
tamnelnder Gang, Intelligenz- und Gedächtnissabnahme, Hallucinationen.
Augenuntersuchung : bedeutende coneentrische Gesichts feldbeschränknng ;
ophthalmoskopischer Befund : anfangs leichte entzündliche Veränderungen
an den Papillen, später das Bild einer Retinitis haemorrhagioa beiderseits.
3. Fall. 54jähriger Schneider, der mehrere Jahre an schwerer
Malaria gelitten hatte, und bei dem die Erythromelalgie im Anschlüsse
daran zuerst im rechten Fusse, später — angeblich nach einer auf Wache
Terbrachten kalten Nacht — in der linken Hand auftrat uud auf diese
beiden Gliedmassen beschränkt blieb. Auffallend waren plötzliche Schweiss-
auBbröche und Reizung zu Blutungen an den betroffenen Gliedmassen.
Hier war ein hereditäres Moment erkennbar, von der Mutter her, die
▼iele Jahre hindurch denselben Zustand an den Füssen gehabt hatte.
Uebrigens bestanden auch hier leichte allgemeine Kopfsymptome, Kopf-
schmerzen und Schwindel.
£. erörtert kurz die Aetiologie und differentielle Diagnose des Zu-
■tandes und macht auf den Zusammenhang aufmerksam, in dem die
Erythromelalgie einerseits mit gewissen verwandten functionellen Stö-
rungen (z. B. der Acroporo aesthesie von Fr. Schnitze und Laquer), ander-
seits zu gewissen pathologisch-anatomisch fundirten Processen im Central-
nervensystem, namentlich zur Syringomyelic, zur Morvan^schen Krankheit
und zu dem von Gras set und Ran vi er beschriebenen bulbomedulläreu
Syndrom steht. Gemeinsam ist hier eine eigenartige Combination sensi-
tiver mit vasomotorischen, secretorischen und trophischen Störungen (wie
sie in leichterem Grade auch der Erythromelalgie zukommen können).
Wahrscheinlich ist der Ausgangspunkt der typischen Sensibilitäts-
störungen bei jenen Spinalerkrankungen in den Hinterhömern, der
Aasgangspunkt der vasomotorisch-secretorischen Störungen in dem inter-
inediolatralen Zellentractns Clarke's (den sog. Seitenhömem) zu suchen.
Discossion :
Edinger (Frankfurt a/M.) berichtet über einen Fall von Erythromel-
algie, der auf das rechte Bein (Fuss) beschränkt, nach Erfrieren im
Jahre 1870 entstanden ist und bis heute andauert. Der Patient stand,
^rmweileH nber die Sehmerzen, vor der Amputation, als £. entdeckte,
daas Beben der Affection eine Tabes vorhanden war. Der Zusammenhang
beider Affectionen ist von theoretischem Interesse. E. hat den Eindruck,
134 Verhandlungen
dass der ganse Complex durch Affection des Wurzelapparates, auch des
centralen, erklärbar sein würde.
Eulenburg. Der interessante Fall Edinger's bestätigt ebenfalls
den Zusammenhang von Erythromelalgie mit centralen Erkrankungen.
Sitzung vom 12. September.
W. Uhttoff. Beitrag zu den Seh Störungen bei Hirnsyphilis.
Uhttoff berichtet über seine klinischen (Jatersuchungea über
obiges Thema, lieber die anatomischen Veränderungen hat er schon ein-
gehend berichtet, (v. Graefe*s Archiv Bd. XXXIX, 1.) Seine Besultate
beziehen sich auf eine Reihe von 100 Fällen von Himsyphilis.
1. Ophthalmoskopische Erscheinungen : Stauungspapille 14mal, Neu-
ritis optica 12mal, einfach atrophische Verfärbung der Papillen 14mal,
sonstige ophthalmoskopische Befunde 8mal, negativer ophthalmoskopischer
Befund 52mal. Aber unter den letzteren 52 in einer Anzahl von Fällen
noch Sehstörungen und anatomische Veränderangen im Verlaufe des opti-
schen Leitungsapparates.
2. Besprechung der Gesichtsfeldanomalien und ihre Bedeutung
namentlich auch in difTerentiell-diagnostischer Beziehung sowie mancher
eigenartiger und charakteristischer Züge für die Sehstörung bei Hirn-
syphilis, namentlich andern Sehstörungen gegenüber (progressiver Atrophie,
multipler Sclerose, retrobulbärer Neuritis etc.).
3. Besprechung der Pupillarerscheinungen bei Hirnsyphilis : der typi-
schen reflectorischen Pupillenstarre, der Ophthalmoplegia interna, der hemi-
anopischen Pupillenreaction, der sog. paradoxen Reaction und des Hippus.
Discussion : Bruns (Hannover) erwähnt einen Fall von Hemianopsia
inferior bei einer früher Syphilitischen. Es war wahrscheinlich Neuritis
optica vorausgegangen. Später bestand deutliche Atrophie der oberen
Maculahälften. Noch später erkrankte auf dem einen Auge auch ein
unterer Quadrant, so dass hier nur ein Quadrant des Gesichtsfeldes er-
halten war. Sonstige Hirnerscheinungen fehlten, ebenso Zeichen von
Tabes. Dagegen besteht die Wahrscheinlichkeit eines Aortenaneurysmas.
Mendel verfügt über einen Fall syphilitischer doppelseitiger Hemia-
nopsie. Ein älterer Mann bekam zuerst eine rechtsseitige, dann dazu
eine linksseitige Hemianopsie und wurde amaurotisch. Er ging in der
Irrenanstalt zu Grunde. Die Autopsie ergab an correspondirenden Stellen
(Pulvinar) beider Thalami optici je einen gummösen Tumor.
Stein (Nürnberg) hat kürzlich einen Fall von Hippus gesehen bei
einem luetischen Manne, der jetzt im Vorstadium der progressiven Para-
lyse steht. Rechte Papille mittelweit; linke weit, beide lichtstarr; ander
linken weiten ausgesprochener Hippus.
Goldetein (Aachen) fragt aU; ob der Vortragende Erfahrungen über
den von Alexander angegebenen Zusammenhang von Ophthalmoplegia
interna und Psychose besitze.
d. Venamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Nürnberg. 135
Uhttoff erwidert, dass Alexander ja nicht bestimmt angibt, was
81 eil für psychische Störungen an das Auftreten der Ophthalmoplegia in-
terna anschlössen; es können wohl nur eigentlich nur paralytische Stö-
ruD^n gewesen sein. Die Ton Bruns erwähnte Hemianopsia inferior
hält ü. doch nur für bedingt durch Stammerkraokung der Optici. Hippus
habe hauptsächlich diagnostische Bedeutung bei Pupillen, die auf Licht
reflectorisch starr sind.
Der Mendel'sche Fall sei sehr interessant; im Ganzen dürften
doppelseitige Hemisphärenerkrankuogen häufiger den Grund für doppel-
seitige Hemianopsie bilden, als basale Tractuserkrankung mit Fortschreiten
aaf das Ghiasma.
Abtheilung XXIII für Hygiene und Medioinalpolizei.
Sitzung vom 11. September 1893.
1. Wollner (Fürth), lieber die Fürther Industriezweige
und deren Schattenseiten: Qaecksilber- und Silberbelege, Bronze-
fabrication, Spiegelglasschleiferei mit Facettirwerken.
Von den hier allein interessirenden Bemerkungen über die Queck-
ailberbelege sei einiges hervorgehoben. W. zeigte Tabellen vor, die über
folgende 3 Punkte ziffermässigen Aufschluss geben. 1. Häufigkeit der
mercuriellen Erkrankungen in früheren Jahren. Seit dem Jahre 1885 hat
die Zahl der Erkrankungen stetig und rasch abgenommen. Seit Juni 1890
ist kein Fall von Mercurialismus mehr vorgekommen. 2. Höbe der Erank-
heitstage in den einzelnen Monaten. Die höchste Zahl fallt auf das Ende
des Winters (März), die niedrigste auf Ende des Sommers (October).
3. Aus der letzten Tabelle ergibt sich, dass die gegenwärtigen Arbeiter
verhältnissmässig sehr lange (im Durchschnitt 11.6 Jahre) in den Belegen
beschäftigt sind.
W. glaubt, dass die dauernde Gesundheit der Arbeiter in den Hg.-
Belegen — abgesehen von der grössten Reinlichkeit und sorgfältiger
Lüftung — nur noch von 2 Factoren abhängen: möglichst geringe
Arbeitszeit und möglichst gute Bezahlung.
Bekanntlich ist die ganze Frage der Hg. -Belegen für Bayern ge-
setzlich geordnet durch den Erlass vom 30. Juli 1889. Die meisten Be-
stimmungen desselben sind bereits durchgeführt und haben eine wesentliche
Abnahme der Zahl sowohl der Hg.-Belegen, wie der in diesen beschäftigten
Arbeiter zur Folge gehabt. Die noch übrigen, finanziell tiefeingreifenden
Bestimmungen sollen Juli 1894 eingeführt werden und werden wahr-
scheinlich die Hg.-Belegen ganz zum Verschwinden bringen, da diese
dann der Concnrrenz der Silberbelegen werden unterliegen müssen. W.
hält diesen sich vollziehenden Uebergang von der Hg.- znr Silberbelegung
für keinen Vortheil, aus socialpolitischen Gründen sowohl wie aus hygie-
nischen. Er ist überzeugt, dass das Leben der Silberbelegarbeiter mehr
geföhrdet ist als das der Hg.-Arbeiter. Der beständige Aufenthalt der
ersteren in einer Temperatur von 23* bis 33" R. disponirt zu Rheu-
136 y erhandlangen
matismen, zu acuten und chronischen Luugenaffectionen, derart, dass
sicher eine viel höhere Sterblichkeitsziüer reaultiren müsse.
2. Q«Mselimidt (Nürnberg): Ueber Milzbranderkranknngen
unter den Arbeitern der Nürnberger Pinselindastrie.
In den letzten 4 Jahren wurden bei Arbeitern der Nürnberger
Pinselindustrie ca. 30 Fälle von Milzbrand beobachtet; davon verliefen
8 tödtlich. Alle Fälle zeigten das klinische Bild der Pustula maligna.
Die primäre Infection erfolgte zumeist im Gesicht und der Unterkinn-
gegend, in selteneren Fällen an den Händen. Die Erkrankten waren in
der überwiegenden Menge Borstenzurichter, die also nur mit dem Roh-
materiale zu thun haben. Leider gelang es trotz aller Bemühungen nicht,
in diesem, also den ^osshaaren und Borsten, Milzbrandbacillen mit
Sicherheit nachzuweisen. In einem Falle wurde freilich aus verdächtigen
Borsten die Reincultur einer Stäbchenart gewonnen, die morphologisch
vollständig dem Milzbrandbacillus glich, aber durch Mangel jeder Patho-
genität zeigte sie sich doch von diesem wesentlich unterschieden. Jeden-
falls musste aber in dem zur Terarbeitung kommenden Borsten- und
Kosshaarmaterial die Quelle der Infection zu suchen sein, und es wurde
deshalb in jedem Falle das gesammte verdächtige Material sowie Effecten
und Wohnung des Erkrankten grundlich desinficirt. Femer wurden für
die Arbeiter allgemeine Yerhaltungsmassregeln gedruckt, um dieselben
auf die Gefahren aufmerksam zu machen, und Desinfections mittel auf-
gestellt, damit kleinere Verletzungen durch Borsten oder Eosshaare
gründlich desinficirt würden. Das Wirksamste wäre natürlich eine Des-
infection des gesammten rohen Borsten- und Haarmaterials durch strö-
menden Dampf. Dadurch wird aber das Material in Farbe und Qualität
80 geschädigt, dass eine derartige Massregel die ganze, mehrere tausend
Arbeiter beschäftigende Pinselindustrie Nürnbergs der fremden Con-
currenz gegenüber matt setzen würde. Es ist also anzustreben eine in-
ternationale Vereinbarung, durch die allgemein die Desinfection allen
Rohmaterials obligatorisch gemacht und so die Gefahr, die die Pinsel-
industrie für ihre Arbeiter hat, gemindert würde.
8. Sigmund Merk«! (Nürnberg): Experimentelle Studien über
Milzbrand in der Nürnberger Boratenindustrie.
Um die Borsten zu bleichen und zu reinigen, wird in der Borsten-
industrie folgendes Verfahren angewendet: Die Borsten Liegen 12 Standen
in einer Kalihypermanganicum-LöBung 2 : 1000, werden dann mit Wasser
staork ausgewaschen und anf 2 Stunden in eine Lösnag von seliweAiger
Säure 3 : 100 gelegt. Sohliesalich werden der sauren Losung einige Tropfen
H^O, oder Salmiakgeist zugesetzt, und die Borsien, vekhe nun schön
gebleicht sind, mit viel Wasser anagewasehen. M. nahm nun an Borsten,
die mit Milzbrand (sporenhaltiges Material) geimpft wnreo> Unterattchii»-
gen vor, inwieweit obiges Verfahren deainfieirend viric». Es ergab sieh,
daes eine genügende Deeinfection nicht statthat. IMe inficirten Berelen
verlneren jedoch theil weise ihre Infectiosität und zwar dadurch, dase durch
d. Yenamml. deutscher Naturforscher n. Aerzte in Nürnberg. 137
die mit den Borsten vorgenommenen Manipulationen eine rein mecha-
nische Entfernung des an den Borsten haftenden Milzbracdmaterials
stattfindet. Bewiesen wurde dies dadurch, dass einerseits in den Rück-
aanden (von Kaliumpermanganat u. s. w.), wenn sie mit der Centrifuge
behandelt worden sind, fast regelmässig virulenter Milzbrand gefunden
wurde, während andererseits die vorher inficirten Borsten meist ihre
Infectiosität verloren hatten. M. schlägt daher vor, dass, so lange keine
zwangsweise Desinfection der Borsten durch strömenden Dampf einge-
führt sei, wttiigstenB bei obigem Verfahren eine möglicfast energische
Abspälung der Borsten mit Wasser stattfinden solle, dies jedoch, ohne
dass die Hände der Arbeiter dabei in Berührung mit dem Spülwasser
kommen dürften.
Verliandlungen der Berliner dermatologischen
Vereinigung.
Sitzung vom 6. Juni 1893.
Yorsitzender: Lassar. Schriftfulirer: Saalfeld.
I. Saalfeld stellt zwei Fälle von Naevus yermcosas vor. Der
eine, den er bereits pnblicirt hat, betrifft einen ISjäbrigen Knaben, der
andere ein Kind von 17, Jahren. Bei dem letzteren, der sich dnrch seine
ausserordentliche Ausdehnung auszeichnet, begannen die Erscheinungen
14 Tage nach der Geburt ; es handelt sich dabei um einen Naevus verru-
cosus lateris utriusque. Nervöse Erscheinungen liegen weder beim £[inde
selbst noch in der Ascendenz vor. Auf der einen Seite entspricht die
Affection dem Verlauf der Nerven.
Lassar macht darauf aufmerksam, dass man einen Unterschied
machen muss zwischen einem Naevus verrucosus, der angeboren ist, und
einer progressiven Warzenbildung, welche sich als eine selbständige
Krankheit früher oder später entwickeki kann.
Lewin: Der Naevus verrucosus unterscheidet sich von einer Ver-
ruca dadurch, dass der erstere früher entsteht, gewöhnlich im zweiten
Lebensjahre. Ausserdem ist derselbe stets pigmentirt, während eine
pigmentirte Warze selten gesehen wird.
Ledermann glaubt, dass bei einem Naevus verrucosus das Pigment
ein idiopathisches ist, während bei Warzen dasselbe zum grossen Theil
Blutpigment ist.
Lassar ist der Ansicht, dass eine Warze pigmentirt sein kann.
Erst heute habe er eine junge Dame gesehen, die 15 — 20 kleine tief-
gefarbte Warzen im Gesicht hatte.
Kromayer bemerkt, dass man unter Warzen pathologisch und
klinisch sehr verschiedene Dinge versteht. So sind die gewöhnlichen
Warzen von den seborrhoischen Warzen Unna 's, die sehr viel Pigment
enthalten, gänzlich verschieden.
II. Ledermann stellt eine 61jährige Frau vor, die vor 20 Jahren
von ihrem Ehemanne inficirt. wurde, damals Quecksilber und Jodkali
gebrauchte und dreimal abortirte. Jetzt zeigt Pat. eine Affection der
Verhandlungen der Berliner dermatologischen Vereinigung. 139
Handteller, die wie ein einfaches Ekzem aussieht. Wenn man aber den
Handrücken betrachtet, so erkennt man deutlich den syphilitischen
Charakter des Leidens. Damit ist auch die Therapie gegeben.
Die andere Fat., 68 Jahre alt, zeigt ein sehr eigenthümliches, jetzt
in Rückbildung begriffenes Exanthem. Sie erkrankte vor Weihnachten
mit sehr heftigen Kopfschmerzen und zahlreichen Geschwüren der Kopf-
haut. Die jetzt noch sichtbaren Narben sind unzweifelhaft auf verheilte
Gommata zurückzuführen. Eine Anamnese existirt nicht. Die Kranke, seit
Anfangs März in Behandlung, zeigte ausser den jetzt noch bestehenden,
etwas abgeblassten Pigmentflecken deutliche Infiltrate in der damals in
Folge der schlechten Ernährung der Fat. sehr atrophischen Haut des
Nackens, die theils confluirten, in der Mitte blass waren und z. Tb. Kreis-
form zeigten. Fat. hat eine Mercurialcur durchgemacht, die Knoten sind
im Schwinden begriffen, die Figmentation ist zurückgegangen. L. glaubt,
dass es sich dabei um Gummata handelte, die nicht zur vollen Entwick-
lung gelangten.
L. berichtet dann noch über einen Fall von localisirter Warzen-
bildung des Vorderarms und der Hand bei einem 30jährigen Arbeiter.
Die Warzen beginnen in der Mitte der Streckseite des Vorderarms und
dehnen sich über den Handrücken nach dem kleinen Finger zu. Der
letztere ist vollkommen von einem Angiom umhüllt und dadurch z. Th.
atrophisch. Auch im Handteller scheinen durch die ziemlich dicke Epidermis
bläuliche Venen hindurch, welche ebenfalls zum kleinen Finger ziehen
und in das Angiom hineinfliessen. An der betreff. Hand schwitzt Fatient
sehr stark. Ursachen hat L. nicht ermitteln können, auch in der Literatur
keinen ähnlichen Fall gefanden.
Lewin erwähnt, dass bei der zweiten Fat. einzelne noch sichtbare
Flecke mit Sclerodermie en plaques Aehnlichkeit haben. Der Einfluss
der Behandlung scheint allerdings dagegen zu sprechen. Der noch be-
stehende Rest der Affection bedarf aber vielleicht noch einer weiteren
genauen Beobachtung.
Rosenthal hat die betr. Fatientin vor der Behandlung gesehen
und den Eindruck gehabt, dass es sich nur um Gummata handeln könnte.
Es w^ar eine deutliche, starke Knotenbildung in der vollständig atrophisch
geschrumpften Haut vorhanden. Ihm scheint die Diagnose auch durch
den therapeutischen Erfolg sicher gestellt zu sein.
III. F e t e r stellt aus der Lassar'schen Klinik einen Fall von Dühring'-
scher Krankheit vor, der sich hauptsächlich durch den herpetischen Charakter
der Efiiorescenzen auszeichnet. Es handelt sich um eine 38 Jahre alte Frau,
die zuerst Anfangs der zwanziger Jahre auf den Oberarmen erythema-
tose quaddelartige stark juckende Eruptionen bekam. Dieselben waren von
einem Bläschenausbruch gefolgt, der grösstentheils in Kreisen angeordnet
war. Die Bläschen trockneten ein oder wurden zerkratzt, hinterliessen
aber jedesmal eine Figmentnarbe. Der Froeess wiederholte sich mehrmals,
ging aber in den ersten zehn Jahren nicht über die Oberextremitäten
hinaus ; erst in den letzten 8 Jahren ist derselbe auf die Unterextremitäten
140 Verhandlungen
übergegangen und hat hier besonders die Streckseiten ergriffen. Die
Schleimhäute sind immer freigeblieben. P. bespricht dann die Differential-
diagnose gegenüber Prurigo, Ekzem und Erythema multiforme. Gegen
letzteres spricht nach seiner Ueberzeugung das ganz unsymmetrische Auf-
treten und der sehr starke Juckreiz ; für Dermatitis herpetiformis auch die
starke Abgeschlagenheit und das Fieber, das bei den Ausbrüchen des
Exanthems für gewöhnlich vorhanden ist.
Kosenthal erwähnt einen Fall von Dermatitis herpetiformis, den
er augenblicklich in Behandlung hat und geht dann auf die Differential-
diagnose zwischen Dermatitis herpetiformis und Herpes Iris des näheren
ein. E. glaubt nicht, dass beide Affectionen vollständig identisch sind,
da der Fall von Herpes Iris, den er in einer früheren Sitzung vorgestellt
hat, sich von demjenigen von Dermatitis herpetiformis^ den er jetzt in
seiner Klinik hat, doch in manchen Punkten unterscheidet.
lY. Palm stellt einen Fall von sehr ausgedehntem Xanthelasma
palpebrarum vor. Icterus ist nicht vorhanden und auch nie vorhanden
gewesen.
Y. Lewin stellt einen Fail von Clav! syphilitici der Handflächen
vor, eine Affection, die ftüher zu dem Gebiet der Psoriasis syphilitica
gerechnet wurde. Es sind das kleine, erbsengrosse Efflorescenzen, meisten-
theils rund oder länglich oval, die tief in der Haut sitzen, sensible Stör-
ungen hervorrufen und oft das einzige Symptom der Syphilis darstellen.
Die Pat., die an dieser Affection leidet, kam mit einem grossen Ulcus
durum an der Schamlippe, Roseola, Condylomata lata und Leucoderma
zur Aufnahme.
L. stellt femer einen Pat. vor, der vor 5 Jahren mit Ulcus durum,
Exanthem imd Geschwüren an der Zunge in die Gharite aufgenommen
und damals geheilt wurde. Er zeigt jetzt grosse Geschwüre an der Wan-
genschleimhaut und auf der Zunge ; bei dem letzteren war es fraglich, ob
es sich um ein Carcinom oder um ein zerfallenes Gummi handelt. Die
Entscheidung darüber wurde durch die Atrophie der Zungenbalgdrüsen
erleichtert. Nach einer subcutanen Cur gingen die Erscheinungen schnell
zurück, blieben dann aber plötzlich stehen. Die genaue mikroskopische
Untersuchung ergab einen negativen Befund für Carcinom. Jetzt ist noch
die Wange infiltrirt, die Lippen zeigen kleine Erosionen und die Zunge
ist so stark geschwollen, dass Pat. dieselbe schwer herausstrecken kann.
Er hat Jahre lang Jodkali genommen, die Therapie scheint ihre Grenzen
erreicht zu haben. Man muss trotzdem von Neuem sowohl mit Jodkali
als auch mit Quecksilber wieder anfangen.
Femer stellt L. einen Pat. vor, der im März d. J. in der Lassar'-
Bchen Klinik mit salicyls. Quecksilber behandelt wurde und dann in die
Gharite kam, wo er ausser einer Iritis eine Chorioiditis zeigte. Nebenbei
bestand auf dem harten Gaumen ein Tumor von der Länge eines Eies?
scharf hervortretend, von ziemlich harter Conaistenz, der weder als ein
Zahn geschwör noch als eine Periostitis au%efa8st werden konnte. Es
fragt sich, ob Carcinom, Sarcom oder eine Gummigeschwulst vorliegt'
der Berliner dermatologischen Vereinigung. ]41
För das letztere spricht die Anamnese und die Aplasie der Zungenbalg-
drusen. L. bittet, sich über den Fall zu äussern.
Ferner stellt L. einen Fall von syphilitischer Erkrankung der
Higfamorsböble vor, welche in der Literatur bisher noch nicht beschrieben
wurde. Die Pat. kam vor 9 Jahren mit Geschwuren an den unteren Ex-
tremitäten in die Charite, erhielt Jodkali und wurde geheilt entlassen.
Jetzt besteben noch an diesen Stellen charakteristische Narben und eine
Aplasie der Zungenbalgdrusen. Bei der Aufnahme zeigt.e sich auf der
rechten Wange eine deutliche Anschwellung und aus der Nase floss eitriges
Secret. Femer bestand ein Defect in der Nasenmuschel und eine Per-
foration in die Highmorshöhle. Wenn man mit einer elektrischen Lampe
in den Mand eingeht, so bleibt, während sonst beide Seiten der Highmors-
höhle darchleuchtet werden, die erkrankte Seite natürlich dunkel. Die
Secret ion hat inzwischen nach Jodkali und nach Einfuhrung von Jodoform-
tampons bedeutend nachgelassen. Die Methode der Durchleuchtung der
Higbrnorsbölhe ist bis jetzt bei Syphilis noch nicht angewendet worden.
Lassar glaubt, dass man bei dem zweiten von Lewin vorge-
stellten Fall auf die Diagnose Syphilis verzichten muss, da das Leiden
sich der specifischen Therapie gegenüber so hartnäckig erweist, und man
daher eher an einen malignen Tumor wird denken müssen.
V. Isaac. „Die neueren Forschungen über den Zusammenhang
zwischen Tabes und Syphilis."
Die Tabes macht in ihren klinischen und anatomischen Verhält-
nissen ebenso wie die progressive Paralyse so eigenartige Erscheinungen,
dass dieselbe eine Ausnahmestellung unter den Organerkrankungen des
Körpers einnehmen muss. Heredität, sexuelle Excesse, Alkoholismus
werden der Reihe nach fär eine Degeneration der Hinterstränge be-
schuldigt und schliesslich als Hauptursache die Syphilis angesehen. Es
sind nnr wenig Stimmen heutzutage, die sich gegen den syphilitischen
Ursprung der AflFection erheben, so Leyden und Tarnowsky. Der
Hauptangrifif richtet sich besonders gegen den wichtigsten Punkt der
Theorie des Zusammenhangs zwischen Syphilis und Tabes, nämlich dass
antisyphilitische Curen so gut wie gar keinen Erfolg bei der Behandlung
der Tabes aufweisen. Die letzte Arbeit aus der Erb'schen Klinik von
Dinkler sucht durch Beibringung von reichlichem Krankenmaterial auch
diesen Angriffspunkt zu entkräften. I. verfügt über 25 einschlägige Fälle
und sucht folgenden Fragen näher zu treten: 1. Ist es wahr, dass in der
Anamnese der Tabeskranken Syphilis häufiger vorkommt, als andere sup-
ponirte Krankheiten? 2. Wann tritt im Verlauf der Syphilis Tabes auf?
3. Wie wäre ein Zusammenhang zwischen Syphilis und Tabes zu erklären ?
4. Wie verhält es sich mit der antisyphilitischen Cur bei Tabes ?
Was den statistischen Nachweis der grösseren Häufigkeit der Tabes
als Folgekrankheit der Syphilis anbetrifft, so glaubt I., dass in der Auf-
stellung der Statistiken grobe Irrthümer vorgekommen sind, da viele
Fälle als Syphilis angeführt sind, bei denen es sich nur um Gonorrhotn
oder um ülcera moUia handelt. Sowohl die Aerzte sind in dieser Bezie-
142 Verhandlungen
Lung nach seiner üeberzeugung schnell mit der Diagnose bei der Hand,
als auch die Laien, die die Unterschiede zwischen diesen Affectionen nicht
kennen. Es muss andrerseits eingeräumt werden, dass bei einer grossen
Anzahl von Fällen, bei denen vorher Syphilis vorhanden war, doch noch
andere Momente mitgespielt haben dürften. So z. B. ist es bekannt, dass
nach grossen Kriegen die Tabesfalle sich häufen, wobei Erkältungen und
grosse Strapazen als erste Ursachen herangezogen werden müssen.
Für die zweite Frage fehlt die genauere Ziffernunterlage, doch
nehmen die Autoren im Allgemeinen an, dass die Tabes zwischen 1 — 25
Jahren nach stattgehabter Infection gewölmlich im Durchschnitt S'/, Jahre
später auftreten kann. Für den Syphilidologen muss von wesentlicher Be-
deutung sein, ob es neben der typischen Tabes noch eine sog. atypische
oder Pseudotabes gibt, bei der die Erscheinungen durch specifische, ana-
tomische Veränderungen des Rückenmarks hervorgerufen werden, und
femer ob bei den Kranken neben der angeblich durch Syphilis bedingten
typischen Tabes noch andere, manifeste Zeichen von Syphilis vorhanden
sind. Jedenfalls ist sicher eonstatirt, dass die Tabes nach Syphilis von
der sogen, typischen Tabes keinerlei Unterschiede macht, es sei denn,
dass man die bei Syphilitikern mit Vorliebe auftretenden Gehimerschein-
ungen, namentlich Oculomotoriuslähmungen, als besondere diagnostische
Kriterien hinstellen will.
Was die dritte Frage anbetrifft, so ist es klar, dass, da alle schon
oben angeführten Momente, wobei auch die Heredität und Bildungsano-
malien in der Structur des Nervengewebes als Disposition zu derartigen
Erkrankungen angeführt werden können, bei der Tabes die Nerven-
elemente primär getroffen werden und die Betheiligung des Bindegewebes
eine untergeordnete ist. Es handelt sich also dabei um parenchymatöse
Processe, während die Signatur der Syphilis interstitielle oder geschwulst-
förmige Erkrankungen, die stets vom Bindegewebe ausgehen, bildet; mit
anderen "Worten : die Syphilis macht Herderkrankungen, die Tabes System-
erkrankungen.
Was die Frage der Behandlung der Tabes anbetrifft, so stimmen
die Ansichten selbst vieler Anhänger der Erhaschen Theorie dahin überein,
dass antisyphilitische Curen wegen der geringen, wenn nicht schädlichen
Einwirkung auf den Krankheitsverlauf des Leidens direct zu vermeiden
sind. Welchen Einfluss neben der antisyphilitischen Cur die in fast
jedem Falle angewendeten Argent. nitr. Pillen, Elektricität und Bäder
auf die meist vorübergehende Besserung gehabt haben, wird in der
Dinkler'schen Arbeit übergangen. Gehört aber die Tabes wirklich zu
den malignen syphilitischen Erkrankungen, etwa wie schwere Gehim-
syphilis, so können nur sehr grosse Dosen von Jodkali und Quecksilber
in combinirter Anwendungsmethode Garantie für einen etwaigen Erfolg
1)ieten. L lässt es dahin gestellt, ob es nicht gewagt ist, die ohnehin
durch ihr schweres Nervenleiden geschwächten Pat. in dieser Weise zu
behandeln, namentlich da Fälle von Tabes mit manifesten luischen Er-
scheinungen unter einer specifischen Cur eine Verschlimmerung nicht zwar
der Berliner dermatologisclien Vereinigung. 143
der specifischen, aber der tabischen Erscheinungen erfahren. Ein Ana-
l<^oii sieht man bei Syphilitikern, die an Lungenphthisis leiden, bei
denen ebenfalls Mercnr einen schädlichen Einfloss ausübt. Der Erhasche
Vorschlag, in allen Fällen von Tabes eine Schmierkur einzuleiten, scheint
daher jeder Begründung zu entbehren. I. stellt deshalb folgende
Thesen auf:
1. Die Statistiken haben zu viele Fehlerquellen, um zu einem siche-
ren Besnltate über den ätiologischen Zusammenhang zwischen Lues und
Tabes zu gelangen.
2. Syphilis steht zur Tabes in keinerlei ätiologischer Beziehung,
höchstens kann sie wie alle anderen zur Tabes fuhrenden Einflüsse auf
ein disponirtes Nervensystem schwächend einwirken.
3. Antisyphilitische Guren sind bei der Tabes contraindicirt.
Koch g^bt im Anschluss an diesen Vortrag eine üebersicht über
die in der Literatur vorhandenen, einschlägigen Arbeiten. Die Dis-
cnssion wird auf die nächste Sitzung vertagt.
0. Rosenthal.
Verhandlungen der Wiener derraatologisclien
Gesellschaft.
Sitzung vom 11. October 1893.
Vorsitzender: Neumann. Schriftführer: Cehak.
I. K ap o s i zeigt 1. ein Mädchen mit einer Affection, die er vorderhand
als Erythema folliculare desquamativum bezeichnen möchte. Ausser den
bekannten Afifectionen mit allgemeiner Röthung und Schuppung der Haut,
Pityriasis rubra, Liehen ruber, Psoriasis universalis, Eczema universale
wurden in den letzten Jahren ähnliche Processe beschrieben. Fälle mit
Andeutung von allgemeiner Röthung und Schuppung hat Besnier als
Erythrodermie bezeichnet. Dann haben Y i d a 1 und B r o c q eine sehr schöne
Arbeit über die Maladie de Erasmus Wilson geliefert, bei der sie auch
Erblindungen und Todesfalle anfuhren. In dieselbe Kategorie gehört eine
Erkrankung, die hier jetzt nicht zum erstenmal vorgestellt wird, für die
ich aber keinen Namen weiss, obwohl ich sie in der 4. Auflage meinea
Buches erwähnt habe. Es sind Gründe genug vorhanden, den Process ala
Erythem zu bezeichnen, speciell als E. folliculare. Die Knötchen entsprechen
nämlich den Follikeln. Die anfangs lebhafte Röthe wird in Stunden oder
Tagen zur Blauröthe. Einzelne Knötchen breiten sich wie ein Erythem aus
bis Kreuzer- und Thalergrösse. In der Localisation wird das Erythema
multiforme nachgeahmt, indem diffuse Erytheme an den Streckseiten und
an der Halsregion auftreten, wobei die rapide Abschuppung zur Bildung
von grossen Krustenlamellen führt und eine hyperämische blauröthe Haut-
fläche zurücklässt. Schliesslich wird die Affection universell, das Gesicht
glatt, glänzend, es entsteht eine Art Ectropium, die Leute kommen sehr
stark herunter ; binnen 2 — 4 Monaten werden sie ganz gut, ohne dass man
irgend eine Therapie als beeinflussend annehmen könnte. Ein anderes
Mal tritt genau dieselbe Affection chronisch auf, dauert 8 — 10 Monate imd
vielleicht noch länger. Ich zeige Ihnen die Abbildung des Falles, den
der Wiener denuatologischen Gesellschaft. 145
wir voriges Jahr hier hatten; die Sache beginnt mit einem Erythema
Folliculare, einzelne Knötchen sieht man schon sich peripher aasbreiten,
das Gesicht schnppt diffus ab; die Person lag 6 Wochen bei uns, wir
gaben ihr Arsenik innerlich; die Sache schien gut zu werden, doch ist
sie noch nicht ganz geheilt Yor ca. 8 J. habe ich den 17jährigen Sohn
einer Fleischselcherin vorgestellt, der genau dieselbe Erkrankung zeigte;
wir dachten damals an ein toxisches Erythem; das ganze dauerte 4
Monate, bis es gut wurde. Die Exsudation war so mächtig, dass sich
nebst den allgemeinen Knötcheneruptionen auf der Streckseite der Ell-
bogen und Knie ganze Krustenlamellen bildeten.
Bei diesem Kinde nun hat das Gesicht bereits das Aussehen wie
bei allen desquamativen Processen, Epidermis glatt, glänzend, vielfach
schülfemd, Ectropium, tiefe Furchung der Stime, am Nacken Zerklüf-
tungen der Epidermis, am Stamme noch deutlich kenntlich das Entstehen
aus massig derben, unter dem Fingerdruck abblassenden Knötchen, an
den Knien Desquamation, wobei die Gentren bereits von Epidermis
entblösst sind, während am Rande wie bei Pemphigus foliaceus die Epi-
dermis unterwühlt erscheint. Das Kind fiebert nicht, das ganze dauert
8 Tage, binnen welcher Zeit das Erythem eine so kolossale Ausbreitung
gewann.
Der Vater gibt an, voriges Jahr habe das Kind dasselbe gehabt,
daraufhin habe es MorbiUen bekommen; das ganze dauerte damals 2
Monate.
Ich kann weder über die innere Bedeutung des Processes noch über
die ätiologischen Momente, noch über die Verlaufsweise oder Prognose
etwas sagen. Einen ganz ähnlichen Fall zeige ich Ihnen im Bilde, wo
die Sache über ein Jahr dauerte und auch aus solchen Anfangen her-
vorging ; in noch einem andern ging die Affection von den Gelenksbeugen
aus, schritt mit einem gerötheten Rand weiter.
Dass die Knötchen als erste Eruption, von der die diffusen Rö-
thungen ausgehen, wobei jedoch an einzelnen Stellen sofort flächenhafte
Röthungen auftreten, ist immer schwer zu deuten. Wenn man solche
Dinge nur durch Publioationen Anderer kennen gelernt hat, so wird die
gegenseitige Verständigung äusserst erschwert;
2. im Vergleich dazu einen Mann mit Psoriasis universalis,
der mit kleinen Knötchen wie besäet war ;
3. eine Frau mit Psoriasis universalis, die im Gesichte auch einen
satinartigen Glanz bietet, mit diffuser Röthung und Trockenheit der
jungen Epidermis.
Wieviel Dunkel noch auf diesem Gebiete herrscht, wird Ihnen aus
einem von mir vor 3 — 4 Tagen zum erstenmal gesehenen Falle klar
werden, der in seiner Art ein Unicum ist; es handelt sich dabei um eine
acute Eruption von Knötchen von erytbematöser Form, hie und da mit
Gangrän, vollständiger Verschorfung, so dass ganz das Bild einer Rupia
syphilitica acuta entsteht.
ArchiT f. Dermatol. n. Syphll. Band XXVI. 2Q
146 yerbandlangen
4. ein Madchen mit einer Erkrankung analog jener der Wärterin, die
sich auf der DittePschen AbtheUong mit einem Nagel ritzte und nach
einiger Zeit in aufsteigender Linie Blasenemptionen bekam, die 3^4
Monate halbseitig loealisirt blieben nnd dann universell wurden. Das
ganze dauerte 3 Jahre, die Patientin kam furchtbar herunter, allerlei
nervöse Störungen traten ein, ähnlich wie bei Pemphigus neuroticus. Bei
der demonstrirten Patientin wurde im vorigen Jahre ein Finger der 1.
Hand exnucleirt wegen chronischem Panaritium, wovon noch die feste
Narbe sichtbar ist. Von dieser aus bildete sich eine Reihe von Blasen über
den ganzen Vorderarm hinauf.
n. Ehrmann zeigt einen Mann, der zu beiden Seiten der 1. Ferse
rostbraune, punktförmige, zu Gruppen stehende Flecke bietet.
Er erinnert an die von ihm im vorigen Jahre demonstrirten Fälle,
die ganz ähnliche Erscheinungen boten. Der erste Fall betraf ein anä-
misches Individuum, das den ganzen Tag auf den Beinen war und zwar
nicht bloss stand, sondern auch starke Muskelanstrengungen machte; im
2. Falle litt das Individuum an Rheumatismus. Die punktförmigen Hämor-
rhagien haben erst ihren Grund in einer Alteration der Gefasswand, doch
muss als unterstützendes Moment eine chronische Stauung hinzutreten,
die sich meist in Form von Yenenectasien zeigt. Es kommt dann bei
Leuten, die nicht normale Capillaren haben, zur Berstung der Gapillar-
wand, und von dem ausgetretenen Blut bleibt ein brauner Farbstoff
zurück. In dem einen Falle fanden sich auch Hämorrhagien in den Ef-
florescenzen eines bestehenden Liehen scrophulosorum. Heuer sah E.
eine ältere Frau mit hochgradiger harnsaurer Diathese; die Pat. bekam
am ganzen Körper Hämorrhagien, die ebensolche rostfarbene Flecke hin-
terliessen.
In dem demonstrirten Falle — Postbeamter, der oft 10 — 12 Stunden
stehen, aber auch in der Postambulanz von Fach zu Fach gehen muss —
legt E. auf die Muskelcontractionen ein grosses Gewicht, üeber die prä-
disponirende Ursache lassen sich nur Hypothesen aufstellen. Vor 4 — 5
Jahren Lues. Man könnte vielleicht in solchen Fällen durch genaue Be-
obachtung und Zusammenstellung zu einem positiven Resultat kommen.
Derselbe Patient hatte im Jahre 1887 eine beiders. Paraurethritis
und zwar beiders. neben dem Frenulum. E. behandelte ihn mit Elektro-
lyse mittels Einstechen einer Nadel bis in den Sack, ein Verfahren, das
nach ihm auch Jadas söhn einschlug. Bis auf eine kleine Einziehung hat
sich alles vollkommen geschlossen.
Neumann. Als Prodromalexanthen von Variola sieht man bis-
weilen längs des Verlaufes der Muskeln Hämorrhagien in Form von Pe-
techien, was für den Einfluss der Muskelwirkung auf das Entstehen von
solchen Hämorrhagien und dem Zusammenhang der Muskel- und Haut-
capillare spricht.
in. Hlawatsch zeigt eine 50j ähr . Frau aus der Abtheilung Scholz
mit Melanosarcom. Im Sommer des vorigen Jahres hat sich ein ca.
der Wiener dennatologischen Gesellschaft. 147
4kreazerstück grosser dunkler Fleck in der r. Lendengegend gebildet,
der zu. nässen anfing, juckte und sich ziemlich rasch vergrösserte. Im
April d. J. suchte Pat. die Klinik Albert's auf. An Stelle des Fleckes
hatte sich ein stark eiternder Tumor entwickelt; im Umkreise waren
bereits Metastasen. Albert sah von der Operation ab und verordnete
lediglich ein Eisenpräparat.
Wir finden einen ca. faustgrossen höckerigen Tumor mit blumen-
kohlartiger Oberfläche, pilzartig überwuchernd, Metastasen in der Um-
gebung, in der Haut des Rumpfes, der Extremitäten und in den inneren
Organen. Früher sass an dieser Stelle ein Naevus, überhaupt kommen Naevi
in ihrer Familie häufig vor.
Der Harn war zeitweilig dunkel geförbt, enth. Melanogen. Gegen-
wärtige Behandlung : Arsenik innerlich. Die histologische Untersuchung wird
Ausgeführt werden.
IV. Kaposi demonstrirt einen 65jähr. Mann mit multiplem idiopa-
thischem Figmentsarcom. Derselbe zeigt eben dieselben Erscheinungen
wie jener Fall, wo der Knotenbildung an Füssen und Händen diffuse
Blauröthe mit derber fibröser Infiltration vorherging, so dass dadurch
«ine kolossale schmerzhafte Spannung entstand, die den Pat. Tag und
Nacht quälte, während am übrigen Körper schon ganz prononcirte Knoten
waren. Erst später traten innerhalb der infiltrirten Partien Knoten auf. K.
machte damals aufmerksam, dass er schon 1870 auf das Vorkommen mikro-
skopischer Hämorrhagien in dem Gewebe hinwies und ausfahrte, dass die
Pigmentirung nicht so entstehe wie bei den melanotischen Sarcomen,
sondern einzig und allein aus den Hämorrhagien entstehe, indem die Zer-
reisslichkeit der Blutgefässe das Primäre sei.
Der demonstrirte Pat. ist ein analoger Fall. Beide Hände und
Füsse zeigen diffuse Blauröthe mit derber Infiltration, eigentlich relativ
wenig Knoten, einzelne zu fungösen Geschwülsten angewachsen, die hie
und da bersten und bluten. Stellenweise Eückbildung der Knoten. Auf
der Schleimhaut nichts. Nur am Stamm ein paar Knoten. Pat., der schon
6 Jahre an der Affiection leidet, befindet sich ziemlich wohl.
V. Nobel demonstrirt (aus der Abtheilung Lang)
1. einen Mann mit einer seltenen Form von universeller Acne, an
den U. E. charakteristische honigwabenartige Auflagerungen.
2. einen Mann mit einer seltenen Complication des gonorrhoischen
Urethralprocesses, näml. metastatische gonorrhoische Iritis. Vor 10 Wochen
Gonorrhoe, darauf beiders. Gonitis, dann eine Augenaffection , die die
Ophthalmologen für eine Blenorrhoea conjunct erklärten. Dazu trat Er-
krankung der beiders. Tibio-Tarsalgelenke und der kleinen Zehengelenke
auf. Function des r. Kniegelenks ergab trüb serös eitrige Flüssigkeit, durch
Cultur w^urde in derselben nur Staphyloc. pyogen, aur. gefunden. Die
Augenaffection nahm nach 14 Tagen eine günstige Wendung, später ent-
wickelten sich Iritis und catarrhal. Geschwüre auf der Cornea. Der
Process ging langsam zurück. Die Therapie (Salol) nahm keinen beson-
deren Einfluss darauf. Das rasche Schwinden der Augenaffection Hess
10*
148 Verhandlungen
den Verdacht begründet erscheinen, dass dieselbe keine primäre sei. Vor
2 Tagen trat Iritis auf dem bisher gesunden Auge auf; als Ursache war
nur die Urethralafifection aufzufinden. Die Iritis unterscheidet sich in
nichts von dem gewöhnlichen Bilde.
3. ein Mädchen, die seit 8 Wochen an Gonorrhoe leidet, vor 4
Wochen eine Ulceration der Cornea mit Perforation sich zuzog, Irisprolaps
trat ein.
Lang bemerkt, dass man wohl diese Affectionen mit der Blenorrhoe
in Zusammenhang bringen muss, dass jedoch nicht mit Bestimmtheit gesagt
werden kann, dass die Gonococcen die Metastase herbeifähren. Es ist ja
möglich, dass andere Entzündungserreger in die Cornea verschleppt
wurden, aber der klinische Zusammenhang mit Blenorrhoe ist wohl nicht
von der Hand zu weisen.
Ehr mann sah im heurigen Sommer einen Fall, der ihm zur lo-
calen Behandlung der Blenorrhoe überschickt wurde. Es war die 2.
Kecidive, in der 3. kam eine Iritis blenorrhoica, der Pat. war wiederholt
wegen blenorrhoischer Gelenksaffectionen in Pistyan. Bei Blenorrhoikem
sah man nicht selten gewisse schmerzhafte Infiltrationen, nicht grösser als
eine Erbse oder Bohne, in Fascien auftreten, auch vielleicht in den seh-
nigen Spiegeln, die die Muskeln überziehen, so über der Supinatoren-
gruppe, in der Fascia teres, in der Fascie, welche die Vasti überzieht.
Die Mikroben, Streptococcen oder andere Eitererreger nehmen ja immer
dieselben Wege. Aehnlich ist dies auch bei der Syphilis der Fall, wo wir
das Virus gar nicht kennen. Es wäre interessant, nachzudenken, warum
das Virus immer in derselben Richtung abgelagert wird, das könnte zu
einer interessanten allgemein pathologischen Beobachtung führen, die auch
klinisch zu verwerthen wäre.
VI, Hierauf hält Dr. Arnold Lorand seinen Vortrag:
Neuere Beobachtungen über Lepra in Schweden
und Norwegen.
Während des Sommers dieses Jahres, welchen Dr. Lorand, mit
Empfehlungen und Weisungen Prof. Neumanns versehen, behufs Studiums
der Lepra in Schweden und Norwegen zugebracht hatte, fand er, dass es
in Schweden Lepra in bedeutender Ausbreitung gebe. So fand Dr. Lorand
2 Personen in Dalekarlien in dem Kirchspiel Leksand, eine Mutter und
Tochter, wo die Tochter Lepra tuberosa hatte mit Knötchen im Auge,
während die Mutter, deren Krankheit gar nicht bekannt war, Lepra
anästhütica hatte. In Mora in Dalekarlien fand er 4 Personen, wovon einer
Lund Pers Larsson im Krankenhause von Mora mit Lepra tuberosa in-
temirt war, die anderen 3 wieder angaben, von ihm angesteckt worden
zu sein.
Der 74 J. alte Djugos Per Persson gab an, Lund Per Larsson eine
Nacht beherbergt zu haben, und 7 Monate darauf bemerkte er die ersten
Symptome der Krankheit ; die 50jährige Finn Kjerstin Matsdotter gab an^
öfters die Schwester des Lund Per Larsson besucht und auch mit ihm
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 149
selbst verkehrt zu haben. Die dritte Person, welche vonLundPer Larsson
Lepra aqmrirt«, war seine Schwester, welche seit 2 Jahren erkrankt war.
In der kleinen Ortschaft Vamhus unweit von Mora gibt es 9 Fälle von
Lepra, so dass dies ein endemischer Lepraherd ist. In ganz Dalekarlien
gibt es 30 Fälle. Man findet hier die Lepra in den am Siljan-See und
entlang der Dal'elf liegenden Ortschaften.
Der Provinzialarzt von Leksand erzählte Dr. Lorand, dass einer
seiner Patienten Lepra dadurch acquirirte, dass er 5 Jahre die von einem
Leprösen gekauften Kleider trug. Nach Ablauf dieser 5 Jahre kamen die
ersten Symptome der Lepra zum Vorschein.
Dr. Lorand findet, dass die in Dalekarlien gesehener Fälle unter
die schrecklichsten der 238 Fälle, welche er in Schweden und Norwegen
gesehen hatte, gehörten, und dass der Mangel an Pflege daran hauptsäch-
lich Schuld wäre.
Die zweite Provinz, wo Lepra endemisch vorkommt, ist nach Dr.
Lorand die Provinz Helsingland. Hier liegt auch das Lepra Hospital
in Jerfsö, an der Linie der schwedischen Staatsbahnen nach Norrland.
Das Hospital wurde im Jahre 1864 errichtet und beherbergt 50 Pa~
tienten. Director des Hospitals ist Dr. Frederich Ohm. Als interessante
Fälle von den Patienten erwähnt Dr. Lorand einen Fall von Lepra tube-
rosa, wo am Penis mehrere runde, hart anzufühlende Geschwüre waren,
die von exulcerirten Knötchen herrührten, und dabei die Leistendrüsen
beiderseitig geschwellt waren. Weiterhin den Fall eines anästhetischen
alten Patienten, der an der Ferse ein tief greifendes Geschwür hatte, und
dessen Schuhe eiserne Nägel vorwiesen, auf denen der Patient herumging,
ohne sie zu fühlen. Vortragender meint, dass neben anderen durch die
anästhetische Lepra bedingten Momenten auch diesem Umstände eine
gewisse Rolle zufallen würde. Weiterhin sah Dr. Lorand zahlreiche
Panaritien, welche wahrscheinlich so entstanden sind, dass die Patienten
gewisse schädigende Momente, so beim Angreifen spitziger Gegenstände
nicht fühlen, und durch die entstandenen Excoriationen der Weg für die
Eiterung hervorrufende Mikroorganismen geebnet würde.
Bei den meisten Patienten fehlten die Augenbrauen, wie auch die
Gegend der Augenbrauen der Lieblingssitz der Knötchen ist. Dieses Fehlen
der Augenbrauen kann man sowohl bei der tuberösen, wie auch nach
Photographien im Besitze Dr. Lorand's bei der anästhetiachen Form finden.
Dr. Lorand fand an den Knoten oft einen Nabel in der Mitte,
welcher sich gegen die Peripherie zu auszubreiten pflegte, bis das Ganze
nnter das Niveau der Haut eingesunken war. Besonders konnte man solche
eingesunkene Stellen oberhalb der Augenbrauen finden. Bei einem über-
haselnussgrossen Knoten fand er denselben aus 4 kleineren bestehend.
Bei einem Mädchen in Reitgjaerdet fand Dr. Lorand im Gesichte
nur vereinzelte wenige Knoten, wenn er aber mit dem Finger über die
Haut glitt, konnte er deutlich in der Tiefe zahlreiche Knötchen fühlen.
Die Anästhetiker hatten eine charakteristisch gelb-weisse Gesichts-
farbe, dabei im Gesichte gar keine Mimik, dasselbe ganz ausdruckslos und
1 50 Verhandlungen
etarr, so dass er dasselbe am liebsten mit dem Gesichtsausdrucke bei Paralysis
agitans vergleichen möchte. Dabei Ectropium der Augenlider, wie der Unter*
lippe, so dass die Pat. gegen den lästigen Speichelfluss beim Sprechen oder
Speisen die Unterlippe mit dem Zeigefinger in die Höhe schieben mussten.
Bei den Anästhetikem fand er constant die Verstümmelungen der Finger
oder Zehen, oder der ganzen Hand manchmal, wie auch öfters des ganzen
Vorderfusses. Sehr oft hatten die verstümmelten Extremitäten gar keine
J^arbe, so dass die Haut über den Stümpfen vollkommen glatt war. Dabei
waren die Stümpfe der Füsse ganz plump, stark geschwellt, hypertrophisch,
so dass sie mit ihrem plumpen, kurzen Aussehen wie Elephantenfüsse aus-
schauten. Die Ursache dieser Erscheinong dürfte vielleicht sein, dass in-
dem die Patienten den fehlenden Vorderfuss nicht mehr zur Stütze des
Körpers heranziehen können, die ganze Last nur auf dem Hinterfusse auf-
ruht, infolge dessen derselbe hyperämisch wird und anschwellt, wie eine
Art Activitäts-Hypertrophie. Jedenfalls durfte neben den anderen Ursachen,
die in der Krankheit begründet sind, die obenerwähnte die Hauptrolle
spielen.
Bei mehreren Anästhetikem findet man die Finger spindelförmig
aufgetrieben, wie auf einer Photographie ersichtlich, so dass dieselben am
Lebenden die Form der Spina ventosa darbieten. Wenn man aber die
Knochenpräparate ansieht, so kann man bemerken, dass diese Spinae nicht
wie bei der Tuberculose Hyperostose sind, sondern dass sie am Knochen-
präparate, wie aus den Abbildungen der Präparate aas Prof. Heiberg's
Laboratorium ersichtlich, wahrhafte echte Stacheln darstellen, welche von
der Basis der Phalange sich bis zur Peripherie gleichmässig verdünnen,
bis sie mit einer nadelfeinen Spitze enden. Dr. Lorand schlägt für diese
Bildungen den Namen „Spina leprosa" vor.
Indem nun diese deformen Knochenenden dünn wie eine Nadelspitze
sind, kann es leicht geschehen, dass die anästhetischen Patienten, welche
ohne Gefühl z. B. auf steinigen Wegen gehen oder mit den Fingern an
Gegenständen anschlagen oder überhaupt schädigenden Einflüssen ihre
Endglieder aussetzen, dieselbe einfach mechanisch abbrechen, so dass es
zu einer langsamen Abbröckelung ohne Narbenbildung kommt.
Die Contractur der Hände, die Klauenhand der Anästhetiker ist eine
einfache Ulnarlähmung. Man findet bei Lepra anästhetica wie bekannt
die Nerven, so besonders Ulnaris und Peronaeus degenerirt, infolge Läh-
mung des Ulnaris kommt es zur Contractur durch Wirkung der Anta-
gonisten.
Dr. Lorand fand sowohl in JerfsÖ als in Reitgjaerdet mehrere An-^
ästhetiker mit Pes varus.
Der Pes varus leprosus entsteht nach Meinung von Dr. Lorand
gerade so wie die Contractur der Hand durch Ulnarlähmung, so auch hier
durch Lähmung des Peronaeus und darauffolgender Wirkung der Anta-
gonisten. Indem die Mm. Peronaei gelähmt sind, bekommen die Antago-
nisten derselben, die Supinatoren, die Oberhand und es entsteht der Pes
varus leprosus.
der Wiener dermatologischen Gesellscliaft. X5X
An den Augen findet man bei Lepra die tuberöse und anästbetische
Form. Bei der ersteren findet man am Sderahrande der Cornea ein grau-
weisses sulziges Knötchen, welches sich immer weiter auf die Cornea er*
streckt und dabei Fon der Sclera aus beinahe fächerförmig wie bei Con-
jnnct. lymphatica Gelasse nach sich zieht. In weiterer Folge erstreckt sich
die Auflagerung, welche auch gleichzeitig in die Tiefe greift, auf die ganze
Cornea, welche von dieser fleischigen Masse bedeckt wird. Daneben be-
stellt Iritis, ciliare und conjunetivale Injection wie auch Lichtscheu und
Thränentraufeln wie auch Blepharospasmus.
Bei der anästhetischen Form wird die Zerstörung des Auges durch
£ctropium, Legophtalmus, Geschwüre der Cornea und recht häufig Xero-
phtalmus verursacht. Dabei konnte Dr. Lorand bei Xerophtalmus eine
beinahe perlmutterähnlich schimmernde Schichte über der Cornea be-
obachten, und die Patienten konnten den Unterschied zwischen HeD und
Dunkel noch erkennen.
Was die Statistik der Lepra in Schweden anbelangt, theilt Dr. L o-
rand mit, dass nach Angaben, welche er in Jerfsö gehört hatte, in ganz
Schweden 462 Fälle von Lepra bekannt wären.
Was die einzelnen Provinzen anbelangt, sind die Fälle folgender-
• massen vertheilt :
1 Fall in Gottland,
24 Fälle „ Vermland,
1 Fall „ Stockholm,
4 Fälle „ Bohuslän,
^ V n Upsalalan,
2 „ „ Jemtland,
11 „ 9 Meddelpad,
30 „ „ Dalekarlien,
1 FaU „ Blekkingen,
14 Fälle „ Angermannland (Wester Norrland),
3^9 Ealmarlän,
57 „ „ Helsingland.
Die Uebrigen dürften sich auf Lappland, Norrland und andere Pro-
vinzen vertheilen.
Bezüglich der 462 Fälle in ganz Schweden möchte Dr. Lorand
diese Zahl mit Vorsicht aufnehmen, bis nicht die ofQciellen Berichte über
die Lepra-Conferenz in Gefle, welche am 5. September tagte und deren
Berichte nicht vor Ablauf des Jahres publicirt werden, erschienen sind.
Bis dorthin möchte Dr. Lorand auf die Protokolle der Provinz Helsingland
hinweisen, nach welchen in Helsingland allein zwischen den Jahren 1864
bis 1892 412 Fälle vorgekommen. Wenn in einer Provinz allein innerhalb
28 Jahren so viele Fälle vorkamen, dürfte obige Zahl nicht so unwahr-
scheinlich sein.
Als Beweise der Vortheile der Intemirung von Leprösen in den
Leproserien fuhrt Dr. Lorand folgende Daten an:
152 Verhandlungen
Kacb der Errichtung der Leproserie in Jerfsö haben sich folgende
Veränderungen im Leprösen-Krankenstande innerhalb der einzelnen Ge-
meinden in Helsingland ergeben: Im Jahre 1874 gab es in der Gemeinde
Ljusdal noch 32 Lepröse, wovon 12 intemirt waren, im Jahre 1876 gab
es 26, im Jahre 1879 nur 17 und im Jahre 1885 gab es deren nur 16,
wovon 6 isolirt waren. Innerhalb 12 Jahren also hat die Krankheit um
60*/o abgenommen. In der Gemeinde Jerfsö gab es im Jahre 1889 23 Fälle ,
im J. 1881 16 Fälle und im J. 1885 nur 12.
Dr. Lorand erwähnt weiterhin, dass man von eingewanderter
Lepra in Schweden umso weniger sprechen kann, weil die wenigsten in
den an Norwegen angrenzenden Provinzen, die meisten aber im Herzen
Schwedens in Dalekarlien oder im Osten in Helsingland vorkommen. Dr.
Lorand bemerkt auch weiterhin, dass es keine Lepraliteratur über
Schweden gäbe, da in Schweden selbst nur 2 kleine Brochuren über diese
Frage erschienen sind u. zw. die eine von Dr. Öhrn über die Fälle in
Helsingland, die andere von Dr. Sederhol m, der als Dermatolog in
Schweden einen guten Ruf geniesst über die Fälle ausserhalb Helsingland.
Die Lepra in Norwegen betreffend gibt Dr. Lorand an, dass dieselbe
von 1377 Fälle im Jahre 1885 auf 800 Fälle in diesem Jahre zusam-
men geschmolzen ist, während im Jahre 1870 es 2607 Fälle gab.
Dr. Lorand erwähnt, dass unter 238 Fällen, die er in Schweden und'
Norwegen gesehen hatte, es nur 2 Kinder gab, welche auch unter allen
Leprösen in Norwegen die Jüngsten waren. Das eine war 9 J., das andere
12 J. alt. Beide waren in Keitgjärdet. Kinder scheinen gegen die Lepra
ziemlich widerstandsfähig zu sein. Was die Lebensstellung der Le-
prösen anbelangt, gab es im Jahre 1890 unter 505 Patienten 144 Hof-
bauer, 124 Kleinbauer und nur 25 Fischer und Seeleute. Wenn man in
Betracht zieht, dass man die Lepra besonders an den Küsten findet, ist
es sonderbar, dass man so wenig Fischer unter den Leprösen findet. Weiterhin
erwähnt Dr. Lorand mehrere Fälle von Ansteckung durch Lepra aus
Jerfsö, Reitgjärdet und Molde.
Die Isolation werde von den Patienten gut vertragen.
Dr. Lorand kommt schliesslich zu der Ueberzeugung, dass die
Lepra eine ansteckende Krankheit sei, deren Entstehung durch Ansteckung,
vielleicht durch angeerbte individuelle Anlage, dagegen aber ganz bestimmt
durch schlechte Ernährungs- und Wohnverhältnisse wie durch Mangel an
Reinlichkeit begünstigt wird.
Venerische Krankheiten.
(Redigirt von Prof. Neisser und Frimararit Jadassohn in Breslau.)
Therapie der Syphilis.
1. Foiimier, A. L'excision da chancre. Gazette hebdomadaire de Me-
decine et de Chirurgie. 1892. 22. Oct. Nr. 43.
2. SpiUmann, P. A propos de l'excision da chancre syphilitique. Mer-
credi m^dical 1892 p. 14.
3. Gerber. Zur Frage der Excision der Initialsclerose. Ther. Monatsh.
1892. Heft 10.
4. Waugh, W. F. Treatment of Syphilis. The Times and Register
Philadelphia. Nr. 741 p. Ö72.
5. Bontemps. Traitement regulier de la syphilis. Journ. med. et chir.
prat. Paris, 25. Sept. 1691 p. 719—720. Bef. im Journal des maladies
cutanees et syphilitiques. 1891 p. 697.
6. Greene, R. H. The treatment of Syphilid. (Read before the Nort-
western med. 20. April 1892.) The New York Medical Journal.
Nr. 780 p. 601).
7. Ehrmann. Die Principien der neueren Syphilisbehandlung. Centralbl.
f. ges. Therap. 1891. VI— XII.
8. Fr^mieourt. Considerations sur le traitement constitutionnel de la
Syphilis. These de Paris 1892.
9. Kuznitzky. Wie und wann ist Syphilis zu behandeln? Inaugural-
Dissertation. Strassburg 1892.
10. £tieiliie. Behandlung der Syphilis während der Schwangerschaft.
Annales de Gynec. et d'obstet. April 1892. Ref. The British Med.
Jonrnal. 6. Aug. 1892.
154 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
(1) Foarnier ist, wie bekannt, ein Oegner der Excision des
Schankers als Abortivbehandlang der Lues. In dem vorliegenden Auf-
satz hat er seine Anschauungen über diesen Gegenstand mit alter Meister-
schaft dargelegt. Er schildert zunächst die Methode, erwähnt schwer
stillbare Blutungen und Recidiye in loco als Nachtheile derselben, emp-
fiehlt, um eine Infection bei der Operation zu yerhindem, das Ulcus vor
der Evcision mit GoUodium zu bedecken oder auszubrennen, und gibt
dann einige Bemerkungen aus der Literatur: Crinelli fand unter 454
Fällen 102, Ehlers unter 447 Fällen 137 Misserfolge. Als Fehler bei
dem bisher vorliegenden Material bezeichnet er: 1. den unitarischen
Standpunkt mancher Autoren ; 2. die zu geringe Incubationszeit in vielen
Beobachtungen — als Minimum verlangt er 8 Wochen; S. die ungenü-
gende Beobachtung^zeit nach der Excision ~ er verlangt 6 Monate; 4.
das Fehlen der Confrontation in den meisten Fällen. Er fordert ferner
für weitere Beobachtungen den stricten Nachweiss, dass der Patient nicht
schon früher eine Lues durchgemacht hat.
Weiterhin bespricht Fournier eine Anzahl eclatanter Misserfolge
und schlechter Beobachtungen: In 6 Fällen, in denen die Gonfrontation
stattgefunden hat (Mauriac, Gibier, Rasori und Taylor) keine Goupirung
der Lues ; in einzelnen Beobachtungen (Mauriac, Rasori) trotz sehr früh-
zeitiger Excision dasselbe negative Resultat. Auch die Anschauung, dass die
Lues durch die Excision gemildert wird, wird durch Beispiele bekämpft.
Schliesslich betont der Verf., dass bei der ganzen Erörterung der
Frage der Fehler gemacht worden sei, dass man auf beiden Seiten von
aprioristischen Erwägungen an die Excision herangetreten sei, dass man
aber bei therapeutischen Fragen ganz besonders ohne alle Yomrtheile
vorgehen solle. Trotzdem er aus seiner praktischen Erfahrung heraus ein
Gegner der Excision sei, glaubt er doch, dass man sie in bestimmten,
allerdings seltenen Fällen versuchen solle, da die Frage noch nicht ge-
löst sei. Dabei soll man die obenerwähnten Momente berücksichtigen,
damit das weiterhin zu sammelnde Material werthvoUer werde, als das
bisher vorhandene. Er hält die Excision für „abusive presque puerile**,
wenn dielnduration schon wirklich ausgesprochen („nettement accentuee'),
die Drüsenschwellung schon ausgebildet, oder gar Beides der Fall ist;
eine 2. oder 8. Excision zu machen sei irrationell. Jadassohn.
(2) Spillmann ist ein energischer Gegner der Schanker-Excision
— er hält die Diagnose der Sclerose vor Auftreten der Allgemeinerschei-
nungen für zu unsicher, um irgend einer Statistik in dieser Beziehung
Werth beimessen zu können. Bleiben die secundären Symptome unbe-
achtet, so können sich tertiäre und Nachkrankheiten einstellen — der
Verfasser selbst hat in so behandelten Fällen Tabes oder cerebrale Lues
sehr früh auftreten sehen.
(3) Gerber theilt zwei Fälle mit, bei welchen trotz Excision der
Initialsclerose ~ in dem einen Fall war 1 Tag nach dem suspecten
Goitus nur eine Rhagade entstanden, die von selbst verheilte; trotzdem
wurde die ganze verdächtige Präputialhaut entfernt — syphilitische
der Syphilis. 155
AllgemeiDerscheicuDgen aufgetreten waren. G. warnt daher vor der £x-
ciaion der Sclerose, welche „die im Entree abgegebene Visitekarte eines
Gastes sei, der längst in das Innere der Wohnung eingedrungen ist.**
Karl Herxheimer.
(4) Waugh bringt seine syphilitischen Kranken unter den Einfluss
eines stark wirkenden Hg.-Präparates wie der blauen Pillen. Davon
nehme der Kranke 1*2—1*8 tagl. durchschnittlich. Man beginne mit 0*6
and steige tägL um 0*12. Sobald 1*2 tagL erreicht sind, zeigt sich häufig
Ptyalismus und Schwierigkeit, harte Nahrungsmittel zu beissen. Dann
höre man nicht gleich mit dem Hg.-Gebrauch auf, sondern gehe mit
der Gabe aaf 1*08 zurück und wenn nach wenigen Tagen der Spei-
chelfluss noch nicht geschwunden ist, vermindere man die Dosis auf 0*96 ;
dann pflegt der Speichelfluss zu weichen. Kehrt derselbe in 2 Wochen
nicht wieder, so gebe man wieder grössere Dosen. Die Verbindung der
blauen Pillen mit Opium ist möglichst zu meiden, damit das Hg. leichter
durch Kieren, Haut und Eingeweide eliminirt werde. Wie nützlich die
ungehinderte Elimination ist, beweisen die guten Erfolge der Thermen.
Nur scrophulöse Personen können Hg. nicht gut vertragen. Die grosse
Neigung spontanen Gewebszerfalls lässt in mi^nchen solcher Fälle die
Anwendung von Hg. nicht zu. Man nähre dann den Kranken gut,
gebe Chinin, Leberthran, Jodeisen, oder JK. oder JNa. Diejenigen, welche
Hg. durchaus nicht vertragen, müssen lange Zeit hindurch unter der Be-
einflussung von J.-Präparalen bleiben.
Gold- und Piatinasalze wirken ähnlich wie Hg., doch haben
sie keinerlei Vorzöge vor diesem und nur den Nachtheil des viel höheren
Preises.
Congenitale und Kindersyphilis wird wie die später erworbene
behandelt. Wenn es erwüoscht ist, mit der Behandlung schnell vorzugehen
wie bei Hirnsyphilis , sind Hg.-Inunctionen, subcutane Injectiouen,
Käucherungen und JK. in heroischen Gaben am Platze, damit die Hirn-
substanz nicht eine nicht wieder gut zu machende Veränderung erleide.
Auch Speichelfluss muss dann als das kleinere Uebel in den Kauf ge-
nommen werden. Ebenso wie Constitutionen, wird das Hg. auch local
angewandt. W. bevorzugt das Hg. bijodatum sei es in Lösang, sei es
als Salbe und lässt es im letzteren Falle mit Lanolin verreiben. Unter
allen Umständen ist es uothwendig, bei der Hg.-Behandlung weder zu
hastig noch zu furchtsam zu sein, da sie in beiden Fällen ihren Zweck
verfehlen würde. Loeser.
(5) Nach einer warmen Befürwortung einer mindestens 4 Jahre
hindurch fortgesetzten Behandlung der Syphilis macht Bontemps den
Vorschlag, den Patienten zur genauen Innehaltung der Termine ein ge-
drucktes Schema in die Hand zu geben, auf welchem nach Monaten die
einzelnen Behandlungsmethoden und die Ruhepausen angegeben seien.
Nach Fournier's und Martineau's Vorschlag verlangt er für das
erste Jahr 6 Monate Hg.-Behandlung, 8 Monate Jodkali und S Monate
Ruhe, für das zweite Jahr 2 Monate Hg., 5 Monate Jodkali und 5 Monate
156 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Ruhe, für das dritte Jahr 2 Monate Hg., 5 Monate Jodkali und 5 Monate
Ruhe in Verbindung mit Schwefelbädern, für das vierte Jahr 7 Monate
Jodkali, abwechselnd mit Ruhe und Schwefelbadern, ohne jedoch in
jedem Falle schematisiren und nicht je nach den Erscheinungen Ab-
weichungen gestatten zu wollen. Paul Neisser.
(6) Die Behandlung beginnt Green e gewöhnlich beim Erschei-
nen des Erythems ; früher nur dann , wenn eine grosse Ausdehnung,
gefahrlicher Sitz des Primäraffects oder bedeutende Vergrösserung der
Lymphdrüsen, die besonderen ehelichen Verhältnisse, Ungeduld des
Kranken, oder vorzeitiges Allgemeinleiden es verlangen. Im Beginu
kann man innerlich möglichst grosse Dosen des am wenigsten reizenden
Hg. -Präparates und zwar Hg. jodatum flav. in Verbindung mit Chin. ferr.
citr. und £xr. Hyoscyami geben. Die Dosis richtet sich nach dem
Kräftezustande des Kranken. In der Regel gebe man 2 — 3mal täglich
eine Pille zu 0*02; manchmal wirkt, wenn auch etwas mehr reizend, das
Tannat Smal täglich 0,03 besser. Besonders ist auf das Gesundbleiben der
Verdauungswege vom Munde bis zum Darm zu achten.
G. sah in einem Fall von Frühsyphilis, in dem das Protojoduret
nicht wirkte, vom Hydr. bijodat. in einer Mixtur zusammen mit 0,18 JK.
täglich (durch welche Verbindung das Hg. bijodat. besser resorbirbar
gemacht zu werden scheint) gute Resultate. Diese Behandlung wird
gegen 2 Monate unter sorgfaltigster Beobachtung gesundheitsgemässer
Lebensweise fortgesetzt. In dieser Zeit verschwindet gewöhnlich das
Erythem, sowie die Lymphdrüsenvergrösserungen. Solange noch die
Rundzelleniufiltration in der Cutis und deren Anhängen, Blutgefässen,
Talg- und Schweissdrüsen, sowie den Haarfollikeln besteht, scheinen
immer noch Herde für neue Infection gegeben und von diesem Gesichts-
punkte die Einreibung mit grauer Hg.-Salbe oder Hg.-OIeat wirksamer
zu sein. Von ersterer werden täglich 2,10 gebraucht und der Körper in
11 Sectionen eingetheilt. 1. Nacken und Kopf, 2. und 3. Arme. Flach-
häude und Achselhöhlen, 4. und 5. Beine und Fusssohlen, 6. und 7.
Lenden, Leistenbeugen und das Scarpasche Dreieck, 8. und 9. Brust und
Bauch, 10. und 11. der Rücken vom Nacken bis zur Glutäalgegend. In
eine dieser Theile werde jede Nacht die Salbe sorgfaltig eingerieben,
nachdem er vorher mit Seife und warmem Wasser und dann mit einer
27o Garbollösung abgewaschen ist. Der eiugeriebene Theil wird am
besten die Nacht über mit einem Handtuch bedeckt. Bei dieser Methode
soll der ganze Körper in 15 Tagen ev. mit einer Pause von 2—3 Tagen
eingerieben sein. Dann lasse man wieder eine Pause von wenigen Tagen
und eine 2. Reihe von Einreibungen folgen, darauf eine etwas längere
Pause. Nach 4 solchen Einreibungstouren, ca. 4—5 Monate nach dem
Auftreten des Erythems wird der Erfolg häufig ein überraschend
guter sein. Dann folgt nach einer Pause von 1 oder 2 Wochen eine
kürzere Reihe von Einreibungen und eine längere Pause oder man kehre
zeitweise zum Gebrauch der Pillen zurück. Eine sichere Wirkung ist
nicht zu erwarten, wenn nicht wenigpstens 40 Einreibungen gemacht
der Syphilis. 157
sind. Die Lymphdrüsenvergrösserung sei im Allgemeinen ein Massstab
für die Fortsetzung der Einreibungen. Im 2. Jahre gibt man dem
Kranken, wenn sein Zustand befriedigend ist, Hg. bijodat. im Durch-
schnitt 0,0075 in Verbindung mit JK. und einem Toni cum amarum.
Finden sich Zeichen einer neuen Eruption oder Lymphdrüsenvergrösserung,
dann kehre man zu den Einreibungen zurück. Wenn nach einer solchen
Methode der Kranke 2 Jahre von Anfang an behandelt ist, kann derselbe
als gesund und fähig, gesunde Nachkommen zu erzeugen erklärt werden.
Kommt der Kranke erst mit einem papulösen Exanthem in Behandlung,
dann folgen die Einreibungen hintereinander fort und ebenso wenn es
sich um ein pustulöses oder Rupia-Exanthem handelt. Solche Eruptionen
sieht man öfter bei Hospitalkranken, deren ausschweifende Lebensgewohn-
heiten und Unsauberkeit Gelegenheit zur Invasion pyogener Mikroben
geben. In solchen Fällen gebe man zuerst eine Einreibung von Hg.
praecipitat. alb. 1:8 Vaseline mit Hinzufügung von 27o Carbolsäure und
Zinkoxyd.
Für subcutane Hg.-Iajectionen wird nur Sublimat 0,02 täglich
oder einen um den anderen Tag mit genauen antiseplischen Vorsichtsmass-
regeln angewandt, doch kommt die subcutane Methode hauptsächlich nur
bei ausgedehnten Afifectionen oder wenn ein wichtiger Körpertheil
erkrankt, oder wenn Eile noth ist, besonders nur bei tieferen Läsionen in
Betracht.
Hg.- Räucherungen und Bäder werden nur in ganz besonderen Fällen
verordnet, wenn die Eruption sehr diffus ist und zur Pustel bildung
neigt. Ausserdem kommen noch häufige warme und kalte Bäder mit
Nutzen zur Anwendung.
JK. wird gegen die Spätformen und besonders gegen die Nerven-
syphilis entweder allein oder combinirt mit Hg. bijodat. angewandt.
Hg.-Einreibungen und subcutane Sublimatinjectionen kommen besonders
dann in Betracht, wenn die Syphilis schon in der Frühperiode die
Tendenz hat, die tieferen Gewebe zu ergreifen, oder wenn die Secundär-
erscheinungen recidiviren und hartnäckig der gewöhnlichen Behandlung
trotzen. Zum Schluss berichtet G. über einige Fälle, so über ein Ehepaar,
welches gleichzeitig im Verlaufe der Syphilis hemiplegisch wurde. Die
Erscheinungen gingen unter Hg.-Einreibungen und JK.-Gebrauch zurück.
Ein anderer Fall betrifft ein junges kräftiges Mädchen, das bei 7monat-
lichem Gebrauch von Hg. jodat. fiav. in Verbindung mit Chin. ferr. citr.
und Ex. Hyosc. Appetit und 16 Ffund ihres Körpergewichts verlor. Nach
Aussetzen des Hg.-Jodürs und unter Gebrauch von Eisen und Chinin besserte
sich der Zustand. Als sie nun mit Hg.-Einreibungen behandelt wurde,
erlangte sie ihre frühere Körperfülle und Gesundheit wieder. Dieser Fall
beweise, wie wenig nützlich es ist. Hg. unausgesetzt innerlich zu
geben. G. hat in vielen solchen Fällen, ohne dass Salivation dabei ent-
standen wäre, eine ungewöhnlich starke Anämie sich entwickeln sehen,
so dass sich zu dem toxischen Einfluss des Syphilisgiftes noch der des
Hg. addirt hatte. Aehnlich wie der letzterwähnte verhielt sich ein
158 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
anderer Fall, in dem der Primäraffect an der Lippe sass mit vielen
Plaques an der Zunge, dem Rachen und der Innenseite der Wangen. Alle
diese Theile wie der Kehlkopf waren sphr hyperämisch. Unter innerlichem
Jodquecksilbergebrauch wurde der Zastand und besonders die Laryn-
gitis, verbunden mit stürmischem Husten, immer stärker. Nachdem das
Mittel ausgesetzt, die betr. Schleimhaut local behandelt und Chin. ferr.
citr. gegeben wurde, übten die wiederverordneten Pillen eine günstige
Wirkung aus.
Ein letzter Fall endlich bezieht sich auf ein syphilitisches
Erythem, mit zugleich bestehenden Schmerzen im Kopf, Rücken und
den Beinen. Der Fall wurde mit JHg.-Pillen in Verbindung mit JK. er-
folgreich behandelt. Loeser.
(7) Ehr mann ist ein Gegner der Excision als Abortivcur, da er
der Ueberzeugung ist, beim Initialaffecte seien die Mikroorganismen
schon über die anatomisch veränderte Region gegen die Lymph-
drüse zu vorgedrungen. Tiefere Gründe gegen die Excision liegen
aber nicht vor, ein Yortheil liege in der Entfernung des Geschwürs und
schneller Heilung.
Eine Präventivcur will er nur bei Complicationen des Initialaffectes
eingeleitet wissen; dieselbe verhindere und mildere den Verlauf der secun-
dären Syphilis nicht.
Hierauf kommt E. auf die systematische Syphilistherapie zu
sprechen. Er bespricht die Applicationsweisen des Hg., deren Indicationen,
Vor- und Nachtheile, wobei er sich als Anhänger der Injectionen un-
löslicher Salze und des Ol. cinereum documentirt. Er plaidirt für aus-
schliessliche Hg. -Behandlung in der Secundärperiode ; „die Darreichung
von Jodpräparaten sei nur Zeitvergeudung^, erklärt sich aber als An-
hänger laDgwähr ender, also rein mercurieller intermittirender Behandlung
durch etwa zwei Jahre.
Die chronische intermittirende Behandlung habe den Vorzug, die
Häufigkeit hereditärer sowie maligner Lues herabzusetzen.
Finger.
(8) Fremicourt erörtert zunächst einige allgemeine Gesichts-
punkte der Pathologie der Syphilis, ohne wesentlich Neues vorzubringen.
Gelegentlicli der Behandlung der Initial-Sclerose streift der Verf. die
Frage, ob der Primäraffect der locale Ausdruck einer allgemeinen Er-
krankung ist und glaubt seinen Lehrern — Fournier und Leloir —
folgend, dies bejahen zu müssen, indem er die entgegenstehenden Inocula-
tionsversuche Pontoppidans u. A. für Inoculationen von Ghancres mixtes
erklärt, bei denen das noch virulente Ulcus molle-Gift die neue Affec-
tion an den Inoculationsstellen hervorgerufen hätte. Trotz dieser An-
schauung plaidirt Verf. für die Excisiou des Primäraffectes, falls dieser
gut gelegen ist, weil dadurch eine Verminderung der Zahl der
Infectionserreger erreicht würde, weil ferner der Primäraffect schneller
heile und ein Ansteckungsherd verschwände. Sobald die syphilitische
Natur der Erkrankung feststünde, sei mit Hg. zu beginnen ; Verf. empfiehlt
der Syphilis. 15 9
mehr die inteme als die subcutane Einverleibung, warnt vor zu grossen
Dosen und räth von vornherein zur Hebung der Verdauung und Er-
nährung Strychnin und Eisen zu geben. Die Jodsalze räth der Yerf. zur
Verbesserung der Blutbeschaffenheit auch in Frühstadion zu geben und
empfiehlt Jodnatrium, das besser vertragen würde als Jodkalium und
von dem er gute Erfolge gesehen habe. Für die Spätperioden fordert er
die Jodmedication dringend. Ebenso empfiehlt er sie in den Früh-
stadien bei den y^nervösen Beschwerden der Neurastheniker** , hier
besonders in Verbindung mit Brom oder kleinen Dosen Chloral-
bydrat.
Dann bespricht F. die Therapie bei den häufigsten Complicationen
der Syphilis und zwar besonders ausfuhrlich bei der Tubereulose. Nach
seinen Elrfahrungen ist bei Syphilis mit Tuberculose Jod — unterstützt von
Eisen, Chinin etc. — dringend zu empfehlen ; er warnt besonders vor dem
Laisser aller, wie es Viele wegen der vermeintlichen Trostlosigkeit der
Therapie lieben.
F. weist mit grosser Ausführlichkeit in der ganzen Abhandlung
darauf hin, wie enorm wichtig für eine rationelle Behandlung die Be-
rücksichtigung der Constitution des Patienten sei. Lasch.
(9) Nach einer kurzen historischen Üebersicht über die Syphilis-
literatur und einer Polemik gegen die Ansichten des allzu bekannten
Antimercurialisten Hermann in Wien entwickelt Euznitzky die
Principien, welche bei der Syphilistherapie in der Wo! ff sehen Klinik
maasgebend sind: Solerosen sind, so weit angängig, zu cxcidiren, da
doch immerhin die Möglichkeit vorhanden sei, eine Allgemeininfection
zu vermeiden, und eine glatte, schnell heilende Narbe der nur langsam
verheilenden Sclerose vorzuziehen sei. Mit der allgemeinen Behandlung
wartet Wolff bis zum Erscheinen der Secnndärerscheinung, welche er
dann meist mit Succinimid-Hg. (Hydrar^. succinimid. 0,5, Cocaini mur.
0,6, Aqu. dest. 50,0, 80 Injectionen ä 1,0) vornimmt, ohne jedoch den
Werth anderer Behandlungsmethoden, wie Einreibungscuren, Darreichung
von Jodpräparaten, Zittmann*scher Decocte gänzlich negiren zu wollen.
Im Laufe des ersten Jahres wird diese Cur gewöhnlich noch einmal
wiederholt und dann, falls keine neuen Erscheinungen auftreten, mit
der Behandlung gänzlich aufgehört, da Wolff gegen eine chronische,
oontinuirliohe Behandlung (auch bei Fehlen von Erscheinungen) ist.
Paul Neisser.
(10) E t i e n n e fand auf Grund einer grossen Statistik eine enorme
Sterblichkeit der Kinder bei nicht behandelter Lues der Mutter. Er
constatirt, dass der Foetus gemeinhin im 5.-7. Monat befallen wird.
Wird die Mutter innerhalb der ersten 8 Monate der Gravidität inficirt
und bleibt sie unbehandelt, so stirbt das Kind wohl ausnahmslos. Je
später die Infection der Mutter, desto besser für das Kind. Jeden-
falls räth E. zur Behandlung der Lues einer graviden Frau.
Lascb.
Buehanzeigen und Besprechungen.
Prof. Dr. Moriz Kaposi. Pathologie und Therapie der Haut-
krankheiten in Vorlesungen für praktische Aerzte nnd Studie-
rende. Vierte umgearbeitete und vermehrte Auflage. Wien
und Leipzig. Urban und Schwarzenberg 1893.
Besprochen von Prof. F. J. Pick in Prag.
Kaum sind sieben Jahre verflossen^ seit wir im Jahrgange
1886 dieses Archiv die erste Hälfte der eben erschienenen dritten
Auflage und im Jahrgange 1887 die zweite Hälfte der 3. Auflage
von Kaposi's Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten zur
Anzeige brachten und schon liegt uns die vierte Auflage
des Buches vor. Das ist gewiss bei einem Buche, das nicht den
ersten Bedürfnissen eines Studierenden genügen will, vielmehr
einen verlässlichen Wegweiser dem vorgeschrittenen Arzte darbietet,
ja vermöge der hervorragenden Stellung des Autors, dessen Ansichten
Über die Materie kennen zu lernen ein BedUrfniss des Fachmannes
ist, ein ausserordentlicher Erfolg. Was wir damals bei unserer
Besprechung gesagt haben, war voll der Anerkennung und des
Lobes und hat heute bezüglich der vierten Auflage uneingeschränkte
Geltung. Aber auch einige Desiderata von damals blieben für die
vierte Auflage theilweise bestehen, ja in mancher Beziehung in
erhöhtem Grade. Wenn wir seinerzeit gesagt haben, „dass es den
gewiegten Lehrer und den die ganze Materie beherrschenden selbst-
ständigen Forscher charakterisirt, dass er neue wohlfnndirte Lehren
willig aufnimmt und an die Stelle der früheren setzt, nicht genügend
gestützte dagegen nur als solche behandelt, die beachtet zu werden
aber nicht zu ersetzen geeignet sind" und hinzugefügt haben „die
Beurtheilung dessen, was in die eine, was in die andere Kategorie
von Forschungsresultaten zu stellen ist, natürlich dem Ermessen
des Autors überlassen bleibt'', so müsste man doch annehmen
Bucbanzeigea und Besprechungen. 161
dürfen, dass dieses eigene Krmessen dort seine Grenze findet^ wo
der Autor die seiner früheren Ansicht entgegenstehende, theilweise
oder ganz , schon concedirt hatte. Wir könnten mehrere der^
artige Fülle namhaft machen, wollen uns aber auf den eclatan-
testen Fall beschränken. Während der Autor die tuberculöse Natur
des Lupus, in seinem Keferate über Tubcrculinbehandlung am
Congresse der Deutschen dermatologischen Gesellschaft in Leipzig
1891, voll und ganz anerkannt hat, derart, dass ich selbst unter
allgemeiner Zustimmung der Versammlung meiner Freude Ausdruck
gab über „die nun in aller Form erfolgte Einbekenntniss der
tuberculösen Natur des Lupus durch Kaposi'' und so dieses
wichtige Einbekenntniss, um es vulgär auszudrücken, annagelte,
finden wir, dass der Autor in dieser vierten Auflage von der
Anerkennung der tuberculösen Natur dieses Leidens viel weiter
entfernt ist, als selbst in der dritten Auflage. Wer wollte dem
Autor das Recht bestreiten, innerhalb der Zeit von 1891 bis zur
Ausgabe seiner vierten Auflage, 1893, sich wieder eines Anderen
besonnen zu haben, dann aber hätte der Autor die neuen Gründe
für eine solche Sinnesänderung, klipp und klar darlegen sollen, ich
habe aber trotz eifrigen Suchens nichts derartiges gefunden.
Trotz alledem bleibt unser Urtheil über die Vortrefflichkeit
des Buches, dessen Schwerpunkt in der ausgezeichneten Schilderung
der Krankheitsbilder liegt, aufrecht. Für diese meisterhafte Darstel-
lung, für die aus reicher Erfahrung und sorgfältiger Prüfung her-
vorgegangenen therapeutischen Rathschläge, zollen wir dem Autor
grössten Dank. Die Ausstattung des mit zahlreichen Abbildungen
versehenen Buches ist vortrefflich.
B. E 0 b e r t. Gompendium der Arzneiverordnungslehre fär Studie-
rende und Aerzte. Zweite erweiterte Auflage mit 1*21 Abbild.
Stuttgart. Ferd. Enke 1893.
Besprochen von Dr. Spietschka in Prag.
Dieses Buch ist aus Cursen hervorgegangen, welche der auf
dem Gebiete der Pharmakologie hervorragende Verfasser bereits vor
etwa 15 Jahren in Halle, und seitdem wieder etwa 15 mal in
Dorpat gehalten hat. Das Buch enthält einen allgemeinen und einen
specielien Theil. Li dem einen sowie im anderen findet nicht nur
jeder Arzt und Student das Wichtigste und Nothwendige, aucJi
Archiv f. Dermatol. u. Syphil. Band XXVI. n
162 Buchanzeigen und Besprechungen.
dor SpqcialiBt wird darin selbst die all erneuesten Mittheilungen
über die auf seinem Gebiete empfohlenen Arzneiverordnungen
Aufschluss erhalten, wobei das Gebiet der Dermatologie besonders
berücksichtigt erscheint, lieber die officinellen Präparate, deren
Zusammensetzung und Bereitungs weise angegeben ist, sind am
Ende eines jeden Capitels zahlreiche Beispiele angeführt ; dabei
scheint uns von Wichtigkeit, dass bei diesen Beispielen nicht nur
die Indicationen angegeben sind, sondern auch die Preise der ein-
zelnen Recepte berücksichtigt wurden. Forner war der Verfasser
bemüht, in übersichtlicher Weise eine Tabelle z\i liefern, welche
die wissenschaftlichen Bezeichnungen der modernen Vulgärnamen
von Arzneimitteln enthält. Das sehr gut ausgestattete Buch ist
mit über hundert gut ausgeführten Abbildungen versehen. Wir
kcinnen das Buch nicht nur dem Anfänger und Praktiker, sondern
auch dem Specialisten wärmsten» empfehlen, und sind überzeugt,
dass alle den gewünschten Aufschluss in kurzer aber klarer Weise
erhalten werden.
T. Barth^lemy. Etüde sur le Dermographisme ou Dermoneurose
toxivasomotrice. Soci^te d'6ditions scientifiques. Paris, Ruc
Antoine Dubois 4. 1893. 293 S., 17 Tafeln.
Angezeigt von Dr. Friede! Pick in Prag.
In dieser elegant ausgestatteten Monographie gibt B. ein über-
sichtliches Bild des jetzigen Standes der Kenntnisse über die so
vieldeutige Affection der Dermographie. Neben der Erörterung der
Symptomatologie und der Pathogenese dieses dunklen Symptomen-
complexes, für welche er zahlreiche neue Beobachtungen und Experi-
mente beibringt, hat er auch der historischen Seite — in Bezug
auf den Zusammenhang mancher Befunde in Hexenprocessen mit
der vorliegenden Affection — Beachtung geschenkt. Ein ausführ-
liches Literaturverzeichniss, sowie mehrere instructive Photographien
erhöhen den Werth der verdienstvollen Monographie.
Varia.
Bei der Redaction eingelaafene Bücher:
Archive» des scienccs biologiques public» par l'Institut imperial de
medecine expcriraentale a St. Petersbourg. Tome II Nr. 1 und 2.
ßlascbko Dr. A.: Syphilis und Prostitution vom Standpunkte der öffent-
lichen Gesundheitspflege. Berlin 1893. S. Karger.
Barthelemy T. fitude sur le dermographismc ou dermoueurose toxi-
vasomotrice. Paris 1893. Societe d^editions scientifiqueB.
Czermak Prof. Dr. W.: Die augenärztlichen Operationen. Heft 1 bis 4.
Wien 1893. Karl Gcrold's Sohn.
Finger Dr. E. : Die Blennorrhoe der Sexualorgane und ihre Coniplica-
tionen. 8. Aufl. Leipzig und Wien 1893. Franz Deuticke.
J e s 8 n e r Dr. S. : Hautkrankheiten einschliesslich Syphilide und Cosraetik.
Königsberg i. Pr. Ferd. Beyer. 1893.
Kaposi Prof. Dr. M. : Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten.
4. Aufl. Wien und Leipzig 1893. Urban und Schwarzenberg.
Kopp Dr. C. : Atlas der Geschlechtskrankheiten. München. J. F. Leh-
mann 1894.
Kopp Dr. C: Atlas der Hautkrankheiten. München. J.F.Lehmann 1893.
Kobert Prof. Dr. R.: Compendium der Arzneiverordnungslehre für Stu-
dierende und Aerzte. 2. Aufl. Stuttgart 1893. Ferd. Enke.
Kraft -Ebing Prof. Dr. R. v.: Lehrbuch der Psychiatrie auf klinischer
Grundlage für prakt. Aerzte und Studierende. 5. Aufl. Stuttgart 1893.
Ferdinand Enke.
L ef e r t Paul Prof. Dr. : La Pratique Dermatologique et Syphiligraphique des
Hopitaux de Paris. Paris 1893. J. B. Bailliere et Fils.
Lapin A. : Zur Pharmakologie der Camphergruppe. Jurjew 1893.
G. Mattiesen.
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Weber Mathilde: Aerztinen für Frauenkrankheiten. 5. Auflage. Berlin
1893. L. Oehmigk.
Alle bei der Redaction in zwei Exemplaren eingelanfenen
Druckgaehen gelangen hier znr Anzeige und znr eventuellen
Besprechung.
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Afchiv f Deiinai'-lc^iiL- 1; SypNr],. Band XXVJ,
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Archiv r Derm,i1oloqre II Sypililisßand XXVI. , .
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P Tommasoli Epilhelioma verrucos abortiv
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Archiv f Dermatologie u Syphiirs Band XXV].
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Archiv fDermaiologteu Syphilis Band XXVI,
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Archiv ' D'F'iiritul.-gip II Syphilid Ban.-- XXM
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Kaposi . Acne leleangiectodes
Originalabhandlungen .
Archiv fllr Dormatol. n. Syphll. Band XXVI. ^2
Extragenitale Syphilisinfection. 539 Fälle.
Von
Dr. Rudolf Krefting,
I. AssisteDsarzt an der üniTenitttaUinik für Hantkranke In Chrlstiania.
Die extragenitale Syphilisinfection muss einen jeden prak-
tischen Arzt ebenso sehr interessiren wie den Fachmann, da es
im Allgemeinen jetzt dessen Sache sein wird, bei Zeiten eine
richtige Diagnose zu stellen, um den localen Epidemien vorzu-
beugen, die oft eine Folge davon sind, dass ein solcher Fall
unbeachtet bleibt.
Im Allgemeinen ist es jedoch so, dass der Arzt erst um
Rath gefragt wird, nachdem die Krankheit secundäre SjTnptome
gezeigt hat und in der langen Zeit, die verstreicht vom Beginn
der primären Wunde bis zum Erscheinen der secundären Symp-
tome, ca. 6 — 8 Wochen, ist die Krankheit oft bereits auf ver-
schiedene Arten weitergeführt.
Die Berichte über die gi'ossen Syphilisepidemien, die am
Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts ganz Europa
heimsuchten, scheinen darauf hinzudeuten, dass diese Krankheit,
die man damals gern Morbus gallicus benannte, sich vielleicht
ebenso sehr auf extragenitalem als auf geschlechtlichem Wege
ausbreitete.
Wenn man sieht, wie häufig die extragenitale Infectionsart
selbst in unserer aufgeklärten Zeit ist, wird man sich nicht
wundern über eine so heftige epidemische Ausbreitung, wenn
man ausserdem die Intensität und Bösartigkeit berücksichtigt,
die die Krankheit zu jener Zeit zeigte. Erst später hat die
12*
168 Krefting.
Kranldieit ihre jetzige mildere Form angenommen, die eine
Abschwächung des Änsteckungsstoffes voraussetzen lässt.
Die Auffassung der Krankheit zu jener Zeit scheint völlig
correct gewesen zu sein, indem die auf diesem Gebiete reiche
Literatur jener Zeit den vermutheten Ansteckungsstoff als fix
bezeichnet, übertragbar nur durch directe Berührung, meistens
durch Coitus, aber auch durch Kuss, Säugen, vom Kinde auf
die Amme, durch Blasinstrumente, Ess- und Trinkgeräthschaften.
(Johann Almenar 1502, de Vige 1513, Fracastorius u. A.) ')
Die bekannten interessanten Mittheilungen von W. B o e ck *)
über die Radesyge, die nichts anderes als verkannte Syphilis,
zeigen, dass die Krankheit am Schlüsse des vorigen und zu
Anfang dieses Jahrhunderts hier im Laude in einer Weise auf-
trat, die stark an die soeben erwähnte grosse europäische Epi-
demie erinnerte, obschon sie derselben an Litensität und Bös-
artigkeit nachgestanden zu haben scheint.
Dass die extragenitalen Infectionsarten eine wesentliche
Bolle spielten, geht deutlich aus Boeck's obenerwähnter Ar-
beit hervor.
Um der um sich greifenden Epidemie Abhilfe zu schaffen,
wurde im Jahre 1778 von der Administration eine königliche
Commission, aus 5 Mitgliedern bestehend, ernannt, die die Ki'ank-
heit erforschen und Bestinmiungen treffen sollte, die darauf
zielten, die weitere Ausbreitung derselben zu verhindern und
die Erkrankten zu heilen.
Die Commission verschaffte sich durch die Bischöfe Ant-
wort auf verschiedene gestellte Fragen und aus den Berichten
der Geistlichen geht hervor, dass die meisten die Radesyge
richtig als venerische Krankheit aufgefasst haben.
Es geht ferner aus diesen Berichten hervor, dass die
Krankheit sich über ganz Norwegen, mit Ausnahme von Ost-
Finmarken, verbreitet hatte.
Die Commission zeigte jedoch geringe Kritik bei der Be-
nutzung der vielen guten Aufklärungen, die sie sowohl von
') Kaposi. Syphilis. 1891 p. 7.
*) Boeck et Danielsse n. Recueil d'observations sur maladies de
la peau. Christiania 1860.
Extragenitale Syphilisinfeetion. 539 Fälle. 169
Aerzten als auch von Geistlichen erhalten, und verwechselte
Radesyge mit der Lepra, indem sie die Lepra für einen höheren
Entwicklungsgrad der Radesyge ansahen. Diese Auffassung ging
auch später in die ausländische Literatur über.
Die Berichte der Geistlichen zeigen auch, dass man schon
damals völlig aufmerksam war auf die extragenitalen Ueber-
tragungsarten. Ein Geistlicher in Oerkedalen berichtet demge-
mäss, dass die Krankheit vor 14 Jahren durch eine Amme aus
Tönseth, nach dort gebracht sein sollte. 100 — 200 erkrankten.
Der Pfarrer Abildgaard auf Röraos berichtet : „Die Krank-
heit ist vor etwas über 20 Jahren von einer Frau aus Drontheim
hierhergeschleppt worden. Es sind jetzt 100 Erkrankte. Sie
hat sich besonders auf die Weise verbreitet, dass ein mit der
Seuche behaftetes Kind von einer gesunden Frau gesäugt
worden, die dann sofort angesteckt wurde; oder ein gesundes
Kind ist von einer kranken Frau gesäugt worden und ist selbst
angesteckt worden und hat seine Eltern angesteckt."
Dieser Bericht ist von einem Geistlichen im
Jahre 1778 geliefert, während die grössten Pariser
Syphilidologen diese Verbreitungsart bestritten
haben und erst im Jahre 1859 sich für die Conta-
giosität der secundären syphilitischen Fälle er-
klärten.
Dass eine jede beliebige zugängliche Stelle am mensch-
lichen Körper der Sitz für die syphilitische Primäraffection sein
kann, ist bereits von Hunter ausgesprochen worden; aber die
Literatur der letzten 20 Jahre hat erst eine grössere Menge
extragenitaler Infectionen mitgetheilt mit Angabe des Sitzes
der Primäraffectionen und der Infectionsarten. Diese Literatur
ist von Pospelow übersichtlich gesammelt und im Archiv für
Dermatologie und Syphilis 1889, p. 235 mitgetheilt.
In der Literatur der verschiedenen Länder wird eine grössere oder
geringere Anzahl von extragenitalen Infectionen mitgetheilt, aber irgend
welche grössere gesammelte Angaben solcher Fälle, verglichen mit den
gleichzeitig vorgekommenen Fällen von genitalen Infectionen, liegen nur
in dürftiger Anzahl vor.
Es ist in in dieser Literatur besonders Gewicht gelegt auf seltene
Localisiningen von Primäraffectionen und seltene Infectionsarten. Was die
meisten Länder anbetrifft, finden sich keinerlei zuverlässige Angaben über
170 Krefting.
die absolute oder relative Häufigkeit der extragenitalen Infectionen. von
Broich') hat in dieser Beziehung versucht, die verschiedenen Länder
zu vergleichen.
Einzelne Schriftsteller aus verschiedenen Ländern berichten freilich
eine grosse Anzahl von, in einem bestimmten Zeitraum vorgekommenen,
extragenitalen Infectionen, geben jedoch nicht an, wie viele Fälle . von
gewöhnlichen genitalen Infectionen gleichzeitig behandelt wurden.
In Cop,enhagen scheint die extragenitale Infectionsart nicht häufig
zu sein, indem Bergh von 1872 — 86 unter 431 Fällen von frischer Sy-
philis nur 5 extragenitale Schanker observirte.
In Wien constatirte Mraöek in Sigmunds Klinik bei Männern
l^'o und bei Frauen 14*/, extragenitaler Infection.
Aus Amsterdam werden von einer dortigen Klinik unter einer
kleineren Anzahl Infectionen im Jahre 1886 — 87 10*/« extragenital Infi-
cirte gemeldet, 4% von den männlichen und lö*/« von den weiblichen. Von
Doutrelepont's Klinik in Bonn berichtet von Broich, dass vom
1. April 1888 bis 1. April 1889 unter 115 Fällen von frischer Syphilis nicht ein
einziger Fall von extragenitaler Infection vorkam; dagegen vom 1. April
1889 bis 1. April 1890 unter 120 Fällen 11 Initialsclerosen — 3 bei Män-
nern und 8 bei Frauen — ca. lO*/,.
Man kann doch aus diesen Berichten nicht allzu viel schliessen,
wenn schon man wohl berechtigt sein darf anzunehmen, dass diese extra-
genitale Infection, wenigstens in den obenerwähnten Ländern, nicht so
häufig gewesen ist, dass sie sich irgena welche besondere Aufimerksamkeit
zugezogen hätte.
Was Frankreich und besonders Russland anbetrifft, so haben
die extragenitalen Infectionen sich mehr Aufmerksamkeit zugezogen, indem
auch von diesen Ländern derartige statistische Berichte vorliegen, dass
dieselben einen Begriff geben können von dem Verhältniss zwischen der
Häufigkeit der genitalen und der extragenitalen Infectionsart. Die grösste
gesammelte französische Statistik ist von Jullien. *)
Genitale Schanker Extragenitale Schanker
Frauen .... 277 61
Männer . . . 1700 65
1977 126
Von sämmtlichen sind 5*7 7o extragenital angesteckt. Unter den
Frauen 187« und unter den Männern 3*607o.
Von Russland liegen statistische Mittheilungen von einer Menge
von Aerzten vor. Was die grossen Städte anbetrifft, so scheinen die extra-
genitalen Infectionen nicht so sehr häufig zu sein, obschon die Angaben
sehr verschieden lauten.
*) Ueber extragenitale Syphilisinfection. Archiv f. Denn. u. Syph.
1890 p. 497.
•) JuUien. Maladies veneriennes. 1886, p. 528.
Extragenitale Syphiüsinfection. 539 Fälle. 171
AoB Moskau (dem J^ässnitzky^sohen ErankenhauB) liegen Berichte
von Pospelow*) über 198 Fälle von extragenitalen Infectionen vor, die
im Laufe von 10 Jahren beobachtet worden, doch ist nicht angegeben
wie viele genital Inficirte gleichzeitig behandelt wurden. Es wird aber
ausgerechnet, dass jährlich 15 bis 25 Personen aus der Arbeitsciasse auf
unschuldige Weise inficirt werden.
Vom Alexanderhospital in St, Petersburg gibt Petersen*) das
procentweise Yerhältniss der extragenital zu den genital Angesteckten auf
1,9% an.
Prof. Gay') gibt den Procentsatz der extragenitalen Infectionen
in Russland für Männer mit 3,87, for Frauen mit 18,9 7o ^^» Diese Zahlen
entsprechen sowohl Julliens als auch meiner Statistik.
In Cronstadt finden sich nach einem Berichte von Bogolubow
über 753 Fälle von Syphilis nur 4 extragenitale, 0,507o-
Aus Riga liegen Berichte vor, die auf 1,3% lauten.
In Samora fanden sich nach Wirpscha*) im Laufe von 10
Jahren unter 5147 Fällen 249 extragenitale, also 4,46 Vo-
Die Berichte aus den grösseren Städten erscheinen also keineswegs
auffallend.
Dagegen lauten die Berichte aus den Landdistricten und Dörfern
fast unglaublich, indem die Krankheit danach viel häufiger auf extrageni-
talem als auf genitalem Wege übertragen wird.
Aus verschiedenen Gouvernements werden 75*/«, ja sogar bis 90 7o
extragenital Inficirte gemeldet.
Da es wünschenswerth sein wird, von den verschiedenen
Ländern umfassende Mittheilungen über das Vorkommen der
extragenitalen Syphilisinfection zu erhalten, die sich auf Be-
obachtungen während eines längeren Zeitraums stützen, habe
ich, um meinen Beitrag dazu zu geben, die Journale der Uni-
versitätsklinik aus einem Zeitraum von 25 Jahren durch-
gearbeitet und dadurch ein gutes Material zur Beleuchtung
dieser Frage für Norwegen oder richtiger für dessen Hauptstadt
gefunden.
Das Hospital hat ausser den Patienten aus der Stadt selbst
auch solche aus den nächsten Landdistricten aufgenommen, so
dass die Statistik nicht nur eine reine Stadtstatistik wird.
In dem obengenannten Zeitraum sind behandelt worden:
2916 Patienten mit Syphilis, genital inficirt.
*) üeber extragenitale Syphilisinfection. Dieses Archiv 1889.
*) Monatsh. f. prakt Dermatol. 1888 p. 807.
') Ref. in diesem Archiv 1889 p. 240.
♦) dto.
172
Er ef ting.
Von diesen waren 1354 erwachsene Männer und 1562
Frauen, die alle erwachsen waren, mit Ausnahme von 4 (eine
7 Jahre, eine 11, eine 12 und eine 14 Jahre alt.)
In demselben Zeitraum befanden sich im Hospital: 539
Patienten, die auf extragenitalem Wege inficirt
worden — also l5,67o ^o^ sämmtlichen Kranken waren extra-
genital angesteckt.
Von diesen waren 292 Erwachsene, wovon 61 Männer,
231 Frauen und 247 Kinder und zwar von letzteren 117 Knaben
und 130 Mädchen.
Die extragenitale Infectionsart zeigt sich, wenigstens in
Betreff der im Hospital Behandelten, bei Weitem häufiger
unter den Frauen als unter den Männern, welcher
Umstand auch den an anderen Orten gemachten Beobachtungen
entspricht (vgl. oben erwähnte Angaben von Jullien).
Auf 1354 genital inficirte Männer kommen nur 61 extra-
genital inficirte d. i. 4,3%? während auf die 1562 genital inficirten
Frauen 231 mit extragenitaler Infection d. i. 12,87© kommen.
Diese Zahlen entsprechen den Angaben Julliens ziem-
lich genau.
Was die Kinder anbetrifft, findet man ebenso viele Knaben
als Mädchen behandelt.
In dem genannten Zeitraum von 25 Jahren hat die Häufig-
kieit der extragenitalen Infectionen bedeutend varürt, wie solches
aus nebenstehender Tabelle hervorgeht.
1867
1868
1869
1870
1871
Grenital
angesteckt
Extragenital an-
gesteckt
Erwachsene
Kinder
M&nnl.
Welbl.
Summe' M&nnl.
68
74
79
73
78
69
75«)
69
74')
44
137
149
148
147
122
3
3
2
6
1
Weibl.
MInnl.
Weibl.
a
B
0
OD
6
10
3
15
21
7
3
10
8
19
9
9
10
8
8
25
25
25
37
49
si •
«S 9
M u
15%
14
14
20
29
') Ein Mädchen, 7 Jahre alt, genital inficirt.
') 12j ähriges Madchen, genital inficirt.
Extragenitale Syphilisinfection. 539 Fälle.
173
1
1
1
Grenital
angesteckt
Extragenital an
gestellt
-
Summe
! — ^
1 XZ
1 WS
i f* ®
1 Sg
1
Erwachsene
Kinder
1
1
MAunl.
Weibl.
Summe
Ifinnl. Weibl. Mftnnl.
Weibl.
1872
51
22
73
4
10
8
1
7
1
29
28%
1873
1
25
46
71
6
7
4
4
21
23
1874
27
49') 76
2
8
5
4
19
1 20
1875
18
25
43
—
12
6
4
22
34
1876
24
37
61
1
8
—
1
10
14
j 1877
36
57
93 '
4
5
1
1
10
10
1878
45
65
110
2
11
3
1
2 ,
18
14
1879
48
93 141
77 142
4
11
5
5
25
19
15
1880
65
1
11
4
3
12
1881
64
61
125
1
10
4
5
1 20
30
13
1882
; 79
73
152
; 3 14
5
8
, 16
, 1883 j
57
66
123
1 2 6
5
6
19
12
1884
42
55
97
1 11
8
9
29
' 23
1885
35
68
103
1
9
1
3
14
12
1886 1
25
61 j 86
1
11
4
6
22
20
1887
40
49
89
4
5
1
4
; 14 '
: 14
1888
44
63
107 1
1
1
4
1
2
8 '
7
1889
57
77 j 134
1 3
1
8
4
6
21
' 14
1890
101
96
197 1
2
9
2
5
18
8
: 1891
1
99
91') 190 1
1 1
3
6
—
1
! 10 ,
! 5
' Total i
1
1
1354
1562
2916
1
61
231
1
117
130
539 !
1
1 15-67.
1
1 1
Wie man sieht, ist die relative Häufigkeit der extrageni-
talen Lifectionen im Jahre 1875 am grössten gewesen, indem
von 65 Behandelten 22 mit extragenitaler Infection d. i. 34%
waren, während die absolut grösste Anzahl von extragenital
Inficirten im Jalire 1871 behandelt wurde, nämlich 49 Fälle.
Das procentweise Verhältniss war in dem Jahre jedoch
nicht mehr als 297o-
^) lljähriges Mädchen, genital inficirt.
^) Hjähriges Mädchen, genital intirirt.
1 74 K r (' f t i n g.
In den letzten 4 Jahren des erwähnten Zeitraums sieht
man ein bedeutendes Fallen in der absoluten und relativen
Häufigkeit extragenitaler Infectionen, während die Anzahl der
genital inficirten Patienten in diesen Jahren eine bedeutende
Steigerung aufweiste.
Die Ursache der Steigerung in der Anzahl der Letzteren muss
in der im Jahre 1888 erfolgten Aufhebung der controllirten Prosti-
tution gesucht werden, während ich mir gedacht habe, dass das be-
deutende Abnehmen der extragenitalen Infectionen seinen Grund
haben muss in der Furcht vor ansteckenden Krankheiten, welche
die Lehre von den Bakterien selbst bei dem weniger aufge-
klärten Theil der Bevölkerung hervorgerufen hat. Besonders
hat vielleicht ein bei uns von den Aerzten eingeführtes Tuber-
culose-Placat zu grösserer Vorsicht mit Rücksicht auf Essge-
räthschaften etc. beigetragen.
In der obenerwähnten Arbeit von Pospelow über extra-
genitale Syphilis in Moskau sehen wir, dass der Verfasser der
Meinung ist, dass Syphilis insons von Jahr zu Jahr häufiger
wurd, ohne dass hierfür Zalilenangaben geliefert werden.
Gleichwie Pospelow 's Patienten, gehören auch fast
sämmtliche in der Universitätsklinik wTgen extragenitaler Sy-
philis Behandelte der Arbeitsciasse an.
Wenn man die gi-osse Häufigkeit von extragenit. Syphilis-
Infection bei uns sieht, sollte man geneigt sein zu glauben, dass
die untere Schicht der Bevölkerung Norwegens in socialer
Beziehung ebenso niedrig stände, wie die derselben entsprechende
Classe der russischen Bevölkerung.
Dies ist jedoch keineswegs der Fall, indem die arbeitenden
Classen in Norwegen und Russland in Bezug auf Aufklärung
kaum einen Vergleich dulden.
Auch sind diese Fälle fast ausschliesslich in der Haupt-
stadt oder in der Nähe derselben vorgekoiomen, wäJirend man
wolü sagen darf, dass das Vorkommen der Syphilis im übrigen
Lande im Ganzen genommen selten ist.
Nach den Berichten aus Russland dagegen scheint dort
die Landbevölkerung und die kleinen Dörfer besonders heim-
gesucht zu sein.
^
Extragenitale Syphilisinfection. 539 Fälle. 175
Das oben erwähnte reiche Material könnte dazu auffordern,
die klinischen Symptome hervorzuheben, welche für die extra-
genitalen Infectionen charakteristisch sind, sowie die Primär-
affectionen genauer zu beschreiben.
Pospelow hat in seiner Arbeit in diesem Archiv die
Ur die extragenitalen Syphilisinfectionen charakteristischen Kenn-
Mchen — gesammelt aus einem Material, ungefähr dem meinigen
itsprechend — so ausführlich besprochen, dass ich gut darauf
iweisen und nur in aller Kürze die verschiedenen Localisa-
nen besprechen kann.
Bei 280 Fällen d. i. gut die Hälfte der besprochenen 539
«genitalen Infectionen sehen wir, dass der Sitz der Primäraffection
bigenden Stellen beobachtet worden:
Lippen, inbegriffen die Mundwinkel, 142 Fälle, wovon 112 Er-
3ene und 30 Kinder. Von den Ei'wachsenen 35 Männer und 77 Frauen.
Zahnfleisch: 1 Fall, ein erwachsener Mann.
Zunge: 11 Fälle, 6 Erwachsene, 5 Kinder. Von den Erwachsenen
uier und 3 Frauen.
Rachen: 58 Fälle, Erwachsene 52, Kinder 6. Von den Erwach-
9 Männer und 43 Frauen.
Brustdrüsen: 58 Frauen.
Kinn: 1 Fall, eine Frau.
Stein: 1 Fall, ein erwachsenes Mädchen.
Pars capillosa: 2 Fälle, ein Mann und ein erwachsenes Mädchen.
Popletaea: 1 Fall, eine Frau.
Abdomen: 1 Fall, ein Mann.
Finger: 4 Fälle, 3 Männer und eine Frau.
Lippeninfection ist somit unbedingt die am häufigsten vorkommende
extragenitale Infectionsart. Demnächst kommen Rachen- und Brustdrüsen-
Infection, die gleich häufig sind.
Es ist anzunehmen, dass der grösste Theil der 259 Fälle — 57
Erwachsene und 202 Kinder — wo der Sitz der Primäraffection nicht
observirt worden ist, auf die eine oder andere Weise per os inficirt worden
und die Krankheit wird in diesen Fällen ihren Invasionsort wesentlich
zwischen dem Rachen und den Lippen getheilt haben, so dass die wirkliche
Anzahl von Lippen- und Rachen- Infectionen bei Weitem grösser sein
wird als die aufgegebenen Zahlen.
Von den bekannten extragenitalen Infectionen sehen wir 51 7o von
Lippeninfection, 20^^ von Racheninfection, 20% von Brust-
drüseninfection und 3,57o von Zungeninfection repräsentirt.
Die Diagnose dieser an den verschiedenen Stellen localisirten
Primäraffectionen hat in der Regel keine Schwierigkeiten geboten und
wii*d für Syphilidologen nur ausnahmsweise solche darbieten ; während der
gewöhnliche praktische Arzt und besonders vielleicht der Hausarzt der
176 Krefting.
Gefahr ausgesetzt ist, allzn lange mit einer sicheren Diagnose zu warten,
indem er sich so lange als möglich scheut vor dem Scandal, zu dem eine
solche Diagnose in der Familie des Betreffenden oft Veranlassung geben
könnte.
I
Infectionen durch den Mund. — Lippeninfection. |
I
Auf den Lippen sieht man die syphilitische Neubildung sich auf !
eine charakteristische Weise entwickeln.
Die Bezeichnung „das primäre Syphilom", die übrigens auf eine
jede Primäraffection passen dürfte, scheint hier besonders bezeichnend
wegen des in die Augen fallenden und prominirenden Aussehens des
Lippenschankers.
Bei den 142 Fällen von Lippeninfection, wo die Primäraffection
observirt worden, ist deren Sitz aus folgender Tabelle ersichtlich.
Erwachsene Kinder Summe
HXnnl. Weibl. Hinnl. Weibl.
Oberlippe 16 48 7 5 76
Unterlippe 15 23 4 7 49
Mundwinkel 1 6 5 4 16
01)er- und Unterlippe . — 1 -— — - 1^
32 78 16 16 142
Während nach Julliens Statistik Schanker auf der Unterlippe bei der
Frau häufiger als auf der Oberlippe zu sein scheint, zeigen die obenste-
henden Zahlen das umgekehrte Yerhältniss, indem gerade die Oberlippe
am häufigsten der Sitz für die Primäraffection unter den Frauen war.
Was die Männer anbetrifft, zeigen Ober- und Unterlippe dieselben
Zahlen, dasselbe Yerhältniss, w^elches auch Julliens Statistik aufweist.
Die unbehandelten Lippenschanker zeigten stets eine mehr oder
weniger dicke Kruste und beim Ablösen derselben fand sich entweder
nur eine Erosion oder eine tiefere Wunde von knorpelartiger
Consistenz mit scharfer Begrenzung und von braunrother
Farbe.
Die Secretion aus der Wunde gewöhnlich spärlich und dünn.
In den meisten Fällen ist die Induration charakteristisch und
leicht wie ein Knoten zu fühlen gewesen. Oft sind die Patienten erst unter
Behandlung gekommen, wenn die Krankheit so weit vorgeschritten, dass
nur Reste der Induration zu fühlen waren.
Solche Reste einer Induration haben oft, wenn man wegen der
Infectionsart in Zweifel gewesen, solche in's Reine gebracht.
Während man behaupten kann, dass bei Erwachsenen die Induration
stets vorhanden gewesen, scheint dieselbe dagegen bei Kindern oft ent-
weder zu fehlen oder so unbedeutend gewesen zu sein, dass sie übersehen
worden.
Die Zahlen zeigten femer, dass Lippeuschanker nur bei 32 Kindern
observirt worden, während solcher gleichzeitig bei 109 Erwachsenen beob-
achtet wurde.
Extragenitale Öyphilisinfection. 539 Fälle. 177
Die wirkliche Anzahl von Lippeninfectionen bei Kindern ist sicherlich
bedeutend grosser, da nicht weniger als ungefähr 200 Kinder per os infi-
cirt worden, ohne dass der Sitz der Primäraffection observirt worden.
Es ist anzunehmen, dass der grösste Theil dieser Kinder seine
Primäraffection auf den Lippen oder im Rachen gehabt hat. Nur verhält-
nissmässig wenige haben solche vermuthlich auf der Zunge oder an anderen
Stellen der Mundhöhle gehabt.
Auch muss man annehmen, dass ein Theil der 57 Erwachsenen, die
durch den Mund angesteckt worden, ohne dass die Primäraffection obser-
virt wurde, durch die Lippen inficirt worden sind.
Die Diagnose auf Lippenschanker bietet in der Regel keine Schwierig-
Ifeiten, indem dieselbe gewöhnlich schon von Weitem gestellt
werden kann, in demselben Augenblicke, wo der Patient beim
Arzte in die Thüre tritt.
Wenn derselbe in seiner vollen Entwicklung auf seinem Höhepunkt
ist, gibt er der Lippe ein auffallend asymmetrisches Aussehen.
Sitzt er mitten auf der Oberlippe, steht dieselbe wie ein formlicher
Schnabel hervor. Zuweilen hat derselbe kolossale Dimensionen gezeigt mit
indurativem Oedem in grosser Ausstreckung um die Wunde herum.
Das beste pathognomonische Zeichen für Lippeninfection muss in
der holzharten Geschwulst der Submaxillar- und Halsdrüsen,
besonders auf der Seite, wo die Primäraffection ihren Sitz
hat, gesucht werden.
Die Drüsen haben oft mehr als die Grösse eines Taubeneis erreicht,
fast in sämmtlichen Journalen erwähnt.
Die Deformation des Halses, welche dii« asymmctiische Drüsen-
geschwulst hervorgerufen hat, wird auch oft in den Journalen genannt.
Bei einzelnen Fällen sieht man jedoch, dass die Submaxillardrüsen
am meisten geschwollen waren just auf der entgegengesetzten Seite des
Sitzes der Primäraffection.
Wenn somit, wie es zuweilen der Fall gewesen, die Spuren der
IMmäraffection wenig deutlich sind, so gibt die regionäre, einseitige
Drüsengeschwulst die sichersten und besten Aufklärungen über die Inva-
aionsstelle der Krankheit.
Es sind demgemäss Fälle vorgekommen, wo bedeutend einseitige
Geschwulst der Submaxillar- und Halsdrüsen vorhanden war, während
gleichzeitig die Leistendrüsen nicht geschwollen waren.
Wenn dann ein einigermassen glaubwürdiger Patient erklärt eine
Wunde auf der Lippe gehabt zu haben, lange bevor die secundären Aus-
brüche kamen, so kann mau, selbst wenn keine bedeutende Spur vom
Lippenschanker vorhanden, auf die Invasionsstelle der Krankheit schliessen.
Das Zuheilen der auf der Universitätsklinik behandelten Lippen-
flchanker ist verhältnissmässig langsam vor sich gegangen.
Quecksilberbehandlung, die die Neubildung am schnellsten zum
Schwinden bringt, ist principiell sehr selten angewandt worden.
178 Krefting.
Rachenin fection.
Von unzweifelhaften Racheninfectionen sind in dem oben erwähnten
Zeitraum 58 F ä 1 1 e observirt worden. Die Primäraffectionen sind, wenigsten»
in den besser observirten Fällen, stets Tonsillarschanker gewesen, die sich
zuweilen mehr oder weniger nach den anstossenden Gaumenbögen oder
dem am nächsten gelegenen Theil von Uvula verbreitet haben. In 36 Fällen
ist der Sitz des Tonsillarschankers erwähnt, indem er in 15 Fällen auf
der rechten, in 21 Fällen auf der linken Tonsille gesessen hat.
Von diesen 86 Fällen waren 28 erwachsene Frauen, 4 Männer und
4 Kinder. Von Pospelow^s 50 Fällen waren 14 Männer und 36 Frauen.
Die rechte TonsiUe ist nach Pospe low die am häufigsten afficirte,
während Obenstehendes zeigt, dass die linke am häufigsten angegriffen wird.
Man sieht, dass die Weiber der Ansteckung bedeutend mehr aus-
gesetzt sind, als die Männer.
Nur in einem Falle scheinen beide Tonsillen Sitz für die Pri-
märaffection gewesen zu sein.
Die Anzahl der Racheninfectionen bei den auf der Universitätsklinik
behandelten extragenitalen Infectionen ist freilich bedeutend grösser als
die oben genannte, da ein grosser Theil sich vermuthlich der Aufmerk-
samkeit entzogen hat.
£s ist anzunehmen, dass ein grosser Theil der früher erwähnten
57 Erwachsenen und 19f) Kinder, die per os angesteckt waren, ohne dass
der Sitz der Primäraffection observirt worden, durch den Rachen inficirt
worden.
Pospelow fand, dass fast die Hälfte der Iniectionen per os Rachen-
infectionen waren.
Die genauer beschriebenen Fälle von Tonsillarschankem schreiben
sich besonders von den Journalen der letzten 10 Jahre her, indem diese
Infectionsart früher wenig bekannt war und sich wenigstens keine besondere
Aufmerksamkeit als eine häufige Infectionsart zugezogen hat.
Unsere eigene medicinische Literatur zeigt, dass bei uns kleine
Epidemien vorgekommen sind, wo die Infection zweifellos durch den
Rachen vor sich gegangen ist.
In P o s p e 1 o w's sehr umständlicher Literaturangabe sind Berichte aus
Norwegen von Boeck, Malm und Graarud erwähnt über 15 Fälle von
Tonsillarschanker, in der Privatj^raxis beobachtet. Die Ansteckung war in
diesen Fällen theils durch Essgeräthschaften, Tabakspfeifen, Kuss über,
tragen worden. 1 Fall durch Pflege eines syphilitischen Kindes.
In Bezug auf die Symptomatologie bieten die auf dem Hospital
observirten Fälle von Tonsillarinfcctionen nichts besonderes dar.
Von subjectiven Symptomen sind allerdings Beschwerden beim
Schlucken in den meisten Fällen en^^ähnt, doch haben dieselben für den
Patienten nichts besonders Eigenthümlicbes dargeboten und sind auch nicht
immer vorhanden gewesen. Dieses erste Symptom für Tonsillarinfection
wird von dem Patienten selbstredend im Allgemeinen als auf einem ge-
wöhnlichen Halsübel beruhend angesehen und daher übersehen.
Extragenitale Syphilisinfection. 539 Fälle. 179
£in solcher Patient, der umher geht ohne etwas von seinem Ton-
sillarschanker zu wissen, ist selbstredend eine für die Gesellschaft gefahr-
liche Person.
Selbst wenn ein solcher Patient einen Arzt consultirt, wird er
vielleicht in den meisten Fällen als an Angina oder Diphtheritis leidend
angesehen.
Eine nicht geringe Anzahl der imHospital behandelten
Falle haben erst ihren Weg nach dem Diphtheritlazareth
gemacht, ehe die richtige Diagnose gestellt worden.
Ans Pospelow's Arbeit scheint hervorzugehen, dass die Diagnose
der primären Bachen wunden keine Schwierigkeiten verursachen sollte. Die
Diagnose lässt sich auch meistens mit Leichtigkeit stellen, wenn man hinzu-
kommt zu einer Zeit, wo die besonders charakteristischen Symptome noch
vorhanden sind.
Ist die Primäraffection einseitig und sitzt dieselbe auf der einen
Tonsille, wie solches gewöhnlich in den Journalen beschrieben worden,
ist die Diagnose verhältnissmässig leicht.
Die einseitige Geschwulst und Hyperämie der Tonsillen,
die sich oft, scharf begrenzt, bis auf die Gaumeubögen und gegen die
Uvula erstreckt, ist von grosser diagnostischer Bedeutung und gibt dem
ganzen Rachen ein auffallend asymmetrisches Aussehen.
Wenn hierzu wie in den oben erwähnten besser observirten Fällen
von einseitiger Tonsillarinfection starke Geschwulst der Submaxi Uardrusen,
besonders derjenigen hinter Angulus maxillae sowie der lateralen Hals-
drüsen auf derselben Seite wie die Primäraffection, kommt, so bietet die
Diagnose keine Schwierigkeiten.
Solange die Krankheit noch verhältnissmässig neueren Datums war,
waren die Drüsen von einer knorpelharten Consistenz und bildeten oft
grössere Packete, die Veranlassung zu einer auffallenden Deforma-
tion des Halses waren noch mehr als bei Lippenschanker, indem
die lateralen Halsdrüsen längs M. stemo-cleido-mastoid. den ganzen Hals
hinunter, oft geschwollen waren.
Oft sieht man, dass die syphilitische Primärwunde auf den Ton-
sillen ziemlich tief gewesen mit Gangrän des Gewebes und wird dann
mit einer schmutzig grauen Schicht belegt sein.
Induration der Wunde ist oft gefühlt worden, aber man darf
nicht verlangen, dass dieselbe stets zu fühlen ist.
Die Schwierigkeit bei der Diagnose auf Tonsillarschanker wird
selbstredend grosser, wenn derselbe doppelseitig ist.
Unter den beobachteten Fällen sieht man nur einen Fall, wo die
Primäraffection auf beiden Tonsillen beobachtet worden.
Der doppelseitige Tonsillarschanker wird die grössten Schwierig-
keiten in Bezug auf die Diagnose darbieten können.
Ausser dem Gedanken an Diphtheritis wird man auch dieAufinerk-
samkeit auf Ulcerationen im Rachen hingewendet haben können, die in
der secundären Periode vorkommen.
180 Krefting.
Die Glandelgeschwulst am Halse und hinter Angulus maxillae wird
beim doppelseitigen Tonsillarschanker auch auffallend sein, ohne jedoch
eine besondere Asymmetrie der Halspartie hervorzurufen.
Bei einem solchen weniger klaren Falle wird man doch stets An-
haltspunkte für die Diagnose finden, wenn erst der Verdacht auf Syphilis
erweckt ist.
Zungeninfection.
Diese Infection ist, wie man sieht, bei 11 Fällen — 6 Erwachsene
und 5 Kinder — beobachtet worden. Von den Erwachsenen 3 Manner
und 3 Frauen. £s sind theils indurirte Wunden, theils indurirte
Narben auf der Zunge beschrieben.
Bei zweien der Kinder ist der Sitz der Primäraffection auf der
Zunge nur aus der Krankheitsgeschichte aufgeklärt. Im Allgemeinen
sind mehr oder weniger (reschwulst oder Submaxillardrüsen erwähnt,
besonders auf der Seite, wo die Primäraffection gesessen hat, ebenso wie
auch gewöhnlich asymmetrische Geschwulst der Halsdrüsen
vorhanden gewesen.
Zahnfleisch.
Nur in einem Falle, bei einem erwachsenen Manne, sehen wir, dass
die Primäraffection auf dem Zahnfleisch am Oberkiefer über den Vorder-
zähnen gesessen hat. Da eine jede Wunde an dieser Stelle wegen der
anatomischen Verhältnisse sich hart anfühlen wird, hat das sonst patho-
gnomonische Zeichen in Bezug auf diese Localisation keine diagnostische
Bedeutung.
Bedeutende Geschwulst der Submaxi Uar- und Nuchaldrüsen, beson-
ders auf der linken Seite sind im Journal erwähnt.
Brustdrüseniufection.
Die gesammelte Anzahl von beobachteten Brustdrüseninfectionen war
58, dieselbe Anzahl wie die von Racheninfectionen.
In 19 Fällen waren die rechten und in 27 die linken Mammae der
Sitz der Primäraffection und in 6 Fällen beide. In 6 Fällen ist es nicht
aufgeklärt, auf welcher Brust dieselbe gesessen.
Das primäre Syphilom nahm meistens die Basis der Brustwar-
zen ein, indem es sich bis über die eine Hälfte der Brustwarze erstreckte.
Zuweilen konnte die Affection sich rings um die Basis der Brustwarze
erstrecken. Meistens hatte die Wunde eine mehr oder weniger unregel-
mässigc Halbmondform.
So lange sie nicht unter Behandlung waren, zeigten die primären
Wunden sich mit einer blutigenKruste belegt. Beim Entfernen derselben
wies die Oberfläche der Schankerwunde eine dunkelrothe Farbe auf.
Induration war «tets mehr oder weniger deutlich vorhanden.
Einige Patienten kamen in^s Hospital mit indurirten hyperämischen
Narben nach längst zugeheilten Schankem. Diese waren lange zu sehen
und zu fühlen im Verlaufe der Krankheit.
Die Wunden an den Brustdrüsen heilten stets ohne grosseren Sub-
stanz verlust.
Extragenitale Syphilisinfection. 539 Fälle. Igl
Die Axillardrüsen auf derselben Seite werden stets als geschwol-
len erwähnt.
Nicht selten werden eine Reihe geschwollener Drüsen längs
Musculuspectoralis auf derselben Seite erwähnt. Wenn Primärwunden
auf beiden Mammae vorhanden waren, waren auch die Drüsen in beiden
Axillen geschwollen, jedoch nicht gleich stark auf beiden Seiten«
Die Diagnose der syphilitischen Primäraffection an den Brustdrüsen
bot niemals Schwierigkeiten, da sowohl Induration als auch charakteri-
stische Drüsengeschwulst stets deutlich ausgesprochen vorhanden war,
selbst ziemlich lange Zeit nach der Infection.
Andere Localisationen der Primäraffection.
An den Fingern ist der Sitz der Primäraffection in 4 Fällen ob-
servirt worden: 2 Männer und 2 Frauen. Bei den beiden Frauen sass die
Aifection auf dem rechten Zeigefinger. In Bezug auf den einen dieser
Fälle ist eine Reihe geschwollener Drüsen nach dem rechten
Cubitus zu sowie geschwollene Axillarglandeln erwähnt.
Von den Männern hatte der eine die Primäraffection am rechten
Ringfinger, der andere am rechten Zeigefinger. Cubital, Axillardrüsen sind
besonders erwähnt als geschwollen auf beiden Seiten.
In Betreff des einen ist auch Geschwulst der Pectoraldrüsen
auf derselben Seite erwähnt. Im Uebrigen scheint die Primäraffection an
den Fingern kein besonderes charakteristisches Schankeraussehen dargeboten
zu haben. Die Glandelgeschwulst muss hierbei entscheiden.
Als ein Beispiel, wie leicht ein solcher Fingerschanker übersehen
werden kann, will ich einen Fall anfuhren, der mir zufallig von einem
GoUegen gezeigt wurde. Es war ein Bäcker, der sich bei dem betreffenden
CoUegen unter Behandlung befand wegen secundärer Syphilis, ohne dass
es aufgeklärt wurde, auf welche Weise die Krankheit erworben worden.
Um seinen rechten Zeigefinger hatte der Patient einen kleinen Verband
und gab an, einen „Wurm am Finger** zu haben.
Der Arzt hatte auch seit einiger Zeit diesen Verband bemerkt, aber
nicht näher den Finger angesehen.
Ausser einer Wunde an der äussersten geschwollenen Phalanx
waren harte Geschwulste einiger Drüsen auf der Innenseite des Unterarms
gegen den Cubitus, sowie geschwollene Axillardrüsen zu fahlen.
Der Invasionsort der Krankheit war klar.
Auf Parscapillata war die Primäraffection in 2 Fällen observir t,
bei einem erwachsenen Manne und einer Frau. Was den Mann betrifft,
sind die Cervicaldrüsen als besonders geschwollen erwähnt.
Was die Frau betrifft, ist Geschwulst der Nucal - Cervicaldrüsen
bes. auf der rechten Seite auch der Submaxillar- und Axillardrüsen erwähnt
Am Kinn ist indurirter Schanker bei einer 28jährigen Frau ob-
servirt. Es waren geschwollene Drüsen vor dem rechten Ohr beobachtet.
Submaxillar- und Submentaldrüsen geschwollen, auch einige Geschwulst
der Leistendrüsen. In einem Falle bei einer Frau sieht map, dass die
Arehir f. D^rmatol. n. Syphll. Band XXVL J3
182 Krefting.
Primäraffection auf der Aussenseite der rechten Hand gesessen hat, bei
einer anderen Frau in Poplitaea.
Die Art der Ansteckung.
Mit Ausnahme von ungefähr 100 Fällen liegen für sämmt-
liehe oben genannte Fälle von extragenitaler Infection Aufklä-
rungen über die Art der Ansteckung vor. Die Journale geben
schon gleich vom Anfang der ersten Jahre des genannten Zeit-
raums an gute Aufschlüsse in dieser Beziehung. Die Infectionen
pr. OS, die zusammen ungefähr ^/j sämmtlicher Fälle aus-
machen, schreiben sich theils von Ess- und Trinkgeräthschaften,
tlieils von Küssen her, in Betreff einiger Säuglinge vom Saugen
und einiger Erwachsener von Pfeife oder Cigarre.
Unter den Erwachsenen, die speciell als durch Kuss
angesteckt angegeben sind, befinden sicli 14 Männer und
87 Frauen. Von den letzteren sind 8 aufgeführt als von ihren
respectiven Verlobten angesteckt. Diese Ali; der Uebertragung
ist jedoch vermuthlich weit häufiger, als diese Zahlen angeben.
Besonders muss diese Infectionsart unter Kindern vorge-
kommen sein bei Haus- und Familienepidemien.
Uebertragung durch Pfeife oder Cigarre ist nur in
5 Fällen nachgewiesen.
Es ist anzunehmen, dass bei uns Mund- und Racheninfec-
tion durch perversen geschlechtlichen Umgang nicht vorgekom-
men ist. In keinem Falle ist Ansteckung durch Blasinstru-
mente oder andere Geräthschaften nachgewiesen.
Als angesteckt beim Säugen liegt vollständige Aufklä-
rung bei 19 Kindern vor.
Auch ein erwachsenes Mädchen ist, wie man sieht, dadurch
angesteckt worden, dass es an den Brüsten einer syphyli-
tischen Wöchnerin gesogen (um sie vom Andrang der Milch zu
befreien). Eine bei weitem grössere Anzahl Kinder ist walir-
scheinlich auf diese Weise angesteckt worden, da es sehr ge-
wöhnlich unter dem Volke ist, dass die Weiber, wenn sie ein-
ander besuchen, fremden Kindern die Brust reichen. Dies
wird fast als ein Beweis von Artigkeit angesehen.
Extragenitale Syphilisinfection. 539 Fälle. 183
Es ist auch allgemein unter der arbeitenden Classe, dass die
Kinder von den Nachbarinen gesäugt werden, die sie warten,
wenn ihre Mütter nicht zu Hause sind.
Fast sämmtliche Infectionen pr. os, die nicht auf eine der
eben genannten Arten vor sich gegangen, müssen auf die eine
oder andere Weise durch Ess- und Trinkgeräthschaften
geschehen sein.
Wenn man annimmt, dass ^4 sämmtlicher extragenitaler
Infectionen auf diese Weise vor sich gegangen sind, so glaub©
ich, dass man der wirklichen Anzahl ziemlich nahe kommt.
Es ist anzunehmen, dass einige kleine Kinder — wie
solches auch zuweilen nachgewiesen ist — beim Essen angesteckt
sind, ohne dass ein Löffel gebraucht wurde, indem es nicht
ungewöhnlich ist, dass Mütter oder Pflegerinen das Essen erst
kauen, bevor sie es den Kindern in den Mund stecken.
Unter den oben erwähnten 58 Fällen von Brustdrüsen-
infection ist eine Frau, die dadurch inficirt worden, dass sie
sich von einem erwachsenen syphilitischen Mädchen an den
Brüsten saugen liess.
Die übrigen sind beim Säugen inficirt, theils von fremden
Kindern und zwar am häufigsten von hereditär syphilitischen,
theils von ihren eigenen Kindern, die die Krankheit erworben,
indem sie von syphilitischen Frauen gesäugt worden oder ange-
steckt wurden durch Kuss oder durch Essgeräthschaften von
Pflegerinen oder Geschwistern.
Bei einem grossen Theil der oben besprochenen Fälle
ist ausser der Infectionsart auch nachgewiesen, von wem die
Ansteckung herrührte, besonders in Betreff der Kinder.
73 Kinder werden ausdrücklich als von ihren Müttern
angesteckt angeführt, die wiederum meistens von ihren Männern
genital angesteckt worden.
13 Kinder von ihren Eltern angesteckt (Beide liaben die
Krankheit gehabt), 37 Kinder von Pflegerinen und Dienst-
mädchen angesteckt, 19 Kinder sind angegeben als beim Säugen
angesteckt, dagegen nur ein Kind durch die Amme (der Gebrauch
von Ammen ist ungeheuer selten bei demTheile der Bevöl-
kerung, der die Hospitalkundschaft bildet).
13*
184 Krefting.
Bei 14 Kindern ist nur nachgewiesen, dass sie der An-
steckung ausgesetzt gewesen. 4 Kinder von Logirenden ange-
steckt.
Unter den Erwachsenen sind 35 Frauen angegeben als
von Pflegekindern angesteckt.
13 Dienstmädchen und Pflegerinen von syphilitischen
Kindern angesteckt.
Wie aus Vorstehendem hervorgeht, sind die Kinder der
unteren Classen der Bevölkerung verhältnissmässig sehr der
Gefahr ausgesetzt, von Syphilis insons angegriffen zu werden.
Syphilitische Kinder ringsum in den kleinen ärmlichen
Wohnungen sind besonders gefährlich und sind oft Veran-
lassung zu grösseren Haus- und Familienepidemien.
In dem obenerwähnten Zeitraum finden sich in den Jour-
nalen gute Aufschlüsse über 22 grössere Haus- und Familien-
epidemien, wo Kinder und Erwachsene um einander angegrifien
worden sind.
Verlauf und Behandlung der Krankheit.
Was den Verlauf der Krankheit anbetrifft, so scheint ein
verhältnissmässig grosser Theil der beobachteten extragenital
inficirten Fälle schwere Formen mit starken Exanthem- Aus-
brüchen und Iriten gezeigt zu haben, gleichwie der Aufenthalt
im Hospital in der Regel bedeutend länger gewesen ist, als
bei den genital Inficirten.
Besonders scheinen Brustdrüseninfection und Lippenin-
fectionen bei Erwachsenen oft Anlass gegeben zu haben zu
schwerer Syphilis mit verhältnissmässig späten Recidiven. Diese
Beobachtungen sind auch völlig übereinstimmend niit den
Observationen Anderer. Was die bei secundärer Syphihs ge-
brauchte Behandlung angeht, weist dieselbe wesentlich von
der allgemein gebräuchlichen ab, indem Quecksilbermittel nur
ausnahmsweise angewandt worden sind.
Jodkalium ist dagegen fast immer benutzt worden in allen
Fällen, die Tendenz gezeigt haben, sich in die Länge zu ziehen.
Im Uebrigen ist stets wesentlich Gewicht auf eine roborirende
Behandlung mit Eisen und Chinin gelegt worden.
Extragenitalc Syphilisinfection. 530 Fälle. 185
Bei Iriten sind Atropin, Vesicatoren und Blutigel an den
Schläfen sowie Jodkalium angewandt worden.
Seit W. Boecks Zeiten ist die Quecksilberbohandlung
selten auf der Universitätsklinik angewandt worden.
Es wäre daher sehr am Platze, die Resultate der Be-
handlung daselbst mit den Resultaten der Mercurialbehandlung
an anderen Orten zu vergleichen.
Die Schwierigkeiten, die sich darbieten, wo es gilt, einen
bestimmten Schluss aus einem solchen Vergleich zu ziehen, ei^-
scheinen mir indessen so ungeheuer gross, dass ich mich nicht
daran wagen will.
Dennoch glaube ich aussprechen zu können, dass die meisten
Syphilidologen sich schwerlich die Möglichkeit denken werden,
so gute Resultate zu erzielen mit einer Behandlung, die man
zunächst als expectativ bezeichnen muss.
Allgemeine Bemerkungen.
•
Ohne dass von Seiten der Oe£fentlichkeit besondere Ver-
anstaltungen getroffen worden, sieht man in den letzten 4 Jahren
eine bedeutende Abnahme der im Hospital behandelten Fälle
von extragenital Inficirten.
Die Gesammtzahl der Behandelten hat dagegen in dem-
selben Zeitraum bedeutend zugenommen, so dass die Ab-
nahme in der Anzahl der extragenitalen Infectionen in gar
keinem Verhältniss zum Vorkonmien der Syphilis überhaupt
zu stehen scheint. Das starke Steigen in der Anzahl der
genital Inficirten zu erklären fällt nicht schwer, indem dies
mit der Aufhebung der Controle der Prostitution in Ghristiania
im Jahre 1888 zusammenfiel, seit welcher Zeit die Controle nur
auf Angabe der Ansteckungen basirt gewesen.
Die Ursache der gleichzeitigen bedeutenden Abnahme
der Anzahl von extragenital Inficirten erscheint dagegen räthsel-
haft und muss vielleicht in einer, in der letzteren Zeit unter
dem Volke mehr verbreiteten Kenntniss ansteckender Krank-
heiten überhaupt gesucht werden.
Besonders glaube ich, dass die Furcht vor Ansteckung,
welche in der letzteren Zeit auch unter der unteren Bevölke-
186 Krefting.
rung der Tuberculose gegenüber hervorgebracht worden, zu
grösserer Reinlichkeit und Vorsicht im Hauswesen beigetragen
hat, 60 dass man in Betreff der Syphilis insons eine auffal-
lende Wirkung der Ansteckungsfurcht spüren kann.
Da es sich besonders oft gezeigt hat, dass die erste An-
steckungsquelle zu den erwähnten Haus- und Familieepidemien
ein ausgesetztes hereditär syphilitisches Kind gewesen, so liegt
hierin eine Aufforderung zu strenger ärzthcher Controle solcher,
meistens aussereheUch geborenen, Kinder. Selbst Kinder, die
im Hospital behandelt und als geheilt entlassen wurden, haben
zuweilen, nachdem sie hinausgekommen sind, die Krankheit
weitergebracht.
Selbst solche, aus dem Hospital als geheilt entlassene Kinder
müssen daher regelmässiger ärztlicher Untersuchung unterworfen
werden, gleichwie die Umgebung ernstlich auf die Gefahr der
Ansteckung aufmerksam gemacht werden muss.
Bemerkungen zur Behandlung der Nasen-
höhlensyphüis.
Von
Dr. Schnster in Aachen.
Eine Reihe von Fällen ernster syphilitischer Erkrankungen
der Nasenhöhlen, die mir in der letzten Zeit wieder in ver-
mehrter Weise zur Behandlung zugegangen sind, haben mir den
Beweis geliefert, dass sowohl in Bezug auf Diagnose dieser
Affectionen eine sichere Untersuchungsweise noch lange nicht
Oemeingut der Aerzte geworden ist, als auch zum Theil wohl
in Folge dessen die Behandlung eine sehr wenig genügende ist.
Zu diesem Schlüsse wird man gezwungen, wenn man z. B. bei
einem Kranken, der soeben wegen seines Nasenleidens eine sechs-
wöchentliche Inunctionscur mit dem angeblichen Resultat
„geheilt" beendet hat, nicht allein die des Septums und der
unteren Muscheln beraubten Nasenhöhle voller klebrig schmieriger
Borken sieht, sondern auch nach deren Entfernung granulirende
blutende Schleimhaut- und cariöse Knochenflächen vorfindet;
oder wenn man z. B. Fälle sieht, die mehrere Jahre örtlich
und allgemein specifisch behandelt wurden, und es zeigen sich
dann, wie in einem Falle aus dem Lande Mackenzies und Hut-
chinsons neben wallnussgrosser Perforation des Palatum durum,
Verwachsung des Velum mit der hintern Pharynxwand, Caries
necrotica in verschiedenster Richtung und Ausdehnung der
Nasenhöhlenwandungen nebst fauligem, foetidem Gerüche der
sich immer wieder anhäufenden, festauklebeuden, oft verhärteten
188 Schuster.
Sekretmassen ; oder wenn ein vor 3 Jahren 8y|)liilitisch infi-
cirter Kranke, der über Verstopfung der Nase, Taubheit
des rechten Ohres klagt und nun erwähnt, dass in den letzten
6 Wochen alle zwei Tage mittels Ohrcatheters die Luftdusche
neben Mercurpillenbehandlung mit dem Bemerken angewandt
worden sei, die Nasenknochen seien etwas miterkrankt — und
die durch den geschwellten Introitus narium eingehende Sonde
stösst nun auf ein Trümmerfeld von entblössten Enochenflächen
und Splittern.
Solcher Fälle wären noch ähnliche anzuführen.
In Bezug auf Behandlung wird nun der Standpunkt
noch vertreten selbst von solchen, die sich speciell mit Syphilis-
therapie beschäftigen, aber auch von Rhinologen, dass die örtliche
Behandlung nebensächlich, wenn nicht überflüssig sei, dass die
Allgemeinbehandlung, indem sie die Grundursache des Leidens
zu heilen trachte, gleichzeitig Heilung der örtlichen Erankheits-
äusserungen bedinge, dass denmach gerade das Verhalten der
letzteren ein Leitmesser sei für die Dauer der Behandlung.
Es ist allerdings selbstverständlich, dass wir nach dem
heutigen Stande unserer Erfahrungen bei jeder Aeusserung
der Syphilis und so auch der in der Nase eine specifische
Allgemeinbehandlung durclizuführen suchen. Die Anschauung,
dass Mercuranwendung die Nekrose der Nasenknochen beför-
dere oder gar bedinge, hat gerade so wenig und so viel Werth,
wie die, dass eine solche die Ursache der Tabes sei sie macht
sich nur dann bemerkbar, wenn man wegen mangebider ge-
nauer Diagnose der Behandlung eben nicht gewachsen ist;
darum soll aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass, wie
dies überhaupt bei der Syphilis vorkommt, eine Mercurbe-
handlung insbesondere nach wiederholter Mercuranwendung oft
bei geschwächter Constitution durchaus nicht immer günstig
wirken muss, selbst bei gleichzeitiger guter örtlicher Behand-
lung. — Dagegen kann ich Fälle aufweisen, wo eine oder
wiederholte mercurielle energische Allgemeinbehandlung ohne
örtliche Behandlung die Nasenhöhlenerkrankung in grossem
Umfange fortbestehen liess, während beide vereint meist den
specifischen Process in der Nase zu günstigem Abschluss
brachten; auch erlaube ich mir hier hervorzuheben, dass da,
Bemerkungen zur Behandlung der Nasenhöhlensyphilis. 189
wo Mercur nicht mehr vertragen wurde, kräftigste Jodkalicuren
bis zu Tagesdosen Ton 25 und mehr Gramm im Verein mit
sorgfältigster örtlicher Behandlung geradezu Wunder der
Heilung innerhalb weniger Wochen erzielten, cariöse Knochen-
flächen zur Vemarbung, blutende, granulirende Hächen zum
Schwinden brachten und hiermit jede stinkende, klebrige Ab-
sonderung beseitigten.
Ich meinerseits glaube also, dass da, wo wir eine örtliche
Krankheitsäusserung, die zudem mit Rücksicht auf ihre Nach-
barschaft, wie die syphilitischen Nasenhöhlena£fectionen, zu
bleibender Verunstaltung des Naseninnem, aber auch des
Nasenäussern, Ton anderen Gefahren abgesehen, führen kann,
wo wir, sage ich, solche Erankheitsäusserunp; örtUch günstig
beeinflussen können, wir es eben auch thun müssen.
Zu dem Zwecke bedürfen wir aber zunächst einer genauen
Erforschung des Sitzes und der Ausdehnung der Nasena£fec-
tion. Die Rhinoskopia anterior gibt meist allein keine genügende
Auskunft. Man übersieht nur dann grössere Tiefen, wenn schon
bedeutende Defecte eingetreten sind; den Yordern Theil des
unteren Nasenganges kann man zudem vermöge seiner Abwärts-
biegung meist gar nicht sehen. Die Rhinoskopia posterior, die
insbesondere für die Erforschung der Nasopharynxhöhle aus-
schlaggebend ist und in keinem Falle unbenutzt bleiben darf,
ist bei Anwendung von Cocainbepinselung und Athmenlassen
durch die Nase bei geöffuetem Munde leicht ausführbar. Dennoch
bleibt die Nasensonde das wichtigste Untersuchungsinstrument.
Bereits 1878 habe ich als wohl der Erste deren hohe Bedeutung
für die Erforschung der Nasenaffectionen ausführlich betont.
Trotzdem musste noch in diesem Jahre Dr. L. Grünwald
die Nasensonde gewissermassen neu entdecken; in seinem
gediegenen Werke über Eiterungen der Nasennebenhöhlen musste
er gerade seinen Fachrhinologen gegenüber den Vorwurf erheben,
dass sie die Nasensonde nicht gebraucht hätten in von ihnen
jahrelang vergebens behandelten Fällen, wo er in leichter
Weise mittels derselben Caries als Ursache der vorher ver-
gebens behandelten Eiterungen und damit den Heilungsweg
gefunden habe. „Ohne Nasensonde lässt sich keine nega-
190 Schuster.
tive Diagnose der Naseneiterung stellen." Dieser Ausspruch
Grünwald's gilt auch für die syphüitischen Naseneiterungen.
Ich benutze seit Jahren an beiden Enden verschieden
stark geknöpfte, ca. 22 — 25 Ctm. lange Nasensonden ; dieselben,
deren ich immer mehr als ein Dutzend bereit liegen habe, dienen
mir auch zur Bildung von Wischern behufs Reinigen der Nase.
Um das Knopfende drehe ich zu dem Zwecke Wundwatte in ge-
ringerer oder grösserer Dicke je nach den zu untersuchenden
Gängen. Will man das Naseninnere untersuchen, so muss es
zunächst gut gesäubert sein. Haben sich Borken angesammelt,
kleben Eitermassen den Wandungen an, so genügt die Irrigation
von warmem Wasser nach meinen Erfahrungen, auch wenn man
2 und 3 Liter Bor- oder Lysolwassers durchlaufen lässt, durch-
aus nicht ; es müssen die zu Wischern umgeformten Sonden noch
eingeführt werden unter Leitung des Nasenspiegels ; man wird sich
dann wundem, welche Schleimeitermassen man insbesondere aus
dem untern Nasengange, ihrem Sammelraume, herauskehrt ; auch
sind eine Menge Wischer zur Stillung der Blutung erforderlich,
die aus den von ihren klebrigen Bedeckungen entblössten oft
wunden Flächen erfolgt. Mittels dieser Watteputzer entdeckt man
dann oft schon, indem sie vorsichtig kehrend über die Gänge
und Flächen fahren, kranke entblösste Knochen, indem die
Watte sich an deren freien Kanten fängt; manchmal werden
diese mit den Wischern herausbefördert. Jetzt erst lässt sich
das erkrankte Feld rhinoskopisch übersehen, man merkt an
dem aus den Spalten sich drängenden Schleim, wohin die
Knopfsonde zur Untersuchung sich zu wenden, aus dem Bluten
umschriebener Granulationen, dass man hier nach krankem
Knochen zu forschen hat, indem man mit der Sonde in die
weichen Granulationsflächen eindringt. Das und ähnliches müsste
heute als selbstverständlich nicht mehr hervorgehoben zu werden
brauchen. Aber das selbstverständliche wird eben noch zu oft
in den Heilbestrebungen vergessen. Den unteren Nasengang,
namentlich in seinem vordem Theile, kann man rhinoskopisch
niclit sehen. Um ihn zu erforschen, muss die Sonde gebogen
eingeführt werden. Es erregt immer meine Verwunderung, wie
sehr man das Knopfende biegen muss, wenn man sicli über
den erkrankten vordem Theil des untern Xasenganges Aus-
Bemerkungen zur Behandlung der NasenhöhlensyphiÜB. 191
kuuft verscliaflFen will. Die Sonde erkennt aber auch, von den
Choanen auf dem Boden nach vorne gleitend, genau etwa vor-
handene wunde, dann sich etwas vertiefende, schmerzende
oder bereits vernarbte Stellen. Es ist wichtig, freihgend ge-
fundene Knochenflächen genau in Bezug auf Begrenzung ab-
zutasten, sich etwa freiligend anzufühlende Knochenränder
genau zu lokalisiren behufs späterer etwaiger chirurgischer
Entfernung.
Man taste auch, namentlich wenn man auf dem Nasen-
boden entblössten Knochen findet, mit dem Finger den harten
Gaumen in Bezug auf seine Empfindlichkeit vom Munde aus ab.
Ist letztere in solchem Falle vorhanden, so ist man nicht weit
mehr von einer Perforation des Gaumendaches. Ueber die
Pmgeruntersuchung verweise ich auch auf meine bereits er-
wähnte Arbeit Jahrg. 1878 des Archivs für Dermatologie und
Syphilis. Ich erlaube mir an dieser Stelle zu erwähnen, dass
ich in einem Falle, wo das os palati an der Grenze der linken
Choane beweghch herabhing, dasselbe mit dem hinter das
Velum geführten Zeigefinger in die von vom eingeführte
Komzange hineindrängte , womit dann dessen bis dahin
schwierige Entfernung leicht bewerkstelligt w^urde. Was nun
die genauere örtliche Behandlung betrifft, so müssen da, wo
sich Schleimhäute und Knochenulcera vorfinden, das wird wohl
jeder zugeben, die heute geltenden Grundsätze der Wund-
behandlung so weit wie möglich durchgeführt werden. Der
Standpunkt, die Zerfallsprocesse des Naseninnem bloss der
allgemeinen specifischen Behandlung zu überlassen, heisst die
Lister'sche Errungenschaft geradezu verhöhnen. Zur Durch-
fuhrung dieser Grundsätze gehört zunächst die bereits be-
schriebene Ausreinigung des erkrankten Gebietes. Erst jetzt
kann demnach davon die Rede sein, die Wundflächen mit desin-
ficirenden Substanzen in flüssiger oder Pulverform zu bedecken.
Wer nach vorgenommener Irrigation Jodoform- oder Aristol-
pulver in die Nasenhöhle bläst, wird oft noch Borkenmassen
statt der von ihnen entblössten Flächen treffen und demnach
nicht den raschen Erfolg der Besserung sehen, den man nach
vollendeter Ausputzung mittelst der Ts c h e c h'schen Jodglycerin-
bepinselung resp. von Aristol- oder Europhenpulvereinblasung
192 Schuster.
liat. Man sieht so das nicht selten bestehende hohe abendliche
Fieber wie mit einem Zauberschlage schwinden. Das gilt auch
für das Fieber, welches die oft ausgedehnten Geschwüre der
oberen Pharynxwand begleitet, die entsprechend gesäubert
und behandelt werden müssen.
Findet man bereits entblösste Knochenflächen, die dem
knöchernen Septum und dem Nasenboden besonders gerne ange-
hören, so ist damit durchaus nicht immer deren Abstossung oder
Entfernung zur Heilung erforderlich. Diese früher von mir
gehegte Meinung habe ich wiederholt als irrthümlich erkannt.
Solche Flächen heilen oft unter täglich fortgesetzter Reinhaltung
und allgemeiner Behandlung. Ich benütze gerne eine Jodglycerin-
lösung, mittels deren diese Flächen täglich oder einigemale
in der Woche bestrichen werden; nekrotische festhaftende
Knochentheile, die ich oft über den andern Tag mit Jodtinctur
bestreiche, gewissermassen zu tränken suche, scheinen sich
unter dem Jodeinfluss rasch zu begrenzen und können dann
leicht losgelöst werden. Behufs Loslösung der nekrotischen
Theile des Nasenbodens habe ich mir ein dem Schielhäkchen
ähnliches, nicht biegsames festes Häkchen machen lassen.
Dasselbe lässt sich leicht an einen freien Knochenrand an-
setzen; durch Zug findet man dann bald, ob das Knochen-
stück beweglich ist ; ohne besondere Blutung zu erzeugen, hebelt
man oft in leichte8t<3r Weise den horizontalen Sequester heraus,
ohne wegen des abgerundeten Hakenendes befürchten zu
müssen, die Gaumenschleimhaut zu perforiren. Letzteres kann bei
Benutzung eines scharfen Häkchens schon eher geschehen ; auch
die kleinst« Perforation in den Mund wird zu grosser Belästi-
gung des Kranken. Die Entfernung grösserer oder tiefsitzender
Sequester muss oft unter Narkose geschehen und geben da die
in dem Grünwald'schen Buche angefühlten Verfahren gute
Unterweisung. Hier beginnt schon das Gebiet der gröberen oder
vielmehr der grösseren Chirurgie. Ich verweise auch auf meine
1878 citirte Arbeit.
Ich bin demnach der Ansicht, wenn bei Zeiten die Speci-
fität des Nasenleidens erkannt und mittelst genannter Unter-
suchungen, d. h, theils der Rhinoskopia anterior und posterior
einerseits, der Abtastung der Naseugänge mittelst freier, sowie
Bemerkangen zur Behandlung der Nasenhöhlensyphilis. 193
mit dünner Wattelagen umwickelter Knopfsonden andererseits
— letztere lassen leichter umschriebene, wunde, blutende Stellen
erkennen — Eiterungsprocesse ausgeschlossen werden können,
dass dann eine der Constitution angepasste specifische Behandlung
die Nasenhöhlen vor Geschwürsbildung resp. Nekrose schützen
kann, dass ferner da, wo solche bereits sich eingestellt hat,
sie durch die gleichzeitig vorzunehmende reinigende, örtliche
Behandlung begrenzt gehalten und mit Sicherheit zur Heilung ge-
bracht werden kann ; dass umgekehrt da, wo in solchen Fällen
die örtliche Behandlung unterbleibt oder mangelhaft durchgeführt
oder gar dem Patienten überlassen wird, Missstaltungen des
Naseninnem und nicht selten des Nasenäussem, aber auch
der Mund- und Rachenhöhle mit ihren Annexen sich gerne
ausbilden werden.
Atu der med. Zünik des Frof. Erb in Heidelberg.
lieber den bakteriologischen Befand und
die anatomischen Yeränderimgen bei der
Urethritis gonorrhoica des Mannes.
Von
Dr. M. Dinkler,
I. Awlsteut and Priratdoeant.
(ffierzu Taf. XI.)
In den letzten fünf Jahren haben sich in der Lehre von
den gonorrhoischen Erkrankungen neue und wichtige Anschau-
ungen Bahn gebrochen. Während es nach der grundlegenden
Monographie von Bumm *) (1885) den Anschein hatte, als seien
Plattenepithel sowie Bindegewebe vor einer Invasion von Gono-
coccen durch ihren Bau und ihi-e specifischen Lebensvorgänge
geschützt, war wenige Jahre später von mir an der Cornea und
Iris«) (1888), von Pick») und Touton*) (1889), Jadassohn*)
(1890) und Anderen an Drüsen des männlichen und weiblichen
Urogenitalapparates constatirt worden, dass diese Art Immu-
nität entweder in einzelnen Fällen verloren geht, oder überhaupt
nicht besteht.
Gegen die Beweiskraft dieser Beobachtungen sind von
mehreren Seiten deshalb Zweifel erhoben worden, weil zum
Nachweis eines Mikroorganismus im Gewebe ausser dem miki'O-
skopischen Befund auch die Reinzüchtung und erfolgreiche
Ueberimpfung gehören. Wiewohl die Berechtigung dieser For-
derung vom streng wissenschaftlichen Standpunkte nicht be-
stritten werden kann, so unterliegt es doch keinem Zweifel,
196 Dinkler.
dass gerade die Gonococcen in ihrer Gestalt, ihrem Vorkommen,
ihrer Lagernng in den Zellen und ihrem Färheverhalten
charakteristische Kennzeichen genug darbieten, um auch ohne
Culturversuche mit Sicherheit richtig erkannt und nachgewiesen
zu werden.
Erst Wertheim®) hat in seiner inhaltreichen und sorg-
fältigen Arbeit über „Die ascendirende Gonorrhoe beim Weibe"
diese Streitfrage gelöst und durch Culturversuche und Inocu-
lation der Gonococcen auf die menschliche Harnröhre den
Nachweis erbracht, dass die Neisser 'sehen Mikroben, sowohl
eiterige Peritonitis wie auch erysipelartige Entzündungen des
Unterhautzellgewebes in ähnlicher Weise wie die gewöhnlichen
Eitercoccen zu erzeugen vermögen. Die Annahme von Misch-
infectionen, welche früher häufig für die Entstehung der ver-
schiedenen Complicationen der Gonorrhoe verantwortlich gemacht
wurden, ist damit als unbegründet und falsch widerlegt und es
kann nach den Wertheim 'sehen Untersuchungen als erwiesen
gelten, dass die localen Entzündungen, wie die para-
urethralen Abscesse, die Prostatitis, die Lymphangoitis dorsah's
etc. durch ein continuirliches Fortschreiten des go-
norrhoischen Processes, die metastatischen Erkrankun-
gen der Gelenke, des Gef ässsystems und anderer Organe durch
Verschleppung der Gonococcen auf dem Wege der
Blutbahn zu Stande kommen. Angesichts der ausgesprochenen
Entzündungserscheinungen, welche in dem von Gonococcen
durchsetzten Bindegewebe auftreten, ist ein gelegentliches Ein-
dringen der Mikroorganismen in die Blutgefässe umso leichter
verständlich, als die Gefässwandungen selbst eine hochgradige
Alteration erfahren. Zur Erklärung der Seltenheit metasta-
tischer Complicationen fehlen uns noch sichere Anhaltspunkte,
doch lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass
die beiden für alle Infectionskrankheiten so bedeutungsvollen
Factoren: der Wechsel in der Virulenz der Mikroorganismen
und in der Empfänglichkeit des Individuums auch hier eine
wichtige Rolle spielen.
Ein vor Kurzem in der Erb 'sehen Klinik beobachteter
Fall von gonorrhoischer Urethritis, welcher in Folge einer
tul)erculösen Mouingitis tödtlich verlief, hat so schwere Verän-
Ueber den bakter. Befund bei der ürethr. gon. des Mannes. 197
derungen bei der mikroskopischen Untersuchung erkennen
lassen, dass mir seine ausführliche Mittheilung von anatomischen
und klinischen Gesichtspunkten aus berechtigt erscheint, zumal
sich keine ähnlichen Beobachtungen, ausser der später zu be-
sprechenden Bo ckhart 'sehen, ^) in der neueren Literatur
mitgetheilt finden.
I. Krankengeschichte.
A« S., 24jä]ir. lediger Tüncher aus Gross-Ingstingen, wurde am 13.
Kovember 1892 in die medicin. Klinik aufgenommen.
Anamnese: Familiengeschichte nicht zu erheben ; Fat. stürzte beim
Militär und wurde infolge dessen entlassen ; vor 4 Wochen Sturz von einer
Leiter ; nach Angabe der Hausleute ist Pat. in der letzten Zeit immer wie
benommen gewesen. Am 7. November Schüttelfrost, Steilheit im Kreuz
und Nacken; seitdem abendliche Temperatursteigerang bis 38 und 39^,
keine Pulsbeschleunigung; ziemlich reichliche Durchfalle, Druckempfind-
lichkeit in der Gocalgegend. (Poliklin. Beobachtung.)
Status praesens: Ziemlich kräftig gebauter Mann mit entwickelter
Musculatur und massigem Fettpolster ; Gesichtsfarbe ist blass ; die Augen,
meist geschlossen, blicken ziemlich starr, Pupillen gleich weit, reagiren
träge auf Lichteinfall.
Pat. ist comatös; bei Druck auf die Waden- und Ober-
schenkelmusculatur oder auf die Nackenmuskeln stöhnt er
unter schmerzhaft emVerziehen des Gesichtes; Abdomen ein-
gezogen; leichte Cutis anserina.
Thorax normal gebaut, Athmung etwas oberflächlich und langsam;
Lungen frei; Herz anscheinend gesund; kein Lebertumor, Milz nicht pal-
pabel; lleocöcalgegend druckempfindlich; aus der Harnröhre lässt
sich weisslich-gelber Eiter ausdrücken, in dem sich grosse
Mengen von Gonococcen in charakteristischer Form und
intracellulärer Lagerung finden. — Die Zunge ist vollkommen
trocken, mit braunen Krusten bedeckt ; die rechte Tonsille ist etwas ange-
schwollen, das Gaumensegel leicht geröthet. Der Kopf wird etwas
dorsalflectirt steif gehalten, lässt sich nur wenig und unter
Schmerzen drehen; Wirbelsäule desgleichen steif und fixirt;
am rechten Unterkieferwinkel ist eine ca. taubeneigrosse
derbe Drüse zu fühlen; links mehrere verdickte Cervicaldrüssen. —
Sehnenreflexe sehr lebhaft, desgleichen Plantarreflexe; Cremaster-
und Bauchreflex beiderseits deutlich, jedoch schwach auszulösen; starke
Muskelspannungen in den Armen und Beinen; die Hände sind
fast ununterbrochen in unruhiger Bewegung; vasomotorische Stö-
rungen ; ophthalmoskopisch beiderseits ausgesprochene
Papillitis, keine Miliartuberkel. Temperatur über 39*. — Aben ds
Pat. schluckt schlecht, lässt den Urin in's Bett. 14. November
ArrhiT f. Dermatol. u. Syphll. Band XXVI. ^4
198 Dinkler.
im Urin Spuren Albumin; Zustand unverändert. Klin. Vorstellung.
Diagnose: Gonorrhoe; Meningitis cerebrospinalis acuta, gonorrhoica?
tuberculosa? endemica? nach Gehimabscess ? Tumor? 15. und 16. Nov.
keine wesentliche Aenderung, Retentio urinae, ab und zu An-
deutung von Gheyne-Stokes'scherAthmung, Puls schwächer, Trache-
airasseln anhaltend; am 16. Nov. Temperaturabfall bis 37*3*. Fat.
reagirt wieder, beantwortet Fragen, Gonorrhoe besteht fort; 17.
Nov. erneutes Fieber, Abnahme der Kräfte, Ex. letalis. — Vor der Section
w^ird bei Besprechung des Falles hervorgehoben, dass es sich jedenfalls —
mit Bücksicht auf die Verlaufsschwankungen in den letzten Tagen und
die noch etwas zunehmenden Dräsenschwellungen — um eine tuber cu-
löse Meningitis handelt.
II. Pathologisch-anatomischer Befund.
Die Section ergab folgende Veränderungen: Meningitis cerebro-
spinalis tuberculosa, tuberculöse Herde in der rechten Kleinhimhemisphäre,
tuberculöse Infiltration des Plexus choroides, verkäste Lymphdrüsen am
Hals und am Brustbein, an den Bronchien und dem Hilus von Milz und
Leber, Tuberculöse beider Lungen, linksseitige Bronchopneumonie.
Der Penis wurde ca. 7 Stunden nach dem Tode amputirt und im
Alkohol in einzelnen Stücken von 1 — 1'/, Cm. Länge gehärtet.
1. Vordere Hälfte der Glans penis.
In der Lichtung des Hamröhrencanales liegen zahlreiche Haufen
von Epithel- und Eiterzellen verstreut; besonders dicht sind sie in dem
Bereiche der hinteren ('ommissur angeordnet. Während die Eiterzellen
mit ihren mehrfach gelappten und getheilten Kernen den bekannten
Typus der für die eiterige Entzündung charakteristischen Zellformen
zeigen, fallen die Epithelien sowohl wegen der regressiven Metamorphosen
von Kern und Protoplasma: hyaliner Degeneration, Vacuolenbildung,
Kemzerfall u. s. w. wie auch besonders wegen ihrer Vielgestaltigkeit auf;
neben abgeplatteten, vieleckigen Zellen trifft man cubische oder rundliche,
bald auch ausgesprochen cylindrische Formen; die einzelnen Zellen
werden durch eine feinfadige und kömige Kittsubstanz, welche anschei-
nend aus zerfallenen Kernen und geronnenem Exsudat besteht, zusammen-
gehalten. Das Epithel der Urethra selbst lässt verschiedene Grade der
entzündlichen Veränderungen erkennen; auf kleine Strecken hin ist die
Dicke des Epithellagers wohl annähernd normal, hingegen erscheint das
Zellengefüge alterirt und gelockert. Zwischen den einzelnen Epi-
thelzellen sind in den oberflächlichen Schichten ebenso, wie in den tiefen
zahlreiche p]iterzellen eingelagert, resp. eingekeilt. Besonders regelmässig
lif^gen diese Eindringlinge an den Punkten, wo mehrere interepitheliale
Saftspalten zusammenfliessen , und zwar haben sie dann entsprechend
dem Verlaufe dieser Intercellularräume eine ganz sonderbare Gestalt. Von
den Epithelien zeigen die tiefer gelegenen cubischen, sowie die Cylinder-
zellen der Pallisadenschicht darin eine bemerkenswerthe Veränderung, dasa
üeber den bakter. Befund bei der Urethr. gon. des Mannes. 199
ihre rifif- oder stachelartigen Fortsätze auf ein Minimum reducirt, ja
vielfach gänzlich geschwunden sind. Da die interepithelialen Saftspaltei^
schon an und für sich erweitert sind, so tritt der Mangel dieser für die
Festigkeit der Zellenverbindung so wichtigen Zähnelung umso mehr hervor.
Eine Entscheidung darüber, ob die Quellung des Zellenleibes oder die
Verflüssigung der Eittsubstanz für das Verschwinden der zahnartigen Er-
bebungen an der Oberflache der Epithelzellen verantwortlich zu machen
ist, lasst sich durch die mikroskopische Untersuchung allein nicht gewinnen.
Unmittelbar an diese etwas gequollen erscheinenden Epithelgebiete
schliessen sich erheblich verdickte Strecken an; die Dickenzunahme ist zum
Theil eine Auflagerung von mehreren Schichten cubischer und abgeplatteter
Zellen, zum Theil auch durch ein stärkeres Auseinanderweichen der
einzelnen Zellenlagen unter gleichzeitiger Bildung ausgesprochener Hohl-
räume bedingt. Die Kerne der Epithelien befinden sich innerhalb dieser
Zonen häufig, wie aus der knäuelartigen Anordnung und der Vermehrung
der chromatischen Substanz hervorgeht, in dem Zustande der Theilung,
ohne dass sich bestimmte mitotische Figuren nachweisen lassen. Dies
zunächst etwas befremdende Fehlen ausgesprochener Mitosen ist möglicher-
weise zum Theil auf die verspätete Fixirung der Präparate (7 St. post
mortem 1) zurückzuführen; dieser Zeitraum zwischen dem Erlöschen der
vitalen Processe und der Härtung ist erfahrungsgemäss zu lang, als dass
sich die feineren Structurverhältnisse unverändert erhalten können. — In
die kleinen Hohlräume, welche dadurch entstehen, dass die unter sich
innig verbundenen oberflächlichen Zellenlagen von den tiefer gelegenen
unter dem Drucke gesteigerter Exsudation abgehoben werden, ist hie und
da eine so reichliche Einwanderung von Eiterzellen erfolgt, dass es zur Bil-
dung miliarer Abscesse kommt. An anderen Stellen haben die exsudativen
Vorgänge im Verein mit der Lockerung der Zellenverbindung zu einer so
erheblichen Abstossung von Epithel geführt, dass mehrfach nur noch die
basalen Zellenschichten vorhanden sind (a). Vereinzelt finden sich auch
völlig epithellose Partien, in deren Bereich die eiterig infiltrirte Sub-
mucosa die HamrÖhrenlichtung begrenzt. — Bis zur Nekrose gehende
Veränderungen des Epithels sind nur in der Gegend der hinteren Gom-
missur vorhanden; die Mortification erstreckt sich hier auf die ganze
Dicke des Epithellagers und ist wahrscheinlich schon vor längerer Zeit
erfolgt, da die abgestorbenen Zellen zu glasig-homogenen Schollen aufge-
quollen und zu grösseren einheitlichen Klumpen verschmolzen sind (6). —
Das Bindegewebe zeigt sich je nach den Veränderungen der Epitheldecke
in verschiedenem Grade afBcirt. An den Stellen, w^o die Epithelschicht
sich annähernd erhalten findet, ist die fibrilläre Structur noch deutlich
erkennbar, wenn schon der entzündliche Zustand sich durch Auflockerung
und Quellung der einzelnen Fibrillenbündel, durch Erweiterung der
kleinen Lymphspalten und durch Infiltration mit Rundzellen kenntlich
macht. Hin und wieder ist jedoch die Ansammlung von Hundzellen so
beträchtlich, dass das ursprüngliche Gewebe gänzlich in der kleinzelligen
Infiltration untertaucht. Die Blutgefässe sind beträchtlich erweitert, ihre
14*
200 Dinkler.
Wandungen durch Rundzelleneinlagemngen verdickt ; innerhalb des Geföss-
lumens sind häufig die zwischen den rothen Blutzellen liegenden Lenko-
cyten vermehrt. Erheblicher sind alle diese Veränderungen des Binde-
gewebes da ausgesprochen, wo das Epithel vollständig abgestossen oder
mortificirt ist ; zum Theil in Zerfall begriffene Eiterzellen, Detritusmassen
verschiedenster Provenienz, vereinzelte degenerirte Bindegewebskörper
bilden mit der aus Fibrinfaden und Fibrillenresten zusammengesetzten
Intervellularsubstanz ein wabenartiges, mit Hohlräumen erfülltes Gewebe,
welches an jedem seiner elementaren Bestandtheile die Wirkung der eite-
rigen Einschmelzung erkennen lässt (e). Fibrinöses Exsudat (d) ist nur
in der Nähe der hinteren Gommissur in grösserer Menge vorhanden und
erstreckt sich von dem nekrotischen Epithel keilförmig in die Tiefe der
Submucosa. Die Blutgefässe zeigen in den eiterigen Infiltraten eine
stärkere Einlagerung von Rund- und Eiterzellen und hie und da erhebliche
Ernährungsstörungen der Wandung, die mit Thrombenbildung (/) ab-
schliessen ; die Zellelemente der Capillaren sind abgestorben, die Kerne nicht
mehr farbbar, und nur hie und da weist eine schwache Streifung noch auf
den ursprünglichen Contour der Zellen hin; das Gefasslumen wird durch
eine homogene, fast stnict urlose Masse ausgefüllt, die in ihrem Färbe-
verhalten den fibrinösen Ausschwitzungen etwas ähnelt. Nach der Tiefe
zu dringen die entzündlichen Veränderungen bis an die Scheide der Sub-
mucosa gegen das Corp. cavern. vor; der Schwellkörper selbst ist in keiner
Weise mitafficirt. Die kleinen Nervenstämmchen des submucösen Binde-
gewebes sind kleinzellig infiltrirt. (Vergl. Fig. 1.)
2. Hintere Hälfte der Glans penis.
Zahlreiche Eiter- und Epithelzellen liegen, ähnlich wie in dem vor-
deren Abschnitt der Glans, unregelmässig im Lumen der Urethra vertheilt ;
eine feinkörnige und streifige Masse hält die Zellcnconglomerate gleichsam
als Intercellularsubstanz zusammen. Auffallend an diesem Gemisch von
zelligen Elementen und geronnenem Exsudat ist die Menge von Zerfalls-
producten; KemschoUen von jedem Caliber sind in Massen vorhanden.
Die Epitheldecke ist nur in der Gebend der vorderen Gommissur an-
nähernd erhalten; in dem ganzen übrigen Bereiche ist sie entweder
gänzlich oder bis auf 1 oder 2 Zcllenlagen dcsquamirt. Die erhalten
gebliebenen Zellen sind cubisch oder plattenformig gestaltet; von ihnen
zeigen die basal gelegenen letzteren eine auffallende Stellung zur Oberfläche
des Bindegewebes ; anstatt vertical auf den Papillen der Submucosa zu stehen,
liegen sie ihr tangential oder parallel an (Fig. 2 a), ein Verhalten, welches
besonders deutlich an den Zellen, welche mit einem längeren Protoplasma-
fortsatz in das Bindegewebe eindringen, zu Tage tritt. Von einem ent-
wickelten epithelialen Papillarkörper, d. h. regelmässigen Einsenkungen des
Epithels in die Submucosa in Form zapfenartiger Gebilde sind kaum noch
Andeutungen vorbanden. Selbstverständlich verläuft auch das Bindegewebe
als Negativ des Epithels ziemlich gerade, selbst an den Stellen, wo es
nackt in die Harnröhre hineinragt. Die fibrilläro Structur des Gewebes ist
nur im Bereiche der vorderen Comniinsur, analog dem Verhalten des
lieber den bakter. Befund bei der Urethr. gon. des Mannes. 201
Epithels, noch einigermassen erhalten; in dem übrigen Gebiet (ca. % ^^
ganzen Qnerschnittes) sind die Fibrillenbündel and die fixen Bindegewebs-
körper dicht von Rnndzellen umlagert und zum grössten Theile verdeckt.
(Fig. 3e.)
Im Grossen und Ganzen tragen diese Infiltrate das Gepräge des
adenoiden oder lymphatischen Gewebes, in dem ja bekanntlich die reticu*
läre Zwischensubstanz zwischen den dicht gelagerten Lymphzcllen kaum
zur Geltung kommt. Die eiterige Natur des entzündlichen Processes tritt
an den gänzlich epithellosen Stellen in den Vordergrund ; in wechseln-
der Menge finden sich hier Eiter- und Rundzellen, Kemschollen und De-
tritus, durch eine fibrilläre und exsudirte Intervellularsubstanz zu einem
den Stempel des Zerfalles tragenden Gewebe vereinigt ; als die Folgen der
eiterigen Zerstörung sind die zahlreichen Hohlräume in derartigen Partien
hervorzuheben. Das Verhalten der Blutgefässe ist verschieden und richtet
sich nach den Veränderungen des Epithels und Bindegewebes. Während
die CapiUaren in den oberflächlichen und tiefen Schichten, welche nur
kleinzellig infiltrirt sind, bei erweiterter Lichtung einfach gequollen und
durch zellige Einlagerungen verdickt erscheinen, sind sie in den eiterig
infiltrirten Gebieten grösstentheils durch opake oder feinkörnige Thromben
verlegt; die Zellen der Gefasswände sind fast ausnahmslos necrotisch und
mit der Thrombusmasse innig verschmolzen. Die Gerinnung und Verlegung
des Gefasslumens erstreckt sich bisweilen durch die ganze Dicke der Sub-
mnoosa hindurch. Hämorrhagien sind nirgends vorhanden. Dagegen ist
die Erweiterung der regionären Blutgefässe sehr beträchtlich.
Die Nervenstämmchen der Submucosa sind in ihrer bindegewebigen
Scheide von Rundzellen durchsetzt. (VergL Fig. 2 u. 3.)
3. Schnitthöhe an der Grenze des Sulcus coronarius.
Die Lichtung der Harnröhre ist im Vergleich zu normalen Präpa-
raten erheblich verengt, die Schwellung der Schleimhaut, resp. des sub-
mucösen Gewebes an einzelnen Stellen so erheblich, dass die beiden gegen-
überliegenden Flächen mit einander verwachsen erscheinen. Die frei im
Lumen liegenden zelligen Pilemente und Exsudatmassen sind dementspre-
chend sehr gering. Von dem Epithel der Urethra sind nur auf der einen
Seite einzelne Reste erhalten; dieselben bestehen hie und da aus 2 — 3
Schichten, meist ist nur eine einzige Lage cubisch-platter Zellen, welche
der Submucosa ähnlich wie die Endothelien der serösen Häuten aufliegen,
nachweisbar. Kern Veränderungen, welche als Theilungs Vorgänge gedeutet
werden können, sind sehr selten; ebenso ist es auch die Bildung von
Epithelzapfen. In keinem der untersuchten Präparate sind mehr als drei
Epithelaosläofer zu finden; die Form der zelligen Elemente ist in ihnen
die gleiche, wie sie an der Epitheloberfläche oben beschrieben ist. Hervor-
zuheben ist noch, dass sich in der Nähe der Zapfenbildungen, vrie auch
in den eiterig infiltrirten Stellen der freiliegenden Submucosa häufiger
Kpithelzellen finden, welche völlig isoUrt, jedes Zusammenhanges mit dem
Papillarkörper entbehren, anscheinend aber ganz lebensfähig sind. Daa
tubmucöse Gewebe zeigt an den vom Epithel entblössten Theilen mehrfach
202 Dinkler.
fibrinöse Auflagerungen , welche sich hie und da auch in die Tiefe er-
strecken und in ihrem Netzwerk Eiterzellen und Detritus einschliessen.
Die oberen Schichten des Bindegewebes sind durch Eiterzellen, Kömchen -
massen und spärliche Reste von Fibrillen und Bindegewebskörpem er-
setzt. Auch in der Tiefe überwiegt der eiterige Charakter der Entzündung,
was die gleichmässige Infiltration mit Eiterzellen und die Anhäufung von
allerlei Zerfallsproducten beweist. In ähnlicher Weise haben die entzünd-
lichen Veränderungen auch in den noch mit Epithel überzogenen Theileii
der Submucosa eine mehr eiterige Beschaffenheit angenommen; der an
lymphoides Gewebe erinnernde Bau ist zwar nicht gänzlich verwischt, doch
sind die RundzeUen vielfach von dicht aneinander liegenden Eiterzellen
verdrängt. Die fibrilläre Structur der zwischen den einzelnen Infiltraten
liegenden Septen ist durch die Anhänfung von Eiterzellen unkenntlich
gemacht. Die Blutgefässe zeigen besonders im Bereiche der epithellosen
Partien der Submucosa degenerative, bis zur Necrose der Zellen gehende
Veränderungen; an die Mortification der Gefässwand schliessen sich viel-
fach Gerinnungsvorgänge an. Die Zahl der thrombotisch verstopften Ge-
iasse ist eine ziemlich grosse ; von den wegsam gebliebenen Capillaren sind
die meisten erweitert und in ihrer Wandung verdickt. Die Nervenstämm-
chen sind kleinzellig infiltrirt. — An einer Anzahl von Schnitten ist es
durch die beträchtliche Schwellung des Gewebes, sowie die Abstossung
necrotischer und eiterig infiltrirter Bindegewebsfetzen zu einer brücken-
artigen Verbindung der beiden Hamröhrenflächen gekommen ; es bestehen
somit in einer gewissen Höhe zwei partiell mit Epithel ausgekleidete Ca-
näle, die nach beiden Seiten, d. h. in der Richtung nach der Glans und
der Blase zu, in die ungetheilte Harnröhre übergehen.
4. Entfernung der Schnitthöhe ca. 1'4 Cm. vom Sulcus
coronarius.
Neben Eiterzellen finden sich in der Hamröhrenlichtung haupt-
sächlich Cylinderepithelien ; die abgeplatteten Zellen treten an Menge er-
heblich zurück. Die zwischen den Zellen liegenden Detritus- und Exsudat-
massen sind ziemlich gleichmässig vertheilt und setzen sich häufig direct
in das necrotische Bindegewebe der freiliegenden Submucosa fort. Das
Epithel, welches zum mehrschichtigen Cylinderepithel gehört, ist zum
grösseren Theil abgestossen. Die epithelfreie Strecke des Urethrallumens
beträgt ca. Vs des ganzen ümfanges. Nur innerhalb enger Grenzen besteht
es aus mehreren Schichten cubischer und cylindrischer Zellen; der
grössere Theil ist nur einschichtig und zeigt in Form und Richtung seiner
Zellen auffallende Abweichungen. Die Zellen sind meist abgeplattet und
so niedrig, dass sie den Endothelien der serösen Häute täuschend ähnlich
sehen und sich beim ersten Blick nicht in genetische Beziehungen zu dem
ursprünglichen Epithel bringen lassen. Die charakteristischen Eigenschaften,
welche ihre epitheliale Abkunft jedoch sichern, liegen in der Kemgrösse
und -Form, sowie in der Structur und Menge des Protoplasmas. Die Er-
kennung derartiger Epithelien wird nicht selten durch ihre isolirte Lage-
rung und die dichte Anordnung der Eiterzellen beträchtlich erschwert.
lieber den bakter. Befund bei der Urethr. jfon. des Mannes. 203
Von papiUenähnlichen Einsenkungen in das Bindegewebe ist nur wenig
nachzuweisen; an einzelnen Stellen dringen schmale, 1 — 2reihige Epithel-
zapfen, deren Ende meist keulenförmig anschwillt, in senkrechter oder
schräger Richtung in die Snbmucosa ein. Obwohl sich charakteristische
Kemtheihmgsfigaren nur sehr selten nachweisen lassen, so deutet doch
die Zunahme und unregelmässige Anordnung der chromatischen Substanz
der Kerne vielfach auf eine bevorstehende Vermehrung hin. — Der Bau
des Bindegewebes zeigt, je nachdem es noch mit Epithel bekleidet ist
oder nicht, erhebliche Differenzen. Unter dem Epithel ist das Bindegewebe
von zahllosen Bundzellen durchsetzt; die Vertheilung der kleinzelligen
Infiltrate ist regelmässig so, dass die einzelnen Knötchen durch zellen-
ärmeren Züge fibrillären Gewebes von einander getrennt werden. Dieser
IVechsel von dichten Zellenhaufen und bindegewebigen Scheidewänden
erinnert nnwillkührlich an den Bau von Lymphdrüsen, in welchen die ein-
zelnen Follikel von den Septen umgeben sind. Je dünner das Epithel
wird und je näher die epithelfreie Zone rückt, um so häufiger wird das
Vorkommen der Eiterzellen und um so ausgesprochener treten die destruc-
tiven Vorgänge an der Intercellularsubstanz wie auch an den Bindegewebs-
körpem hervor; die einzelnen FibriUenbündel erscheinen gequollen und
aufgebläht, zum Theil zerfallen; auch die Zahl der Ghromatinkömer und
Schollen nimmt erheblich zu. Mit dem völligen Verluste des Epithels wird
der Charakter der entzündlichen Veränderungen in den oberflächlichen
Lagen wieder ein rein eiteriger und erst in der Nähe der Grenze des
Corp. cavemos. urethrae tritt die rundzeUige Infiltration wieder in den
Vordergrund. Vielfach trifft man kleine Inseln von necrotischem und eiterig
infiltrirtem Bindegewebe, welche auf der einen Seite mit der Submucosa
noch zusammenhängen, auf der andern mit dem in der Harnröhrenlichtung
nachweisbaren zelligen und plastischen Exsudat ausgedehnt verklebt sind.
Auch fibrinöse Auflagerungen werden hie und da angetroffen ; sie erstrecken
sich in Form eines vielfach verzweigten Balkennetzes in die Tiefe. Die
Blutgefässe zeigen im Bereiche der epitheltragenden Strecken neben der
kleinzelligen Infiltration ihrer Wandung und Anfüllnng des Lumens mit
Leukocyten nur selten schwerere destructive Processe: Necrose des Peri-
und Endothels mit consecutiver Gerinnung des Gefassinhaltes. Häufig
hingegen sind diese mit Thrombose einhergehenden necrotischen Ver-
änderungen in dem epithelfreien, zum Theil von fibrinösen Massen durch-
setzten Theile der Submucosa. Die Ernährungsstörungen scheinen in der
GefasBwandung primär aufzutreten und erst secundär die Thrombenbildung
zu veranlassen; es geht dies aus einzelnen Präparaten, in welchen die
Zellelemente der Gefasswand nicht mehr farbbar sind, die Gerinnung
aber nur im Bereich einer schmalen Randzone eingetreten ist, hervor.
Die benachbarten CapiUaren sind in der Regel sehr erweitert und haben
bisweilen den doppelten und dreifachen Durchmesser der thrombotischen;
Die weissen Blutkörper sind im Gefasslumen oft auffallend zahlreich,
bisweilen nehmen sie allein den ganzen Querschnitt der CapiUaren ein.
Die Scheiden der Nervenstämmchen sind kleinzellig infiltrirt.
204 Dinkler.
5. Schnitthöhe in einer Entfernung^ von ca. 3'/« Cm. von
dem Sulcus coronarius.
Die anregelmässig Y-formige Lichtung der Harnröhre ist von einer
an Zellen und Detritus reichen Masse eo vollständig ansgefuUt, dass nur
kleine Stellen frei bleiben. Die betreffenden Zellen sind grösstentheils
Epithelien; Eiterzellen liegen nur vereinzelt zwischen ihnen. Die Form
der Epithelzellen ist zwar eine ausserordentlich mannigfaltige, — man trifft
spindelförmige, cubische, rundliche, oylindrische in buntem Durch-
einander, -— doch überwiegen die cubisoh-cylindrischen Gebilde. NacL
der Kemform, der Structur des Protoplasmas, dem Färbeverhalten zu
schliessen sind diese Zellen von schwereren destructiven Veränderungen
frei geblieben; es gibt sich dies auch darin zu erkennen, dass sich in
ihnen häufiger als in den vorderen Abschnitten der Harnröhre mitotische
Vorgänge beobachten lassen; so kann man in der sogenannten „Tonnen-
figur^ noch einzelne achromatische Fäden erkennen, obwohl die Chro-
matinschleifen zu kugeligen und wurstformigen Gebilden zusammenge-
schrumpft sind.
In den Eiterzellen ebenso wie in den Detritusmassen liegt ziemlieh
häuHg gelblich gefärbtes Blutpigment in kleinen Schollen eingeschlossen;
freie rothe Blutkörper sind nicht nachweisbar. Die Hamröhrenlichtung
ist wieder durch eine continuirliche Epithelschichte begrenzt, doch
ist der grössere Theil des Epithellagers nur aus 1 — 2 Zellenschichten
zusammengesetzt.
Die Oberfläche des Epithels ist in Folge der bald intensiveren
bald geringeren Desquamation sehr unregelmässig und die Verbindung
der Zellen unter einander so gelockert, dass die Mucosa wie zerklüftet
und zerrissen erscheint. Die von einschichtigem Epithel überzogenen
Strecken setzen sich aus cubischen und cylindrischen Stellen zusammen,
welche durch ihre schräge Stellung zur Oberfläche der Submuoosa und
durch die Infiltration mit Eiterzellen an die früher beschriebenen Befunde
erinnern.
Von dieser einschichtigen Epithelmembran gehen zahlreiche Epi-
thelzapfen in die Tiefe der Submucosa ab; in den Kernen der Epithel-
zellen finden sich ab und zu modificirte Theilungsfiguren. Die von der
Mucosa ausgehenden drüsigen Apparate, welche theilweise durch die
Grenze des Corpus cavemosum hindurch in den Schw^lkörper der Harn-
röhre selbst vordringen, sind in der Mehrzahl ganz unverändert; in
einzelnen findet man jedoch auch ein eitriges Exsudat und abgestossene
Epithelien. Es betrifft dies jedoch nur die in der Submucosa verzweigten
Abschnitte; die Acini, welche im Schwellkörper liegen, sind stets un-
verändert.
Das Bindegewebe zeigt im Grossen und Ganzen wieder eine vor-
herrschend fibrilläre Structur, obwohl die rundzelligen Infiltrate an vielen
Stellen noch durch ihre Intensität an den Bau des lymphatischen Ge-
webes erinnern. Am dichtesten liegen die Rundzellen unter dem Epithel
und um die Epithelzapfen und die Blutgefässe herum; in den tiefen
üeber den bakter, Befund bei der ürethr. gon. des Mannes. 205
Schiebten nimmt die Zahl der eingelagerten Zellen immer mehr ab. An
den Gefassen sind schwere Emährungsstörangdn mit nachfolgender
Thrombusbildong sehr selten; nur an wenigen Stellen, welche schwerer
befallen sind und eine beginnende eiterige Infiltration zeigen, sind die
Capillaren durch Pfropfe verlegt.
6. Schnitthöhe in einer Entfernung von ca. 6 Cm. von
dem Sulcns coronarius.
Die Lichtung der Harnröhre ist erheblich weiter als bisher und
entspricht einem ca. 3 Mm. langen, '/« ^™* breiten längsovalen Spalt,
von dessen einem Pol noch zwei divergirende Schenkel nach Art eines
Y ausgehen. In dem Lomen liegen nur ganz vereinzelte Häufchen von
Eiter- und Epithelzellen; die desquamativen und exsudativen Processe
sind nur in den zahlreichen kleinen Falten der Schleimhaut etwas intensiver.
Das Epithel selbst ist in toto erhalten und zeigt nur an einzelnen Stellen
eine Abstossung der obersten Zellenlagen. Von seinem Bau ist zunächst
hervorzuheben, dass es aus einem mehrschichtigen Gylinderepithel zu
einem mehrschichtigen Plattenepithel geworden ist; diese transi torische
Metaplasie ist überall nachweisbar, wo die Epitheldicke annähernd erhalten
geblieben ist. Die sich anschliessenden tieferen Zellenlagen bestehen aus
cubischen und polyedrischen Zellen, denen Eiterzellen in ziemlich grosser
Zahl eingelagert sind und die Lockerung der Zellenverbindung steigern.
In gleicher Weise infiltrirt, zeigen sich auch die Epithelzapfen und Aus«-
fohrungsgänge der Drüsen; die Acini der letzteren sind nicht afficirt.
Das Bindegewebe zeigt nur in den subepithelialen Schichten der Submucosa
und in der Peripherie der Drüsenausfuhrungsgänge eine rundzellige Infilt-
ration; an letzteren ist es auffallend, dass die kleinzellige Infiltration
regelmässig mit den Driisenläppchen abschneidet. Die Grefasse sind theil-
weise erweitert, ihre Wandungen durch Einlagerung von Bundzellen
verdickt. Die Nervenstämmohen sind unverändert.
7. Sohnitthöhe in einer Entfernung von ca. 7 Gm. vom
Sulcns coronarius.
Das Lumen der Harnröhre ist weit klaffend und enthält nur
spärliche wandständige Zellengruppen. Das Epithel zeigt hie und da den
normalen Bau; der grössere Theil gehört jedoch noch dem mehrfach
geschichteten Plattenepithel an. Oeffcers sind auch mehrere Zellen-
lagen unvollständig abgestossen, so dass die Grenze der Hamröhren-
lichtong wie gezackt erscheint. Die Verbindung der Zellen ist durchweg
in massigem Grade gelockert, in erheblichem nur da, wo eine stärkere
Desquamation stattgefunden hat. In den interepithelialen Lücken liegen
in wechselnder Menge Eiterzellen eingekeilt. Das Bindegewebe ist sub-
epithelial in geringer Tiefe kleinzellig infiltrirt. Die Blutgefässe haben
nur eine geringe Verdickung ihrer Wandung erfahren.
8. Schnitthöhe in einer Entfernung von ca. 9 Cm. von
dem Sulcus coronarius.
Die Weite der Urethra ist annähernd normal. Das Verhalten des
Epithels und des Bindegewebes unterscheidet sich nur dadurch von den
206 Dinkler.
eben beschriebenen Schnitten, dass die Erscheinungen der Desquamation
und kleinzelligen Infiltration etwas intensiver sind und den Eindruck
erwecken, als ob es sich um ein acuteres Stadium handle.
9. Schnittführung durch die Pars membranacea.
Die entzündlichen Veränderungen sind bis auf geringe Reste
geschwunden.
III. Bakteriologisoher Befund.
Zur Färbung der Gonococcen im Gewebe sind folgende Farbstoffe
verwendet worden: Methylviolett-Tolindinwasserlösung (nach Bumm und
der von mir angegebenen Modification [1. c. p. 58j), Carbolfnchsin (nach
Pfeifer) und Methylenblau (in wässeriger und LöfflerWher Lösung.
Ausserdem sind von jedem Abschnitt mehrere Schnitte nach Gram'scher
Methode differenzirt worden. Mit Rücksicht auf die tuberculöse Natur
der Meningitis ist auch die Färbung auf Tuberkelbacillen an einer Anzahl
von Schnitten, in welchen die follikelähnlichen lymphatischen Infiltrate
nachgewiesen waren, versucht worden.
1. Schnittführung durch die Spitze des Praeputium.
Bezüglich der histologischen Verhältnisse ist vorauszuschicken,
dass das Epithel unverändert und insbesondere das Stratum comeum
vollständig erhalten ist; im subepithelialen Bindegewebe des inneren
Praeputialblattes liegen zahlreiche Mastzellen und Pigmentzellen verstreut.
Der Homschicht haften streckenweise fibrinöse Exsudatmassen an,
zwischen deren opaken und vielfach verzweigten Fäden zahlreiche Eiter-
zellen, Detritus und Bakterien eingelagert sind. Die letzteren lassen zwei
Formen: Kurzstäbchen und Coccen unterscheiden. Bei Anwendung der
Gram'schen Methoden bleiben nur die Stäbchen und frei in Zügen
liegenden Coccen gefärbt. Ausser diesen beiden Bakterienarten finden
sich in wechselnder Vertheilung charakteristische, die freien Coccen an
Grösse erheblich übertreffende Diplococcen, welche meist innerhalb der
Eiterzellen liegen und bei der Differenzirung mit Jod-Jodkaliumlösung
und Alkohol den Farbstoff (Methylviolett) nicht festzuhalten vermögen.
Einzelne von den Eiterzellen, in deren Protoplasma die Coccen liegen^
sind mit Alkohol allein nur wenig differenzirbar, da die Coccen eehr dicht
und zahlreich aneinander gelagert und mit Farbstoff intensiv imprägnirt
sind. Frei zwischen den Eiterzellen und auf der Oberfläche der spärlichen
desquamirten Epithelien liegen die Coccen nur selten.
2. Schnitte durch die vordere und hintere Hälfte der
Glans penis.
In allen Schiebten des submucösen Bindegewebes finden sich zahl-
reiche Mastzellen; ihr Protoplasma ist aus dicht aneinander g^pressten
ovalen bis runden Körnern, welche sich mit den verschiedenen Anilin-
farben fast noch intensiver als Mikroorganismen der gleichen Form
imbibiren, zusammengesetzt. Der Kern besteht in einem bald deutlich
lieber den bakter. Befund bei der ürethr. gon. des Mannes. 207
erkennbaren, bald verdeckt liegenden ungefärbten Bläschen von ovaler
und runder Gestalt. Die Zellenform ist ebenso wie die Lage der Kerne
in den Zellen eine so verschiedene, dass öfters Anklänge an Lymph-
gefasse oder Blutgefasscapillaren, welche mit Coecen vollgestopft sind,
zu Tage treten. Besonders eigenartig und verführerisch wirkt das Verhalten
der Mastzellen dann, wenn die Zellmembran bei der Anfertigung der
Schnitte angerissen ist und die Körnchen des Protoplasmas in das um-
liegende Gewebe resp. dessen Saftspalten verschoben sind.
Gonococcen von charakteristischer Form und specifischem Färbe-
vcrhalten finden sich in dem das Harn röhr enlumen theilweise ausfällenden
Secret sowie auch auf der Oberfläche und in den oberen Schichten des
Epithels; sie liegen zum Theil in dem Protoplasma der Eiterzellen, zum
Theil auch auf den desquamirten Epithelien. In grösseren Verbänden
werden sie selten beobachtet. Eine völlige Durchwanderung des Epithel»
ist nicht nachweisbar; dementsprechend trifft man die Coecen nur in
den Theilen des submucÖsen Bindegewebes, welche ihren Epithelüberzug
verloren und eine eiterige Infiltration erfahren haben. Auch an diesen
eiterig entzündeten Partien lassen sie sich nicht in die Tiefe des
Gewebes verfolgen, sondern liegen in Zellen eingeschlossen nur der
Oberfläche an.
3. Schnitthöhe in einer Entfernung von ca. l'/a Cm. vom
Sulcus coronarius.
Die Coecen liegen vereinzelt innerhalb der Eiterzellen dem Epithel
und dem eiterig infiltrirten Gewebe der frei liegenden Submucosa auf.
Ausser diesen an Form, Grösse und Färbeverhalten den Gonococcen
völlig gleichenden Mikroorganismen triflft man noch rasenartige Colonien
von Coecen, welche zwar auch als Diplococcen erscheinen, aber erhebliche
Schwankungen in der Grösse der Einzelexemplare und der Distanz
zwischen den beiden Hälften erkennen lassen. Die grösseren Gebilde
entsprechen ungefähr den Gonococcen und sind intensiver gefärbt, an
Zahl jedoch weit geringer als die kleineren Formen. Da sie sich inter-
epithelial einige Schichten in die Tiefe verfolgen lassen und bei Anwen-
dung der G r a mischen Methode entfärben, so sind sie höchstwahrscheinlich
als Gonococcen, welche vielleicht im Absterben begrifi'en sind, zu bezeich-
nen« Eine Verwechslung mit irgendwelchen zufaDigen Gebilden exsuda-
tiver Herkunft u. s. w. erscheint mir bei dem immer gleichmässigen
Verhalten zum Epithel und der bestimmten Topographie ausgeschlossen.
Es darf hier noch darauf hingewiesen werden, dass sich die Coecen
nie in den tief gelegenen rundzelligen Infiltraten finden, sondern dass
sich ihr Vorkommen nur in den oberflächlichen eiterig veränderten
Gewebetheilen constatiren lässt und dass sowohl bei Anwendung der
Gram'schen Methode wie bei der Färbung auf Tuberkelbacillen das
Resultat ein constant negatives gewesen ist.
4. Schnitthöhe in einer Entfernung von 3 — 4'/« Cm. vom
Sulcus coronarius.
208 Dinkler.
Sowohl die intracellalär gelegenon Diplococceo wie die in rasen»
artigen Colonien zusammengelagerten ' Coccen , welche in den soeben
beschriebenen Schnitten nachweisbar waren, werden an der Oberflache
des desquamirten Epithels und eiterig infiltrirten Bindegewebes angetroffen,
doch sind sie zweifellos weit spärlicher vorhanden. Ausserordentlich
zahlreich sind dagegen in allen Schnitten die polymorphen Mastzellen;
sie finden sich in den entzündlich infiltrirten Partien ebenso wie in den
weniger veränderten; oft kommen sie in grosser Entfernung von den
eingelagerten Rundzellen isolirt im fibrillären Bindegewebe vor.
5. Schnitthöhe in einer Entfernung von 6—9 Cm. vom
Sulcus coronarius.
Coccenhaltige Zellen sind nicht mehr nachweisbar; dagegen finden
sich ganz vereinzelt noch kleine freie Häufchen von Diplococcen, die sich
nach der Gram'schen Methode entfärben.
IV. Epikrise.
Der klinische Verlauf, welchen der vorliegende Fall ge-
nommen hat, ist kurz folgender: Bei einem 24jähr. Tüncher
entwickeln sich einige Wochen nach einem Sturz von einer
Leiter unter gewissen Prodromen w^ie Benommenheit, Kopfweh,
die Erscheinungen einer cerehrospinalen Meningitis. Als Aus-
gangspunkt dieser Erkrankungen kommen zwei Processe in
Frage: Einmal die wahrscheinlich tuberculösen Lyrophome am
Hals und zweitens die floride gonorrhoische Urethritis. Obwohl
die letztere nicht mit voller Bestimmtheit als primärer Krank-
heitsherd ausgeschlossen werden kann, so spricht doch der
intermittirende Verlauf des Fiebers, das ganze Krankheitsbild,
die kurz vor dem Tode plötzlich eintretende Remission sämmt-
licher Erscheinungen mit grosser Wahrscheinlichkeit für den
tuberculösen Charakter der Meninge<alerkrankung. Der bei der
Section erhobene Befund von tuberculöser Entartung der Lymph-
drüsen, Tuberkeleruptionen in den verschiedenen Abschnitten
der Hirnhäute etc. bestätigte die Richtigkeit der differentiell
diagnostischen Erwägungen und beweist, dass die beiden in-
fectiösen Processe: Die Tuberculose und die Gonorrhoe unab-
hängig von einander bestanden haben.
Bei der Untersuchung des in einzelne Stücke von circa
1 V« Cm. Länge zerlegten Penis ergeben sich sowohl am Epithel
wie am Bindegewelie eine Reihe von Veränderungen, welche
für die pathologische Anatomie der gonorrhoischen Urethritis
üeber den bakter. Befand bei der ürethr. gon. des Mannes. 209
von Bedeutung sind. Schon im Bereiche der vorderen Hälfte
der Glans penis sind die desquamativen Erscheinungen des
Epithels so erheblich, dass auf grössere Strecken hin mehrere
Schichten der Mucosa abgestossen und die basalgelegenen
cylindrischen und cubischen Zellen entblösst sind. An umschrie-
benen Stellen ist das Epithel gänzlich exfolürt, zum Theil
haftet es auch in abgestorbenem Zustande der Submucosa
noch an. Wie aus verschiedenen Befunden unzweifelhaft her-
vorgeht, kann die totale Abstossung der Mucosa verschiedene
Vorstadien haben : entweder setzt sie mit einer mehr und mehr
zunehmenden Lockerung des Epithelgefiiges und einer partiellen
Desquamation ein, die allmalig zur völligen Freilegung führt,
oder es kommt zu einer rascli verlaufenden Necrose und Ab-
stossung des Epithels in seiner ganzen Dicke, ohne dass vorher
erhebliche Aenderungen in der Zellenverbindung und ihrer
Configuration zu Tage treten.
Dieser letztere Modus, der offenbar einer besonders dele-
tären Wirkung des gonorrhoischen Virus seine Entstehung
verdankt, ist anscheinend der seltenere. Mit der der Desqua-
mation vorangehenden Lockerung der Mucosa sind auch ver-
schiedene Veränderungen der Form der einzelnen Zellen ver-
bunden; die Epithelien queUen auf, verlieren ihre ursprüngliche
Configuration und Begrenzung; während unter normalen Ver-
hältnissen ihre Oberfläche mit feinen Erhebungen, welche zahn-
radartig in einander greifen und so die feste Zusammenfügung
der Epithelmembran vermitteln helfen, besetzt ist, erscheint sie
hier vollkommen glatt und gleichmässig. Die Kerne bilden
häufig statt des normalen Bläschens mit seinem zierlichen
Chromatingerüst ein Convolut von dicken Chromatintropfen und
-Faden; typische Mitosen finden sich vereinzelt in der Tiefe
der Urethra; im Bereiche der schweren entzündlichen Ver-
änderungen sind nur die oben erwähnten Kernbilder nach-
weisbar, die zum Theil mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
als pathologische oder abnorme Theilungsphasen anzusprechen
sind. Wenn früher darauf hingewiesen ist, dass es sich in
diesen Formen vorwiegend um postmortale Zerfallserschei-
nungen handelt, so soll damit natürlich keineswegs behauptet
werden, dass die verspätete Härtung allein und nicht auch die
210 Diukler.
specifische Wirkung des gonorrhoischen Vii-us einen derartigeu
Effect haben kann. Das in Tiefe der Urethra beobachtete Vor-
kommen Yon Kemtheilungsfignren, welche sich mehr an das be-
kannte Schema anlehnen, spricht in gewissem Sinne dafür;
ausserdem braucht man sich nur der von Hess®) bei dem
acuten infectiösen Milztumor gefundenen Theilungsfiguren zu
erinnern, um sich von der Möglichkeit einer derartig speci-
fischen Einwirkung zu überzeugen.
Zwischen den Epithelien liegen Eiterzellen in wech-
selnder Zahl yertheilt; bald sind diejenigen Stellen, welche
eine erhebliche Desquamation zeigen, bald auch die, deren
Epithel zwar in hohem Grade gelockert, aber noch in toto
vorhanden ist, besonders reichlich durchsetzt.
Während im Bereiche der Glans penis die basale Epithel-
schicht und damit das typische Gepräge der Mucosa — mit
Ausnahme umschi-iebener Inseln — erhalten bleibt, wird der
destructive Charakter der entzündlichen Erscheinungen umso
ausgesprochener, je weiter die Untersuchung in die Tiefe der
Urethra vordringt. An der Grenze der Glans und ca. 1 Cm.
hinter dem Sulcus coronarius ist mehr als die Hälfte der
Urethrallichtung gänzlich ihres Epithels beraubt und durch
eiterig iiifiltrirtes Bindegewebe abgegrenzt. Die noch restirende
Epithelschicht zeipjt nicht nur eine hochgradige Zerklüftung und
Desquamation, sondern auch eine mehr oder weniger vollstän-
dige Metaplasie des Epithels. Von einer Grenzschicht cylind-
rischer oder cubischer Zellen, welche vertical dem submucösen
Bindegewebe aufsitzen, sind nur kümmerliche Reste erhalten-
statt ihrer findet man entweder abgeplattete Zellen, welche den
Endothelien der serösen Häute auffallend gleichen oder spindel-
förmige und vieleckige Gebilde der Submucosa aufgelagert; die
letzteren enden häufig mit einem keilförmigen Fortsatz im
Bindegewebe. Auch die Form des Papillarkörpers hat eine hoch-
gradige Veränderung erfahren ; die regelmässigen Epitheleinsen-
kungen, welche mit den Papillen der Submucosa altemiren, sind
grösstentheils geschwunden; nur ganz vereinzelt sind schmale
Epithelzapfen, deren kolbiges Ende meist abnorm tief in das
Bindegewebe liineingewuchert ist, vorhanden. Fast ausnahmslos
findet man diese flaschenförmigen Einwucheiiingen im Bereiche
^.
lieber den bakter. Befund bei der Urethr. gon. des Mannes. 211
und in Verbindung mit den erhaltenen Partien der Mucosa.
In ihrer Umgebung sowie auch in den des Epithels beraubten
Theilen lassen sich femer öfters isolirte, aus mehreren (circa
3 — 6) Zellen bestehende Epithelnester nachweisen.
In den hinteren zwei Dritteln der Pars cavemosa nehmen die
Veränderungen des Epithels wieder an Intensität allmälig ab;
der ursprüngliche, mehrschichtige Epithelbau tritt wieder hervor,
während die Metaplasie der oberen Schichten in Plattenepithel
bis zur Pars membranacea sich erstreckt. Die drüsigen Gebilde,
welche in der hinteren Hälfte der Pars cavernosa sich verzwei-
gen und theilweise auch durch die Submucosa hindurch in das
cavemöse Gewebe eindringen, zeigen nur geringe Infiltrations-
und Desquamationserscheinungen an den Ausfiihrungsgängen und
einzelnen Drüsenacinis.
Im Lumen der Urethra liegen verschieden grosse Zellen-
haufen, die aus polymorphen Epithelien und Eiterzellen bestehen
und durch eine feinfadige Exsudatmasse zusanmiengehalten
werden ; besonders erwähnenswerth in ihnen sind die zahlreichen
Zerfallsproducte, welche bald in Form eines feinkörnigen De-
tritus bald auch als grössere Schollen und Tropfen ungleich-
massig verstreut sind und durch ihre intensive Färbung mit
den Anilinfarbstoffen die Unterscheidung von den Mikroorga-
nismen vielfach erschweren. Abgesehen von diesen Secretmassen,
denen sich hie und da noch necrotische Bindegewebsfetzen an-
legen, ist die Lichtung der Harnröhre selbst durch die ent-
zündliche Schwellung der Mucosa und Submucosa in verschieden
hohem Grade verengt, vne es besonders an den Schnitten hinter
dem Sulcus coronarius heiTortritt.
Die Veränderungen des Bindegewebes entsprechen in ihrer
Intensität im Grossen und Ganzen denen des Epithels ; zwei Typen
der Entzündung kann man unterscheiden: die eine geht mit
emer rundzelligen Infiltration, die andere mit einer eiterigen
Einschmelzung der Submucosa einher. Im Bereiche der mit
Epithel bekleideten Stellen überwiegt die kleinzeUige Infiltra-
tion : Rundzellen mit grossem, bald homogenem, bald granulirtem
Kern liegen in dichter Anordnung zwischen den Bindegewebs-
fibrillen und fixen Bindegewebskörpern vertheilt. Die Einlage-
rung ist je nach der Tiefe verschieden ; direct unter dem Epithel
212 DinkKr.
ist sie diffus, flächeuhaft, während sie in den tieferen Schichten
zu ausgesprochener Knötchenbildung, deren Bau den foUiculären
Apparaten anderer Schleimhäute auffallend ähnlich sieht, führt
Einen eiterigen Charakter zeigt die Entzündung an den
Stellen, deren Epithel nekrotisch geworden oder in toto abge-
stossen ist. Die kekannten Merkmale: vielkernige EiterzeUen,
Detritus, kleine Yacuolenbildung bilden die Vorläufer der nahen
Einschmelzung des Gewebes.
Von besonderer Bedeutung im Bereiche dieser Zonen ist
das Verhalten der Blutgefässe; eine grössere Anzahl derselben
ist abgestorben und durch Thrombusbildung verlegt. Die um-
liegenden Gefässe sind ziemlich erheblich erweitert und in ihren
Wandungen durch Zelleneinlagerung verdickt. Bei der Unter-
suchung auf (jonococcen zeigt es sich trotz vielfacher Modifica-
tionen des Färbeverfahreus, dass die Zahl zweifelloser Diplo-
coccen von dem Verhalten der Neiss er 'sehen Mikroben in
Bezug auf Färbung und intracelluläre Lagerung sehr klein ist
und mit der Menge der im Secret intra vitam nachweisbaren
Gonococcen im grellen Widerspruch steht. Wenn sich für dieses
Verhalten auch keine sichere Erklärung hat finden lassen, so
beweisen doch ähnliche Beobachtungen von anderen Autoren,
dass die Schuld nicht an der Färbung der Präparate liegen
kann. Vielleicht spielen degenerative Veränderungen in Folge
der verspäteten Härtung eine gewisse Rolle ; hierfür würde der
früher erwähnte Befund von rasenartigen Colonieh von Diplo-
coccen verschiedener Griisse und Färbbarkeit in gewissem
Sinne sprechen können.
Durch die Färbung der Schnitte nach der Gram 'sehen
Methode und nach Gabbett lässt sich feststellen, dass weder
Eitercoccen noch Tuberkelbacillen vorhanden sind und dass
demnach im Inneren der Harnröhre die Gonococcen thatsächlich
die einzigen Krankheitskeime, wie dies vielfache Secretunter-
suchungen und Impfungen nahe gelegt haben, bilden.
Von anatomischen Untersuchungen über den Bau der
männlichen Harnröhre bei GonoiThoe scheint nur die eine von
Bockhart") zu existiren. Die Veränderungen, welche dieser
Autor beobachtet hat, betreffen nicht nur das Epithel und die
Submucosa, sondern auch das Gewebe des Corpus cavernosum
lieber den bakter. Befund bei der Urethr. gon. des Mannes. 213
urethrae ; das Epithel ist erheblich gelockert und einzelne Schichten
sind desqoamirt. Bockhart selbst bezeichnet es als gequollen
und zerklüftet, letzteres namentlich in der Fossa navicularis, wo der
Mucosa viel Exsudat auflag. Die Bluträume der Pars cavemosa,
heisst es weiter, desselben Theiles der Harnröhre enthalten eine
grosse Anzahl weisser Blutzellen. Das bindegewebige Balken-
werk der Pars cavemosa ist aufs reichlichste durchsetzt von
ausgewanderten weissen Blutzellen, die gegen die Albuginea
hin an Zahl abnehmen und nicht über dieselbe hinaus
in die Schwellkörper des Penis eindringen. Die Durch-
setzung mit emer grossen Anzahl dicht beisammen liegender
weisser Blutzellen erstreckt sich auf die Mucosa, Submucosa
und die in ihr liegenden Blutgefässe bis zur Pars prostatica.
Berücksichtigt man noch, dass es in dem Bockhart^schen
Fall zu Cystitis und Nierenabscessen gonorrhoischer Natur ge-
kommen ist, so tritt ein auffallender Contrast — in beiden
Fällen hat die Gonorrhoe wahrscheinlich ziemlich gleich lange
Zeit bestanden — zwischen diesem und dem hier mitgetheilten
eigenen Fall zu Tage. In dem ersteren führt die Tripperinfec-
tion zur Zerklüftung und Quellung des Epithels und zur klein-
zelligen Infiltration der Submucosa und des Corpus caver-
nosum urethrae, in dem letzteren zur Desquamation und
vollständigen Exfoliation grosser Epith eist recken,
zur kleinzelligen und eiterigen Infiltration der Sub-
mucosa, während das Corpus cavern. urethr. trotz der
erheblichen Schleimhautveräuderungen gänzlich frei bleibt
Den Ansammlungen weisser BlutzeUen in den Bluträumen des
Schwellkörpers ist keine Bedeutung zuzumessen, da sie unter
normalen Verhältnissen auch vorkommen. Hingegen finden
imsere Beobachtungen eine volle Bestätigung in den bei Blen-
norrhoea neonatorum auftretenden Conjunctivalveränderungen,
welche von Bumm mit grosser Sorgfalt untersucht und be-
schrieben sind.
Die Gleichmässigkeit der verschiedenen Erscheinungen,
welche an den beiden Typen des mehrschichtigen Cylinder-
epithels der Conjunctiva und Urethra sich vollziehen, ist mu-
tatis mutantis eme so allgemeine, dass sie die a priori gehegten
Erwartungen fast noch übertrifft ; sowohl die Desquamation wie
ArebiT f. Dennatol. n. Syphll. Band XXVT. 15
214 Dinkler.
die Lockerung und Wucherung des Epithels, die ausgesprochene
Metaplasie des Epitheltypus, wie auch die entzündliche Reaction
des Bindegewebes stimmten yollkonmien überein. Nur in der
Deutung einzelner Veränderungen treten gewisse Differenzen
hervor. Bumm hält z. B. die regelmässig nach einer gewissen
Zeit erfolgende Umwandlung des Cylinderepithels in Plattenepithel
für eine wirksame Schutzvorrichtung gegenüber der Gonococcen-
Invasion und bringt diese Metaplasie, welche er als specifische
Gewebereaction anzusehen geneigt scheint, mit dem Ablauf des
gonorrhoischen Processes in ursächlichen Zusammenhang.
Wenn auch die Bumm^sche Anschauung von der Resistenz
des Plattenepithels gegenüber den Gonococcen durch die go-
norrhoische Entzündung von Plattenepithelmembranen noch nicht
widerlegt wäre, so könnte man trotzdem in dieser transitorischen
Metaplasie keine specifische Reaction des mehrschichtigen Cy-
linderepithels gegen die N eis s er 'sehen Mikroben erkennen, da
die mehrschichtigen Cylinderepithelhäute auf die verschiedensten
Entzündungsreize regelmässig mit Desquamation und Umwandlung
des Zellentypus reagiren und ein provisorisches Plattenepithel
zu bilden pflegen. Wahrscheinlich spielen übrigens bei dem
Ersatz der Cylinderzellen durch Plattenepithelien auch die
rein mechanischen Verhältnisse in der Weite der Urethral-
lichtung eine gewisse Rolle mit. Ist doch die Schwellung der
Schleimhaut eine so erhebliche und gleichmässige, dass die
Wandungen förmlich an einander gepresst werden! Die früher
mehrfach erwähnten Haufen und Nester von abgesprengten
Epithelien stehen, wie dies auch von Bumm schon ausführlich
mitgetheilt ist, mit den regenerativen Processen in directer
Beziehung und sind offenbar für die rasche Ueberhäutung von
so grossen Epitheldefecten, wie sie in dem vorliegenden Fall
zur Beobachtung gekommen sind, von Bedeutung.
Während die anatomischen Veränderungen in dem B o ck-
har tischen Fall an Intensität hinter den von uns beschriebenen
zurückstehen, ist das Verhalten der Coccen gerade ein umge-
kehrtes; nach unserer Beobachtung sind die Coccen ausser-
ordentlich spärlich und finden sich nur in den oberen
Schichten des Epithels und des eiterig infiltrirten submucösen
Gewebes, Bockhart hingegen findet die Gonococcen sowohl
Ueber den bakter. Befund bei der Urethr. gon. des Mannes. 215
in Zellen wie in Lymph- und Blutgefässen der ganzen Dicke
der Schleimhaut in sehr beträchtlicher Zahl. Die Haufenbildui^
und das Vorkommen der Mikroorganismen in den verschieden-
sten Schichten des submucösen Gewebes ist in den beigegebenen
Zeichnungen so charakteristisch für Mastzelleo, dass schon
Arning*) die Vermuthung ausgesprochen hat, Bockhart habe
sich durch eine Verwechselung mit diesen Gebilden täuschen
lassen. In der That lässt sich heute schon aus der Art des
Nährbodens (Fleischextract-Peptongelatine), auf welchem die Go-
nococcen-Reincultur gewachsen war, mit voller Sicherheit be-
weisen, dass Bockhart überhaupt nicht mit Gonococcenculturen
gearbeitet hat ; ausserdem sind die oben erwähnten Zeichnungen
so anschaulich und klar, dass man, wie dies Arning schon
betont, über die Vei-wechselung der Mastzellen mit coccenhal-
tigen Zellen und Gefässen nicht im Zweifel sein kann. Es wird
dennoch weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, über
die Häufigkeit und das Verhalten der Gonococcen im Gewebe
der Urethra Aufschluss zu geben.
Die Veränderungen, welche die Urethralschleimhaut in dem
mitgetheilten Fall von Urethritis gonorrhoica darbietet, sind
folgende :
1. Das Epithel ist in den geringer erkrankten Gebieten
(ca. der vorderen Hälfte der Glans und den hinteren % der
Pars cavemosa penis) gelockert, kleinzellig infiltrirt und partiell
desquamirt. Im Bereiche der hinteren Hälfte der Glans sowie
des sich anschliessenden vorderen Drittels der Pars cavernosa
ist es grossentheils mortificirt oder gänzlich abgestossen; die
noch erhaltenen Reste zeigen vielfach eine Umwandlung in
Plattenepithel (transitorische Metaplasie).
2. Das submucöse Gewebe ist unter den erhalten geblie-
benen Epithelstrecken flächenhaft und umschrieben (unter Bil-
dung von Knötchen mit lymphoidem Bau) kleinzellig infiltrirt.
An den epithellosen Stellen ist das Bindegewebe von Eiterzellen
durchsetzt und in Einschmelzung begriffen; einzelne Partien
sind ausserdem nekrotisch geworden und abgestossen.
3. Die Capillargefässe sind im Bereiche der eiterigen Ent-
zündung häufiger mortificirt und ihre Lichtung durch einen
15*
216 Dinkler.
Thrombus geschlossen. In den übrigen Theilen ist die Gefäss-
Wandung kleinzellig infiltrirt nnd verdickt.
4. Bezüglich der Verbreitung des gonorrhoischen Processes
sprechen die geschilderten anatomischen Veränderungen für die
Richtigkeit der klinischen Erfahrung, dass die Gonorrhoe beim
Manne zunächst nur als Urethritis anterior verläuft.
Literatur-Verzeichniss.
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kongen. Gk)nococcus Neisser. 1885.
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u. Syph. Bd. 21 und „Weitere Beitrage zur Lehre von den gonorrh. Er-
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put. Drüsengänge. Deutsche med. Wochenschr. 1890.
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tomie etc. von £. Ziegler. Bd. 8.
9. E. Arning. Ueber das Vorkommen von Gonococcen bei Barto-
linitis. Yierteljahresschrift für DermatoL u. Sypb. 1883.
ErUänmg der Abbildungen auf Tafel ZI.
Fig. 1. Schnitt durch die vordere Hälfte der Eichel, a Erhalten
gebliebene Epithelleiste des mehrschichtigen Plattenepithels der Urethra, h
necrotisches Epithel, e epithelloses Bindegewebe mit fibrinös-eitrigem Ex-
sudat, (2 fibrinöse Exsudatmasse, eektatische Gapillargefasse, /thrombosirte
Gapillaren, g Zerfallsproducte der Zellkerne.
Fig. 2. Schnitt vom hinteren Ende der Eichel, a Hamröhrenschleim-
hant, bestehend aus einer Lage von abgeplatteten Epithelien mit Epithel-
zapfen (transitorische Metaplasie), b eitrig infiltrirte Submucosa mit Detritus.
Fig. 3. Querschnitt der Urethra, ca. 4 Gm. hinter dem Grificium
extemum (halbschematisch). l Lumen der Urethra, e Epithelreste, t Infil-
trate mit adenoider Anordnung, r ringförmig angeordnete Bindegewebs-
züge an der Grenze des Corpus cavemosum.
Ueber Cysticercus cellulosae in der Haut
des Menschen.
Von
Prof. Georg Lewin in Berlin.
(ffierzu Taf. XII.)
(Schlnai.)
Symptomatologie.
Sensibele, motorische, trophische
Erscheinungen.
Die relativ geringe Auffindung von Finnen in der Haut
erklärt sich theilweise dadurch, dass der Parasit oft unbe-
deutende Störungen für den Kranken erzeugt und deshalb ihn
nicht veranlasst, ärztliche Hilfe aufzusuchen. Treten aber Be-
schwerden auf, so wird der Körper meist gar nicht genau vom
Arzte palpirt, oder der wirklich gefühlte Tumor verkannt Dass
aber auch Störungen, selbst schwerere durch den Cysticercus,
als einen in der Haut vorhandenen fremden Körper auftreten
können, ist wohl natürlich. Sie treten jedoch meist nur sehr
langsam mit der allmäligen Yergrösserung des Parasiten auf.
Die Behauptung Stich's, dass der Cysticercus überhaupt keine,
irgendwie erhebliche Störung zur Folge habe, ist nicht richtig.
Die Casuistik zeigt, dass sowohl die sensible und motorische,
als auch die vasomotorische und selbst trophische Sphäre mehr
oder weniger in Mitleidenschaft gezogen wird.
Wenn man den betrefifenden Tumor, an welchen ein Kranker
Stiches litt, für einen Gichtknoten halten konnte, so müssen
wohl ziemlich starke, an Gicht erinnernde Schmerzen vorange-
gangen sein. Ein Kranker Himly's klagte über derartige
218 Lewin.
Muskelschmerzen, dass sie Wadenkrampf vortäuschten. Ein
Kranker Erukenberg^s litt an „dolor, rheumatico non dissi-
milis", welcher nach Exstirpation des Wurmes schwand. Litten's
und Broca^s Kranke mit Cysticercus in der Lebergegend und
im Epigastrium klagten über heftige Schmerzen daselbst. Die
Patienten HempeFs, Fischer's, Delore's und Rathey's
klagten ebenfalls über Sensibilitätsstörungen, Abgeschlagenheit
und Müdigkeit bei Bewegung der erkrankten Theile. Einer
meiner Patienten gab als Sitz von Neuralgien den Rücken-
wirbel an, auf welchem ein Tumor sass, ein anderer Kranker
klagte über Taubheit in der rechten Hand. Bei einem dritten
Kranken mit Finnen in der rechten Vola manus war die Bewegung
mit Schmerzen verbunden. Noch ein anderer Patient mit einem
Tumor in der rechten Ellenbogenbeuge klagte über schmerzhaftes
Ziehen in der Bahn des N. ulnaris volaris. Benda's Kranker
betonte die Schmerzen im Verlaufe des Nervus ischiadicus
dexter. Karewski's Patienten litten theilweise an „abnormer
Sensation" des betreffenden Armes, der beinahe „gelähmt" war.
Auch der im linken Glutaeus sitzende Wurm geiiirte beim
„Sitzen und bei der Defaecation". Bei Gros's Kranken mit der
Geschwulst in der rechten Augenbrauengegend bestanden remit-
tirende einseitige Kopfschmerzen. Bei Dumreicher's Pati-
enten strahlten von der erkrankten rechten Schläfengegend
neuralgische Schmerzen aus. In Fischer's, Forster's und
KarewskTs Fällen konnte der Arm nicht völlig ausgestreckt
werden. Bei dem Falle Lafitte's handelte es sich um „Steifheit
und Krümmung des kleinen Fingers" . Lancereaux's Kranke
litt an Schwäche der unteren Extremitäten.
Aber auch entzündliche Erscheinungen treten auf. Für
solche Gewebsstörungen spricht das sehr blasse Aussehen oder
die bisweilen dunkel kastanienbraune Farbe und die von Delore
beobachtete leichte ZeiTeisslichkeit des Gewebes. F e r b e r (Virch.
Arch. Bd. 32 p. 249) und Ordonnez (Gaz. de Paris 1862, p.
686) betonen die unregelmässige Streifung der occupirten Mus-
kelfibrillen und ihre Verfettung. Auch die beobachteten capiUären
Hämorrhagien sind auf Degeneration der Gelässwände zurück-
zuführen. Derartige Befunde haben v. Graefe, Ferber,
Maillon und Ordonnez publicirt; ja v. Graefe fand selbst
lieber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 219
einen hämorrhagischen Herd in der Cysticercushöhle. Die Ent-
zündung kann auch einen phlegmonösen Charakter annehmen. So
z. B. bei Gaermonpr ez's *) Kranken. Hier sass der Cysticercus
in der Brustdrüse und erzeugte wiederholt Mastitis. Aehnliche
Erscheinungen zeigte einer meiner Kranken. Aber auch zur Ab-
scedirung können sich die entzündlichen Erscheinungen steigern?
wie die Casuistik von Karewski, Fischer und mir beweist.
Welche Momente die Abscesse verursachen, ist noch nicht sicher.
Man könnte annehmen, dass der Parasiten-Embryo der vom
Magen und Darmcanal aus den Organismus invasirt, Keime von
Eitercoccen mit sich führe. Leber (Arch. f. Ophthalm. Bd. 32,
p. 312) meint, dass die Cysticerken selbst Ptomaine erzeugen
und dadurch die erkrankten Gewebe minder widerstandsfähig
gegen die Niederlassung und das Wachsthum der durch den
Blutstrom importirten Bacterien werden. Auch die Hypothese
ist aufgestellt worden, dass eine pathologische Alteration der
Haut, wie Epithelium-Defect, Rhagaden etc. leicht durch eine
äussere Laesion verursacht werden könne.
Wichtig ist noch folgende Beobachtung : Durch Experimente
an Thieren ist von Leukardt, Zenker und Gerlach nach-
gewiesen, dass die jenen beigebrachten Parasiten bisweilen
plötzlich und massenhaft gleichzeitig in die Haut, die Muskeln
und den Darm einwandern und dadurch ebenso plötzlich auf-
tretende Erscheinungen erzeugen, so z. B. Muskelkrämpfe, Diar-
rhöen und Erbrechen. Nichts spricht dagegen, dass ein gleicher
Process sich auch beim Menschen vollziehen kann. So erklärt
sich die interessante Mittheilung Stich's, dass bei einer Frau
mit Finnen während einer Cholera-Epidemie auch Cholera an-
genommen wurde, weil sie Wadenkrämpfe und diarrhoische
Stühle hatte. Erst die Section klärte den Irrthum auf.
Diagnose.
Die Verschiebbarkeit oder Beweglichkeit des
im subcutanen Gewebe sitzenden und von einer, durch entzünd-
liche Reaction entstandenen, bindegewebigen Kapsel umgebenen
Cysticercus ist mehr oder weniger vorhanden. Es hängt dies
») Lyon medic. 1883. Nr. 41.
220 L e w i n.
Yon der Tiefe des Sitzes und auch davon ab, ob einzebie Fasern
des naheliegenden Muskels ihn fester fixiren.
Die Prominenz über das Niveau der umgebenden Haut
fehlt oft ganz, in einzelnen Fällen ist sie mehr oder weniger
auffallend« Auch dies Moment wird durch mehr oder weniger
oberflächlichen Sitz und dadurch bewirkte Spannung der Haut
bedingt.
Die Grösse der Finnen, selbst gleichaltriger, ist keineswegs
die gleiche. Dass selbst in einem und demselben Organe solche
von verschiedenen Volumen vorkommen können, haben die Ex-
perimente der Finnenzucht gezeigt. Die Durchschnittgrösse ist
die einer Linse bis Haselnuss, doch finden sich auch grössere,
namentlich im Gehirn vor. Die Grösse der Finnen kann aber
intra vitam ab- und zunehmen.
Bei einer meiner Kranken hatten einzelne Tumoren,
welche anfangs linsengross waren, schon nach 4 — 6 Monaten
die Grösse einer Haselnuss erreicht. Stich sah bei einem
Kranken die anfangs linsengrossen Geschwülste innerhalb eines
Monats bis zur Bohnengrösse wachsen. Bei dem v. Gräfe'schen
Kranken erhob sich die Geschwulst in 6 Wochen „von wenigen auf
6 Linien Durchmesser." Diese Volumenzunahme kann die
Folge sein einer Vermehrung des wässerigen Inhaltes, der
Verdickung der Kapsel- oder auch des selbständigen Wachsthums
des Cysticercus selbst. Man muss daran denken, dass sich
schon in der Finne die erste Anlage des Bandvmrmkörpers zeigt,
und zwar als eine cylindrische Röhre, welche sich zwischen das
obere halsförmig verdünnte Ende des Kopfes und den andern
Pol des Blasenkörpers einschiebt, und dass dieser Hohlraum
sich mit dem fortschreitenden Alter der Finne auch erweitert.
Hierbei nimmt sie eine runzliche Beschaffenheit an, bildet Quer-
falten, Einschnürungen, so dass man eine schon mit Proglottiden
versehene kleine Tänie vor sich zu haben glaubt.
Die Form der Geschwulst ist entweder rund oder ovaL
Ersteres tritt besonders bei den im subcutanen Gewebe hegenden,
das andere mehr bei den an die Muskeln gehefteten Cysti-
cerken hervor. Während das nachgiebige, subcutane Gewebe
ein gleichmässiges Wachsen des Tumors vom Centrum nach
der Peripherie gestattet, scheinen die strafferen Fasern der
Ueber Cysticercus cellnlosae in der Haut des Menschen. 221
Muskeln mehr die Längsrichtung der Geschwulst und damit
die OTaleForm zu bedingen. Aus dieser verschiedenen Beschaf-
fenheit der Umgebung des Cisticercus lässt es sich auch er-
klären, dass grade die Gehimcysticercen die grösste Mannig-
faltigkeit in der Faimation zeigen, so namentlich der Cysticer-
cus racemiformis.
Die Consistenz des Tumors ist füi* die Diagnose
besonders charakteristisch. Der Tumor ist nicht allein prall
elastisch, sondern nahezu knorpelhart, meist so resistent,
wie ein \irirklicher Knorpel, speciell des Kalbes; dadurch
unterscheidet er sich vorzüghch yon der Gummigeschwulst,
welche bekanntlich meist eine mehr teigige Consistenz zeigt.
Die Beschaffenheit der Oberfläche der Tumoren
ist nie höckerig, sondern glatt. Nur wo eine Muskelfascie
straff und einschneidend über ihn hinzieht, erscheint die Ge-
schwulst wie in zwei Hälften getheilt, wie dies bei einem
meiner Kranken der Fall war, bei welchem ein Cysticercus
seithch vom Condylus externus des Ellenbogens sass.
Ebenso wie eine Vergrösserung kann sich auch eine
Verkleinerung des Tumors entwickeln und zwar durch den
Process einer allmäligen Verkalkung.
Auch von verschiedener Grosse werden Finnen
bei einem und demselben Individuum gefunden« Welche Bedin-
gungen des verschiedenen Wachsthimis hier obwalten, ist nicht
bestimmt anzugeben. Wahrscheinlich wird die für die Entwick-
lung mehr oder weniger günstige Localisation hier mitspielen.
Auch können Invasionen zu verschiedenen Zeiten vielleicht die
Erklärung abgeben, wie Helminthologen bei Thieren beobachtet
haben.
Der Pai*asit scheint sowohl s elitär, als auch in sehr
grosserAnzahl im Menschen vorzukommen. Einige Autoren,
so z.B. Stich, leugnen das solitäre Vorkommen, dagegen habe
ich und Andere, so z. B. Lafitte, Lumreichr, Garski
solche Fälle publiiert. Leuckhardt fand bei einem Ver-
suchsthier, welches eine erkleckliche Menge Bandwürmer ver-
schluckt hatte, nur eine einzige Finne. Unbekannte Bedingungen
würden wohl die übrigen Eier bis auf das Eine an der Entwickelung
gehindert haben. Auch Küchenmeister ist derselben Ansicht.
222 Lewin.
Natürlich lässt sich gegen alle diese Angaben der schon erhobene
Einwand wiederholen, dass nicht alle Organe genau untersucht
wurden; aber auch umgekehrt ist daranzudenken, dass gleich-
zeitig vorhandene Parasiten leicht übersehen werden können.
Doch zugegeben, dass es Solitärfinnen gibt, so ist in der
Mehrzahl der Fälle der Parasit in mehreren Exemplaren vor-
handen — ein Moment von Bedeutung für den diagnostischen
Werth des Haut-Cysticercus. Schon Wharton zählte in seinem,
allerdings zweifelhaften Falle Hunderte. Himly ') zählte eben-
falls bei der Section eines Kranken viele Hunderte von Finnen in
den Muskeln und eine fast gleiche Anzahl im Gehirn und in der
Lunge. Bei Lancereaux's Kranken wurden die Finnen auf
etwa 1000 geschätzt. Bonhomme*) zählte bei einem von ihm se-
cirten 77jährigen 900 Cysticerken in den Muskeln und etwa 2000
im subcutanen Gewebe. In den innem Organen wurden nur 125
aufgefunden und zwar 84 im Gehirn, 22 in den Meningen, 16 in der
Lunge, dem Pancreas, in der Parotis und der Medulla oblongata.
E. Gellerstedt hat bei einer 47jährigen Frau nicht allein
im Gehirn sondern namentlich in allen Muskeln „unzählige
Finnen" gefunden. Delore (1. c.) gibt die Zahl der bei der
Section eines 77jährigen Mannes gefundenen Cysticerken auf
2000 an und zwar 900 in den Muskeln, die übrigen im subcu-
tanen Gewebe. Giamattei's*) Kranker hatte bei der Sec-
tion 200 Cysticerken im Gehirn, 1000 in den Muskeln (im Biceps
allein 24) und mehrere im Herzen.
G u b a i n fand bei der Section einer Kranken alle Organe,
namentlich die Muskeln, so voller Hydatiden, dass er sich den
Ausdruck „Diathesis hydatitosa" erlaubte.
Den entscheidenden Beweis für den Cysticercus liefert
aber die Exstirpation desselben. Man macht vorsichtig einen
Einschnitt in die Cutis, dessen Länge und Tiefe der Form und
dem Sitze des Wurmes entspricht und verfährt dann ganz wie
beim Ausschneiden eines Atheroms. Nach weiterer Trennung der
die Cysticercusblase umgebenden bindegewebigen Kapsel zeigt
') Himly. Hufeland-.s Journal. 1809.
*) Bonhomme. Compt. rendu de seanoe de la societe biol. 1884p. 62.
') Giaroattei. li Morgagni. 1888.
Ueber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 223
die darunterliegende Blase meist eine wellige Oberfläche. An
einer Stelle der Blase macht sich mehr oder weniger deutlich
eine Einziehung bemerklich, von deren Innerem ein derber,
weisslicher, stecknadelkopfgrosser, runder Körper durch die
Blasenwand durchscheint. Dieser Körper bildet einen birnförmi-
gen Sack, welcher den Kopf handschuhartig umhüllt. Der Kopf
ist der der Taenia. Er ist quadratisch und zeigt vier etwas
prominirende Säugenäpfe, in deren Seite das Rostellum mit den
24 — 30 Haken und Häkchen liegt. Diese bilden zwei concentri-
sehe Kreise, in deren äusserem die Häkchen grösser sind als
die in dem inneren. Die Haken stecken in meist pigmentirten
Taschen. Nicht ganz selten fallen einzelne oder ganze Reihen
Haken ab, die man aber in der Blasenflüssigkeit wiederfinden
kann. Dem Kopfe folgt ein kürzerer oder längerer, quergerun-
zelter Stiel, der Halstheil, und diesem der embryonale Blasen-
körper, die Schwanzblase. Um den Blasenbandwurm genauer zu
studiren, empfiehlt es sich, ihn aus seiner Kapsel zu nehmen
und in laues Wasser zu legen. Hier contrahirt er sich in die
mannigEstltigsten, zum Theil wellenförmigen Formen, Meist zeigen
sich auch Kalkpartikel in der Wand als Zeichen beginnender
Verkalkung.
Auch kann man, wenn die Exstirpation yermieden werden
soll, mit der Prayaz'schen Spritze die Flüssigkeit aus der
Blase ziehen, in welcher sich nicht selten einzelne Hakenkränze
nachweisen lassen.
Differential-Diagnose.
Die Cysticerken können, wie sich dies zum Theil schon
aus dem Vorigen ergibt, mit Tumoren jegUcher Art verM-echselt
werden, so mit Fibrom, Molluscum, Atherom, Condylom
subcutaneum, Neurom, Enchondrom, Carcinom, mit syphiliti-
schen Lymphdrüsen, syphilitischen Sclerosen und Gummata.
Wenn entzündliche Erscheinungen hinzutreten, täuschen die
Finnen auch Furunkeln und Abscesse vor.
Guermonprez und Delbeau z. B. hielten den Cysti-
cercus für ein Atherom, Delore und Bonhomme für ein
Fibrom, Hempel für ein Enchondrom, Giamattei für Lipom,
Werther für ein Neurom. Bei dem Kranken Gre wer Vs nahm
224 Lewin.
man ein Carcinom an, und machte eine umfangreiche Operation.
Im Falle Dolbeau's wurde Lupusknoten angenommen und
ebenfalls operativ eingegiififen. Bei circa 12 — 15 Kranken
Lafitte's, Fischer's, Westphal's, Karewski's, von
GraefeX Hacker's etc. wurden Abscease und Phlegmonen,
ja selbst Spina ventosa vorgetäuscht
Bei Stich's Kranken wurden, wie schon erwähnt, Gicht-
knoten diagnosticirt. W harten publicirte seinen Fall unter dem
Titel „De glandulis corporis". Dolores gesteht, dass er Finnen
für syphilitische Lymphdrüsen gehalten. Der Tumor des Kranken
Amici's zwischen den Lamellen des Präputiums zeigte das
Aussehen und namentlich die Härte einer Sclerose. Auch B r o c a
glaubte eine „production syphilitique" in seinem Falle vor sich
zu haben. Die Verwechslung mitGummata haben wir schon bei
dem 1669 von W harten beschriebenen Falle erwähnt. Aehnliche
Täuschungen wurden publicirt von Griesinger, Kessen
und Küchenmeister. Ich habe ebenfalls eine Anzahl solcher
Fälle zu verzeichnen und es waren nicht unbedeutende Aerzte,
welche solchen Täuschungen unterlagen. Die Verwechslung ist
aber, wie kaum noch betont zu werden braucht, nicht allein für
die Therapie, sondern auch deshalb von grosser Bedeutung,
als die gleichzeitig durch Finnen im Gehirn erzeugten Erschei-
nungen, wie wir zeigen werden, fälschhch auch für syphilitisch
gehalten worden sind. Der Wichtigkeit der Materie halber fiihre
ich hier nur zwei meiner Kranken an, auf die übrigen werde ich
später noch näher eingehen.
1. Der 38j. Kaufmann N. N., von sehr kraftiger Constitution, hatte
sich, bis auf mehrmalige Gonorrhöen, stets einer guten Gesundheit erfreut.
Seit 2 Jahren litt er an Ekzem. Von seinem Hausarzte in D. wurde er
mit Terschiedenen Salben und innerlich mit Arsen behandelt, jedoch ohne
£rfolg. Deshalb reiste er nach Dresden zum Dr. N. N. Schon auf der
Heise dorthin stellte sich eine geringe Augenentzündung ein. Der neue
Arzt entdeckte beim Kranken mehrere Tumoren auf dem Kücken, unter-
halb des rechten Schulterblattes und auf dem linken Oberschenkel, welche
er für Gummata hielt. Die Ophthalmie, das £kzem, die noch bestehende
Gonorrhoea chronica wurden namentlich imter Berücksichtigung der „Gum-
mata'' sämmtlich für Symptome der Lues erklärt and mit einer Schmier-
cur von 4 Wochen behandelt. Das Ekzem verschlimmerte sich, der
Tripper nahm nicht ab, die Geschwülste blieben stationär. Jodkalium in
steigender Dosis mehrere Monate lang gebraucht, brachte keine Heilung.
lieber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 225
Ein anderer Arzt verordnete Pillen von Quecksilberjodür und örtlich
Theereinreibungen. Das Ekzem schwand, der Ausfluss aus der Harnröhre
minderte sich, aber die Tumoren blieben hartnäckig; Jodkalium bis zu
15-0 auf 200 blieb auch ohne Erfolg. Im März 1876 kam der Kranke zu
mir. Das Ekzem war nur noch sehr gering, Gonorrhoe nicht mehr vor-
handen, ebenso die Augenentzündung. Die Tumoren wurden als Cysti-
cerken durch Excision erkannt. Von Syphilis aber wurde keine Spur
aufgefunden.
2. Ein 28jähr. Tischler, aus gesunder Familie, wurde vor 2 Jahren
inficirt. Die Sclerose am Penis wurde local behandelt, das nachher ent-
stehende Exanthem mit Quecksilber- Jodür. Wegen eines Recidivs machte
er 5 Wochen lang eine Schmierern* durch. Bald darauf bemerkte er „Ge-
schwülste an sich" und erhielt von dem consultirten Arzte 7« Jahr
hindurch Jodkalium in steigender Dosis. Da die „Geschwülste sich mehrten
und vergrösserten", kam er auf meine Poliklinik in der Charite. Wir
constatirten neben einer leichten syphilitischen Laryngitis 12 Tumoren
und zwar 3 auf dem rechten Pectoralis major, 4 auf dem rechten Ober-
schenkel, 5 auf beiden Armen. Die Diagnose auf Cysticercus wurde durch
die Exstirpation bestätigt.
Trotz der angegebenen differential-diagnostischen Criterien
können aber Fälle vorkommen, bei welchen eine sichereEnt-
scheidung nicht möglich ist. Dies zeigt sich nament-
lich bei solch tieferen Sitze des Blasenbandwurmes, dass eine
palpable Untersuchung nicht hinreichend Ausschlag gebend ist.
Ein Beispiel möge dies zeigen:
Frau 0., 32 Jahre alt, sehr kräftig, wurde von ihrem Manne
inficirt. Nach „Blasen'^ an den grossen Schamlippen entstand
ein maculo-papulöses Exanthem. Bei der von mir vorgenom-
menen Untersuchung fand ich syphilitische Erosionen an den
grossen und kleinen Schamlippen, sowie an den Tonsillen. Nach
30 Injectionen von Sublimat waren die Erscheinungen ge-
schwunden. Nach einem Jahre kehrte sie zu mir zurück. Es
hatten sich auf beiden Armen haselnussgrosse Geschwülste ge-
bildet, die ich mit Berücksichtigung der anamnestischen Mo-
mente für gummös hielt. Wiederum erhielt die Kranke Sublimat-
Injectionen und zwar 24. Die Tumoren wurden kleiner, dafür
entstand aber bald darauf ein neuer, der anfangs linsengross,
allmälig über bohnengross wurde. Eine neue Cur und grosse
Gaben von Jodkalium hatten keinen Erfolg, es entstanden sogar
mehrere linsengrosse neue Tumoren auf den Armen und auf
der rechten Wade. Die Tumoren sassen so tief in der Haut
226 L e w i n.
und schienen den Muskeln so zu inseriren, dass sie weder
prominirten über das Niveau der Haut, noch in ihrer Beschaf-
fenheit, Glätte der Oberfläche und namentlich in ihrer Consistenz
genau zu beurtheilen waren. Aus einem Tumor zog ich mittelst
Prayaz'scher Spritze etwas Flüssigkeit, Hakenkranze konnte
ich darin nicht finden. Eine weitere Beobachtung steht bei der
Rückkehr der Kranken von ihrer Reise bevor. Vielleicht ent-
schliesst sie sich zur Exstirpation einer Geschwulst, was sie bis
jetzt abgelehnt hat.
Wenn nicht mehrere Beispiele solcher bisweilen schwer-
wiegender diagnostischer Irrthümer in der Literatur existiren,
so deutet dies keineswegs auf die factische Seltenheit der-
selben hin, sondern beweist nur, dass diese Irrthümer nicht
aufgedeckt worden sind. Wäre dies der Fall, so würde es sich
zeigen, dass in einer grossen Zahl von Fällen Cysticercus für
Tumoren anderer Gattung gehalten und dementsprechend
falsch behandelt wurde. So wird von den gediegensten Syphili-
dologen eine relativ grossse Anzahl von Gummata hervorge-
hoben, welche trotz sehr langen Gebrauches von Hydrargyrum
und Jodkalium nicht schwinden wollten. Ein französicher
Autor referirt, dass er einen solchen Kranken sogar 3 Jahre
lang einer solchen Cur ohne Wirkung unterworfen habe. Wie
nahe liegt hier der Verdacht des von mir gerügten diagnostischen
Irrthums! Auch Hebra erwähnt in seinem Berichte über 80.000
Hautkranke keinen Fall von Cysticercus — und wie viel sind
und möchten wohl darunter gewesen sein? Ja in seinem grossen
schönen Werke über Dermatologie wird der Parasit mit keinem
Worte erwähnt. *) Dasselbe galt von allen Lehrbüchern der Haut-
krankheiten bis zu meiner Arbeit im Jahre 1875. Nach dieser
Zeit wird zwar der Cysticercus angeführt, aber nur unvollständig
und mit vielen irrigen Angaben. Auch die Handbücher der
') Der mögliche Einwurf, dass z. B. in Wien der Cysticercus nicht
oder äusserst selten yorkomme, wird durch Rokitansky's (Bd. II, p. 230,,
415, 424, 474) Aeusserung widerlegt, dass er die Finnen zuweilen in
wuchernder Menge in der Haut vorgefunden habe. Ausserdem hat Becker
und Heidelberg während seiner mehrjährigen Wiener Thätigkeit 5mal
und Fuchs auf der Arlt 'sehen Klinik 3mal Cysticerken im Auge be-
obachtet. (Schiff. Arch. f. Syph. u. Dermat. 1879 p. 275.)
üeber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 227
pathologischen Anatomie vernachlässigen diesen Parasit, während
sie anderen, unbedeutenderen grössere Aufmerksamkeit widmen.
Ich führe für meine Ansicht noch an, dass auch andere
Autoren sich derselben anschliessen. Schiff in Wien sagt,
^dass unter dem grossen Materiale von multipeln Tumoren,
welches den Wiener Beobachtern seit Jahrzehnten zur Vei-fügung
steht, doch eine Venvechslung beim Stellen der Dinge mit unter-
laufen sein muss". AehnUch lässt sich Engel *) in Prag aus : Ver-
gleicht mit dem Befunde von Cysticercen in inneren Organen
die Reihe von Fällen, bei denen bisher die klinische Diagnose
auf Finnen in einem innem Organ gestellt wurde, so ergibt sich
ein auflfallender Gegensatz.
Aber auch für die Diagnose und Therapie der
Krankheiten innerer Organe ist der Nachweis der Cysti-
cerken in der Haut oft von entscheidender Bedeutung. In nicht
ganz seltenen Fällen ist nämlich nicht allein die Haut von der
Finne befallen, sondern auch viscerale Organe. Hier kann sie
Erscheinungen und Symptomengruppen mannigfachster Art her-
vorrufen, die aber auf andere und zwar sehr verschiedene
Ursachen bezogen werden können.
Die Erkennung und Aufkläning wird aber vorzüglich durch
den Nachweis einer gleichzeitig in der Haut vorhandenen und
aufgefundenen Finne mit mehr oder weniger Sicherheit oder
wenigstens mit hoher Wahrscheinlichkeit geliefert. Dieser Aus-
spruch wird erhäi-tet durch eine, bis jetzt zwar noch winzige
Casuistik, in welcher die Diagnose z. B. von Gehirn-Cysticerken
auf diesem Wege ermöglicht wurde. Noch mehr fallen die Fälle
ins Gewicht, in welchen die post mortem in visceralen Orga-
nen aufgefundenen Würmer hätten diagnosticirt werden können,
wenn man die Haut gewissenhaft untersucht hätte.
Ich hebe nur ein Paar bezügliche Beispiele aus einer
grösseren, hierher gehörenden Anzahl hervor:
Himly') fand bei der Section eines Kranken viele Finnen in
Gehirn und Lungen. Als er darauf die Haut untersuchte, zeigten sich
') Engel. Prager med. Wochenschr. 1888 p. 10.
») Himly. Joum. d. pract. Heilkd. 1809. Bd. 29 p. 115.
228 L e w i n.
noch viele Hundert linsengrosse auf Brost und Bauch, die auch im Leben
hätten aufgefunden werden können«
Stich ') entdeckte bei der Autopsie 1. eines Gefangenen, der an
Kopfschmerz, Neigung zum Schlafe und Zittern der Muskeln bei Bewe-
gung gelitten hatte und bei dem eine Diagnose intra vitam nicht gestellt
werden konnte, eine Anzahl Finnen im Gehirn und in der Haut, 2. bei der
Autopsie eines jungen kraftigen Dienstmädchens, das an Herzstichen,
Kopfschmerz, Luftmangel etc. gelitten hatte, und deren Diagnose unklar
war, Finnen in vielen inneren Organen und in der Haut.
0 n i m u s ^) fand bei der Section eines 32jähr. Mannes, dessen
Krankheit als Meningitis erklärt worden war, zahlreiche Gehirn- und Haut-
Cysticercen.
Paulicki') fand bei der Section eines Kranken, „dessen Krankheit
nicht diagnosticirt werden konnte^, viele Cysticerken im Gehirn und in
der Haut; dass „die Diagnose der letzteren im Leben leicht möglich ge-
wesen**, gibt der Autor selber zu.
G. Giammattei. Cisticerchi multiplL II Morgagni 1888. L Eine
60jähr. Frau war wegen eines grossen Lipoms des Nackens aufgenommen.
Auf Zungenrücken eine Cyste. Anämie mit psychischen Störungen, welche
mit einer abgelaufenen Pellagra in Verbindung gebracht wurden. Fieber.
Tod. Section: In Herz und Hirn, vor allem im Kleinhirn 200 Cysticercen.
Desgleichen zahlreiche in der Intercostal-Musculatur, in der übrigen Mus-
kulatur etwa 1000 Finnen. In der Cyste der Zunge gleichfalls Cysticerken.
Gehen wir zunächst auf das Gehirn ein, so ist oben
nachgewiesen, dass der Parasit sehr häufig hier vorhanden ist.
V i r c h 0 w fand denselben, wenn auch nur ausnahmsweise in 6%.
Die Finne kann hier zwar solitär sein, doch findet sich meist
eine grössere Anzahl vor. Uebersehe ich die Ton mir gesam-
melte Casuistik von 120 Fällen, so finden sich
in 40 FäUen 1 — 3 Blasen,
, 50—60 „ 5—6 „
„ 15 — 30 „ eine sehr grosse Anzahl, selbst über 50.
Alle Versuche, ohne Nachweis der Finnen in der Haut
oder im Auge nur aus einer bestimmten Symptomengruppe die
Gehirn-Cysticercen zu constatiren, führen zu keinem hinreichend
sicheren Resultat. „Eine generelle Beantwortung der Frage
nach Bedeutung der Finnen für die Gehirnfunction ist nicht
zulässig" sagt Virchow sehr zutreffend. Die Zahl der Cy-
') Stich, 1. c. p. 200.
') Onimus. Gaz. des hop.
») Paulicki. Memorabilien XIV. 1809.
üeber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 229
sticerken, ihre Grösse, ihre Beschaffenheit d. h. ob sie noch
activ bewegtingsfahig oder schon verkalkt waren, der gleich-
zeitige Sitz an verschiedenen Stellen, die Grösse der Thiere,
die Dignität der befallenen Hirntheile etc. etc. bedingen eine
solche Mannigfaltigkeit der Phänomene, dass ein constantes,
einheitliches Bild nicht resultirt. Dazu kommt noch, dass die
Ton den Parasiten erzeugten pathologischen Veränderungen
äusserst mannigfaltig sein können. Trübung der Hornhaut,
Verwachsungen der Arachnoidea mit der Dura, Verdickungen
des Ependyms, Compressionszustände, Atrophie, Erweichung,
Eiterung, Hydrocephalus, ausgedehnte Pachjrmeningitis, chron.
Meningitis und Oedem, capillare und grössere Blutungen etc.
können sich einstellen. Mit Recht sagt Gruveilhier in
Bezug auf die Diagnose Je ne connais rien de positif a cet
€gard.
Dennoch hat es Griesinger versucht, Criterien zur
Diagnose von Hirncysticerken aufzustellen. Es kamen ihm
nämlich innerhalb kurzer Zeit zwei Fälle von eigenthümlichen
Gehimkranken vor. Der erste starb schon nach zwei Stunden
und bei der Section wurden Finnen im Gehirn gefunden. Ge-
stützt auf seine liierbei gemachten Beobachtungen stellte Grie-
singer bei dem zweiten Kranken die Wahrscheiulichkeits-
Diagnose auf Finnen im Gehirn, welche durch die Section
bestätigt wurde. Weitere Studien über ähnliche Befunde von
56 publicirten Sectionen veranlassten ihn nun zur Aufstellung
der Ej-iterien. Er ordnete die Casuistik in fünf Hauptabthei-
lungen. Die erste umfasste fünf Fälle, welche symptomenlos
verhefen ; die zweite hatte zwölf Fälle, bei denen Epilepsie das
überwiegende Leiden gewesen war. Die dritte Kategorie um-
fasste sechs Fälle von Epilepsie mit psychischen Störungen
(Geisteskrankheiten) ; die vierte betraf 22 Fälle psycliischer
Störungen von meist chronischer Dauer, ohne Epilepsie; die
fünfte endlich hatte 13 Fälle, in welchen Himreizung und
Torpor vorwaltete.
Am Schlüsse seiner Arbeit gesteht jedoch Griesinger
zu, dass erst „äusserlich auffindbare Cysticerken
die Wahrscheinlichkeit fast zur völligen Gewiss-
heit erheben".
ArehlT f. DennAtoI. u. Syphil. Band XXVI. 16
230 L e w i n.
Merkwürdig bleibt es indessen, dass es diesem Praktiker
nie gelang, einen Cysticercus in der Haut aufzufinden.
Nach Griesinger war es Küchenmeister (L c.
p. 127 u. f.), welcher gestützt auf eine Zusammenstellung von
159 Fällen publicii-ter Gehimfinnen eine Kritik der von Grie-
singer aufgestellten Thesen versuchte und diese vielfach
modificirte.
Ich selbst habe nach Küchenmeister noch eine grös-
sere Zahl von Fällen in der Literatur aufgefunden, die ich im
zweiten Theile dieser Arbeit näher angeben werde. Gestützt
auf diese sowie auf meine eigene Erfahrungen erlaube ich mir
diagnostische Anhaltspunkte, aber nur für solche Encephalo-
pathien aufzustellen, bei welchen zugleich Finnen in der Haut
oder im Auge nachgewiesen sind. Diese Kriterien sind:
1. Der Mangel an einer Symptomengruppe, welche bekannte
andere Gehimkrankheiten charakterisirt.
2. Ausschluss von hereditärer nervöser Belastung, von
Trauma, Syphilis und Tuberculose sowie von Erkrankung des
Herzens und der Gefässe.
3. Vorhandensein vorzüglich von epileptoiden und epilep-
tischen Anfällen bei zuvor gesunden, nicht an erblicher Dispo-
sition leidenden Personen, namentlich wenn diese Anfälle an-
fangs unbedeutend sind, sieh aber schnell qualitativ und quanti-
tativ steigern, sich mit schweren Hirnsymptomen combiniren
und selbst zum Tode führen.
4. Geistesstörung mit dem Charakter der Verworrenheit
und Depression bei zunehmender physischer Schwäche Kopf-
schmerz, Schwindel und Lähmungen.
5. Nachweis einer früher oder noch jetzt vorhandenen
Taenia beim ([ranken oder seiner Umgebung. Auch die etwaige
Gewohnheit des Kranken, rohes Fleisch zugemessen, ist zu be-
achten, ebenso der Beruf des Kranken, ob er Fleischer ist,
oder sonst mit rohem Fleisch zu thun hat.
6. Untersuchung des auf Stauungspapille, die natürlich
auch durch andere Ursache als Finnen verursacht sein kann.
Griesinger will auch das Alter des Kranken be-
rücksichtigt wissen, weil solche selten über 40 Jahre alt sein sollen.
üeber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 231
Dass aber dieses nicht der Fall, zeigt nicht allein die Gasuistik
meiner Fälle, sondern auch das Factum, dass selbst bei
jungen Kindern Gehirnfinnen aufgefunden worden sind. Ob, wie
einzelne Autoren meinen, das männliche Geschlecht be-
sonders befallen wird, lasse ich unentschieden.
Betrachten wir die Gasuistik der Fälle, in welchen der
Cysticercus in der Haut wirklich aufgefunden und als eine re-
lativ sichere Handhabe zur Deutung der gleichzeitig durch
diese Finnen erzeugten Gehirnkrankheit angesehen werden
musste, so weist die Literatur nur sehr wenig Fälle auf.
Ich glaube wohl der Erste gewesen zu sein, welcher in
solche Diagnose intra vitam stellte, welche durch die Sec-
tion bestätigt wurde.*)
Der bezügliche Fall ist folgender:
Der 47jähr. Arbeiter E. S. wurde am 6. Juli 1875 auf die Gefangen-
abtheilung ') der Charit e aufgenommen. Der kräftige , aus gesunder
Familie stammende Kranke litt an leichter Pleuritis, die nach 6 Wochen
noch nicht geheilt war. Da seine Haftzeit inzwischen abgelaufen war,
sollte er auf eine andere Abtheilung der Charite transportirt werden.
Vor seiner Entlassung untersuchte ich ihn noch einmal und fand 5 Tu-
moren, 2 auf der Brust, 2 auf dem rechten Oberarm und 1 in der rechten
Snbmaxillargegend, wo sie sehr schwer von den daselbst angeschwollenen
Drüsen zu unterscheiden war. Die Excision bestätigte meine Yermuthung.
Auf mehrmaliges Befragen nach etwaigen anderen Erkrankungen gab Pat.
endlich an, schon seit 4 Jahren mehrere Anfalle von Epilepsie gehabt zu
haben« Nach Erwägung aller vorher die Diagnose auf Gehimfinnen fah-
renden Kriterien stellte ich die Wahrscheinlichkeits-Diagnose auf Gehim-
Cysticerken. Auf der Abtheilung Fraentzel's, wohin der Kranke trans-
portirt war, erlag derselbe nach mehrw^öchentlichem Aufenthalte einem
Schlaganfall. Die Section ergab eine Anzahl Cysticerken meist im Anfang
der vorderen Centralwindung der rechten Hemisphäre des Grosshirns.
Stabsarzt Arndt stellte folgenden Fall aus der Klinik Senator's
in der Gesellschaft der Charite-Aerzte mit der Diagnose auf Gehirn-Finnen.
*) Küchenmeister (Die Parasiten. 2. Aufl., p. 132) behauptet,
dass er und Griesinger vor mir den diagnostischen Werth der palpallen
Cysticerken gewürdigt hätten. Die Verdienste Griesinger 's habe ich her-
vorgehoben, doch nirgends einen Fall gefunden, in welchem K. den Blasen-
bandwurm im Gehirn intra vitam diagnosticirt hätte. K. hätte ihn doch
citiren müssen.
') Die Abtheilung, auf welche Grefangene, mit Krankheiten jeglicher
Art behaftet, gebracht werden, war bis zum Jahre 1868 Virchow unter-
stellt. Seit dieser Zeit verwalte ich sie als dirigirender Arzt.
16*
232 L e w i n.
F. G., Kutscher, 44 Jahre alt. Seit einem Jahre alle Leiden der Lungen-
schwindsucht, zur Zeit tuberculose Affection beider Lungen. Im Sputum
Tuberkel-Bacillen. Zeitweise Uebelkeit und Erbrechen. An 10 Stellen
finden sich unter der Haut haselnussgrosse kuglige, harte Geschwülste, die
bei der Exstirpation als Cysticerken erkannt werden. Der Augenhinter-
grund ist normal. F. G. hat früher an Bandwürmern gelitten; auf Be-
fragen erzählt er, dass er bewusstlos vom Kutscherbock gefallen sei.
Nachdem sich eine Haemaptoe eingestellt hatte, starb der Kranke am 23.
December 1892. Section: Phthisis pulmonum; Atrophia granularis renum,
Cysticerci telae subcutaneae regionis umbilicalis et cerebri. Im Gehirn
fand sich am hintern Ende des Balkens in den dritten Ventrikel hinein-
ragend eine cystische Geschwulst, auch im vorderen Ende des Thalamus
opticus wird ein Cysticercus constatirt.
Die Fälle, in welchen nach Auffinden der Hautfinnen und
unter Berücksichtigung aller oben angegebenen Kriterien eine
Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf gleichzeitig vor-
handene Hirnfinnen von mir undAnderen gestellt
worden ist, sind, so weit ich die Literatur verfolgen konnte,
folgende :
Dumreicher. *) Ein 25jähr. Tischler hatte einen Tumor in der
rechten vorderen Temporalgegend von der Grösse und Gestalt einer ge-
quollenen Erbse. Die Oberfläche war sehr glatt, die Consistenz massig derb.
Nach einem Einschnitt in die Haut zeigte der ausgelöste Balg einen
Cysticercus cell. Der Kranke gab an, dass ihm die Geschwulst etwa vor
4 Jahren zuerst aufgefallen sei, dass sie von da gleichmässig gewachsen
und seit mehreren Monaten stationär geblieben. Seit der Zeit leidet er
häufig an Kopfschmerz und Schlaflosigkeit. Seine Angaben zeugten übrigens
von geistiger Beschränktheit. Abnorme Erscheinungen im Bereiche der
sensibeln und motorischen Nerven waren nicht zu constatiren. „Es lasst
sich mit einer gewissen Berechtigung vermuthen, dass es sich nächstbei
um einen Cysticercus cerebri handelt.^
Broca stellte in der Societe de Chirurgie 23. Feb. 1876 folgenden
Kranken vor:
27jähr. Fleischer, bis dahin gesund, fiel vor 3 Jahren bewusstlos
vom Bock. Seitdem litt er an Gliederschmerzen, allgemeiner Schwäche,
Kopfschmerz, Schwindel, Ohrensausen, Gesichtsstörungen. Später trat ein
Schlaganfall mit Fieber, zunehmendem aber intermittirendem Kopfschmerz
und Schwere der Zunge auf. Hauttumoren wurden von ihm selbst bemerkt.
Angenommen insHopital des Cliniques stellte Broca oie Diagnose auf C.
Eine neue Attaque trat ein, wobei aber Pat. nicht umfiel. Der Patient
hatte früher Taenia gehabt und verlor auch noch jetzt räch Kousso
viele Proglottiden. Gegen 400 Cysticerken wurden in der Haut nachge-
*) Wiener med. Presse. 1872 p. 426.
Ueber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 233
wiesen, namentlich aof der Brost, Bücken, Schultern, Extremitäten und
Diaphragma.
Gerhardt') hat in der Berliner Gesellschaft der Gharite - Aerzte
einen Kranken demonstrirt^ bei dem er die Diagnose auf Gehim-Cysticerken
intra vitam stellte. Ein öljähr. Arbeiter wurde am 11. December 1887
in völlig verwirrtem Zustande auf die Abtheilung aufgenommen. Die
Anamnese ergab, dass derselbe mehrere Monate vor seiner jetzigen Er-
krankung einige Male an drei aufeinander folgenden Tagen Erampfanfalle
der rechten Körperseite, Arm und Bein betreffend, gehabt hatte. Im No-
vember erkrankte er mit Stechen auf der Brust und Schüttelfrost. Bei
seiner Aufnahme war er völlig verwirrt, delirirte mehrere Tage heftig.
Die körperliche Untersuchung ergab eine in Lösung begriffene Pneumonie
des rechten Unterlappens. Nach Ablauf der heftigen Erregung war der
Kranke zwar klar, zeigte aber noch ein eigenthümlich mürrisches und
verschlossenes Wesen. Auf dem Rücken des Patienten wurde ein Cysti-
cercus exstirpirt. Gleiche Knötchen unter der Haut fanden sich noch in
der einen Ellenbogenbeuge und im linken Glutaeus. Aus der Combination
dieser Erscheinungen: Krampfanfall der rechten Körperseite, Verwirrtheit
im Anschluss an eine Pneumonie, nachher einsilbiges mürrisches Wesen,
Nachweis von Hautcysticerken, Hess sich die Diagnose auf Cysticercus
cerebri stellen. Die Aetiologie ist unklar geblieben.
In derselben Sitzung berichtet Oppenheim über zwei Fälle, in
welchen auch aus den Haut-Cysticercen die Diagnose auf Cysticercus ce-
rebri gestellt wurde. In dem einen Falle waren Krämpfe mit dem Char-
akter der corticalen Epilepsie, in dem anderen mehr allgemeine Krämpfe
vorhanden. Ein dritter Fall bot das Bild eines Hirntumors; die Section
ergab Cysticercus. — Die Fälle sind bis jetzt nicht in extenso publicirt.
Schiff. „Ein Fall von Cysticercus cellulosae cutaneus", (Viertel-
jahrsschr. für Dermat. und Syphil. 1879, p. 275.) Patient, ein 26jähr,
kräftiger Mann, hat in seinem 10. Jahre Typhus durchgemacht. Seitdem
litt er an heftigem Tremor, vor allem der oberen Extremitäten. Vor
einem Jahre bemerkte er einen kleinen Tumor am vorderen Rande des
rechten Musculus pectoralis major. Seitdem entstand eine ganze Anzahl
solcher Geschwülste unter der Haut, im subcutanen Fettgewebe und
zwischen den einzelnen Muskelfasern. Die Diagnose Cysticercus wurde
durch die Exstirpation der Tumoren bestätigt. Seit dem Auftreten der
Tumoren leidet der Kranke an Kopfschmerzen, üebelkeit und epilepti-
formen, mit tonischen und klonischen Krämpfen und mit Bewusstlosigkeit
einhergehenden Anfallen, die nicht selten durch starken Schwindel und
heftiges Autblitzen vor den Augen (aura epileptica) eingeleitet werden.
Kahler-Engel (Prager med. Wochenschr. 1888). 23jähr. Dienst-
magd. Seit 3 Jahren Anfalle von Kopfschmerzen. Beiderseitige Stauungs-
papille. Üeber 100 kleine, harte Geschwülste im Unterhautzellgewebe des
») Berl. klin. Wochenschr. 1888. Nr. 20. p. 40^.
234 L e w i n.
Stammes und der oberen Extremitäten, deren Natar durch Ezstirpation
einer Oeschwulst als Cysticercus erwiesen wurde. Die Diagnose wurde auf
Himcysticerken gestellt.
Wecker in Paris, (v. Graefe Saemisch. Handb. der ges. Augen-
heilk. Bd. IT, J. 13; Prager med. Wochenschr. 1888 p. 12.)
27jähr. Mann. Seit 18 Mon. Kopfschmerz und Schwindel, Schmerzen
und Abgeschlagenheit in den Gliedern, epileptoide Anfälle mit Bewusst-
losigkeit. Plötzlich kurz anhaltende Aphasie. Bandwurmglieder mehrmal»
abgegangen. Seit einiger Zeit flammende Lichterscheinungen mit pfeifen-
dem Geräusch auf dem 1. Ohre. Beiderseits Stauungspapille. Auf der 1.
Papille ein kleiner apoplektischer Herd. Der ganze Körper mit Ausnahme
des Gesichtes und der Hände mit erbsengrossen Tumoren wie übersäet.
Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose wurde auf Cysticerken im Gehirn gestellt.
Den Augenbestand erklärte» W. als beginnende Neuritis.
Engel (Prager med. Wochenschr. 1888 p. 11). Fall von Cysticerken
der Haut, Gobirns und Milz.
22jähr. Magd leidet an heftigem Kopfschmerz, Uebelkeit und Er-
brechen und Arbeitsunfähigkeit. Der Beginn ist Ameisenlaufen in der 1.
untern Extremität, Verbreitung der Parästhesie auf die 1. obere Extremität,
zunehmender Kopfschmerz. Bewusstlosigkeit, Krämpfe nicht vorhanden.
Auf dem Körper gegen 100 Cysticerken und zwar auf dem Kopfe, am
Halse, Rücken, Oberschüsselbeingrube, in den Mm. stemo cleido mastoides
und Scatenus pectorales, biceps triceps. Die Exstirpation wies die Cysti-
cerken nach. Gleichzeitig beiderseitige Stauungspapille. Milz stark ver-
grössert. Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose wurde von Gussenbauer auf
Finnen im Gehirn und Milz gestellt.
Meine eigenen Fälle, in welchen ich nach Auffinden von Hautfinnen
und unter Berücksichtigung aller oben angegebenen diagnostischen Kriterien
eine an Sicherheit grenzende Diagnose auf Himfinnen stellte, sind folgende :
1. Ein 22j. Strassenfeger, auf meine Klinik 1875 Sept. recipirt, hatte
vier Tumoren, drei davon sassen in der Nähe der rechten Brustwarze, der
vierte auf dem r. Glutaeus. Der Kranke, der vor mehreren Jahren Syphilis
acquirirt hatte, war sowohl bei der Initialerkrankung als auch bei zwei
Recidiven mit Quecksilber und Jodkalium behandelt worden. 1876 liess
er sich wegen eines Brustkatarrhs in ein hiesiges Krankenhaus aufnehmen,
wo er, da man die Tumoren auffand, einer fünfwöchentlichen Schmiercur
unterworfen wurde — natürlich ohne Erfolg. Später consultirte er Dr. X.,
der ihn einer Zittmann'schen Cur unterzog und besonders streng auf
Enthaltung von Fleisch und anderen kräftigen Nahrungsmitteln hielt —
ohne einen anderen Erfolg als Verlust von Kräften. Ziemlich abgemagert
kam der Patient zu mir. Die bisher für Gummata gehaltenen Geschwülste
entleerten bei der Punktion eine seröse Flüssigkeit in der sich die für
Finnen charakteristischen Hakenkränze befanden. Die gleichzeitig vor-
handenen Cerebral-Erscheinungen, welche ich von Gehirnblasenwürmem
erzeugt annahm, waren: Eigenthümlicher Kopfschmerz, welcher Morgens
lieber Gysticercns cellulosae in der Haut des Menschen. 235
mit dem Grefuhle von Steifheit im Nacken, Kopf und AugenUdem begann,
worauf ein Dröhnen im Kopfe folgte. Dies steigerte sich bis zum Gefahle,
^als wenn eine Dampfmaschine daher brause^.
2. Frau S., 52 Jahre alt, Arbeiterin, consultirt im September 1877
Senator. Sie klag^ über Herzklopfen, Angstgefühl, Kopfschmerz. .Bei
einer früheren Behandlung war sie für neurasthenisch erklärt worden.
S. fand bei Percussion der Brust in der rechten Regio infra clayicularis
eine Geschwulst, welche er als Cysticercus ansah. Er war so freundlich
mir die Kranke zuzusenden. Ich fand ausser dem erwähnten Tumor
noch mehrere dergleichen am Körper, so zwei am Abdomen rechts vom
Nabel, und drei am rechten Oberarm nahe der Ellenbogenbeuge. Ein
ausgeschnittener Cysticercus bestätig^ die schon von Senator gestellte
Diagnose. Beide waren wir der Meinung, dass höchst wahrscheinlich der
Kopfschmerz und das Angstgefühl auf Gehimcysticercen zu deuten sei,
ja dass nicht ausgeschlossen wäre, dass dies auch bei der Herzaffection
der Fall sein könne. Patientin litt ausserdem an einer Panophthalmie des
linken Auges; ob auch diese auf einer Finne beruhe, konnte durch den
Augenspiegel, wie überhaupt in solchen voigeschrittenen Fällen, nicht
festgestellt werden. Dass solche Augenkrankheit in Folge von Cysticerken
auftritt, lehrt die Geschichte der Augenheilkunde.
Erwähnen will ich noch, dass bei dieser Kranken eine Locomotion
des einen Cysticercus vorgekommen zu sein schien. Auf diesen Punkt
will ich im zweiten Theile dieser Arbeit zurückkommen.
8. Der 37jähr. kräftige Schuhmacher N. N., aus gesunder Familie,
zog sich vor 5 Jahren eine Sclerose zu, der eine Roseola folgte. Er
wurde auf meiner Abtheilung mittelst subcutaner Sublimat- Injection be-
handelt. Vor 4 Jahren wurde dieselbe Cur wegen Psoriasis palmaris et
plantaris wiederholt. Vor ca. 2 Jahren bemerkte er Geschwulste am
Körper, welche der behandelnde Arzt für syphilitische Tumoren erklärte
und mit Jodkalium in steigender Dosis behandelte. Da kein Erfolg
erzielt wurde, musste Patient 6 Wochen, ebenfalls erfolglos, schmieren.
Im Jahre 1891 consultirte er uns. Ich fand gegen 200, durch Exstir-
pation als solche nachgewiesene Cysticerken von Erbsen- bis doppelter
Bohnen^rösse. Auf Befragen wegen sonstiger Leiden erklärte der Kranke,
seit circa 1*/, Jahren öfters mitten in seiner Arbeit bewusstlos umge-
fallen zu sein. Sein Meister hätte die während des Anfalles zusammen-
geballten Hände immer auseinander gerissen, wodurch er wieder zum Be-
wusstsein gekommen sei. Ein consultirter Arzt erklärte die Krämpfe für
Epilepsie.
Zu bemerken ist noch der ophthalmoskopische Befund beiderseitigen
Stauungs-Papille.
4. H. W., eine 54jähr. Frau, welche drei gesunde Kinder geboren
hat, ist bis vor 3 Jahren immer gesund gewesen, als sich plötzlich beim
lebhaften Sprechen in einer Gesellschaft eine solche Schwäche des rechten
Armes bei ihr bemerklich machte, dass sie die ihr vorgesetzte Tasse
Kaffee nur mit äusserster Anstrengung an ihren Mund bringen konnte. Zu
23G L e w i n.
dieser Schwäche, die noch etwas zunahm, kam Sprachstörung, „so dass
sie nur langsam sprechen und schwere Wörter kaum noch aussprechen
konnte^. Der damals zugezogene Arzt soll zu ihrem Manne von einem
leichten Schlaganfall gesprochen haben. Die Leiden schwanden allmälig
nach innerer Medicin und einer Kissinger Cur. Jedoch schon im nächaten
Jahre, 1671, bemerkte man — wiederum plötzlich — ein auffallendes
Schielen, zu dem sich, besonders Nachts, rechtsseitiger Kopfschmerz ge-
sellte. Dieselben Curen wie vorher wurden durchgemacht, und ihr Erfolg
war insofern günstig, als das Schielen schwand und der Kopfschmerz
schwächer wurde, obwohl er nun den ganzen Kopf einnahm. Alsbald
trat aber ein neues Leiden auf. Es zeigten sich nämlich im linken Fusse
Schmerzen, zu denen sich nach zwei Monaten eine Lähmung gesellte, so
dass die Kranke nur mit Krücken gehen konnte. Im Juli 1875 consultirte
Patientin Frerichs. Die von ihm vorgenommene Untersuchung ergab
normale Beschaffenheit aller visceralen Organe, auch im Auge wurde von
einem Special-Arzte nichts Krankes constatirt. Aber auf der Brust wurden
mehrere überbohnengrosse Tumoren gefunden, welche möglicher Weise
als Gummata erklärt werden konnten. Von überstandener Lues wusste
jedoch die Kranke Nichts. Der Ehemann dagegen wollte zwei Jahre vor
der Ehe eine Schmiercur wegen eines harten Schankers durchgemacht
haben. Frerichs übergab mir die weitere Untersuchung des Mannes und
der Frau auf Syphilis. Diese ergab nicht den geringsten Anhalt für diese
Krankheit. Nach Erwägung der anamnestischen Momente konnte ich den
Ausspruch thun, dass der frühere „harte Schanker^ des Mannes nur ein
weicher gewesen sei. Die Geschwülste auf der rechten Brust der Frau
zeigten aber alle Charaktere von Cysticerken. Auch Frerichs überzeugte
sich von dieser Diagnose und Beide waren wir der Ansicht, dass auch
die vom Gehirne ausgehenden Erscheinungen auf Cysticerken zurückzu-
führen seien. — Bandwurm je gehabt zu haben erinnerte sich die Kranke
nicht, auch nicht in Bezug auf ihre Umgebung. Patientin ist im vorigen
Jahre verstorben, doch hat Section nicht stattgefunden.
5. Der 47jähr. Kaufmann L. W., von zarter Constitution, aus ge-
sunder Familie, hat schon in seiner frühen Jugend mehrmals Gonorrhoe
gehabt. Einmal gesellte sich zum Tripper Epididymitis, das letzte Mal,
vor 7 Jahren, Gelenkrheuma, welches ihn 2 Monat ans Bett fesselte.
Knie und Hände sollen besonders befallen gewesen sein. Noch jetzt ist
der rechte Ring- und Zeigefinger ankylotisch. Vor 2% Jahr fielen ihm
einige „Knoten'' am Körper auf, deren wegen er einen Arzt aufsuchte.
Dieser erklärte die Knoten für Gummata, verordnete Jodkalium und, da
keine Besserung eintrat, Pillen und später eine Sassaparillen Cur. Der
Erfolg war Schwächung des Körpers, aber keine Heilung der Knoten, ja ea
schien, als wenn diese noch grösser geworden seien. Seit einem halben
Jahre traten zeitweise Ohnmächten und epileptische Anfalle auf; ausser-
dem fühlte Patient auf der Strasse „ein eignes Gefühl von Angst und
Furcht umzufallen^. „Ich eilte dann in einen Hausflur und setzte mich
wie ohnmächtig auf die Treppe. Namentlich wenn ein Wagen rasch bei
üeber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 237
mir vorbeifahrt, kommen solche Anfalle. Gleichzeitig fängt dann mein Herz
an angstvoll und schnell zu schlagen. Des Nachts habe ich oft ein krampf-
haftes Ziehen im Hinterkopfe.^ Die Untersuchung des Kranken ergab
nichts Krankhaftes, ausser 5 Tumoren auf der Brust und dem rechten
Oberarm, welche sich nach Exstirpation als Gysticerken erwiesen. Band-
wurm will der Patient nie bemerkt haben. Die ophthalmoskopische Unter-
suchung ergab starke Röthung der auffallend prominirenden und verwa-
schenen rechten Papillae nervi optici, Arterien etwas, mehr die Venen
erweitert.
6. K., 29 Jahre alt, Sattler, war 31. März 1892 wegen Go-
norrhoe recipirt. Bei Untersuchung des Körpers wurden gegen
16 Geschwülste aufgefunden, die von mir als Gysticerken erkannt
wurden. Die Diagnose wurde durch Excision erhärtet. Die Parasiten
Sassen an verschiedenen Stellen des Thorax , des Abdomen , der
oberen und unteren Extremitäten und zwar jeder einzelne vom anderen
entfernt, keiner nahe dem andern. Gleichzeitig klagte der Kranke über
vielerlei Beschwerden. Um ein Bild von diesen zu geben, führe ich die
eigenen niedergeschriebenen Worte des ziemlich intelligenten Kranken
an: „1886 — 1887 verlor ich nach verschiedenen Guren eine ganze Zahl
Bandwurmglieder und habe seitdem keine der früheren Beschwerden.
Seit September 1890 leide ich an Kopfschmerzen, Benommenheit, Ge-
dächtnissschwäche, Druck und Schwindelgefuhl, so dass ich meine Be-
schäftigung aufgeben musste. Ich ging in beinahe sämmtliche Polikliniken
von Berlin und wurde für neurasthenisch erklärt und mit vielen Medi-
cinen, bes. Bromkali und Bromnatrium, später mit Antipyrin und Phena-
cetin behandelt, wurde elektrisirt, bekam Bäder und kalte Abreibungen.
Dabei verschlimmerte sich mein Leiden immer mehr und gestaltet sich
augenblicklich folgender Massen. Will ich z. B. ein Handwerkzeug
nehmen, welches vor mir auf dem Tische liegt, so werde ich in dem Mo-
mente, wo ich mich umdrehe, derart verwirrt, dass ich mich erst eine
Zeitlang wieder besinnen muss, ehe ich dasselbe vollführe. Ebenso werde
ich ganz verwirrt, wenn ich schnell gehe. Wenn mich Jemand anspricht,
bin ich so befangen, dass ich nicht gleich eine Antwort geben kann. Die
freie Luft bewirkt Schwindelgefuhl. Zum Briefschreiben brauche ich 4mal
so viel Zeit wie früher. Sprechen gibt Schwäche im Kopf. Zuweilen, be-
sonders beim Treppensteigen habe ich starke Stiche im Gehirn, so dass
ich stets einen Gehirnschlag befurchte. Ich bin auch nicht ein Viertel soviel
Mann wie früher. Für mancherlei andere Leiden weiss ich keinen Ausdruck''
etc. Patient wurde in der medicinischen Gesellschaft vorgestellt und meine
Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Gehimfinnen fand keinen Widerspruch.
7. Ich führe noch folgenden Fall an, weil die beim Kranken vorhan-
denen Erscheinungen auch wahrscheinlich durch Gysticercus verursacht sind.
Der 28jähr. Oekonom, von kräftiger Gonstitution, hatte sich vor
4 Jahren ein Genitalgeschwür zugezogen, welches unter localer Behand-
lung heilte. Seit 2 Jahren bemerke er Geschwülste am Körper; der con-
sultirte Arzt erklärte die Tumoren für Gummata und verordnete eine
238 Lewin.
combinirte Kur von Jodkalium und Inunctionen, welche ohne Erfolg fünf
Wochen durchgeführt wurde. Ein neu hinzugezogener Arzt erklärte die
Tumoren für Balggeschwülste. Später suchte Patient meine Hilfe wegen eines
vermeintlich syphilitischen Pharynx-Catarrhes auf. Dieser erwies sich als
rein catarrhalischer Natur. Auch sonst fand ich keine syphilitischen Er-
scheinungen. Weiter klagte Patient über starke Kopfschmerzen und asth-
matische Anfalle, welche nicht in regelmässigen Intervallen auftraten,
ohne dass atmosphärische oder andere Einflüsse einzuwirken schienen. Die
Anfalle begannen Morgens unter Röthung des Gesichts, Herzklopfen und
Beklemmung, welche Symptome sich allmälig steigerten, indem die Athem-
züge flacher und häufiger wurden. Plötzlich, wie der Anfall gekommen,
schwand er auch. Die Untersuchung sämmtlicher Organe, namentlich des
Larynx, der Bronchien, der Lungen und des Herzens ergab keine Abnor-
mität; dagegen sassen auf dem Rucken zerstreut erbsen- bis über doppelt-
bohnengrosse Tumoren, sechs auf dem Ober- und Vorderarme, einer auf
der S timmitte. Die Diagnose auf Cysticercus wurde durch Exstirpation
bestätigt. Der Verdacht, dass die Gehirn- und asthmatischen Beschwerden
durch visceral sitzende Finnen erzeugt, war zwar nicht von der Hand zu
weisen, liess sich aber zu wenig sicher begründen.
Es verstellt sich wohl von selbst, dass ein Cysticercus
im Auge von gleicher diagnostischer Wichtigkeit für compli-
cirte Gehirn - Erscheinungen ist, als ein Parasit in der Haut,
v. Graefe scheint der Erste gewesen zu sein, welcher solche
Diagnose stellte. Ein 40j. Mann wurde vor 8 Jahren von einem
Gehirnleiden befallen, welches sich durch vereinzelte epilepti-
forme Anfälle und ein permanentes Taumelgefühl charakterisirte.
Dieses letzteren wegen versichert Patient zwei Jahre nicht im
Stande gewesen zu sein auf der Strasse allein zu gehen. Nach
dieser Zeit verloren sich die Symptome und Patient war 5
Jahre hindurch völlig gesund, als er von der Sehstörung heim-
gesucht wurde, deren Ursache ein Cysticercus im Auge war. Bei
dem zweiten Falle blieb die Annahme eines Cysticercus nur eine
Wahrscheinlichkeits-Diagnose. Patient stand in den Zwanzigern,
hatte seit einem Jahre in längeren Intervallen epileptische An-
fälle gehabt (wegen deren bereits Griesinger den Verdacht
auf Gehirncysticerken geschöpft) und erst seit 4 Monaten eine
Sehstörung bemerkt, die sich vorwaltend durch „eine dunkle, im
oberen Theile des Gesichtsfeldes schwebende grosse Kugel
kundgab. Die Contur erinnerte an eine Cysticercusblase.
Im dritten Falle „war die „Succession" zwischen den
Augenbeschwerden und der Encephalopathie eine umgekelirte''.
Ueber Cysticercus cellulosae in der Haut des Menschen. 239
„Die Kranke, eine Vierzigerin, war vor 4 Jahren wegen einer
rechtsseitigen Sehstörung hei mir (v. Graefe) gewesen. Ein
Cysticercus hatte die Netzhaut durchbrochen. Patientin wollte
meinen Operations-Vorschlag nicht annehmen.
In diesem Sommer sah ich sie wieder, das Auge phthisisch,
hei der Betastung kaum mehr empfindlich, was es bis zum
letzten Herbste im hohen Grade gewesen sein soll. Seit einem
Jahre waren in Intervallen von 1 — 2 Monaten epileptoide Anfälle
eingetreten, zwischen denselben auch Schwindel- Anfälle und
rasch vorübergehende Bewusstlosigkeit.
Nebenbei erwähnt v. Graefe, dass auch eine Patientin
Jacobson 's (Arch. f. OphthalmoL XI. 2, p. 147) an cepha-
lischen Zuständen, denen allemal bewusstlose folgten, gelitten
habe. Er setzt hinzu: „Der Verdacht präexistirender Gehirn-
Cysticerken würde somit, bei Ausschluss anderer Ursachen, sehr
nahe liegen."
Auch P o 1 1 a k *) hat aus dem Augenbefund Gehimcysticerken
intra vitam bei einem 8jährigen Knaben diagnosticirt, welcher
ausser an den durch eine Augenfinne erzeugten Beschwerden an
Kopfschmerz und Erbrechen litt.
») Pollak. Wiener Presse. 1878 p. 78.
240 L e w i n.
Erklärung der Abbildtmgen auf Tafel ZII.
1. Kopf mit 5 Sangnäpfen. (MöUenberg.)
2. Cysticercus in der Haut liegend, die durch Schnitt eröfinet ist.
3. Cysticercus mit Schwanzblase und zum Theil ausgestülptem Kopfe.
4. Eier des C, aufgehellt.
5. Eier des C. in kaum durchsichtiger Schale.
6. Ei mit primitiver Dotterhaut.
7. Embryo.
8. Ei aus der Kapsel austretend.
9. Kopf mit zwei sichtbaren Saugnäpfen und Hakenkranz.
10. Einzelne reife Glieder mit Eiern und seitwärts sich öffnendem
Geschlechtskanal.
Finden sich in den als leprafrei bekannten
Landstrichen Frankreichs, insbesondere im
Norden und in Paris, Spuren der alten
Lepra ?
Von
Prof. Henri Leloir in Lille.
(Schlasi.)
In den Jahren 1885 und 1886 hielt ich an der medici-
nischen Facultät zu Lille zwei Vorträge über vier Fälle einer
unbenannten Affection, welche der Lepra nervorum oder der
Lepra mixta glichen, und welche ich mit dem Namen lepröse
Trophoneurosen bezeichnete.
Der erste Fall bezieht sich auf einen Mann t on 52 Jalu*en
der im höchsten Grade Erscheinungen zeigte, welche in frap-
panter Weise denen der Lepra nervorum glichen ; auf der einen
Seite Ausbildung einer Klauenhand, auf der anderen eine solche
Verstümmelung der Hand, dass diese der Tatze einer gi'önlän-
dischen Robbe glich (wie ich das bei VameUsen, als ich in
Norwegen die Lepra studirte, sah). Verunstaltung und Ver-
stümmelung der Füsse, Anästhesie der Extremitäten; leichte
Verdickung der Cubitalnerven, neuralgiforme Schmerzen in den
Gliedern, Bildung von Pemphigusblasen im Bereiche der Extre-
mitäten, malum perforans pedis.
242 Leioir.
Dieser Kranke, in der Umgebung von Gambrai geboren,
hatte niemals die nördliche Gegend verlassen (Departement du
Nord des Ardennes Belgiques).
Hier folgt übrigens dieser Fall:
Fall n.
Lepröse TrophonearoM.
56jähriger Landwirth, in der Umgehung von Cambrai geboren, hat
das Departement du Nord niemals verlassen and hat nur in den benach-
barten Departements und in Belgien gereist [st niemals Soldat gewesen.
Nichts besonderes in seinen hereditären Verhältnissen. Keine Syphilis
durchgemacht, kein Potator.
War bis zu seinem 32. Jahre stets gesund. Um diese Zeit litt er
an heftigen Schmerzen in den oberen und unteren Extremitäten, welche
Schmerzen er einer heftigen Erkühlung, die er 1862 durchmachte, zuschrieb ;
sie hielten ungefähr 1 Jahr an. um diese Zeit, also 1863, bemerkte er
auf dem Dorsum manus das Auftreten von Blasen, welche nach seiner
Beschreibung wirkliche Pemphigusblasen gewesen zu sein scheinen. Diese
Blasen, welche er zuerst einer Verbrennung zuschrieb (er sah später, dass
das nicht so war), hinterliessen an einigen Stellen, besonders im Bereiche
des Vorderarmes und der Beine, oberflächliche, glatte, weisse, von einem
pigmentirten Hofe umgebene Narben.
In dieser Zeit des Auftretens der Blasen im Bereiche der Beine
und Füsse, also einige Monate nach dem Auftreten der ersten Blasen
auf den oberen Extremitäten, bemerkte der Kranke das erstemal, dass
die Sensibilität seiner Hände und Füsse beträchtlich abgenommen hatte.
1865 war diese Sensibilität so sehr abgestumpft, dass es ihm
öfters passirte, dass er sich in die Finger stach oder schnitt, ohne es zu
fühlen, und mit nackten Füssen auf spitzigen Steinen marschirte, ohne
den geringsten Schmerz zu empfinden.
Trotzdem persistirten die neuralgiformen Schmerzen in den Gliedern,
und 1868 constatirte er, dass seine Hände abmagerten, und dass an der
rechten Fusssohle eine Art Geschwür entstanden war. Diese ülceration
war nach der Beschreibung des Kranken nichts anderes als ein Malum
perforans pedis.
Damals consultirte er einen Arzt, der die Diagnose Rheumatismus
machte und ihm verschiedene Medicamente und Pomaden, übrigens ohne
irgend einen Erfolg verordnete.
1873 constatirte er, dass seine rechte Hand immer difformer werde,
einer Klaue gleiche und abmagere. Zur selben Zeit bemerkte er, dass die
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 243
Zehen des rechten Fnsses sich zu verkürzen beginnen. £s entstehen
zuerst Verkürzungen der Phalangen, dann treten Ulcerationen auf, welche
den Verlust mehrerer Zehen herbeifuhren, und das Malum perforans,
das im Bereiche der Articulatio metatarso-phalangea der grossen Zehe sich
befindet, wird grösser.
1879 fallt die grosse Zehe ab und er amputirt eigenhändig, wie
er sagt, „ein kleines herabhängendes Stückchen derselben'^ mit einem
stumpfen Messer.
Ebenso entstanden 1879 die Verstümmelungen der linken Hand
und schritten immer weiter fort.
Dass diese Verstümmelungen der linken Hand nur in Folge Bildung
von Geschwüren entstanden, dürfte nicht richtig sein. Immerhin steht es
fest, dass im Bereiche der Dorsalfläche der Finger der linken Hand
Geschwüre entstanden, welche nach seiner Aussage nach und nach die
Knochen entblössten.
Gleichzeitig griffen die Zerstörungen, welche 1879 seine Hand zu
einem unförmlichen Stummel verwandelt hatten, immer weiter um sich.
1880 nahmen die neuralgiformen Schmerzen der Glieder an Inten-
sität ab ; da sie aber 1882 mit erneuerter Intensität losbrachen, consultirte
mich Patient 1884.
Status praesens: Mai 1884.
Patient ist gross, aber blass und abgemagert, Gesichtszüge normal,
ebenso die Augenlider. Wimpern sind nicht vorhanden, aber er behauptet,
nie welche gehabt zu haben.
Vollkommene Anästhesie der beiden oberen Extremitäten, von der
Mitte der Vorderarme beginnend ; sie ist so vollkommen , dass man
mit einer Nadel die Haut vollkommen durchbohren kann, ohne dass es
der Kranke merkt.
Eine leichte Verdickung der Cubitalnerven oberhalb des Ellbogens
besonders links.
Ausser dem Vorhandensein von pigmentfreien und leicht narbigen,
von einer braunen Zone umsäumten Flecken von der Grösse eines halben
Centimestückes, welche sich, ungefähr 20 an der Zahl, über die Vorder-
arme und Beine zerstreut finden, constatirt man noch im Bereiche der
rechten Planta unterhalb des Köpfchens des ersten Metatarsus ein Malum
perforans von der Grösse eines IFrankstückes, 1 Cm. ungeföhr tief und
r.mgeben von einem stark verhornten Epidermiskranze.
Der rechte Fuss ist verstümmelt, seiner grossen Zehe beraubt,
während die übrigen Zehen verschwunden oder zu unförmlichen Stümpfeu
zusammengeschrumpft sind; so gleicht dieser Fuss dem gewisser Le-
pröser.
Die Zehen des linken Fusses sind im Gegentheil in Krallen umge-
wandelt, wie in manchen Fällen von Lepra nervorum deformans. Di&
rechte Hand ist in höherem Grade als in gewissen Fällen von Lepra ner*^
vorum deformans verunstaltet und in eine Klauenhand umgewandelt.
244 L e 1 0 i r.
t>ie linke ELand ist vollkommen verstümmelt. Die Finger sind zn
unförmlichen, mit rudimentären Nägeln theils versehenen, theils nicht
versehenen Stümpfen zusammengeschrumpft ; sie sind verkürzt ; kurz diese
so verstümmelte Hand erinnert ausserordentlich an die gewisser Lepröser,
welche an Lepra nervorum mutilans leiden, wie man das sehr gut an
vorliegender Photographie erkennen kann.
December 1884 kam der Kranke zurück, um mir ein Malum per-
forans im Bereiche der plantaren Fläche der Articulatio metatarso-phalangea
der linken kleinen Zehe zu zeigen.
Ich constatire gleichzeitig an der dorsalen Fläche dieses Fusses dan
Vorhandensein von 2 Pemphigusbla^^en, welche vollkommen dem Pemphigus
leprosus, den ich soeben in Norwegen studirt hatte, ähneln.
Die zweite dieser Beobachtungen bezieht sich auf einen
Drescher im Alter von 46 Jaliren, der im Allgemeinen Krankeu-
hause auf der Klinik meines Fachgenossen und Freundes Dr.
Olivier, damals von meinem CoUegen und Freunde, Prof.
Dubar vertreten, verpflegt wurde.
Dieser Kranke bot im höchsten Grade die Erscheinungen
der Lepra nervorum dar; pigmentirte und pigmentfreie Flecke
mit Anästhesie im Bereiche derselben, Klauenhände mit Atro-
phie der Muskeln des Thenar und Antithenar, Verunstaltung
der Füsse und Verstümmelung der Zehen, vollkommen dem
Fussstummel gleichend, wie man ihn bei Leprösen findet;
Atrophie der Muskeln der oberen und unteren Extremitäten,
Anästhesie der Extremitäten zugleich mit einigen Stellen von
Hyperästhesie; Pemphigusblasen ; Geschwüre, Malum perforans
pedis, Ichthyosis der Haut der Beine; heftige Neuralgien in
den Gliedern; leichter Grad von Alopecia palpebralis, leichte
Verdickung der Cubitalnerven.
Den Eiter von einem der Hautulcera des Kranken und
ein kleines Hautstückchen vom Rande einer Ulceration habe ich
der histologischen Untersuchung unterzogen, ohne etwas chara-
kteristisches zu finden. Ich habe 2 Bacillen, welche die histo-
chemische Reaction des Leprabacillus gaben und seinen Chara-
kteren ziemlich entsprachen, gefunden, während es doch bekannt
ist, wie zahlreich im Allgemeinen die Bacillen im leprösen
Gewebe sind. Ich lege dieser Untersuchung wenig Werth bei.
Der Patient, in der Umgebung von Bergues geboren, ist
niemals Soldat gewesen und hat das französische Flandern
niemals verlassen.
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 245
Fall m.
Lepröse Trophonearose.
Felix, 46jähriger Drescher, eingetreten am 15. März 1885 in die
Abtheilung Olivier^s, vertreten von Da bar, allgemeines Krankenhaus,
Saal Set. Johann, Nr. 17.
Hereditäre Verhältnisse : Nichts besonderes zu bemerken. Kein Glied
<ler Familie hat an ähnlichen AfTectionen gelitten.
Der Vater, im Alter von 85 Jahren gestorben, soll an Ekzemen
der unteren Extremitäten und Oedemen der Beine gelitten haben ; niemals
«ollen aber die Nägel der Zehdn abgefallen sein.
Persönliche Verhältnisse: Bei Bergues geboren, ist er niemals
Soldat gewesen, hat Frankreich niemals verlassen ; im 20. Lebensjahre hat
«r eine Krankheit, deren Natur er nicht genau angeben kann und welche
6 Wochen gedauert hat (fievre maligne), durchgemacht.
Verheiratet, Vater von 2 Mädchen und 2 Knaben, welche stets
gesund waren. Vor 6 Jahren hatte unser Patient die Füsse erfroren,
ohne Geschwüre, ohne Excoriation, im allgemeinen ohne besondere
Bedeutung.
Seit jeher hat er an Fussschweiss gelitten; ausserdem gibt er eine
))eträchtliche Hyperästhesie der Plantae an, welche ihn oft zwang, nach
der Feldarbeit sich nach Hause tragen zu lassen. Er leidet sehr viel an
€allosituten der Füsse und an Hühneraugen.
Den Beginn seiner Erkrankung verlegt er auf die Zeit vor 2
Jahren. Zuerst bemerkt er, dass die plantae beim Stehen schmerzhafter
wurden, und dass er nach Verlauf einiger Zeit nur sehr schwer gehen
konnte.
Unser Patient ist ein Flamländer und kann uns nur sehr kurze
Auskünfte über die Entwicklung der Affectionen und Deformationen
geben, welche wir jetzt constatiren; übrigens gesteht er selbst, dass er
sich sehr schlecht beobachtet. Die Verunstaltungen der Füsse sind früher
aufgetreten als die der Hände; vor letzteren traten die über die Haut
iserstreuten Flecke auf.
Genauere Angaben zu machen, ist Patient ausser Stande.
Nie Hess sich unser Patient ernstlich behandeln; nur verschiedene
Salben applicirte er auf die Füsse.
Nach seinem vor 2'/, Monaten erfolgten Eintritt ins allgemeine
Krankenhaus entwickelte sich in kurzer Zeit im Bereiche des Kreuz-
beines ein Schorf, der eine leichte Tendenz zur Vemarbung zeigt.
Status praesens vom 22. Mai 1885.
Patient bbws, von gelblicher, kachektischer Hautfarbe, das Gesicht
«in wenig abgemagert.
Auf den seitlichen Partien des Halses, besonders links und hinter
dem rechten Ohre finden sich reichliche Flecken, welche an die pigmen-
tirten und pigmentfreien Stellen bei Vitiligo oder gewisse pigmentfreie
Archiv f. Dermatol. n. Syphll. Band XXVI. jy
246 Lelair.
und starker pig^entirte Flecken bei Lepra cutanea erinnern. Im Bereiche
dieser Flecken constatirt man eine leichte Anästhesie, und zwar nnr im
centralen, pigmentfreien Antheile der Flecke.
Bemerkenswerth ist die auffallend helle, weisse Farbe der Haut des
Stammes, vom Halse angefangen hemnter bis zn den Kates. Man würde
sagen, dass in diesem Bereiche die Haut pigmentfrei ist; die Haut der
oberen Extremitäten im Gegentheile zeigt von den Handgelenken ange-
fangen einen gewissen Grad von Hyperpigmentirung, welche besonders
im Bereiche der Dorsalfläche der Hand bis zu den Interdigitalfalten aus-
gesprochen ist, während im Bereiche der zwei letzten Phalangen die Haut
wieder pigmentfrei wird.
Ausserdem findet man auf der Dorsalfläche der Hände eine wahre
Marmorirung, erzeugt durch ein Durcheinander von pigmentfreien und vor
pigmentirten Flecken; auch hier besteht im Bereiche der pigmentlosen
Stellen ein gewisser Grad von Anästhesie.
Ausserdem findet man noch einige weisse, von einer pigmentirten
Zone umgebene Flecken von der Grösse eines 20Centimes8tückes zer-
streut in den Flanken und in ihrem Bereiche einen leichten Grad von
Anästhesie.
Am Stamme und den oberen Extremitäten findet sich eine dicke
Fettschiohte, welche die Magerkeit des Kranken und die Atrophie der
darunterliegenden Muskeln verbirgt.
Athrophie der Muskeln des Thenar und Antithenar besonders rechts.
Die Finger sind ein wenig schmal und klauenartig, im Bereiche
des Gelenkes der 2. und 3. Phalange wie bei gewissen leprösen Defor-
mationen zurüekgebogen. Sie sind blass, weiss und der Kranke scheint
von Zeit zu Zeit in denselben Erscheinungen der localen Anämie zu
zeigen. Anästhesie der Hände und der Vorderarme. Verdickung der
Cubitalnerven oberhalb der Ellenbogen.
Die Muskeln der unteren Extremitäten sind atrophisch. An den
Beinen und Füssen sind harte Oedeme vorhanden, aber man muss
die Veränderungen der rechten und der linken unteren Extremität ge-
sondert betrachten.
Rechts findet man solche Verstümmelungen, dass der Fuss
vollkommen gewissen, durch die Lepra nervorum verstümmelten Füssen
gleicht. Der bedeutend verkürzte platte Fuss hat eher die Form eines
Stössels.
Die kleine Zehe ist von einem fleischfarbenen Schilde bedeckt, hat
aber die Form nicht geändert.
Die 4. Zehe wird nur von einem kleinen Stumpfe, der aus der
letzten Phalanx und ihrem Nagel besteht, repräsentirt ; dieser kleine
Stumpf sohliesst sich unmittelbar dem Metatarsus an.
Die dritte Zehe ist gesund.
Die 2. Zehe besteht aus einem Stumpfe, die letzte gespaltene
Phalange ist mit einem hornigen Schilde bedeckt; dieser Stumpf scheint
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 247
direct auf dem Meiatarsus aufzusitzen, als ob die dazwischenliegenden
Phalangen vollständig resorbirt worden wären.
Die grosse Zehe ist vollständig verschwunden.
Vor 2 Jahren war sie so schwer erkrankt, dass ein Arzt sie am-
putiren musste. Trotzdem Patient nicht narcotisirt war, hat er doch
nichts von der Operation gefohlt.
Das ganze Bein und der Fuss auf der dorsalen Fläche sind von
einer Art Schuppen bedeckt, während die Planta pedis im Gegentheil
eher eine bläuliche Farbe hat.
Im Bereiche des Fusses und des Beines ist eher Hyperästhesie als
Anästhesie vorhanden.
In der hinteren Hälfte des 5. Metatarsus am Aussenrande des Fusses
findet sich eine bläuliche Vorwölbung, nicht entzündlicher Natur,
schmerzhaft, ähnlich denen, welche man bei manchen Leprösen im Be-
ginne der Entstehung eines Malum perforans.
An der linken unteren Extremität constatirt man eine nur geringe
Atrophie der Lendenmuskeln und ein massig hartes Oedem des ganzen
Beines und Fusses. Kleine Homplättchen in Form derichtyose Serpentine
an der Yorderfläche des Beines.
In der Gegend der Achillessehne und der Aussenfläche des Beines
finden sich oberflächliche, rothe Substanzverluste, welche an diejenigen
erinnern , die man im Gefolge des Pemphigus leprosus auftreten sieht.
Man findet zwei derselben von der Grösse eines 20Centimes8tückes an der
vorderen äusseren Fläche des Beines, 5 — 6 von der Grösse eines öOCenti-
messtückes, einen neben dem anderen, an der hinleren unteren Fläche
des Beines.
Am Dorsum pedis löst sich die Epidermis in Form von Lamellen
oder oberflächlichen Blasen, welche ausserordentlich an die Blasen des
Pemphigus leprosus erinnern, ab.
Die 3., 4., 5. Zehe sind normal.
Die 2. Zehe ist verdickt, starr ödematös und trägt an der dorsalen
inneren Fläche eine ein wenig nässende Wucherung.
Die grosse Zehe ist an der Basis verkürzt, an ihrem Ende wie weg
geschmolzen, und hat ihren Nagel vollkommen verloren. Am Dorsum im
Bereiche des hier normal vorkommenden Haarbüschels findet man eine
röthlich-violette Hervorwölbung von der Grösse eines IFrankstückes, glatt,
gespannt, mit einer grossen Menge von Höhlungen versehen, aus denen
eine seröse Flüssigkeit fliesst.
Der Fuss ist platt, die Epidermis der Ferse beträchtlich verdickt.
Incomplete Ankylose des linken Knies, während dasselbe unter
einem rechten Winkel gebeugt ist.
Complete Ankylose des rechten Knies.
Die ganze linke untere Extremität ist anästhetisch ; am Fusse
findet man an einigen Punkten Hyperästhesie und totale Anästhesie.
An der rechten unteren Extremität finden sich Zonen von Anästhesie
am Beine und Fusse.
17*
248 L e 1 0 i r.
Am Schenkel anästhetische Zonen mit hyperästhetischen a1>-
wechselnd.
Heftige Neuralgien und zuckende Schmerzen in den oberen und
unteren Extremitäten.
Diese zuckenden Schmerzen sind nach dem Ausdrucke des Kranken
fliegend. Sie kommen anfalls weise, um manchmal 5 Minuten zu dauern;
sie sind manchmal so heftig, dass sie den Patienten aus dem Schlafe
wecken oder ihn nicht schlafen lassen.
Kein Tic douloureux; Gesichtszüge normal.
Patient firöstelt beständig.
Schleimhäute normal.
Leichte Yergrösserung der Drüsen in Inguine beiderseits. Hoden
normal.
Bnlbi nicht verändert. £in geringes Ausfallen der Cilien der
unteren Lider.
Ohren normal, nur hört Patient seit ungefähr 20 Jahren weni|;er
deutlich.
Eingeweide normal. Harn- und Kothentleerung normal. Harn zeigt
keine abnormen Bestandtheile.
Potenz vermindert. Kein Atherom der Gefasse.
Die dritte dieser Beobachtungen bezieht sich auf einen
66jährigen Hirten, der am 1. Juli 1885 in meine Klinik (Hospital
St. Sauveur) eintrat.
Dieser Kranke bot Veränderungen dar, welche an die der
Lepra mixta erinnern: Deformation der Hand, Beginn der Ver-
stümmelung dei*8elben wie bei der Lepra nervorum; Tendenz
zur Bildung Ton Ulcerationen, welche an das Malum perforans
erinnern, im Bereiche der Hand; Elephantiasis der unteren
Extremität, Verstümmelung des Fusses zu einem Stumpfe wie
bei der Lepra mutilans, Ichthyosis der Haut, Malum perforans
pedis; Pemphigusblasen mit Geschwüren, welche an die des
Pempliigus leprosus erinnern, Anästhesie mit Hyperästhesie im
Bereiche der Extremitäten, neuralgiforme Schmerzen in den
Gliedern ; im Bereiche der Stirn, Nasenwurzel, Augenbrauen und
des linken Ellenbogens subepidermoidale Knoten, welche an
Lepraknoten erinnern, multiple Narben auf dem Körper, auf
den Corneae Makeln.
Bei der mikroskopischen Untersuchung eines Stückchens
der Stimknoten fand ich keine Leprabacillen, da ich nicht wage,
3 Bacillen, welche im Grossen und Ganzen an Leprabacillen
erinnerten und die ich in der Nachbarschaft einer Talgdrüse
Finden sich in Frankreich Sporen der alten Lepra? 249
fand, diesen Namen zu geben, obwohl sie sehr deutlich die
Ehrlich'sche Färbung annahmen.
Dieser Kranke, in Cogecques bei Faüquembergues (Pas de
Calais) geboren, hatte weder Artois noch Flandern je verlassen.
Hier folgt übrigens dieser Fall.
Fall IV.
TrophoueurosiN leprosa mutilans.
F. . . Karl, 66jähr. Hirt, in Cogecqaes bei Faaqaembergues (Pas de
Calais) geboren, tritt am 1. Juli 1881 in die Klinik Leloir's, Saal St.
Anton, ein.
Patient hatte stets am Lande (Pas de Calais) gewohnt; erst seit
1 Jahre wohnt er in der Stadt.
Sehr lange Lebensdauer der Ascendenten ; Vater starb im 81. Jahre,
ohne je krank gewesen zu sein ; ebenso starb die Mutter in hohem Alter ;
in der Familie waren 5 Kinder: 1 Bruder starb im 15. Lebensjahre an
einer unbekannten Affection; eine Schwester starb nach einem Falle; ein
Bruder und eine Schwester, die ihm blieben, sind ganz gesund.
Struma, Ausschläge, Rheumatismus kommen nicht vor in der
Familie.
Li seiner Jugend hat unser Kranker keine schwere Krankheit durch-
gemacht, nur hatte er sich im Alter von 6 Jahren einen Fuss erfrört; er
kann sich nicht mehr erinnern, welchen.
Dieser Zwischenfall zog nur einen mehrtägigen Aufenthalt im Bette
nach sich, keine sichtbaren Folgen. Im 10. Lebensjahre schwere Variola,
deren Spuren man noch einzeln auf der Nase und den Wangen sieht;
einige Pusteln, welche das linke untere Lid occupirt hatten, haben hier
ein Ektropium erzeugt, welches seither besteht. Einige Zeit nachher
Keratitis, von welcher die beiden punktförmigen Narben auf der linken
Cornea herrühren.
Mit 14 Jahren beginnt unser Kranker in einer Papierfabrik zu
arbeiten; im 21. Jahre fallt ein Holzstück auf seine rechte Hand und
erzeugt im Bereiche der Articulation des Medius mit seinem Metacarpus
eine Wunde, welche lange Zeit zur Verheilung brauchte und einen rothen,
nicht schmerzhaften Fleck zurückliessen, auf dem sich Krusten, und nach
Abfall derselben eine leichte Eiterung zeigten.
Möglicherweise hat die Art der Beschäftigung des Kranken, dessen
Hände beständig in kaltes Wasser tauchten und mit irritirenden Sub-
stanzen, besonders Chlorwasser in Berührung waren, zur Persistenz und
Vergrössenmg der ersten Verletzung beigetragen. Der Kranke bemerkte,
dass imter dem Einflüsse der Ruhe die Geschwüre auf der Hand die
Tendenz hatten, zu heilen. Im Alter von 23 Jahren verlässt er die
250 Leloir.
Fabrik, um Landarbeiter zu werden. Seine Gesundheit war stets
eine g^te.
Im Alter von ungeföhr 80 Jahren erschien unter der Articulatio
metatarso'phalangea hallucis ein rundes , nicht schmerzhaftes oder
wenigstens sehr wenig empfindliches Geschwür, das dem Kranken er-
laubte, Schuhwerk zu tragen und zu marschiren, es schloss sich manch-
mal theilweise, wurde krustig, öffnete sich wieder und eiterte ein wenig.
Für das Erscheinen dieses Geschwüres Hess sich kein Grund aus-
findig machen ; nach den Angaben des Patienten war es offenbar ein
Malum perforans.
Patient heiratete mit 32 Jahren , er hat 6 Kinder gehabt , Ton
denen zwei leben und gesund sind; 3 sind jung gestorben; das letzte
wurde zur Zeit, aber todt geboren. Die Mutter starb 8 Tage darauf.
Die genaueste Untersuchung lässt bei unserem Kranken keine
Syphilis constatiren ; zu bemerken ist indessen, dass auf dem Gute, wo er
arbeitete und nach der alten Sitte, die Mahlzeit der Arbeiter in einer
grossen Schüssel servirt wurde, aus welcher alle gemeinsam assen.
Im 44. Jahre ungefähr eine Brustkrankheit, welche ihn für 1 Monat
ans Bett fesselte.
Während dieser letzten Jahre und der folgenden, das heisst bis
gegen das 55. Lebensjahr, änderte sich der Zustand des Patienten wenig;
Hand und Fuss waren fast vollkommen beweglich noch, aber es fand sich
schon die Hand fast in der ganzen gegenwärtigen Ausdehnung ergriffen;
die Finger functionirten noch ein wenig, aber der Kranke constatirte,
dass die Interdigitalfalte vorrückte und den Daumen, den 2. und 3. Finger
zu verkürzen schien.
In seinem 55. Jahre wurde der Patient Hirt ; er musste den ganzen
Tag auf den Beinen sein, die Hände in der freien Luft, die Füsse oft
schmerzhaft, starr vor Frost; in dieser Epoche wurden die erkrankten
Stellen noch grösser ; die Füsse erfroren ihm, und der kranke Fuss wurde
da gross, hart und sehr schmerzhaft.
Vor 6 Jahren, in einem strengen Winter, bemerkte Patient, dass
seine linke Augenbraue der Sitz von Krusten in kleinen knotigen Herden
war, welche, gegen die andere Augenbraue vorschreitend , heilten , so
dass sie im Bereiche der rechten Augenbraue eine leicht schuppende,
scheinbar narbige Haut mit fast vollkommenem Fehlen von Haar zurück-
liessen. Dieses ausserordentlich langsame Fortschreiten hat die gegen-
wärtigen Veränderungen des rechten Augenbrauenbogens erzeugt.
Vor 3 Jahren erschien ein anderer kleiner, schuppender Herd am
linken Olecranon.
Seit einem Jahre endlich hat der Kranke wegen der Schmerzen im
Fusse und Beine jede Arbeit verlassen. Diese sehr lebhaften Schmerzen
waren hauptsächlich blitzartige Schmerzen fast in der ganzen unteren
Extremität. Dann übersiedelte er in die Stadt. Eines Morgens, als er
sich erhob, hatte er ungeheuere Schmerzen und ohne irgend ein Trauma
entstand eine heftige Blutung, welche nach seiner Angabe von der plan-
Finden rieh in Frankreich Spuren der alten Lepra? 251
taren Fläche der rechten grossen Zehe stammte. In seinem Schrecken
consoltirte er Dr. Graill, der Umschläge mit einer nicht näher bekannten
Flüssigkeit und Kohlenpulver verordnete.
Die Hand wurde nicht behandelt.
Das ist das erste und einzige Mal, dass unser Patient einen Arzt
um Rath gefragt hat.
Nach dieser Behandlung Hessen die Schmerzen nach, die Blutung
stand, ohne dass sich das Aussehen des Fusses änderte. Die Hand
schrumpfte endlich zusammen, verkürzte sich und wurde vollkommen
deformirt.
Am 1. Juli tritt Patient ins Spital ein.
Status präsens : Für sein Alter gut erhaltener Mann, nicht anämisch,
kein Alkoholismus, kein Rheumatismus, manchmal von leichten Husten-
stössen befallen.
Auf dem Stamme, den Vorderarmen besonders links, an den Innen-
flächen der Schenkel, der Mehrzahl nach excoriirte Prurigoknötchen;
intermittirendes Jucken; keine Scabies, keine Phthirii.
Hie und da verschiedene Narben, über deren Entstehung Patient
nichts anzugeben weiss, oberflächlich, rund, von weisslicher Farbe, einige
von einem leicht braun gefärbten Hofe umgeben. Trichterartige Ein-
senkong der unteren Hälfte des Stemum, wahrscheinlich durch den
Hirtenstab, gegen welchen Patient beim Hüten der Schafe sich an-
stemmte, erzeugt.
An den unteren Extremitäten, besonders links (gesunde Seite)
Varicen.
Einige Veränderungen, und zwar an der rechten Hand, dem rechten
Fusse, dem rechten Augenbrauenbogen, dem linken Ellenbogen werden
unsere Aufmerksamkeit ganz besonders fesseln.
Obere Extremitftten. Rechte Hand : Sie ist dick, ein wenig
geschwollen; Finger verkürzt, ankylotisch, und in Klauen verwandelt
durch ihre halbflektirte Stellung wie in gewissen Fällen von Lepra de-,
formans durch die Retraction der Gewebe. Der 2. und der mittlere
Fmger berühren einander, fast ohne sich von einander entfernen zu
können, so dass man glauben könnte, der Kranke hielte eine Cigarette
zwischen den 2 Fingern (Daumen und Zeigefinger).
Alle Finger sind hart und verdickt; in diesem Bereiche nimmt
die Haut fast das Aussehen wie bei Sclerodermie an ; an der Fingerspitze
adbärirt die Haut dem Knochen.
Der Daumen ist abgestutzt und von einem starken , dicken,
trockenen, längs gerieften, langen, gekrümmten Nagel bedeckt ; ausserdem
sind alle Nägel gefaltet und zeigen die Tendenz der Länge nach zu
bersten. Die Interdigitalspatia sind verkürzt, indem die Interdigitalfalten,
bei ihrer Vergrösserung gegen die Fingerspitzen zu, die Finger wie die
Schwimmhaut der Amphibien vereinigen.
Kurz, im ersten Augenblicke sieht diese Hand einer behandschuhten
Hand ähnlich, deren Handschuh aber viel zu kurze Finger hat, während
252 L e 1 o i r.
er zugleich ätuserst eng ist. Diese Finger sind halb gebeugt ; der Zeige-
finger und der Daumen sehen aus, als hielten sie eine Cigarette; die
Hand lässt sich nicht ausbreiten and zeigt das Bild einer Klauenhand,
wie die gewisser Lepröser, welche von Lepra nervosnm befallen sind.
Die Palma manus ist fast vollkommen gesund, die Haut hat hier
den normalen Charakter bewahrt, während die dorsale Flache fast ia
ihrer ganzen Ausdehnung von einer glatten, glanzenden , ein wenig
schuppenden und an gewissen Stellen weiss, an anderen Stellen rosa
gefärbten und wie entzündet aussehenden Haut bedeckt ist« Auf diesem
Grande erscheinen schwärzliche , unregelmässige , in Reihen stehende
Flecke, während auch andere kleinere, von der Grösse eines Steck-
nadelkopfes, oder etwas grösser sich auf dieser Haut, welche wie durch-
sichtig erscheint, befinden.
Endlich finden sich Erosionen und Geschwüre von der Grösse
einer Linse bis zu der eines 2FrankBtücke8 auf der Dorsalilftche des
MediuSy der Articulatio metacarpo-phalangea des Index, der inneren und
äusseren Fläche des Daumens.
Alle diese Substanzverluste sind rosa gefärbt, oberflächlich, theil-
weise granulirend, hie und da im Gentrum Punkte zeigend, wo der
Substanzverlust tiefer geht und eine gelbliche Farbe, fast diphtheritischen
Charakter annimmt. Diese in ihrer Begrenzung ziemlieh unregelmässigeD
Substanz Verluste erscheinen der Mehrzahl nach von einem etwas stärker
verhornten Epidermis walle umgeben. Sie erinnern etwas an manche dem
Pemphigus leprosus folgende Ulcerationen.
An der äusseren Partie des Medius findet man eine tiefe ÜIceration
mit etwas stärker verhornten Rändern, stark Eiter secemirend, ohne Zu-
sammenhang mit dem Knochen und ohne Entblössung desselben. Keiner
dieser Substanz ver laste ist schmerzhaft, sie heilen ziemlich leicht, um an
einer anderen Stelle wieder aufzutreten, und haben so bei dem regel-
mässigen Weiterkriechen fast die ganze Dorsalfl&che der Hand ergriffen,
woraus dann offenbar die narbige Beschaffenheit der Haut der Dorsalfläch^
der Hand hervorging.
Im Bereiche der ganzen oberen Extremität ist die Sensibilität
vermindert, und zwar ist die Anästhesie am deutlichsten ausgesprochen
an der Hand. Ebenso neuralgische Schmerzen in den oberen Extremitäten^
besonders rechts.
Die linke Hand ist gesund, doch bieten die Nägel das Aussehen
von Binsemark dar.
Am linken Ellenbogen findet man einen kleinen Herd von Knöt-
chen von bläulich-rother Farbe von der Grösse eines ÖFrankstückes.
Im Centrum des Herdes finden sich runde grünlichweisse Schuppen,
welche sich ziemlich leicht ablösen und so eine nur wenig excoriirte Haut
biossiegen. Keine Schwellung der Achsellyrophdrüsen.
Kopf. In der Nähe der Nasenwurzel auf dem rechten Augenbrauen-
bogen findet sich ein Herd von Knötchen, der in der Richtung der Augen-
braue länglich geformt ist. Dieser an ein flächenhafb ausgebreitetes Lepra-
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 253
intiltrat erinnernde Herd bat eine bläolich-rothe Farbe, ist von Schuppen
l>edeckt, schmerzlos, leicht anästhetiech, wenn man mit einer Nadel in
denselben sticht. Dieser schon lange Zeit (seit mindestens 6 Jahren) be-
stehende Herd hat die Tendenz sich auszubreiten; er hat an der linken
Augenbraue begonnen und ist hier mit Hinterlassung einer leichten,
schuppenden Narbe ausgeheilt. Die behaarte Haut ist normal, die cervi-
calen Lymphdrüsen sind leicht vergrössert.
Untere Extremitftten. Rechter Fuss. Vom unteren Drittel der
Extremität angefangen bis zur Ferse ist das Volumen des Beines ver-
mehrt, besonders ausgesprochen und deutlich in der Gegend der Malleolen ;
sie hängt theilweise wenigstens von der auffallenden Volumszunahme der
Knochen, besonders der Malleolen ab. Der Vorderfuss bietet einen An-
blick, den wir sogleich beschreiben werden.
Der untere Viertel des Unterschenkels und die Gegend der Mal-
leolen hat eine bläulich-braune Farbe und ist hie und da pigmentirt.
Ausserdem sind mehrere oberflächliche Narben von unregelmässigen Con-
touren noch vorhanden. Durch die Hypertrophie der Knochen sind die
Bewegungen des Beines ein wenig gehemmt.
Der Vorderfuss zeigt in seiner vorderen Hälfte ganz merkwürdige
Veränderungen, indem er, allgemein gesprochen, der Gestalt eines Kegels
ähnlich, nach vorne zu schmaler wird, so dass die das Köpfchen des 1.
mit dem des 6. Metatarsus verbindende Linie, welche links 10 Gm. misst,
rechts nur 6 Cm. misst.
Im Bereiche der Zehen ist diese Verschmälerung noch viel deutlicher
ausgesprochen, indem z. B. eine die Mitte der 5. mit der Mitte der 1.
Zehe verbindende Linie, welche links 8 Cm. misst, rechts nur 4 bis 6
Cm. hat.
Nicht der Fuss allein im Bereiche der Metatarsi ist zu einem Conus
verschmälert, sondern die Zehen vermehren diese Verschmälerung der
Extremität noch durch die Verbildung, welche sie erlitten haben. In der
That scheinen die Zehen comprimirt und gegen einander gedrängt zu sein,
wodurch die 2. dorsal etwas vorspringt, während die 1. einen schmalen,
beträchtlich verkürzten Klumpen ohne Nagel darstellt.
Ebenso ist die 2. Zehe nur ein formloser Stumpf, der ein wenig
dorsal vorspringt, etwas verkürzt ist und einen schwarzen, linsengrossen
Nagel in der Mitte tragt.
Die 3. und 4. Zehe sind an die 2. formlich festgeklebt, so dass sie
kaum getrennt werden können; sie selbst sind zu einer einzigen Masse,
welche einen unförmlichen Klumpen, an dem die Grenze zwischen den
beiden Zehen kaum angezeigt ist, verschmolzen ; auf der dorsalen Fläche
einer jeden dieser rudimentären, deformirten Zehen findet man ein Ueber-
bleibsel eines schwarzen Nagels von der Grösse eines Getreidekoms. Von
der 5. Zehe existirt kaum eine Spur ; dieselbe trägt an ihrem Ende einen
schwarzen, missbildeten Nagel.
Der ganze Vorderfuss und die Zehen sind von einer Art schuppigem
Schilde, ziemlich ähnlich dem, welches eine Lage von CoUodium, auf der
254 Leioir.
erkrankten Stelle antrocknend, erzeugen würde. Diese pergamentartige
Schale lasst sich leicht in grossen Epidennislamellen, die dem Pflanzen-
pergament oder getrockneter Goldschlägerhant ziemlich ähneln, ablösen.
Diese Veränderungen sind den von Leioir bei einem Kranken im Hospital
St. Louis 1883 beobachteten analog.
Trotz dieser Auflagerungen constatirt man im Bereiche der Zehen
sehr genau Geschwüre, welche an die oberflächlichen, entzündlich gerö-
theten Formen des Malum perforans erinnern; an der inneren Hälfte der
Plantarfläche der 1. Zehe befindet sich eine solche Exulceration von der
Grösse eines 20Centimes8tückes. Eine andere, linsengrosse, auf der plan-
taren Fläche der 2. Zehe. Im Bereiche dieser Geschwüre totale Anästhesie.
Unter diesen grossen Lamellen findet man eine verdünnte, glatte
und gespannte Epidermis von rosa Farbe mit einigen bläulichen Flecken,
welche die capilläre Congestion der Haut anzeigen. An einigen unregel-
mässig über das Bein und das Dorsum pedis zerstreuten Stellen findet
sich eine Herabsetzung der Sensibilität, während im Gegentheil an ande-
ren Stellen Hyperästhesie vorhanden ist.
Die Sensibilität an der Planta ist deutlich herabgesetzt ; im Bereiche
der Ulcerationen an der Planta absolute Anästhesie. Neuralg. Schmerzen
in der rechten unteren Extremität. Die linke untere Extremität ist gesund.
2. October. Beim Verbandwechsel hat man im Interstitium der 1.
und 2. Zehe eine ziemlich unregelmässige, frische ülceration bemerkt;
dieselbe ist anästhetisch. Ebenso ist im Bereiche der Articulatio meta-
tarso-phalangea eine Blase von Taubeneigrösse mit einer röthlichen Flüs-
sigkeit gefüllt, entstanden (Pemphigusblase).
18. October. Die Pemphigusblase hat in ihrem Gefolge eine rothe
ülceration von der Grösse eines iFrankstückes hinterlassen; sie erinnert
an die ulcerationen im Gefolge des Pemphigus leprosus.
1886, 16. Febr. In der Nachbarschaft der Blase vom 2. Oct. 1885
ist eine andere Pemphigusblase entstanden ; der Entstehimg gingen Prickeln
und neuralgiforme Schmerzen voraus.
Die 5. Beobachtung bezieht sich auf eine Frau von 58
Jahren, welche durch meinen Collegen Dr. Halle z meiner
Klinik zugeschickt wurde.
Diese Kranke bot der Lepra nervorum sehr ähnliche Ver-
änderungen dar: Deformation der Hände und Füsse, wie bei
manchen Fällen von Lepra nervorum, Hyperkeratosis der Planta,
Ichthyosis, Elephantiasis der Beine, Muskelatrophien, Hyperästhe-
sie der Haut, geringer Grad von Anästhesie der Extremitäten,
neuralgiforme Schmerzen in den Gliedern.
Diese Patientin konnte ich seciren und Alterationen der
Extremitätennerven constatiren.
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 255
Fall V.
Lepröse Trophoneurose.
H. . ., 58jähr. Haushälterin im Departement du Nord geboren, wurde
am 28. Juli 1886 auf die Klinik des Prof. Leloir geschickt.
Hereditäre Verhältnisse: Eltern beide an Cholera gestorben, bis
dahin waren sie stets gesund gewesen. In der Familie waren 3 Kinder,
welche stets gesund waren.
Die Kranke ist verheiratet und hat 8 Kinder gehabt, welche alle
gestorben sind. Das älteste an Variola, das 2. an Croup, das 3. an Masern
mit Complicationen, das 4. an Croup und Masern, das 5. an einer Pneu-
monie, das 7. und 8. sind zwar zur Zeit aber todt geboren worden.
Die Kranke selbst gibt an, früher nie krank gewesen zu sein, nur
ist sie nervös und leidet an Migräne. Sie hat niemals gehustet, hat aber
«eit 4 oder 5 Wochen etwas Blut ausgeworfen und reichliche Nachtschweisse
gehabt. Vor 13 Jahren einen Anfall von Rheumatismus.
In dieser Zeit wurde sie während der M«nses von einem Wagen
umgeworfen. Kurze Zeit darauf entstand eine Deformation der linken
Hand, welcher Veränderung geringe Schmerzen im Handgelenk voraus-
gingen; um dieselbe Zeit ungefähr begannen die Finger der rechten
Hand difform zu werden, dann wurden in kurzer Zeit die Füsse ergriffen.
Diesen Deformationen soll weder Hyperästhesie noch Anästhesie
vorausgegangen sein, dagegen aber blitzartige Schmerzen.
Status praesens : Patientin vom kachektischen Aussehen mit gedun-
senem Gesichte bietet den Anblick einer tuberculösen Person (3. Stadium)
dar. Sie ist gelähmt; auf dem Rücken liegend, die Beine von einander,
kann sie sich nicht bewegen. Die Kranke schläft wegen der Schmerzen,
welche sie beständig plagen, nur sehr schlecht.
Sie ist appetitlos, die Fxpectoration ist reichlich, der Puls ist klein,
fadenförmig, kein Gefassatherom. Prof. Hallez hat Zeichen von Endo-
carditis constatirt. Bei dieser Frau finden wir nun absolut symmetrische
Deformationen der oberen und unteren Extremitäten.
Untere Extremitäten: Von vorneherein bieten die Fasse den An-
blick der Füsse mancher Lepröser. Die Zehen sind von einander wie
krampfhaft entfernt. Die 1. Phalange der grossen Zehe ist halb gebeugt,
die letzte ist in forcirter Extension zur ersten. Die erste Phalange der
2. und 3. Zehe ist in leichter Extension, die 2. Phalange in halber Flexion,
die dritte gegen die 2. leicht extendirt. Die 4. und 5. Zehe sind ganz in
halber Extension, nur ist die 5. ziemlich stark gegen den äusseren Fuss-
rand gezogen.
Alle Kägel sind ein wenig alterirt, verdünnt, leicht quergerieft,
während der Nagel der grossen Zehe im Gegentheile, wie manche Nägel
bei Ekzemen, längsgerieft erscheint. Der Fuss ist nicht platt und hat viel-
mehr seine normale Plantarconcavität beibehalten. Muskelatrophien sind
256 L e 1 o i r.
keine vorhanden, wohl aber eine allgemeine Abmagerung der Foss-
muBCulatur.
Auf der Planta pedis (n. zw. in den vorderen Theilen und den
Plantarflächen der Zehen) findet man breite Lamellen von verdickter, stark
verhornter Epidermis. Diese übermässige Verhomung, welche der bei
manchen 'Leprösen an den Füssen vorkommenden entspricht, ist um so
überraschender, als sich Patient, der Füsse nicht bedient.
Die Haut des Dorsum beider Füsse, ebenso wie die der unteren */«
der Unterschenkel bietet einen merkwürdigen Anblick dar. Diese Haut
sieht im Allgemeinen wie gerunzelt aus und erinnert ziemlich deutlich an
gewisse dünne Ledersorten, welche im Feuer gehärtet wurden. Sie ist
durchzogen von im Allgemeinen nach der langen Achse der Extremitäten
gerichteten Falten, welche ihrerseits wieder von querverlaufenden Falten
geschnitten werden, so dass auf diese Weise warzenförmige Räume ab-
gegrenzt werden ; diese Beschaffenheit der Haut findet sich vor Allem auf
dem Dorsum der Füsse und Zehen. Diese Falten sind von einander
1 — 2 Cm. entfernt.
Diese so gerunzelte Haut erscheint nicht bedeutend verdünnt, sie
ist ein wenig, a))er durchaus nicht vollkommen der Subcutis adhärirend,
und diese selbst erscheint theilweise mit den Muskeln und dem darunter-
liegenden Bindegewebe verbunden.
Kurz, obwohl die verschiedenen weichen Gewebsschichten adhärenter
als normal erscheinen und ihre Consistenz ein wenig vermehrt ist, finden
wir doch durchaus nicht die absolute Fixation und Marmorhärte der
Sclerodermie.
Die diese Theile bedeckende Epidermis schuppt etwas, ähnlich wie
bei der Ichthyose Serpentine. Dieses schlangenformige Aussehen ist be-
sonders im Bereiche der dorsalen Flächen der Zehen ausgesprochen.
Das rechte Knie erscheint leicht geschwellt, Patella etwas balotti-
rend. Eine Beugung der Beine ist unmöglich. Vor einigen Jahren empfand
Patientin Schmerzen und Knarren im rechten Knie, jetzt ist es ankylotisch
(oder pseudo-ankylotisch wegen des Schmerzes) und zwar ist jede Bewe-
gung fast vollkommen unmöglich. Das linke Knie zeigt dieselben Verän-
derungen, nur in geringerem Grade entwickelt.
Beträchtliche Hyperästhesie für Berührung ebensowohl als ganz
besonders für Nadelstiche vom Knie herab bis za den Zehen, anästhetische
Partien auf der Planta; Hyperästhesie der tiefen Gewebe, wenn man das
Bein in die volle Faust nimmt. Das Volumen der Unterschenkel contra*
stirt mit dem der Oberschenkel. Diese Volumsvermehrnng ist von einem
harten, Bindegewebe erzeugenden Oedeme abhängig, aber nicht von der
Erhaltung der Musculatur, welche verschwunden ist, während die Muscu-
latur des Oberschenkels vollkommen erhalten ist.
Obere Extremitäten. Die Hände zeigen beide im gleichen Masse
eine Beschaffenheit, wie sie bei manchen Fällen von Lepra nervorum de*-
formans vorkommt. Sie sind abgemagert und deformirt, die Musculatur
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 257
ist fast verschwunden (aber doch noch nicht ganz), besonders die des
Thenar und Antithenar.
Die 8. Phalanx des Daumens ist gegen die 2. in forcirter Extension,
so dass es in diesem Gelenke zu einer Subluxation gekommen ist. Der
Zeige- und der Mittelfinger zeigen eine forcirte Extensionsstellung der
3. und 2. Phalanx gegen die erste; im Gelenke zwischen 1 und 2 besteht
eine Subluxation. Aehnliche Verhältnisse zeigt der 4. Finger. Die kleinen
Finger zeigen beiderseits eine Z-Form. Nirgendwo bemerkt man aber
eine Zerstörung der Phalangen. Am Handrücken leichte Anästhesie.
Die Nägel zeigen kaum irgendwelche Yerbildungen. Die Aponeu-
rosis palmaris ist leicht verdickt.
Gesicht und Augen vollkommen normal, ebenso die Schleimhaut
des Mundes und Pharynx.
Seit drei Jahren stehen die Zähne nach vorwärts wie die Zähne
mancher Engländerinen. Sie stecken nicht mehr, fest im Zahnfache,
sondern lassen sich leicht hin und her bewegen.
Heffcige neuralgische Schmerzen in den oberen und unteren Extre-
mitäten. Der Kranke stirbt.
Bei der Autopsie habe ich einen gewissen Grad von Verdickung
der Extremitätennerven constatirt, welche Verdickung, wie die histologische
Untersuchung ergeben hat, bedingt ist durch einen massigen Grad von
Perineuritis. Diese Veränderungen an den Nerven waren besonders an
dem Nervus tibialis (u. zw. in der Mitte desselben) und an den Nerven
in der Cubita bis zur Mitte des Armes ausgesprochen.
Diese Verdickung betraf die ganze Ausdehnung des erkrankten
Nerven, war nicht sehr deutlich ausgesprochen und liess sich am besten
bei histologischer Untersuchung constatiren, indem sich bei derselben
eine leichte Perineuritis erkennen liess.
Die histologrische Untersuchung vermittels der von mir 1881 aus-
einandergesetzten Technik hat mir die Diagnose einer Neuritis parenchy-
matosa gestattet.
Die Spinalwurzeln waren vollkommen normal, ebenso wie das
Kückenmark.
Trotz einer genauen und aufmerksamen Untersuchung
konnte ich weder in der Haut noch in den Nerven Lepra-
bacillen nachweisen.
Auf die bei diesen Kranken beobachteten Erscheinungen
mich stützend, machte ich in meinen 1885 — 1886 im Hospitale
St. Sauveur gehaltenen Vorlesungen darauf aufmerksam, dass
es sich in diesen 5 Fällen um Veränderungen handelt, welche
denen bei Lepra nervorum deformans oder mutilans auffallend
ähneln.
Handelte es sich in diesen Fällen um Lepra, wie man
von vorneherein annehmen könnte ? Aber wo hatten die
258 L e 1 0 i r.
Kranken sich dann die Lepra zugezogen? Diesem Einwurf,
iugte ich hinzu, könnte man indessen hegegnen, wenn man
annähme, dass es sich hier um Fälle von autochtoner Lepra
handelt, Spuren der alten Lepra, welche in Europa und
ganz besonders in Frankreich bis gegen das 15. Jahrhundert
heiTschte. Und ich wies wiederum auf die Möglichkeit hin, dass
eine Krankheit, welche zur Zeit des Ablebens Ludwigs VIIL
(1229) in Frankreich die Errichtung von 2000, in der ganzen
Christenheit aber von 19.000 Leproserien nothwendig gemacht
hatte, in den Ländern, wo man sie seit langem erloschen glaubte,
noch nicht vollständig verschwunden wäre.
Aber vorsichtig fügte ich hinzu, dass es nothwendig wäre,
dass damit eine Solche Theorie aus dem Gebiete der Hypothese
in das der wahren Wissenschaft vorrücke, die von mir gebo-
tenen Fälle ebenso die, welche andere Beobachter später even-
tuell untersuchen würden, in indiscutabler Weise der Lepra
zugerechnet werden könnten, indem man sich auf klinische,
pathologisch-anatomische und genaue bacteriologische Unter-
suchung stützen würde.
In den 5 Beobachtungen, welche meinen Veröflfenthchungen
zur Grundlage dienen, erinnerten die Kranken zwar ausser-
ordentlich an Lepröse ; dennoch stimmen manche klinische
Einzelheiten (z. B. das Fehlen der Lähmung des Orbicularis.
palpebrarum mit Anästhesie des Gesichtes, . . .) nicht absolut
genau mit der Diagnose „Lepra", zumal da der bacteriologische
Befund uns fehlte.
Nichts destoweniger könnte man noch voraussetzen, dass.
diese Fälle von autochtoner Lepra, Spuren der alten Lepra,
sich unter einem leicht veränderten Bilde darbieten könnten,
indem die Krankheit in unseren Gegenden seit dem Mittelalter
gewissermassen degenerirt wäre.
1886 kam ich auf Seite 263 meiner Abhandlung über die
Lepra auf diese Frage zurück. Jüngst endlich, März 1892,
brachte mich ein Kranker meiner Klinik, der trophische Muskel-
und Hautaffectionen, welche in mancher Hinsicht an die bei
Lepra nervorum vorkommenden erinnern, aber wahrscheinlich
syringo-my elitischen Ursprunges sind, zeigte, in einer klinischen
Vorlesung zur WiederaufroUung der Frage von der möglichen
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 259
Persisteuz der Spuren der alten Lepra in unseren Ge-
genden.
Der betreflfende Kranke bot Störungen dar, welche an die
bei Lepra uervorum vorkommenden ausserordentlich erinnern:
Atrophie der Muskulatur der Schultern, Ai-me, Vorderanne ; des
Thenar und Antithenai*, der Interossei; vollständige Analgesie
der oberen Extremitäten und der oberen Hälfte des Stammes,
des Halses, des Gesichtes, so dass der Kranke sich oft, ohne
etwas davon zu wissen, verbrannte; Analgesie der Schleimhaut
der Lippen und Zunge (man muss aber bemerken, dass man
im Bereiche des Thorax, des Gesichtes und Kopfes sehr genau
die von C h a r c o t unter dem Namen syringomyeli tische Dissocia-
tion beschriebenen Erscheinungen beobachten kann) ; zahlreiche
Narben und mit Krusten bedeckte Ulcerationen an den Fingern
(Geschwüre , welche aus Pemphigusblasen entstanden sind) ;
Hyperkeratosis der Palma; Alterationen der Nägel.
Dieser Kranke, zu Warhem geboren (Arrondissement Dün-
kirchen) hatte nie sein Vaterland verlassen.
Es folgt hier dieser Fall, wie ihn mein Interne Herr
Patoir gefiihi-t hat.
Fall VI.
Die Krankheit wurde vor 2 Jahren durch das Auftreten von Stö-
rungen der Muskulatur und Haut hemerkt.
Amyotrophie der oberen Extremitäten (scapulo-humeraler Typus
nach Yulpian und type Aran-Duchenne). Bildung von Blasen und Knoten
an den Händen. Alteration der Nägel. Störungen der Sensibilität. Syringo-
myelitische Dissociation. Parese und Steifigkeit der unteren Extremitäten.
Leichte Contractur der Sphincteren. Redressirbare Scoliose.
D. . . August, 20 Jahre alt, zu Warhem geboren, trat am 29. März
1892 auf die Klinik des Prof. Leloir ein.
Hereditäre Verhältnisse: Vater im Alter von ungefähr 60 Jahren
an einer dem Patienten unbekannten Krankheit, wahrscheinlich Herzaüec-
tion (er hatte Oedeme an den unteren Körperpartien) gestorben. Er war
emphysematös, kein Potator. Mutter lebt und leidet an asthmatischen Be*
Bchwerden. Ein Bruder starb in jugendlichem Alter. Drei Schwestern
leben, von denen eine anämisch ist und oft hustet. Eine nervöse Be-
lastung kann man in der Familie nicht nachweisen. Da aber der Kranke^
das Französische nur schlecht spricht und schwer begreift, ausserdem
seine geistigen Fähigkeiten viel zu wünschen lassen, so kann man sich
auf die Angaben des Kranken nicht allzusehr verlassen. Nichtsdestoweniger
260 L e 1 o i r.
lasse ich seine Angaben über seinen früheren Gesundheitszustand und über
den Beginn der Krankheit folgen.
Seine eigenen Antecedentien : Bis zu seinem 19. Lebensjahre war
Patient stets vollkommen gesund. Damals im Winter verbrachte er oft
die ganze Nacht in Holzbaracken, welche an einem Sumpfe gelegen waren.
Damals litt er oft Kälte, doch scheint er keine Erfrierungen erlitten zu
haben. Von dieser Zeit an bemerkte er eine gewisse Steifigkeit der oberen
Extremitäten. Seine Hände wurden ungeschickt, indem er eine längere
Zeit noth wendig hatte, um sich anzukleiden öder um manche feinere Be-
wegungen zu vollziehen. Gleichzeitig bemerkte er, dass er weniger kräftig
sei und dass die Druckkraft seiner Hände abnahm. Ausserdem entstanden,
und das fiel ihm besonders auf, Hautaffectionen. An den Händen erschie-
nen Blasen, welche einschrumpften oder exulcerirten und so noch jetzt
sichtbare Narben oder Knoten von beträchtlicher Grosse hinterliessen.
Niemals bestanden gleichzeitig zahlreiche Blasen, sondern die Eruption
erfolgte schubweise in verschieden langen Intervallen und zwar gewöhn-
lich nur 1 — 2 Blasen auf einmal. Der Patient machte die Beobachtung,
dass, wenn er die sich entwickelnden Blasen zerkratzte, die folgenden
langsamer auftraten. Ebenso hat er bemerkt, dass die Blasen rascher
entstanden, wenn er tüchtig arbeitete.
Vor 1 Jahre hatte er eine Bronchitis, welche nach 5 Monaten heilte
und welche vor 3 Wochen wieder auftrat.
Status präsens : Kräftig gebauter Mann, nur die oberen Extremitäten
stechen durch ihren geringen umfang von der übrigen Musculatur, welche
gut entwickelt zu sein scheint, ab. Der Panniculus adiposus ist an den-
selben auch weniger gut entwickelt als an anderen Stellen.
Appetit ist gut, die Verdauung erfolgt ganz normal.
Von Seite des Respirationstractus bemerkt man eine ziemlich in-
tensive Dyspnoe.
Der Kranke hustet und wirlt ziemlich reichlich aus. In dem Sputum
findet man manchmal Blutfaden ; das Sputum ist schaumig und von weiss-
licher Farbe. Bei der physikalischen Untersuchung der Lunge constatirt
man folgende Veränderungen: Vorne auf beiden Seiten, deutlicher aber
links als rechts Verminderung des Stimmfremitus. Der Brustkorb ziemlich
gewölbt, die Intercostalräume verstrichen. Bei der Percussion findet man
einen auffallend hellen Schall über dem ganzen Brustkorb, über der linken
Spitze leichte Dämpfung. Bei der Auscultation hört man rechts ein rauhes
Athmen mit einigen Rasselgeräuschen in beiden Athmungsmomenten. Links
das Athmen rauher, leicht hauchend. Hinten der Stimmfremitus fast feh-
lend, links aber etwas deutlicher wahrzunehmen.
lieber beiden Lungen lauter Schall, ohne einen Unterschied erkennen
zu lassen. In beiden Spitzen rauhes und hauchendes Athmen. Bei der
Exspiration Rasseln und Knistern zu hören. An der Basis Vesiculärathmen,
jedoch sehr leise, begleitet von Rasselgeräuschen in beiden Phasen der
Athmung. Rechts scheint die Athmung deutlicher hörbar zu sein.
Finden sich in Frankreich Sparen der alten Lepra? 261
Hersspitzenstoss kräftig. Herztöne in beiden Momenten rein, ohne
Geränseh. Leichte Hypertrophie des rechten Herzens, PalsuB epigastrieiifl.
Pols links «cfanellend, rechts dagegen kleiner, fast fadenförmig.
Leber erscheint normal.
Im Harne weder Eiweiss noch Zncker. Harnentleerung normal, nur
mnss sich Patient, wie er bemerkt, im Beginne der Harnentleerung mehr
anstrengen.
Seit einigen Wochen leidet er auch an Stuhlrerstopfung, so dass
es sich um eine Vermehrung des Tonus der Sphinkteren zu handeln scheint.
Kein Alkoholismus, keine Lues. Keine Bleivergiftung, ebenso keine
Malaria. Ihn für einen Leprösen zu halten, hat man wenig Grund, wenn
man nicht an die Ueberreste der alten Lepra, welche ganz Europa im
Mittelalter yerseucht hatte, denken wiU.
Besonders aufi&Uig an ihm ist das geringe Volumen der Arme. Bei
der Untersuchimg der Musculatur der Schultern und der oberen Extremi-
täten findet man dieselbe weich, schlaff; sie scheint mit den übrigen Ge-
weben verschmolzen zu sein. Wenn man den Arm im Ellenbogengelenke
beugen lässt, fühlt man nicht, wie beim gesunden Menschen, wie der Biceps
sich zu einem vorspringenden, harten Wulste contrahirt, so dass er das
Vermögen zu erschlaffen und sich dann zu contrahirrai verloren zu haben
scheint.
An den Schultern sind die Knochenvorsprünge sehr deutlich aus-
geprägt und in der Fossa supra- et iniraspinata findet man auffallende
Einsenkungen. Die Schulter scheint verstrichen, der Deltoides ist stark
atrophisch, so dass die Abduction des Armes sehr erschwert ist. Der
Pectoralis major ist, wenigstens in der Portio clavicularis von geringerem
Volumen, so dass die Clavicula sehr deutlich vorspringt. Diese allgemeine
Atrophie der Schul termusculatur ist rechts deutlicher als links und be-
sonders rechts kann man die Einzelheiten der Atrophien studiren. Ebenso
verhält es sich mit der Armmusculatur. 10 Centimeter unter dem Acro-
mion misst der rechte Oberarm 27 Cm., der linke 29 Gm., trotzdem der
Patient sich vorzugsweise der rechten Hand bedient ; am Vorderarme findet
man 4 Gm. unter dem Ellenbogen eine Differenz von I Cm« zu Gunsten
des linken Arms. Besonders befallen sind die Supinatoren. Die Hand in
Supinationsstellung zu bringen, kostet dem Patienten die grösste Mühe und
gelingt ihm nur durch Gombinationen und Drehungen, wodurch andere
Muskeln die Rolle der Supinatoren übernehmen. Die Atrophie folgt dem
Type Aran-Duchenne der progressiven Muskelatrophie. Wenn Patient auf
seine Hand nicht Acht gibt, nimmt sie Klauenhandstellung ein (Affenhand),
ohne dass das aber sehr ausgesprochen wäre. Die Spatia interossea sind
am Handrücken grubenformig vertieft, während die Metacarpusknochen
deutlich vorspringen. An der Palma manus sind Thenar und Antithenar
fast vollständig verstrichen, die ganze Hand ist verflacht, die Haut ge-
runzelt. Rechts sind die Veränderungen an der Hand viel deutlicher aus-
gesprochen als links. Ebenso beträgt die Druckkraft der rechten Hand am
Dynamometer gemessen 19, die der linken 25 Ko. Ausserdem, dass Amyo-
Archiv ntr Doruiatol. ii. Syphil. LMnd XXVI. 28
262 Leloir; .
trophie vorhanden iftt, reagiren die Maskeln auch nicht auf den elektrischen
Strom. Man kann die Stromstärke langsam oder rasch variirea. Der
Kranke empfindet zwar das durch den Strom erzeugte ^genthümliche
Erabheln, aber kein Muskel contrahirt sich.
Dennoch ist keiner der Muskeln vollständig paralytisch, indem man
zwar eine gewisse Parese und eine gewisse Schwere der Bewegungen, aber
durchaus keine absolute Unbeweglichkeit constatiren kann.
Auf beiden Seiten fehlt der Reflex der Trioepssehne.
Oft bemerkt man fibrilläre, manchmal auch voUkomoiene Contrac-
tionen der Muskeln, was die Schwierigkeiten bei den Bewegungen noch
vermehrt.
Trotz dieser schweren Lasionen ist doch der Muskelsinn erhalten.
Der Kranke hat das Bewusstsein von der Lage seiner Arme im Baume
und er vollführt mit dem freien Arme ziemlich genau die dem anderen
Arme mitgetheilten Lageveränderungen.
Die genaue Untersuchung der Sensibilität in ihren verschiedenen
Qualitäten lässt uns ein wichtiges Phänomen entdecken, die von Charcot
sogenannte Dissociation syringo-myelique. Dass der Muskelsinn vollkom-
men erhalten ist, habe ich bereits erwähnt; ebenso verhält es sich mit
dem Tastsinn. Der Kranke fühlt die Gegenstände, welche er berührt, kann
ihre Form beschreiben, aber er vermag ihre Temperatur nicht zu schätzen,
ja er empfindet keinen Schmerz. Das Gefühl der Kälte, der Hitze, des
Schmerzes fehlt, während der Tastsinn normal ist. Trotzdem hat Patient
nicht selten das, dann rein subjective Gefühl der Wärme; er erklärt sogar
oft^ von der Wärme in seinem Bette belästigt zu werden.
Die Thermo'-Anästhesie erstreckt sich bei ihm über die beiden
oberen Extremitäten und die obere Hälfte des Stammes bis zu einer
Horizontalen, welche ungefähr 1 Cm. über der Verbindungslinie beider
Brustwarzen verläuft. Der Uebergang von der erkrankten Partie zur nor-
malen geschieht ganz allmälig ; in der Magengrube ist der Temperatursinn
ziemlich genau. Nach oben zu wird er immer unsicherer, um endlich
vollkommen zu verschwinden.
An den Extremitäten wird die Thermo- Anästhesie peripherwärts
immer deutlicher. Während nämlich der Kranke über einen, wenn auch
nur leichten Schmerz, bei der Application einer erhitzten Spitze an der
Halswirbelsäule klagte, konnte man am Vorderarme die feine Spitze des
Thermocauters ohne weiters ziemlich tief einbohren, ohne eine andere
Empfindung als die der Berührung zu haben. Uebrigens weist er selbst
auf eine rothe Narbe am linken Vorderarme hin, von der er angibt, dass
sie von einer Verbrennung, deren er sich aber nicht bewusst war im
Momente der Entstehung, herrühre. Hals, Gesicht und der behaarte Kopf
scheinen ebensowenig Hitze oder Kälte zu empfinden. Was die Schleim-
häute* betrifft, so erklärt der Kranke, sich niemals beim Rauchen oder
Essen den Mund verbrannt zu haben und behauptet auch, die Temperatur
der Nahrung zu erkennen. Die Punkte, wo Thermo-Anästhesie vorhanden
ist, sind auch von Analgesie befallen, und man konnte Lippen und Zunge
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 263
stechen, ohne Schmerz hervorzurufen, so dass es sich hier scheinbar um
eine neue Dissociation handelt. Inmitten der iür Temperatur und Schmerz
anäBthetischen Theile findet man einzelne Partien yon nur geringer Aus-
dehnung, wo diese Qualitäten des Tastsinnes normal oder sogar ein wenig
gesteigert erscheinen. Will man die Vertheilung der kranken Partien
schematisiren, so kann man sagen: Die Theile, welche dem Rocke, dem
Helme und der Maske entsprechen, sind erkrankt (Zone des Plexus bra-
chialis, des 1. Intercostalis, des X. occipitalis major et minor, des N.
auricularis und der aufsteigenden Trigeminuswurzel). •
Subjective Symptome von Schmerz werden keine angegeben.
Während die Störungen der Sensibilität an beiden Annen gleich-
massig ausgesprochen sind, ist die Amiotrophie rechts deutlicher ausge-
sprochen, was uns zu der Ansicht fuhren könnte, dass die Krankheit mii
diesen Störungen der Sensibilität begonnen hat und zwar lange bevor der
Kranke nur etwas ahnte. Er scheint seine Krankheit erst erkannt zu haben,
als sichtbare Störungen auftraten.
An den unteren Extremitäten ist die Sensibilität in allen ihren
Qualitäten erhalten ; dieselben sind sehr gut entwickelt und scheinen
durchaus nicht atrophisch zu sein. Trotzdem gibt Patient das Gefühl von
Steifigkeit und Schwere bei den Bewegungen an. Lässt man ihn gehen,
dann bemerkt man in der That, dass er die Beine nur mühsam vom Boden
hebt, ein wenig hüpfend geht und die Fussspitze nach vorwärts schleu-
dert. Es ist also Steifigkeit und Parese, aber keine Ataxie vorhanden. Die
Wendung erfolgt langsam mit geringem Schwanken. Lässt man ihn während
des Stehens die Augen schliessen, so zeigt sich eine geringgradige Ataxie.
Die Patellarreflexe sind besonders rechts lebhafter als normal.
Rechts findet man deutlichen Fussclonus. Die Plantarrefiexe sind
vermindert. Keinerlei subjective Symptome.
Von den Sinnesorganen erscheinen der Geschmack und der Geruch
intact. Der Schlundreflex ist normal. An den Augen ist nur ein leichter
Nystagmus von Wichtigkeit.
Pupillen reagiren auf Licht und Accomndation prompt. Keine Ptosis,
kein Enophthalmus. Gornealreflex normal.
Gehör normal.
Beim Sprechen bemerkt man ein geringes Zögern, ein leichtes
Stottern, aber der Patient behauptet, immer so gesprochen zu haben« Der
Schlingact erscheint normal. Beim Sprechen bemerkt man auch leises Er-
zittern der Lippen.
Als Stönmgen der Sphinkteren haben wir bereits eine geringe Er-
schwerung der Harnentleerung im Beginne derselben und die seit einiger
Zeit bestehende Stuhlverstopfung bezeichnet.
Die Haut zeigt im Bereiche der Brust einen Herd von seborrhoischem
Ekzem und auf dem Rücken einige Acneefflorescenzen. Die unteren Ex-
tremitäten zeigen keine Hautaffectionen.
An den oberen Extremitäten constatirt man, und zwar an der
inneren und oberen Hälfte des rechten Armes einen kleinen, rothen Herd,
18*
264 L e 1 o i r.
bedeckt mit einer trockenen Epidermisschuppe, offenl^ar der Rest einer
B!s8e, von der der Patient nichts gewnsst hatte.
Am linken Oberarme und den beiden Vorderarmen nichts zn
bemerken.
An den Händen, besonders an der rechten Hand, kann man rer-
scbiedene trophische Störungen constatiren.
Ueber den Gelenksverbindungen der 1. und 2. Phalanx des 2., 3.
und 4. Fingers der rechten Hand bemerkt man vorspringende, harte,
runzelige Knoten von der Breite eines '/, Centimesstückes und ungefähr
um V« Cm. die Haut überragend. An allen Fingern findet man rothe
Narben, theils wulstig vorspringend, theils eingezogen ; manche sind noch
mit Krusten bedeckt.
Alle diese Veränderungen sind angeblich aus Blasen hervorgegangen.
An der Palma der rechten Hand geringe Hyperkeratose. An der
Spitze des Daumens eine Ulceration mit wulstigen, harten, umgestülpten
Bändern. Das Gentrum nässt ein wenig. An der dorsalen Fläche der
linken Hand, ebenso wie der Phalangen dieselben Veränderungen wie
rechts. In der Mitte der Hand ungefähr ein fast kreisrundes Geschwür
mit blasB-grauem, trockenem Grunde und wie mit dem Locheisen aus-
geschlagenen Rändern. (Eine gangränöse Blase, welche den Papillarkörper
auch ergrifien hatte.) An der Palma manus in der Furche, welche den
Daumen vom Zeigefinger trennt, eine Rhagade mit ausgezackten, wulstigen,
verhornten Rändern versehen.
Seit dem Eintritt des Kranken ins Hospital haben sich neue Blasen
entwickelt und zwar zwei auf dem rechten Zeigefinger auf der 1. und 3.
Phalanx, eine andere voluminöse an der Innenfläche der letzten Phalanx
des rechten Daumens. Links findet sich eine auf der ersten Phalanx des
Daumens und eine andere kleine auf der letzten des Zeigefingers. Alle
diese neuen Blasen befinden sich an der Palma manus.
Die Nägel erscheinen verbreitert und abgeplattet. In der Nähe des
Nagelbettes des rechten Zeigefingers ist eine mit blutiger Flüssigkeit ge-
füllte Blase, welche den Ausfall des Nagels erzeugt hatte, so dass das
Nagelbett jetzt von unregelmässigen und gestaltlosen hornigen Producten
bedeckt ist.
Die Störungen der Haut der oberen Extremitäten beschränken sich
bis jetzt auf die oberflächlichen Schichten. Erkrankungen der tieferen
Schichten wie Phlegmonen oder Panaritien waren nicht vorhanden. Doch
gibt Patient an, vor einiger Zeit (vor ungefähr 3 — 4 Jahren) einige Ab-
scesse am Arme gehabt zu haben. Die Gelenke normal, keine Akromegalie.
Das Skelett der oberen Extremitäten scheint vollkommen normal
zn sein. Die Halswirbelsäule scheint stärker gekrümmt zu sein als normal ;
doch gibt Patient an, keine Aenderung in der Stellung seines Halses be-
merkt zu haben. Ebenso hat er hier nie Beschwerden gehabt, so dass es
schwer ist, sich hier für oder gej^en eine beginnende Scoliose zu ent-
scheiden.
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 265
Als vasomotorische Erscheinung kann man den unterschied in der
Spannung der rechten und der linken Radialis ansehen ; links ist der Puls
kräftiger, schnellender als rechts. Manchmal erzeugt ein Stich oder ein
Kneifen auf der Bani der rechten Hand eine lebhaftere Rothung als linkii
ohne dass jedoch diese Erscheinung constant wäre.
Im Bereiche der oberen Extremitäten, sowie in der Achselgrube
scheint Hyperidrosis zu bestehen; deshalb wurde die Reaction auf Pilo-
carpin untersucht : 7 Minuten nach Injection von 1 Cgr. geringe Salivation,
nach 25 Minuten hatte man noch nirgendwo Schweiss.
Geistige Entwicklung : Der Kranke war intellectnell stets nur wenig
entwickelt (er kann kaum lesen), doch gibt er an, dass sein Gedachtniss
nicht mehr so gut sei wie früher. Während der Nacht hat er oft unan-
genehme Träume, welche ihn aus dem Schlafe wecken.
Kurze Zusammenfassung: Fehlen einer nervösen Belastung,
keine AUgemeinerkranknng vorhergegangen. Die jetzige Krankheit trat
vor 2 Jahren durch sichtbare Störungen der Muskeln und der Haut deutlich
zu Tage.
Status : Amyotrophie der oberen Extremitäten (Type seapulo-humeral
de Yulpian und Type Aran-Duchenne). Blasen, Rhagaden und Knoten an
den Händen. Erkrankung der Nägel. Störungen der Sensibilität : Syringo-
myeütische Dissociation. Parese und Steifigkeit der unteren Extremitäten.
Leichte Gontracturen der Sphinkteren. Redressirbare Skoliose.
Therapie: Gegen die Bronchitis Schröpfköpfe und Morphium. Dann
0*5 Gr. Jodkali und 3 Tropfen Solutio Fowleri. Am Nacken Moxen.
4. April. Es wird auf 5 Tropfen Arsenik gestiegen.
6. April. Erst 4 Stunden nach Injection von 0*01 Pilokarpin tritt
Schweiss ein und zwar nur an der oberen Rumpfhälfte und den oberen
Extremitäten. Die untere Rumpfhälfte dagegen schwitzt nicht
Der Kranke hat sich an der Palmarfläche der rechten Hand ver-
brannt, hat dabei aber nur eine leise Empfindung davon gehabt.
Er gibt an, dass er sich ohne es zu fühlen verbrennt, wenn die
Temperatur langsam ansteigt; dass er es aber deutlich föhlt, wenn die
Hitze plötzlich einwirkt.
11. April. Die linke Hand ist beträchtlich ödematös. Borvaseline.
13. April. Einige Blasen werden schlafi*, nehmen eine derbe Con-
sistenz an, während andere sich in Geschwüre umwandeln«
22. ApriL Die nach der Verbrennung zurückgebliebenen Geschwüre
werden mit Borvaseline und gepulvertem ferrum carbonicum gedeckt.
Der Kranke gibt an, dass seine Arme kräftiger zu werden scheinen;
Moxen.
4. Mai. Auftreten einer Blase auf dem rechten Mittelfinger. Entlang
der Armnerven.
10. MaL Auftreten von Blasen auf dem rechten Daumen und dem
rechten Zeigefinger. Die Symptome der Bronchitis verschlimmem sich;
man könnte an eine Bulbäraffection des Phrenicus denken.
266 L e 1 o i r.
15. Mai. Unter dem Einflttsse der Medication scheinen die trophischeu
Störungen einen Stillstand zu erleiden.
' Von Seite der Mnsculatnr wenig Verändemngen. Von Seiten 'der
Atlimung8(H*gane Zeichen der Bronchitis. Schröpfköpfe und 0,15 Gentg.
Guaiacol.
SO. Mai. Auftreten eines Bläschens auf dem linken Vorderarme.
4. Juni. Auftreten kleiner Bläschen auf dem 1., 2. und 3. Finger
der linken Hand. Elektrisirung. Bei der 1. Sitzung 17 Milliampere»
entlang dem Halsmarke. Status idem.
8. Juni. 8. Sitzung. Die Sensibilitätsstörungen persistiren. Er hat
sich soeben eine tiefe Brandwunde, ohne etwas davon zu fühlen, bei-
gebracht. Elektrisirung wird fortgesetzt.
13. Juni. Auftreten 2 grosser Blasen an den Fingern der rechten
Hand. Trotz der Behandlung scheinen die trophischeu Störungen zuzu-
nehmen.
Die Steifigkeit der unteren Extremitäten wird noch grösser und der
Gang wird immer schwieriger.
16. Juni. Die Blasen haben tiefe Ulcerationen, welche bis auf den
Knochen gehen, hinterlassen. Verband mit Borvaseline.
Wichtig ist die Bemerkung, dass alle diese Affectionen schwer heilen
und ausserordentlich langsam vernarben.
30. Juni. An der rechten Hand haben sich 3 neue Blasen gebildet.
Sie sind geplatzt und hinterlassen jetzt Geschwüre. Zwei von diesen sind
an der Innenfläche des Zeigefingers, und zwar eines an der Basis, das
andere nahe beim Nagel gelegen, beide von der Grösse eines halben Gen-
timestückes.
Das 3. tiefere und auch grössere, welches eine Länge von 3 — 1 Gm.
und eine Breite von 1 V, — 2 Gm. hat, ist an der äusseren Fläche des
rechten Mittelfingers gelegen, und zwar an dem Gelenke zwischen der 1.
und 2. Phalanx. Es steht ein wenig schief.
Diese Geschwüre, besonders das letzte, zerstören die Epidermis und
greifen in die Tiefe aufs Gorium über. Sie sind geruchlos. Der Grund
ist weisslich-grau. Kurz sie bieten das typische Büd des Pemphigus
gangränosus.
Zur Zeit zeigt die linke Hand nur geringe Veränderungen; seit
ziemlich langer Zeit sind auf derselben keine Blasen entstanden. An
einer, an der palmaren Fläche d^r Daumenspitze befindlichen Ulceration
findet man Hyperkeratose. An der Basis des Daumens eine tiefe Brand-
wunde, von deren Entstehung er nichts genaueres wusste.
An der rechten Hand, besonders am Daumen, Zeige- und Mittel-
finger zahlreiche Blasen und Geschwüre. Störungen der Verhomung.
Die Nägel sind mit Ausnahme geringer Störungen am ' rechten Zeige-
finger normal.
Die Untersuchung des Professors Doumer ergibt: Keine Spur von
Entartungsreaction, weder an den Muskeln noch an den wichtigsten meto-
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 267
risohcn Nerven; Die Muskeln contrahiren idt^h im Allgemeinen ftehr gut
auf den elektrischen Reiz hin.
Der. Kranke gibt an, zu Beginn der Behandlung ein^ gß wisse Besse-
rvmg in Bezug auf die Kraft der Arme bemerkt zu haben ; seit einiger
Zeit aber würden die Arme immer schwerer und ungeschickter. Und in
der That kann er sich nicht mehr ankleiden und die geringste etwas
complicirtere Bewegung' verlangt ausserordentlich viel Zeit und Ainstrengüng.
Die Intelligenz sinkt; es handelt sich nicht um logische Fehler,
sondern um cerebrale Apathie, tim intelectuelle Faulheit; Sein Öehim ist.
schwerfallig und ungeschickt wie seine Glieder. Er stockt, in einem fort,
stosst mit der Zunge an, scandirt oft und sucht die Wort^.
23. . Juli. Status idem. I^s sind keine neuen Blasen erschienen. Drei-
mal. wöchentlich wird er elektrisirt,
..." « ■
27. Juli. Es sind auf den Zeigefingern und Daumen beider Hände
zerstreut 8 neue Blasen aufgetreten; regelmässig ist die rechte Hand am
stärksten befallen. Die Blasen varüren in der Grösse von der einer Erbse
zu der eines IFrankstückes.
Die Sensibilität hat sieh nicht geändert, sie seheint nur noch ge-
sunken zu sein. Die Störungen derselben sind au dieselben Orte localisirt.
29. JuU. Die Blasen platzten, so dass das Gorium blosliegt, ohne
dass dieses selbst ergriffen wäre. Verband mit Dermatolvaselipe.
Heute Früh hat Patient sehr reichlich ausgeworfen ; im Sputum sind
Streifen Blutes sichtbar. Ad basim beider Lungen die intensivsten Er-
scheinungen. Bronchitis diffusa. Keine Anzeichen, welche auf den Beginn
einer Pneumonie schlieftsen liesseri. Am Herzen manchmal At*hythmie.
An den Ostien nichts Abnormes. *
Afai Dynamometer: Rechte Hand 15, linke 24.
Der Kranke fShlt sieh selbst immer schwächer werden. Die Nach-
barn des Patienten klagen,' er störe ihren Sehkf durch Deliriren und sogar
durch somnambule Handlungen. Er erhebt sich, auch wirklich während
der Nacht, geht im Saale umher, begeht ganz zusammeiüianglose Hand-
lungen und das alles im Schlafe oder wenigstens im Halbschlummer.
Die geistigen Fähigkeiten des Kranken sinken übrigens zusehends;
ohne Unsinn zu sprechen, ist er in einem solchen Zustande der Apathie
und geistigen Faulheit, dass es an Idiotie sohon grenzt. Das Stottern und
die Schwere der Zunge werden immer deutlicher.
5. August. Xrotz unserer Abmahnungen verlässt er die^ Klinik ; er
schützt seine stets zunehmende Schwäche etc. vor.
Mit dem lebhaftesten Interesse habe ich vor Kurzem die
Yon meinem Freunde Dr. Zambaco -Pascha der Academie de
Medecine im August 1892 vorgelegte Arbeit, gelesen; ich ersah
aus derselben, dass die Hypothese, welche ich 1884'— 1885
268 L e 1 o i r.
(Memoire sur la lepre en Norwege depose en 1884 au Mim-
stere de l'instruction publique, in der biologischen Ge-
sellschaft und endlich in den Vorlesungen im Hospital St.
Sauveur), dann 1886 (in den Vorlesungen im Hospital St.
Sauveur und in der Abhandlung über die Lepra) bezüglich der
Möglichkeit der Persistenz von Ueberresten der alten Lepra des
Mittelalters in unseren nördlichen Provinzen (Flandern und Ar-
tois) und in Paris ausgesprochen hatte, nicht so kühn war, als
ich vorausgesetzt hatte.
Die Möglichkeit der Existenz der Lepra in der Bretagne,
80 deutlich durch einen so bedeutenden Lepraforscher wie
Zambaco-Pascha demonstrirt, unterstützte also meine Hy-
pothese, aber sie ist nicht absolut überzeugend. .
In der That, man kann der von mir 1884 — 1885 ausge-
sprochenen Theorie dasselbe voi'werfen, was Besnier und
Vidal 1892 Zambaco-Paschagelegenthchseiner Arbeit über
die Lepra in der Bretagne gesagt haben: „Wir fordern den
materiellen Beweis der Ideen des Henn Zambaco in Gestalt
der Leprabacillen. Diese müssen so genau als möglich nachge-
wiesen werden, so dass kein Zweifel aufkommen, kein Einwand
erhoben werden kann.
Herr Zambaco bemüht sich jetzt um eine der interes-
santesten Fragen in lebhafter Weise ; er sucht in einem ganzen
Abschnitt der Geschichte der Medicin eine wahi*e Umwälzung
hervorzurufen. Sein* wichtig ist es, dass er stricte, wissen-
schaftliche Beweise für das, was er behauptet, beibringt. Für
die Ehrenrettung seiner verführerischen Theorie ist es nothwen-
dig, dass er uns Lepra-Bacillen bei einem einzigen an auto-
chtoner Lepra in der Bretagne erkrankten Menschen zeigt;
dami wird er einen gewaltigen Schritt zu dem unumstösslichen
Beweise, wie ihn unsere Periode des wissenschaftlichen Positi-
vismus fordert, gemacht haben."
Ich erlaube mir noch auf das diagnostische Capitel meiner
Abhandlung über die Lepra zu vei"weisen, wo man die oft bedeu-
tenden Schwierigkeiten der Diagnose dieser Krankheit hervor-
gehoben findet. Wenn das, was ich in diesem Capitel gesagt
habe, und was ich 1889 in den Annales de Dermatologie bei
Gelegenheit eines Falles meiner Klinik, der von meinem In-
Finden sich in Frankreich Spuren der alten Lepra? 269
teme Baude*) veröffentlicht worden ist und später von
Thibierge der Societe medicale des Hopitaux^) vorgeführt
wurde, gezeigt habe, dass nämlich die Lepra selbst von den
gewi^testen Aerzteu, wenn sie sich nicht speciell mit derselben
beschäftigt haben, verkannt werden kann, so ist auch das Ge-
gentheil nicht weniger sicher, dass man nämlich an die Möglich-
keit stets denken muss, dass grundverschiedene Krankheiten
mit der Lepra zusammengeworfen werden. Und das gut ganz
besonders für die Lepra nervorum, eine wahre specifische Poly-
neuritis, die man mit sehr vielen Krankheiten trophoneuroti-
schen Ursprungs ganz leicht vei'wechseln kann. ^)
Wie ich in meiner Abhandlung über die Lepra sagte,
begreift man sehr wohl, dass mit der Lepra nervorum, die ja
nichts anderes als eine specifische Polyneuritis ist, sehr viele
Affectionen nervösen Ursprungs verwechselt werden können.
Aber gerade diese Specifität der leprösen Neuritis bewirkt, dass
sie in ihrem ganzen Charakter, in ihrer Entwicklung, in ihrer
Vertheilung, in ihrer Localisation auf gewisse Nerven etc., Eigen-
schaften, welche von denen, die man für gewöhnlich beobachtet,
so verschieden sind und ein so specifisches Gepräge darbieten,
dass, im Allgemeinen wenigstens, die Diagnose für denjenigen,
der die Lepra nervoi-um kennt, leicht sein wird.
Ich fasse meine Ansichten kurz zusammen:
1. Wie ich für den Norden und für Paris 1884—1885
und 1892 Zambaco-Pascha für die Bretagne gezeigt hat,
kommen in Frankreich noch unbenannte Krankheitsbilder vor,
welche ausserordentlich an Lepra erinnern.
2. Wie ich in den Jahren 1884 — 1885 und Zambaco
1892 ausgesprochen hat, liegt die Möglichkeit vor, dass es sich
') Bande. Ein in Lille beobachteter Leprafall. Annales de Derma-
tologie. 1889.
') Thibierge. Sociöte Medicale des Hopitaux. März 1891.
•) Man darf nicht vergepsen, dass nicht selten die Folgen einer
Erfrierung an den Extremitäten Bilder von Verstümmelungen hervorrufen
können, welche denen der Lepra nervorum im höchsten Grade ähneln,
Verstümmelungen, wie sie Cedenat in seiner schönen Arbeit über die
Erfrierungen beschrieben hat.
270 Leloir.
in diesen Fällen um mehr weniger entartete Ueberreste der
alten Lepra, welche im Mittelalter Frankreich und Europa ver-
heert hatte, handelt.
3. Diese Theorie ist verlokend, verführerisch, aber sie
han*t noch jenes wissenschaftlichen Beweises, der auf einer
Summe von genau beobachteten und genau beschriebenen pa-
thologisch-anatomischen und bacteriologischen Thatsachen basirt
wäre.
BericM üter die Leistunpn
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
Verliandlungen der Wiener dermatologischen
Gesellscliaft.
Sitzung Tom 26. October 1898.
Vorntzender: Neu mann. Schriftfülirer : Gehak.
Neumann zeigt 1. eine 35jährige Kranke mit Pemphigus vegetans.
Das Leiden besteht seit 5 Monaten, begann an der r. Wangenschleimhaut
mid wurde von mehreren Aerzten für Syphilis gehalten« An den grossen
Labien und den Genitocruralfalten umschriebene, fleischrothe, drusig un-
ebene, leicht elevirte Stellen von einem macerirten Epidermissaume in Form
von Schlangenlinien begrenzt« Am Mons veneris hanfkomgrosse Bläschen«
Unter dem Nabel eine linsengrosse nässende Stelle, an deren Peripherie
abgehobene Epidermis. Unterhalb der tinken Brustwarze eine thalergrosse,
elevirte Stelle mit Borken belegt, darunter Wucherungen und an der
Peripherie gleichfalls in serpiginöser Form sich ausbreitende, blasige
Abhebungen der Epidermis. An der Lippen- und Wangenschleimhaut
schmutziggelbe Exsudatmassen. Aehnlich afficirt sind Mund- und Augen-
winkel, dieselben rissig, mit geplatzten Bläschen versehen. Am weichen
und harten Gaumen an vielen Stellen das Epithel abgeschilfert. Die
Zunge geschwellt, rissig, am Rande excoriirte Zahnabdrucke. Blutbefund:
85*/, Hgb. Rothe Blutzellen 4,100.000, weisse 16.000, eosinophile Zellen
vermehrt, der Blaseninhalt fast vollständig aus solchen bestehend.
Das charakteristische Merkmal gegenüber nässenden Papeln ist das
Weiterschreiten mit einem scharien serpiginösen Rande; während jene
derbe Wucherungen darstellen, liegt hier ein weiches Gewebe vor. Der
FaU ist von besonderem Interesse, weil die Krankheit im Initialstadium
ist. In manchen Fällen findet man Efflorescenzen bloss an der Lippen-
schleimhaut, auch am Rand der Labien. Ich erinnere an den Fall einer
alten Frau mit Efflorescenzen am Genitale, die ganz wie nässende Papeln
aussahen, nur schritt die Affection serpiginös weiter. In dem ersten von
mir beobachteten Falle waren fleischrothe, leicht blutende Stellen in der
Achselhöhle vorhanden ; erst nach einigen Tagen zeigten sich am Oberarm
und am Genitale einzelne Blasen. Die grössten Beschwerden verursacht
274 Verbandlungen
die afficirte Mnnd- und Nasenschleimhaut, das Schlingen ist erschwert»
Bei einer Affection, wo die Blasen-Flüssigkeit sich so rasch zersetzt, ist
es wohl begreiflich, dass eine Wacherang des PapiUarkörpers entsteht. Es
ist das jetzt der 9. Fall, den ich sehe; in dieser Zahl befanden sich
2 Manner and 7 Weiber. Der Ausgang war stets ein letaler.
Nobl stellt einen Patienten der Abtheilang Lang vor, der vor
einigen Tagen wegen Geschwüren an den Vorderarmen das Ambalatoriam
der Abtheilang aufsuchte. Lang, der den Fall gleich zu sehen Grelegenheit
hatte, sprach die Ulcerationen an der Streckseite der Vorderarme als durch
Lioculation entstandene venerische Geschwüre an. Bei genauerer Unter-
suchung des Patienten stellte es sich auch heraus, dass er mit einer
venerisch ulcerirten Sclerose im Solcus behaftet ist, die er vor vier Wochen
acquirirt haben will, üeber die Provenienz der Greschwüre an den Armen
gibt er an, dass er vor vierzehn Tagen in angeheitertem Zustande nach
Hause kommend, in eine Glasscheibe gefallen sei and sich hiebei mehrfache
tiefe, stark blutende Schnittwunden an den Vorderarmen beibrachte. Die
mit Essigwaschungen behandelten Verletzungen sollen bis vor acht Tagen
einer normalen Heilung entgegen gegangen sein; zu jener Zeit bemerkte
or an einzelnen, der noch nicht ganz übemarbten Verletzangen eitrig be-
legte, geschwürige Stellen, die rasch progredient wurden und innerhalb
fünf Tagen ihre heutige Ausbreitung erreichten.
An der Streckseite beider Vorderarme sieht man an deren unterem
Drittheile theils zahlreiche lineare, noch gerÖthete, bis 7 Cm. lange Karben,
Iheils einzelstehende and einander kreuzende 5 bis 7 Cm. lange, 0*6 bis
1*0 Cm. breite Ulcerationen mit wallartig erhabenen, gezackten, leicht
unterminirten Rundem und eitrig belegter, höckerig unebener Basis, die
sich bei einzelnen der Ulcerationen derb anfühlt. Die meisten der (be-
schwüre setzen sich in 1 bis 2 Cm. lange, lineare Narben fort, die in der
Richtung der Längsaxe der Ulcera verlaufen und den verheilten Antheilen
der Verletzungen entsprechen. Die Cubitaldrüsen beiderseits multipel ge-
sehwellt, rechts stark druckempfindlich. Ausserdem besteht eine massige
Intumescenz der Achseldrüsen beiderseits.
2. Eine 26jährige Patientin, bei welcher Prof. Lang wegen eines
mannsfaustgrossen, vielfach exulcerirten, in die Muskulatur hineinreichen-
den Gummaknotens an der linken Wade, Anfangs Juni 1. J. die Trans-
plantation nach Thiersch vornahm. Der Beginn des Leidens datirt in
das Jahr 1891 zurück. Juni 1891 war Pat. mit papulösem Exanthem, Pa-
peln am Genitale, Sclerosenresiduum und Plaques an den Tonsillen behaftet,
gegen welche Erscheinungen sie local and mit Injectionen von Hg. sozo-
jodolic. (8 Inj.) behandelt wurde. Schon im September desselben Jahres
trat Recidive in Form multipler Gummata cutanea auf. Seither recidivirten
die gummösen Eruptionen meist in zahlreichen Nachschüben fast in ununter-
brochener Reihenfolge, so dass sich Patientin mit nur geringen Unter-
brechungen seit 3 Jahren in Spitalsbehandlung befindet. Der Abtheilung war
sie neuerdings Ende April 1. J. wegen eines überfaustgrossen, von derben,
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 27o
callösen Rfindem umsäumten, vielfach zerklüfteten und in die Muskulatur
hinein wuchernden Gummaknoten an der Innenfläche der linken Wade
zugewachsen, der trotz einer mehrere Monate hindurch angewendeten anti-
luetischen Therapie keinerlei Heilungstendenz zeigte. Ausserdem waren
zerstreut einzelne bis nuBsgrosse, exulcerirte Gummaknoten an der Streck-
seite desselben Unterschenkels und in der Kniekehle. Anfangs Mai wurde
das Gumma in Narcose excochleirt, der 12 Gm. lange, 8*5 Cm. breite tind
3 Cm. tiefe Defect mit Quecksilberoxydul-Gaze bedeckt.
Die Plastik wurde, nachdem sich die Basis des Substanzyerlustes
mit frischen, üppig aufschiessenden Granulationen bedeckt hatte, anfangs
Juni Torgenommen. Die Epidermislappen entstammten der Aussenfläche
des r. Unterschenkels ; da sich auch der Unterschenkel gleich allen anderen
Körperregionen vielfach von bis thalergrossen Narbenresiduen früherer
Gummen eingenommen erwies (solche konnten bei 90 an der allgem. Decke
gezählt werden), so war die Entnahme der Lappen mit einiger Schwierig-
keit verbunden und konnte nur mit vielfacher Umgehung der Narben aus-
geführt werden. Nach 14 Tagen waren die Lappen, von denen keiner
mortificirte — angelegt und nach 3 Wochen konnte Patientin bereits mit
einer Flanellbandage herumgehen. Seither sind vier Monate verstrichen
und sind an der consolidirten derben Ueberkleidung des faustgrossen
Defectes keinerlei Veränderungen wahrzunehmen, obgleich Patientin, die
viel Bewegung macht, sich keinerlei Verbandes bedient. Gegenwärtig st.eht
Patientin wegen eines bereits in Verheilung begriffenen Infiltrats an der
Stime in Behandlung.
Lang bemerkt zu dem 1. Falle, dass es der Zeit nach ganz gut
möglich wäre, dass es sich hier nicht um blosse venerische Ulcerationen,
sondern um Sclerosenentwicklung handle. Dies wird ja die weitere Be-
obachtung entscheiden. Zu dem Falle 2. fährt L. aus, dass der Fall den
Nutzen eines chirurgischen Eingriffs unter diesen Umständen deutlich de-
monstrirt. Wenn man hier nicht chirurgisch vorgegangen wäre, so hätte
sich der locale Process, wer weiss wie lange noch, fortgeschleppt und man
hätte eine unbrauchbare Narbe bekommen. Das gummöse Infiltrat, das
bis an die Muskelmasse heranreicht, hätte für die Heilung ungünstige
Verhältnisse dargeboten, wenn nicht chirurgisch vorgegangen worden wäre.
Allerdings ist durch die chirurgische Behandlung die Patientin nicht von
ihrer Syphilis befreit worden.
Schiff hat voriges Jahr einen Fall von ausgebreiteter Ulceration
d«s Unterschenkels erwähnt, den Gersuny auf seine Veranlassung in
dieser Weise behandelte; die Hautlappen wurden vom Oberschenkel ge-
nommen. Seit '/, Jahren ist keine Recidive eingetreten. Anlässlich dieses
günstigen Resultates hat Seh. noch andere Transplantationen unternommen
u. zw. bei Scrophuloderma an jugendlichen Individuen. Alle Transplanta-
tionen sind glänzend gelungen.
Neumann. Die Kranke bekam an meiner Klinik 146 Einreibungen.
Bei ihrer Demonstration bemerkte ich schon damals, dass bisweilen eine
Uebersättigung des Blutes mit Quecksilber eintritt, wobei stets ein Stillstand
276 Verbandlungen
im Krankheitsverlaofe eintritt. Während bei dieser Patientin alle anderen
Gesebwftre schon verheilt waren, blieb immer noch das Geschwür am
Unterschenkel bestehen. In diesem Zustande machte damals die Patientin
einen Selbstmordversuch und musste auf die psychiatrische Klinik trans-
ferirt werden. Ich freue mich, jetzt zu sehen, dass durch die Trans-
plantation dieses tiefe Geschwür so schön vernarbt ist. Doch ist den Re-
cidiven noch immer nicht Einhalt geboten.
Kaposi. 1. Anknüpfend an die Demonstration des kleinen Knaben
in der letzten Sitzung, der eine acute, seit S — 4 Wochen bestehende Erup-
tion interessanter Art darbot, machte ich auf eine Patientin aufmerksam,
bei der ähnliche Knötchen entstanden waren, wo aber die AnfSuigsforn^en
mit den linsen- bis pfenniggrossen, in der Mitte blaurothen Knötchen nicht
demonstrirt werden konnten. Die Frau war viele Monate an der Klinik.
Wir konnten sowohl die physiologische als die durch örtliche applicirt«
Mittel herbeigeführte Involution beobachten ; lange Zeit konnten die Ge-
fasse ihren Tonus nicht wieder erlangen. Wir gaben ihr an der Klinik
Arsenik und riethen ihr beim Verlassen derselben, das Mittel draussen
fortzusetzen. Jetzt zeigt sich an den Armen und Beinen ganz das Bild
einer im Ablaufe begriffenen Psoriasis oder eines Eczema squamosum. Von
eigentlichen EfHorescenzen ist nichts zu sehen, dagegen sieht man über
der 1. Mamma und über dem Stemum noch immer den Follikeln ent-
sprechende, da und dort figurirte, unter dem Fingerdruok abblassende
Knötchen; man wird an das Bild eines Liehen ruber erinnert. Erwägt
man aber, dass von vornherein die Sache nicht so aussah, sondern dass
nach und nach aus den einzelnen EfHorescenzen pfenniggrosse, im Gentrum
cyanotische Herde entstanden, so muss man an dem Typus des Erythems
festhalten. Dazu treten immer noch schwielige Verdickungen an der Epi-
dermis der Ilachhand und Fusssohle. Diese Fälle kann ich mir nicht gut
deuten. Ich beziehe mich abermals auf den Fall des Selcherjungen, der
mehrere Monate brauchte, bis er gesund wurde, wobei ebenfalls die Epi-
dermisanhäufung so mächtig war und der Process erst in der letzten Zeit
sich rückbildete. Die Sache schien mir bei der Frau auf Arsenik rasch
gut zu werden, dasselbe war bei dem in der letzten Sitzung demonstrirten
Kinde der P^all, dem ein consultirter Arzt Sol. Fowlers gab. Ich erinnere
mich dabei an ein Kind, das viele Monate bei uns lag, zu Hause schon
ein Jahr krank war ; dasselbe zeigte gar keine Efflorescenzen, nur Desqua-
mation. Ich erinnere femer an die von Besnier beschriebenen Formen
von „Erythrodermie". Diese Formen entstehen acut, lassen den Typus des
Erythems erkennen und schreiten sehr rasch diffus fort. Die Erscheinungen
wechseln ausserordentlich rasch. Zum totalen Ablauf des Processes braucht
es aber meist Wochen und Monate.
Anknüpfend an diese Fälle möchte ich 2. einen Fall von allgemeiner
Psoriasis demonstriren mit intensiver Affection der Flachhand und Fuss-
sohle. Die Epidermis ist noch immer gespannt, zeigt gleichmässige Röthung.
An den Extremitäten nimmt die ödematöse Schwellung, die so intensiv
war, dass man von einer Application der gewöhnlichen Mittel absehen
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 277
musste, allmälig ab. Während wir früher mit erweichenden und Comprcs-
fliwerbänden vorgehen mussten, ist der Pat. jetzt so weit gekommen, dass
wir schon abwechselnd Ol. Rusci, Wilkinson, Pyrogallus anwenden können.
An den Händen, an denen er seit einigen Tagen Kautschukhandschuhe
trägt, fangt jetzt erst die Epidermis an, sich zu maceriren, so dass erst
jetzt etwas Beweglichkeit möglich ist. In solchen Fällen kann man eben nicht
nach der Schablone vorgehen, man muss wechseln nach dem momentanen
Effect. Ich erinnere mich an einen Kranken, der, so oft er ein erweichen-
des Pflaster auflegte, sofort eine Dermatitis bekam. Bei unserem Pat. sind
die Hände jetzt leichenblass, kalt, nur hie und da sieht man einen rothen
Strich. An einzelnen Stellen ist die Schwiele noch so dick, dass man einen
Finger hineinlegen kann. Die Schwiele übt selbst eine Compression aus,
so dass die Circulation behindert ist.
Hebra macht auf eine Beobachtung aufmerksam, die er in zwei
Fällen machen konnte, die allerdings schon vor 15 Jahren gemacht, aber
seitdem nicht beachtet wurde, nämlich auf den Einfluss des Arseniks auf
Schwielen der Vola und Planta. Er erinnert an den Fall der Lehrers-
tochter mit Schvrielen an Handfläche und Fusssohle, wo allerdings der
Process mit Hyperhydrosis in Zusammenhang gebracht wurde, ohne dass
jedoch eine sichere Ursache nachgewiesen werden konnte. Voriges Jahr
anlässlich des CJongresses sah College Pringel diesen Fall an H.^s Abthei-
lung und bezeichnete die Schwielenbildung als Folge der Arsenikmedication,
bereits Wilson habe diese Beobachtung gemacht. Seit ungefähr einem
Jahr wird nun der Arsenik ausgesetzt und der Zustand hat sich so we-
sentlich gebessert, dass H. wirklich nicht mehr zweifelt, dass der Arsenik
die Ursache der Schwielenbildung war. Die Hände, früher schiefergrau
und mit zahlreichen grossen Warzen bedeckt, wurden immer blasser, die
Schwielen kleiner. Vor einigen Monaten gab H. einem Patienten aus einem
anderen Grunde Sol. fowleri. Schon nach 6 Wochen klagte er über Schmerzen
in den Fusssohlen und erschwertes, ja unmögliches Gehen. Die Sol. fowleri
wurde ausgesetzt und binnen 8 Tagen war das Gehen wieder möglich,
nach weiteren 8 Tagen hatten die Schmerzen aufgehört. Salicylpflaster
hatte gar keinen Erfolg. Gerade die Hartnäckigkeit der Schwielen gegen-
über jeder Behandlung, wie sie Kaposi erwähnte, hat H. den von ihm
entwickelten Gedanken nahegelegt.
Kaposi führt aus, dass man ja Psoriatische und Ekzematöse sieht,
die enorme Schwielen an Flachhand und Fusssohle zeigen, ehe sie Arsenik
genommen ; ja man findet dies überhaupt in allen Fällen mit chronischer
Hyperämie mit oder ohne gleichzeitige Exsudation. Ueber die Möglichkeit
einer solchen Wirkung des Arseniks will K. gar keine Meinung äussern.
Immer aber ist eine so mächtige Schwielenbildung motivirt durch die von
Haus aus mächtige Epidermis, die sich schlecht abhebt, wie man dies
deutlich bei Variola sieht. Es wäre ja interessant, wenn eine weitere Reihe
von Beobachtungen für die geäusserte Anschauung Anhaltspunkte liefern
sollte. Bei der von Hebra angeführten Patientin könnte ja auch die all-
ArehW f. Dertnatol. v. Syphil. Band XXVI. 29
278 Verhandlungen
gemeine Ernährung eine solche Besserung erfahren haben, dass die Hyper-
hidrosis geschwunden ist.
Hebra. Jeder von uns kennt ja die Fälle von Hyperhidrosis, die
entweder von selbst aufhören oder einen grossen Theil des Lebens dauern,
absolut oder gar nicht schwinden, aber nie mit Schwielenbildung einher-
gehen. Er möchte also die Schwielenbildung und die Hyperhidrosis nicht
zusammenwerfen. Wenn aber auf Darreichung von Arsenik eine Schwielen-
bildung auftritt, die nach Aussetzen des Mittels wieder schwindet, so ist
das wohl auffallend genug. Natürlich wird sich erst bei einem grossen
Beobachtungsmaterial ein Schluss ziehen lassen.
Neumann. Jedenfalls wäre es etwas Neues, dass durch das Arsen
eine Verdickung der Epidermis herbeigeführt wird. Bis jetzt wissen wir
nur, dass der Arsenik eine Verdünnung der Epidermis bewirkt, die sich
schon nach 6—8 Wochen einstellt. Wir müssten uns hier die Wirkung
in der Art vorstellen, dass der Arsenik an der Ausscheidungsstelle eine Hy-
perämie hervorruft, die allerdings bei etwa vorhandener Schwielenbildung
subjective Erscheinungen hervorruft.
Ehrmann. Diese Wirkung des Arsens hängt gewiss auch von dem
betreffenden Individuum ab. In dieser Beziehung möchte er auf den Ein-
fiuss des NerveiiHystems hinweisen. Es ist ja bekannt, dass Clavi und
Hyperkeratosis an Flachhand und Fusssohle mit gewissen Nervenkrank-
heiten zusammenhängen können. Er führt diesbezüglich einen Fall von
Tabes mit folgender Demenz aus seiner Erfahrung an. Bei gewissen Leuten
könnte ja durch das Arsen die Innervation herabgesetzt und durch seinen
Einfluss auf die graue Axe des Rückenmarks leichter solche Hyperkeratosen
liervorgerufen werden.
Neu mann zeigt 2. eine 37jährige Frau mit Gummata cutanea
nasi, bisher unbehandelt. Am rechten Stimhöcker ein kreuzergrosses, an
der Nasenwurzel ein thalergrossos Geschwür mit infiltrirtem steilem, kupfer-
rothem Rande, das Centrum vertieft, drusig uneben. Am Genitale Narben
nach Papeln.
3. und 4. Zwei Madchen, beide Virgines intactae, in der Entwick-
lung zurückgeblieben. Das eine Mädchen zeigt Gummata pharyngis und
Narben nach Keratitis interstialis. Die Uvula und ein Theil des weichen
Gaumens fehlen, die hinteren Gaumenbögen theils zerstört, theils mit der
hinteren Rachenwand verwachöon. An der letzteren ein fast g^nUenstück-
grosses, mit drusig unebenen Wucherungen versehenes, graugelb belegtes
Geschwür. An den Oberschenkeln longitudinale Narbenzüge, dieselben nicht
weiter charakteristisch; das andere hat Gummata cruris und antibrachii
in Gruppen stehend. Trotzdem an den Grenitalien keine Spur eines Primär-
affectes nachzuweisen ist, kann man doch nicht von Syphilis hereditaria
tarda sprechen, weil man zu diesem Behufe erst die Eltern kennen und
die Kinder von der Geburt an beobachten muss. Daher gelingt der Nach-
weis der Syphilis tarda nur in den wenigsten Fallen, die Möglichkeit einer
«oloboii ist allerdings nicht auszuschliessen.
der Wiener dermatologi sehen Gesellschaft. 279
Neumann zeigt 5. einen SOjähr. Mann mit Onychia syphilitica an
einzelnen Fingern beider Hände. Primäraffect im J. 1889.
6. Einen 27jähr. Kranken mit Sclerose und frischem, maculösem
Syphilid. Derselbe zeigt femer an den Unterschenkeln hanfkomgrosse,
schuppende und mit dunklen Borken belegte, in Gruppen gestellte EfHo-
rescenzen von braunrother Farbe, die namentlich ihrer Färbung und Grup-
pirung wegen anfanglich als Gummata cutanea imponirten und somit den
Gedanken, es könne sich um eine Reinfection handeln, nahelegten, wo
neben frisch acquirirter Syphilis noch tertiäre Erscheinungen bestanden.
Bei weiterer Beobachtung erwiesen sich jedoch diese schuppenden Efflo-
rescenzen als solche von Psoriasis vulgaris.
7. Eine 69jähr. Taglöhnerin, mit einem ausgebreiteten Lupus vul-
garis papillaris hypertrophicus am 1. Fussräcken. Der Fall ist ferner auch
wegen des Auftretens dieser Affection in einem so hohen Lebensalter von
Interesse. Das Leiden besteht seit 2 Jahren.
Kaposi berichtet über einen von ihm in der vorigen Sitzung zuletzt
demonstrirten Kranken. Einige Tage hindurch traten ähnliche Eruptionen
auf in Form von lebhaft rothen, fast durchwegs länglichen Knötchen ; aus
vielen bildeten sich ubererbseugrosse, mit wasserheller Flüssigkeit gefüllte
Blasen, einzelne mit hämorrhagischer Beimischung, einige getrübt. Wo
grössere Blasen sassen, wie in der Regio inguinalis, trat Necrose ein, die
necrotischen Massen stiessen sich ab und Hessen eine sehr schön scharf-
randig begrenzte Fläche mit rothen Granulationen zurück, die an vielen
Stellen sich überhäutete. An vielen Stellen waren die Blasendecken mit
dem Inhalt zu flächenförmigen Borken vertrocknet, andere Knötchen per-
sistirten mehrere Tage oder wurden blässer. Am folgenden Tage Einhül-
lung in nasse Tücher. Die Entzündungserscheinungen Hessen zwar rasch
nach, bald aber stieg die Temperatur wieder auf 40° und darüber, schwankte
immer zwischen 39* und 40°. Auf der Zunge Epithelabschürfungen, aber
keine Necrose, kein tieferer Substanzverlust. Aus dem wasserheUen Bläs-
cheninhalt entnahm Spiegier Proben, um Culturen anzulegen. Grub er
meinte, die Affection erinnere ihn an Rotz. Meteorismus trat auf, Erbre-
chen, Singultus, Exitus letalis. Bei der Obduction (von Kolisko ausgeführt)
fanden sich die inneren Organe vollständig normal. Die angelegten Cul-
turen ergaben das Vorhandensein von kurzen, breiten Bakterien, die
G ruber nicht classificiren konnte. An dem FaU ist also bis jetzt alles
unklar. K. hat in seinem Leben etwas ähnliches weder gesehen noch in
der Literatur gelesen. Der Eindruck einer schweren Krankheit, an der der
Kranke zu Grunde gehen könnte, habe sich ihm von Anfang an aufgedrängt.
Lang hatte daran gedacht, ob der Kranke nicht Alkoholiker und
daher zu Hämorrhagien disponirt gewesen sei. In solchen Fällen müsse
man immer an Sepsis oder an eine ConstitutionsanomaHe denken.
Kaposi bemerkt, dass die Hämorrhagien ja kein so aufifaUendes
Symptom waren.
Nenmann. Nachdem längere Zeit papulöse EfQorescenzen neben
Pusteln und gangränösen Stellen bestanden, ist der Fall ein ünicum.
19*
280 Verhandlungen
Er erinnert an Fälle, die Stokes beschrieben, wo Blasen mit hämorrha-
gischem Inhalt bei Kindern, namentlich solchen, die an Tussis convulsiva
leiden, an der Haut des Eanne», in der Gegend des Proc. mastoideus ent-
stehen; dieselben vertrocknen, die Kruste fallt ab, darunter sieht man
Geschwüre, die aussehen wie syphilitische. Ferner kommen bei Kindern
mit Impetigo gangränosa vorerst Blasen, Pusteln, die nach wenigen Stun-
den vertrocknen und nach Abfallen der Krusten tiefe (beschwüre zeigen.
Kaposi demonstrirt 3. einen Kranken mit Lupus. An der Unter-
lippe ein lochförmiger, mit Krusten bedeckter Substanzverlust. Man hätte
an Syphilis oder Neubildung denken können. Jetzt, nachdem die Krusten
entfernt und durch Compressiwerband die complicirende Infiltration ge-
schwunden ist, die Lippe flach erscheint, tritt das fungöse Gewebe zu Tage.
Am harten Gaumen ein paar Lupusknötchen. Der Fall ist deshalb schwerer
zu diagnosticiren, weil in der Nachbarschaft keine Veränderungen mit
den Charakteren des Lupus zu sehen sind.
4. Eine Frau mit einer Sclerose an der Oberlippe und einer Roseola
syphilitica.
5. Eine Frau mit 4 Gummata cutanea an der Lippe als Recidivform.
Im vorigen Jahr Syphilis.
6. Einen Mann mit einem flachen Epitholialcarcinom an der ünter-
lippo in Form von 3 isolirten Herdon.
Verliandlungeii der Berliner dermatologischen
Vereinigung.
Sitzung vom 4. Juli 1893.
Vorsitzender: Lew in. Schriftführer: Rosenthal.
i. Gebert stellt aus der Klinik Blas chko's einen Fall von eigen-
artiger Geschwnlstbildung am linken Unterschenkel und in geringem
Grade auch am rechten Unter- und Oberschenkel vor. Es handelt sich
um einen 65jährigen Arbeiter, der bis vor 5 Jahren gesund war. £r
verspürte damals am linken Unterschenkel oberhalb des Malleolus int.
starkes Jucken. An dieser Stelle bildete sich eine Geschwulst, die sich
langsam vergrössert hat. Auch am anderen Unterschenkel hat sich später
die gleiche Affection entwickelt. Es handelt sich dabei um eigenthüm-
liche, z. Th. warzig zerklüftete kleine Geschwülste, die an der Innenseite
der betreffenden Extremitäten sitzen und stark geschlängelten Venen
folgen. Dieselben sind z. Th. von einem lichenartigen Ekzem umge))en,
und erreichen die Höhe von 1 — 2 Ctm. Die meiste Aehnlichkeit haben
sie mit gewöhnlichen Warzen, von denen sie indessen der mikroskopische
Bau deutlich unterscheidet. Denn während diese hauptsächlich die epi-
thelialen Gebilde betreffen, handelt es sich hier um ein Tumorgewebe,
welches grösstentheils in der Cutis liegt. Dasselbe besteht aus deutlichen
bindegewebsförmigen Zellen mit länglichem Kern und ist an manchen
Stellen mit Rundzellen durchsetzt. Aehnlichkeit hat das Bild mit dem
von Leichentuberkeln und Tuberculosis verrucosa cutis, doch unterscheidet
es sich durch das Fehlen eines entzündlichen Hofes und den Mangel au
Eiteransammlung. Was das Verhältniss des lichenartigen Ekzems zu den
Tumoren betrifft, so fragt es sich, welche von beiden Affectionen die
primäre ist. Wahrscheinlich sind die Warzen das primäre und das
Ekzem das secundäre, es könnte sich aber auch um einen Liehen verru-
cosus handeln. Sehr ähnlich ist die Affection demjenigen Bilde, das
Kaposi unter dem Namen Liehen monileformis beschrieben hat, und
möchte G. ev. diesem Namen noch die Bezeichnung verrucosus hinzufügen.
n. Palm stellt ein Kind mit einem doppelseitigen Herpes zoster
des 3. Trigeminusastes vor, der sich am zweiten Tage einer Angina folli-
cularis plötzlich innerhalb weniger Stunden unter heftigem Brennen ent-
wickelt hat. Dass der Herpes zoster in der Nachbarschaft von erkrankten
Organen vorkommt, ist bekannt; ob das in dem vorgestellten Falle ein-
282 Verhandlungen
trifft oder ob der Zoster und die Angina gleiche Ursachen haben, ist nicht
zu emiren.
m. Femer stellt Palm ein 6 Monate altes Kind vor mit einem
sehr ausgebreiteten Naevus pigmentosus, der sich Tom untern Theil des
Rückens bis zum Hinterkopf hinauf erstreckt. Auch auf der Stirn finden
sich einige Flecke. Die Schleimhäute sind bisher frei geblieben. Die Mutter
behauptet, dass die Affection bei der Geburt entstanden ist. Das Kind
ist sonst vollkommen gesund.
lY. Rosenthal stellt den Fat. mit Dermatitis herpetiformis vor,
von dem er bereits in der vorigen Sitzung gesprochen hat. Es handelt
sich um einen 23jährigen Kaufmann, der im Alter von 2 — 3 Jahnen eine
Gehirnentzündung und später einen Darmcatarrh durchmachte. Vor 5
Jahren bemerkte er im Anschluss an einen Anfall von Diphtherie einen
juckenden Ausschlag im Gesicht, der sich allmälig über den ganzen
Körper ausbreitete und in häufigen Intervallen wiederkehrte. Fat., der
inzwischen vielfach behandelt ist, befindet sich seit dem 26. Mai in der
Klinik R's. Er zeigte damals auf dem Körper vielfache, in kleinen Herden
und segmentartig angeordnete Efflorescenzen von polymorpher Form, ery-
.thematös, papulös und vesiculös, zwischendurch auch viele Krusten,
die daher rührten, dass Fat. sich in Folge eines starken, die Kachtruhe
störenden Juckreizes intensiv kratzte. Zwischendurch bestanden auf
der Haut tiefe Figmentationen, welche den Beweis lieferten, dass Fat. seit
Jahren an einer Hautaffection leidet. Der Ausschlag erstreckte sich
ziemlich gleichmässig vom Scheitel bis zu den Zehen; am meisten be-
fallen waren Bauch und Rücken. Fat. wurde mit Antipyrin behandelt,
das entschieden den Juckreiz verminderte, nebenbei mit Salben, z. B.
Salicylvaselin, er hat Theerbäder bekommen und in letzter Zeit vielfach
geschwitzt. Der Frocess ist jetzt in der Abnahme, das Gesicht ist fast
vollkommen frei. Alle Erfordernisse für eine Dermatitis herpetiformis
treffen bei dem vorgestellten Kranken zu: 1. die polymorphe Gestalt des
Ekzems, 2. der heftige Juckreiz, der sich über den ganzen Körper erstreckt,
3. die lange Dauer, die durch häufige freie Intervalle unterbrochen wird
und 4. das sonstige gute Allgemeinbefinden.
V. Lewin stellt einen Fat. vor, der sich i. J. 1882 eine Sclerose
zugezogen und nachher mehrere Guren durchgemacht hatte. Jetzt zeigt
Fat. auf der Stirn ein Gummi, das seit angeblich drei Jahren besteht und
besonders in letzter Zeit gewachsen und ulcerös zerfallen ist. Bemerkens-
werth ist, dass man beim Betasten eine tiefe Impression und einen her-
vortretenden, knochigen Rand fühlt, die von einer sog. Caries sicca herrühren.
L. hat dieselbe bisher nur an der Stirn beobachtet. Er glaubt, dass die
Atrophie des Knochens durch das Verhältniss der Tabula ext. zur Tabula
int. hervorgerufen wird. Femer zeichnet sich der Fall durch eine voll-
kommene Atrophie der Zungenbalgdrüsen aus. Wenn man mit dem
Finger untersucht, so fühlt man am Rande der Epiglottis eine deutliche
Narbe, die auf einem kleinen Defect sitzt. Nebenbei besteht eine ge-
wisse Anästhesie der hinteren Fharynxwand und der Zungen wurzel.
der Berliner dermatologischen Voreinigunpr. 283
Diese letztere Eigenthümlicbkeit findet man gewöhnlich nur bei Hy-
sterischen.
Mankiewicz fuhrt in Bezug auf die letzte Bemerkung des Vor-
tragenden an, dass er sich die Mühe genommen hat, das gesanimtc ihm
zugängliche Erankenmaterial zu untersuchen, und gefunden hat, dass man
gerade bei Leuten, die als nervös gelten, den Spiegel häufig bis an die
hintere Rachenwand drücken kann, ohne dass sie die Empfindung von
einem Fremdkörper haben. Also nicht nur bei hysterischen, sondern auch
bei nervösen Personen gelten diese Erscheinungen.
Lewin betont, dass es möglich ist, dass dieses Symptom durch
Druck auf den Glosso-Pharyngeus entsteht.
Lassar bemerkt, dass er einen Fall von Caries sicca des Os
parietale beobachtet hat.
VI. L e w i n stellt einen Kutscher aus gesunder Familie vor, welcher
selbst immer gesund gewesen ist und nur seit der Kindheit an linsengrossen
Pigmentflecken gelitten hat. Vor 5 Jahren begann einer dieser Flecke am
Thorax grösser zu werden ; derselbe wurde vor bald zwei Jahren exstirpirt.
Der Tumor ist aber nachher vrieder gewachsen. Derselbe ist leicht blutend,
champignonartig und zeigt eine bläuliche Verfärbung. In der rechten
Achselhöhle besteht eine deutliche Metastase ; die Axillardrüsen sind höher
gelegen und fühlbar. Es fragt sich, ob es sich um ein Sarcom oder ein
Carcinom handelt. Das mikroBkopische Bild spricht eher für das ersterc
als für das letztere, mit Bestimmtheit gibt dasselbe aber über diese Frage
keine Auskunft; nur enthält es sehr viel Pigment, wie es gerade bei Sar-
comen vorkommt. Der Pat. wird subcutan mit Arsenik behandelt.
L. zeigt im Anschluss daran zwei Abbildungen, von denen die eine
einen Kranken mit multiplen Pigmentsarcomen darstellt. Es entstanden
bei demselben zuerst Flecke, die, wenn man sie untersuchte, das histolo-
gische Gewebe eines vollendeten Sarcoms zeigten. Der Pigmententwickluug
auf dem Körper ging eine Erkrankung der Ghorioidea voraus. Der F^ll
endete letal. Auf der zweiten Abbildung ist das mikroskopische Bild sicht-
)>ar, das sich durch die Anwesenheit zahlreicher Alveolen auszeichnet.
Billroth hat einen ähnlichen Fall als Alveolarsarcom beschrieben.
L. zeigt schliesslich die Abbildungen von allen derartigen Fällen,
die bis vor 10 oder 15 Jahren bekannt waren.
Hof mann fragt, ob der Augenhintergrund bei dem betreff. Pat.
untersucht worden ist.
Lewin verneint die Frage.
Ho ff mann unterstützt die Diagnose Sarcom; es scheint ihm aber
nicht klar, von welcher Stelle dasselbe seinen Ursprung hat.
Mankiewicz erwähnt einen Fall, den Abel in der medicinischen
Gesellschaft vorgestellt hatte und den er Gelegenheit hatte, öfter zu sehen.
Es handelt sich um eine Gravida, die einen Tumor der Mamma hatte;
bei der Geburt wurde derselbe entfernt. Nach dem Wochenbett traten auf
dem ganzen Körper bläuliche Flecke auf, die «ich in Knoten umwandelten
und schliesslich die Pat. ganz und gar bedeckten.
2^4 Verhandlungen
Grimm macht darauf aufmerksam, dass es ein bekanntes Factum
sei, dass nach Exstirpationen von melanotischen Sarcomen, selbst wenn
sie ausgiebig exstirpirt werden, in kürzerer oder längerer Zeit massenhafl
Metastasen eintreten.
Lassar möchte die gelegentlich gemachte Bemerkung Lewin's,
dass tertiäre Syphilis nicht übertragbar ist, nicht unwidersprochen lassen.
£r behält sich vor, auf diese Frage ausführlicher zurückzukommen.
Vn. Isaac stellt eine Frau vor, die bereits vor einiger Zeit von
Brück der Gesellschaft gezeigt wurde. Es wurde damals ein Wachsab-
druck von der betr. Aifection angefertigt, der mit vorgelegt wird. Es
handelte sich um eine Afiection der Nägel und der Finger beider Hände.
Pat. ist inzwischen mit einer 107ogön Pyrogallussäure behandelt und be-
deutend gebessert worden. Die Diagnose war damals fraglich. I. glaubte
an eine localisirte Psoriasis; durch die Behandlung hat sich diese Dia-
gnose bestätigt.
Vin. Discussion über den Vortrag Isaac^s: lieber die Beziehungen
der Tabes zur Syphilis.
Es wird zunächst zur Debatte gestellt These I:
„Die Statistiken haben zu viele Fehlerquellen, um zu einem sicheren
Resultate über den ätiologischen Zusammenhang zwischen Lues und Tabes
zu gelangen.*^
Rosenthal hätte gern die Einwände, die er gegen alle Thesen
L's hat, zusammen vorgebracht. Er hält es für verdienstvoll, das Thema,
das seit Jahren in der Literatur auf der Tagesordnung Bt«ht, zur Dis-
cussion zu stellen, glaubt aber, dass die Gesellschaft nicht das richtige
Forum ist, weil die Syphilidologen im allgemeinen nur wenig Tabesfälle
sehen, während die meisten derartigen Kranken Keuropat belogen aufsuchen.
Der einzige in der Gesellschaft, dem vielleicht eine grosse Reihe von
Erfahrungen persönlich zu Gebote steht, ist Geh. R. Lewin. Da aber
das Thema besprochen ist, so hält R. es für richtig, dass die Ansichten
I s a a c's mit denen er nicht übereinstimmt, nicht unwidersprochen bleiben.
Wenn Isaac behauptet, dass die Statistiken an zu vielen Fehlerquellen
leiden, so hat er sich die Sache entschieden leicht gemacht. Den Beweis
für seine Behauptungen ist er schuldig geblieben. Was die letzte D in kl er'-
sche Arbeit aus der Erhaschen Klinik betrifft, so ist zweifelsohne, dass
der eine oder der andere Fall nicht bestimmte syphilitische Antecedentien
hat. Dagegen besitzen wir eine Statistik von Fournier — und Isaac wird
dessen syphilitische Kenntnisse wohl anerkennen — die folgendermasseu
lautet: Im Jahre 1882 brachte Fournier eine erste Liste von 119
Fällen mit und 9 Fällen ohne syphilitische Antecedentien. Zwei Jahre
später führte er eine zweite Zusammenstellung von 146 neuen Fällen an.
Davon sind 112 mit unzweifelhaft syphilitischen, 22 mit zweifelhaften und
9 ohne syphilitinche Antecedentien; 3 waren mit wahrscheinlicher here-
ditärer Syphilis behaftet. Diese beiden Statistiken zusammen geben also
2H1 Fälle mit und 18 Fälle ohne Syphilis, d. h. 93%. Den Beweis, dass
diese Statistik an einer Fehlerquelle leidet, muss Isaac erst bringen,
diT BtTliinT dermal ologischon Vcrciiiigung'. 2>^b
bevor er die P^olgorungen, die Fournier daraus schliepst, unriHtösst.
Selbst wenn hiervon noch einige Fälle abzuziehen wären, so bleibt immer
noch ein grosser Procentsatz übrig. Auch hat Isaac keine Daten von
seinen Krankheitsfallen angefahrt. Wenn er die Fehler in anderen Sta-
tistiken rügt, so hätte er vor allen Dingen eine einwandsfreie Zusammen-
stellung geben müssen. Man weiss also nicht einmal, wie sich der Pro-
ceutsatz dieser Fälle zu denjenigen, die von Klinikern wie Erb, Four-
nier etc. gegeben sind, stellt.
Blaschko glaubt, dass von allen Thesen Isaac's die erste noch
am wenirifsten Widerspruch erfahren wird. Sicher hat Rosen thal Recht,
dass es Statistiken gibt, welche den Einwurf Isaac's nicht verdienen.
Aber ein grosser Theil ist in der That ausserordentlich mangelhaft. B.
möchte vor allen Dingen bei diesem Punkte auf die sehr ungenügende
Art und Weise hindeuten, wie Kichtspecialisten die Anamnese auf Sy-
philis zu erheben pflegen. Er glaubt deshalb, dass es nützlich sein wird,
in Zukunft bei der Beurtheilung der Frage, ob ein Pat. Syphilis gehabt
hat oder nicht, vorsichtiger zu verfahren. Es dürfen sich die Erörte-
rungen nicht nur auf die Frage beschranken, ob der Betreffende einen
Schanker gehabt hat, sondern ob eine Reihe von Gonsecutiverscheinungen
eingetreten sind oder nicht. Die Frage nach der Nachkommenschaft ist
ein Punkt, der oft übersehen wird und der einen gewissen Ausschlag
gibt. Lewin hat zu wiederholten Malen auf zwei Symptome hinge-
wiesen, welche bei tertiärer Syphilis als unzweifelhafte Beweise gelten
können, die glatte Atrophie der Zungenwurzel und die Hodenerkrankung.
B. warnt davor, diesen beiden Symptomen, namentlich dem letzteren,
eine zu grosse Aufmerksamkeit zu schenken, weil es sich dabei um Ra-
ritäten handelt. Die Aufmerksamkeit muss sich auf die Erscheinungen
richten, die allgemein und häufig sind. Es wird deshalb nothwendig sein,
wenn der Befund beim Pat. selbst negativ ist, auch die Nachkommen-
schaft zu untersuchen. B. erinnert dabei an die sog. HutchinsonVhen
Zähne, welche nach seiner Meinung ein absoluter Beweis hereditärer
Syphilis sind. Dass diese Missbildung in Misscredit gekommen ist, hängt
damit zusammen, dass eine grosse Zahl von Aerzten nicht weiss, was
Hutchinson als diese Deformität beschrieben hat. Was auf der anderen
Seite die Statistiken in ausserordentlicher Weise beeinträchtigt, ist der
Umstand, dass eine ganze Zahl von Pat. mit der Zeit bona fide vergessen,
dass sie krank waren. So hat vor einigen Jahren Hugo Noumann an
einem grossen Krankenmaterial aus Moabit nachgewiesen, dass nicht, wie
man nach der Regel der Mathematik verlangen könnte, die Zahl derer,
welche Syphilis gehabt hat, von Jahr zu Jahr zunimmt, sondern dass sie
abnimmt. Das beweist, dass die Pat. im Laufe der Zeit ganz vergessen
haben, dass sie krank waren. Aber abgesehen von diesen Fehlerquellen
muss man doch sagen, dass die von zuverlässigen Autoren vorgebrachten
Statistiken zu Recht bestehen, denn dieselben Fehler werden bei allen
pat. und nicht nur bei Syphilitikern gemacht. Wenn Erb z. B. 90'/, von
286 Verhandlungen
Syphilis bei Tabikern und 22*57o bei Nichttabikem angibt, so ist doch in
beiden Fällen die Anamnese in gleicher Weise erhoben worden.
Heller findet auch, dass Isaac sich die Sache leicht gemacht
hat. Fournier weist z. B. in einer neueren Arbeit über progressive
Paralyse und Syphilis darauf hin, dass bei dieser Affection in 607« Sy-
philis anamnesisch nachgewiesen werden konnte, während bei anderen
Geisteskrankheiten das nur in 107« der Fall war.
Lewin ist ebenfalls der Ansicht, dass die Frage mehr vor das
Forum der Neurologen gehört; da diese darüber uneinig sind, so wird
hier die Frage ebenfalls nicht zur Entscheidung kommen. L. selbst hat
ungefähr 100 Fälle beobachtet; er ist aber noch nicht in der Lage ge-
wesen, eine genaue Statistik anzufertigen. £r glaubt, dass Fournier's
Statistik in Paris selbst angezweifelt wird und möchte daher von dieser
Statistik absehen. Wenn man bedenkt, dass manche Autoren den Befund
einer Narbe auf Syphilis zurückfahren, so muss man dagegen anfahren,
dass eine Narbe ohne weiteres gar keinen Rückschluss gestattet, da ein
Ulcus molle ebenfalls eine solche erzeugt.. Auch ist es nicht richtig, auf
Syphilis zu schliessen, selbst wenn der Pat. sagt, dass er einen harten
Schanker gehabt und geschmiert hat. Ebenso ist es mit dem Exanthem.
Wie häufig wird ein solches für syphilitisch gehalten, das nicht das ge-
ringste damit zu thun hat. Nicht minder ist das der Fall mit den Hais-
und Mundaffectionen, die ebenfalls häufig für specifisch gehalten werden
und es nicht sind. Auch die Drüsen werden stets als ein Beweis ange-
führt; im tertiären Stadium sind dieselben indessen sehr klein oder
fehlen vollständig. Das alles spricht für die These Isaac^s. Wenn man
aber auf der anderen Seite sieht, dass Strümpell z. B. herausgefunden
hat, dass in 62 7o Tabiker bestimmt an Syphilis gelitten haben, und er
deshalb zu dem Resultat kommt, dass er noch keinen Fall von Tabes ge-
sehen habe, wo Syphilis mit Bestimmtheit auszuschliessen wäre, so ist
das doch sehr wichtig. Zu demselben Resultat sind übrigens auch
Mendel und Jolly gekommen. Dazu kömmt noch, dass die Tabes in
allen Classen und besonders in der Stadt in jedem Alter vorkömmt, dass
dieselbe gewöhnlich in einem Alter auftritt, bei dem ein Rückschluss
auf eine vorangegangene Affection möglich ist und dass Männer häufiger
befallen und auch inficirt werden als Frauen. Es gibt aber 10 Fälle von
Kindern im Alter von 10 — 18 Jahren, die an Tabes erkrankten, und bei
denen nachgewiesen wurde, dass die Eltern krank waren und dass sie
selbst zu gleicher Zeit hereditäre Syphilis hatten. Ein solcher Fall ist
erst jetzt aus Breslau veröffentlicht worden, ebenso hat Hirschberg
drei derartige Fälle publicirt. Was die Zungenbalgdrüsen anbetrifft, so
nimmt Virchow ebenfalls diesen Befund als absolut pathognostisch an
und wenn jemand einen Gummiknoten im Hoden hat, so ist der Be-
treft'ende mit Sicherheit tertiär Byi)hiliti8ch. Diese beiden Befiinde haben
natürlich nur einen absoluten Werth, wenn sie vorhanden sind.
0. Rosenthal.
Hautkrankheiten.
(Redigirt von Prof. Kaposi in Wien.)
Erythematöse, ekzematöse, parenchymatöse
Entzündungsprocesse.
1. Eichhorst. Zur Kenntnies des Antipyrinexanthems. Tber. Monatsh.
1892. Nr. 6.
2. Forssberg, Edv. üeber Quinckes „acutes circumscriptes Oedem'*.
Hygiea. 1892. Januar.
3. Philippson. Aus Dr. Unna's Klinik in Hamburg-Eimsbüttel. Ein Fall
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Wocbenscbr. 1892. Nr. 35.
4. Möller, Dr. M. Ein Fall von Liehen ruber planus mit Affection der
Mundschleimhaut. Hygiea. April 1882.
5. Senger. Multipel auftretender Brand der Haut. 21. Gongr. d. deutsch.
Gesellsch. für Chirurg. D. med. Wochenschr. 1892. Nr. 33.
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15. Ootober 1892.
7. Ssemtoehenko, G. D. Zur Lehre vom Pemphigus neonatorum. Wratsch
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8. Mlirray, Alan B. The treatment of carbuncle by injection of carbolic
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9. Kianizln. Zur Frage der Todesursache bei ausgedehnten Verbren-
nungen der Haut. Vorläufige Mittheilung. Wratsch 1892. Nr. 16.
10. Je9§ner. Zur Behandlung der ünterschenkelgeschwnre. Therap. Mo-
natsh. 1892. Nr. 10.
11. Suboff. Die Behandlung des Geschwürs von Pendeh (ulcus tropicum)
mit Methylviolett. Wratsch 1892. Nr. 39 p. 980.
12. Popoif, D. D. üeber Elephantiasis labiorum roinorum in klinischer
und pathologisch-anatomischer Beziehung. Wratsch 1892. Nr. 3 p. 66.
Sitzung der Gesellschaft russischer Aerzte vom 9. Jänner 1892.
13. Lwow, J. M. Elephantiasis der Mammae. Wratsch 1892. Nr. 37 p. 926-
14. Gerhardt, üeber Erythromelalgie. D. med. Wochenschr. 1892. Nr. 39.
15. Gerhardt. Ueber Erythromelalgie. Vortrag geh. in der Ges. der
Gharite-Aerzte am 30. Juni 1892. Berl. klin. Wchschr. 1892. Nr. 45-
16. Senator. Ueber Erythromelalgie. Vortrag geh. in der Gesellsch.' der
Charite-Aerzte am 30. Juni 1892. Berl. kl. Wochenschr. Nr. 45, 1892.
288 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
17. Bernhardt. Ueber Erythromelalgie. Vortrag geh. in d. Ges. d. Charite-
Aerzte am 30. Juni 1892. Berl. klin. Wochenschr. 1892. Nr. 45.
18. lieber Erythromelalgie. Sitzung der Gesellsch. der Charite-Aerzte am
30. Juni 1892. Berl. klin. Wochenschr. 1892. Nr. 45.
19. Ueber Erythromelalgie. Sitzung der Berliner medic. Gesellschaft vom
9. Nov. 1892. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 48, 1892.
20. Klotz. Gase of periodical erythema of the palms and soles follewed
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gen.-ur. dis. Jan. 1893.
21. Wolberg, L. Erythema nodosum bei Kindern. (Eiythema nodosum
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2f). Elsenberg, A. Salolum camphoratum zur Behandlung der Furunkel
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34. Fox, George Henry. A case of socalled coUoid degeneration of the
skin. Journ. of cut. and gen.-ur. dis. Febr. 1893.
(1) Eichhorst beobachtete bei mnem 28jährigen Corporal ein
Masern ähnliches Exanthem, das den ganzen Rumpf und die Ober-
schenkel einnahm, das Gesicht dagegen fast vollständig und die Schleim-
haut des Mundes gnnz frei Hess. Dasselbe schwand nach 7 Tagen
langifani ohne Abschuppuug. E. führt dasselbe auf eine Dosis von 0,5
der Dermatologie. 289
Antipyrin zurück, das Patient 10 Tage früher genommen hatte und
faast dasselbe als Spätexanthem auf. Dagegen sah er ein Früh- und
ein recidivirendes Antipyrin* Exanthem bei einem 23jährigen Studenten
der Medicin. Schon eine Stunde nachdem Patient mn Gramm des Medi.
kaments genommen hatte, zeigte sich ein grossfieckiges, ausgebreitetes
Exanthem, das schon nach einigen Stunden wieder verschwunden war.
Erst 4 Tage später trat zum zweiten Male ein Masern ähnlicher
kleinfleckiger Ausschlag auf, der mehrere Tage bestehen blieb.
0. Rosenthal.
(2) Der Verfasser fahrt folgende Fälle an: Eine 58jährige Frau
wurde am 4. August 1890 von einem Insect in die rechte Hand gestochen ;
während der beiden folgenden Tage schwoll der rechte Arm an; alle
Geschwulst war jedoch nach einigen Tagen verschwunden. Nach dieser
Zeit trat einige Monate hindurch ungefähr alle 14 Tage bald hier, bald
da am Körper, zumeist aber an den Armen und Beinen, ohne jede
denkbare Veranlassung, ein circumscriptes Oedem auf. Der Verfasser
sagt, dass die Haut an den angegriffenen Stellen äusserst ausgespannt
und von einer durchsichtigen, weisslichen, porzellanähnlichen Farbe war,
sich hart anfühlte und einen unbedeutenden Eindruck vom Finger zeigte.
Nach ein paar Tagen war das Oedem stets verschwunden. Eirmal, als
das Oedem seinen Sitz an dem unteren Theil des Gesichtes hatte,
schwollen auch die Zunge und der Gaumenbogen an, wodurch eine
höchst bedeutende Dyspnoe hervorgerufen wurde. Seit dem Frähjar 1891
hat die Patientin nur zwei gelinde Anfälle gehabt. Niemals hat sie einen
Anfall von Urticaria gehabt, und ihre Gesundheit ist stets eine gute
gewesen. Der Verfasser ist der Ansicht, dass die Benennung „periodisches
vasomotrisches Oedem'' passender als „acutes circumscriptes Oedem" ist.
E. Welander.
(3) Die 24jährige Patientin erkrankte mehrere Monate später, nach-
dem sie starken Haarausfall an den Schläfen und eine schmerzhafte Röthe
des Nagelfalzes wahrgenommen hatte, an acutem Gelenksrheumatismus,
der sie 6 Wochen an das Bett fesselte und auch nachher noch leichte
Schwellungen der Finger- und Schm erzhaft igkeit der grösseren Gelenke
zurückliess. Im Laufe von 1 — 2 Monaten breitete sich das Hautleiden
über den Körper aus. So zeigten sich charakteristische Lup. erythem.
Eflflorescenzen und Plaques auf verschiedenen Stellen des Gesichts, der
Kopfhaut, an vier Punkten des Rückens und auf den Phalangen. Auch
auf der Schleimhaut der rechten Wange wurde ein blutrother ovaler
Fleck, der von einem opaken Rande umgeben war, gesehen.
Die Patientin wurde mit gutem Erfolge mit dem Flachbrenner
behandelt. 0. Rosenthal.
(4) Ein 31 jähriger Mann bekam Papeln an dem Penis, Scrotum
und Körper , sowie eine Plaque in der Schleimhaut des Mundes.
Der Ausschlag erweist sich als Liehen. Der Verfasser excidirte eine
Papel, konnte aber nichts anderes finden, als was schon vorher ziemlich
gut bekannt war. Er hebt das luteresse aus Falles in ditfereutiai-
290 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
diagnostischer Hinsicht hervor; denn man konnte die Krankheit mit Sy-
philis yerweohseln. E. Welander.
(5) Senger stellt eine 26j&hrige Patientin vor, die sich vor drei
Jahren eine Nadel in die Brust gestossen hatte. Darauf bildeten sich
auf der linken Brust eine grosse Anzahl von Geschwüren. Die ganze
Brusthaut wurde exstirpirt und der Verlust theils durch Hautverschie-
bung, theils durch Thiersch'sche Transplantation gedeckt. Nach S-4
Wochen fielen die überpflanzten Hautstückchen nekrotisch ab und es
bildeten sich neue Brandherde und Geschwüre. Da nebenbei Ameisen-
kriecheu, taabes Gefühl und eine Sensibilitätsherabsetzung am Thorax
bestandi so nimmt S., gestützt auf negative mikroskopische und bakterio-
logische Untersuchungen, eine centrale, nervöse Störung an und stellt
den Fall 5—6 ähnlichen schon beschriebenen (Doutrelepont, Neissor)
an die Seite. 0. Rosenthal.
(7) Ssemtschenko verfügt über 5 Fälle, von denen einer letal
endigte; alle 5 Kinder waren von derselben (geprüften) Hebamme em-
pfangen worden. In einem Falle erkrankten ausser dem Neugeborenen
noch die Wöchnerin und 2 ältere Geschwister, in einem anderen hatten
Mutter und Wärterin auch Pemphigusblasen. Die Mutter des gestorbenen
Kindes hatte Blasen an den Füssen. Das Kind st«rb an Erbrechen und
Durchfall. Diese 5 Fälle hat S. innerhalb 4 Wochen beobachtet, bis
dahin in 11 Jahren keinen einzigen. In der Stadt sind um diese Zeit
keine weiteren Fälle vorgekommen. Strauch.
(8) Murray empfiehlt reine Garbolsäure tief in den Karbunkel zu
injiciren; der Schmerz ist nur momentan, die Wirkung angeblich eine
ausgezeichnete: nämlich die starken Schmerzen und das schlechte All-
gemeinbefinden schwinden schon nach 48 Stunden, der Verlauf der Ent-
zündung wird abgekürzt. Sternthal.
v9) Es ist Kianizin gelangen aus dem Blut, den inneren Or-
ganen und dem Urin von Thieren, die er in Ghloroformnarkose theils
mit Wasser von 70 — 98* G., theils mit angezündetem Benzin verbrühte
einen giftigen Körper (Ptomäin) zu gewinnen, durch dessen Injection er
bei Fröschen, Kaninchen und Hunden den der Verbrennung analoge
Symptome erzeugen konnte. Das Gift steht, seiner physiologischen
Wirkung nach, dem Leichenmuskarin, dem Brieger*schen Neurin und
Peptotoxin (letzterem auch seinen physikalischen und chemischen Eigen-
schaften nach) nahe. Die Thiere wurden durch Durchschneidung der
Garotiden getödtet, wenn die Temperatur zu sinken begann. Das ge-
wonnene Blut, die inneren Organe und der Harn wurden sofort bear-
beitet. Letzterer enthielt stets nur geringe Mengen. Die Stas-Otto'sche
Methode ergab keine Resultate, wohl aber die Briegersche; die besten
ergab die von Brieger für das Peptotoxin angegebene Modification
seiner Methode. Das Blut, die inneren Organe und der Urin gesunder
Thiere euthielten diesen Körper nicht, was beweist, dass er kein che-
misches Product der Bearbeitung ist.
der Dermatologie. 291
Die Eigenschaften des neuen Ptomains sind: Es ist ein amorpher,
leicht gelblicher, bis gelblich- bräunlicher Körper von ätzendem unan-
genehmen Oeruch, leicht löslich in Wasser und Alkohol, unlöslich in
Aether, schwer löslich in Chloroform und Benzin. Von den Alkaloid-
reactionen gibt er folgende: mit Jodjodkali und Jodsäuie sehr reichliche
rothbraune Niederschläge, mit phosphormolybdänsauren und phosphor-
wolframsaurem Natron und Meyer^s Reagens reichliche weisse Nieder-
schläge, Milton^s Beagens gibt einen sehr reichlichen weissen käsigen
Niederschlag, der sich an der Luft röthet. Jodkali und Jodwismuth
gibt eine geringe orange Fällung, Gerbsäure eine braune, Sublimat eine
weisse, rothes Blutlaugensalz und Eisenchlorid — Berlinerblau, Platin-
chlorid und Goldchlorid einen geringen gelblichen Niederschlag.
Specielle Reactionen sind : Frochde's Reagens, blau violette
Färbung, die in blaugrüne, Mondeliu's Reagens — rosaviolette, die
in grüne, Erdmann *s Reagens röthliche, die in gelbliche Färbung
übergeht.
Von den Symptomen der Verbrennung bezieht K. einen Theil,
den er durch Injection seines Ptomains hervorrufen konnte, wie das
Sinken der Temperatur, der Herzthätigkeit, des Pulses und des Blut-
drucks, femer die Diarrhoe, das Erbrechen, die Mattigkeit, die Apathie
und Schlafsucht auf das neue Ptomäin, weitere wie die heerdweiae
Läsion der Nieren und anderer parenchymatöser Organe, den blutigen
Urin und die Ulcerationen im Duodenum auf Verstopfung der kleinen
Arterien, Venen und Capillaren durch das zerstörte Blut. Ausserdem
könnten die Veränderungen in den parenchymatösen Organen, namentlich
den Nieren, auch direct durch das Gift bedingt sein. Fälle von plötz-
lichem Tod nach sehr ausgedehnten Verbrennungen will er auf Shok
oder Embolien in lebenswichtigen Organen, wie z. B. der Medulla
oblongata beziehen. Strauch.
(10) J essner empfiehlt auf das Wärmste die von Unna ange-
gebene Methode der Behandlung der Untersohenkelgeschwüre, die in
der Anlage eines Gazelein Verbands besteht. J. bedeckt das Geschwür
selbst mit einer Spur Jodoform und Silk protectiv, damit das Secret
besser abfliessen kann. Zur Nachbehandlung soll einige Monate hindurch
der gleiche Verband getragen oder der betreffende Unterschenkel ein-
geleimt, mit Watte betupft und eine Tricotschlauchbinde angelegt
werden. 0. Rosenthal.
(11) Die Frage, ob der von Heyden reich und Duelaux ge-
fundene Mikrococous specifisch für das ulcus tropicum sei oder nicht,
lässt Suboff offen. Er hält das Pendeh-Geschwür für ein infectiöses
Granulom und hat ihn die Aehnlichkeit mit malignen Neubildungen auf
den Gedanken gebracht, das Geschwür nach der Mosetig-Moorhof-
schen Tinctionsmethode zu behandeln. Er entfernte mit der Pinzette
oder erweichte den etwaigen Schorf mit einer 5% Lösung von Aethyl-
violett. Ehe er das Pyoktanin erhielt, hat er Salon tinte von Leonhardi
in Dresden verwandt ; die Erfolge waren die gleichen. Nacbilem die
292 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
aufgepinselte Lösung eingetrocknet war, hat er, je nach Grösse und
Lage des Geschwürs, dasselbe entweder trocken verbunden oder un-
bedeckt gelassen. Zuweilen genügte eine Pinselung; es bildete sich
dann ein trockener dünner Schorf, der nach 5 — 6 Tagen abfiel und
eine glatte pigmentirte Narbe hinterliess. Häufiger, namentlich in ver-
nachlässigten Fällen bildete sich ein dicker poröser Schorf, die Um-
gebung des Geschwürs röthete sich und schwoll an, der Schorf hob sich
stellenweise ab. Unter demselben befand sich dann dicker Eiter. Eine
Absonderung einer halbdurchsicLtigen Flüssigkeit, wie in nicht be-
handelten Fällen, hat S. nie beobachtet. In solchen Fällen wnrde dann
das Verfahren wiederholt. Recidive an schon vernarbten Stellen hat er
nur zwei beobachtet, einen Aufbruch neuer Geschwüre nicht so selten.
Zuweilen erhielt das Geschwür einen serpiginösen Charakter. S. hält
das Pyoktanin zum Theile für ein Desinficiens, die Hauptwirkung sieht
er mit Mo s et ig im Kerutod und aseptischer Nekrose. Letateres scheint
ihm um so wahrscheinlicher, als stärkere Antiseptika (Garbol, Sublimat,
Jodoform) keinen trockenen Schorf erzeugen und den Verlauf nicht ab-
kürzen. Von seinen 87 Fällen hat er 50 bis zu Ende beobachtet, die Darch-
schnittsdaucr der Behandlung der letzteren war 19*7 Tage. Auf die
Schnelligkeit der Verheilung hat die Localisation grossen Einflus?. Die
an den Zehen befindlichen kleinen Geschwüre heilten viel langsamer
als grössere, die nicht solchen Reizen ausgesetzt waren. Die Be-
handlung war ambulatorisch. S. stellt weitere Berichte in Aussicht.
Strauch.
(12) Der von Popoff 1890 beobachtete Fall ist folgender: L. P.
20 a. n. ledig, Papeln seit dem 13. Jahr alle 2—3 Monate, keine An-
zeichen von Syphilis, auch die Verwandten sollen gesund sein. Seit
Beginn der Menses hat sie zuweilen eine schleimige Absonderung aus
den Genitalien bemerkt. 1887 bemerkte sie zuerst eine Anschwellung
des linken Unterschenkels, dann auch des rechten; später ging die An-
schwellung auch auf die Oberschenkel über. Seit 1688 vergrösserten sich
auch die äusseren Genitalien. Gegenwärtig ist die linke kl. Schamlippe
18 Cm. lang, grösster Umfang 24 Cm., von gleich massiger mittlerer
Härte. Die Oberfläche des Tumors ist an der Basis glatt, am verdickten
unteren Ende knollig und rauh, von dunkler Färbung. Die rechte kl.
Schamlippe ist 6 Cm. lang von gleicher Beschaffenheit.
Trotz Badern, Einwickelungen , Ruhelage wuchsen die Tumoren,
daher nach 3 Monaten Excisiou; prima intentio. Der Tumor der linken
kleinen Schamlippe wog 75 Gr., der der rechten 25. Bei der Entlassung
war die linke kleine Schamlippe 4 Cm. lang, die rechte 3, von fast nor-
maler Form. 8 Monate später Status idem.
Das Mikroskop zeigte: Normales Epithel, die Papillen stellenweise
verbreitert und verlängert. Das Rate Malpighii bildet hier längere
Zapfen. Das zartfaserige Gewebe der Papillen durchsetzt von Lymph-
körpcrchen, die um die verbreiterten Lymphspalten angehäuft sind.
In den tieferen Schichten theils zerstreute, theils um Lymphspalten und
der Dermatologie. 293
eetasirte Venen angehäufte Leucoeyten. Die fixen Gewebselemente,
namentlich um die Blutgeflisse, im Zustande der Mitose, doch ist im
Ganzen wenig janges Bindegewebe gebildet. Stellenweise Oedem, die
Nerven sowohl im Längs- als im Querschnitt unverändert.
P. rieht folgende Schlüsse: 1. Die kl. Schamlippen werden sel-
tener (10*8Vo aller Elephantiasisfalle) als die grossen (43*5%) befallen.
2. Die Elephantiasis erscheint in einzelnen Fällen als Folge von L3rmph-
angrioitis. 8. Die weiblichen Genitalien werden am häufigsten in der Blüthe
der Geschlechtsthätigkeit befallen. 4. Die Excision der kl. Schamlippen
bei Elephantiasis ist indicirt. 6. Die locale Reaction des befallenen Organs
besteht in einer starken Erweiterung der Lymphgefässe und Venen und
einer Vermehrung der fixen Gewebselemente. Strauch.
(18) Die Krankheit begann bei der 21jährigeQ Bäueria im 7.
Monat der Schwangerschaft. Nach der Entbindung ging die Ver-
grösserung der Brüste rapid weiter. Milch wurde nicht abgesondert.
Bt'i der Amputation wog die rechte Brust 1590 Gr., die linke 1280. Die
histiologische Untersuchung bestätigte die Diagnose. Strauch
(14) Die 44jährige schwächliche Patientin, Schneiderin, erkrankte,
nachdem sie vielfach an Magen- und Darmkatarrhen und nervösen Be-
schwerden (Herzklopfen, Schwindelanfallen etc.) gelitten hatte, mit
heftigen Schmerzen in Fingern und Zehen. Dazu gesellte sich Kopf-
schmerz und Erbrechen. Die Hände waren roth geschwollen, schwitzten
leicht und die Endphalangen waren massig verdickt. Nebenbei bestand
an diesen Theilen eine deutliche Hyperalgesie. Der Harn enthielt
Spuren von Albumen. Diese Krankheitsform ist unter dem Namen der
„Paralysie vaso - motrique des extremites^ oder Erythromelalgie be-
schrieben worden. Vor allem scheint Kälteeinwirkung, stärkere An-
strengung der Gliedmassen und vorausgegangene Schwächezustände die
Entstehung der Krankheit zu begünstigen. Das hauptsächlichste und
gewöhnlich das erste Symptom ist der Schmerz, der sich anfallsweise
steigert In der Mehrzahl der wenigen bisher beschriebenen Fälle sind
die Unterextremitäten befallen. Der Verlauf war ein äusserst hart-
näckiger und die Therapie ziemlich machtlos. Es lassen sich von dieser
Neurose drei Formen unterscheiden, die angiospastische (Nothnagel),
eine Zweite ohne Erscheinungen von Seiten der Geiässnerven (Bernhardt)
und als Dritte die angioparaly tische, die nach G. die seltenste ist.
0. Rosenthal.
(15) Es ist das derselbe Fall, den Gerhardt bereits in der
deutsch, med. Wochenschr. Nr. 39. 1892 beschrieben hat. (Ref. Arch. f.
Derm.) Die Affection ist hauptsächlich von Weir-Mitchell heschrieben
worden und in einer Dissertation von Lannois sind 24 Fälle, die
hauptsächlich Männer betrafen und bei denen Ueberanstrengung, Nässe-
oder Kälteeinwirkungen eine gewisse Rolle spielten, zusammengestellt
worden. Sie gehört zu der von Schulze unlängst benannten Gruppe
der Akroparästhesien , bei denen G. das Vorkommen gewisser Kor»
perchen in den Nerven nachzuweisen versuchte. 0. Rosenthal.
Archiv f. Dermfttol. n. Syphil. Band XXYI. 20
294 Bericht über die Leistungen aaf dem Gebiete
(16) Der 44jährige Patient, Pottschafifner, früher gesund, erkrankte
im Herbste 1890 plötzlich mit neuralgischen Schmersen in den Armen
und dann in den Beinen, denen sich bald ein fast symmetrisches £rythem
der Haut an Händen und Füssen hinzugesellte. Die Schmersen hörten
allmälig auf, die Böthung blieb aber in wechselnder Stärke bestehen,
besonders intensiv während der Sommerszeit. Ueber einzelnen Finger-
gelenken zeigten sich im Verlauf röthliohe Knötchen, von denen ein-
zelne wieder verschwanden, um neuen Platz zu machen. Die £rythro-
melalgie verläuft äusserst chronisch mit vielfachen Schwankungen. Sie
ist als vasomotorische Neurose aufzufassen, die in einer Lähmung der
Vasoconstrictoren ihren Grund hat. Vielleicht gehört mancher Fall des
„chronischen fixen oder diffusen habituellen Erythems'' der älteren Patho-
logen in dieses Capitel. Was den Sitz des Leidens anbetrifft, so ist es
wahrscheinlich, dass es sich um eine Affection der peripherischen Fasern
handelt. Die Affection bildet das Gegenstück zur symmetrischen Gangrän
Raynaud^s, der ein Angiospasmus zu Grunde liegt. Was die Behand'
lung anbetrifft, so soll in einem von Sigerson mitgetheilten Fall von
Duchenne die Faradisation der oberen Extremitäten mit gutem Erfolg
angewendet worden sein. 0. Rosenthal.
(17) Bernhardt stellt ein ÖOjähriges Fräulein vor, das seit 5
Jahren an Erythromelalgie leidet. Sie erkrankte, nachdem sie 4 Monate
in einem Geschäft thätig war, in dem sie den ganzen Tag stehen musste,
mit Schmerzen und Röthung an den Hacken, den Ballen und unter den
Zehen, sodass sie keine Stiefel mehr anziehen konnte. Mehrere Monate
später zeigten sich auch an den geschwollenen und gerotheten Händen
heftige Schmerzen, die nach den unbedeutendsten Haudgriff'en auftraten
und die Patientin Tag und Nacht störten. Augenblicklich besteht
nur eine geringe Röthung und Schwellung an der Haut der Fusssohle. B.
bemerkt, dass auch ein derartiges chronisches Erythem der Handflächen
ohne Schmerzen verkommt. 0. Rosenthal.
(18) In der sich an diese Demonstrationen anschliessenden Discus-
sion erwähnt Hen och, dass er vor 20 Jahren einen höheren Staatsbeamten
behandelt hat, der 3 — 4 Monate hindurch über die heiligsten Schmerzen
im linken Fuss geklagt hatte. In diesem Falle ging eine Parese der
linken Körperhälfte, sowie eine intensive linkeseitige Hemiidrosis voraus.
Später traten Angina pectoris auf und der Patient ging an einer
Hirnblutung zu Grunde. Der ganze Verlauf schien hier für einen centralen
Ursprung zu sprechen.
Senator bemerkt, dass wahrscheinlich nicht alle Fälle gleichen
Ursprungs sind und dass in dem eiuen Falle eine spinale, in dem
anderen eine periphere Erkrankung angenommen werden muss.
Koch glaubt, dass 3 im vergangenen Winter auf der FräntzeT-*
sehen Abtheilung beobachtete Kranke hierher gehören. Die Patienten
klagten über anfallsweise auftretende, starke Schmerzen beider Hacken,
die 3, 4, 8 Tage bestanden und öfters mit Morphium behandelt werden
der Dermatologie. 295
mQMten. Ausser Röthang und Turgor war nichts nachzuweisen. Die Kran-
ken wurden nicht geheilt.
Landgraf erinnert sich einer Frau von 38 Jahren, bei der auf
der II. medicinischen Klinik die Diagnose auf Myxödem gestellt war.
Ein Jahr nach der Entlassung kam die Patientin zu ihm und klagte
über heftige Schmerzen im rechten Zeigefinger, der starke Röthung
und geringe Schwellung zeigte. L. machte, in der Meinung, es handle
sich um ein beginnendes Panaritium, eine Incision. Es fand sich aber
kein Eiter. Nach einem halben Jahr zeigte die Patientin dieselbe
Erscheinung am linken Zeigefinger. L. meint mithin, dass Erythromelalgie
auch bei Myxödem vorkommt. 0. Rosenthal.
(19) Lewin hält die Erythromelalgie für keinen Morbus sui ge-
neris. Nach seiner üeberzeugung können die Erscheinungen unter den
Angioparesen untergebracht werden, welche theils idiopathische sind und
durch traumatische oder thermische Ursachen erzeugt werden, theils auf
reflectorischem Wege entstehen. Bei letzteren bilden die Genitalorgane
die Ursprungsstellen der Reizungen.
Eulen bürg führt zum Beweis, dass es sich bei der Erythromelalgie
um centrale Affectionen handelt, 2 Fälle an. Der erste ist der Gerhard'-
sehe Fall, den E. seit 3 Monaten beobachtet. Alle Erscheinungen der
Er3rthromelalgie sind geschwunden, dagegen haben sich Symptome eines
schweren Gerebralleidens gezeigt (Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schwin-
delgefuhl, Angstempfindungen, taumelnder Gang, Gedächtnissabnahme,
liallucinationeu). Ein 2. Fall betraf eine neuropathisch belastete 30jährige
Frau, die im Anschluss an eine Entbindung in typischer Weise erkrankte.
Nebenbei bestanden aber noch hochgradige Ernährungsstörungen der
Musculatur der Oberarme und des Schultergürtels, die in die Form der
sogen, juvenilen Dystrophie (Erb) eingereiht werden mussten.
He noch erwähnt den in der Gesellschaft der Charite l>erichteten
Krankheitsfall, sowie ein Kind im Alter der ersten Zähnung, das von Zeit
zu Zeit blaurothe, ödematöse Anschwellungen beider Ohren bekam, die
nach dem vollendeten Zahndurchbruch verBchwanden.
A. Baginsky berichtet über einen 10jährigen nervösen Knaben,
der plötzlich Röthung und Schmerzen an den oberen Extremitäten,
besonders an den Fingern beider Hände darbot. Die Affection widerstand
der Therapie sehr lange.
Zum Schloss widerspricht Senator den Lewi naschen Aus-
führungen, dass es sich bei der Erythromelalgie um ein zu den
bisher bekannten Erythemformen gehörendes Kraukheitsbild handelt.
0. Rosenthal.
(20) Der 41jährige Kranke, ein Deutscher, bekam seit 5 Jahren
im Frühling regelmässig eine Eruption der Handteller und Fusssohlen,
die durch Uebelkeit und Magenschmerzen eingeleitet wurde und mit einer
vollständigen Abschoppung endigte. Fünf Tage vor der jetzigen Attaque
zeigte die Radialseite des Daumens und Zeigefiogers eine dififusse Röthung,
daneben eine Anzahl sehr intensiv gerötheter runder Flecke, an welchen
20*
296 Bericht über die Leistungen aof dem Gebiete
2 Tage später das Hornlager der Epidermis sich wie eine Blase abhobt
ohne dass sich Flüssigkeit darunter befand. In der Discussion weist
Taylor dazu, den Process als Folge einer mechanischen Irritation
aufanfassen.
Klotz weist auf die Aehnlichkeit des Falles mit der in Frank-
reich epidemisch auftretenden, Acrodynie genannten Affeetion hin.
Ledermann.
(21)Wolberg gibt eine Beschreibung Yon zwei Fällen an, in
welchen ein 2 '/Jähriges und ein 6jähriges Mädchen mit Erythema nodosnm
angegriffen waren. W. fügft den Beobachtungen Bemerkungen über den
Verlauf dieses Leidens zu. Elsenberg.
(24) Blanc veröffentlicht die Krankengesciiichte eines von einem
Gollegen beobachteten Falls, in welchem es im Anschlnss an eine
Erkältung unter Uebelkeit, Erbrechen, massigem Fieber zu einer
universellen Hautröthe mit consecutiver Hautabschuppung kam. Das
betreffende junge Mädchen hatte schon früher analoge Attaque und
auch nach diesem Anfall eine ähnliche Eruption gehabt. Zwei ähnliche
Fälle hatte Blanc schon früher zu beobachten Gelegenheit und unter der
Bezeichnung: Erythema exfoliativum recurrens veröffentlicht. Gharakte-
ristisch für diese drei Fälle ist Folgendes:
1. Das Recidiviren. Ein Patient Blanc's hatte die Affeetion schon
2dmal gehabt. Die Ursache der Recidive ist ebenso, wie die Ursache der
Affeetion unbekannt.
2. Die geringe Pulsfrequenz, wodurch die Affeetion sich von
Scharlach in charakteristischer Weise unterscheidet.
8. Das Fehlen ausgesprochener Fiebersymptome.
4. Die ausgedehnte Desquamation (die sogenannte Dermatitis
exfoliativa [Brocq] unterscheidet sich von der in Rede stehenden
Aäection durch die geringere Schuppung, und durch die längere Krank-
heitsdauer).
6. Die Aehnlichkeit mit Scharlach. Die Unterschiede dassificirt
Blanc in folgender Tabelle:
Scharlach:
1. Einmaliges Auftreten.
2. Contagiosität.
3. Ausgesprochener Fieberzustand.
4. Stark goschwollener Rachen.
5. Sehr schneller Puls.
6. Eruption hält 5 Tage an.
7. Nur manchmal starke Desquain.
8. Gewöhnlich Albuminurie.
Erythema exfol. recurrens :
1. Häufige Recidive.
2. Keine Uebertragung.
3. Leichte Temperatursteigerung.
4. Leichte Röthung im Hals.
5. Geringere Pulsfrequenz.
6. Eruption hält 3 Tage an.
7. Stets beträchtliche Desquamat.
8. Keine Albuminurie.
Ledermann.
(25) Salolum camphoratum wird nach Nencki aus 1 Theile (aufc
Gewicht) Kampfer, mit einigen Tropfen Alkohol befeuchtet, und 1-4
Theile Salol zubereitet. Man zerreibt sie in einem Porzellan-Mörser
und nach einigen Minuten wird die krystalleue Masse zur durchsichtigen
der Dermatologie. 297
Fläisigkeit. Dieses Mittel, seit 2 Jahren von Elsenberg bei ver-
schiedenen Hautkrankheiten angewendet, zeigte sich sehr wirksam bei
Furunkeln und Anthrax. Nach 12 — 24 Stunden wird der Furunkel
sohmerslos, nimmt an Grösse ab, es schwindet die Röthe und Infiltration
der umgebenden Hauttheile, der Furunkel wird hellblau; bei weiterer
Behandlung kommt es niemals zur Eiterung und der Furunkel wird
immer kleiner bis zum vollkommenen Schwinden. Die Impfung des In-
haltes des an der Spitze eines Furunkels liegenden Bläschens oder das
Uebertragen eines Infiltrat-Theilchens eines noch nicht zur Eiterung
gerathenen Furunkels gewährt auf Agar-Agar eine reine, höchst üppige
Gultur von Staphylococcus aureus. Nach dauerhafter Wirkung (24stündigen)
des Salolum camphoratum geben die überimpften Furunkeltheilchen mehr
keine derartige Gultur oder sehr wenig Golonien. Wenn im Furunkel die
Eiterung schon eingetreten ist, wird durch die Anwendung des Salolum
camphoratum nach Entfernung des nekrotischen Zapfens der Schmerz und
die Hyperaemie beseitigt und die Eiterung beschränkt. Es kommt schnei^
zur Yerheilnng des Furunkels und an der Stelle desselben bleibt nur auf
kurze Zeit eine dunkelviolette Pigmentation und ein kleines hartes,
schmerzloses Knötchen. Das Mittel wird folgendermassen angewendet:
Man entblösse die Spitze des Furunkels, bei Anthrax wäre es gpit in g^
wissen Fällen einige massig tiefe Incisionen vorzunehmen, um das Ein-
dringen des Mittels in die tieferen Schichten des Infiltrates zu erleichtem ;
nachher bedecke man den Furunkel sammt den umgebenden hyperämischen
Theilen mit einem mit Salolum camphoratum reichlich benetzten Watta-
tampone ; darüber lege man Waohsleinwand und befestige alles mit einer
Binde. Elsenberg.
(26) Vi dal fasst den Inhalt seines kurzen Vortrags in folgenden
Schlüssen zusammen:
1. Die Prurigo de Hebra ist ebenso wie der Liehen simplex
circumscriptus eine chronische papulöse Neurodermitis, welche
bei einer Eintheilung nach pathologisch-anatomischen Gesichtspunkten
in die papulösen Affectionen eingereiht werden muss, und was
die Pathogenese der Krankheit anbetrifft, zu den Dermatoneurosen
gehört.
2. Die Prurigo de Hebra ist keine selbständige Krankheit.
Dieselbe resultirt aus mehreren pathologischen Zuständen, von denen
die beiden wichtigsten die Nervosität und die lymphatische Constitution
(scrophulöse Diathese der älteren Autoren) sind.
3. Gewöhnlich beginnt die Krankheit in den beiden ersten Jahren
des Lebens. Man kann indessen die ersten Anzeichen derselben auch
während der zweiten Kindheit und in noch späterem Alter sehen.
4. Obgleich die Heilung nicht die Regel ist, so ist sie doch nicht
sehr selten. Durch eine wohlgeleitete Behandlung kann man Besse-
rungen und Bemissionen von langer Dauer erzielen, namentlich, wenn
man die Haut vor allen Jucken hervorrufenden Ursachen schützt.
298 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Zur Behandlung empfiehlt Vi dal Pflaster, (Sparadrap ä V huile de
foie de morue), Naphtohalben , Mentholpräparate, Glycerinstärkepasten,
Zinkleim u. a. Leder mann.
(27) Fox hat von dem Thilanin nar bei Lupus erythematosus eine
Wirkung gesehen, welche die Empfehlung des von Saalfeld in die The-
rapie eingeführten Mittels rechtfertigt.
Dagegen hat er mit dem Tumenol bei acuten und chronischen Ec-
zemen günstige Erfolge erzielt. Bei Infiltrationen scheint es, wie Theer,
zu wirken ohne die reizenden Eigenschaften desselben zu besitzen.
Ledermann.
(28) Eine historisch-kritische Studie, in deren Verlauf Morris zu
folgenden resumirenden Schlüssen gelangt: Die Aufifiusung des Lupus
erythematosus als Neoplasma hat sich vollständig überlebt, da weder
die klinische noch mikroskopische Beobachtung diese Ansicht bestätigt.
Der entzündliche Charakter des Processes ist deutlich bewiesen durch
die mikroskopischen Bilder des afficirten Gewebes (Leloir, Schütz); der
Process hat keine nothwendigen Beziehungen zu den Talg- oder
Schweissdrüsen, sondern beginnt an den Blutgefässen. Die Ursache der
Entzündung ist nicht sicher bekannt. Die Lehre, dass der Tuberkel-
bacillus das ätiologische Moment ist, kann nicht als bewiesen angesehen
werden. Die anatomische und bakteriologische Untersuchung spricht
absolut dagegen und die klinische Beobachtung ruht auf unsicherer
Basis. Was andere Mikroben anbetrifift, so ist ihr Vorkommen in der
an Lupus erythematosus erkrankten Haut sehr zweifelhaft. Augenblicklich
muss man den Lupus erythematosus definiren „als eine chronische Ent-
zündung der Haut, local in ihrem Ursprung und hauptsächlich local in
ihrem Verlauf ohne Beziehung, soweit unsere jetzigen Kenntnisse
reichen, mit irgend einer constitutioaellen Erkrankung. **
Ledermann.
(29) Die mikroskopische Untersuchung einer grösseren Anzahl von
excidirten Hautstückchen von Liehen tropicus ergab im Wesentlichen
Schwellong der Hornschicht, leichte ödematöse Schwellung der Rete
Malpighii, cystisch erweiterte Schweissdrüsenausführungsgänge im Rete,
geringe perivasculäre Infiltration der Papillarschicht der Cutis. Die
Entstehung der Cysten führt Pollitzer auf mangelhafte Einfettung
der schweissgetränkten Haut zurück. Als prophylaktische Massregel em-
pfiehlt er morgentliche Einfettung der Haut mit Lanolin, als thera-
peutische Puder. Die Affection endet mit einer Restitutio der Schweiss-
drüsenausführungsgänge in integrum. Sie ist scharf zu trennen von der
sogenannten Miliaria crystallina. Ledermann.
(30) Fox stellt eine 64jährige Frau von kachectischem Aussehen
vor, welche zahlreiche theils disseminirte, theils gruppirte Papeln im
Gesicht, Hals und Armen zeigt, die z. T. annulär angeordnet, in der
Mitte ein pigmenti rtes und eingesunkenes Centrum zeigen. Einige sind
besonders glatt und durchsichtig und ähneln dem Liehen obtusus. Die
Efflorescenzen am Nacken ähneln sehr dem Liehen planus, die iüi
der Dermatologie. 299
Gesicht mehr Bypbilitischen Knötchen. In der Discuasion spricht sich die
Mehrzahl der Anwesenden für die Diagnose: Syphilis aus. Cut 1er hält
einige EfBorescenzen för syphilitischi andere für Liehen planus, eine
Ansicht, der Redner beitritt. Ledermann.
(31) Lewin macht darauf aufmerksam, dass der Pemphigus
hystericus durch ein in kochendes Wasser erhitztes metallenes Instrument
z. B. einen Hammer, oder durch Einreiben mit Cantharidenpulver
erzeugt wird. In den Blasendrüsen findet man im letzteren Falle
mikroskopisch Theilchen der Flügeldecken der Lytha vesicatoria.
0. Rosenthal.
(32) Quimby empfiehlt zur Behandlung der Unterschenkel-
geschwüre eine Modification der alten B ay n t o n'schen Heftpflasterverbände.
Er legt Heftpflasterstreifen, die höchstens einen Zoll breit sein dürfen,
so an, dass sie niemals den ganzen Unterschenkel umgreifen, sondern
eben auf der gesunden Haut festkleben können. Alle Streifen werden im
rechten Winkel zur Längsaxe des Geschwüres angelegt mit einer leichten
Modification je nach der Richtung der grössten Hautelasticität. Daa
Befestigen der Streifen erfolgt in 2 Abtheilungen: Bei der ersten werden
sie mit einem Ende an der gesunden Haut festgeklebt, die Geschwür*,
ränder einander genähert und dann das andere Ende befestigt. Der
erste Streifen wird so gelegt, dass er die Geschwürs fläche halbirt, jeder
folgende soll wieder die übrig bleibenden Geschwürsflächen halbiren.
Wird dabei ein Streifen gelockert, so kann das eine Ende freigemacht
und unter geeigneter Spannung wieder befestigt werden. Sind die vom
Geschwür übrig bleibenden Flächen schmäler als die Hefipflasterstreifen,
so erfolgt das Anlegen der zweiten Abtheilung: Jeder Streifen wird von
seiner Mitte nach beiden Enden hin gleichzeitig unter geeigneter
Spannung so angelegt, dass er einen freigebliebenen Streifen des
Geschwüres und zwei daneben liegende Heftpflasterstreifen bedeckt.
Zum SchlusB kann man Oeffnungen für den Secretabfluss anbriugen.
Sternthal.
(33) Giovannini formulirt die Resultate seiner Untersuchungen in
folgenden Sätzen:
1. Bei der secundär-syphilitischen Alopecie ist in der Haut, ohne
klinische Veränderung derselben, ein Entzündungsprocess vorhanden, der
vorzugsweise die Follikel an deren unterem Theile befällt (Folliculitis pilaris
profunda). Infolgedessen finden in den Haaren progressive Veränderungen
statt, welche deren Ausfallen herbeiführen.
3. Vom histologischen Gesichtspunkte aus bietet die Haarfollikel-
entzündung der syphilitischen Alopecie, ihrem Sitz und ihrer Aus-
dehnung nach, grosse Aehnlichkeit mit jener der Alopecia areata
dar. Auch die Veränderungen, die in einem und dem anderen Falle infolge
der HaarfoUikelentzündung in den Haaren stattfinden, sind grösstentheils
die gleichen.
Verf. Bohliesst aus diesen Ergebnissen, dass auch die Ver-
änderungen der Alopecia areata durch ein im Blute circulirendes
300 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
pathogenes Agens yerändert werden, wie dies der Fall bei der ty-
phili tischen Alopecie ist — ein Analogieschlnss, der in mancher Beziehung
anfechtbar ist. Der Arbeit sind wohlgetroffene Mikrophotogramme beigefügt.
Ledermann.
(84) Bei einem 82jährigen Mann hatte sich plötElieh unter starker
Schwellung des Gesichts eine grosse Anaahl Stecknadelkopf- bis erbsen-
grosser Knötchen auf den Wangen, Knien und zwischen den Augenbrauen
gebildet. Die Knötchen waren dunkelroth, glichen mehr einem tuberöse u
Syphilid als den Knötchen der Rosacea; ihre Gonsistenz war weich,
grössere oonfluirte Prominenzen fühlten sich wie multiloculäre Cysten
an. Auf Druck entleerte sich Blut und Eiter. Sie sassen ungemein tief
in der Haut und hinterliessen bei Gurettement ein netzförmiges Ulcus,
dessen Seoret einen gelatinösen Inhalt enthielt. Bei der Heilung, welche
auf der einen Gesichtshälfte vermittelst der Curette erzielt wurde, an
anderen Stellen spontan erfolgte, hinterblieb auch an den nicht
behandelten Stellen ein pockennarbiges Aussehen. Die mikroskopische
Untersuchung ergab einen ausgesprochenen tubercnlösen Charakter der
Geschwülste, so dass die provisorische Diagnose von Fox: Lupus acutus
disseminatus gestutzt wurde. LedermaiLo.
Bildangsanomalien.
1. Herzfeld. Epidermolysis. Yerhandl. d. Berl. med. Gesellsch. Berl.
klin. Wochenschr. Nr. 34,
2. Mackenzie, Hector W. G. A case of myxoedema treated with great
benefit by feeding with fresh thyroid glands. The Brit. Med. Joum.
29. Oct. 1892.
3. Fox, E. L. A case of myxoedema treated by taking extract of thy-
roid by the mouth. The Brit. Med. Joum. 29. Oct. 1892.
4. Trape§nikoff. Mycosis fungoides mit Demonstration. Wratsch 1892.
Nr. 5 pag. 117. Sitzung der russischen syphilido-dermatol. Gesellsch.
5. Pliilipp§on. Aus Dr. Unna's Klinik. Hamburg-Eimsbüttel. Zwei Fälle
von Mycosis. Berl. klin. Wochenschr. 1892. Nr. 39.
6. MarianeUi, Amedeo. Sopra un caso die Granuloma fungoide. (Mycosi
fungoide di Alibert.) Giornale Italiano delle Malattie venerree e della
pelle. 1892. IT.
7. Uona. Naevi und Naevocarcinome. Berl. klin. Wochenschr. 1893. Nr. 1.
8. During, E. v. Ichthyosis mit pemphigoiden Eruptionen. Monatsh. f.
prakt. Derm. Nr. 12. XV. 15. Dec. 1892.
9. HalperD. Seltener Fall einer complicirten Ichthyosis. (Niezwykly
przypadek powiklania rybiej luski.) Gazeta Lekarska. Nr. 49. 1892.
10. CiougüÄski und Hewelke. Zur Frage über die sogenannte schwarze
Zunge. (W kwestyi tak zwanego czarnego j§zyka.) Kronika Lekarska.
Nr. 11. 1892.
der Dermatologie. 301
11. l!I*CalI Anderaon, T. A case of Xeroderma pigmentosum, with
Post-mortem examinaton. Dec. 1892. The Brit. Joum. of Dermatolog.
12. Foulerton. Alex. G. R. A case of localised gangrene of the leg
occurring in the course of scleroderma ; amputation through thigh ;
recovery. The Lancet. 12. Nov. 1892.
13. Haie, G. E. Four cases of myxoedeme treated by injections of thyroid
extract. The Brit. Med. Joum. 31. Dec. 1892.
14. Mc. Call Anderson, T. A case of Xanthoma multiplex in a child.
The Brit. Med. Joum. 3. Dec. 1892.
15. Morrow, Prince A. Xanthoma tuberculatum. Bericht eines Falles,
nebst Bemerkungen über eine neue und erfolgreiche Methode der Be-
handlung. Joum. of cut. and gen.-urin. dis. Jan. 1893.
16. Brooke. Epithelioma adenoides cysticum. The Brit. Joum. of Derm.
Sept. 1892.
17. Kaposi. Sarcomatosis cutis. Aus dem officiellen Protokolle der k. k.
Ge«. d. Aerzte in Wien. Sitzung v. 3. Febr. 1893.
18. Hartzell. Sarcoma cutis. Read at the 16 ann. meeting of the Am.
derm. assoc. 13. Sept. 1892. Joum. of cut. and genito-urin. diseases.
Januar 1893.
19. Sfdzlak. Seltener Fall von Sarcomata multiplicia cutis et lympho-
sarcoma tonsillae dextrae. (Niezwykly przypadek sarcomata multiplicia
cutis et lympho-sarcoma tonsillae dextrae. Gazeta Lekarska. Nr. 44. 1892.
(1) Herzfeld stellt 2 Brüder mit Epidermolysis vor, bei denen
sich aber die Blasenbildung nur auf H&nden und Füssen zeigte. Zugleich
bestand an diesen Theilen eine starke Hyperidrosis, sowie secundire
Veränderungen.
Auf der Dorsalseite war die Haut dünn, atrophisch, auf der Vo-
larfläche war dieselbe gespannt, zum Theil eingerissen; ein vollständiges
Strecken war nicht möglich. Zwischendurch fanden sich unregelmässig
▼eriheilte kleinere und grössere Blasen. Die Nägel waren verkümmert.
In aufsteigender Linie war in der Familie die Krankheit nicht nach-
weisbar, dagegen litten von 8 Geschwistern 4 an derselben Affection.
In der Ditcossion bemerkt Lewin, dass es sich möglicherweise bei
den Kranken um das Stadium atrophicum der Sclerodermie handelt.
Lassar hat Epidermolysis hereditär, bei 6 Geschwistern beobachtet, bei
denen ausserdrai auf Heredität beruhende Ichthyosis vorhanden war.
0. Rosenthal.
(2) Mackenzie gab in einem Falle von Myxoedem, theils um
eine bequemere Methode zu haben als die lästige Darstellung des
Extraotes aus der glandula thyreoidea, theils um die mit der Injection
verbundenen Gefahren zu vermeiden, die frischen Drüsen oder ein aus
ihnen bereitetes Extract per os. Eine halbe Sohafsthyreoidea täglich ist
für gewöhnlich genügend. Bei der Patientin des Verf. trat jedesmal
nach dem Einnehmen eine deutliche Pulsbeschleunigung und Temperatur-
erhöhung ein, proportional der Menfre der gegebenen Thyreoidea; diese
Erscheinungen hielten einige Zeit nach der Darreichung an. Unter dieser
302 Bericht über die Lei>tungeii auf dem Gebiete
Behandlung besserten sich alle Symptome des Myxoedems. Die Darreichung
geschieht am besten mit etwas Brandy, da das Mittel sonst leicht Nausea
erregt. Sternthal.
(3) F'ox gab einer an Myxoedem leidenden Frau das nach Vorschrift
von Murray aus einer halben Schafsthyreoidea bereitete Extract
2 Mal wöchentlich per o s, und Ewar die Hälfte 1 Stunde vor dem Früh-
stück, die andere Hälfte 1 Stunde vor dem Abendessen. Der Erfolg war
ein sehr befriedigender. Verf. will beim nächsten Falle kleine Dosen der
kleingehackten Drüse geben, da dies noch wirksamer zu sein scheint,
weniger Last bei der Herstellung macht und von den Patienten lieber
genommen wird. Sternthal.
(4) Nach einer kurzen historischen Einleitung stellt Trapes-
nikoff den Kranken vor. Vor 14 Monaten hat sich am Halse des
Patienten eine kleine blaurothe Geschwulst gebildet, die sich stetig
vergrösserte, zerfiel und sich in das gegenwärtige grosse und tiefe
Geschwür verwandelte, dessen Grund die Musculatur bildet. Ein zweites
beinahe rundes Geschwür unter dem Ohr hat sich aus einem erst in
der Klinik zerfallenen Knoten gebildet. Eine enorm vergrösserte Cer-
vicaldrüse ist exstirpirt worden: prima intentio. Die ursprünglich stark
vergrösserten Submaxillar«, Axillar- und andere Drüsen haben sich
auf Jodkali beinahe zur Norm zurückgebildet. Locale Behandlung
mit Jodoform, innerliche Darreichung von Jodkali haben das Aussehen
des Geschwürs wesentlich gebessert.
Die Diagnose ist per exclusionem gestellt worden, zumal dieser
Fall sich von früher beschriebenen durch die bedeutende Vergrösserung
vieler Lymphdrüsen unterscheidet; auch Vi dal und Hallopeau hätten
Mischformen dieses Leidens erwähnt. Was die Natur der Mycosis fun-
goides betrifft, so hält T. sie für ein infectiöses Granulom. Die mikro-
skopischen Präparate haben ihm grösstentheils das Bild eines vasculari-
sirten Granuloms gegeben. T. hat einen Diplococcus gefunden, kann
aber seine Specificität noch nicht nachweisen. Kulneff bemerkt,
dieser Fall sei gerade wegen des Befallenseins des ganzen Lymph-
systems nicht charakteristisch für Mycosis fungoides. Strauch.
(5) Philipps on beschreibt aus der Unna'schen Klinik 2 Fälle
von Mycosis:
Der erste betrifft eine 36jährige Frau, bei der zuerst vor 4 Jahren
auf dem rechten Ellbogen und Schulter rothe juckende Stellen aufge-
treten waren. Seit einem Jahre bestand Knoten bildung. Bei der Auf-
nahme zeigte sich ein fleckiges, leicht schuppendes Erythem des
Gesichts und des Kopfes, auf dem das Haar gelichtet war; auf der
linken Wange bestand eine derb anzufühlende Papel. Am Nacken und
Hals befanden sich hellbraune Pigmentflecke und verschieden geformte
Papeln. Auch der übrige Körper zeigte die gleichen Erscheinungen in
den verschiedensten Stadien der Entwicklung und der Rückbildung.
Die grössten Knoten, zum Theil nässend, sassen in der Gürtelgegend
und den umgebenden Theilen. Die Patientin wurde innerlich mit Arsenik
der Dermatologie. 303
und austerdem mit Resorcin und Ghrysarobin behandelt. Das Jucken
yerschwand und die Knoten gingen zum Theil zurück.
Der zweite Fall betrifft eine 60jährige Frau, bei der sich seit
einem Jahre ein von den Oberschenkeln ausgehender fleckiger Ausschlag
und Knoten der verschiedensten Grösse ausgebildet hatten. Im Verlauf
eines Jahres ulcerirten eine Anzahl der letzteren, es traten neue auf
und das Gesicht gewann das Aussehen einer Facies leprosa. Unter
Fiebererscheinungen bildete sich ein Abscess am Unterkiefer und die
Patientin ging pyämisch zu Grunde.
Auf Grund histologischer Untersuchungen rechnet auch P. die My-
cosis fungoides zu den Granulationsgeschwülsten. Nach ihm gestattet
bereits das ekzematiforme Yorstadium eine histologische Diagnose,
da dasselbe den Beginn der Tumorbildung zeigt: ein flächenhaft
ausgebreitetes Granulom, hervorgegangen aus den fixen Bindege-
webszellen durch Mitosenbildung und bestehend aus runden einkernigen
und hyperplas tischen (mehrkernigen und Riesen-) Zellen.
0. Rosenthal.
(6) Mariauelli veröffentlicht einen Fall von Mycosis fungoides,
der dadurch bemerkenswerth erscheint, dass der Krankheilsprocess auch
in den Stadien vor den fungösen Bildungen histologisch untersucht
und dass der Patient geheilt wurde. Die Krankheit, welche beim Ein-
tritte des 14jährigen Patienten in die Klinik bereits über ein Jahr
gedauert hatte, hatte zu mannigfachen Veränderungen auf der Haut
gefuhrt. Einerseits fanden sich zahlreiche papulo - vesiculöse Efdores-
cenzen und diffuse violettrothe Verfärbungen der Haut, die eine be-
stimmte Localisation zeigten, und andrerseits waren auch wahre Knoten-
bildungen vorhanden, namentlich an der Innenfläche der Oberschenkel
und am Fussrücken. Die Krankheit war mit starkem Jucken verbunden.
Nach 4 '/«monatlicher Behandlung mit Sol. Fowleri subcutan wurde der
Ki'anke fast geheilt entlassen, und die vollständige Heilung unter
Weitergebrauch von Arsen constatirt. Die histologische Untei-suchung
ergab in den Anfangssladien einen Process, der mit den gewöhnlichen
entzündlichen Gefässveränderungen begann, wie sie sich bei allen Ent-
zündungen des Bindegewebes vorfinden. Im weiteren Verlaufe fuhrt
dieser Process zur entzündlichen Neubildung, zur Bildung eines Granu-
loms; nirgend aber finden sich die Charaktere einer wahren Neubildung.
Dieser histologische Befund wird bei der Stellung der Differenzial-
diagnose zwischen Lymphadenia cutanea, Sarcomatosis und entzünd-
licher lymphadenoider Neubildung zu Gunsten der letzteren benützt.
Die in ätiologischer Beziehung, namentlich ob die Krankheit infectiöser
Natur sei, angesteilen Forschungen blieben resultatlos. Die Untersuchung
des Blutes auf Mikroorganismen war negativ. In vielen Schnitten aus
den Tumoren konnten zwar viele Coccen nachgewiesen werden, allein
diese Schnitte stammten stets aus exulcerirten Knoten, und die Coccen
befanden sich in der Nachbarschaft der Exulcerationen, und erwiesen
sich als gewöhnliche Eitercoccen. In den kleinen, nicht exulcerirten
304 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Knoten konnten weder lustologisoh noch bacteriologisch irgendwelche
Mikroorganismen nachgewiesen werden. Auf Grund sämmtlicher Be-
obachtungen glaubt Verfasser folgende Schlüsse ziehen zu dürfen:
1. „Die Tumoren entwickeln sich bei der Mycosis fungoides
auf Basis der Bindegewebszellen, und die pathol. anatom. Verande-
ruDgen zeigen sich nach Art der Granulationsgeschwvlste oder Gra-
nulome.
2. Wird die Krankheit gleich anfangs diagnosticirt, so gibt sie
keine absolut infauste Prognose, da sie durch eine Arsencur, namentlich
auf hypodermatischem Wege, Yollständig geheilt werden könne.*
Spietschka.
(7) Bei der Untersuchung von 4 primären Naevocarcinomen fand
Unna, dass diese Geschwülste sämmtlich einen deutlichen alveolären
Bau zeigen, mithin als alveoläre Krebse aufzufassen sind, ein Typus,
den U. unter 70 Hantcarcinomen nur lOmal vertreten fand. Diese
Naevocarcmome entwickeln sich aus den im Bindegewebe herdweise
eingeschlossenen eigenthümlichen Zellen, den Naevuszellen. Diese zeigen
keine Zwischensubstanz und gleichen dadurch mehr Deckepithelien, als
Bindegewebszellen. Von den ersteren unterscheiden sie sich allerdings
dadurch, dass sie ein an basophilen Körnchen armes Protoplasma und
keinerlei Epithelfaserung zeigen. Der Kern ist aber wiederum epithel-
ähnlich, gleichmässig oval, gross, chromatinreich. Am meisten haben
also diese Zellen mit gewissen Drüsenepithelien Aehnlichkeit. U. trat
darauf der Frage näher, ob der gleichmässige Befund bei den von ihm
untersuchten Naevusgeschwülsten auf Zufall beruhe. Zu diesem Zweck
durchmusterte er einige ihm zur Verfügung gestellte Knoten des im
Glasgow Medical Journal (August 1885) von Tennent veröffentlichten,
bekannten Falles von goneralisirtem Pigmentsarcom. Es stellte sich dabei
heraus, dass es sich um ein pigmeutirtes Garcinom handelte. Das gleiche
Resultat ergab die Untersuchung eines ihm von anderer Seite über-
lassenen Falles von metastatischem subcutanem Pigmentsarcom. Mithin
glaubt U., dass sicher Fälle von melanotischem Garcinom als Sarcome
beschrieben worden sind und dass die Lehre vom Pigmentsarcom einer
Revision bedarf. Was den Ursprung der Naevuszellen betrifft, so gelang
es U. an pigmentirten Naevis von Neugeborenen und aus den ersten
Lebensjahren nachzuweisen , dass es sich dabei um echte Epithelien
handelt, die sich in der Embryonalzeit oder den ersten Lebensjahren
von Deckepithel abgeschnürt haben. Dieser eigenthümliche Befund weist
daher in sich bereits auf die Natur der späteren Geschwulst hin. Diese
Thatsache scheint eine wichtige Stütze der bekannten Cohnheim'schen
Garcinomtheorie abzugeben, wenngleich dieselbe bei der Mehrzahl der
Hautcarcinome nicht ausreicht. 0. Rosenthal.
(8) In dem vorliegenden P^all von Düring, von dem Hallopeau
und Vidal je einen analogen Fall beobachtet haben, handelt es sich
um eine congenitale, auf xerotisch veränderter Haut über den ganzen
Körper sieh ausbreitende, anscheinend symmetrisch auftretende Blasen-
der Dermatologie. 305
emption. Die an Grösse sehr differirenden Blasen, mit theils serösem,
theils eitrigem oder hämorrhagischem Inhalt heilen mit Hinterlassung
einer zarten, rosarothen, leicht abschuppenden Narbe ab, welche später
abblasst und einen scharfen, leicht pigmentirten Hof behält. In der
Narbe finden sich kleine Knötchen mit schleimigem Inhalt. Prädilections-
stellen sind die Streckseiten der Gelenke und die Dorsalfiäche der
Hände und Füsae, jedoch ist keine Stelle des Körpers ausgenommen.
Die Nägel fallen gewöhnlich ganz aus oder atrophiren stark oder ver-
ändern sich nach Art der Onychogryphose. Der Inhalt der Knötchen
besteht aus Detritus, Fett und Epithelsellen. Die Entstehung der Knötchen
beruht auf cystischer Entartung des durch die Entzündungsvorgänge ob-
literirten Ausfuhrungsganges der Schweissporen resp. Follikel. Die Aetio-
logie ist unbekannt. Verf. hält die Krankheit für eine seltene Ichthyosis-
forro und bezeichnet sie als Ichth. bullosa oder Ichth. mit pemphigoiden
Eruptionen. Vi dal nennt sie: Lesions trophiques, d'origine congenitale,
ä marche progressive; Hallopeau: Dermatose buUeuse infantile avec
cicatrices indelebiles, Gystes epidermiques et manifestations buccales;
Brocq: Pemphigus successiv ä Gystes epidermiques. Am nächsten der von
D ü h r i n g*schen Bezeichnung kommt die B e s n i e r'sche . Ichthyose ä pous-
sees buUeuses. Die Prognose hält Yerf. mit Rücksicht auf den ichthyo-
tischen Gharakter der Affection für ungünstig. Ledermann.
(9) V. beschreibt einen Fall von Ichthyosis bei einem 14] ährigen
Knaben, complicirt mit Folliculitis und Gomedones auf der hinteren Ober-
flächts der Arme und Vorderarme, wie auch diffusen begrenzten dergleichen
Efflorescencen am Rumpfe. Elsenberg.
(10) Eine 24jährige Frau bemerkte nach einem während 10 Tagen
durchgemachten Fieberznstande (Influenza) eine schwarze Pigmentation
ihrer Zunge, die sich auf ihrer oberen Fläche bis gegen die Papillae
circumvallatae erstreckte , ohne ihre Ränder und Spitze anzugreifen.
Die Zunge war glatt und feucht; der allgemeine Zustand gut ohne die
geringsten Klagen. Nach zweitäglichem Spülen mit Borsäure verschwand
gänzlich die Pigmentation. Die mikroskopische Untersuchung erwies im
schwarzen Belage: dicke Hyphomycetenfäden ohne Verdickungen, auch
Köpfchen bedeutender Grösse, mit schwarzen Sporen bestreut und mit
einem dünnen äusseren Häutchen, die die ganze Masse der Sporen
bedeckte, umgeben. Auf Brot und Kartoffeln entwickelten sie sich im
Thermostate als schwarzer Belag bei Zimmertemperatur; dasselbe trat
noch bei Temperatur 25' — 27* G. ein, zeigte sich schon aber nicht bei
37*. Am zweiten Tage nach der Ueberimpfung bedeckte sich die
Oberfläche des Nährbodens mit einem feinen schnee weissen Belage und
nahm während 2 Tagen die ganze Oberfläche ein. Am dritten Tage
bemerkte man schon an den freien Enden der Fäden schwarze runde
Köpfchen, zu Folge dessen die ganze Gultur nach 5—7 Tagen vollständig
schwarz schien. Die Verfasser finden den Pilz dem Mucor rhizopodiformis
ähnlich. Er unterscheidet sich jedoch durch die Farbe der reifen
Gulturen, durch die Gestalt der Sporen; er entwickelt sich auch bei
305 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
niedrigerer Temperatur und ist nicht pathogen, was das Hineinbringen
der Gnltur in die Halsvene eines Kaninchens bewiesen hat ; es verursachte
eben nicht die geringsten Veränderungen — das Kaninchen blieb gesund.
Die Verfasser rathen den Pilz, als Mucor niger und die Erkrankung
der Zunge als Mycosis linguae mucorina nigra s. nigrities
mucorina linguae zu benennen. Elsenberg.
(11) Anderson schildert einen typischen Fall yon Xeroderma
pigmentosum bei einem Knaben, dessen Schwester an der gleichen
Affection erkrankt ist. Der Fall zeichnet sich durch enorme Zerstörungen
im Gesicht aus. 'Die Section ergab Yollständiges Intactbleiben der
inneren Organe und ein zweifelloses Epitheliom im Gesicht. In welcher
Weise und wodurch die Umwandlung der Primärefflorescencen in
epitheliomatöse Bildungen in diesen Fällen vor sich geht, vermag Verf.
nicht zu erklären. Die Arbeit enthält sonst keine neuen Gesichtspunkte.
Ledermann.
(12) Fouler ton behandelte ein zweijähriges Mädchen an diffuser
Scierodermie, in deren Verlauf sich am rechten Fussrücken und am
rechten Obersehenkel gangränöse Stellen bildeten. Das Kind kam auf
das Aeusserste herunter und schien dem Tode nahe, bis durch eine
Amputation im mittleren Drittel des Oberschenkels eine Genesung
erfolgte. Die Wunde heilte, abgesehen von einer kleinen Randgangrän,
die sich bald abstiess, glatt und auch die Sclerodermie schien sich zu
involviren. Als aber das Kind aus dem Krankenhause entlassen wurde,
schritt sie weiter fort. Ein Querschnitt durch den abgesetzten Ober-
schenkel zeigte, dass alle Gewebe erkrankt waren. Die Haut war
aufs Engste verbunden mit dem subcutanen Gewebe, das sehr hart und
beträchtlich verdickt war. Es konnte von den Muskelfasern nicht entfernt
werden, ohne dass man stellenweise die Oberfläche der degenerirten
Muskelsubstanz mitnahm. Die Muskeln waren völlig degenerirt und sahen
grau, wächsern aus. Das Bein war völlig blutleer — (auch bei der
Operation war nach Unterbindung der Arteriae femoralis et profunda
kein Blut mehr geflossen). — Der Knochen war sehr atrophisch. Verf.
fasst die Erkrankung als eine primäre Erkrankung auf, die eine weit-
verbreitete und genetisch verwandte Gruppe von Geweben meso-
blastischen Ursprungs befällt und zwar das subcutane Gewebe, die
Muskelfasern und die fibrösen Gelenkkapseln. Sternthal.
(13; Haie t heilt 4 Fälle von Myxoedem mit, die durch In-
jectionen mit Saft der gland. thyreoidea mehr oder weniger gebessert
wurden. Bei allen trat aber, wenn 3 4 Wochen die Behandlung auegesetzt
wurde, wieder eine deutliche Verschlechterung des Zustandes ein, die
auf erneute Behandlung wich. Sternthal.
(14) Mc. Call Anderson theilt einen Fall von angeborenem
Xanthom bei einem 3jährigen Mädchen mit. Der Ausschlag besteht aus
zahlreichen, sehr eng bei einander stehenden Knötchen, deren Grösse
von einem Stecknadelkopf bis '/,, Zoll im Durchmesser wechselt. Wo
zvfei oder mehrere von ihnen aneinanderrücken, bilden sie Flecken
der Dermatologie. 307
angef&hr vod der Grösse einer halben £rbse. Die einzelnen Knötchen
sind rand, haben eine platte Oberfläche nnd glänzen bei Beleuchtung.
Die Grenzlinien der Flecken sind bogenförmig. Die Knötchen sind hell
lederfarben, weich, und die Haut in ihrer Umgebung ist weder verdickt
noch infiltrirt oder sonstwie verändert. Der Ausschlag ist symmetrisch
über Gesicht, Nacken, Schultern, Arme und Beine vertheilt und ist am
reichlichsten auf den Schultern. Die Knötchen und Flecken liegen in
unregelmässigen Gruppen. Die grösste derselben liegt beiderseits über
dem Deltoideus und erstreckt sich die Hinterfläche der Arme entlang
bis zum Ellbogen. Eine farbige Tafel zeigt diese Verhältnisse. — Von
den Knötchen fertigte Coats Schnitte an, von denen 4 Abbildungen
gt'geben werden. Nach Ansicht von Coats handelt es sich beim
Xanthoma tuberosum um einen Reiz, der die Haut trifft und das Bild
einer chronischen Entzündung in Form einer Zellenneubildung erzeugt.
Die Zellen ähneln denen, die in Folge des Reizes der Tuberculose und
der Syphilis entstehen, haben aber nicht die Anordnung oder Art der
Anhäufung der letzteren. Weiter gleicht es einer tuberculösen Störung,
dass die Zellen die auffallende Neigung haben zu degeneriren, was sich
an ihrem Fettgehalt zeig^. Der Reiz, der hier wirkt, ist zwar nicht
Tuberculose, aber die Anwesenheit von Riesenzellen und die Nei-
gung zur Degeneration legen den Gedanken nahe, dass irgend ein
Krankheitsgift bei der Erzeugung dieses Ausschlages eine Rolle spiele.
Sternthal.
(15) Der von Morrow beobachtete Kranke datirt den Beginn
seines Leidens auf das Frnl^jahr von 1884, wo er zuerst Schmerzen im
linken Fuss empfand; drei Monate später traten dieselben Schmerzen
im rechten Fuss auf und einige Monate später machten sich an beiden
Füssen kleine Knötchen bemerkbar, die einen brennenden Schmerz
verursachten und durch äussere Irritation ulcerirten. Später traten
gleiche Efflorescencen an beiden Knien und den Händen auf. Das AlU
gemeinbefinden blieb gut, wenngleich die Schmerzen den Kranken
längere Zeit von seiner Beschäftigung fern hielten.
Als Morrow den Kranken sah, fand er an den geoannteu Locali-
sationsstellen theils kleine, bis schrotkorngrosse , tief in der Haut
sitzende, ziemlich harte Knötchen von einem graugelblichen Colorit,
der nur manchmal durch die Anwesenheit von Teleangiectasien mehr
ins Röthliche strahlte, theils Conglomerate solcher Knötchen, welche dann
prominente bräunliche Massen repräsentirten. Einzelne Efflurescenzen
machten den Eindruck von Warzen, andere den von Milien. Die
Epidermis über den meisten Knötchen war verdünnt, bei anderen, welche
einem Druck ausgesetzt waren, verloren gegangen und durch Krusten
ersetzt. An einzelnen Stellen befanden sich Narben. Während gewöhnlich
das klinische Bild des Xanthoma durch die Farbe und die weiche
Consistenc der Geschwülste, durch ihre Prädilection für gewisse Ge-
genden und durch die Allgemeinerscheinungen fest charakterisirt ist
und* leicht diagnosticirt wird, war in dem vorliegenden Falle der erfahrene
308 Beriebt über die Leistungen auf dem Gebiete
Diagnostiker zuerst im Zweifel. Gegen die Diagnose sprach die besondere
Gruppirung der EfHorescencen , das Freibleiben der gewöhnlichen
Prädilectionsstellen und besonders die ausserordentliche Härte der Ge-
schwülste ; dazu kam die reiche Entwicklung von Capillaren, welche den
Tumoren einen röthlichen Farbenton gab, so dass Verf. geneigt war an
eine künstliche Färbung eu denken. Störungen von Seiten der Leber
fehlten vollständig, auch waren die sensitiven Störungen für Xanthom
ungewöhnlich. Die von Fordyce vorgenommene mikroskopische Unter-
suchung Hess an dar Xanthomatosen Natur der excidirten Knötchen keinen
Zweifel.
Durch Behandlung mit 20— 257, Salicylpflaster und nachfolgender
Application von Ung. diachylon gelang es in relativ kurzer Zeit die
meisten Knötchen zur Heilung zu bringen, weshalb Verf. dieser ebenso
einfacheui wie wirksamen Methode sehr das Wort redet. Jedoch halt
er für voreilig, die Entfernung bestehender Geschwülste als gleichwerthig
mit einer vollständigen Heilung zu betrachten, da der ätiologische Factor
des Xanthomprocesses unzweifelhaft in unteren, constitutionellen Stö-
rungen zu suchen ist. Ledermann.
(16) Brooke gibt in der Einleitung einen ausführlichen üeber-
blick über die Geschichte und Natur der von Darier uud Jacquet
zuerst als „Hydradönome eruptif" beschriebenen Affection und schildert
im Anschluss daran vier selbst beobachtete Fälle, in denen die
Affection in der bekannten, typischen Form auftrat. Die mikroskopische
Untersuchung excidirter Knötchen ergab zunächst Zellanhäufungen im
Gorinm, die den Eindruck eines Adenoms der Schweissdrüsen machten.
In diesen Herden fanden sich circuläre und ovale Cysten, welche theils
rein colloiden Inhalt, theils concentrische Lager anscheinend verhornter
Epithelzellen enthielten. Die Zellen, aus denen die Herde bestanden,
waren zweifellos epithelialer Natur. Ueber die Abstammung dieser
Zellstränge sind die Ansichten getheilt. Darier glaubt, dass sie Ver-
längerungen vorhandener Schweissdrüsen sind. Török hält sie für
embryonale Schweissdrüsenbildungen, welche erst in späterem Alter zur
Entwicklung kommen. Brooke ist der Meinung, dass es sich nicht um
identische Bildungen bei allen handelt und dass die Röhrenform, die
sie annehmen, nur eine scheinbare ist. Er hat niemals ein richtiges
Lumen gefunden. Das Bindegewebe, welches die epithelialen Zellan-
häufuDgen umgibt, ist von feinerer Textur als das gewöhnliche Binde-
gewebe des Coriums und bildet eine feste Kapsel. Es ist nach Brooke
ein Irritationsproduct, wie aus den zahlreichen in ihm enthaltenen
Granulationszelleu uud den perivasculären Infiltrationen hervorgeht. Die
Gegenwart von colloider Materie hält Verf. für einen essentiellen
Factor für die Bildung von Cysten, da es nur durch den extensiven
Druck der wachsenden Colloidmassen zur Bildung wirklicher Cysten
kommt. Die Affection selbst ist nach seiner Ansicht durchaus epithelialen
Ursprungs, weshalb er ihr den Namen „Epithelioma adenoides
oysticum** gegeben hat. Ledermann.
der Dermatologie. 309
(17) Kaposi stellt 3 verschiedene Typen von Sarcomatosis cutis
vor und will als Hautsarcomatosis nur jene eigenthümlichen und
interessauten Krankheitsformen ins Auge fassen, welche durch die
allgemeine Verbreitung der Neubildungen eine schwere Allgemein*
erkrankung darstellen und wahrscheinlich in der Haut entstehen und
«ich wesentlich auf sie beschranken. Im ersten Typus ist das idiopathische
multiple Pigment-Sarcom an einem 51jährigen Manne zu sehen. Diese
Form ist durch das erste Auftreten von Knoten auf Händen und
Füssen eharakterisirt. Sie sind roth und werden durch interstitielle Ca-
pillarh&morrhagien blauroth bis schwarzblau ; drängen sich zu mächtigen
knotigen Verdickungen des Handrückens, der Finger, der Flachhand,
der Füsse zusammen und verursachen schmerzhaftes Brennen. Sie
exulceriren selten. Die alten Knoten sinken ein, werden resorbirt und
hinterlassen braunpigmentirte atrophische Narben. Nach Jahren tauchen
an entfernten Stellen neue Knoten auf, mit derselben Tendenz zur
narbigen Atrophie, bis endlich die inneren Organe ergriffen werden. Bei
schleichendem Verlaufe, wirkungsloser Arsentherapie ist das letale Ende
voraussichtlich. Merkwürdig war in diesem Falle die anfängliche polster-
artige Verdickung der Haud- und Fussrücken bis gegen die grossen
Gelenke und das steinharte Anfühlen felbst der nicht geschwellten
Theile. Das randständige Auftreten von schrotkorngrosseu, blaurothen
Knötchen, die Schmerzen und die Gegenwart charakteristischer Knötchen
an beiden Ohrmuscheln, den Augenlidern und eine narbigatrophisohe
Stelle am Gefasse ermöglichten die Diagnose. Der zweite Typus stellt
•das echte melanotische Sarcom an einem 51 Jahre alten Manne dar.
Das Uebel begann vor 3 Jahren mit Schwellung der 1. Untereztremität,
führte zu Elephantiasis arabum dieser und der zweiten Seite bis zum
Becken hinan und zur Bildung schrotkorn- bis erbsengrosser schwarz-
blauer derber Knoten.
Der dritte Typus war an einer 76jährigen Frau zu demonstriren.
Da die Beziehung dieser Form zu Pseudoleukämie und Leukämie trotz
vieler Aehnlichkeit noch nicht deutlich zu umschreiben :8t, so hält K.
dafür, diese Form noch als sarcomatös zu bezeichnen und durch Blut-
Untersuchungen und klinische Beobachtungen das Dunkle dieser Fälle zu
klären. An der vorgeführten Frau, deren Uebel 3—4 Jahre alt ist, sieht
man an beiden Schulterregionen vorne und rückwärts, ebenso in der
oberen Thoraxgegend etwa 100 erbsen- bis nussgrosse, derbelastische Ge-
schwülste, von denen die kleineren lebhaft roth, die grossen dunkel-
blauroth gefärbt erscheinen. Nebstdem finden sich handtellergrosse
fiachkuchenförmige Plaques mit centraler Depression und kerbigen
Vertiefungen des Randes. Aehnliche Knoten in der Rücken- und Sacral-
gegend und auf den Extremitäten. Nach dem histologischen Bilde gleicht
diese Geschwulst dem Rundzellensarcom, aber doch nicht vollends. In
einem Theile ähnlicher Fälle war bald Leukämie, bald Pseudoleukämie
zu constatiren; bei dieser Kranken war der Blutbefund normal. Au
ArehiT f. Dennatol. u. Sypbil. Band XXVI. 21
310 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
6 — 8 Injectionen von Natr. arsenic. verflachten sich die meisten
Knoten, nm dann trotz Arseniktherapie wieder zuzunehmen.
Horovitz.
(18) Es handelt sich in dem von Hartzeil beobachteten Fall nm
einen Kranken, bei dem zuerst Erscheinungen einer Geschwulst im
rechten Bein auftraten, so dass eine Amputation im unteren Drittel des
Femur nothwendig wurde. Die Amputationswunde nahm einen nor-
makn Heilverlauf, jedoch kamen später Recidivknoten, welche durch
Aetzung mit starker Salpetersaure zerstört wurden. Während der
klinische Verlauf des Falles keine Besonderheiten aufweist, hat die
histologische Untersuchung excidirter Knoten sehr interessante Facta
ergeben. In dem einen bei Beginn des Leidens untersuchten Knoten war
die Epidermis sehr dünn, wo sie noch vorhanden war; im Gentrum der
Neubildung fehlte sie vollkommen. Die interpapillären Verlängerungen
des Rete mucosum fehlten an den meisten Stellen, hier und da waren
im Corium sich verzweigende Epithelzellenzüge, in welchen die Basal-
zellen vollständig verloren gegangen und durch Rundzellen der Neu-
bildung ersetzt waren. Das Gorium papilläre war dicht mit tief
pigmentirten Rundzellen infiltrirt, welche besonders die Papillen guirlan-
denförmig umgaben. In dem Gorium reticulare waren, durch grosse
Zwischenräume getrennt, runde und ovale Ansammlungen von Zellen
mit grossem Kern und spärlichem Protoplasma, zum grossen Theil durch
den gegenseitigen Druck polygonal abgeplattet. Ausser diesen Rund-
zellennestem waren zahlreiche, isolirte grosse Rundzellen mit ungewöhnlich
grossen Kernen. Die Blutgefässe besonders im oberen Theil des Goriums
waren stark erweitert und gleichen eher einem Sinus als wirklichen
Blutgefässen. Die Schnitte von einem später excidirten Knoten zeigten
das gewöhnliche Bild des Sarcomgewebes und waren nur durch die
grosse Menge des theils in Zellen eingeschlossenen, theils frei im
Gewebe liegenden Pigments bemerkenswerth. Im Anschluss an diesen
Fall beschreibt Verf. das klinische und mikroskopische Bild eines Jahre
lang isolirt gebliebenen Sarcomknotens am rechten Nasenflügel bei
einem 48jährigen Mann. Zum Schluss gibt Verf. casuistische und kritische
Uebersicht über einschlägige Mittbeilungen aus der Literatur.
Ledermann.
(19) Ein iSjähriger Mann hatte an der Brust, auf dem Rücken
und auf oberen Extremitäten sehr zahlreiche Geschwülste, die theils
erbsengross waren, theils der Grösse einer wälschen Nuss entsprachen,
verschiedener Farbe, von hellroth bis dunkel violett, fast schmerzlos mit
bedeutender Vertiefung in der Mitte derselben. Die am Gesicht und
besonders in der Gegend der Parotiden liegenden haben das Aussehen
kleiner begrenzter, dunkelvioletter Infiltrate. Der Isthmus faucium ist
durch eine hühnereigrosse Geschwulst von glatter Oberfläche und
dunkelblauer Farbe ausgefüllt. Die Hals-, Achsel- und Leistendrüsen sind
vergrössert, aber schmerzlos. Die mikroskopische Untersuchung der
Geschwulst der Mandel nach entsprechender Färbung der oberen
der Dermatologie. 311
Schichten fahrte zur Diagnose Lympho-Sarcoma. Ans der ganzen Be-
schreibang von S^dsiak schliesst der Referent, dass der Verf. einen
einfachen Fall von Haiitsarcomen, die von Kaposi als „idiopathische
multiple Pigmentsarcome'' beschrieben wurden, beobachtet hat.
Elsenberg.
Parasiten und parasitäre AfTectionen.
1. 9Iibelli, V. Sul Favo. Giomale Italiano delle malattie veneree et della
pelle. 1892. IT.
2. Kot^ar, E. J. Morphologie des Mikrosporon furfur. Wratsch 1892.
Nr. 42 pag. 1055. Nr. 43 pag. 1083.
8. £Tan§, Shelden Guthrie. Favus and its treatment — results in one
hundred and thirtynine cases. The Med. Record. New York. 1892.
30. April.
4. Neebe 0. u. Unna. Die bisher bekannten neun Favusarten. Monats-
hefte f. prakt. Derm. Nr. 1 und 2. XVI.
(1) Mi belli bringt zunächst einen klinischen Bericht über jene
7 Fälle von Favus, die hauptsächlich zu mycologischen und histolo-
gischen Untersuchungen verwendet wurden. Diese Fälle zeigten den
Favus in seinen verschiedensten Formen, als: Fav. herpetic, erythemat.,
papulo squam. und wahren Scutulum- Favus. Dann folgt eine ausführliche
historische Darstellung der Frage über die Einheit oder Mehrheit des
Favus erzeugenden Pilzes. Auf Grund seiner Beobachtungen spricht
sich Verfasser entschieden für die Einheit des Favuserregers aus.
Die verschiedenen klinischen Formen des Favus sucht er einerseits
durch die verschiedene Beschaffenheit der Haut an den verschiedenen
Körperstellen und bei verschiedenen Personen, durch das Vorhandensein
verschiedener, complicir ender Erkrankungen als Ekzem, Seborrhoe etc.
und andrerseits durch den Sitz der Pilzentwicklung in der Haut selbst
zu erklären, ob dieselbe nämlich in den obersten oder tieferen
Epithelschichten oder an einem Haarfollikel stattfindet etc. Die An-
nahme Quincke^s, es gebe zwei Favus-Arten, die durch verschiedene
Pilze hervorgebracht würden {a u. /?), müsse schon auf Grund der
klinischen Beobachtungen entschieden zurückgewiesen werden. Die lieber-
tragung desselben Favuspilzes auf verschiedene Personen brachte die
versobiedensten Formen des Favus hervor, und es zeigte sich, dass
gewisse Personen nur für ganz bestimmte Formen des Favus indiniren.
Im zweiten Theile bringt der Verfasser nach einer historischen Rück-
schau auf die Biologie des Favus -Erregers die Resultate seiner eigenen
Culturversuche. Bei 5 von 6 der Untersuchung unterzogenen Kranken
ergab sich ein positives Resultat. Neben der gewöhnlich gebräuchlichen
(classischen) Methode der Uebertragung von Scutulum-Partikelchen in
21*
312 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
die Nährmedien gebrauchte M. auch ein anderes Verfahren, indem er
nämlich den unteren Theil des Scutulums in sterilisirtem Wasser so
lange zerrieb, bis auch nicht das kleinste schwimmende Partikelchen
mehr wahrzunehmen war. Immer war das Resultat ein ganz constantes,
indem sich immer nur ein und derselbe Pilz entwickelte, dessen Aus-
sehen und Wachsthum auf den verschiedenen Nährmedien und bei
verschiedenen Temperaturen dann geschildert wird. Interessant ist, dass
der Pilz auf schräg gegossenem Agar an dessen dünnem, bald ein-
trocknendem Ende Entwickelungen zeigt, die einem wahren Scutulum
sehr ähnlich erscheinen. Die mit den Reinkulturen auf Menschen ge-
machten Inoculationen ergaben in 6 (von 12) Fällen ein positives Re-
sultat und zeigten, dass es ganz unzulässig sei, einen Favus herpeticus
und vulgaris zu unterscheiden, die sich in Folge verschiedener Pilz-
arten entwickeln. Der gezüchtete Pilz erwies sich beim Vergleiche mit
den von Pick, Kral, Dubreuilh und Marianelli gezüchteten als
vollkommen identisch mit diesen. Die Arbeit ist somit eine Bestätigung
der Ergebnisse von Pick über die Einheit der Favuserkrankung und des
dieselbe erzeugenden Pilzes.
Spietschka.
(2) Eotljar hat seine Gulturen auf rasirte Kaninchen überimpfen
können; die Farbe der entstehenden Flecke war die der Pityriasis
versioolor. Sein Pilz ist ein anderer, als der von Schien und Unna
beschriebene, gegen welche Autoren K. polemisirt. Abgesehen von der
Impfbarkeit unterscheidet sich der Pilz vom Sohle n-Unna'schen durch
die Fortpflanzung, die bei ihm, wie bei dem oidium lactis, durch
Theilung der Hyphen erfolgt. Die Hyphen zeigen bei gewöhnlicher Be-
handlung keine Gliederung, die sich aber durch Ghlor-Zink-Jodbehand-
lung nachweisen lässt. Anastomosen der einzelnen Hyphen kommen
nicht vor. Die Details des Verhaltens auf diversen Nährböden und der
Anatomie passen nicht in den Rahmen eines Referats. Als neuen Namen
statt des alten Mikrosporon furfur schlägt er Oidium subtile vor.
Strauch.
(4) Die zur Gattung Achorion gehörigen Favusarten, welche
sowohl auf natürlichem, als auch künstlichem Nährboden gedeihen,
schmarotzen auf den Homsubstanzen der Menschen und Thiere und
bilden bei längerem Aufenthalte daselbst stets charakteristische schüssei-
förmige Fruchtstände „Scutula^. Eine physiologisch ebenso wie morpho-
logisch ausgeprägte Hauptdifferenz der Favuspilze besteht in dem
grösseren oder geringerem Sauerstoffbedürfniss. Die einen bilden auf
der Oberfläche der Gulturen ein reichliches Luftmycel mit besonderen
Luftsporen. Zu diesen gehören drei Species. Sie wachsen auf Gulturen
schneller, haften bei Impfung auf lebende Wesen leichter, sind aber
auch leichter therapeutisch zu bekämpfen. Die zur aerophoben Gruppe
gehörigen produciren ein spärliches Luftmycel ohne Luftsporen, zeitigen
dagegen eigenartige Anschwellungen an den Hyphen im Nährboden.
Diese letzteren dienen zur üntertheilung dieser Gruppe. In der ersten
der Dermatologie. 313
der drei Unterabtheilungen fignrirt bis jetzt allein das Achorion
dichroon, das akromegalisch wächst, Rosenkränze, aber keine Endblasea
bildet. Die zweite Unterabtheilung nmfasst drei Arten, die neben akro-
megalischem Wachsthum Endblasen nnd gelbe Massen, aber keine
Rosenkränze aufweisen. Sie heissen Achorion aoromegalium,
demergens und oystieum nnd können durch die Reichlichkeit der
£ndblasen, sowie durch ihr verschiedenes makroskopisches Wachsthum
leicht unterschieden werden. In die dritte Unterabtheilung gehören
zwei Arten, die neben akromegalischem Wachsthum sowohl Endblasen
und gelbe Massen wie Rosenkränze bilden: Achorion monili forme
und tarsiferon. Diese unterscheiden sich sehr scharf durch die
Bildung der von den Verf. so genannten Tarsi d. i. eigenthümlicher,
knötchenförmiger Fruchtstände. Die Verf. halten es für erforderlich, bei
einem Favusfalle des Menschen in der Nachbarschaft nicht nur die
Existenz von Thierfavus nachzuweisen, um den Schluss auf die Ueber-
tragung zu rechtfertigen, sondern auch im Einzelfalle die Identität der
Favusspecies zwischen dem Menschenfavus und der vermutheten Quelle
sicherzustellen. Sie glauben, dass mit den 9 bisher differenzirten Favus-
arten keineswegs alle existirenden Species der Gattung Achorion erschöpft
sind und dass wir uns erst am Anfang unserer botanischen Favus-
kenntnisse befinden.
Bei den Culturversuchen verwendeten die Verf. meist den
Unna'schen „mittleren Nährboden ** aus 2— 47o Agar mit y,7o Kochsalz,
17o Pepton und 57o Levulose. Von der Unterfläcbe des Scutulums ab-
gekratzte Partikelchen wurden auf die Agaroberfläche übertragen, indem
ein langer Strich auf die Mitte des Nährbodens gemacht wurde. Die
entstandenen isolirten Colon ien wurden auf Agarröhrchen übertragen
und bildeten die Stammculturen, von denen alle 8 — 14 Tage abgeimpft
wurde. Von letzteren wurden theils Strich Impfungen auf Agar gemacht,
theils nur ein kleines Partikelche u des Pilzes auf eine Stelle des Nähr-
bodens placirt. Meist wurden auch noch Nebenimpfungen gemacht.
Auf Gelatine wurden kleine Partikelchen des Pilzes mittelst einer
Platinnadel eingestochen. Auf Blutserum wurde ebenso wie auf Agar
geimpft. Die Kartofifelculturen liessen die Verfif. stets in einer feuchten
Kammer, alle übrigen in offenen Körben bei 87° G. wachsen.
Zur Prüfung der morphologischen Eigenschaften der Pilze wurden
von den aerophilen Favusarten kleine, mittelst Platinnadel von der
Oberfläche des Luftrasens abgestrichene Partikelchen in verflüssigten
und auf 40 ** C. abgekühlten Agar geimpft, der flüssige Agar geschüttelt,
und 1 — 2 Verdünnungen angelegt. Das Ausgiessen wurde stets unter
einer Glasglocke vorgenommen, deren Boden mit in IVoo Sublimatlösung
getauchtem Fliesspapier bedeckt war.
Da jedoch bei den täglich nothwendigen Untersuchungen Ver-
unreinigungen nicht zu vermeiden waren, so wurde auch öfter das
von Unna eingeführte Verfahren der Minimalculturen in Anwendung
gebracht. Anstatt in Petrische Schalen wird dabei der Agar in leere
316 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie.
sterilisirte Röhrchen ausgegossen , welche dabei horiEontal umgelegt
werden, bis der Agar erstarrt ist. Diese Rohrchen wurden ebenfalls bei
87* in den feuchten Kammern gehalten. .
Bei den an Luftfruchten ärmeren Pilzen wurde meist nur eine
Verdünnung angelegt. Bei den früchtenreichen , aber luftmycellosen
Pilzen wurden stets zwei Verdünnungen angelegt und ebenfalls in sterili-
sirte Reagenzgläser ausgegossen.
Das Auskeimen der Sporen konnte bereits am ersten oder
zweiten Tage wahrgenommen werden. Bei Achorion euthytrix und
atacton begann die Luftsporenbildung bereits am vierten Tage, bei
den anderen war die Fruchtbildung vom 5. bis 8. Tage vollendet.
Von den Agarculturen wurden dann auch Stücke in Glycerin-
gelatine und Celloidin eingebettet und die Schnitte besonders nach der
Weiger tischen Färbung tingirt. Gleichfalls wurden Kartofielculturen
gehärtet und in Celloidin eingebettet. Hier ist jedoch die Weigert^sche
Färbung nicht anwendbar wegen der Affinität des Jods zum Amylum. Zu
empfehlen ist dagegen die Tinction mit alkalischem Methylenblau und
Entfärbung in Alkohol.
Der zweite Theil der Arbeit gibt die bei den einzelnen Pilzarten
gefundenen Eigenthümlichkeiten im Einzelnen wieder. Da sich gleich-
artige Thatsachen aneinanderreihen, so ist es nicht möglich bei der
Fülle der Einzelbeobachtungen ein erschöpfendes Referat zu geben und
müssen wir bezüglich dieses Abschnittes auf das Original verweisen.
Ledermann.
Venerische Krankheiten.
(Redigirt von Prof. Neiisser und Primararzt Jadassohn in Breslau.)
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316 Bericht über die LeistuDgen auf dem Gebiete
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Ref. The therapeutic Gazette. Apr. 1892.
19. Mauriac. Guerison tres rapide d'une Syphilide papnleuse confluente
par Phydrargyrie cutanee aigue. Gazette des Hopitaux. 1892. Kr. 9U
20. Sick. lieber Exstirpation des Rectums bei syphilitischer Erkrankung.
Jahrb. der Hamburger Staatskrankenanstalten. II. Jahrg. 1890.
(1) Ausgehend von der auf experimentellem Wege festgestellten
Thatsache, dass einem bestimmten Thiere Immunität gegen eine be-
stimmte Krankheit dadurch verliehen werden könne, dass demselben das
Blut eines anderen, gegen die nämliche Krankheit refractären Thieres
injicirt werde, unterzog Tommasoli sechs an recenter Syphilis leidende
Individuen nachstehender Behandlung: er injicirte ihnen Tag für Tag
mit der Spritze von Tarsini möglichst vollkommen sterilisirtes Blut-
serum vom Lamme. Die Injectionen wurden nach vorangegangener
Desinfection der Haut mit 2Voo Sublimatlösung intramu^culär in die
Nates ausgeführt und zwar kamen auf eine Ii^ection nicht weniger als
zwei und nicht mehr als acht Gem. Serum. Im Durchschnitt erhielt jeder
Kranke zehn Injectionen. Fast regelmässig traten nach den Einspritzungen
örtliche und allgemeine Reactionserscheinung^^ auf; die örtliche Reaction
bestand in einer gegen Druck schmerzhaften, ovalären und tiefen Ver-
härtung, während die allgemeine durch leichtes Fieber am Abende nach
der Injection und durch stärkeres oder schwächeres allgemeines Un-
wohlsein von kurzer Dauer gekennzeichnet war. Zweimal war die
betreffende Hinterbacke nach der Injection in toto geschwollen und
schmerzhaft, einmal stellten sich von der Injectionsstelle ausstrahlende
Schmerzen längs des Nervus ischiadicus ein, die sich bis zum Knie
erstreckten und zwei Tage anhielten. In zwei Fällen entwickelte sich an
der Hinterbacke, in welche injicirt worden war, ein rothlaufähnliches
Erythem. Diese stärkeren Reactionserscheinungen setzt Tommasoli in
erster Linie auf Rechnung der durch die Unzulänglichkeit seiner Hilfs-
mittel verschuldeten unvollständigen Sterilisirung des Blutserums. Bei
einem Kranken, der körperlich sehr herabgekommen war, sah sich
Tommasoli infolge der heftigen Fieberbewegung und der allgemeinen
Depressionserscheinungen, die die Injectionen im Gefolge hatten, geuöthigt,
die Cur zu unterbrechen.
Was den Heilerfolg anbelangt, war derselbe ein überraschend
günstiger: alle luetischen Formen schwanden mit einer Raschheit, wie
sie Tommasoli bei keiner mercuriellen Behandlungsmethode, die
subcutanen Injectionen mit inbegriffen, je beobachtet hat. Weiteren
Versuchen bleibt, wie Tommasoli bemerkt, die Entscheidung vor-
behalten, ob die nahezu wunderbare Heilwirkung des Blutserums vom
Lamme, die der Autor bei seinen sechs Kranken erzielte, constant eintritt,
ob durch dieses Heilverfahren eine vollständige und dauernde Heilung
der Syphilis. 317
der Syphilis erreicht wird und ob nicht vielleicht auf dem von Torama-
soli angegebenen Wege einem noch nicht von der Syphilis durch-
seuchten Organismus eine temporäre oder bleibende Immunität gegen
dieselbe verliehen werden könne. Dornig.
(2) Cotterell hat im August v. J. in 2 Fällen frischer Syphilis
Hundeserum subcutan mit gutem Erfolge angewandt, da das syphilitische
Exanthem und die übrigen syphilitischen Erscheinungen schnell danach
verschwanden. Die Kranken sind indess nur kurze Zeit beobachtet worden,
um den vermuthlich baktericiden Einfluss des Hundeserums zu erzielen,
muss dasselbe frisch sein. Wie andere Beobachter, hat auch C. nach den
ersten Einspritzungen eine leichte schnell vorübergehende Temperatur-
erhöhung bemerkt. An der Injectionsstelle bildet sich gewöhnlich eine
umschriebene weiche Anschwellung mit geringer Injectionsröihe. Diese
Erscheinungen verschwinden, ohne dass es jemals zur Eiterung kommt,
bald wieder. Zuweilen folgt der Einspritzung ein auf die Injectionsgegend
beschränkter, sich schnell wieder verlierender Urticariaausschlßg. Einge-
spritzt wird das Serum unter die Rückenhaut 2mal wöchentlich in
Dosen von 2 Gem. mit einer gut sterilisirten Spritze, nachdem auch die
Umgebung der Injectionsstelle mit einer öy^igeu Garboll ösung sorgfältig
abgewaschen ist. Die Gewinnung des Serums geschieht, indem man das
Blut aseptisch aus der carotis entnimmt und dasselbe in ein weites
sterilisirtes Probirröhrchen fliessen lässt, auf dessen Boden behufs Ver-
meidung der Gerinnung ein wenig Oxalat-Lösung sich befindet. Nachdem
die Röhrchen zu 7« gefüllt sind, werden sie mit Baumwolle verschlossen
und in die Gentrifuge gebracht, um die Blutkörperchen und das Plasma
abzutrennen. Danach wird das Serum in kleinere sterilisirte Probir-
röhrchen übertragen, die mit Baumwolle verschlossen werden. Soll das
Serum weiter transportirt werden, so bringt man es in sterilisirte Glas-
pipetten, deren Enden in einer Gasflamme ziigeschmolzen werden. Zum
Schluss wird die Obduotion des bz. Hundes ausgeführt, um sich über die
Gesundheit desselben zu vergewissern. G. hat seine Versuche im Anschluss
an die bereits pubhcirten Tommas oli's (Modena) gemacht. Loeser.
(3) Beates räth, in allen, auch noch so zweifellosen Fällen von
Initialsclerosen mit der Allgemeinbehandlung bis zum Einsetzen der
Secundärsymptome zu warten, da diese doch erst die Diagnose sicher
stellen. Sodann bekennt er sich zu der wohl sehr anzweifelbaren
Ansicht, dass man bei vorzeitigem Einsetzen oder sehr heftigem Auftreten
der Secundärsymptome auf spätere schwere tertiäre Gomplicationen
schliessen könne, ebenso wie langsames Auftreten der Secundär-
symptome eine gutartige Lues prognosticiren lasse. Paul Neisser.
(4) Hingston Fox wirft in Bezug auf Gooper's Publication
(Lancet 1892 7. Mai) die Krage auf, ob es für Patienten nicht vortheilhaft
sein könne, in zweifelhaften aber syphilisverdäohtigen Fällen vor
Stellung der gauz sicheren Diagnose Merour anzuwenden. Er glaubt durch
frühzeitiges Eingreifen den Verlauf der eventuellen Lues günstig beein-
flussen zu können. (? Ref.) Barlow.
318 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
(5) Simon yNieto spricht sich in einem längeren Artikel über
die Vor- und Nachtheile der Hg.-Injectionen bei der Lnestherapie ans.
In dem nichts Neues bringenden Aufsatz verwirft er iror Allem die un-
löslichen Salze als unwirksam und grosse Schmerzen, Abscesse u. s. w.
verursachend ; er empfiehlt am meisten das Hg. pepton. und das Sublimat.
Um Salivationen zu vermeiden, gibt er neben Gurgelwässern innerl.
Natr. salicyl. Paul Neisser.
(6) Ullmann. Die Thatsache, dass die sogen, unlöslichen, besser
gesagt schwer löslichen Hg.-Präparate eine gegenüber den leicht löslichen
Hg.-Salzen viel sicherere und ausgiebigere Wirkung entfalten, steht wohl
hinlänglich fest. Einzelne derselben, wie das Calomel, Hg. oxyd. flav.,
Hg. salicyl., dann das graue Oel Längs erfreuen sich aus diesem
Grunde vielseitiger Anwendung. Ein Uebelstand haftet ihnen (mit Aus-
nahme des grauen Oels) jedoch an, d. i. die mangelhafte Dosirnng in
den bisher gebrauchten flüssigen Vehikeln. Auf der Abtheilung Langes
wurde nun der Versuch gemacht, die verschiedenen im Gebrauche
stehenden schwer löslichen Hg.-Präparate in solche Dispensationsformen
zu bringen, welche dem genau dosirbaren grauen Oele möglichst nahe
stehen. Mittelst wechselnder Mengen von Lanol. anhydr. und Paraff. liquid,
wurden P^mulsionen angefertigt, welche sowohl in ihrem Hg.-Gehalte,
als auch in ihrer Consistenz annähernd dem dOy^igea Lang sehen
grauen Oele entsprechen. Mit den, in der Spitalsapotheke des Wr. allg.
Krankenhauses hergestellten Injections-Präparaten wurden nun an 109
syphilitischen Kranken subcutane InjectioDen unter die Rückenhaut
gemacht u. zw. derart, dass zuerst jedesmal an einer Reihe von Kranken
durch entsprechende Parallelbeobachtungen die locale Reaction der
einzelnen schwer löslichen Hg.-Präparate mit der nach derselben Dosis
von Ol. ein. auftretenden verglichen, dann erst an einer zweiten Reihe,
bei welcher jedesmal das entsprechende Präparat allein angewendet
wurde, auch der Einfluss auf den syphilitischen Process erhoben wurde.
Diese Versuche beanspruchen hauptsächlich deshalb besondere Beachtung
weil bei dieser Art der Verabreichung und Dispensation der Injections-
präparate der so oft gerügte und so oft von grossem Schaden für die
Patienten begleitete Uebelstand mangelhafter Dosirung entfällt, demnach
auch das Urtheil über die locale Reaction und die Wirkungsweise eines
jeden Präparates ein wirklich einwandfreies ist und demgemäss auch
eine Vergleichung zwischen den einzelnen Präparaten gestattet. Wie sehr
die mangelhafte Dosirung in die Wagschale fallen kann, erhellt aus
einer Reihe von Versuchen, die im ehem. Laborat. ausgeführt wurden
uud ausführlich beschrieben werden. Genaue Wägungen ergeben in den
heute gebräuchlichen flüssigen Vehikeln z. B. Kochsalzwasser, Paraff.
liquid., Glycerin, Gummischleim und Pflanzenöle wegen ihres geringen
specif. Gewichtes eine Senkung der in ihnen suspendirten specif.
schwereren Präparate z. B. Calomel, Hg. Oxyd. flav. etc. und dadurch
Ungenauigkeiten in der Dosirung bis zu selbst 90*/o der angestrebten
Dosis u. zw. zeigen die Versuche deutlich, duss die Ungenauigkeiten —
der Syphilis. 319
durcli Senkung der wirksamen Bestandtheile in der Saspension ver-
ursacht — umso grösser werden, je grosser das specif. Gewicht des
Hg.-Mittels und je kleiner das des Vehikels ist. Die specif. leichteren
dünnflüssigen Vehikel sollten demnach als irrationell verlassen oder nur
unter entsprechender Vorsicht d. i. nach unmittelbar vorhergehendem
Schütteln angewendet werden. Dieser üebelstand entfallt nunmehr bei
dieser Art der Bereitung, geradeso wie dies vom grauen Oele bekannt
ist. Zur Verwendung gelangten ausser den schon oben genannten Prä-
paraten noch Hg. oxyd. rubr.. Hg. oxydul. nigr., Hg. salicyl. basic.
(Heyden), Hg. thymol. aceticum (Merck), Hg. diphenylicum (Merck), Hg.
benzoicum oxyd. (Brandt- Stoukowenkofif), Hg. resorcino-aceticum (Merck),
Hg.- tribromphenol -aceticum (Merck). Die letztgenannten beiden Präparate
wurden auf Lang*s Abtheilung s. Zeit (1889—1890) von dessen 1. Se-
cundärarzte üllmann überhaupt zum erstenmal in Verwendung ge-
zogen. Die Doäirung der bezüglich des Hg.-Gehaltes dem 807oigen Ol.
ein. vollständig gleichgemachten Lanolinparaffinemulsionen geschah auch
ganz analog der beim grauen Oele gebräuchlichen. Injicirt wurde an
einer Stelle ausnahmslos nur 0*1 Ccm. d. i. ein Theilstrioh der L angesehen
Injectionsspritze. Letztere unterscheidet sich von einer gewöhnlichen
Pravaz^schen Spritze nur dadurch, dass sie nur beiläufig 0*5 Ccm.
Wasser fasst und in Folge ihrer Länge und der grösseren Distanz der
an der Stempelstange angebrachten Theilstriche eine weit genauere
Dosirung bis selbst zu Hunderteln eines Gem. ermöglicht. Die genannte
Menge von O'l Ccm. wurde nun in der Regel in der ersten Behandlungs-
woche an 2 Stellen ii^icirt, in jeder folgenden Woche je eine derartige
Injection gemacht u. zw. so lange damit fortgefahren, als Symptome
vorhanden waren. In Ausnahmsfällen kann jedoch diese Dosis, was die
Zahl der Injectionen betrifft, etwas überschritten werden, so zwar, dass
auch in der zweiten, event. dritten Woche 2 Injectionen verabfolgt
werden, oder aber dass auch nach Schwund aller Symptome eine oder
die andere Injection eines Präparates nachgeschickt wird („Uebordis-
pensation'' Lang's). Die Resultate, die nun mit den genannten Präparaten
in der eben beschriebenen Anwendungsweie^ und Dosirung an stationären
sowie ambulanten Kranken erzielt wurden, finden sich in der Arbeit für
jedes einzelne Präparat ausführlich beschrieben und zum Schlüsse in
einer Tabelle zusammengestellt, welche die Verhältnisse der localen
Reaction, der mittleren Behaudlungsdauer und der dabei allenfalls be-
obachteten toxischen Wirkung der einzelnen Hg.-Präparate enthält und
die wir hiemit auszugsweise wiedergeben. Als Massstab für den Grad
der loc. React. wurde das 307oige graue Oel genommen u. zw. deshalb,
weil gerade auf dieser Abtheilung darüber ausgedehnte Erfahrungen
vorlieg(.>n. Stärker als aufE< graue Oel reagiren die Kranken auf Calom.,
Hg. oxyd. fiav. u. rubr.. Hg. oxydul. nigr.. Hg. tribromph.. Hg. benzoic.
oxyd. u. Hg. diphenyl. u. zw. entspricht die genannte Reihenfolge
zugleich dem Intensitätsgrade der React. Die beiden Präp.: Hg. thymol-
acet. und Hg. resorc. acet. verursachten durchschnittlich dieselbe. Hg.
320 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
salicyl. basic. mitunter sogar noch geringere Reaction als das graue Oel.
Die durchschnittliche Behandlungsdauer der in Evidenz gebliebenen Fälle
betrug für Calom. 17*7, für Hg. oxyd. flav. 18*5, für Hg. oxyd. rubr. 22
Tage. Hg. oxydul. nigr. 19'5, Hg. tribromph. 19, Hg. benzoic. oxyd. 27,
Hg. diphenyl. 22, Hg. thymoi. acet. 26'7, Hg. resorc. acet. 20, Hg. salicyl.
bas. 32*7 Tage. Intoxicationserscheinungen traten auf: 8m al unter 16 mit
Calom. behandelten Individuen, femer 6mal unter 17 mit Hg. oxyd. flay.,
2mal unter 9 mit Hg. diphenyl., je einmal unter 7 beziehungsweise 18
und 16 mit Hg. benzoic, Hg. thymoi. acet. und salic. behandelten
Individuen. Bei den übrigen der oben erwähnten, hier nicht genannten
Präparate traten Intoxicationserscheinungen nicht auf; aber auch die
beobachteten Erscheinungen waren fast immer nur ganz geringer und
vorübergehender Natur, meist leichte Stomatitis, Diarrhoen und sistirten
innerhalb weniger Tage nach Aussetzung der Injectionsbehandlung von
selbst; nur in einem Falle kam es zu schwerer Stomatitis und periostalen
Schwellungen der Kieferknochen u. zw. nach Hg. diphenyl. Als Er-
klärungsursache für diesen Fall wird in der ausfuhrlich beschriebenen
Krankengeschichte eine früher vorhandene und übersehene Nephritis
herangezogen. Hervorzuheben ist ferner die in der Arbeit entsprechend
den Grundsätzen Langes verlangte, am Beginne einer jeden Injections-
Behandlung oder aber sofort beim Auftreten der mindesten Intoxications-
erscheinung vorzunehmende gründliche Untersuchung des Kranken
TnitEinschluss desUrinbefundes. Beim Vorhandensein bezw. Au f'^
treten von Albumen oder Formelementen im Urin ist mit der Injections-
behandlung za sistiren, was jedoch — wie viele Fälle beweisen — nicht
hindert, dieselbe nach Schwund der Erscheinungen wieder erfolgreich fort-
zusetzen. Unter solchen Vorsieh tsmassregeln erscheint dem Autor diese
Methode ebenso ungefährlich, wie die oft so unbequeme und undurchführ-
bare Inunctionscur oder andere minder wirksame Methoden der Hg.-Ein-
verleibung. (Bäder, Elektroendosmose, interne Application etc.) Was die
pharmaceut. Bereitung der Präparate betrifft, so ergaben die Versuche,
dass die Mischung am innigsten und zugleich raschesten erfolgte, wenn
die mögliehst fein geriebenen und durch ein Haarsieb geschüttelten, ab-
gewogenen Pulvermengen unter tropfenweisem Zusatz von Paraff. liquid,
in einer Porzellanschale abgerieben und hernach erst das Lanol.
anhydr. nach und nach hinzugefügt und damit innig verrieben wurde.
Die ganze Procedur dauert für die gegebene Menge der Substanzen
höchstens 20 Minuten (nach Angabe der Spitalsapotheke). Die Gonsistenz
der Präparate ist dabei während der Winterszeit bei Zimmertemperatur
(18** C.) starr, so dass eine Senkung der Hg.-ßestandtheile nicht statt-
findet. Durch vorsichtiges Erwärmen der Präparate in heissem Wasser
oder über der Spirituslampe (auf 26 — 30" G.), was in breithalsigen, mit
Glasstopfen verschlossenen Glasgefässen recht gut geschehen kann, er-
halten dieselben die entsprechend flüssige Ii^'ections-Gonsistenz. Da die
entsprechende Formel des grauen Geis ja als hinlänglich bekannt voraus-
gesetzt wird, werden hier nur die der übrigen Emulsionen augegeben.
der Syphilis.
321
Calom.
Paraff. liquid, aa
Lanol.
1 Cm> zz
Hg. oxyd. flav.
Paraff. liquid.
Lanol. anh.
1 Cm> z:
Hg. salicyl. bas.
Paraff. liquid.
Lanol. anh.
1 Cm» ZI
Hg. diphen.
Paraff. liquid.
Lanol. anh.
1 Cm» ZI
Hg. thym. acet.
Paraff. liquid.
Lanol. anh.
1 Cm» =:
4*5
40
0-371 Hg.
40
4-5
3-5
0-392 Hg.
60
4-0
2-0
0 370 Hg.
7 0
40
20
0-357 Hg.
70
50
2-5
0-392 Hg.
Hg. oxyd. rubr. 4*0
Paraff. liquid. 4*5
Lanol. anh. 3-5
1 Cm» zz 0-392 Hg.
Hg. oxyd. nigr. 4*7
Paraff. liquid. 6'2
Lanol. anh. 3*0
1 Cm» zz 0-393 Hg.
Hg. resorc. acet. 5-6
Paraff. liquid. 5*5
Lanol. anh. 2-0
1 Cm» =: 0-385 Hg.
Hg. benzoic. oxyd. *) 7*0
Paraff. liquid. 18*5
0-5 Cm» iz 0039 Hg.
Hg. tribromph. *) 6-5
Paraff. liquid. ISO
0*5 Cm» ZI 0039 Hg.
Der Autor kommt nun an der Hand seiner statistischen Zusammen-
stellungen zu folgenden bemerkenswerthen Schlüssen. Die Mehrzahl der
Hg.-Verbindungen steht bezüglich der Intensität der Localreaction —
geht man nur wie in den beschriebenen Versuchen yon dem gleichen
Metallwerthe aus — über dem metallischen Hg. in Form des grauen
Oeles, bloss das Hg. salicyl. weist im Durchschnitte geringere, das
thymol. und resorcin. Hg. annähernd gleiche Resultate auf, als das
graue Gel. Dem Autor scheint dabei zweifellos die chemische Constitu-
tion der verschiedenen Präparate sehr wohl in Betracht zu kommen, so
wirken z. B. die Chloride und Oxyde weit aggressiver auf die Gewebe
als die Hg.-Yerbindungen mit anderen, z. B. den aromatischen Körpern.
Deutlich zeigt sich dies beim Calomel, dem gelben und rothen Oxyde,
dem schwarzen Oxydul. Interessant ist das Verhalten des Tribromphenol-
praparates; dieses nähert sich, offenbar wegen seines Bromgehaltes, den
anderen Halogenverbindungen des Hg. und steht so in der Mitte zwischen
beiden Gruppen, einerseits den activeren Halogenverbindungen und
Oxyden, andererseits den milder wirkenden organischen Verbindungen
des Hg. Dem Autor erscheinen gewisse Eigenschaften der Präparate,
das sind nämlich der Grad der localen Reaction, die Raschheit der Allge-
') Diese beiden Präparate konnten wegen ihrer Voluminosität und
ihres verhältnissmässig geringen Hg.- Gehaltes nicht in Lanolin emulsionen
gebracht werden, sondern wurden nur in Paraffin, liquid, suspendirt und
vor dem Gebrauch gut geschüttelt.
322 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
meinwirkung, endlich die Toxicität in einem gewissen organischen
Zusammenhange zu stehen; so steht z, 6. das am raschesten wirksame
Calomel mit einer mittleren Behandlungsdauer von ca. 17 Tagen auch
an der Spitze in der Scala der Toxicität und localen Reaction gegenüber
dem Salicyl-Hg., welches in der Raschheit der Wirkung (mittlere Be*
handlungsdauer 32*7 Tage) aber auch in den anderen beiden Beziehungen
in der Scala zu tiefst steht. Jedenfalls gelangen die local heftiger
angreifenden Chloride und Oxyde sehr rasch zur Wirkung, weisen aber
auch die meisten Intoxicationen auf. Präparate mit ausgesprochen
milderer Wirkung wie Hg. thymoL, benzoic. und salicyL weisen auch
eine entsprechend längere Behandlungsdauer sowie eine weit geringere
Anzahl von Intoxicationserscheinungen auf. Bemerkenswerth kurz war die
Behandlungsdauer von Hg. resorc. u. tribromph. : sie betrug bloss 20
respect. 19 Tage. Dabei zeichneten sich beide Präparate, besonders aber
das erstere durch sehr milde loc. React., beide aber durch Fernbleiben
von Intoxicationserscheinungen aus; Gruud genug, diese hiemit neu in
die Therapie eingeführten Präparate zu Zwecken antiluetischer Iniections-
behnndlung besonders zu empfehlen.
Das Gesammtresultat der Behandlung mit diesen unlöslichen
Präparaten ergibt für die 62 geheilten Personen eine mittlere Behand-
lungsdauer von 22*5 Tagen, eine auffallend kurze Zeit, die auch von
einer gut geleiteten Inunctionscur nicht übertroffen wird. Dabei kamen
unter 118 Personen (hier sind die 4 gebesserten Fälle und die mit Ol.
ein. parellel mit je einem anderen unlöslichen Salze behandelten hinzu-
gezählt) 19 fast immer ganz leichte Intoxicationen zur Beobachtung,
von welchen jedoch 14 ausschliesslich auf Calom. und Hg. oxyd. flav.^
somit bloss 5 auf alle übrigen Präparate entfallen. Ein Vergleich des Ol.
ein. mit allen genannten unlöslichen Präparaten fallt rücksichtlich der
loc. React. mit Ausnahme des Salicyl-Hg. zu Gunsten des Ol. ein. aus. Das
graue Oel wirkt längs» mer als Calomel und die Hg.-Oxyde, aber mindesten»
ebenso rasch, als alle oben erwähnten Hg. -Präparate. Es beansprucht bei
Application von 0'2— 0*4 Ccm. in der ersten Woche und weiterhin bei Anwen-
dung von wöch. 0*1 - 0 2 des 307, Präparates durchschnittlich 3—4 Wochen
zur Tilgung mittelschwerer luet. Allgemeinaffectionen. Dabei ist auch bei
derartiger Dosirung und einem von früher her gesunden Individuum an
eine Intoxication absolut nicht zu denken. Das graue Oel wird vom
Autor auf Grund seiner sonstigen Erfahrungen und dieser Zusammen-
stellungen im Vergleiche zu anderen Präparaten als ein nicht nur auf-
fallend mildes, sondern auch als prompt und fast immer sicher
wirkendes Mittel bezeichnet. Calom. und die Hg.-Oxyde erscheinen dem
Autor wegen ihrer heftigen Localreact. wenigstens in dieser Dosirung
für die ärztliche Praxis kaum oder nur für gewisse dringende Fälle
verwendbar. Bezüglich Recidiven wird in der Arbeit nichts aus eigenen
Erfahrungen ausgesagt, und dieser Mangel damit gerechtfertigt, dass-
dazu wieder eigene systematische Beobachtungen erforderlich wären,
welche in einer Universitätsstadt mit so getheiltem und versprengtem^
der Syphilis. 323
kliniBchem Materiale an der Klinik niemals einheitlich nnd beweisend
darchgefnhrt werden können. Der Autor hat mit der Veröffentlichung
dieser schon Tor ungeföhr 2 Jahren zum Abschluss gekommenen Resul-
tate bezweckt, zunächst den früher noch nicht verwendeten beiden
Präparaten, dem Besorcin- und Tribromph.-Hg. ihre seinen Erfahrungen
gemäss gebührende Plätze als sehr wirksame und dennoch milde In-
jectionspräparate zuzuweisen, andererseits auch zu zeigen, dass die oft
so sehr geschmähte und mit Unrecht so sehr gefärchtete Behandlungs-
methode mit den „schwer löslichen'' Präparaten sehr gute Resultate
liefern kann und auch liefert, vorausgesetzt, dass die Anwendung nur
zweckmässig und vorsichtig genug betrieben wird. Die Resultate würden
dann denen, mit einer sorgsam geleiteten Inunctionscur nicht nachstehen.
Trotzdem beabsichtigt er nicht die Injectionen in besonderer Weise,
etwa als ausschliessliche Syphilistherapie anzuempfehlea. Inunctionen,
Bäder mit und ohne Elektroendosmose, Pillenbehandlung, alle Methoden
mögen auch weiterhin zurecht bestehen. Er wendet nach wie vor neben
anderen Arten der Mercurialisirung, Inunctionen, Protojoduretpillen
etc. etc. mit dem besten Erfolge einzelne der schwer löslichen Hg.-
Präparate, insbesondere aber das Lang'sche graue Oel, Hg. resorc.
acetic. und Hg. salicyl. basic. in Form von subcutanen Injectionen
unter die Rückenhaut an. Dieselben sind eben so wirksam wie bequem
für den Arzt und die Kranken. Autoreferat.
(7) Raymond bringt in einem längeren Artikel eine üebersicht
sämmtlicher Arbeiten und Ansichten der einzelnen französichen Autoren
über den Werth der Injectionen mit löslichen und unlöslichen Hg.-Salzen
und kommt zu dem Resultat, dass die Injectionen sicher nicht die Zu-
rückweisung verdienen, die sie bisher in Frankreich im Allgemeinen
erfahren haben. Im Gegentheil, Verfasser empfiehlt warm unter Auf-
zählung aller bekannten Vor- und Nachtheile die Injectionen unlöslicher
Salze, besonders des Hg. oxydat. flav. und des Ol. cinereum, ohne jedoch
die interne Behandlung völlig abgeschafft sehen zu wollen.
Paul Neisser.
^8) Lewy hat Versuche mit Hydrargyrum thymolo-aceticum und
Hydr. salicylicum im Ganzen 99 Inj. ä 0'05 je zur Hälfte mit einem der
oben beschriebenen Präparate gemacht. Der Erfolg der Curen (im Ganzen
circa 7—8 Injectionen pro Person) war momentan durchaus befriedigend»
allein Recidive wurden häufig schon im 2. bis 5. Monat beobachtet.
Ausserdem entstanden häufig Beulen und Infiltrate. Die Schmerzhaftigkeit
bei der Injection war meistentheils massig, manchmal aber bestand
wochenlang Druckempfindlichkeit an den betreffenden Stelleu.
Barlow.
(9) Arnaud bespricht in seiner unter Jullien's Leitung ge-
fertigten Inauguraldissertation die Wirkungen des Succinimid-Queck-
silbern. Derselbe gibt, nachdem er die einschlägige Literatur citirt, die
chemische Zusammensetzung des Präparates und zugleich diejenigen
Vorsichtsmassregeln an, welche bei der Herstellung und Aufbewahrung
324 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
des Medicamentes angewendet werden müssen. Es wird sowohl intern
(2 Pillen von 2—8 Centigramm pro die) wie subcutan (tägl. I^j. zu je 2
Milligramm) mit bestem Erfolge gebraucht Niemals, bei vielen hundert
Einspritzungen (sämmtlich in die Nates) wurde Abscessbildnng be-
obachtet. Die einzelne Cur bestand durchschnittlich aus 20 Ini. (Be-
obachtung an 40 Pat.). Nach interner Application trat Quecksilber am
2.~S. Tage nach der Anwendung im Urin auf| nach subcutaner In-
jection schon nach 5 — 6 Stunden. Letztere Methode ist auch therapeutisch
die wirksamere. Vor Allem gut beeinflusst werden Erscheinungen der
Secundärperiode. Eine Beschreibung der wichtigeren Quecksilberanalyseu
im Harne ist beigegeben. Barlow.
(10) Jullien empfiehlt in allen den Fällen, in denen man aus
irgend welchem Grund von Injectionen mit unlöslichen Hg.-Salzen ab-
sehen zu müssen glaubt, tägliche lujectionen von Succinimidquecksilber
in der Dosis von 0,002:1.0 aq. dest. Er will in 38 Fällen nur Smal eine
leichte Salivation, nie eine ernstere Stomatitis, nie Erscheinungen von
Seiten des Magens und nur höchst selten Diarrhoen gesehen haben.
Nach durchschnittlich 22 Injectionen (er hatte jedoch auch schwerere
Fälle, in denen er bis auf 45 Injectionen stieg) sah er ein Verschwinden
aller secuudären Symptome und auch bedeutende Besserung tertiärer.
Die Injectionen mit reinen, guten Lösungen waren absolut schmerzlos,
nie trat unter 581 Injectionen ein Infiltrat oder ein Abscess auf.
Paul Neisser.
(11) Neumann injicirt von 1 "/o und 2% Aspargiequecksilberlösung
je eine Pravaz'sche Spritze täglich entweder subcutan in die Sub-
scupulargegend, oder iutramusculär in die Glutaei. Diese Injectionen
werden im Allgemeinen gut vertragen, bedingen nur leichte, wenig
schmerzhafte Infiltrate. Nur in einem Falle entstand heftige Stomatitis
und blutige Diarrhoe. Syphilitische Exantheme blassen auf 10—14 In-
jectionen ab, schwinden aber erst nach 3 — 4 Wochen. Durchschnittliche
Behandlungsdauer 40 Tage, durchschnittliche Zahl der Injectionen 27.
N. setzt diese Injectionen ihrer Reaction und Wirkung nach neben
Sublimat, Formamid-, Pepton-Quecksilber. Finger.
(12) Das Hydrarg. salicylic. wurde in lO'/oiger Suspension mit
Paraffinum liquidum angewendet. Zwischen dem basischen von Heyden
bezogenen und dem neutralen vom Apotheker des Bürgerhospitals in
Köln bezogenen Salz ergab sich in der therapeutischen Wirkung kein
wesentlicher unterschied. Die Injectionen, welche in die Glutäen ge-
macht wurden , beeinflussten die Krankheit im Allgemeinen günstig
veranlassten keine Intoxicationserscheinungen und verliefen schmerzlos.
Nur in einer Anzahl von Fällen versagte die antiluetische Wirkung,
so dass das Präparat den meisten anderen Injectionsmitteln, besonders,
dem Oleum cinereum an Sicherheit nachsteht. Zweckmässig werden
wöchentlich 2 Injectionen ä 0,1 Hydrarg. salicyl. gemacht. Erforderlich
sind durchschnittlich 7 Injectionen. Recidive waren sehr zahlreich)
der Syphilis. 325
traten frühzeitig auf und waren meist schwerer Natur. Die Arbeit
ist unter der Aegide Leichtenstern's angefertigt worden.
Karl Herxheimer.
(18) Allen schildert Darstellung und Eigenschaften des Hy^
drargyr. tannic, die ja genügend bekannt sind. Von ungünstigen Neben-
wirkungen sah er in einigen Fällen, bei keineswegs hoher Dosirung,
Stomatitis, zweimal schweren Speichelflüss. Die Vorzüge des Präparates
vor anderen Hg.-Yerbin düngen sind: 1. Dass es haltbar ist, sich nicht
zersetzt, 2. dass es schnell assimilirt und schnell eliminirt wird, 8. dass
auf diese Weise eine ziemlich grosse Quecksilbermenge gegeben und ein
relativ grosser Theil absorbirt werden kann, wie quantitative Analysen
des Urins beweisen, 4. dass es — nach Verf.'s Erfahrung — nicht so
leicht Salivation hervorruft wie Galomel und Protojoduret. Hydrargyri,
6. dass es nicht so leicht wie Protojoduret und Sublimat Diarrhoe und
Gastroenteritis verursacht, 6. dass es von Kindern in Dosen von 0,02—0,04
pro die gut vertragen wird, 7. dass der Magen absolut nicht davon ge-
reizt wird, da es in demselben unverändert bleibt und erst zerfallt,
nachdem es mit dem alkalischen Darmsafte in Berührung kam.
Sternthal.
(14) Lustgarten wendet das von ihm zuerst empfohlene Hy-
drarg, ozydatum tannic. noch immer mit grosser Vorliebe an, nachdem
er es an ungeföhr 300 Fällen geprüft hat. Er behandelt die Lues inter-
mittirend, indem er zunächst 30 — 40 Einreibungen unmittelbar nach dem
Auftreten der Allgemeinersch einungen machen lässt (Inunctionen hält er
für die energischeste Methode) ; dann gibt er 3—5 Gran Hydr. tannic. pro
die einen Monat lang und dann dasselbe weiter mit Intervallen, die vom
1— S Monate zunehmen. Bei secundären Recidiven und bei tertiären Er-
scheinungen hat er von Hydr. tannic. und J.-K. (beide Medicamente in
einem Zwischenraum von einigen Monaten gegeben) gute Erfolge gesehen.
Die Dosis für den Erwachsenen ist 3—5 Gran pro die (100 — 150 Gran
für eine Cur), für Kinder V3— 1 Gr. 2-4mal tägl. in 1 TheelöflFel Milch.
Stärkere Stomatitis, unangenehme Erscheinungen von Seiten des Magens
hat er nie gesehen, da es keine cumulativen Wirkungen besitzt. L. ver-
schreibt das Hydr. tan ni cum mit Ac. tannic. und Sachar. in Gelatine-
Kapseln.
(15) Namara empfiehlt zur Behandlung der Syphilis „Mercury
with chalk^ (Qnecksilberoxyd) in der Dosis von 1—2 Gran tägl. für Er-
wachsene. B a rl o w.
(16) Lewis empfiehlt zur Behandlung der Lues Quecksilber in
Form von Pulvern mit Opium oder in Tabletten, bestehend aus je 1
Gramm, „graues Pulver ** und Ipecacuanha und 2 Gramm Milchzucker. Auf
diese Weise glaubt Verf. eine stark antiluetische Wirkung ohne lästige
Nebenerscheinungen stets erzielt zu haben. Lasch.
(17) Spitzka betont mit grossem Nachdruck den Unterschied
zwischen den luetischen Erkrankungen des Gentralnervensystems je
nach dem sie resultiren aus einer gummösen Erkrankung und aus sy-
ArebiT f. Dermatol. a. Syphil. Band XXVI. 22
326 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete der Syphilis.
philit. GkftsBver&nderongen oder sich als Tabes dorsalis, resp. Dementia
paralytica darstellen. Afifectionen der ersten Art sind durch die schnelle
und heftige Art ihres Auftretens gekennzeichnet und werden durch eine
reohtseitige antiluetische Behandlung schnell zum Verschwinden gebracht.
Weniger Erfolg habe die antisyphilitische Behandlung bei Tabes und
progressiver Paralyse. Lasch.
(18) Lagrange hat in einem Falle von luetischer Iritis und
Chorioiditis subcutane Injectionen von Sublimat 1*0:1000*0 in den
Tenon^schen Raum angewendet, nachdem eine Liunctionscur und Jod-
kalium erfolglos geblieben waren. Innerhalb von 3 Wochen war der
Pat., dessen Sehschärfe bei Beginn der Behandlung Vt gewesen war, so
weit hergestellt, dass er wieder arbeiten konnte. Yerf. hält 5 — 6 Tropfen
einer Sublimatlösnng von 7i*«f mehrmals iigicirt für eine genügende Dosis.
Lasch.
(19) In die Behandlung Mauriac's kam ein junger Mann mit
einem papulösen Syphilid, das ca. 2 Monate nach dem Auftreten der
Sclerose sich eingestellt hatte. Der Pat. wurde mit Hg.-Pillen behandelt,
die er sehr gut vertrug, das Exanthem ging zurück, Pat. wurde ent-
lassen. Wenige Tage später bekam der Pat von Neuem — und dieses
Mal viel stärker — ein papulöses Syphilid. Der Pat. erhielt jetzt Ein-
reibungen von täglich 4 Gr. (Jng. ein. Am 4 Tage zeigte sich au den
Stellen der Inunctionen ein Ekzem, das innerhalb von 24 Stunden sich
über den ganzen Körper ausbreitete, scharlachroth war und mit hohem
Fieber einherging. Am 6. Tage nahmen Röthung und Schwellung der
Haut ab, das Fieber ging herunter, es trat ganz wie bei Scharlach
eine Schälung grosser Hautpartien ein. Keine Salivation, keine Stomatitis,
keine Erscheinungen von Seiten innerer Organe. Am 2. Tage nach dem
Auftreten des Hg.-Ezanthems wurde das Exanthem undeutlich, am 4.
Tage war es verschwunden. M. schliesst jede andere Erkrankung wie
Erysipelas oder Scarlatina aus und ist geneigt, die überaus schnelle
heilende Wirkung des Hg.-Exanthems auf Rechnung des bestehenden
hohen Fiebers zu setzen. Lasch.
(20) Sick macht zunächst einige statistische Mittheilungen über
die Häufigkeit des Vorkommens venerischer Rectumaffectionen bei
Männern und Weibern, bespricht kurz die chirurgische Therapie der
Rectumstricturen und veröfifentlicht dann 3 von ihm operirte Fälle von
Mastdarmlues mit sehr gutem Ausgange. In den beiden ersten Fällen,
die seit Beginn der luetischen Erkrankung unter ärztlicher Gontrole
gestanden und wiederholt Hg.-Curen durchgemacht hatten, zeigten die
mikroskopischen Präparate keine für Lues charakteristischen Verände-
rungen. Der HL Fall, der 8 Jahre lang nicht behandelt war, — cf. die
Krankengeschichten im Original — zeigte Gefassveräuderungen und
Gummata im ganzen Bereiche des Darms. Lasch.
Buehanzeigen und Bespreehungen.
Prot Dr. 6. Lewin. Tafel der Anatomie der Haut Verlag von
S. Karger, Berlin.
Angezeigt von Prof. M. Kaposi in Wien.
Eine 0*95 : 1*45 M. in Fläche betragende colorirte Tafel,
darstellend einen idealen Durchschnitt durch die Haut, mit Ein-
tragung aller, auch der feinsten histologischen und anatomischen
Details und ihrer genauen Benennung, zum Zwecke der Demon-
stration beim Unterricht von dem Autor nach mikroskopischen
Präparaten angefertigt. Dieselbe ist zu dem erwähnten Zwecke
sehr zu empfehlen, namentlich in den ersten Wochen des klinischen
Semestral-Unterrichtes, da thatsächlich in der genannten Richtung
die Studirenden aus ihren anderweitigen Disciplinen wenig Orien-
tirung mitbringen.
Internationaler Atlas seltener Hautkrankheiten. Herausgeber P.
G. Unna Hamburg, Malcolm Moris London, H. Leloir
Lille, L. A. Duhring Philadelphia. Hamburg und Leipzig Leo'
pold Voss. Heft VI bis IX.
Angezeigt von Prof. F. J. Pick in Prag.
Wir haben dem gross angelegten Werke schon einmal eine
eingehende Besprechung gewidmet, es erübrigt uns heute nur noch
zu constatiren, dass dasselbe den Erwartungen, die wir von der
Fortsetzung desselben gehegt haben, in vollkommener Weise ent-
sprochen worden ist. Die neuen Lieferungen enthalten: Bruce,
Abnorme Färbung der Haut und Schleimhaut; Jacquet, Ulcera
trophica, Syringomyelie ; Giovannini, Canities unguium; Unna,
Leukonychia et Leukotrichia ; Besnier, Malleus chrouicus ; L e w i n
und Heller, Gornua cutanea syphilitica; Brooke, Keratosis
follicularis contagiosa; Darier, Psorospermosis follicularis vegetans
(2 Tafeln); Schweninger und Buzzi, zwei Fälle von Darier'-
scher Dermatose; Babes, Pemphigus malignus; Mibelli, Forme
non commune de K6ratodermie (Porokeiatosis); Sack, Psoriasis
conjunctivae; Tommasoli, Akrokeratoma hystriciforme heredita-
rium. Man sieht aus dieser Inhaltsangabe, dass es sich um Gegen-
stände von höchster actueller Bedeutung handelt und dass die
Herausgeber darauf bedacht waren, die denselben Gegenstand be-
handelnde Specimina zusammen zu stellen. Auch der Verlagshand-
lung zollen wir für die bildliche und textliche Ausstattung volles
Lob und wünschen dem Unternehmen, welches die Dermatologen
aller Länder zu grösstem Danke verpflichtet, einen gedeihlichen
Fortgang.
V
ar 1 a.
XI. Internatioiialer med. Gongress. Das Executiv-Comit^ des
XL Internat, med. Congresses hat beschlossen, denselben vom 29.
März bis 5. April 1894 in Rom tagen zu lassen. An den Arbeiten
des Congresses können alle jene Aerzte theilnehmen, die durch
Erfüllung der mit der Inscription verbundenen Obliegenheiten in
Besitz der Mitgliedskarte gelangt sind. — Doctoren anderer Disci-
plinen, die sich fUr die Arbeiten des Congresses interessiren,
können mit den gleichen Rechten und Pflichten wie die Aerzte
Gongressmitglieder sein, und steht ihnen ebenfalls das Recht zu,
thfitigen Antheil an den Arbeiten zu nehmen, sowohl durch Vor-
träge als durch Theilnahme an den Discussionen. — Der Beitrag
der Mitglieder des Congresses ist auf 20 M. festgesetzt. — Die
Herren Aerzte und alle jene Personen, welche am Congresse theil-
zunehmen wünschen, werden ersucht, ihren Beitritt baldigst dem
General- Secretariat des XI. Internationalen medicinischen Congresses
in Genua anmelden zu wollen. — Die von den Eisenbahngesell-
schaften gewährten Ermässigungen sind vom 1. März bis zum 30.
April giltig.
Comedonen-Quef scher aus Hnrtglas. Von Dr. Karl Ullmann
in Wien. Die gebräuchlichen Comedonen-QuetBcher sind fast ausschliesslich
aus Metall construirt und haben in Folffe dessen den Nachtheil der Un-
durchsichtigkeit, die es nicht gestattet, den Erfolg beim Ausquetschen der
Comedonen und Pustelchen mit dem Auge controliren zu können. Ausser-
dem lassen sie sich nicht leicht reinigen und rosten gerne. Die genannten
Nachtheile sind bei den nach meiner Angabe vom Instrumentenmacher
Leiter in Wien ausgeführten Apparatchen vermieden. Dieselben haben
annähernd die Form der schon von Hebra sen. gebrauchten ührschlüssel,
sind aber aus schwer zerbrechlichem Hartglas, in Folge dessen durchsichtig
und was hauptsächlich her\'orzuheben ist, stets leicht zu reinigen und zu
desinficiren. Sie werden in vier verschiedenen Weiten ange^rtigt. Sie
können ebensowohl vom Arzte als vom Patienten selbst benützt werden.
Die Handhabung geschieht leicht und schmerzlos. Der Instrumentenmacher
Leiter versendet die Apparatchen zu je vier in verschiedenen Weiten in
eigenen Holzetuis. Der Preis des einzelnen beläuft sich auf wenige Kreuzer.
Einige Wiener Collegen, denen ich dieselben zum probeweisen Gebrauche
übergeben habe, waren damit ebenso wie ich so zufrieden, dass ich es für
wertn halte, die Aufmerksamkeit der Fach collegen auf dieselben zu lenken.
Archiv f Dermaiologie u Syphilis Band XXW
Dinkler^ Urpthritis gonorrhoica des Manne
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Originalabhandluiigei]
Arehlr f. Demutol. n. STptall. Buid XXYl. 23
Kann die Behandlung mit Quecksilber
Cylindrurie und Albumüiurie
hervorrufen? ')
Von
Dr. Edvard Welander in Stockholm.
Um ein Heilmittel genau zu kennen, ist es nicht nur
nöthig zu wissen, wie es auf einen Theil krankhafte Processe
im Organismus einwirken kann, sondern auch — soweit dies
möglich ist — aufweichen Wegen es sich in den Körper einführen
lässt, wie lange es in ihm remanirt und wann, wie und auf
welchen Wegen es eliminirt wird, welche Einwirkung es auf
nicht krankhafte veränderte Eörpertheile ausübt und welche
Ungelegenheiten es in der einen oder anderen Richtung in
dem Organismus herbeifuhren kann, für den es in Anwendung
gebracht werden soll.
In den letzten Jahren sind in dieser Richtung eine Menge
Untersuchungen über verschiedene Heihnittel ausgeführt worden ;
so haben wir eine nicht unbedeutende Kenntniss von der Ab-
sorption und Ehmination des Quecksilbers erhalten, und ebenso
haben wir erfahren, wie dieses Heilmittel — in der einen oder
anderen Form angewendet — nachtheilig auf die Haut, auf
die Schleimhaut des Mundes, des Magens und des Darmcanals
einwirken kann etc. Dahingegen hat man in hohem Grade
die Frage übersehen, welche Einwirkung dieses Mittel auf die
Nieren haben kann, und dieses ist um so merkwürdiger, da un-
') Vortrag) gehalten im Verein schwedischer Aerzte am 19. De-
cember 1893.
23*
332 Welander.
zählige Untersuchungen gezeigt haben, dass das Quecksilber
constant in grosser Menge gerade durch die Nieren eliminirt
wird. Es sollte ja die Frage ganz nahe zur Hand gelegen
haben: Geschieht diese Elimination in der Regel ohne eine
Heizung der Nieren, oder, wenn eine solche Reizung stattfindet,
ist sie von einiger Bedeutung und kann sie vorübergehend oder
für die Zukunft einen Schaden herbeiführen? Ich will versuchen,
in diesem Aufsatz einen kleinen Beitrag zur Beantwortung
dieser Frage zu liefern.
Es war in England, wo man zuerst beobachtete, dass
Albuminurie bei Syphilispatienten auftreten kann; man schrieb
indessen die Albuminurie auf Rechnung des angewendeten
Quecksilbers. Gegen diese Ansicht trat Ray er (1840) auf)
welcher hervorhob, dass es die syphilitische Krankheit an sich
selbst sei, welche die Albuminurie hervorrufe. Seitdem hat
dieses als ein Glaubensartikel gegolten, und erst im Jahre 1885
— so viel ich habe finden können — ist die Ansicht wieder
ausgesprochen worden, dass die Behandlung mit Quecksilber
eine zufällige Albuminurie hervorrufen könne.
Auf dem IV. Congresse für innere Medicin in Wiesbaden
in dem genannten Jahre erwähnte nämlich Fürbringe r, dass
er bei 8 Patienten von 100, die der Mercurialbehandlung unter-
worfen wurden, den Harn albuminhaltig gefunden habe. Schuster
in Aachen bemerkte bei dieser Gelegenheit, dass auch er der-
artige Fälle beobachtet habe.
Da ich bei einer grossen Anzahl Untersuchimgen von
Patienten, die mit verschiedenen Quecksilberpräparaten behandelt
wurden, fand, dass im Laufe der Behandlung sowohl Cylin-
drurie, wie Albuminurie auftreten konnte, sah ich mich 1891
für berechtigt an, in einem Aufsatz: Ueber Albuminurie und
Cylindrurie durch Syphilis und Quecksilber. Nord. Med.-Arkiv,
Band XXIII, Nr. 29, folgende Ansicht auszusprechen:
„Cylindrurie und Albuminurie, auf Syphilis beruhend, sind
selten in einem frühen Stadium dieser Krankheit.
In einem späteren Stadium der Syphilis tritt in einzelnen
Fällen ohne entdeckbarß Ursache eine besondere Form von
acuter Nephritis mit Blutcylindern, Fettkorncylindern, Detritus
u. s. w. zusammen mit Papulo-Tuberkeln, Gummata etc. an
Kann d. Behandl. mit Quecks. Cylindrarie q. Albaminarie hervorrofen ? 333
anderen Eörpertheilen auf, verschwindet aber gleichzeitig mit
den anderen syphilitischen Symptomen bei specifischer Be-
handlung bald wieder (möglicherweise kann sie auf im Zerfall
begriffenen Nierensyphilomen beruhen).
Hg-Behandlung, namentUch kräftige, gibt sehr oft Anlass
zu Cylindrurie, zuweilen auch zu Albuminurie, welche Leiden,
gleich der Stomatitis, je nach der indiyiduellen Disposition in
schwererer oder gelinderer Form auftreten. Der Urin ohne
Eiweiss und ohne Cylinder berechtigt ebensowenig wie völlig
gesundes Zahnfleisch zu dem Schlüsse, dass nur eine unbe-
deutende Menge Hg absorbirt worden ist. Die Eenntniss von
der Grösse der absorbirten Hg-Menge wird nur durch Unter-
suchung des Urins oder der Foeces auf Hg erhalten.
Cylindrurie und Albuminurie, auf Hg-Behandlnng beruhend,
sind ziemlich schnell übergehend und lassen in der Regel
keine Disposition für Nephritis für die Zukunft zurück.^'
Auf dem zweiten internationalen dermatologischen Con-
gress in Wien im September 1892 hielt Schwimmer einen
Vortrag : „Ueber das Vorkonmien der Albuminurie bei luetischen
Affectionen,^^ in welchem er unter anderem sagte, dass er zwar
bei 22 Patienten von 250, die mit Hg behandelt wurden,
Albuminurie auftreten gesehen habe, dass er aber diese „Eiweiss-
ausscheidung als ein Symptom der constitutionellen Syphilis'^
betrachten müsse und dass in dieser Hinsicht seine „Ansichten
jenen Welanders widersprechen". In der darauf folgenden Dis-
cussion hob keiner der Redner die Wahrscheinlichkeit einer
Albuminuria mercurialis hervor.
Da nun Tausende von Hg-Untersuchungen uns gezeigt
haben, dass eine grosse Menge Hg ununterbrochen durch die
Nieren eliminirt wird, so sind wir ja ziemlich berechtigt zu
muthmassen, dass diese Elimination eine Reizung in ihnen ver-
ursachen könne, zumal wir wissen, dass bei acuter Intoxication
mit Hg anatomisch nachweisbare Veränderungen, wie Epithel-
nekrose mit oder ohne Kalkinfarcten, in den Nieren auftreten
können. Ullmanns zahlreiche, genaue Versuche an Thieren
haben dasselbe gelehrt: „Absolut und relativ am meisten Hg-
Metall fand sich stets in der Nierensubstanz" und dieses nicht
nur bei acuten Intoxicationen, sondern „auch bei den chronischen
:334 W elender. .
Vergiftungen sowie bei medicamentöser Dosirung, also bei relatir
kleinen einverleibten Hg-Dosen war der Metallgehalt der Niere
sehr gross^^ Auch wenn Ullmann in diesen Fällen keine
Epithelnekrose constatiren konnte, so ist eine solche doch von
anderen Forschem beobachtet worden.
Auf Grund alles dieses würde es mir eigenthümlich er-
scheinen, wenn wir nicht auch bei Menschen bei medicamen-
töser Dose von Hg mitunter in den Nieren Zeichen einer durch
die Elimination von Quecksilber hervorgerufenen Reizung be-
obachten könnten.
Da nun die Frage, inwiefern eine Behandlung mit Hg
eine Reizung in den Nieren hervorrufen und nachtheilig auf
sie einwirken kann, nicht nur theoretisches, sondern auch prak-
tisches Interesse haben kann, so habe ich eine neue Serie von
Untersuchungen angestellt, um meine früher ausgesprochenen
Ansichten zu controliren, und es ist das Ergebniss dieser Unter-
suchungen, welches ich hier darlegen werde.
Will man untersuchen, ob sich eine Reizung in den Nieren
vorfindet oder nicht, so genügt es nicht, mit einem mehr oder
weniger empfindlichen Reagens nachzusehen, ob sich Eiweiss in
nachweisbarer Menge im Harn findet oder nicht, sondern es
ist nothwendig, genaue mikroskopische Untersuchungen über die
Formenelemente, namentlich die Cylinder anzustellen, die im
Harne vorkommen können. Dieses hat Schwimmer in seinem
weiter vorn erwähnten Aufsatz unterlassen ; wenigstens geschieht
es nur äusserst selten, dass er etwas von den Cylindem er-
wähnt; es ist so gut wie ausschliesslich nur die Rede von der
Albuminurie.
Dank sei Stenbeck's Erfindung des Sedimentators (der
Centrifuge), so ist es nicht länger mit Schwierigkeiten verbunden,
gleich nach dem Lassen des Harnes solche Untersuchungen auf
Formenelemente, auf Cylinder auszuführen. Eine solche Unter-
suchimg gibt uns über den Zustand der Nieren viel wichtigere
Aufschlüsse als die Salpetersäure imd auch andere, für die
Albuminurie viel empfindlichere Reagentien.
In meinem weiter vom erwähnten Aufsatz habe ich diese
v<m allen anerkannte Auffassung auch hervorgehoben, und ich
will jetzt nur einige dort vorkommende Worte von mir über
Kann d. Behandl. mit Queoks. Gylindrorie n. Albuminurie hervor rufen ? 335
die Bedeutung des Vorkommens und des Auftretens Ton Cy-
lindem im Harne anführen. Nachdem ich betont habe, dass
man auf alle Formenelemente, von denen ein Theil constant
auftritt, Acht geben muss, hebe ich hervor, „dass man jedoch
das grösste Gewicht auf das Vorkommen von Cylindern zu
legen hat ; aber da entsteht die Frage : Können Cylinder in
dem Urin von einer völlig gesunden Niere vorkommen?
Und dann kann man mit Bizzozero fragen: Gibt es wirklich
eine völlig gesunde Niere ? Da man weiss, dass von den Nieren
beständig eine Menge für dieselben mehr oder weniger irri-
tirender Stoffe ausgeschieden werden müssen, so könnte es
nicht verwundem, wenn sich stets an irgend einer Stelle der-
selben ein irritativer Process fände, der sich durch eine mini-
male Veränderung des Harnes, z. B. durch ein paar Cylinder
in demselben, zu erkennen gäbe. Um die oben gestellte Frage
beantworten zu können, ist es nöthig, eine grosse Anzahl von
Untersuchungen an Personen auszuführen, die mit allen den
diagnostischen Mitteln, die wir jetzt haben, als völlig gesund
erkannt worden sind. Solche Untersuchungen habe ich Ge-
legenheit gehabt, nur in einer sehr geringen Anzahl von Fällen
vorzunehmen, ich glaube aber gleichwohl, dass ich auf Grund
dieser und meiner an syphilitischen Personen ausgeführten
Untersuchungen berechtigt bin den Schluss zu ziehen, dass
man bei völlig ge^nden Personen keine Cylinder antreffen darf,
dass aber das Vorkommen eines oder ein paar hyaliner oder
feinkörniger Cylinder uns nicht das Recht gibt, auf eine in der
einen oder anderen Weise wirklich krankhafte Veränderung
in den Nieren zu schliessen, die diesen Urin secemirt haben.
Ganz anders gestaltet sich das Verhältniss, wenn man einen
Fall verfolgt und in ihm anfänglich keine oder nur ein paar
einzelne solche Cylinder findet, dieselben aber während des
Verlaufes der Krankheit immer zahlreicher werden und vielleicht
gar mit Blut- oder Epithelcylindem untermischt auftreten sieht.
In einem derartigen Falle hat man das Recht, eine nach und
nach zunehmende Reizung in den Nieren anzunehmen. Blut
und Epithelcylinder und ebenso auch metamorphisirte Cy-
linder haben ja ihre Bedeutung, aber auch eine grosse Anzahl
hyaliner und feinkörniger Cylinder dürfte sicher einen mehr
336 Welander.
oder weniger abnormen Zustand in der Niere zu erkennen
geben."
Diese meine damals ausgesprochenen Ansichten stimmen
ToUkommen mit denen überein, zu welchen ich auf Grund der
zaMreichen Untersuchungen gekommen bin, die ich seit jener
Zeit ausgeführt habe.
Wenn zur Untersuchung Harn von einer Frau angewendet
wird, so ist er mittelst des Katheters zu nehmen; wird der
Harn von einem Mann genommen, so ist der zuerst gelassene
Theil desselben zur Sedimentirung nicht anzuwenden, weil sich
in ihm Trippereiter, Tripperfaden u. dgl. finden können, worin
die Untersuchung auf Cylinder auf mehr oder weniger bedeu-
tende Hindemisse stossen kann.
Wenn ich nun die Ergebnisse dieser meiner letzten Unter-
suchungen über Cylindrurie und Albuminurie, durch Behandlung
mit Hg verursacht, darlege, so scheint es mir am zweck-
mässigsten zu sein, erst über das Auftreten der Hg-Cylindrurie
zu berichten.
Das Vorkommen imd Auftreten von Cylindem im Harn
kann selbstverständlich keine Bedeutung als Beweis dafür
haben, dass die Cylinder durch eine Behandlung mit Queck-
silber hervorgerufen sind, sofern es sich nicht zeigt, dass sie
in der Regel in dem Verhältniss auftreten, an Menge zunehmen
und sich vielleicht auch in ihrer Beschaffenheit entwickeln, in
dem die Behandlung mit Hg fortschreitet. Sollten die Cylinder
in der Syphilis ihren Grund haben, so müsste ja ihr Auftreten
und Verschwinden mit dem Auftreten und Verschwinden der
syphilitischen Symptome in Zusammenhang stehen; stehen sie
dagegen mit der Behandlung mit Quecksilber, d. h. der Elimi-
nation des Quecksilbers durch die Nieren in Zusammenhang,
so muss ihr Auftreten und Verschwinden auch mit einer ver-
mehrten oder verminderten Ausscheidung von Quecksilber durch
die Nieren Uebereinstimmung zeigen.
Haben also die Cylinder in der Syphilis ihren Grund,
so dürfte man sie im Anfange der Behandlung finden und sie
dann gleichzeitig mit den übrigen syphilitischen Symptomen
verschwinden sehen; haben sie dagegen in der Behandlung
mit Hg ihren Grund, so sollte man im Anfange der Behandlung
Kann d. Behandl. mit Quecks. Cylindnirie n. Albaminarie hervorrofen ? 337
keine oder nur einzelne Cylinder, einen mehr oder weniger
bedeutenden Cylindergehalt aber erst am Schlüsse der Be-
handlung finden.
In meinem vorigen Aufsatz habe ich erwähnt, dass ich
von 15 Patienten, die ich fiir den ersten Ausbruch der Syphilis
behandelte, im Anfange der Behandlung bei 13 keinen einzigen
Cylinder entdecken konnte und nur bei 2 ein paar hyaline
Cylinder antraf. Von 11 Patienten, welche ihre Behandlung
für Becidiv (secundäres Stadium) begannen, konnte ich Cylinder
nur bei einem entdecken, und auch er hatte nur ein paar.
Von 13 wegen tertiären Symptomen in das Krankenhaus auf-
genommenen Patienten hatten 10 keine Cylinder, 2 einige
und einer ziemlich viel hyaline und feinkörnige. Also von 39
Patienten in verschiedenen Stadien der Syphilis hatten 33 keine
Cylinder, und von den 6, bei denen Cylinder gefunden wurden,
hatten 5 nur ein paar hyaline Cylinder, d. h. nicht mehr, als
man bei völlig gesunden Personen antreffen kann, und nur
einer hatte eine grössere Anzahl, was ja alles dagegen spricht,
dass die Syphilis an und für sich Cylindrurie verursacht.
Ich habe nun Gelegenheit gehabt, 97 Patienten vor dem
Beginn der Behandlung zu untersuchen. Bei 17 von ihnen, d.h.
bei 17*5 Proc. waren Cylinder zu entdecken (welcher Procent-
satz ziemlich nahe mit dem in meiner vorigen Serie erhaltenen
zusammenfällt, wo er 15*4 Procent betrug). Auch diese Pa-
tienten haben sehr verschiedene Symptome von Syphilis, wie
Sclerosis, Roseola, papulöses und pustulöses Syphilid, Gummata?
Enochenaffection, Gehirn- und Rückenmarkssyphilis u. s. w.
gehabt. Von 46 Patienten mit dem ersten Ausbruch der
Syphilis haben 6, von 36 mit Recidiv (secundäi^em Stadium) 5
imd von 15 mit tertiären Symptomen 6 Cylinder gehabt. Von
diesen Patienten, bei denen sich Cylinder fanden, haben
sieben 1 Cylinder, *) vier 2 und einer 3 Cylinder gehabt ; vier
haben einzelne Cylinder und nur einer hat Cylinder hier und
') Wenn ich z. B. „einen hyalinen Cylinder'' angebe, so meine ich
damit, dass ich trotz sorgfältigen Suchens in 1 oder 2 Präparaten nicht
mehr als diesen einen Cylinder habe finden können; ich habe selbstver-
ständlich nicht das Sediment der ganzen Hammenge untersucht.
338 Welander.
da gehabt. Der Cylindergehalt bei den ersten 12 Patienten ist
mithin nicht grösser gewesen als derjenige, der bei TÖUig ge-
sunden Personen vorkommen kann, und bei den anderen 5 hat
er sich nur unbedeutend, wenn überhaupt etwas grösser als bei
diesen gezeigt. Von 5 Patienten hatten 4 Albuminurie bei
ihrer Aufnahme in das Krankenhaus, und bei einem stellte
Albuminurie sich im Laufe der Behandlung ein. Es scheint mir
am zweckmässigsten zu sein, diesen letzten Fall näher zu be-
sprechen, wenn ich über Albuminuria mercurialis berichte.
(Siehe Fall XX.)
Auch diese Serie spricht ja bestimmt gegen die Annahme,
dass die Syphilis an und für sich selbst, anders als ausnahms-
weise, Cylindnirie verursacht.
Wir wissen nun, dass bei der Behandlung mit Einreibungen.
Ueberstreichungen und Einspritzungen von löslichen und un-
löslichen Hg-Salzen eine ziemlich schnelle und gleichmässige
Absorption von Hg stattfindet, was sich durch eine constant
während der ganzen Dauer der Behandlung steigende Elimi-
nation von Hg zu erkennen gibt ; eine beträchtliche Elimination
von Hg ist noch einige Zeit nach Abschluss der Behandlung
zu beobachten; später nimmt die Menge des eliminirten Hg
mehr und mehr ab.
Ist es nun so, dass die Behandlung mit Hg, d. h« die
Elimination von Hg durch die Nieren, in den Nieren eine
Reizung hervorrufen kann und dass diese Beizung sich durch
das Auftreten von Cylindem im Harn zu erkennen gibt, so
dürften wir ja berechtigt sein zu erwarten, dass ein Cylinder-
gehalt im Harn im Anfange der Behandlung entweder gar
nicht oder in nur minimaler Grösse vorhanden ist, dass später
aber Cylinder auftreten und, je nachdem die Menge des eUmi-
uirten Quecksilbers wächst, immer zahlreicher werden, was mit
anderen Worten sagen will, dass wir im Laufe der Behandlung
Cylinder auftreten und sich dann allmälig bis zum Schlüsse
der Behandlung vermehren sehen.
Ich will hier den Raum nicht mit der Aufzählung einer
Menge von Fällen füllen, die ich in dieser Richtung untersucht
habe, sondern ich begnüge mich damit, nur folgende an-
Kann d. Behandl. mit Quecks. Gylindrarie n. Albuminurie hervorrufen? 339
zufuhren, welche zeigen, wie der Cylindergehalt während der
Behandlung wächst
Erster Ausbruch der Syphilis.
Fall I. B., 26 Jahre alt, wurde am 9./9. in das Krankenhaus auf-
genommen. Behandlung mit Sozojodol-Hg-Einspritzungen.
10^9. lEinspr. ; kein Alb.; 1,020 spec. Gew.; keine Cylinder.
15./9. 2 „ „ „ 1,025 „ „ keine Cylinder.
20., 9. 8 „ jt n 1,028 „ „ emzelne Cylinder.
25^9. 4 „ j, „ 1,016 „ „ hie und da Cylinder.
30./9. 5 „ „ „ 1,018„„ ziemlich viel Cylinder.
6./10. 6„ „ „1,019„ „ viel Cylinder.
11710. 7 „ „ „ 1.018 „ „ sehr viel Cylinder.
Fall 11. £., 21 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 18./9. auf-
genommen. Behandlung mit Sozojodol-Hg-Einspritzungen.
19./9. lEinspr. ; 20./T). kein Alb.; ? specGew.; keine Cylinder.
„ „ 1,025 „ „ einzelne Cylinder.
„ „ 1,020 „ „ zieml. viel Cylinder.
„ „ 1,020 „ „ hie u. da Cylinder.
„ „ 1,017 „ „ recht viel Cylinder.
„ „ 1,011 „ „ sehr viel Cylinder.
„ „ 1,015 „ „ sehr viel Cylinder.
Recidiv (secundäres Stadium;.
Fall in. S., 38 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 5./6. auf-
genommen. Behandlung mit Sozojodol-Hg-Einspritzungen.
6./6. lEinspr.; kein Alb. ; 1,016 spec. Gew. ; keine Cylinder.
1,020 „ „ zwei Cylinder.
1.019 „ „ ziemlich viel Cylinder.
1,017 „ „ ziemlich viel Cylinder.
1.020 „ „ viel Cylinder.
1,017 „ „ viel Cylinder.
1,022 „ „ Cylinder in bedeut. Menge.
Fall IT. H., 28 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 11. /9. auf-
genommen. Behandlung mit Ueberstreichungen von 6 Gr. Ung-Hg.
12./9. — kein Alb. ; 1,027 spec. Qew, ; keine Cylinder.
24.9. 2
»
25./9.
29./9. 3
ti
29./9.
4./10. 4
n
ö./lO.
9./10. 6
»
lO./lO.
14./10. 6
n
15,/10.
19./10. 7
n
20./10.
11./6.
2
16./6.
3
21 ./6.
4
26./6.
5
1./7.
6
6./7.
7
»
17./9. 5 Ueberstr. ;
n
„ 1,025
f) »
einzelne Cylinder,
22./9. 10
»
n
„ 1,028
» ff
einzelne Cylinder.
27./9. 15
n
r
„ 1,025
ff ff
hie und da Cylinder.
2,/10. 20
n
V
n 1,026
ff ff
viel Cylinder.
7./10. 25
»
n
, 1,016
ff ff
sehr viel Cylinder.
12./10. 30
n
r
„ 1,022
ff ff
sehr viel Cylinder.
Recidiv (tertiäres Stadium).
Fall y. W., 45 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 3./5. auf-
genommen. Behandlung mit Ueberstreichungen von 6 Gr. Ung-Hg.
5./Ö.
1
15./5.
11
20./5.
16
2Ö./5.
21
80./6.
26
4./6.
81
9./6.
85
?
n
n
ein kleiner GyUnder.
1,021
n
»
einzelne Gylinder.
1,024
n
n
einzelne Cylinder.
1,020
n
»
hie und da Gylinder.
1,024
n
rt
viel Gylinder.
340 WeUnder.
1 Ueberstr.; kein Alb.; keine Gylinder.
ff n n ^^^ ^^^ ^ Gylinder.
„ n n recht viel Gylinder.
„ 5» » eine Menge Gylinder.
„ ff » eii^e Menge Gylinder.
„ ff ff Gylinder in bedeutender Menge.
„ «ff Gylinder in bedeutender Menge.
In diesen wie in einer Menge anderen Fällen ist der
Cylindergehalt sehr gestiegen und bei Schluss der Behandlung
bedeutend gewesen; aber auch da, wo dieses nicht der Fall
gewesen ist, hat eine stetige Vennehrung der Cylinder, obschon
in einem geringeren Grade wie in den angeführten Fällen,
stattgefunden. Als Beispiel will ich folgenden Fall anfuhren:
Fall VI. 0., 85 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 16./9. auf-
genommen. Behandlung mit Einspritzungen von Sozojodol-Hg.
17J9. lEinspr.; kein Alb.; l,024 8pec. Gew. ; zwei kleine Gylinder.
22./9. 2 „ ff n
27./y. 3 „ ff ff
3.A0. 4 „ „ „
8./10. 5 „ ff ff
18.A0. 6 „ „ „
In noch geringerem Grade vermehrten sich die Cylinder in
folgendem Fall:
Fall Yll. M., 25 Jahre alt, wurde in das Krankenhans am 11./9. auf-
genommen. Behandlung mit Ueberstreichungen von 6 Gr. Üng-Hg.
18./9. — kein Alb.; l,020spec. Gew. ; keine Gylinder.
18./9. 5 Ueberstr. ; „ „ 1,025 „ „ zwei Gylinder.
28./9. 10 „ ff ff 1,023 „ „ keine Gylinder.
28^. 15 „ ff ff 1,018 „ „ einen Gylinder.
8./10. 20 „ ff ff 1,025 „ „ hie und da Gylinder.
9./10. 26 „ ff ff ? ff 9 ziemlich viel Gylinder.
Schliesslich finden sich Fälle, wo der Gehalt an Cylindem
so wenig gewachsen ist, dass er sich bei Schluss der Behand-
lung innerhalb des normalen Gebietes befunden hat, und ebenso
gibt es Fälle, wo es während der ganzen Behandlung nicht
möglich gewesen ist, einen einzigen Cylinder zu entdecken, z. B.
in folgenden beiden Fällen.
Fall YIII. W., 31 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 15./7.
aufgenommen. Behandlung mit Sozojodol-Hg-Einspritzungen.
17./7. 1 Einspr. ; kein Alb. ; ? spec. Gew. ; keine Gylinder.
22./7. 2 „ ff ff ^ ff ff keine Gylinder.
27./7. 3 „ „ „ 1,010 „ „ keine Gylinder.
l'/8' ^ n ff ff 1,015 „ „ „ „
6-/8- 5 „ n n 1,017 n n y> n
Kann d. Behandl. mit Quecks. Cylindrurie n. Albominorie hervomifen ? 341
Fall IX. F., 40 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 15./B. auf-
genommen. Behandlung mit Einreibungen und Ueberstreichungen von je
drei Gr. Ung.-Hg.
16./8. keine Einr. u. üeberstr.; kein Alb.; 1,025 spec. Gew.; keine Cyl.
21^. 6 >» » . n j> » 1,027 n Ji n n
26./8. 10 ^ „ n ft n 1|022 n n » »
81./8. 15 „ „ „ ff rt 1,019 n n » i»
IIA 26 „ „ „ „ „ 1,015 „ ^ „ „
16^9. 31 „ n n n r> 1,015 n » t> »
21./9. 36 „ „ „ „ „ ? „ „ drei Cyl.
25./9. 40 „ „ „ „ „ 1,020 „ „ einen Cyl.
2./10. Der Patient hatte mit der Behandlung 6 Tage ausgesetzt, nimmt
sie heute aber wieder auf.
2^10. 40 Einr. u. üeberstr.; kein Alb.; 1,005 spec. Gew.; keine Cyl.
7.A0. 45 „ „ „ „ „ 1,017 „ „ „ „
12./10. 50 „ „ „ „ y, 1,017 „ n n n
In einem Theil der Fälle hat der Cjlindergehalt kein
solches regelmässiges Steigen wie in den ohen angeführten
Fällen I — ^V gezeigt. Es ist Torgekommen, dass ein Patient
bei einer Untersuchung einen etwas geringeren Gylindergehalt
als bei der vorhergegangenen gehabt hat, aber wo dieses ge-
schehen ist, ist die Verminderung im Gylindergehalt stets nur
eine unbedeutende gewesen; es ist z. B. niemals vorgekommen,
dass ein Patient, bei dem das eine Mal eine Menge Cylinder
gefunden wurden, das nächste Mal keine oder nur einzelne
Cylinder gehabt hat, wohl ist es aber zuweilen geschehen,
dass ein Patient, bei dem bei einer Untersuchung Cylinder in
grosser Menge gefunden wurden, bei der nächsten Untersuchung
eine geringere aber doch reichliche Menge Cylinder gehabt hat.
Mitunter kann dieses auf der Concentration des Harns beruht
haben; so kann ein Patient an dem einen Tage, wo der Harn
von normaler Concentration ist, eine ziemlich grosse Menge
Cylinder haben, während er am Tage darauf, wenn er viel
Wasser getrunken und sein Harn ein sehr geringes spec. Ge-
wicht besitzt, Cylinder nur hie und da hat. Solclie Fälle sind
zwar ziemlich selten, doch kommen sie vor. Die allgemeine
Regel ist die, dass der Gylindergehalt constant mehr oder
weniger steigt, so lange die Behandlung mit Hg dauert. .
Wenn man nun berechtigt sein soll zu behaupten, dass
die Hg-Ausscheidung in der Kegel eine gewisse Beizung auf
342
Welander.
die Nieren ausübt, so muss man auch zeigen können, nicht nur
dasB der Cylindergehalt in der grossen Mehrzahl der Fälle sich
vermehrt, sondern auch, dass er sich in dem Grade vermehrt,
dass er bei Schluss der Behandlung mehr oder weniger be-
deutend grösser ist als bei Beginn derselben und bei gesunden
Personen. Folgendes Tableau zeigt, wie gross der Cylinder-
gehalt bei Beginn und bei Schluss der Behandlung bei 100 Per-
sonen gewesen ist; es zeigt auch, wie gross der Cylindergehalt
bei Schluss der Behandlung bei 42 anderen Personen gewesen
ist, die ich nicht bei Beginn der Behandlung, wohl aber bei
Schluss derselben und zum grossen Theil auch ein paar Mal
während der Behandlung untersucht habe.
Tabelle I.
es
Beginn
der Behandlung
83
HO
16
*) 9
»3
9
= 1
ol
&I
a
3}
Schluss
der Behandlung
9 U
uo
8
3
17
10
30
11
«
•'S
17
4
I
S I
= 6'
«<» —
.sag
w
O
.a
es
s
30
83
U
100
42
Summa l! 83
16
6
27 I 41
21
47
142
Proc. I 83 16 I 1 — I — II 4,2 19,0 1 28,9 1 14,8 1 33,1 1| —
Wir finden also, dass bei 23*2 Procent keine augen-
scheinliche Vermehrung der Cylinder stattgefunden hat, dass
bei 28*9 Procent die Vermehrung der Cylinder nicht unbe-
deutend und bei 47*9 Procent sehr bedeutend gewesen ist.
Dieses stimmt ziemlich gut mit den Ergebnissen meiner vorigen
TJntersuchungsserien überein, wo bei 30 Procent der Cylinder-
gehalt bei Schluss der Behandlung gering oder minimal war —
bei den übrigen 70 Procent zeigte sich aber auch dort eine
mehr oder weniger bedeutende Vermehrung des Cylinderge-
haltes. Alles dieses, so scheint es mir, kann nicht anders ge-
deutet werden, als dass die Vermehrung des Cylindergehaltes
in der Hg-Elimination durch die Nieren ihren Grund hatte,
daher ich glaube behaupten zu können, dass es sehr oft,
vielleicht in der Regel eintrifft, dass die Hg-Behandlung eine
Kann d. Behandl. mit Qaecks. Cylindrurie n. Albuminurie hervorrufen ? 343
mehr oder weniger grosse Reizung auf die Nieren aus dem
Grunde ausübt, dass ein grosser Theil des während der Be-
handlung in den Organismus gekommenen Quecksilbers durch
sie ausgescliieden wird.
Ist dieses nun wirklich der Fall, so dürften wir erwarten
können, dass nach Schluss der Behandlung mit Hg der Cylinder-
gehalt auch abzunehmen beginnt. Aber die Grösse der Hg- Aus-
scheidung nimmt nicht gleich nach dem letzten Behandlungs-
tage ab; namentlich ist dieses bei der Einspritzung einer
grösseren Menge Hg auf einmal, z. B. bei der Einspritzung
von Thymol-Hg der Fall. Hier vermehrt sich die Absorption
und Elimination noch eine kurze Zeit nach dem letzten Ein-
spritzungstage, um sich dann aUmählich zu vermindern. Unter
allen Umständen kann man die Ausscheidung von Hg, wenn
sie bei Schluss der Behandlung gross ist, auch noch einige
Zeit nachher gross finden, worauf sie dann nach und nach
ziemlich schnell abnimmt. Da fragt man sich selbstverständlich :
Finden sich entsprechende Veränderungen in der Grösse des
Cylindergehaltes ? Da die meisten Patienten einen oder ein
paar Tage nach dem Abschluss der Behandlung mit Hg aus
dem Erankenhause entlassen werden, so ist es beinahe ganz
unmöglich, in dieser Richtung einige Untersuchungen ausführen
zu können. Durch einen Zufall habe ich jedoch Gelegenheit
erhalten, in den folgenden zwei Fällen eine vollständige Serien-
Untersuchung auch nach Abschluss der Behandlung auszuführen.
Diese Fälle scheinen mir so beweisend zu sein, dass ich sie in
extenso anfuhren will.
Fall X. B., 25 Jahre alt, wurde in das Krankenhaus am 21 ./8. auf-
genommen. Behandlung mit Thymol-Hg-£inspritzungen.
25^8. lEinspr. ; kern Alb.; 1,020 spec. Gew. ; keine Cylinder.
30./8. 2
n
n
n
1,020
rt
n
» n
4v9. 3
n
n
n
1,020
n
n
y) n
9./9. 4
n
n
n
1,019
n
»
recht viel Cylinder.
U./9. 5
n
n
n
1,017
n
n
viel Cylinder.
19./9. 6
rt
n
n
1,019
n
n
» »
24./9. 7
n
n
n
1,014
n
n
sehr viel Cylinder.
2.A0. —
it
V
n
1,019
»
n
1» 1» n
7./10. —
n
n
n
1,015
»
n
n n V
12./10. —
n
rt
n
1,020
»
n
eine bedeut. Menge Cyl.
18. 10. —
n
rt
r%
1,018
n
»
viel Cylinder.
344 Welander.
24./10. — Einspr. ; kein Alb. ; 1,020 spec. G^ew. ; ziemlich viel Cylinder.
29.A0. — „ II n lfi21 „ „ hie und da Cylinder.
3./11. — „ n n 1|023 „ „ einzelne Cylinder.
8./11. — „ » » 1|022 „ y, drei Cylinder.
13./11. — „ I» » 1|021 „ „ keine Cylinder.
18./11. — „ n n 1|023 rt n V v
Fall XI. S.) 47 Jahre alt, wurde in das Krankenhaas am 8./9. auf-
genommen. Behandlung mit üeberstreichungen von 6 6r. Ung.-Hg.
8./9. Keine üeberstr. ; kein Alb. Salp. ; kein Alb. Trichlor-Essigs. ;
1.024 spec. Gew.; ein Cylinder.
13./9. 5 Üeberstr.; kein Alb. Salp.; kein Alb. Trichlor-Essigs. ;
1.025 spec. Gew.; fünf Cylinder.
18./9. 10 üeberstr.; kein Alb. Salp.; kein Alb. Trichlor-Essigs.;
1,023 spec. Gew.; hie und da Cylinder.
23./9. 15 üeberstr.; kein Alb. Salp.; kein Alb. Trichlor-Essigs.;
1.014 spec. Gew.; viel Cylinder.
28./9. 20 üeberstr. ; kein Alb. Salp. ; kein Alb. Trichlor-Essigs. ;
1,017 spec. Gew.; viel Cylinder.
3./10. 26 üeberstr. ; kein Alb. Salp. ; Spuren von Alb. Trichlor-Essigs. ;
1.015 spec. Gew.; eine bedeutende Menge Cylinder.
8./10. 30 üeberstr. ; Spuren von Alb. Salp. ; Alb. Trichlor-Essigs. ;
1.012 spec. Gew.; eine bedeutende Menge Cylinder.
13./10. — üeberstr.; Alb. Salp.; Albumin Trichlor-Essigs.;
1.019 spec. Gew.; eine sehr bedeutende Menge Cylinder.
18./10. — üeberstr. ; Spuren von Alb. Salp. ; Alb. Trichlor-Essigs. ;
1,017 spec. Gew.; eine sehr bedeutende Menge Cylinder.
23./10. — üeberstr. ; kein Alb. Salp. ; Albumin Trichlor-Essigs. ;
1.013 spec. Gew.; sehr viel Cylinder.
28./10. — üeberstr.; kein Alb. Salp.; Spuren von Alb. Essigs.;
1.016 spec. Gew.; viel Cylinder.
2./11. — üeberstr.; kein Alb. Salp.; unbed. Spuren von Alb. Essigs.;
1,016 spec. Gew.; recht viel Cylinder.
7./11. — üeberstr.; kein Alb. Salp.; unbed. Spuren von Alb. Essigs.;
1,016 spec. Gew.; recht viel Cylinder.
12./11. — üeberstr.; kein Alb. Salp.; unbed. Spuren von Alb. Essigs.;
? spec. Gew.; ziemlich viel Cylinder.
17./11. — üeberstr.; kein Alb. Salp.; unbed. Spuren von Alb. Essigs.;
1.020 spec. Gew.; einzelne Cylinder.
In diesen beiden Fällen ist ja die Uebereinstimmung zwischen
der Hg-Elimination und dem Cylindergehalt schlagend. Ob sie
es immer ist, weiss ich nicht; dass sie es aber im Grossen
gewesen ist, habe ich auf Grund von Untersuchungen, die ich
zufälligerweise das eine oder das andere Mal bei Patienten eine
kürzere oder längere Zeit nach Schluss der Behandlung aus-
Kann d. Bebandl. mit Qaecks . Cylindrarie u . Albaminarie hervorrafen ? 345
fuhren konnte, alle Ursache anziinehmen. Als Beweis hierfür
*will ich folgende Tabelle anfuhren, die das Steigen des Cylinder-
gehaltes während der Behandlung sowie seine Verminderung
oder sein Verschwinden kürzere oder längere Zeit nach Schluss
derselben zeigt.
Tabelle II.
g
&
d
C
08
C^iindergebalt
a o
-So,
&;
'S -2
o
>S lA WC
00*0 es
Ja n
5 e
•■§1
a
iS
'S •
fl o
7 Th.-Hg-Einspr.
40 Ueberstr.
35 „
6 Th.-Hg-Ein8pr.
7 Soz.-Hg. „
7 Tlu-Hg- ,
50 Ueberstr.
6 Soz.-Hg-Einspr.
34 Ueberstr.
86
31
36
39
30
50
26
0
3
1
0
3
2
0
4
1
0
3
1
0
2
0
0
3
0
0
2
0
1
4
0
1
4
0
?
4
1
0
4
0
0
3
0
0
4
0
0
3
0
0
4
0
?
4
0
0
4
0
1
1
1'/
1'/
IV
ly
IV:
2%
2Vs
2'A
27,
2V,
2V,
2%
3V4
Th.-Hg-Ein8pr. z: Einsprit-
zung von essigaaarem
Thymol-Quecksüber.
Soz.-Hg-Einspr. n Einsprit-
zung Yon Sozojodol-
Quecksilber.
0 zz keine Cylinder.
1 = einzelne Cylinder.
2 ZI bie und da, ziemlich
viel Cylinder.
3 zz viel Cylinder.
4 z: sehr viel, eine bedeu-
tende Menge Cylinder.
Wenn der Cylindergehalt nach Schluss der Behandlung"
allmälig abnimmt, so sollten wir ja bei Aufiiahme eines
Patienten in das Krankenhaus wegen eines Recidiys keine oder
kaum einige Cylinder antreffen. Dieses ist auch der Fall, was
aus folgender Tabelle hervorgeht, in der die Fälle angeführt
sind, in denen es constatirt werden konnte, wann der Patient
das letzte Mal Symptome gehabt hatte und mit Hg behandelt
worden war.
ArcbiT f. Dermatol. n. Syphil. Band XXVI.
24
346
Welander.
Tabelle IIL
1
Anzahl Jahre und
Monate «eit der
letzten Behandlang
mit Hg
Cylindergehalt
bei der Aufnahme in daa
Krankenhana
bei fteUvM der Behandlnnif
mit Hg
Keine
Cylinder
Einselne
Cylinder
Hie nud da
Cylinder
Viel
Cyliader
Eine bedeut.
Menge
Cylinder
Keine
Cylinder
Blnselne
Cylinder
Hie und da
Cylinder
Viel
Cylinder
•
6
2
1
4
3
Ueber 1 Jahr
V,— 1 Jahre
3—6 Monate
2-3 „
1-2 „
8
2
4
6
9
1
_
^^
—
—
1
2
2
3
^—
2
2
1
2
Wir sehen, dass 29 von 30 Patienten bei ihrer Wieder-
aufnahme in das Krankenhaus keine Cylinder hatten. Dass diese
I^atienten gleichwohl für die Hg-Elimination sehr empfindlich
waren, zeigt die grosse Anzahl derselben (50 Proc), die bei
Schluss der Behandlung mitHg. eine bedeutende Menge Cylinder
bekommen hatten. Mit grösster Wahrscheinlichkeit können wir an-
nehmen^das ssie auch bei Schluss ihrer vorigen Behandlung einen —
je nach der Stärke der Behandlung — grösseren oder kleineren
Cylindergehalt gehabt haben.
Wie lange es währt, bis der Cylindergehalt verschwunden
ist, beruht sehr wahrscheinlich auf der grösseren oder gerin-
geren Menge Cylinder, die sich bei Schluss der Behandlung
finden, sowie auf der grösseren oder geringeren Menge Hg,
das bei der Behandlung angewendet worden ist AUes scheint
mir dafür zu sprechen, dass der Cylindergehalt viel schneller
verschwindet, als die Hg-£limination. Diese, das wissen wir ja,
fährt noch ziemlich lange fort, obschon sie einige Wochen nach
Abschluss der Behandlung nur in sehr kleinen Mengen geschieht,
so klein, dass sie nicht länger eine Reizung auf die Nieren
ausüben können.
In der B,egel ist der Cylindergehalt nach 4 — 6 Wochen
nach Schluss der Behandlung verschwunden, doch beobachte
ich gegenwärtig einen Fall, wo noch eine bedeutende Cylin-
drurie 10 Wochen nach beendigter Behandlung vorhanden ist.
Kann d. Behandl. mit Quecks. Gylindmrie a. Albaminarie hervorrufen ? 347
Wenn nun die Cylindmrie auf der Quecksilberelimination
und nicht auf der Syphilis an und für sich beruht, so liesse
es sich ja erwarten, dass der Gylindergehalt in directer Pro-
portion zur Qnecksilberelimination, aber in indirecter zu den
auftretenden syphilitischen Symptomen stehen dürfte, d. L dass
bei Schluss der Behandlung, wenn die syphilitischen Symptome
verschwunden sind und die Hg-Elimination gross ist, der
CylindergeMt sich als gross erweisen dürfte ; wenn dagegen ein
höchst bedeutender Theil des Hg eliminirt worden ist und ein
Becidiv, neue syphilitische Symptome aufzutreten beginnen,
dürfte sich ein minimaler oder gar kein Gylindergehalt finden.
Dass es sich so yerhält, dafür sprechen ja die obigen Tabellen
II — ^m. In einzelnen Fällen ist dieses übrigens allzu augen-
scheinlich gewesen, um unrichtig aufgefasst werden zu können.
Von solchen Fällen will ich hier nur den folgenden anfuhren:
Fall Xn. S., 86 Jabre alt, wurde mit üeberstreichnngen wegen
Rupia syphiUtiea behandelt.
13./4. 40 üeberstr.; kein Alb.; eine höchst bed. Menge Gyl.; geheilt.
23./4. 60 „ n n ^0 kolossale Menge Cylinder. Symp-
tomfrei aus dem Erankenhause entlassen.
13./7. wurde der Patient von Neuem wegen pustulösem Syphilid mit
grossen Geschwüren in das Krankenhaus aufgenommen. Be-
handlung mit Üeberstreichnngen.
13./7. keine üeberstr. ; kein Alb.; 1,020 spec. Gew.; keine Cylinder.
18./7.
5
n
»
n
1,025
n
n
zwei Cylinder.
23/7.
10
rt
»
n
1,025
1»
n
einzelne Cylinder.
28./7.
15
n
n
n
1,025
»
n
hie und da Cylinder.
2./8.
20
rt
1»
n
1,020
n
n
zieml. viel Cylinder.
7./8.
25
»
»
n
1,024
n
n
viel Cylinder.
12./B.
80
»
n
n
1,020
n
n
sehr viel Cylinder.
I7.y8.
35
»
n
n
1,021
n
n
n ff n
22V8.
40
» .
y»
n
1,020
n
n
n n n geheilt
27.y8.
45
n
Spuren v.
Alb.
; 1,015
n
»
n n n
1./9.
50
n
»
n
1,020
T»
n
n n n
6./9.
—
»
n
»
1,021
n
n
n n n
wurde frei von Symptomen aus dem Krankenhause entlassen.
18^10. wurde er för Rupia syphilitica wieder in das Krankenhaus auf^
genommen. Behandlung mit Jodkalium.
19./10. keine üeberstr.; kein Alb.; 1,017 spec. Gew.; ein Cylinder.
23/10. „ n n n 1,024 „ „ vier Cylinder.
Den 24./10. Üeberstreichnngen mit Ung. Hg.
24*
348 Welander.
29^10. öUeberstr. ; kein Alb.; 1,022 8i>ec.G«w.; hie tuid da Gylinder.
3./11. 10 „ n n 1,024 )) 1* n n ft n
8./11. 16 ,, 9 n 1,029 „ „ nemlich viel Gylinder.
13./11. 20 „ n n 1»012 „ „ sehr viel Gylinder.
ISyil. 25 r, Sparen y. Alb.; 1,017 „ » « » n geheilt.
23^11. 30 „ „ » ? I, »f bedent Menge Gylinder,
einige mit Zellen.
28./11. 36 „ „ „ 1,020 „ „ bedeut. Menge Gylinder,
einige mit Zellen.
3./12. 40 „ „ „ 1,016 „ „ bedeut. Menge Gylinder,
einige mit Zellen.
9./12. 46 „ „ „ 1,013 „ „ bedeut. Menge Gylinder,
einige mit Zellen.
14./12. 50 „ „ „1,019„ „ bedeut. Menge Gylinder,
einige mit Zellen.
Auf Grund des Angeführten halte ich mich für berechtigt
die Ansicht auszusprechen, dass in der Mehrzahl der Fälle die
Hg-EUmination während und nach der Behandlung mit Hg eine
grössere oder geringere Reizung auf die Nieren ausübt, die
sich durch das Auftreten einer mehr oder weniger bedeutenden
Gylindrurie zu erkennen gibt.
Suchen wir nun zu ermitteln, welche Momente zum Auf-
treten einer solchen mehr oder weniger bedeutenden Gylindrurie
beitragen können^ so lassen sich ein ganzer Theil denken und
auch finden.
Wahrscheinlich ist es, dass eine mehr oder weniger gute
Körperconstitution auf das Auftreten der Gylindrurie von Einfluss
ist, doch habe ich mehr als ein Mal eine bedeutende Gylin-
drurie bei Personen mit einer besonders kräftigen Körper-
constitution gefunden^ während ich schwächliche Personen ge-
sehen habe, die eine Behandlung mit einer bedeutenden Menge
Hg vertrugen, ohne dass kaum ein einziger Gylinder zu ent-
decken war.
Unabhängig von der Körperconstitution scheint das Alter
des Patienten auf das Auftreten der Gylindrurie einen nicht
80 unbedeutenden Einfluss auszuüben, wenigstens scheint die
folgende Tabelle dieses anzugeben.
Kann d. Bebandl. mit Qaecks. Cylindnirie n. Albominorie hervorrnfen? 349
Tabelle VI.
Alter der
Untersuchten
Cylindergehalt
bei Schluss der Behandlung
Keine
Cylinder
Bin seine
Cylinder
Hie and da
Cylinder
Viel
Cylinder
Bedeutende
Menge von
Cylindern
i
a
&
Pro«, mit
einer bedeut.
Menge tob
Cylindern
Unter 20 Jahren
Von 20—29 Jahren
rr 30-39 „
n 40—49 „
Von 50 J. u. darüber
1
2
2
1
2
18
6
1
2
28
8
2
1
2
15
3
1
1
24
8
9
5
8
87
27
14
6
12,5
27,6
29,6
64,3
83,3
Summa
6
27
41
21
47
142
33,1
1
Wir sehen, wie das Procent von denen, die bei Schluss
der Behandlung eine Menge Cylinder hatten, rasch mit jeder
Altersclasse steigt. Der Unterschied zwischen dem Procent der
Patienten unter 40 Jahren, die eine Menge Cylinder gehabt
haben — 27 Procent — und dem Procent der Patienten über
40 Jahre, bei denen sich ein solcher Cylindergehalt gefunden
hat — 70 Procent — ist allzu sehr in die Augen fallend.
Einen ziemlich augenscheinlichen Einfluss auf das Auf-
treten der CyUndrurie scheinen auch die mehr oder weniger
schweren Symptome auszuüben, wegen denen diese Patienten
behandelt worden sind. Ich will hier nicht alle ihre Symptome
besonders angeben, sondern ich führe sie in drei Gruppen zu-
sammen: erster Ausbruch, Recidiv (secundäres Stadium) und
Becidiy (tertiäres Stadium). Der Cylindergehalt bei Schluss der
Behandlung bei den zu diesen drei resp. Gruppen gehörenden
Patienten ergibt sich aus der folgenden Tabelle.
350
Welander.
TalMlIe V.
Stadium
der Syphilis
Cylindergehalt
bei Schluss der Behandlung
Keine
Cylinder
• fl
Hie und da
Cylinder
Viel
Cylinder
Bedeutende
Menge
Cylinder
e
8
0
OQ
Proe. mit
einer bedeat.
Menge
▼on Cyltndern
Erster Ausbruch
Becidiv (secund. Stad.)
Recidiv (tertiär. Stad.) j
2
3
1
12
13
19
18
4
6
13
2
9
19
18
48
66
25
1
18,7
28,8
72,0
1
Summa
6
25
41
21
46
i 139
33,1
Diese yerschiedenen Stadien zeigen bezüglich der Procent-
zahl^ die eine bedeutende Cylindrurie angibt, einen höchst be-
merkenswerthen Unterschied. Es will scheinen, als ob die
Hg-£limination durch die Nieren leichter eine Reizung in den
Nieren bei einer Person mit tertiären Symptomen, als bei einer
solchen mit frischer Syphilis hervorrufen könnte. Es würde
sich ja denken lassen, dass dieses seinen Grund zum Theil
darin haben könnte, dass die tertiäre Syphilis öfter bei älteren
Personen vorkommt und dass also das Alter des Patienten hier-
bei ein mitwirkendes Moment gewesen ist; dass aber das ter-
tiäre Stadiiim an und für sich, unabhängig von dem Alter, für
die Hg-Cylindrurie predisponirt, erscheint jedoch auf Grund der
folgenden beiden Tabellen als ziemlich annehmbar.
Tabelle VI.
e
Patienten in einem Alter
1
Ton mehr ala 40 Jahren,
behandelt wegen
Gy linderge halt
Keine
Cylinder
Binseine
Cylinder
'S
Viel
Cylinder
Bedeutende
Menge
Cylinder
Proc. mit
einer bedeut.
Menge von
Cylindeni
1
dem ersten Ausbruch
Becidiv (secund. Stad.)
Recidiv (tertiär. Stad.)
1
1
2
1
1
3
10
83,3
Kann d. Behandl. mit Qnecks. Gylindrorie u. Albuminurie hervorrufen ? 351
Tabelle VII.
Alter der Patienten
dem tertlAreftt Btadhxm
ABgehSreBd
Cylindergehalt
o
unter 20 Jahren
20—09 Jahre
80--39 „
40-49 n
60 Jahre und darüber
II
0:=
X
1
8
So
V
«
»■ 5 w
au s^u
9 ^
1
1
5
S
9
1
} 61J
83,3
Summa
18
Aus Tabelle VI ersehen wir, dass von 13 Personen in
einem Alter Ton mehr als 40 Jahren, die eine bedeutende
Menge Gylinder gehabt haben, 10 dem tertiären Stadium ange-
hörten, und finden, dass 43*0 Proc. von denjenigen, die nicht
dem tertiären Stadium angehörten, eine bedeutende Cylindrurie
bekommen haben, während dieser Cylindergehalt bei 88*3 Proc.
von denjenigen vorgekommen ist, die diesem Stadium angehör-
ten. Aus Tabelle VII geht hervor, dass von 25 Personen, die
dem tertiären Stadium angehörten, bei 18, beinahe ganz
unabhängig vom Alter, eine bedeutende Menge Gylinder auf-
getreten sind.
Einigen Einfluss scheint das Alter aber auch hier aus-
geübt zu haben, indem von den Patienten, die ein Alter von
weniger als 40 Jahren hatten, nur 61*5 Proc. eine bedeutende
Menge Gylinder, von denjenigen dagegen, die über 40 Jahre
alt waren, 83*3 Proc. eine bedeutende Gylindrurie bekommen
haben.
Als eine Erklärung dafür, dass so viele von den Patienten,
die dem tertiären Stadium angehörten, eine grosse Menge
Gylinder bekommen haben, könnte man sich denken, dass die
Hg-Behandlung bei diesen Patienten, welche ernste Symptome
gehabt haben, in der Regel kräftiger als bei der Mehrzahl der
anderen Syphilitici gewesen ist und dass daher auch die Hg-
352 * Welander.
Elimination sich bei ihnen grösser als bei jenen gestaltet hat.
Es dürfte auf Grund dessen hier am Platzd sein zu unter^^
suchen, inwiefern eine solche Annahme Berechtigung habe, in
welchem Masse eine kräftige Behandlung mit Hg und in wel-
chem Masse die yerschiedene Form der Einführung desselben
in den Organismus für das Auftreten der Cylindrurie Ton Be-
deutung sein könnte, und dies um so mehr, da Schwimmer
in seinem Aufsatz hat andeuten wollen, dass die Thymolqueck-
silbereinspritzungen, die ich mitunter gegeben habe, leichter zu
einer Reizung in den Nieren Anlass geben können, als z. B.
die Einspritzungen you Sozojodolquecksilber, die er anwendet.
In dem soeben erwähnten Aufsatz sagt Schwimmer nämlich:
„Es erscheint vielleicht nicht unwesentlich, über die Hg-Prä-
parate sich zu orientiren, da einzelne Beobachter eben dem
Gebrauche dieses Medicamentes einen nachtheiligen Einfluss
auf die Nierenthätigkeit zuschreiben. Andere wieder (und meine
Erfahrungen sprechen auch dafür) einen günstigen. — Welan-
der hat nach seiner mit Thymolquecksilber durchgemachten
subcutanen Injectionstherapie die Steigerung der Albuminaus-
scheidung erfahren, während man sonst diesem Medicamente
keine nachtheiligen Wirkungen zuzuschreiben vermag und auch
meine mit demselben gewonnenen Erfahrungen keine ungünsti-
gen sind. Vielleicht mag die 3 — 4Mal wöchentlich von diesem
Autor ausgeführte Injection zu irritirend auf den Organismus
gewirkt haben."
Da Schwimmer meinen Aufsatz: „lieber Albuminurie
und Cylindrurie durch Syphilis und Quecksilber" anführt, *) so
verwundert es mich auf's Höchste, dass er auf Grund dessel-
ben behaupten kann, dass ich Thymolquecksilberinjectionen
3 — 4Mal wöchentlich gebe. Wie aus meinem Aufsatze hervor-
geht, gebe ich solche Injectionen höchstens jeden vierten Tag,
also nicht öfter, als andere, die dieses Mittel anwenden, zu
thun pflegen. In meinem Aufsatze findet sich nicht ein Wort,
das Schwimmer zu seiner Behauptung berechtigt.
Wir wollen indessen nachsehen, welchen Einfluss die ver-
schiedenen Formen der Einführung des Hg in den Organismus
auf das Auftreten der Cylindrurie ausüben können«
') Obschon sowohl der Titel wie die Jahreszahl unrichtig angegeben ist
Kann d. Behandl. mit Quecke. Gylindmrie n. Albuminurie hervorrufen ? 353
Wenn es die Hg-Ausscheidung ist, die Anlass zum Auf-
treten der Cylindrurie gibt, und wenn — was wir allen Grund
haben anzunelimen — das Quecksilber, unter welcher Form es
auch eingegeben, auf welchen Wegen es auch in den Organis-
mus gebracht werden mag, stets in derselben Form durch die
Nieren eliminirt wird, so dürfte ja an und für sich die Form,
unter der es in den Organismus gelangt, keine directe Bedeu-
tung für die Beizung haben, die bei seiner Elimination in den
Nieren erzeugt werden kann ; indirect dagegen dürfte die Form,
unter der das Quecksilber in den Organismus eingeführt wird,
ihre Bedeutung haben können, indem bei Anwendung der einen
Hg nicht nur in grosser Menge, sondern auch schnell absorbirt,
resp. eliminirt wird, während bei Anwendung einer anderen die
Menge des absorbirten, resp. eliminirten Quecksilbers wieder
ganz unbedeutend sein und auch verbleiben kann. In dem einen
Falle wird also eine grosse, in dem andern eine kleine Menge
Quecksilber eliminirt, und da eine grosse Hg-Elimination eine
bedeutendere Cylindrurie als eine kleine verursachen dürfte, so
würde man in dem ersteren Falle in der Begel einen grösseren
Cylindergehalt als in dem letzteren zu erwarten haben.
Die Frage gestaltet sich dann so : Wie kräftig und schnell
wird das Hg bei Anwendung der verschiedenen Formen der
Hg^Behandlung absorbirt, resp. eliminirt? (Ich nehme hier
natürlicherweise nur die Hg-Präparate auf, die ich bei diesen
Untersuchungen angewendet habe.)
Bei Anwendung interner Behandlung mit Hg-Pillen sind
die Stärke und die Schnelligkeit der Absorption ziemlich ver-
schieden und auch ziemlich unsicher; es gibt ja so viele
Momente, die darauf einwirken können, wie z. B. die mehr
oder weniger gute Beschaffenheit des Magen- und Darmcanales,
die Beschaffenheit der Pillen (sind sie etwas alt und hart, was
sie leicht werden, wenn man sie in einer Pappschachtel aufbe-
wahrt, so wird von ihnen beinahe nichts absorbirt) u. s. w.
Bei einer solchen inneren Behandlung ist die Hg-£limination
in der Regel nicht bedeutend, daher wir auch bei Anwendung
dieser Behandlungsform keinen bedeutenden Cylindergehalt zu
erwarten haben.
354 WeUnder.
Wenn Hg*SaIbe in so grosser Menge anf die Hand ge-
strichen wird, dass die tiberstrichene Hautpartie mit einer
dünnen Schicht bedeckt ist, so wird Hg in grösserer Menge
absorbirt, als wenn man dieselbe Hautpartie mit Hg-Salbe
einreibt, vorausgesetzt, dass man dann nicht die Salbe, die man
nicht einreiben kann, auf der Haut ausgestrichen liegen lässt.
Wenn man Salbe einreibt und die eingeriebene Partie mit noch
mehr Salbe überstreicht, findet eine bedeutende Absorption
statt Bei Anwendung dieser Behandlungsform sowohl wie
blosser Ueberstreichungen tritt nach 25 — 30 Tagen stets eine
bedeutende Absorption resp. Elimination von Hg ein. Wenden
wir eine solche Behandlung an, so haben wir daher bei Schluss
derselben einen bedeutenden Cylindei^ehalt zu erwarten.
Bei Einspritzung von Thymol-Hg und auch von Sozojo-
dol-Hg tritt eine kräftige Absorption ein, und nach 6 — 7 solchen
Einspritzungen ist die Hg-Elimination stets sehr bedeutend,
daher wir auch bei Anwendung dieser Behandlungsformen einen
grossen Cylindergehalt zu erwarten haben.
Bei Ueberstreichungen habe ich stets 6 Gr. Ung,-Hydr.
(1 Hg -f- 2 Fett) angewandt. Bei Einreibung und Ueberstreichung
sind 3 Gr. Üng.-Hydr. eingerieben und 3 Gr. aufgestrichen
worden. Bei Injection von Thymolquecksilber sind 1 Gr. (1 Theil
essigsaures Thymolquecksilber auf 10 Theile Parafinum liquidum)
eingespritzt worden. Bei Injection von Sozojodolquecksilber ist
1 Gr. (0*8 Gr. Sozojodolquecksilber und 1*6 Gr. Jodkalium auf
10 Theile Wasser) eingespritzt worden.
Da die innere Behandlung sich an Kraft nicht mit der
Ueberstreichung und Einspritzung von Hg messen kann und da
die Patienten, die sich in das Krankenhaus aufnehmen lassen,
in der Begel einer kräftigen Behandlung bedürftig sind, so
wende ich dort nur selten die Behandlung mit Pillen an, und
ich habe daher auch nur einige wenige Mal Gelegenheit gehabt,
den Cylindergehalt bei Personen zu untersuchen, die mit Pillen
behandelt worden sind. Die folgende Tabelle zeigt, welchen
Einfluss die Form der Behandlung auf das Auftreten von
Cylindrurie gehabt hat.
Kann d. Behandl. mit Qnecks. Cylindnirie n. Albaminnrie herrorrofen? 355
Tabelle VIII.
Form
der Behandlang
Cylinder gehalt
Keine
Cylinder
Einzelne
Cylinder
Hie and d«
Cylinder
Viel
Cylinder
Bedeutende
Menge
Cylinder
Proc. mit
einer bedeat.
Menge von
Cylindern
Pilola Hydr.
Einreib, mit Ung.-Hg
üeberstr. mit Ung.-Hg
Einreibung a. Ueber-
streicb. mit Ung.-Hg.
Injection von Sublim.
Inj. von Thymol-Hg
Inject. V. Sozojodol-Hg
2
1
1
1
1
1
12
1
1
9
3
2
2
14
1
9
13
6
3
4
8
1
28
2
8
8
46,9
25,0
25,8
24,2
Snmma
6
27
41
21
47
Wir sehen, was ja zu erwarten war, dass nach der Be-
handlung mit Pillen nur eine unbedeutende Cylindmrie aufge-
treten ist. Wir sehen femer, dass eine bedeutende Menge
Cylinder bei ungefähr 25 Proc. nach Einreibung zusammen mit
Ueberstreichung und nach der Injection sowohl von Thymol-Hg
wie Sozojodol-Hg aufgetreten ist und dass dieselbe Menge Cylinder
sich bei 45*9 Proc. nach blosser Ueberstreichung yon Hg-Salbe
gezeigt hat. Zwar ist die Absorption resp. Elimination von Hg
nach blosser Ueberstreichung sehr bedeutend, doch darf man
ans obiger Tabelle nicht den Schluss ziehen, dass die Absorption
und Elimination bei Anwendung dieser Behandlungsform so
gross sind, dass dadurch eine grössere Reizung, als bei An-
wendung einer anderen Behandlungsform auf die Nieren aus-
geübt wird. Die Ursache des grossen Procents bedeutender
Cylindrurie bei Anwendung dieser Behandlungsform ist ganz
sicher die, dass die Ueberstreichungen in der Begd in den
schwersten Fällen, namentlich aber in einem grossen Theil der
Fälle von tertiärer Syphilis angewendet werden, welches Stadium
der Krankheit ja an und für sich selbst für Hg-Cylindrurie zu
prädisponiren scheint. Ausserdem sind in diesen wie auch in
1
356
Welander.
den übrigen schwereren Fällen eine viel grössere Anzahl Ueber-
streichungen als in den gelinderen Fällen gegeben worden.
Selbstverständlich hat die Anzahl der Ueberstreichungen einen
höchst bedeutenden Einfluss auf die Grösse der Hg- Absorption
resp. Elimination, und sie dürfte also denselben Einfluss auch
auf den Cylindergehalt haben. Dass dieses auch der Fall ist,
geht daraus hervor, dass eine bedeutende Menge Gylinder bei
57 Proc. der Patienten angetreten sind, die mehr als 30 ueber-
streichungen erhalten haben, während dieselbe Menge Gylinder
sich nur bei 16*6 Proc. von denjenigen gezeigt haben, denen
weniger als 30 Ueberstreichungen gegeben worden sind.
Wären nun diese schwersten Falle z. B. mit Sozojodol-Hg
oder mit Thymol-Hg behandelt worden, in welchem Falle eine
grosse Anzahl Injectionen hätte gemacht werden müssen, so
würden wir ganz sicher auch bei diesen kräftigen Formen der
Hg-Behandlung ein viel grösseres Procent mit einer bedeutenden
Menge Gylinder gehabt haben, als nun der Fall ist
Wir sehen nämlich, dass auch das Sozojodolquecksilber,
das nach Schwimmer keine Reizung auf die Nieren ausüben
soll, in 24*2 Proc. Anlass zum Auftreten einer bedeutenden
Menge Gylinder und in gleich grossem Procent zu einer nicht
unbedeutenden Gylindrurie gegeben hat Dass auch hier die
Anzahl der Einspritzungen und die Dauer der Behandlung
Einfluss auf den GyUndergehalt ausüben, dürfte deutlich aus
folgender Tabelle hervorgehen:
Tabelle IX.
0
Ansabl Elnaprltsangen
Ton Sosojodol*
Qnerluilber
Cylindergehalt
Keine
Cyllnder
Elnseliie
Cyllnder
Ule nnd da
Cyllnder
viel
Cyllnder
Bedeutende
Menge
Cyllnder
Proc. mit
einer bedent.
Menge tob
Oyllndem
7 Emspritzungen
6
6
1
1
2
5
2
6
8
8
2
5
3
38,5
38,8
0,0
Kann d. Behandl. mit Quecks. Gylindrurie u. Albuminurie hervorrufen ? 357
Wir finden nach 5 Einspritzungen bei 0 Proc, nach 6
Einspritzungen bei 33*3 Proc. und nach 7 Einspritzungen bei
38'5 Proc. eine bedeutende Menge Cylinder.
Die Form, unter welcher das Quecksilber in den Organis-
mus eingeführt wird, hat an und für sich selbst ganz sicher
nur eine sehr geringe Bedeutung; von Gewicht ist die Form
nur insofern, als bei Anwendung der einen Hg in grösserer
Menge als bei Anwendung der anderen absorbirt, resp. eUmi-
nirt wird. Die hauptsächlichste Bedeutung hat die Menge ab-
sorbirtes, resp. eliminirtes Hg; bei Anwendung derselben Be-
handlungsform ist es die Dauer der Behandlung, die in dieser
Hinsicht Bedeutung hat.
Wir haben zwar gesehen, dass die Gylindrurie in der Regel
ziemlich bald verschwindet und dass die Reizung, welche die
Hg-Elimination verursacht, übergehend ist, aber kann sie die
Widerstandskraft der Nieren nicht insofern yerringern, dass bei
einer folgenden Behandlung eine Gylindrurie leichter entsteht?
Ich habe in der folgenden Tabelle X den Gylindergehalt bei
Patienten zusammengestellt, die ein, zwei, drei oder mehrere
Mal behandelt worden sind.
Tabelle X.
Mit Hg
behandelt
Gylindergehalt
2 *«
•e
•OT3
e d
• 'S
^1
9
o eo<a
•äs >>
äggß
k« • s p»
das erste Mal
jn zweiiie ff
„ dritte „
mehr als drei Mal
3
2
18
6
8
26
7
2
6
11
6
19
9
5
14
27,7
30,0
50,0
56,0
Smnma
27
41
21
47
Wir finden, dass das Procent der Patienten, die eine
Menge Gylinder im Harn gehabt haben, mit der Anzahl der
358 Welander.
von ümen durchgemachten Hg-Behandlungen wächst, was ja
dafür sprechen würde, dass eine frühere Hg-Behandlung für
das Auftreten einer bedeutenden Cylindrurie bei einer späteren
prädisponirt Aber hierbei ist nicht ausser Acht zu lassen,
dass die meisten der Patienten, bei denen bei der dritten oder
einer späteren Hg-Behandlung eine bedeutende Menge Cylinder
im Harn aufgetreten sind, sich im tertiären Stadium befunden
haben und dass ihre Behandlui^ deshalb kräftig und lang-
dauernd gewesen ist, daher diese Tabelle keinen Beweis für
die Richtigkeit eines Schlusses in der von mir hier oben ange-
deuteten Richtung geben kann. Hierzu will ich noch fügen,
dass ich mehr als einmal bei Patienten ein wenig mehr Cylin-
der bei Schluss ihrer ersten als bei Schluss ihrer zweiten Hg-
Behandlung gesehen habe, trotzdem diese ganz ebenso stark
wie die erste sein konnte. Die Regel ist jedoch die, dass
ceteris paribus bei einer folgenden Hg-Behandlung Cylindrurie in
keinem geringeren Grade als bei der vorbeigegangenen auftritt.
Man hat gesagt, dass die Einnahme von Jodkalium die
Quecksilberelimination vermehre. Sollte dieses der Fall sein,
so müsste man ja bei Einnahme von Jodkalium während oder
gleich nach einer Hg-Behandlung eine Vermehrung des Cylinder-
gehaltes erwarten können. Nun habe ich keine vermehrte Eli-
mination von Hg bei Einnahme von Jodkalium zu constatiren
vermocht. (Die von mir angewendete Untersuchungsmethode
ist, wie Schillberg gezeigt hat, für die Hg-Untersuchung
nicht ganz zweckmässig, sobald sich auch Jodkalium findet)
In einem Theil Fälle, wo Jodkalium und Hg gleichzeitig mit
der Hg-Behandlung oder nach Abschluss derselben gegeben
worden sind, habe ich indessen keine Vermehrung der Cylin-
drurie als Folge davon constatiren können.
Wir haben nun mehrere Momente betrachtet, die für das
Auftreten einer grösseren oder geringeren Meuge CyUnder ohne
Zweifel Bedeutung haben können, doch gibt es aber auch Fälle,
für welche eiue derartige Erklärung durchaus nicht anwendbar
ist. So kami es zuweilen geschehen, dass ein junger und kräf-
tiger Patient, der wegen gelinden Symptomen zum ersten Mal
behandelt wird, schon nach 10 — 15 Tagen eine bedeutende
Cylindrurie haben kann, während ein anderer, älterer Patient im
Kann cL Behandi. mit Quecks.Cylindrurie ü. Albuminurie hervorrufen ? 359
tertiären Stadium, der mehrere Hg-Behandlungen durchgemacht
hat, z. B. bei einer so lange dauernden und kräftigen Hg-Be-
handlung wie 40 Ueberstreichungen nicht einen einzigen Cylin-
der in seinen Harn bekommt. Derartige Fälle können wir in
keiner anderen Weise als durch die Annahme erklären, dass es für
die Quecksilbercylindrurie, gleichwie für die Quecksilberstomatitis,
eine verschiedene individuelle Disposition gibt. Im Grossen und
Ganzen findet man auch, dass das Auftreten einer mehr oder
weniger bedeutenden Cylindrurie hauptsächlich in individueller
Disposition seinen Grund hat, obschon die von mir angegebenen
Momente dazu beitragen können.
In meinem vorigen Aufsatz habe ich die Frage berührt,
inwiefern die individuelle Disposition für die Cylindrurie mit
derjenigen für die Stomatitis zusammenfällt, und sie dahin be-
antwortet, dass man wohl bei einem Patienten mit schwerer
Stomatitis nicht selten auch eine recht bedeutende Cylindrurie
finden kann, dass dieses aber bei weitem nicht immer der Fall
ist; man findet Personen mit bedeutender Stomatitis ohne Cy-
lindrurie, gleichwie man Personen mit bedeutender Cylindrurie
findet, bei denen das Zahnfleisch völlig gesund ist. Meine letz-
ten Untersuchungen haben die Richtigkeit dieser meiner An-
sicht vollständig bestätigt. So bekam z. B. A. nach 11 Ueber-
streichungen eine höchst bedeutende Stomatitis, ohne dass sich
in ihrem Harn ein einziger Cylinder entdecken liess. Ganz ent-
gegengesetzt war das Yerhältniss bei J., wo sich nach 30 Ueber-
streichungen im Harn Spuren von Albumin mit einer bedeuten-
den Menge Cylinder fanden, das Zahnfleisch aber völlig
gesund war. Eiae bedeutende Cylindrurie sieht man nicht so
selten mit lockerem Zahnfleisch vereinigt; auf der anderen
Seite kann man aber absolut gesundes Zahnfleisch und den
Harn völlig frei von Cylindem finden, ungeachtet eine äusserst
kräftige Behandlung angewendet worden ist; dieses traf z. B.
in Fall IX ein. Man würde hier anmerken können, dass das ge-
sunde Zahnfleisch — wie Finger hervorhebt — anzeigt, dass die
Behandlung nicht richtig ausgeführt worden ist, und dass man
hierin die Ursache zu sehen hat, dass z. B. in dem genannten
Falle weder eine Andeutung von einer Stomatitis, noch von
einer Cylindrurie zu find^i gewesen ist; eine bei Schluss der
360 Welander.
Behandlung ausgeführte Untersuchung des Harns auf Queck-
silber hat hier aber eine bedeutende Menge Hg ergeben. Dieser
und eine Menge andere derartige Fälle geben mir das Recht,
fortfahrend an der Ansicht festzuhalten, die ich in meinem
vorigen Aufsatze ausgesprochen habe. Da es seine praktische
Bedeutung hat, will ich diese Ansicht hier anfahren: „Der
Urin ohne Eiweiss und ohne Cylinder berechtigt ebensowenig
wie völlig gesundes Zahnfleisch zu dem Schlüsse, dass nur eine
unbedeutende Menge Hg absorbirt worden ist; die Eenntniss
von der Grösse der absorbirten Hg-Menge wird nur durch
Untersuchung des Urins oder der Foeces auf Hg erhalten/
Man würde ja anmerken können, dass die Hg-Elimination
diese Wirkung zwar auf Patienten ausübt, die an Syphilis leiden,
aber eine ganz andere Wirkung auf Patienten hat, die diese
Krankheit nicht haben. Um nun diese Frage zu beantworten,
kam ich mit zwei Personen, die nie an Syphilis gelitten hatten,
überein, ihnen Hg-Behandlung zu geben, der einen Einspritzun-
gen von Thymol-Hg, der anderen Ueberstreichungen mit Ung.-Hg.
Die erstere bekam nach den Einspritzungen so bedeutende
Infiltrate, dass ich mich genöthigt sah, mit ihnen aufzuhören
und anstatt ihrer Ueberstreichungen zu geben; nach 2 Ein-
spritzungen und 6 Ueberstreichungen stellte sich eine so inten-
sive Stomatitis ein, dass ich die Hg-Behandlung nicht länger
fortsetzen konnte ; bei Beginn der Behandlung enthielt der Harn
keine Cylinder und bei Schluss derselben nur einzelne (also
eine bedeutende individuelle Disposition für mercurielle Stoma-
titis, aber nicht für mercurielle Cylindrurie). Bei der anderen
Person zeigten sich nach 30 Ueberstreichungen Cylinder nur
hie und da. Es trat also in beiden Fällen nur eine ganz un-
bedeutende Cylindrurie ein. Die Fälle sind zu wenige, um in
irgend einer Weise zu dem Schlüsse zu berechtigen, dass
Cylindrurie nicht bei Personen auftritt, die nie Syphilis gehabt
haben. Das Gegentheil scheint aus einem andern von mir be-
obachteten Fall hervorzugehen, wo das Hg eine höchst bedeu-
tende Cylindrurie und auch Albuminurie hervorrief. In diesem
Falle hatte der Patient auf Grund verdächtiger syphilitischer
Symptome eine Hg-Behandlung durchgemacht, der Verlauf der
Krankheit Hess es aber als höchst wahrscheinlich erscheinen,
Kann d. Bebandl. mit Quecks. Gylindrorie u. Albuminurie hervorrufen ? 361
dass er keine Syphilis hatte. Was die Albuminurie anbelangt,
so will ich später zwei Fälle anfuhren, wo Albununurie bei
nicht syphilitischen Personen nach Anwendung von Quecksilber
aufgetreten ist. Dieses spricht ja bestinunt dafür, dass das
Quecksilber — gleichviel ob Syphilis vorliegt oder nicht —
eine Reizung in den Nieren verursachen kann.
Kann nun eine Behandlung noit Quecksilber auch zum
Entstehen von Albuminuiie Anlass geben? Wenn dieses der
Fall ist, findet sich dann etwas Eigenthümliches im Auftreten
dieser Albuminurie? Findet sich ein Zusammenhang zwischen
dem Auftreten der Hg-Gylindrurie und der Hg- Albuminurie ?
Gleichwie bei der Hg-Cylindrurie müssen wir auch bei
der Hg- Albuminurie die Bedingung aufstellen, dass sie im Laufe
der Behandlung auftritt,') und dass sie nicht nur bis zum
Schluss derselben dauert, sondern wenigstens noch einige Zeit
darüber hinaus anhält, ehe man das Becht hat zu behaupten,
dass sie durch die Elimination des Quecksilbers durch die
Nieren hervorgerufen worden ist. Die Erfüllung der beiden
ersten Forderungen ist leicht zu constatiren gewesen ; schwerer
hat dieses dagegen, aus ganz demselben Grunde wie bei der
Gylindrurie, bei der letzten gehalten, indem nämlich die Pa-
tienten in der Regel gleich nach Schluss der Behandlung das
Krankenhaus verlassen haben ; aber wenn ich auch nicht in der
Lage gewesen bin, die Patienten nach Schluss der Behandlung
ununterbrochen zu beobachten, so hat mir doch in mehr als
einem Fall die Erfahrung gezeigt, dass einige Zeit nach Schluss
der Behandlung, wo die Hg-Elimination also bedeutend ver-
mindert war, die Albuminurie verschwunden gewesen ist, was
ja in einem höchst bedeutenden Grade dafür spricht, dass diese
Albuminurie wirklich in der Hg-Elimination ihre Ursache
gehabt hat.
Zur Untersuchung auf Albumin habe ich sowohl Salpeter-
säure, wie 20procentige Tiichloressigsäure angewendet. Oft ist
es geschehen, dass dies letztgenannte Mittel eine deutliche
Eiweissreaction gegeben hat, wo Eiweiss mit Salpetersäure nicht
zu entdecken war. In mehreren Fällen ist der Albumingehalt
') In ein paar Fällen, wo TfaymolqoecksUber eingespritzt worden ist,
habe ich die Albuminurie erst einige Tage nach der letzten Einspriteung
Archiv f. Dermatol. n. Syphil. Band XXVI. 25
362 Welander.
80 gering gewesen, dass er sich nur mit Trichloressigsäure hat
entdecken lassen, in anderen Fällen wieder so gross, dass auch
Salpetersäure Reaction auf Eiweiss gegeben hat.
In 10 Fällen ist der Albumingehalt nur mittelst der
Trichloressigsäure zu constatiren gewesen. In 7 von diesen
Fällen sind Ueber Streichungen mit Ung.-Hydr., in 2 Ein-
spritzungen von Thymolquecksilber und in 1 Einspritzungen
von Sozojodolquecksilber gegeben worden. In sämmtlichen diesen
Fällen ist bei Beginn der Behandlung keine Albuminurie vor-
handen gewesen, sondern sie ist erst zwischen dem 18. und
30. Tage der Behandlung aufgetreten. Nachdem die Albuminurie
sich erst einmal eingestellt gehabt hatte, ist sie während der
ganzen Zeit zu beobachten gewesen, welche die Behandlung
noch dauerte. In drei Fällen habe ich einige Wochen nach
Schluss der Behandlung Gelegenheit gehabt, den Harn der
Patienten zu untersuchen, und ich habe dann keine Spur von
Albumin darin entdecken können.
In 8 Fällen hat sich Eiweiss nicht nur mit Trichloressig-
säure, sondern auch mit Salpetersäure nachweisen lassen.
Zuerst konnte es mit der Trichloressigsäure, und erst ein paar
oder einige Tage später auch mit der Salpetersäure nachge-
wiesen werden. In dreien von diesen 8 Fällen habe ich einige
Wochen nach Schluss der Behandlung den Harn der Patienten
untersuchen können, und es hat sich dann gezeigt, dass zuerst
die Albuminreaction der Salpetersäure und einige Zeit nachher
erst die der Trichloressigsäure verschwunden war. In einem
Falle hat sich eine mit der Trichloressigsäure nachweisbare
Albuminmenge noch 5 Wochen und in einem anderen noch
27^ Monate nach Schluss der Hg-Behandlung gezeigt.
Der Verlauf der Albuminurie ist ja sehr eigenthümlich,
und auf Grund der Uebereinstimmung, die sich zwischen der
Menge des Albumins und derjenigen des eliminirten Hg findet,
spricht er deutlich für einen Causalzusammenhang zwischen
dieser Albuminurie und der Hg-Elimination.
auftreten sehen, was sich ja auf Grund der Absorption bei dieser Behand-
langsform leicht erklären lässt. Diese Fälle gehören indessen nicht der
Untersuchungsserie an, die ich hier bespreche.
Kann d. Behandl. mit Quecks.Cylindrurie u. Albaminarie hervorrafen ? 363
Aber diese Albuminurie ist ausserdem durch eine höchst
bedeutende Gylindrurie gekennzeichnet. Die Albuminurie ist in
allen 18 Fällen unbedeutend gewesen, während die Gylindrurie
sich in 15 yon ihnen als höchst bedeutend und in den drei
übrigen als bedeutend erwiesen hat. Ich habe nicht so wenig
Fälle von Albimunurie aus anderen Gründen untersucht, und
ich habe in ihnen beinahe stets eine gewisse Uebereinstimmung
zwischen der Menge des Eiweisses und der Anzahl der
Gylinder gefunden ; bei der Mercurialalbuminurie ist dieses Ver-
hältniss ein entgegengesetztes. Man könnte sich darüber ver-
wundern, eine so bedeutende Menge Gylinder zu finden, wenn
die Albuminurie kaum nachweisbar ist, aber wenn man solche
Fälle verfolgt, findet sich die Erklärung bald. Je nachdem die
Behandlung fortschreitet, treten nämlich immer mehr Gylinder
auf, bis ihre Anzahl in der Regel bedeutend ist ; und erst jetzt
tritt die Albuminurie ein. Von den 18 Fällen, deren ich oben
Erwähnung gethan habe, ist in 12 bei Beginn der Behandlung
nicht ein einziger Gylinder zu entdecken gewesen, in 3 anderen
liessen sich ein paar Gylinder nachweisen und in den übrigen
3 Fällen ist bei Beginn der Behandlung keine Untersuchung
auf Gylinder ausgeführt worden (aber auch in diesen Fällen
vermehrte sich der Gylindergehalt im Laufe der Behandlung) ;
wie ich oben erwähnt habe, war der CyHndergehalt in sämmt-
Uchen 18 Fällen beim Eintritt der Albuminurie bedeutend.
Aber man findet eine Veränderung nicht nur in der
Anzahl der Gylinder, sondern auch in ihrer Beschaffenheit. Im
Anfange sind die Gylinder nur hyalin und mitunter ziemlich
schwer zu entdecken ; oft treten unter diesen hyalinen Gylindem
später körnige auf; schliesslich kann man auf den Gylindem
hie und da die eine oder andere Zelle unterscheiden, und
mehr als einmal lassen sich zuletzt melxr oder weniger voll-
ständige Epithelcylinder sehen. Finden sich diese Gylinder, so
ist stets Albuminurie vorhanden; dagegen können Gylinder mit
der einen oder anderen Zelle auftreten, ohne dass Albuminurie
sich zu finden braucht, gleichwie es geschehen ist, dass sich
Albumin zeigte, ohne dass andere als hyaline Gylinder zu ent-
decken waren. Wenn die Gylindrurie nach Schluss der Behand-
lung verschwindet, so verschwinden zuerst diese Gylinder mit
25*
364 Welander.
Zellen, und sodann venmndert sich allmälig auch die Anzahl
der feinkörnigen und hyalinen Cylinder, die aber erst eine
längere oder kürzere Zeit nach dem Aufhören der Albuminurie
ganz verschwunden sind, was ich sowohl bei der jetzigen wie
bei früheren Untersuchungsserien bei Patienten controliren
konnte^ die nach einiger Zeit wegen einem Becidiv der Syphilis
wieder in das Krankenhaus aufgenommen wurden.
Wir finden also eine ununterbrochene Steigerung des
Cylindergehaltes, oft eine Veränderung der Beschaffenheit der
Cylinder, das Auftreten von Albuminurie, die sich zuerst nur
mittelst eines besonders empfindlichen Beagens, später aber
mittelst Salpetersäure nachweisen lässt, und wir finden dieses
alles im Laufe der Behandlung oder in der nächsten Zeit nach
Abschluss derselben, d. h. je nach dem die Hg-£limination
steigt; wenn diese anfangt sich zu yermindem, so vermindert
sich auch die Albuminurie ; wenn diese verschwunden ist, finden
sich zwar noch Gylinder, aber ihre Beschaffenheit und Anzahl
verändert sich mehr und mehr, bis auch sie schliesslich ver-
schwinden, wenn die Elimination von Hg höchst bedeutend ver-
mindert ist. (Als ein Beispiel will ich auf den weiter vom an-
geführten Fall X hinweisen.)
Es kann bei der Beurtheilung dieser CyUndrurie nnd
Albuminurie wohl nicht gern der geringste Zweifel herrschen,
sondern wir müssen sagen: sie steht im Gausalzusammenhang
mit der Hg-Elimination — es ist eine mercurielle Cylindrurie,
eine mercurielle Albuminurie.^)
Aber es gibt Albuminurie bei Syphiliskranken, die schwerer
zu erklären ist, z. B. wenn man schon bei Beginn der Be-
*) Ob nun das £i weiss Nucleoalbumin oder Seromalbumin gewesen.
ist, vermag ich nicht zu entscheiden ; dass mitunter Nucleoalbumin vorge-
kommen ist, kann ich auf Grand der kleinen wolkenformigen hellen Trü-
bung, die sich ein Stück über dem scharfen Albuminringe bildete, mit
Sicherheit behaupten. Ich will auch hervorheben, dass ich sehr oft eine
höchst bedeutende Menge Cylindroiden sowohl beim Auftreten einer Menge
Cylinder, wie beim Vorkommen von 'Albuminurie gefanden habe.
Aber wenn auch das Albumin Nucleoalbumin gewesen und die Be-
deutung dieses Albumins geringer als die des Serumalbumins ist, so gibt
sein Vorkommen doch eine Reizung in den Nieren an, da es stets mit
dem Auftreten einer bedeutenden Cylindrurie verbanden gewesen ist.
Kann d. Behandl. mit Quecks. Cylindnirie u. Albuminurie hervorrufen ? 365
handltiBg Albuminurie findet. In der Literatur findet sich
mehr als ein solcher Fall als eine durch SyphiKs hervorgerufene
Albuminurie beschrieben, wozu sich doch ganz sicher viele
Male keine Berechtigung gefunden hat.
Verschwindet eine solche Albuminurie im Laufe der Be-
handlung, so ist es ja möglich, aber nicht bewiesen, dass sie
in der Syphilis ihren Grund gehabt hat ; verschwindet sie nicht,
80 ist dieses nicht als ein Beweis dafür aufzufassen, dass sie
mit der Syphilis nicht in Zusammenhang gestanden hat. (Hier-
über, wie auch in Betreff der Bedingungen, um eine Albuminurie
möglicherweise als Albuminuria syphilitica auffassen zu können,
siehe meinen Aufsatz über Cylindnirie und Albuminurie S. 4 — 7.)
Wie ich in diesem Aufsatz hervorgehoben habe, muss man sich
mehr als einmal bedenken und genau eine Menge Verhältnisse
prüfen, ehe man das Urtheil fallen darf, dass es die syphili-
tische Krankheit an und für sich ist, in der man die Ursache
der Albuminurie zu sehen hat.
Ich habe nun 8 Fälle beobachtet, wo die Patienten bei
ihrer Aufnahme in das Krankenhaus Albuminurie hatten,
die ich nicht auf Bechnung der Syphilis schreiben konnte;
dieselbe hat sich die ganze Zeit über gefunden, welche die
Patienten im Krankenhause zubrachten, und sich nicht im ge-
ringsten durch die Hg-Behandlung beeinflusst gezeigt.
Fall Xn. P. ist schon zweimal voraus im Erankenhanse gepflegt
worden und hat dann die ganze Zeit über eine unbedeutende Albuminurie
gehabt. Er wurde jetzt zum dritten Mal am 17^4. wegen Roseola und Pap.
aufgenommen; auch dieses Mal hatte er während der ganzen Zeit seiner
Behandlung eine unbedeutende Albuminurie.
Fall XTTT. J. wurde in das Krankenhaus am 17./4. wegen Sclerose
an der Pars x>endula aufgenommen ; da er keine Anschwellung der Drusen
hatte, wurde die Seierose exeidirt; er litt an Alooholismus chronicus; im
Harn fanden sich Spuren von Albumin. Am 2./5. b^fannen Roseola aufzu-
treten. Er wurde am 1./6. ans dem Krankenhante entlassen, nachdem er
80 üeberstreiehungen erhalten hatte. Er hatte w&hrend der ganzen Zeit
seinee Asfenthaltes im Krankenhause eine unbedeutende Albuminurie.
Fall XIY. K. wurde in das Krankenhaus am 21.^4. wegen papulo-
pustnldsem Syphilid aufgenommen; er hatte einen Herzfehler und es fand
nefa geKnde Albuminorie, die sich die ganze Zeit fiber erhielt, bis er am
19^6. ans dem Krankenbause entlasten wurde. Er hatte 7 Thymol-Hg-Ein-
spritzungen erhalten.
366 Welander.
Fall XV. P. wurde in das Krankenhaiis zum ersten Mal am 24/5.
wegen Sclerose an%enom]nen. Am 20^. traten Roseola auf; er bekam von
diesem Tage bis zum 15/7. 6 Einspritzungen von Sozojodol-Hg ; hatte wah-
rend der ganzen Zeit seines Aufenthaltes im Krankenhause gelinde Albu-
minurie.
Fall XVI. Dieselbe Person wie im vorigen Fall wurde in das Kranken-
haus am 5./9. wegen Papulae mucosae aufgenommen. Sie wurde aus dem
Krankenhause nach 85 Ueberstreichungen am 9710. entlassen; hatte die
ganze Zeit über gelinde Albuminurie.
Fall Xyn. W. wurde in das Krankenhaus am 7^. wegen Papulae
mucosae aufgenommen. Er wurde aus dem Krankenhause am 8^7. nach SO
Ueberstreichungen entlassen; Albuminurie die ganze Zeit über in unbe-
deutendem Grade.
Fall XYin. C. wurde in das Krankenhaus am 22^. wegen Sclerose
und Roseola aufgenommen; bekam bis zum 18./9. 6 Sozojodol-Hg-Einspri-
tzungen; die ganze Zeit über gelinde Albuminurie.
Fall XIX. C. wurde in das Krankenhaus wegen Sclerose und pa-
pulösem Syphilid aufgenommen; bekam 30 Ueberstreichungen; hatte die
ganze Zeit über, wo er sich im Krankenhause aufhielty unbedeutende Al-
buminurie.
Nicht in einem dieser Fälle betrachte ich mich für be-
rechtigt zu behaupten, dass die Albuminurie durch die Syphilis
hervorgerufen gewesen ist. In einem Falle war wahrscheinlich
Alcoholismus chronicus im Verein mit einem Fettherzen, in
einem anderen ein organischer Herzfehler (der Patient starb
nach einigen Monaten daran) die Ursache der Albuminurie.
Die Ursache der Albuminurie in den übrigen Fällen habe ich
nicht finden können, ebensowenig wie es mir mitunter bei
Personen, die nicht an Syphilis litten, möglich gewesen ist
zu erklären, weshalb sie in ihrem Harn Spuren Yon Albumin
hatten.
Ausser diesen 8 FäUen habe ich 3 andere beobachtet, wo die Pati-
enten bei ihrer Aufnahme in das Krankenhaus ausgebreitete gummöse
Geschwüre und dann auch gelinde Albuminurie hatten; in zweien dieser
Fälle fanden sich ein paar hyaline Gylinder, im dritten aber Hessen
sich keine entdecken. Dieses Jkann ja zum Theil gegen die Annahme
sprechen, dass die Syphilis die Ursache der Albuminurie war, am so
mehr, da die Albuminurie während der ganzen Zeit der Behandlung an-
hielt, ungeachtet die grununösen Geschwüre schnell heilten.
Nur einen Fall habe ich Gelegenheit gehabt zu beobachten,
wo die Albuminurie im Laufe der Behandlung verschwunden
ist, und dieser Fall würde sich möglicherweise als ein Fall von
Albuminuria syphilitica deuten lassen.
Kann d. Behandl. mit QueckB.Cylindmrie u. Albuminurie hervorrufen ? 367
Fall XX. D., 16 Jahre alt, wurde am 29./B. wegen dem ersten Aus-
bruch der Syphilis in das Krankenhaus aufgenommen; er hatte da Albu-
minurie (Menge des Albumins 0,03 Proc.)^ sowie Gylinder hie und da ;
bekam eine Einspritzung von Sozojodolquecksilber.
879. hatte er 0.06 Proc. Albumin, sowie einzelne Gylinder; 2. Ein-
spritzung von Sozojodol-Hg.
8./9. hatte er unbedeutende Spuren yon Albumin und hier und da
Gylinder; 3. Einspritzung yon Sozojodol-Hg.
Seit diesem Tage Hess sich kein Albumin mehr entdecken. Den 30./9.
war der Patient frei von Symptomen, nachdem er 7 Einspritzungen von
Sozojodol-Hg. erhalten hatte; der Harn war jetzt frei von Albumin; es
fanden sich in ihm viele Gylinder.
Der Patient erwähnte bei seiner Aufnahme in das Krankenhaus, dass
er 2 Jahre vorher Soarlatina gehabt hatte; ob sein Harn damals oder
später eiweisshaltig gewesen war, wusste er nicht. Bei seiner Aufnahme
in das Krankenhaus vermuthete ich indessen, dass seine Albuminurie eine
Folge des von ihm durchgemachten Scharlachfiebers war. Dieses scheint
jedoch nicht der Fall gewesen zu sein. Da seine Albuminurie im Laufe
der Behandlung gleichzeitig mit den syphilitischen Symptomen verschwand,
so liegt es ja innerhalb der Grenzen der Möglichkeit, dass hier wirklich
eine Albuminuria syphilitica vorgelegen hat.
Schwimmer sagt, dass in seinen Fällen Albuminurie
zwar im Laufe der Behandlung entstanden, dass sie aber auch
wieder im Laufe der Behandlung verschwunden sei. In den
Jahren, wo ich regelmässig Untersuchungen auf Eiweiss bei
allen Patienten ausgeführt habe, die der Behandlung mit Hg
unterworfen wurden, habe ich nur in einzelnen Fällen eine un-
bedeutende Albuminirie für einen oder ein paar Tage im Laufe
der Behandlung auftreten sehen. In der Zeit, wo ich diese
letzte Serie von Untersuchungen ausgeführt habe, bin ich nur
4 Mal in der Lage gewesen, solche Fälle zu beobachten.
So geschah es z. B., dass ein Patient, der zum ersten Male im
Krankenhause gepflegt wurde im Laufe der Behandlung far einen Tag
Albmninurie erhielt; auch jetzt, wo er wegen einem Recidiv der Syphilis
behandelt ¥nirde, bekam er einige Tage nach seiner Aufnahme in das
Krankenhaus Albuminurie, die 6 Tage andauerte. Als er 13 Ueberstrei-
chungen erhalten hatte, liessen sich in seinem Harn minimale Spuren
von Albumin mittelst Trichloressigsäure entdecken; nach diesem Tage
zeigte sich keine Albuminurie mehr; er wurde aus dem Krankenhause ent-
lassen, als er 80 üeberstreichungen erhalten hatte.
Was die Ursache der Albuminurie in diesem wie in den
drei anderen gleichartigen Fällen gewesen ist, vermag ich nicht
zu entscheiden; von der Hg-Behandlung können wir ja ganz
368 Welander.
sicher absehen. In gleichartigen Fällen, die Schwimmer be-
obachtet hat, sieht er die Ursache der Albuminune in der
Syphilis, doch bezweifle ich, dass er darin Recht hat, zumal kein
beweisender Grund für diese Ansicht dargelegt worden ist.
Ich für meinen Theil habe zufälligerweise ein paar Mal bei
nicht syphilitischen Personen eine solche Albuminurie ganz
plötzlich in unerklärlicher Weise entstehen und ebenso plötzlich
wieder verschwinden sehen; es erscheint mir nicht als un-
möglich, dass dieses, da es bei nicht syphilitischen Personen
geschehen kann, auch bei syphilitischen einzutreffen yermag,
ohne dass wir deshalb das Recht haben, die Schuld dafür auf
die Syphilis zu schieben.
Dass Quecksilber Albuminurie auch bei nicht syphilitischen
Personen hervorrufen kann, habe ich in meinem vorigen Aul'satz
gezeigt, wo sich erwähnt findet, dass eine Krankenpflegerin, die
während einer langen Zeit Hg-Einreibungen gegeben hatte,
Symptome von Hg- Vergiftung mit Albuminurie bekam, welches
alles aber wieder verschwand, nachdem sie einige Zeit aufgehört
hatte, solche Einreibungen auszuführen. Der zweite Fall war
ein Mann, der, um sich von Ungeziefer zu befreien, seinen
Körper und seine Unterkleider mit einer Menge Mercurialsalbe
und metallischem Quecksilber eingeschmiert hatte und dann
vierzehn Tage gegangen war, ohne seine Unterkleider zu
wechseln; er bekam eine höchst bedeutende Stomatitis und
auch Albuminurie; sein Harn enthielt eine bedeutende Menge
Hg. Nach einiger Zeit war sowohl die Stomatitis, wie die
Albuminurie verschwunden ; auch die Hg-Elimination durch die
Nieren war bedeutend vermindert.
Die Frage,' inwiefern die Hg-£limination durch die Nieren
eine Reizung in den Nieren hervorruft, glaube ich auf Grund
der obigen Untersuchungen berechtigt zu sein dahin zu be-
antworten, dass in der Mehrzahl der Fälle eine solche Reizung
in einem grösseren oder geringerem Grade entsteht. Fragt
man wieder, ob diese Reizung von der Bedeutung ist, dass sie
für den Augenblick oder für die Zukunft einen Schaden ver-
ursachen kann, so glaube ich die Antwort geben zu können,
dass dieses wenigstens in der Regel nicht der Fall ist Dieses
hindert jedoch nicht, dass es in einseinen Fällen eintreffen
Kann d. Behandl. mit Qaeck8.Gylindriirie n. Albaminarie heryorrafen ? 369
kann, z. B. in dem Falle, wo Albuminurie und bedeutende
Cylindrurie sich noch 10 Wochen nach beendigter Hg^Behandlung
fanden. Es scheint mir daher ebenso nothwendig zu sein,
während einer kräftigen Hg-Behandlung den Harn zu con-
troliren (ihn wenigstens mittelst eines empfindlichen Reagens
auf Albumin zu untersuchen), wie die Haut, das Zahnfleisch
und den Darmcanal einer Controle zu unterwerfen, denn das
Auftreten von Albuminurie zusammen mit einer bedeutenden
Cylindrurie, besonders wenn sich Epithelcylinder zeigen, ist ein
recht sicheres Zeichen, dass man Acht geben und mit der fer-
neren Verabreichung von Quecksilber vorsichtig sein muss, bis
die Reizung in den Nieren sich vermindert hat oder ver-
schwunden ist.
Dieses hat seine Giltigkeit für Personen, die bei Beginn
der Behandlung nicht die geringste Reizung in den Nieren haben.
Wie wirkt nun die Hg-Elimination auf Personen ein, die man
einer kräftigen Hg-Behandlung unterwerfen muss und die bei
Beginn dieser Behandlung bereits Albuminurie haben?
In den Fällen XU — XIX and in den drei Fällen, wo ansgebreitete
gojnmöBe Geichwüre auftraten, fand sich bei der Aufnahme der Patienten
in das Krankenhaus eine gelinde Albominorie, die während der ganzen
Behandlung anhielt, ohne dass ich eine nachweisbare Yennehrung derselben
zu beobachten vermochte. Dahingegen fand ich in der Mehrzahl dieser
Fälle eine bedeutende Veränderung des Cylindergehaltes, die ganz sicher
auf Rechnung der Hg-Elimination zu schreiben ist. Von 11 Personen
hatten 7 bei ihrer Aufnahme in das Krankenhaus keine Cylinder und 4
einzelne Cylinder; bei Schluss der Behandlung fanden sich einzelne Cy-
linder bei 1, Cylinder hie nnd da bei 2, viel Cylinder bei 2 und eine
bedeutende Menge von Cylindem bei 6 Personen.
Ich fand also eine Person, die bei Schluss der Behand-
lung nur einzelne Cylinder hatte, trotzdem ihr 30 Ueber-
streichungen gegeben worden waren; bei allen den übrigen Pa-
tienten fand ich dagegen eine Vermehrung der Cylinder, die
bei 6 sogar höchst bedeutend war. Bei 2 Patienten war die
Vermehrung der Cylinder nur unbedeutend, aber so bekam der
eine auch nur 20 Ueberstreichungen, und bei dem anderen trat
nach einer Einspritzung von Thymolquecksilber und 5 Ueber-
streichungen Stomatitis auf, so dass die Behandlung abgebrochen
werden musste. Bei keiner dieser beiden Personen waren bei
Beginn der Behandlung Cylinder zu entdecken gewesen, aber
370 Welander.
trotz der geringen Behandlung mit Hg stellten sich nicht nur Cylin-
der ein, sondern sie vermehrten sich auch ein wenig, und es
ist sehr wahrscheinlich, dass wir auch hier eine bedeutende
Menge Cylinder bekommen haben würden, wenn die Behand-
lung länger gedauert hätte. Alle diese Fälle zeigen jedoch,
dass mau auch da, wo sich eine gelinde Albuminurie findet,
eine kräftige Hg-Behandlung ohne ersichtlichen Schaden für
den Patienten geben kann.
Dieses kann ja für eine so unbedeutende Albiuninurie wie
die in dem obenerwähnten Falle gelten, aber wie ist das Yer-
hältniss dann, wenn sich bei Beginn der Behandlung ein schwe-
reres Nierenleiden findet? Ich stellte diese Frage auch in
meinem vorigen Aufsatz, und ich will nun einige Worte daraus
anführen: „Wenn man nun sieht, welche Reizung die Hg-Eli-
mination auf eine gesunde Niere ausüben kann, hat man dann
das Recht, die Hg-Behandlung oder, richtiger, eine kräftige
Hg-Behandlung bei einem Patienten anzuwenden, welcher z. B.
eine chronische Nephritis hat? Es ist hervorgehoben worden,
dass eine nicht gesunde Niere das Quecksilber nicht in hin-
reichender Menge eliminiren könne, welches dann für seine
Elimination andere Wege, speciell die Speicheldrüse suche und
dadurch Anlass zu einer schweren Stomatitis geben könne.
Diese Auffassung ist sicher in vielen Hinsichten nicht richtig.
Es wird, selbst bei der schwersten Stomatitis, nur eine höchst
unbedeutende Menge Hg durch den Speichel eliminirt; dieses
hat Schmidt gezeigt, und auch meine eigenen, voraus public-
cirten Untersuchungen haben es ergeben. Kann eine kranke
Niere das Hg nicht in hinreichender Menge eliminiren, so wird
das übrige Hg ganz sicher auf dem Wege eliminirt, auf dem
seine Elimination normaliter in grosser Menge stattfindet, d. h.
durch die Foeces. Sowohl Schuster, wie ich haben nach-
gewiesen, dass bei der Einreibungscur Hg in bedeutender Menge
durch die Foeces abgeht; ich habe gezeigt, dass dieses auch
bei verschiedener Injectionsbehandlung der Fall ist. üebrigens
kann eine kranke Niere (chronische Nephritis) sehr gut eine
grosse Menge Hg eliminiren; so fanden sich z. B. in 350 Gr.
Urin, 1*012 spec. Gewicht, von dem Fall 38 den 6./5. nach 30
Benzoe-Hg-Einspritzungen eine grosse Menge recht ansehnliche
Hg-Eügelchen ;
Kann d. Behandl. mit Quecks.Cylindmrie xl Albuminurie hervorrufen ? 371
in 360 Gr. Urin, 1-020 spec. Gewicht, von dem Fall 33
den 21./4. nach 7 Thymol-Hg-Einspritzungen einige kolossale
und viele kleine Hg-Kügelchen ;
in 320 Gr. Urin, 1,019 spec. Gewicht, von dem Fall 41
den 27./6. nach 10 Einreibungen eine bedeutende Menge, doch
nur kleinere Hg-Eügelchen.
Auch durch eine kranke Niere kann somit eine bedeutende
Menge Hg ausgeschieden werden. Das Wichtigste ist natür-
licherweise aber: kann dieses ohne Schaden für die Nieren
geschehen? Dieses ist eine Frage, welche wir jetzt noch nicht
beantworten können, doch kann ich einen Fall anfuhren, in
welchem die Nieren durch die Hg-Elimination keinen sichtbaren
Schaden gelitten haben.
X. hatte seit vielen Monaten Nephritis gehabt, als sie sich auch
Syphilis zuzog. Den 9^3. 1891 hatte sie Roseola und Papeln ; bekam Th-Hg
den 9.y3., 15./3., 21./3., 27.,/3., 2./4. und 8./4 und war symptomfrei nach der
dritten Einspritzung. Ihr Albumingehalt war folgender: den 9^. 0,13,
15.y3. 0,15, 21v^. 0,07, 27./3. 0,70, 30./3. 0,25, 2./4. 0.07., 5./4. 0,07, 8./4.
0,07, U./4. 0.02, 19./4 0,05, 24./4. 0,02, 28./4. 0,04, 7./5. 0,10, 15./5.
0,10, 24./5. 0,25, 2./6. 0,06, 10./6. 0,02, 18./6. 0,04 Proc. In diesem Falle
konnte also eine grosse Menge Hg ohne nachweisbaren Schaden für die
Nieren gegeben werden.''
Seitdem habe ich Gelegenheit gehabt, 4 solche Fälle zu
untersuchen.
Fall XXI. L., bekam zwischen dem 5./6. und 9./7. sieben Einspri-
tzungen von Thymolquecksilber. Seine Albuminmenge verhielt sich während
dieser Zeit in folgender Weise : den 7./6. 0,03, 15./6. 0.03, 20./6. 0,03, 26./6.
0,07. 2/7. 0,05, 9./7. 0,05, 16./7. 0,07 Procent. Das Procent stieg zwar, doch
nicht in einem solchen Grade, dass ich es för nöthig erachtete, die
Behandlung abzubrechen.
Fall XXn M., hatte chronische Nephritis, ehe er sich Syphilis zuzog,
die er nun seit mehreren Jahren gehabt hatte. Er hatte im April 6um-
mata und wurde dafür mit Sublimateinspritzungen behandelt. Der Albu-
mingehalt war den 20./4. 1,0, 26./4. 1,03, 8./5. 0,8, 13./5. 0,7, 18./5. 0,55,
25./5. 0,65 Procent. In diesem Falle sank der Albumingehalt trotz der Hg-
Behandlung, und der Patient vertrug die Hg-Elimination durch die Nieren
sehr gut.
In dem folgenden Falle hinwieder stieg der Albuminge-
halt, trotzdem ich seinetwegen die Einspritzungen von Thymol-
quecksilber nur mit längeren Zwischenräumen gab.
Fall XXm. G., bekam Th-Hg-Einspritzungen den 12./6., 27./6., 7./7.
und 16./7. Der Albumingehalt war den 8./6. 0,04, 17./6. 0,03, 25^6. 0,15
372 Welander.
8./7. 0,07 und 19./7. 0,4 Procent Da die Albammarie Bich vermehrte, so
fand ich es rätblicb, mit der Hg^Behandlung aufzuhören. Der Patient
war bereits frei von Symptomen.
Ein gleiches war das Yerhältniss in folgendem Fall, wo leider das
Procent des Albumins nicht bestimmt wurde, wo aber doch eine für das
blosse Auge sichtbare, bedeutende Vermehrung des Eäweisses entstand,
während gleichzeitig sowohl der Cylindergebalt, wie dessen Beschaffenheit
eine Veränderung erlitt.
Fall XXIV. F., bekam zwischen dem 7./8. und 22./3. üeberstreichungen.
Den 7./8. Alb.; 1,012 spec. Gew.; viel Cylinder.
Den 12./8. „ 1,010 r, v v r,
Den 17./6. Alb. vermehrt; 1,012 spec. Gew.; viele und grosse Cylin-
der mit Zellen»
Den 22 ./d. Alb. noch mehr vermehrt; 1,014 spec. Qew,; eine höchst
bedeutende Menge Cylinder und Zellen.
Ich wagte es nun nicht, mit der Behandlung langer fortzufahren, be-
sonders da die Patientin jetzt frei von Symptomen war. Der Harn wurde
am 27./8. und 29./3. untersucht, wobei es sich zeigte, dass der Albumin-
gehalt fortfahrend zunahm ; beide Male fanden sich eine höchst bedeutende
Menge Cylinder, von denen eine grosse Menge Zellen hatte.
Diese Fälle zeigen, wie während einer Hg-Bebandlung bei
einer chronischen Nephritis sowohl die Albumininenge, wie der
Cylindergehalt sehr zunehmen kann. Sie berechtigen mich,
dieselbe Ansicht wie in meinem vorigen Aufsatz auszusprechen,
nämlich dass man Patienten mit krankhaft veränderten Nieren
nur mit Vorsicht und unter beständiger Controlimng der Be-
schaffenheit des Harnes mit Quecksilber behandeln darf —
wenigstens wenn es sich um eine kräftige solche Behand-
lung handelt.
Sollte ich die Ergebnisse dieser meiner Untersuchungen
zusammenfassen wollen, so würde ich hier dieselben Schlüsse
wie in meinem vorigen Aufsatz ziehen können, die ich bereits
im Anfange dieses Aufsatzes citirt habe. Diese meine letzten
Untersuchungen haben in allem die Richtigkeit der Ansichten
über die Hg-Albuminurie und Hg-Cylindrurie bestätigt, die ich
damals glaubte aussprechen zu dürfen.
Ueber Psorospermien bei flautkrankhei-
ten. (Bericht über einen typischen Fall
von sog. Darier'scher Psorospermose.)
Von
Dr. J. Fabry in Dortmund.
(Hierzu Taf. Xm.)
Die Yor noch nicht so sehr langer Zeit beschriebene
Psorospermosis Darier's ist eine derjenigen Dermatonosen,
für welche von einem Theil wenigstens der Autoren Psoro-
spermien als die Krankheitserreger aufgefunden und hingestellt
wurden; beim näheren Eingehen auf die Literatur werden wir
die Stimmen für und gegen diese Theorie hören.
Da wir nun in der glücklichen Lage waren, einen zweifel-
losen Fall von Darier'scher Krankheit unter den Patienten
des hiesigen städtischen Krankenhauses durch mehrere Jahre
bis zu dem wegen anderweitiger Erkrankung erfolgten Tode
beobachten zu können und selbstrerständlich die klinische
Beobachtung durch vielfache histologische Untersuchungen zu
Gompletiren, so dürfte eine ausführliche Berichterstattung über
den Krankheitsverlauf schon in Anbetracht der Seltenheit dieser
Erkrankung angezeigt erscheinen. Unseres Wissens stellt unser
Fall den 4. in Deutschland beobachteten, dazu gerechnet ist
dabei der Schwimmer 'sehe Fall, über denNeisser auf dem
Dennatologen - Congress 1891 berichtete; die Zahl der über-
haupt veröffentlichten Fälle dürfte nicht mehr wie ein Dutzend
betragen.
Aus vielfachen Erwägungen schien es uns zweckmässig,
aus der Literatur auch diejenigen Affectionen mitzuberücksich-
374 Fabry.
tigen, für welche gleichfalls Psorospermien als die Krankheits-
erreger hingestellt worden sind^ nämlich: das Epithelioma, das
Molluscum contagiosum und die Page tische Erkrankung.
Bei keiner von den vier Krankheitsformen ist klinisch die
Iiifectiosität so in die Augen springend wie beim Molluscum
contagiosum; die eingehendsten Untersuchungen über letzteres
verdanken wir N e i s s e r, *) der von der parasitären und in-
fectiösen Natur dieser Epithelialgeschwülste überzeugt ist und
den Namen Epithelioma contagiosum Bollinger vorschlägt;
Culturversuche sind ihm nicht geglückt.
Bei weitem einen anderen Standpunkt in dieser Frage
nehmen Török und Tommasoli') ein. Diese Autoren kom-
men auf Grund ihrer histologischen und chemischen Untersu-
chungen, welche letztere eine eminent grosse Widerstandsfähig-
keit der Molluscumkörperchen gegen stärkste chemische Agen-
tien (conc. Ameisensäure, conc. Schwefelsäure, rauchende Sal-
petersäure, conc. Ghlorwasserstoffsäure, conc. Kalilauge) ergaben,
ähnlich derjenigen der Colloidsubstanzen, zu der Ueberzeu-
gung, dass die Körperchen des Molluscum contagiosum keine
parasitären Elemente seien.
Ueber die Theorie der Contagiosität konnte Pick*) im
Jahre 1891 auf dem Dermatologen-Congresse recht interessante
Versuche mittheilen; Pick gelang es, das Secret eines Mollus-
cum contagiosum intraepidermoidal zu überimpfen; er erzielte
an neun von zwölf Impfstellen bei zwei Individuen wiederum
typische Mollusca contagiosa. Für die Contagiosität dieser epi-
dermoidalen Neubildung war damit ein nicht anfechtbarer posi-
tiver Beweis erbracht. In derselben Sitzung äusserten sich noch
pro Contagiosität Touton, Ehrmann, von Sehlen; contra
Contagiosität Neumann; Kaposi halt den zoologischen Theil
der Frage der Aetiologie jedenfalls noch nicht für erwiesen.
Wir beobachteten hier einen Fall von Molluscum contagi-
osum, der recht deutlich klinisch für die Infectiosität dieser
Erkrankung zu sprechen scheint und aus diesem Grunde kurz
erwähnt werden soll ; von den 6 Kindern einer Dame aus meiner
Praxis erkrankte das eine 12jährige Töchterchen, welches mit
derselben in Süddeutschland zu Besuch war, an zahlreichen
MoUuscumgeschwülstchen der Wangen und der vorderen Hals-
Ueber Psorospermien bei Hautkrankheiten. 375
gegend ; die Dame erzählte mir, dass dort in der Verwandtschaft
mehrere ähnliche Erkrankungen vorgekonmien seien; es ist klar,
dass das Kind während seines Besuches in Süddeutschland
inficirt worden ist. Die Geschwülstchen ergaben sich auch
histologisch an Mikrotomschnitten als Molluscum contagiosum.
In Westdeutschland scheint übrigens diese Erkrankung nicht
gerade sehr häufig vorzukommen.
Noch vor wenigen Tagen erschien eine Arbeit über das
Molluscum von Kromayer, *) welche sich mit der Actiologie
desselben befasst. Eromayer kommt durch seine Methode
der Protoplasmafärbung zu einem dem N e i s s e raschen entge-
gengesetzten Untersuchungsergebniss. Während Neisser sich
zwischen Kern und Protoplasma der Molluscumzelle eine kömige
Masse, den Parasiten entwickeln lässt, durch dessen Wachsthum
und Weiterentwickelung der Kern zur Seite gedrängt und die
Epithelzelle aufgetrieben wird, hält Kromayer die körnige
Masse für ein Zerfallsproduct der Zelle selbst. Wir sehen, dass
über die Frage der Aetiologie die Acten noch keineswegs ge-
schlossen sind ; dass die Krankheit infectiöser Natur ist, hat der
Pick'sche Impfversuch erwiesen; noch nicht aber ist es bewie-
sen, dass die sogenannten Molluscumkörperchen respective ihr
kömiger Inhalt die Infectionsträger sind.
Die Frage, ob Epitheliome infectiöser Natur seien oder
nicht, musste schon wegen der Häufigkeit des Vorkommens und
auch wegen der Malignität eine grössere Bedeutung gewinnen.
Klinisch liegt hier die Sache wesentlich anders wie beim
Molluscum, indem wir eine Uebertragung von einem Individium
auf das andere nicht beobachten. Ebenso steht es mit der
künstlichen Üeberimpfung. Impfversuche wurden mit negativem
Resultate bereits vor Jahren von Doutrelepont*) angestellt
und in der Folge häufig wiederholt. Es würde zu weit führen
und liegt nicht in unserem Interesse daraufhin die Literatur
zu verfolgen.
Der Frage nach dem Vorkommen von Protozoen im Car-
cinom steht Pfeiffer,®) ein anerkannter Protozoenkenner,
sehr sympathisch gegenüber. Eine ausgezeichnete Beai'beitung
des uns hier interessirenden Gegenstandes lieferte Karg.')
Indem wir auf diese erschöpfende, auf Grund eingehender
376 Fabry.
Literaturstudien ausgeführte und mit zahlreichen Mikrophotogra-
phien ausgestattete Arbeit ganz besonders aufimerksam machen,
dürfen wir uns bei Besprechung der Aetiologie der Garcinome
und der Deutung der in Carcinomen nachgewiesenen Befunde
kurz fassen. Die Mehrzahl der Beobachter neigt wohl heute
mehr zu der Auffassung, es seien die bei Epitheliom gesehenen
sog. Erebskörperchen nichts anders wie Epitheldegenerationen
<Eberth, '^) Ribbert, ') Hausemann), sei es dass sie Trüm-
mer von eingewanderten Leucocyten darstellen, sei es, dass ab-
norme und fragmentarische Kerntheilungen vorliegen. Nach
Schütz'^) spielen die rothen und die weissen Blutzellen beim
Zustandekommen der bekannten Gebilde eine gewisse Bolle.
Auf die Bibb er tische Arbeit kommen wir noch zurück Auf
dem X. intemat. med. Congress kam derselbe Gegenstand, die
Deutung der intracellulären Gebilde bei Carcinom in der chi-
rurgischen Section zur Erörterung. Siegenbeck von Hen-
kele om '*) lässt die Frage, ob es sich um Epitheldegenerationen
oder etwas anderes, etwa Pflanzenparasiten handelt, offen. Eben-
da sprach Eiemer'^ über die Bedeutung gewisser pathologi-
scher epidermoidaler Bildungen, welche mit Psorospermien ver-
wechselt werden könnten und möchte dieselben entweder fiir
eine anormale Keratinisation oder eine abnorme Earyoldnese
halten. Auch Mar c hau d^') ist in der Discussion der Ansicht,
dass es degenerative Vorgänge seien. Steinhaus ^^) (ebenda)
glaubt, dass die intracellulären Gebilde entweder Producte der
kolloiden Degeneration sind oder schüsselformig in einander
gekapselte Leukocyten. Firket'^) theilt ebenfalls in der er-
wähnten Sitzung seine Untersuchungseigebnisse mit; auch er
hat Anhäufungen von kleinen Elementen innerhalb der 2iell^
gesehen, die er wie Klebs für zerfallene Leukocyten hält;
derselbe Autor lässt es unentschieden, ob es sich um Parasit^i
handelt oder nicht
Karg resumirt in seiner bereits citirten Arbeit folgender-
massen: ^Aus den so verschiedenartigen und verschieden ge-
deuteten Befunden geht das eine mit Sicherheit hervor, dass
die Autoren ganz differente Dinge als die gesuchten Garcinom-
parasiten beschrieben und gedeutet haben. So lange aber nicht
Einigkeit wenigstens in der Morphologie der Garcinomparasiten
Uebdr Psorospermieii bei Hautkrankheiten. 377
erzielt ist, können die histologischen Befunde als eine Stütze
für die parasitäre Theorie der Carcinome nicht angesehen
werden; die Frage nach der parasitären Natur der
Carcinome bleibt demnach zum Mindesten eine
offene". Die Wickham-Darierschen Eörperchen speciell
fanden sich nach Karges eigenen Untersuchungen nur in Carci-
nomen, die von der Haut ausgehen '/nicht etwa in Drüsencarci-
nomen, was doch gewiss eine Thatsache ist, die stutzig machen
muss; ebenso der Umstand, das$ Karg in 3 Fällen von Haut^
tuberculose die betreffenden Körperchen fand^ in anderen aller-
dings wieder nicht. Da die Carcinomkörperchen wie Prokeratin
und Eleidin in den normalen Epidermiszellen durch Carbol-
fuchsin roth gefärbt werden, so schliesst Karg mit Recht, dass
eine gewisse Verwandtschaft bestehe zwischen Carcinomkörper-
chen und den Vorstufen der Verhomung.
Wir haben gesehen, dass die Mehrzahl der bisher auf*
geführten Autoren im Wesentlichen den gleichen Standpunkt
Tertreten und in der That deckt diese Auffassung sich am
besten mit dem objectiven mikroskopischen Befunde und hält
sich fem von übereilten Schlüssen.
Grundverschieden von den eben angeführten Darlegungen
Karg's und der Mehrzahl der übrigen Forscher ist eine vor
Kurzem im Gentralblatt für Bakteriologie über den Krebspara^
siten veröffentlichte Arbeit Korotneffs. *•) Nach ihm rührt
der regressive Charakter, dem der Krebs unterworfen ist, von
dem Parasiten Rhophalonphulus ab, ihm verdankt er die Nekrose
seiner Zellen und den verderblichen Einfluss, den diese Neu-
bildung auf den ganzen Organismus ausübt Theoretisch, sagt
Koro tue ff, kann ein Carcinom ohne Parasiten keine besonderen
Schädlichkeiten haben. Letzterer Autor ist also wieder ein
eifriger Verfechter der parasitären Theorie.
Damit wollen wir die so reichhaltige und von Ta^ zu
Tag noch mehr anwachsende Carcinomliteratur verlassen; es
genügt ja für unsere Zwecke in kurzen Umrissen die verschie-
denen Ansichten über die Aetiologie der Carcinome zu skizziren.
Die dritte Dermatonose, bei welcher Psorospermien auf-
gefunden und als Krankheitsursache hingestellt worden sind,
ist die im Jahre 1874 beschriebene und nach dem Autor be--
ArehlT f. Dermfttol. n. Sjphll. Band XXVr. 26
378 Fabry.
nannte Paget'sche'^) Erkrankung. Nach Wickham") sind
bei dieser Erkrankung folgende beiden Symptome hervorstechend
und bemerkenswerth ; es ist der Krankheitsprocess ein sehr ober-
flächlich verlaufender; die erkrankte Haut fühlt sich, wenn man
mit dem Finger darüberstreicht, wie eine leichte papierartige
Verhärtung an (Induration papuracee); femer ist die kranke
Haut Yon der gesunden abgegrenzt durch einen scharfen Rand,
bisweilen sogar durch einen Wall, wodurch sie sich grade ins-
besondere Yom Eczem unterscheiden solL Der LiebUngssitz der
Erkrankung ist die Haut um die Brustwarze herum und wird
dieselbe vorwiegend bei Frauen beobachtet.
So Wickham. Pospeloff'*) berichtet über einen Fall
mit LocaUsation an der Glans penis. Eine eingehende histolo-
gische Studie lieferte erst vor Kurzem T ö r ö k, ■**) welcher, wie
ja auch in einer früheren in Gemeinschaft mit Tommasoli
über das Molluscum contagiosum abgefassten Arbeit, zu dem
Resultate kömmt, die von Wickham bei der Paget'schen
Erkrankung beschriebenen Körperchen seien keinesfalls Para-
siten und die Ursache dieser Krankheit; es würde zu weit
führen, auf die interessanten Details dieser Arbeit näher ein-
zugehen. Jedenfalls decken sich die Untersuchungsergebnisse
mit der von der Autorität Kaposis' ') in seinem Lehrbuch
vertretenen Ansicht. In dem Capitel, wo letzterer von dem
Eczema mammae spricht, heisst es: „Die Brustwarze kann dabei
bis zu Fingerdicke anschwellen, dasselbe kommt meist einseitig
und bei Frauen vor; die derartig erkrankte Brustwarze kann
wohl auf den ersten Blick für Carcinom imponiren; man hat
von dieser Form in den letzten Jahren unter dem Namen
„Paget's Disease" unnöthiges Aufsehen gemacht**.
Auch wir haben mehrmals bei Frauen chronische Eczeme
mit der Localisation an der Brust und um die Brustwarze
herum behandelt und in allen Fällen belehrte uns die erhobene
Anamnese, dass der Verlauf ein äusserst chronischer war und
dass die Aflfection der Behandlung hartnäckigen Widerstand
entgegengesetzt hatte; es bildete die eczematöse Hautfläche
ein fast gleich breites Band um die stark geschwollene Brust-
warze als Mittelpunkt; die erkrankte Fläche war eine fast
continuirliche, nicht etwa von gesunden Partien durchsetzte,
Ueber Psorospermien bei Haatkrankheiten. 379
der Rand hob sich scharflinig gegen die gesunde Umgebung
ab. In einem Falle betraf die Erkrankung eine im 8. Monate
der Gravidität stehende Frau und hier war fast die ganze Brust
in eine nässende und unter den Krusten excoriirte und ent-
zündlich infiltrirte Fläche umgewandelt und verursachte der
Patientin^ die schon längere Zeit ärztlichen Bath in Anspruch
genommen hatte, in Folge tiefer Rhagaden und Reibung an
den Kleidern sehr heftige Schmerzen. Sonst fand sich bei der
bleichen und schwächlichen Person nichts Abnormes. Die Dia-
gnose war nach alledem: Umschriebenes und nässendes chro-
nisches Eczem der rechten Brust. Die Heilung war innerhalb
weniger Wochen eine prompte und glatte und die Behandlung
folgende: Abtupfen und Desinfection der nässenden Flächen
mit dünner Salicyllösung, Einpinselung von Thiolum liquidum und
Application eines Zinkleimverbandes. Der einzige Umstand, der
die Brustekzeme zu so hartnäckigen Affectionen stempelt, scheint
mir der zu sein, dass die Application der Medicamente eine
schwierige ist und die Reibung der Kleider und Wäsche immer
neue Reize und Insulte setzt, die die Heilung erschweren.
Ob diese umschriebenen Ekzeme der Brust in der That
zu identificiren sind mit Paget's Erkrankung oder ob letztere
eine Erkrankung für sich ist, wage ich nicht zu entscheiden;
es müsste vor Allem festgestellt werden, ob das Vorkommen
der von vielen Seiten als Parasiten beschriebenen Körperchen
nur der echten Page tischen Krankheit eigenthümlich ist oder
ob auch bei den klinisch harmloseren Ekzemformen solche
Gebilde beobachtet werden; wir haben Untersuchungen in der
Richtung nicht anstellen können.
Wir konmien zur vierten und bisher am seltensten beob-
achteten Dermatonose, für welche Psorospermien als Krank-
heitserreger angesehen wurden, zu der von Darier*") zuerst
als Krankheit sui generis beschriebenen Hauterkrankung, für
welche mit Rücksicht auf die ätiologische Auffassung auch der
Name Psorospermosis follicularis vorgeschlagen wurde.
Wir zählen aus der Literatur folgende Publicationen : Darier
berichtet über 2 Fälle ; die grösste Zahl (4) beobachtete Boeck ;**)
ferner 1 Fall von Mansurow, "*) 1 Fall von Zeleneff**), 1
FallvonBurri und Miethke, "') 1 Fall von Schwimmer, *®)
26*
980 Fabry.
1 FaU von Krösing,") 1 Fall ton Lustgarten undBulkley, **0
IFall von Petersen^') und endlich 2 Fälle von Pawloff.'*)
Der Fall von Josef Frank Payne**) scheint, wie schon aus
der üeberschrift seiner Arbeit hervoiigeht, femer aus dem Ver-
lauf mit Ausgang in Heilung nicht hierher zu gehören und
wurde vom Autor selbst als ein Fall von seltener Acneform
aufgefasst. Also überhaupt beobachtet wurden bisher in ver-
hältm'ssmässig kurzer Zeit 15 Fälle, davon in Deutschland drei»
denen wir eine vierte Beobachtung hinzufügen.
Auf die genannten Abhandlungen werden wir noch Ge-
legenheit haben zurückzukommen, vorhef soll der von uns be-
obachtete Fall mitgetheilt werden.
Der Yon uns beobachtete FaU von PsorospermoBis follicullaris
Darier betrifft den am 5. Februar 1823 geborenen Armenhäusler Frits
Reinecke aus Iserlohn. Patient selbst sowohl wie seine Eltern ttammea
aus Westfalen; der Vater ist an Altersschwäche gestorben, die Mutter an
Phthisis pulmonum. 8 Geschwister des Patienten sind gestorben; über
die Todesursache liess sich nichts ermitteln. Sovi^ steht fest, dass weder
die Grosseltem noch die Eltern noch eines von den lebenden oder bereits
gestorbenen Geschwistern an einem ähnlichen Ausschlag gelitten haben.
Patient war verheiratet, jedoch blieb die Ehe kinderlos.
Patient selbst hat in seiner Kindheit Masern und Stickhusten
gehabt und später die „Menschenblattem^, wodurch er schwache Augen
bekommen hat; auch hat er öfter epileptische Anfölle gehabt.
Patient arbeitete als Nadelstampfer in westfälischen Fabriken, ist
aber während seines ganzen Lebens nie im Auslande gewesen.
Schon in der Jugend hat Patient an vielen Gomedonen der G^mchta-
und angrenzenden Kopfhaut gelitten, den Beginn des jetzigen Aussohlagos
datirt Patient auf dreissig Jahre zurück.
Schon seit 1876 wurde Patient, wie mir College Gerstein, der
Leiter der chirurgischen Station des hiesigen städtischen Krankenhauses,
miitheilt, wiederholt wegen seines chronischen Ausschlages aufgenommen
und nach mehrwöchentlicher Behandlung wieder entlassen.
Patienten sah und beobachtete ich zum ersten Male im Jahre 1890
und nahm damals folgenden objectiven Befund auf.
Der 67jährige Patient ist von ziemlich schmächtiger Statur und
auffallend dunklem Teint; ziemlich üppiger Haarwuchs, die Cilien nur
spärlich vorhanden.
Patient ist im Grossen und Ganzen von recht gesundem Aussehen
und dem entspricht sein subjectives Befinden. Linksseitige Hemia
scrotalis.
An der äusseren Haut des Patienten fiel nun ein Ausschlag auf,
dessen Gesammtbild auf keine der mir bekannten und bis dahin von mir
Ueber Psorospermien bei Hautkrankheiten. 381
gesehenen Dermatonosen passte und dessen bestimmte Diagnose zu geben
ich ausser Stande war. In mein Journal trug ich als Diagnosis per exclu-
sionem gestellt Darier'sche Krankheit ein, glaubte jedoch dieselbe noch
mit einem grossen Fragezeiehen versehen zu müssen, bis die Diagnose
auch durch das Mikroskop gestellt war und femer bis ich die einschlagige
Literatur genauer studirt hatte. Heute ist es für mich nach abgeschlossener
Untersuchung absolut zweifellos, dass in der That ein Fall der so selten
beobachteten und beschriebenen sogenannten Psorospermoni follicularis
Darier 's vorlag.
Das Exanthem war loealisirt, ich besitze davon eine ziemlich
gute Photographie, hauptsächlich am Stamm und zwar symmetrisch, griff
auch über auf die angrenzenden Partien der oberen und unteren Extre-
mitäten, mehr einzeln stehend fanden sich zahllose kleinere und grossere
Erhebungen im Gesicht und auf der Kopfhaut neben auffallend vielen
Comedonen. Bei Inspection der Schleimhäute fanden sich auch
einzelne Erhebungen an der Schleimhaut des Mundes und
zahlreichere oben auf der Zunge; im Uebrigen waren die Schleim-
häute des Rachens und der Nase frei von Efflorescenzen. Wo die EfQo-
rescenzen mehr isolirt stehen, imponiren sie schon bei der Inspection als
knötchenförmige Erhebungen, am Stamme sind die EfBorescenzep zu
grösseren Plateaus confluirt und besonders vom in der Medianlinie sowie
hinten längs der Wirbelsäule stehen diese Plateaus so dicht, dass sie eine
nicht unterbrochene Fläche darstellen und sich nirgends Inseln gesunder
Haut erkennen lassen.
Es soll besonders hervorgehoben werden, dass die Krankheit also
theilweise auch die Schleimhäute (Zunge, Ober- und Unterlippe, sowie
Wangenschleimhaut) mit ergriffen hatte. Schwimmer hebt betreffs des
Falles seiner Beobachtung hervor, dass die Efflorescenzen sich auch auf
den Meatus auditorius externus fortgesetzt hätten.
Die Nägel waren, während Boeck constant Veränderungen an den
Nägeln fand, bei unserem Patienten vollständig gesund.
Neben diesen Knötchen und plateauförmigen Veränderungen an der
äusseren Decke fielen im Gesicht, auf der Kopfhaut und im Nacken eine
auffallig grosse Anzahl echter Comedonen auf. Ich bemerke von vorn-
herein, dass ich diese Erscheinung nicht als besonders charakteristisch für
die Darier'sche Krankheit hinstellen möchte.
Die Gonsistenz der Knötchen war eine feste und hatte man, wenn
man mit der Handfläche über den Leib respectivo längs der Wirbelsäule
herfuhr, das Gefühl, als glitte man über ein Reibeisen, wie dies ja überein-
stimmend alle bisherigen Beobachter hervorheben.
Mit dem Nagel lassen sich leicht an den einzelnen Knötchen spitze
Homzapfen herausschälen.
Die Drüsen in den Leisten, den Axillae, am Halse und im Nacken
sind in geringem Grade geschwellt, aber indolent.
Die inneren Organe sind intact; Appetit und Allgemeinbe-
finden gut.
382 Fabry.
Patient ist wiederholt von nach seiner Angabe intensiTem Jucken
geplagt.
üeber die Behandlung und über den Verlauf der Erkrankung ist
nur wenig zu sagen; es wurden die verschiedenartigsten Salben (Sublimat,
Carbol, Salicyl, Theer, Pyrogallol, Chrysophan) versucht, ohne dass auch
der geringste Erfolg beobachtet worden wäre.
Nach einigen Monaten wurde Patient entlassen, nachdem ich mir
zuvor ein Stückchen der Haut des Rückens zur histologischen Untersu-
chung gesichert hatte.
Im April des folgenden Jahres fand ich Patienten wieder in der
Hautstation des stadtischen Krankenhauses vor.
Der Ausschlag war eigentlich genau derselbe geblieben, dagegen
war das Allgemeinbefinden nicht mehr wie ehedem, indem Patient sehr
viel über Verdauungsbeschwerden, sowie über Brechen und intensive
Schmerzen in der Magengegend zu klagen hatte. Da die Schmerzen in
den nächsten Wochen nicht nachliessen, im Gregentheil heftiger wurden,
und Patient immer hinfalliger wurde, so kg der Verdacht eines Carcinoma
ventriculi nahe, wie dies denn auch leider durch den weiteren Verlauf bis
zum exitus letalis bestätigt wurde. Dass wir uns in Anbetracht der vorliegen-
den schweren Erkrankung darauf beschränkten, von Zeit zu Zeit die Haut
mit milden Salben einzufetten, ist selbstverständlich, ausserdem hatte uns
ja die Beobachtung vom vorigen Jahre hinreichend gelehrt, dass ein Erfolg
nicht zu erwarten sei.
Der Tod trat während meiner Abwesenheit von Dortmund ein, so
dass ich leider bei der Section nicht zugegen war; von den Assistenten
des Krankenhauses wurde mir indess ein grosses Stück der Rückenhaut
exstirpirt und für die mikroskopische Untersuchung in absolutem Alkohol
aufbewahrt.
Es bestätigte die Autopsie die klinische Diagnose Carcinoma ven-
triculi, indem sich ein grosses circuläres Carcinoma pylori fand.
Dass es sich in unserem Falle um eine zufall^e compU-
cirende, innere Erkrankung handelte, die mit der äusseren
Erkrankung nicht im geringsten etwas zu thun hat, bedarf wohl
keines besonderen Hinweises. Es ist ja auch das übereinstim-
mende Urtheil aller Autoren, dass die Darier'sche Krankheit
eine gutartige, wenn auch äusserst hartnäckige, jeglicher The-
rapie Widerstand leistende chronische Erkrankung der Haut ist.
Noch vor ganz kurzer Zeit fügte Pawloff*) den wenigen
bisherigen Beobachtungen zwei neue Beobachtungen hinzu,
gerade zu der Zeit, wo ich mit der Abfassung dieser Zeilen
beschäftigt war und es ist mir somit die Möglichkeit geblieben,
auch diese Arbeit noch mit zu benutzen. Pawloff sagt mit
Becht über die klinischen Symptome, dass nach Aussage aller
üeber Psorospermion bei Hautkrankheiten. 383
Autoren das Erankheitsbild der Darie raschen Psorospermose
so höchst charakteristische Eigenschaften darbietet, dass kaum
eine Verwechselung mit etwas anderem möglich wäre.
Femer ist bemerkenswerth die sehr plausible Ansicht des*
selben Verfassers, dass ganz gewiss die Darier'sche Erkran^
kung schon früher von anderen Dermatologen unter anderem
Namen beschrieben worden sei (cf. p. 197).
Was ich noch besonders von meinem Patienten erwähnen
möchte, ist das Mitbefallensein einzelner Schleimhäute
(s. oben); es erinnerten mich die Knötchen in ihrer Erschei-
nung am meisten an einen Fall von Lachen der Schleimhaut,
den ich in früheren Jahren zu sehen Gelegenheit hatte. Es hat
mir leider von der erkrankten Schleimhaut nichts zur Verfügung
gestanden, nichtsdestoweniger bin ich fest überzeugt, dass es
sich um genau dieselben Erscheinungen handelte, wie an der
äusseren Decke; im Allgemeinen erschienen die Schleimhaut-
knötchen etwas flacher. Was die Charakteristik der Knötchen
im einzelnen anlangt, so schliesse ich mich den von den früheren
Beobachtern gegebenen Schilderungen vollständig an. Die
Knötchen schwanken in der Grösse von der eines Stecknadel-
knopfes bis zu der eines Hanfkomes, sie tragen an der Ober-
fläche fest haftende Schüppchen, die sich als Homzapfen dar-
stellen; die Knötchen stehen theils isolirt, theils sind sie, und
dies ist am Rumpf am stärksten der Fall, zu grossen Plateaus
confluirt; wie auch im Bo eck 'sehen Falle, ist fast die ganze
Haut des Rückens sowie an Brust und Bauch dicht besetzt von
nötchen« Die frappante Aehnlichkeit des von uns beobachteten
Krankheitsfalles mit der in der Boeck'schen Abhandlung gege-
benen Abbildung musste jedem, der den Patienten sah, auffallen.
In den Fällen von Krösing und Petersen erstreckte
sich die Erkrankung nur auf ganz umschriebene Hautpartien.
Klinisch bietet, me wir aus dem von uns mitgetheilten
Fall, sowie nach den bisherigen Veröffentlichungen sehen, die
Darier'scbe Erkrankung so auffällige Symptome dar, dass
nicht der geringste Zweifel darüber entstehen kann, dass wir
es mit einer neuen, bisher respective bis zuDarier's Publica-
tion nicht gekannten Hauterkrankung zu thun haben. Wir sehen
hier ab von den Veröffentlichungen, die bereits früher ähnliche
384 Fabry.
Erkrankungen unter anderem Namen beschrieben haben. Die
klinische Diagnose kann, wenn man das Krankheitsbild nur ein-
mal gesehen hat, unmöglich Schwierigkeiten machen. Und ebenso
wohl charakterisirt und unterschieden von anderen Hautaffec-
tionen sind, wie gleichfalls alle Autoren hervorheben, die patho-
logischen Veränderungen bei Untersuchung mikroskopischer
Schnitte.
Wir haben sehr zahlreiche Schnitte untersucht und die-
selben nach den verschiedensten Färbemethoden behandelt, um
eine möglichst gute Vorstellung von den pathologischen Ver-
änderungen am eigenen Material zu bekonmien und um die be-
kannten Darier'schen Eörperchen recht schön zur Darstellung
zu bringen. Versucht wurde Löffler's Methylenblau, Carbol-
fuchsin, Hämatoxylin (ganz schwache Lösung und Färbung
mehrere Tage lang; Karg), Doppelfärbung mit Hämatoxylin
und Eosin, Eosin allein, Saffranin, Bismarckbraun, Pikrocarmin,
Dahlia und Dahlia Alauncarmin.
Die besten Bilder erhielten wir nach Karg's HämatoxyUn-
färbung und durch Färbung mit Pikrocarmin und nachfolgender
Einbettung in Glycerin (Boeck) oder CanadabalsanL
Während Darier pathologisch anatomisch die Läsion
hauptsächlich in den Talgdrüsenapparat verlegt, haben alle
Autoren, die sich nach ihm mit der Krankheit befasst haben,
eine durchaus abweichende Auffassung, sie stinmien aber alle
darin überein, dass es sich um eine in der Epidermis localisirte'
und säauntliche Schichten derselben treffende Gewebshyper-
plasie handelt. Diese letztere nimmt an Intensität zu von der
Cutis nach dem Stratum comeum, welches letztere in zahlrei-
chen Schichten übereinander gelagert ist; dabei erscheint, wie
wir an allen Präparaten constatiren konnten, die Homschicht
lamellenartig geschichtet, zwischen den Lamellen schmälere
Zwischenräume lassend.
Die auffälligsten und für die Diagnose höchst wichtigen
Veränderungen der Epidermis bieten sich uns dar an den Stellen,
wo wir die Entwickelung eines Epithelknötchens beobachten,
d. h. da, wo es zu einer ganz excessiven Hornbildung gekom-
men ist und es für den ersten Blick so aussieht, als ob ein
harter Homzapfen oder Hompflock wie ein Keil nach unten
üeber PBorospermieii bei Haatkrankheitezu 885
in die weiche Malpighische Schicht hineingetrieben wäre. Das
«ofialligste und sonst keiner Erkrankung zukonunende Gharak^
teristicum der Knötchenefflorescenz, das sich constant nach*^
weisen lässt, kommt dadurch zustande. Die welligen Gontouren
zwischen Gntispapillen und den Papillen des Bete yerstreichen
zu einer nach unten conTezen Bogenlinie ; am Bande der Efflo-
rescenz erscheinen die Papillen Terlängert Diese Erscheinungen
sind aber deshalb wesentlich, weil sie bei keiner anderen
Parakeratose beobachtet werden und deshalb von Bedeutung
fiir die Diagnose besonders in zweifelhaften Fällen, denn wir
werden sehen, dass die sonstigen Erscheinungen resp. histolo-
gischen Details auch bei anderen Affectionen beobachtet worden
sind. Nächstdem ist, wenn ich so sagen darf, bereits bei grober
Besichtigung der Schnitte aufifallend, dass an den Knötchen die
Hornbildung bis in die tiefsten Schichten des Bete Malpighi
sich fortsetzt VonBoeck wurde gleichfalls als charakteristisch
und bei grösseren Efflorescenzen nie fehlend hervorgehoben die
Büdung sogenamiter Lacunen, wie wir sie auch an unseren
Präparaten voigefunden haben. Wir schliessen uns der Ansicht
Petersen's, dass es sich um Eunstproducte handelt, an; bei
den von mir durchmusterten Schnitten waren sie einmal keine
oonstante Erscheinung, dann aber fanden sie sich, wenn auch
nicht grade so in die tieferen Schichten des Bete hinreichend,
fast ganz analog bei Schnitten durch einen echten Homkrebs,
den wir vergleichsweise untersucht haben.
Wenn wir nun unsere Präparate bei schwacher Vergrösse-
rung weiter durchmustern, finden wir die Zellen der Gjlinder-
Schicht auffallend stark pigmenthaltig (B o e c k), während in dem
Falle vonBuzzi undMiethke das Pigment sich an ganz um-
schriebenen Stellen des Stratum cylindricum vorfand. Pigment-
ablagerungen fanden sich gleichfalls in den obersten Theilen
der Gntispapillen; am deutlichsten traten diese Verhältnisse
hervor an Präparaten, die mit Dahlia gefärbt waren.
Verfolgen wir nun den Schnitt weiter nach dem Gorium
lind den subcutanen Ps^illen, so konnten wir kleinere und
auch einzelne grössere Herde kleinzelliger Infiltration um die
Gelasse herum und gleichfalls um die Knäuel der Schweiss-
drüsenconglomerate constatiren (Erösing, Petersen). Im
386 Fabry.
Uebrigen fand sich an d(3r Cutis und dem subcutanen. Gewebe
nichts Abnormes. Haarbälge, Talgdrüsen schienen in keiüer Be-
ziehung zu den erwähnten KnötchenefHorescenzen zu stehen
und waren normal.
Bei Inspection mit stärkerer Vergrösserung sind an unse-
ren Schnitten, indem wir vorläufig noch absehen von der Lage-
rung und den Bildungen der von Darier beschriebenen „corps
ronds'' und „grains'', folgende Punkte hervorzuheben. Die Hom-
schichten sind ungemein verbreitert, in ihrem Zusammenhang
gelockert, lamellenartig übereinander geschichtet, hie und da
eingesprenkelt, finden sich grosse kernlose, stark lichtbrechende
Zellen, die wir noch im Zusammenhang mit der Dario raschen
Zellen beschreiben werden ; die Hornlamellen ragen vielfach sehr
tief in das Rete Malpighi hinein; die drei folgenden Schichten
des Beti Malpighi sind überall da, wo es nicht zur Bildung
eines Hompflockes gekommen ist, gut abzugrenzen und hjper-
plastisch; die Zellen des Stratum granulosum zeigen Eleidin,
am Stratum dentatum ist der Stachelsaum nur zuweilen erhal-
ten und das Protoplasma der Zellen des Stratum cylindricum
ist auffallend stark pigmenthaltig. Die Papillen der Cutis er-
scheinen besonders da, wo sie Hompflöcke begrenzen, in die
Länge gezogen und sehr oft dendritisch verzweigt. Wir hoben
bereits hervor, dass sich Herde kleinzelliger Infiltration vor-
fanden um die Gefasse der Cutis und im periglandulären Ge-
webe der Knäueldrüsen. Nach Untersuchung bei starker Ver-
grösserung können wir hinzufügen, dass sich weder vom Epithel
noch Endothel der Drüsenschläuche ausgehend Veränderungen
wahrnehmen liessen hyperplastischer Art; am Endothel keine
Vergrösserung oder Proliferation, auch keine Zeichen der Dege-
neration; dasselbe gilt vom Epithel.
Buzzi und Miethke fanden zuweilen cystische Erwei-
terung der Ausfuhrungsgänge einzelner Knäueldrüsen in der
Höhe der Homschicht ; bei den B o e c k'schen Fällen wurden die
Schweissdrüsen in der Kegel normal gefunden; aber nichts
destoweniger scheinen nach Bo eck die Schweissdrüsenmundun-
gen speciell zur Bildung der Homzapfen Veranlassung geben zu
können. Auch wir fanden widerholt, dass Drüsenausführungs-
gänge in die Lacunen einmündeten, ohne dass am Epithel der-
üeber Psorospermien bei Hautkrankheiten. 357
selben das geringste Abnorme aufzufinden gewesen wäre; aber
ebenso oft sahen wir Schweissdrüsenausfuhrungsgänge, ohne
dass es zur Bildung des Hompflockes gekommen wäre; wir
haben daher nach unseren Untersuchungen nicht die lieber-
Zeugung gewinnen können, als wenn die Schweissdrüsenausfiih-
rungsgänge in irgend welchem Gausahiexus ständen zur Bildung
der bekannten Homzapfen.
Auch bezüglich der Auffassung, dass Haarbälge und Talg-
drüsen zu der Hyperplasie und Parakeratose bei Darier's Er-
krankung nicht im geringsten ätiologisch von Bedeutung seien,
können wir uns der übereinstimmenden Ansicht aller Autoren
anschliessen.
Zum Schlüsse unserer Erörterungen kommen wir zur Deu-
tung der von Darier als Parasiten beschriebenen Zellen. Wir
haben unsere Präparate an der Hand des Pete rse naschen
Schemas einer nochmahgen Durchmusterung unterzogen und
müssen nach alledem gestehen, dass uns die Deutung dieser
Gebilde als verschiedene Stadien der Degeneration resp. Ver-
homung der Epithelzellen am wahrscheinlichsten zu sein scheint
im Gegensatz zu der doch sehr problematischen und keineswegs
durch ausreichende und beweiskräftige Argumente gestützten
parasitären Theorie.
Es gelang uns mit leichter Mühe aus unseren mikrosko-
pischen Bildern die verschiedenen Typen, wie sie Petersen
beschreibt, herauszufinden und wir haben dieselben in bestimm-
ter Reihenfolge, um die Entwicklung bis zur völligen Verhor-
nung zu demonstriren, gleichfalls kurz skizzirt. Es ist da in
der That leicht herauszusehen, dass die grossen Zellen Varianten
darstellen, die ihren Endpunkt in der vollständigen Verhomung
der Zelle finden. Wir verweisen besonders auf die Deductionen
der in der Doutrelepont 'sehen Klinik ausgeführten Arbeit
Petersen 's, deren wesentlichstes Verdienst es ist, die von den
früheren Autoren geäusserte Ansicht, es handle sich bei jenen
Gebilden um Zeichen der Degeneration (Boeck, Erösing, Paw-
loff, Buzzi und Miethke etc.), mit stichhaltigen Gründen gestützt
und auf eine sehr plausible Art erklärt zu haben. Es liegt in
der Natur der Sache und ist vielleicht auch ein Beweis für die
Richtigkeit der Voraussetzung degenerativer Vorgänge innerhalb
388 FÄbry.
der Epithelzellen, dass man im Allgemeinen die höheren Stadien
der Verhonmng und die weniger difierenzirten grossen Zellen
ganz entsprechend auch in den höher^i Terhomten Schichten
findet, wie dies aus unserer Abbildung (Fig. 1) hervorgeht.
Gerade als wir nüt den Untersuchungen zu dieser Arbeit
beschäftigt waren, bot sich uns die Gelegenheit ein Epithelioma
comeum zu untersuchen. Es handelte sich um eine Patientin,
bei welcher sich an dem durch eine Verletzung arg yerstüm-
melten linken Vorderarm — von den Fingern war nur ein Rudi-
ment des Zeigefingers übrig geblieben — im Bereich der Nar-
ben ein Epithelioma entwickelt hatte; in der nächsten Nähe
des Epithelioma fanden sich in gesunder Haut mehrere Hom-
Warzen, etwa von der Grösse eines Zwanzigpfennigstückes, die
sich bei der histologischen Untersuchung entsprechend der kli-
nischen Diagnose als epitheliomatös erwiesen. Es ist derselbe
Fall, den wir oben schon gelegentlich der Besprechung der
Boec kuschen Lacuuen angeführt haben. In diesen Schnitten
nun fanden wir zahlreiche Zellen, die grosse Aehnlichkeit mit
den Darier^schen corps ronds und grains zeigten und
vor AUem auch wiederum wunderschön sich in das Peter sen'sche
Schema mit Mantel- und Eemring hineinpassen liessen.
Wir fanden in unseren Präparaten auch Emschachtelun-
gen verschiedener Zellen in einen gemeinsamen Bfantelring, wie
dies Petersen beschrieben hat. Es handelt sich bei diesen
Gebilden nicht etwa um intracellulär gelegene Psorospermien,
sondern, wie wir behaupten möchten, um die Analogie der von
Bibbert bei Garcinomen beschriebenen Processe der Ein-
schachtelung von Zellen, die sich bei dem weicheren Proto-
pUsma der CarcinomepitheUen natui^emäss viel zahkeicher vor-
finden, wie bei Zellen, die einer Hyperkeratose anheimgefallen
sind. Wie unsere Abbildungen (Fig. 3) zeigen, fehlen sie hier
auch nicht gänzlich.
Wir kommen in nochmaUger Erw^ung der klinischen
Daten unseres Falles von Darier'scher Parakeratose und
nach dtn Resultaten der histologischen Untersuchungen, die im
Grossen und Ganzen im Einklang stehen mit denen früherer
Autoren (Boeck, Buzzi und Miethke, Krösing, Pawloff,
Petersen), zu der Auffassung, dass allerdings eine besondere
Ueber Psorospermien bei H[autkraiikheiten. 389
neue wohlcharakterisirte Erkrankong vorliege, dass jedoch
Darier^s Yermuthung resp. Behauptung, dieselbe sei durch
Psorospermien in der Haut Yerursacht, sich als nicht den That-
sachen entsprechend herausgestellt hat.
Es liegt hier aber auch klinisch die Sache ganz anders
"wie etwa beim. Molluscum contagiosum, das einen acuten und
entschieden infectiösen Process darstellt. Es wäre ja nicht un-
möglich und ist sogar zu erwarten, dass über kurz oder lang
sich doch hier der Krankheitserreger in der einen oder anderen
Form sei es als thierischer oder pflanzUcher P^prasit auffindet.
Für das Garcinom sind gleichfalls vorderhand die Erwartungen,
man habe die letzte Ursache dieser Krankheit in Psorospermien
ähnlichen Gebilden gefunden, getäuscht worden. Ueber die
Paget'sche Erkrankung sind ebenso die Acten noch nicht ge«
schlössen, da bezüglich der klinischen Deutung noch so grosse
Differenzen herrschen.
Literatur.
1. Keisser, über das Epithelioma (sive MoUnscum) contagiosum.
Vierteljahressclinft für Dermatol. und Syphilis. 1888, p. 553 ff,
2. L. Török und P. Tommasoli. üeber das Wesen des Epithe-
lioma contagiosum. Monatshefte für prakt. Dermatologie. Bd. X, p. 149 ff.
8. Pick. Verhandlungen der Deutschen dermatol. Gesellschaft 1891,
p. 76£; ebenda Tonton, Ehrmann, Neumann, v. Sehlen, Kaposi.
4. Kromayer. Die Histologie der MoUuscumkörperchen« Dennat.
Yeranig^ong zu Berlin, Sitzung vom 14. März 1893.
Kromayer. Die Histogenese der MoUuscumkörp^MShen. Virohow's
Archiv. 132. Band, 1893.
ft. Doutrelepont. Virchow's Archiv, Bd. 45, p. 501.
6. Pfeiffer. Die Protozoen als Krankheitserreger. Jena 1890. Zeit-
schrift für Hygieine, 3, 4, 5, 6, Band Ylll und Correspondenzblatt des
ailgem. ärztlichen Vereins für Thüringen 1888.
7. Karg. Ueber das Careinom. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie.
Bd. 84, p. 188 ff.
a Eberth. Fortschritte der Medicin 1890, p. 657.
9. Ribbert. Ueber Einschlüsse im Epithel der Oarcinome. Deutsche
nedictnische Wochenschrift 1891, Nr. 42.
390 Fabry.
10. Schütz. lieber die protosoen- und coccidienariigen Mikroorg»*
nismen in Krebszellen. 1880, Münohener medic. Wochenschr. Nr. 85.
11. Siegenbeck YonHenkeloom. Yerhandlongen de« X. Internat,
medicin. Congresses and Archiv für pathologische Anatomie 1890, Nr. 20«
üeber intracellulare Gebilde bei Carcinom.
12. Eiener. Bedeutung gewisser pathologischer epidermoidaler Ge-
bilde, welche mit Psorospermien verwechselt werden könnten. Verhand-
lungen des X. Internat, medic. Congresses. Berlin 1890.
13. Marchand, ebenda.
14. Steinhaus, ebenda und üeber Carcinomeinschlüsse. Yirchow's
Archiv. Band 136, p. 633. 1891.
15. Firket. Verhandlungen des X. internationalen med. Congresses.
Berlin 1890.
16. Korotneff. Rhophalonphaluscarcinomatosus, Krebsparasit. Gen-
tralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde. Aül. Band, p. 878.
17. Paget. St. Bartholomaeus Hospital reports. 1874.
18. Wickham. Ueber die sogen. Paget^sche Krankheit, These de
Paris. 1890.
19. Pospelow, ebenda. Tarnowsky. Congress der Aerzte in
Moskau. 1890.
20. Török. Die protozoenartigen Gebilde des Carcinom s und der
Paget'schen Krankheit. Monatshefte für prakt Dermat. Bd. XVI, p. 209 ff.
21. Kaposi. Lehrbuch der Hautkrankheiten. 8. Aufl. p. 485.
22. Darier. Internat. Congress für Dermat. und Syphilis 1889 und
Intern. Atlas seltener Hautkrankh. Heft 8.
23. Ebenda Wickham; conf. Nr. 17 des Lit.-Verz.
24. Boeck. Internat. Congress für Dermatologie. Paris 1889 und
„4 F&Ue von Darier'scher Krankheit«. Archiv für Dermatol und Syphüis.
1891, p. 857 ff.
25. Maus uro w. Vorstellung eines Falles von Darier'scher Krank-
heit auf dem Congress der Aerzte in Moskau 1890.
• 26. Zeleneff. The Brit. Joum. of Dermatol. 1891. 267.
27. Buzzi u. Miethke. üeber die Darier'sche Dermatose. Monats-
hefte für prakt. Dermatologie. Nr. 1 und 2. 1891.
28. Schwimmer. Ein Fall von Psorospermosis cutanea, vorgestellt
im ärztlichen Verein zu Budapest 1891 und Krankenbericht, verlesen von
N ei SS er über diesen Fall auf dem Deutschen Dermatologen-Congress 1891.
Siehe Verhandlungen der Deutschen dermatolog. Gesellschaft 1891 p. 76 ff,
29. Kr ö sing. Monatshefte für prakt. Dermat Band XV, p, 488 ff.
30. Lustgarten. On Psorospermoni follicularis. Journal of cutan
and gen.-urinary diseases. January 1891. Diesen Fall stellte Lustgarten
Ueber Psorospermien bei Haatkrankheiten. 391
auf dem intemat. Berliner Congresse vor und er wurde auch abgehandelt
▼on Bulkley, Med. News, 1890. Heft 8.
81. Waltber Petersen. Ueber die sog. Psorospermien. Central-
blatt für Bakteriologie und Parasitenkunde. Band XIV. Nr. 15.
82. Pawloff. Zur Frage der sog. Psorospermose folliculaire vege-
tante Darier. Erganzungshefte zum Archiv für Dermatologie und Syphilis.
1898. 11. Heft, p. 195 ff.
88. Josef Frank Pagne. Ueber einen papulösen acneformigen
Ausschlag mit colloiden Massen wie diejenigen des Molluscum contagiosum.
Monatshefte für prakt. Dermatologie. Band 14, p. 68.
Erklärung der Abbildnngen auf Tafel ZIII.
Fig. 1. Leitz Objectiv lY. Ocular 1. a Str. comeum, h Str. Malpighi,
e Str. cylindricum, d Herde kleinzelliger Infiltration, x Boeck'sche Lacune.
Fig. 2. Leitz Objectiv YII. Ocular 1. a Str. cylindricum, b Stratum
denetatnm, e Str. granulosum mit Eeratohyalinkömem, d Str. comeum,
e Darier'sche Zellen, x Boeck'sche Lacune.
Fig. 8. Objectiv VII. Ocular UI. Ä, 1. Petersen's Schema: a Kern,
b Eemring, e Keratohyalinschicht, d Mantelring. 2. und 8. Zellen mit
starkem Mantelring. 4. u. 5. Zellen mit starkem Eemring. 6. Endstadium
der Verhomung. B. 1., 2., 8., 4. Verschmelzung zweier Zellen in einen
gemeinsamen Mantelring. 5., 6. Typen der Einschachtelung.
Ein Fall von Tuberculosis cutis verrucosa.
Von
Dr. Julias Heller, ^^ Dn Karl Hirsch,
AMiBtenten des Prof. Dr. G. L«win. AMisUAin Charlottenburger Krankenhaus.
(Hierzu Taf. XIV.)
Seitdem im Jahre 1886 Riehl mid Palt auf (Viertel-
jahrsschrift für Dermatologie und Syphilis) das Krankheitsbild
der Tuberculosis cutis verrucosa gezeichnet haben, ist die Zahl
der veröffentlichten Fälle und vor Allem die der Abbildungen
eine verhältnissmässig kleine. Durch das Entgegenkommen des
dirigirenden Arztes des Charlottenburger Krankenhauses Herrn
Dr. Alt sind wir in der Lage, die Casuistik um einen interes-
santen Fall bereichern zu können. Wir sprechen Herrn Dr. Alt
für die Erlaubniss zur Veröffentlichung der Krankenbeobachtung
unseren besten Dank aus.
Krankengeschichte (Dr. Hirsch).
Karl K, 37 J., Schlosser.
Anamnese. Der Vater und die älteste Schwester des Fat. sind
an Schwindsucht gestorben. Als Kind hat Fat. nur Masern gehabt; 1875,
in seinem 19. Lebensjahr, bekam er zuerst eine Lungenblutung, lag aber
nur 3 Wochen krank und konnte nachher seinem Gewerbe als Schlosser
wieder nachgehen« 1879 wiederholte sich die Lungenblutung ; in den 80er
Jahren hat er nur ganz vorübergehend gekränkelt und stets in seinem
anstrengenden Gewerbe als Schlosser gut arbeiten können. Ende der 80er
Jahre bemerkte er auf der Innenfläche der linken Hand, zwischen Daumen
und Zeigefinger, einen Ausschlag, der mit Bildung kleiner Warzen anfing ,
und sich langsam, aber beständig, der Fläche nach ausbreitete; Februar
1892 suchte er wegen Verschlimmerung seines Lungenleidens die Charite
auf; hier wurde dieser Ausschlag bemerkt und von v. Bardeleben
Archiv fttr Dermatol. u. Syphil. Band XXVI. 27
394 Heller und Hirsch.
exstirpirt. Nach 10 Tagen war die Wunde bis auf eine kleine Stelle,
welche noch eiterte, verheilt. Aber bereits nach 5 — 6 Wochen bemerkte
Fat. an derselben Stelle wieder das Hervorwuchem kleiner Wärzchen.
Seitdem hat sich der Ausschlag peripherisch bestandig vergrössert. Im
Juni 1892 zeigte sich der gleiche Ausschlag auch am Endglied des Daumens
der rechten Hand. Die AfFection schmerzte mitunter und war dem
Patienten bei der Arbeit hinderlich. Seit Anfang dieses Jahres ver-
schlimmerte sich sein Lungenletden wieder, es stellten sich Lungenblu-
tungen ein. Pat. war voü der Zeit an arbeitsunföhig. Vor 10 Wochen
biss er sich aus Versehen in die Zunge; die kleine Wunde heilte nicht;
es entstand ein Geschwür, welches beim Essen Schmerzen verursachte.
Seit '/« Jahr ist der Pat. heiser. Im Juni 1893 suchte der Pat das Char-
lottenburger Krankenhaas anfl
Status praesens. Mitielgrosser , kraftig gebauter Mann, der
ziemlich stark abgemagert ist — Stimme stark belegt — Thorax flach und
lang; Athmung sehr oberflächlich, beschleunigt. — Beide Fossae infra-
claviculares sind eingesunken, besonders die rechte. Beide Spitzen geben
gedämpften Percussionsschall — R. V. erstreckt sich die Dämpfung bis zur
Höhe der 3. Rippe. Die untere Lungengrenze steht rechts vom am un-
teren Rand der 5. Rippe — das Athemgeräusch ist über der rechten
Spitze deutlich bronchial, über der linken vesiculär mit Rasseln auf der
Höbe des Exspiriums. R. V. 0. bis zur 4. Rippe reichliches feuchtes
Rasseln, weiter unten stark abgeschwächtes Athmen. Hinten ist über der
Fos.sa supraspinata dextra deutliche Dämpfung mit scharfem bronchialen
Athmen, das sich auch noch auf die Fossa infraspinata erstreckt. Hier
hört man auch kleinblasiges feuchtes Rasseln, R. H. ü. abgeschwächtes
Athmen und spärliches Rasseln. Der sonstige klinische Befund der Brost
und Unterleibsorgane ergibt normale Verhältnisse. Temper. 37. Gewicht
57-5 Kgr.
Am linken Zungenrand, nahe der Zungenspitze (2 Cm. von der-
selben entfernt), ein massig tiefes, 1 Cm. langes, 7« Cm. breites Geschwür
mit etwas überragenden, unregelmässigen, meist abgerundeten Rändern,
<1 essen Grund, wie Ränder von deutlich sichtbaren grau weissen, durch-
scheinenden miliaren Knötchen besetzt sind.
Auf der Volarfläche der linken Hand, den ganzen Thenar ein-
nehmend und sich einerseits auf die Hautpartie zwischen Daumen und
Zeigefinger bis in die Nähe des Dorsum, andrerseits mit einem kleinen
Zipfel auf die radiale Seite der ersten Phalanx des Daumens erstreckend,
besteht ein eigenthumlicher Hautausschlag. Die centrale Partie derselben,
in der Grösse eines ÖMarkstücks, wird von glatter, dünner, atrophischer,
narbig aussehender Haut eingenommen, auf welcher die fein?n Riffe
Jungen völlig verschwunden sind. Diese Partie wird von einer, theils aus
epi:zen, theils aus stumpfen Wärzchen bestehenden Wucherung begrenzt.
Die Warzon stehen stellenweise vereinzelt, sind aber gewöhnlich in
grösseren Beeten angeordnet. Die Begrenzung ist unregelmässig, guir-
landenförmig, meist ihre Concavität dem Centmm zukehrend. Die stärkste
Ein Fall von Tuberculosis cutis verrucosa. 3 95
Anhäufung' der warzigen Exorescenzen befindet sich in der Hautfalte
zwischen Zeigefinger und Daumen. Die Farbe der Warzen ist schmutzig
gelb, zuweilen braungelb. Die einzelnen Excrescenzen sitzen ziemÜch fast
in der Haut, lassen sich jedoch bei Anwendung von einiger Gewalt mit
dem Fingernagel entfernen. Nach dieser Irritation sickert aus dem Ge-
webe etwas Flüssigk^t hervor. Um die Wucherungen befindet sich eine
Zone blau-roth gefärbter Haut. (Auf diese deutlich ausgesprochene ent-
zündete Umgebung der Wärzchen sei besonders hingewiesen.) Ausser
dieser Affection befindet sich an der ulnaren Flache des Endgliedes des
rechten Daumens, etwas auf die volare Fläche übergreifend, eine ca.
5Pfennigstück grosse Wucherung, aus dicht nebeneinander stehenden,
breiten, das Hautniveau deutlich überragenden Wärzchen bestehend, im
übrigen von genau der gleichen Beschaffenheit, wie die vorhin erwähnte
Partie.
Die Stelle am Daumen ist auf Druck empfindlich. Eiternde oder
nässende Stellen finden sich nirgends, sollen aber nach Angaben des Kranken
bestanden haben, sobald er die Hände bei der Arbeit benutzte.
Am Kehlkopf lässt sich Verdickung der Epiglottis, intensive
Rothung und Schwellung sowohl des Larynxeingang, wie der gesammten
Hichtbaren Larynxschleimhaut constatiren. Die Spitze des r. Aryknorpels
ist ödematös geschwollen, stark vergrössert, tumorartig hervorspringend.
Von den falschen Stimmbändern ist besonders das rechte stark intilt-
rirt, mit einem kleinen Ulcus versehen. Die wahren Stimmbänder sind
stark geröthet, aber ohne Geschwüre.
Fat. klagt über lebhafte Schling- und Schlackbeschwerden.
Sputum schleimig-eitrig, geballt, zeitweilig mit kleinen Blutstreifen,
5—8 Esslöffel pro Tag, enthält reichlich Tuberkelbacillen.
Die Therapie war selbstverständlich rein symptomatisch. Bei dem
schlechten Allgemeinbefinden war es unangebracht, auch nur den Versuch
zu machen, die den Kranken gar nicht belästigende Hautaffection thera-
peutisch zu beeinflussen. Zur Untersuchung wurde in vivo ein Stück
exstirpirt. Bei dieser Probe-Excision wurde zur Schliessung der kleinen
Wunde Jodoform verwandt; es schien, als wenn nach der Anwendung
desselben die Wärzchen sich verkleinerten, als wenn auch hier die speci-
fische Wirkung des Jodoforms auf das tuberculöse Gewebe sich kundgab.
Der Verlauf des Lungenleidens bietet wenig Interessantes. Am
16. Juli 1893 trat, nachdem einige Tage vorher die Temperatur auf 40*
gestiegen war, der Exitus ein.
Section (Dr. Hirsch). Aus dem SectionsprotokoU heben wir nur
die allerwichtigsten Organveränderungen hervor.
Rechte Lunge. Die Spitze ist so fest mit der Thorax wand ver-
wachsen, so dass ihre Herausnahme nur mit der Pleura pulmonalis zu-
sammen gelingt. Lunge selbst hochgradig verkleinert, die Lappen unter-
einander verwachsen. An der Spitze bildet die Pleura pulmonalis mit der
costalis zusammen eine ca. 2 Gm. dicke gelatinöse Schwarte, überlappen
völlig luftleer, schiefrig indurirt, von zahlreichen narbigen Partien durchsetzt.
27*
396 Heller und Hirsch.
Itai Mittellappen eine wallnnssgrosse Cayeme; der Unterlappen ebenfalls
fast TöUig luftleer; auf der Scbnittfläche zahlreiche miliare und grossere
käsige Herde.
Linke Lunge hypervolaminös, im ünterlappen gut lufthaltig; an
der Aussenflftche des Oberlappens eine tief eingezogene narbige Partie.
Beim Betasten sind in der ganzen Lungensubstanz zahlreiche grössere und
kleinere Knoten durchfuhlbar. Oberlappen stark schiefrig indurirt, in ihm
eiine wallnnssgrosse, Yon einer weisslichen Membran ausgekleidete Ga-
veme. — Der ünterlappen, braunroth, enthält nur spärlich käsige Herde —
die Lymphdrüsen am Hilus und längs der grösseren Bronchien sind
schiefrig indurirt.
In Milz, Kieren, Leber, Darm keine auf Tuberculose zu beziehende
Veränderungen.
Auf der Zunge befindet sich das oben genauer beschriebene Ulcus
tuberculosum.
Kehlkopf. An der hintern Fläche der Epiglottis und zwar mehr
an der Basis beginnt eine Wucherung, welche fast den ganzen Introitus
bis zu den Taschenbändem einnimmt. Die Wucherungen sind grauweiss
bis grauroth, an der Oberfläche zerklüftet, von Linsen- bis Stecknadelkopf-
grösse. Auf einem falschen Stimmbande eine kleine Ulceration. Unter-
halb der Glottis bis tief in die Trachea hinein kleinere und grossere
tuberculose ülcerationen.
Höchst interessant war die wahrscheinliche Entstehungs-
geschichte der Handaffection. Der Patient pflegte bei
seiner Arbeit, um die glatten Instrumente besser
halten zukönnen, sichin die linkeHand zu spucken
und mit der rechten den Speichel zu verreiben. Mit
der Klarheit eines Experimentes sind alle Bedin-
gungen zur Infection gegeben.
Die Haut eines seit Jahren tuberculösen Mannes darf
wohl als ein geeigneter Nährboden für das Gedeihen der
Tuberkelbacillen betrachtet werden. Eingangspforten, in Gestalt
kleiner Risse und Schrunden, hat der Kranke als Schlosser
natürlich genügend gehabt. Tuberkelbacillen enthielt das Spu-
tum und dem entsprechend der Speichel in ausreichender Menge.
Wie infectiös der Speichel gewesen ist, geht wohl am besten
daraus hervor, dass eine vom Speichel umspülte, an sich ganz
unbedeutende Bisswunde der Zunge sich in ein tubercnlöses
Geschwür umwandelte. Diese infectiöse Flüssigkeit wurde durch
das Verreiben des Speichels in den Handflächen durch die
lüsse der Haut in die Lymphbahnen des Gewebes gewisser-
massen hineingepresst. Wir halten diese Entstehungsweise der
Ein Fall von Tuberculosis cutis yerrucosa. 397
Hauttuberculose in unserem Falle für um so wahrscheinlicher,
als die A£fection gerade an denjenigen Stellen der Hohlhand
entstanden ist, in welche beim Verreiben des Speichels, wie
man sich leicht überzeugen kann, die Flüssigkeit mit der
grössten Gewalt gepresst wurde.
Es erschien uns von Bedeutung, genau auf die Entstehung
der Hauttuberculose in unserem Falle hinzuweisen, zumal da
analoge Beobachtungen in der Literatur uns nicht bekaimt sind.
Mikroskopische Untersuchung. (Dr. Heller.)
Zur mikroskopischen Untersuchung wurden sowohl in vivo
exstirpirte Hautstücke, als auch Theile von der bei der Section
völlig herausgeschnittenen erkrankten Hautpartie verwendet. Die
Härtung geschah in Alkohol und theilweise in Müller'scher
Flüssigkeit, die Einbettung meist in ParafSn, seltener in Celloidin.
Abgesehen von der Höhe der warzigen Efflorescenzen boten die
mikroskopischen Bilder der verschiedenen Hautstücke wenig
Verschiedenheiten dar, so dass die Darstellung auf die Gesammt-
affection bezogen werden kann.
Zur Färbung wurde Alaun-Carmin, Borax-Carmin, Haema-
toxylin, Eosin-Haematoxylin, Orcem, die Ehrlich'sche Mast-
zellenfärbung, die Ehrlich'sche Triacidlösung (Grübler),
ZiehTsches Carbol-Fuchsin-Methylenblau verwendet.
Bei der Beschreibung von Hautaffectionen ist es allgemein
üblich, mit der Schilderung der obersten Schicht zu beginnen
und allmälig zu der tiefer gelegenen überzugehen. Wir möchten
um der Klarheit der Darstellung willen von diesem Schema
abweichen imd gleich mit der charakteristisch erkrankten Partie
der Haut uns beschäftigen.
Das ganze Corium bis zum Unterhautfettgewebe zeigt
eine starke Vermehrung der Kerne; zweifellos liegt eine allge-
meine entzündliche Reizung vor. Dementsprechend erscheinen
auch die Gefässe strotzend mit Blut gefällt, an vielen
Stellen erweitert zu sein. An den Capillaren kann man deutlich
den Austritt der Leucocythen beobachten. Besonders auffallig
ist das Bild in der Gegend der später näher zu beschreibendeu
TuberkeL Wie Leitfaden ziehen die erweiterten Capillaren aus
der Tiefe des Coriums zu dem Tuberkel hin. Die grösseren
396 Heller und Hirsch.
Gefasse, vor allem die im senkrecht auf ihrer Längsaxe verlau-
fenden Querschnitt getroffenen, haben stark verdickte Wände,
in denen eine Kernvermehrung zu constatiren ist Elastische
Fasern, die bei Anwendung der Tänzer-Unna'schen Orcein-
färbung recht deutlich hervortreten, fanden sich in den tieferen
Schichten der Cutis wohl in normaler Menge ; in den eigentlich
vorwiegend erkrankten subpapillären Theil der Lederhaut waren
sie entsprechend der tuberculösen Neubildung fast ganz zu Grunde
gegangen. Während man zwischen dem tuberculösen Gewebe
noch deutlich in mit Triacidlösung gefärbten Präparaten kleine
.feine Züge von Bindegewebe — kenntlich an der rothen
Färbung der Bindegewebe überhaupt inmitten der grün tin-
girten Rundzellen — erkennen konnte, fehlten elastische Fasern,
die in den Triacidpräparat sich durch ihre Brechungsverbält-
nisse, in den Orce'inschnitten durch ihre Tinction hätten be-
merkbar machen müssen. Auch Mastzellen konnten im Bezirk
des tuberculösen Gewebes nicht gefunden werden, während sie
in dem Corium zwischen den Schweissdrüsen und dem subpa-
pilaren Theil der Haut recht zahlreich sich fanden. Es sei bemerkt
dass die Mastzellen auffallig schön in den auf Tuberkelbacillen
mit Carbolfuchsin- Methylenblau gefärbten Schnitten hervor-
traten. Ob hier eine Vermehrung oder Verminderung der
Mastzellen vorlag, ist nicht zu entscheiden, da bisher jeder
Massstab für das Normale fehlt.
Die Schweissdrüsen erschienen in unseren Präparaten sehi*
gut entwickelt und völlig unverändert Die grosse Zahl der-
selben ist wohl auf die Eigenart der untersuchten Haut-
partien (Vola manus) zurückzufuhren. In Folge der anato-
mischen Beschaffenheit unseres Untersuchungsobjectes können
wir Beobachtungen über Talgdrüsen und Haare nicht mittheilen.
Die charakteristischen Veränderungen finden sich, wie
auch Riehl und Paltauf hervorheben, in der Papillär- und
Subpapillar-Schicht. In der letzteren liegen Gebilde, die man
ohne weiters als Tuberkel bezeichnen kann. Unmittelbar unter
dem Retezapfen finden sich grosse Infiltrate, die aus Rund-
zellen bestehen, die sich in den peripherischen Schnitten wenig
von den Leucocythen unterscheiden. In den centralen Theilen
werden die Zellkerne spindelförmig, die einzelne Zelle besitzt
Ein Fall von Tuberculosis cutis verrucosa. 399
mehr Protoplasma. Im Centrum sind Zellen mit gut färbbaren
Kernen nur späxlich Torhanden, dagegen 'wiegt eine bröcklige
Masse vor. Letztere färbt sich prächtig mit Eosin roth und
tritt damit in einen scharfen Gegensatz zu den mit Haema-
toxylin intensiv blau tingirten Kernen. Vom Bindegewebe unter-
scheidet sich diese Substanz durch die mangelnde Structur.
Es sei erwähnt, dass bei Tricacidfärbung diese Masse unge-
färbt bleibt, während das Bindegewebe und speciell die ein-
zelnen im Tuberkel resistirenden Bindegewebszüge stark roth
tingirt werden. Zweifellos stellt diese bröcklige Substanz den
Terkästen Theil des Tuberkels dar. Gelegentlich, durchaus
jedoch nicht regelmässig konnten in den yerkästen Partien
Biesenzellen nachgewiesen werden. Dieselben hatten 10 — 12 wand-
ständige Kerne. Ausser diesen, wir möchten sagen, organisirten
Tuberkeln, finden sich noch Infiltrate, Ansammlungen von Rund-
zellen, von ganz unregelmässiger Form. Zuweilen sind die
stark entwickelten Papillen infiltrirt, zuweilen sind in der sub-
papillären Schicht der Cutis längere, im Schnitt parallel zur
Hautoberfläche verlaufende Partien völlig mit Rundzellen
durchsetzt Ueber die specielle Natur der letzteren können
wir wenig Angaben machen. Es sei nur hervorgehoben, dass
in den stark hypertrophirten, infiltrirten Papillen sich wenig Mast-
zellen fanden, während dieselben in den hypertrophischen Pa-
pillen spitzer Condylome ausserordentlich häufig sind.
Selbstverständlich ist der geschilderte Entzündungszustand
der subpapillaren Schichte an den verschiedenen Stellen ein
verschiedener. Es gibt Partien, wo nur ganz geringe Zeichen
der Erkrankung vorliegen ; für ganz gesund möchten wir keinen
Theil der untersuchten Haut erklären. Wir glauben auch, dass
es kein Zeichen gibt festzustellen, ob eine nur geringe Verän-
derungen darbietende Hautstelle erst jüngst erkrankt oder in
Heilung begriffen ist, da wir Narbenbildung nicht haben fest-
stellen können.
Der eigentliche Papillarkörper zeigt wichtige, das makro-
skopische Aussehen der Affection erklärende Veiünderungen.
Es finden sich Papillen von Tö Mm. Länge und Vj Mm. Breite
(1400 — 1555 iJL Länge, 515 ^ Breite). Die meisten Papillen im
erkrankten Bezirk haben Verzweigungen und Ausbuchtungen.
400 Heller und Hirsch.
Auf die Randzellen-Infiltrate in den Papillen haben wir schon
hingewiesen. Selbstverständlich sind auch alle in die hyper-
trophischen and im Zustande der Entzündung befindlichen
Papillen hineinziehenden Blutgefässe erweitert und verdickt.
Der Configuration des Papillarkörpers schliesst sich das
Rete Malpighi an. Die innige Verbindung beider Theile der
Haut veranlasste Kromayer, dieselben als eine zusammen-
gehörende Schicht (Parenchym der Haut) aufzufassen. Man
kann in der That die Vergrösserung der Papillen nur aus der
entsprechenden Vergrösserung des Retezapfens erkennen. Weder I
die eigentlichen Stachelzellen des Rete noch die Cylinderzellen ,
der Basalschicht zeigen an sich qualitative Besonderheiten.
Dagegen ist quantitativ eine gewaltige Vermehrung derselben,
eine beträchtliche Verdickung der ganzen Schicht zu constatireiL
Zuweilen sieht man Rundzellen inmitten der Epithelien des
Rete. Wichtig dagegen sind inmitten des Rete kleine Heerde
von Rundzellen, die in der Mitte keine Verkäsung zeigen. Siie
liegen so nahe unter der Oberfläche, dass sie ohne weiteres
als anatomischer Ausdruck der klinisch beobachteten oberfläch-
lichen Eiterherde betrachtet werden können. Bei leichter
Reizung (Berufsarbeit) wird die dünne, schützende Epitheldecke
entfernt und ein Abscess ei^iesst seinen Inhalt auf die Haut-
oberfläche. Es entsteht so eine Kruste, nach deren Entfernung
eine Rhagade.
Ueber das Stratum granulosum und Stratum lucidum ist
wenig zu sagen. Es sei hervorgehoben, dass wir eine Verdickung
des Stratum granulosum im Gegensatz zu anderen Autoren
nicht immer constatiren konnten. An einzelnen Stellen waren
allerdings 5 — 6 anstatt der normalen 3 — 4 über einander lie-
gende Zellreihen vorhanden.
Gewaltige Dimensionen hat das Stratum comeum wenig-
stens an vielen Stellen angenommen. Es besteht aus Lamellen
verhornter Epithelien, zwischen denen sich Exsudatmassen und
Ansammlungen von Zellen mit noch theilweise färbbaren Kernen
finden. Die Hommassen haben zuweilen eine Mächtigkeit von
1*4 Mm. (1400 fi). Nicht selten findet man zwischen 2 grossen,
etwas von einander abgedrängten, weit über das Niveau hervor-
ragenden Papillen zapfenartige Hommassen, die schichtenweisß
Ein Fall von Tuberculosis cutis verrucosa. 401
aus wenig farbbaren homogenen „Hom" and aus besser farb-
baren Epithelien bestehen; eine Anordnung, wie wir sie in
ähnlich yollendeter Weise nur bei einem Fall von Lupus ery-
thematodes der Hand gesehen haben. Gelegentlich wurden
Epithelperlen wie bei allen Homgebilden gesehen. Es sei darauf
hingewiesen, dass die Triacidlösung auch ein gutes Reagens auf
Hom zu sein scheint. Die gesammte Homsubstanz nimmt bei
Färbung mit verdünnter Triacidlösung ein dunkel blau-violettes
Colorit an.
Wir möchten schliesslich noch kurz auf den anatomischen
Befand der centralen Narbe hinweisen. Das Corium besteht
aus einem ausserordentlich dichten Bindegewebe, in dem relativ
wenig elastische Fasern (Orceinfärbung) vorhanden sind. Die
Gefässe sind verdickt, Vermehrung der Kerne des Bindegewebes
ist augenscheinlich. Im Uebrigen sind alle Schichten der Haut
als normal zu betrachten. Das Stratum corneum ist verhältniss-
mässig dünn. Die Schweissdrüsen erscheinen auch hier völlig
unverändert, ein Beweis, dass auch an den Stellen, an denen
der Erankheitsprocess abgelaufen ist, die Entzündung zu keiner
Zeit bis zu der Tiefe der Schweissdrüsen vorgedrungen ist.
Wer unsere Schilderung mit den Darstellungen von Riehl
und Paltauf, Brugger u. A. und vor Allem unsere Mikro-
photographien mit der Zeichnung der erstgenannten Autoren
vei^gleicht, wird mit uns an der anatomischen Diagnose Tuber-
culosis cutis verrucosa nicht zweifeln, trotzdem uns ein
Moment zur exacten Diagnose fehlt, nämlich der Nachweis der
Tuberkelbacillen. Wir haben etwa 20 Schnitte aus verschiede-
nen Stücken nach der Koch -Ehrlich 'sehen und nach der
ZiehTschen Methode auf Bacillen vergeblich durchsucht. Wir
fanden wiederholt rothgefärbte Stäbchen, die bei nicht sehr
strenger Kritik als Tuberkelbacillen hätten passiren können. Wir
haben uns jedoch wegen Diflferenzen in Grösse, Form und La-
gerung nicht dazu entschliessen können, diese Gebilde als
Tuberkelbacillen aufzufassen. Ob noch weiter fortgesetzte Unter-
suchungen nicht doch schliesslich positive Resultate ei^eben
hätten, lassen wir dahingestellt. Jedenfalls bedarf nach unseren
Befunden die Ansicht von Riehl und Pal tauf, dass die Tu-
bercidosis cutis verrucosa in Bezug auf die Zahl der mikro-
402 Heller und Hirsch.
skopisch nachweisbaren Tuberkelbacillen zwischen Miliartuber-
culose und Lupus steht, der Modification.
Von sonstigen Mikroorganismen fanden wir nur in den
obersten Schichten der Epidermis einige Coccen, einen Befand
auf den wir naturgemäss weiter keinen Werth legen.
Dif f erentialdiagnos e.
Die eingehende Schilderung des mikroskopischen und kli-
nischen Befundes gestattet uns, bei der Besprechung der DifiFe-
rentialdiagnose kurz zu sein. Gegen eine vulgäre progressive
Warzenbildung spricht der anatomische Befund. Aber auch die
Wachsthumsentwicklung ist bei beiden Affectionen eine ver-
schiedene. Warzen pflegen sich durch Neubildungen in der
Contignität, wenn die Einzelefflorescenzen eine gewisse Grösse
erreicht hat, auszubreiten. Ein bestimmtes peripherisch fort-
schreitendes Wachsthum unter Heilung des Centrums kommt
bei der progressiven Warzenbildung nicht vor. Syphilis ist
anamnestisch und klinisch auszuschliessen. Mit einer auch in
der Handfläche vorkonmienden, durch die Bildung horniger
Massen ausgezeichneten Art der Syphilis hat jüngst G. Lewin
sich eingehend beschäftigt (üeber Clavi syphilitici, dieses Archiv
Heft I, 1893). Der eine von uns, J. Heller, hat als Assistent
G. Lewin 's zum eingehenden Studium der Syphilide der Vola
manus Gelegenheit gehabt. Weder klinisch noch anatomisch
besteht auch nur die geringste Aehnlichkeit zwischen der von
uns geschilderten Affection und der sog. Syphilis comea. An
eine tertiäre gummöse Form der Syphilis ist erst recht nicht zu
denken. Den serpiginösen Exanthemen fehlt die hypertrophische
Hornbildung, bei gummösen Hautsyphiliden pflegt es zu tiefer
greifenden Ulcerationen zu kommen. Eine gewisse Aehnlichkeit
hat unsere Affection mit dem Lupus comeus. Der letztere
bewirkt jedoch grössere Geschwürsbildungen, heilt unter Hinter-
lassung starrer keloidähnlicher Narben, zeigt in der Narbe
fast regelmässig recidivirende kleine Knötchen. In unserem
Fall dagegen war die centrale Narbe sehr fein, eigentlich nur
an dem Fehlen der Hautriffelung erkennbar, frei von jedem
Kecidivknötchen.
Ein Fall von Tuberculosis cutis verrucosa. 403
Es lässt sich also auch per exclusionem die Diagnose
Tuberculosis cutis verrucosa stellen.
Wir beschränken uns darauf, unseren Fall als Beitrag zur
Casuistik zu verwerthen, nicht nur wegen einiger mikroskopischer
Details, sondern vor Allem wegen seiner Aetiologie.
Erkl&mng der Abbildungen auf Taf. ZIV.
L Photographie der linken Hand ; aufgenommen im directen Sonnen-
licht; ungefähr Lebensgrösse.
n. Mikrophotographie: Yergrösser. Seibert Ooular periskopisch I,
Objectiv L Färbung Eosin, Haematoxylin. a Stratum comeum, b Bete
Malpighi, e Abscess im Bete Malpighi, d Infiltrirtes Gorium (subpapillftre
Zone), e Tuberkel mit Biesenzelle, / Gefass, g SchweissdrüseUi h Gorium
Ans der kgL üniTorsititskliiiik für Syphilis und Hantkranb
heiten des Gtoheimrath Prof. Sr. Dontrelepont ssn Bonn.
Ueber Tuberculosis verrucosa cutis.
Von
Dr. Ernst Kniekenberg,
AMlstensarst der Klinik fllr Haatkrankheiten la Bonn.
Seitdem im Jahre 1886 Riehl und Paltauf unter dem
Namen „Tuberculosis verrucosa cutis^ ^) eine Form der Haut-
tuberculose aufgestellt haben, die sich makroskopisch wie mi-
kroskopisch genügend scharf von den bis dahin angenommenen
Formen von Erkrankung der Haut an Tubercidose, des Lupus,
Scrophuloderma und der Tuber culose der Haut xor^ ^^oiCV
unterscheiden soll, hat sich die allgemeine Aufmerksamkeit
mehr als zuvor den Erkrankungen zugewandt, die einen Theil
oder aUe zu jener besonderen Erscheinungsform der Hauttuber-
culose geforderten Symptome boten.
Herr Geheimrath Prof. Dr. Dontrelepont, dem ich
nicht verfehle an dieser Stelle hierfür meinen verbindlichsten
Dank auszusprechen, hat mir nun auch das Material der hie-
sigen Klinik, das so ausserordentUch reich ist an den verschie-
densten Erkrankungsformen von Tuberculose der Haut, zur
Durchsicht auf ähnliche oder verwandte Erkrankungen über-
lassen.
*) Tuberculosis verrucosa cutis. Eine bisher noch nicht beschriebene
Form von Hauttuberculose von Dr. G. R i e h 1 und Dr. R. P a 1 1 a u f. Viertel-
jahresflchrift fiir Dermatologie und Syphilis. 1886.
406 Knickenberg.
Riehl und Pal tauf sahen die von ihnen „Tuberculosis
verrucosa cutis'' bezeichnete Affection meist bei kräftigen
Leuten im besten Alter (19 — 45 Jahre) und zwar durchweg bei
solchen Individuen, deren Beruf fortgesetzte Beschäftigung mit
Hausthieren oder thierischen Producten mit sich brachte. Sie
sahen die Affection an der Dorsalfläche einer oder beider Hände,
der Streckseite der Finger, d^n Zwisch^nfiz^rflalteB, in selte-
neren Fällen an der Vola manus oder den unteren Theikn des
Vorderarmes, und es fanden sich meist nur ein oder wenige in
der Art erkrankte Stellen. Wie die Affection beginnt, war nicht
festzustellen, da, wie sie sagen, „man kaum jemals Gelegenheit
hat das erste Auftreten der Erkrankung an der vorher gesunden
Haut zu beobachten^. So waren denn auch die von genannten
Autoren beobachteten Fälle alle in voller Entwicklung oder
schon im Stadium der Rückbildung. Die ^Plaques^ waren dann
von Linsen- bis Thalergrösse mit rundlicher oder ovaler Be-
grenzung oder stellten durch Zusammenfliessen an einander
grenzender Stellen serpiginöse Formen dar, deren Wachsthum
stets peripher erfolgte.
Was nun das Aussehen der einzelnen erkrankten Partien
selbst angeht, so sind sie umgeben von einem schmalen heu-
rothen Saume, der sich noch kaum über das Niveau der nor^
malen Haut erhebt. Centralwärts von diesem findet sich eine
Zone kleiner Pustelchen oder als deren Beste kleiner gelber
Krusten. Nun folgen weiter nach dem Centrum der Plaques
hin die Erscheinungen, welche das unregelmässig warzige Aus-
sehen der Oberfläche bedingen und den Beinamen „verrusosa**
der Affection veranlasst haben, nämlich papillomatöse Auswüchse,
die am Rande weniger hoch, im Centrum eine Höhe von 5 — 7 Mm.
erreichen. Die braunrothe Farbe dieser Partie wird durch auf-
gelagerte Krusten und verhornte Epidermislagen verdeckt.
Drüsenmündungen und Haarfollikel, die im Bereich des äusseren
Saumes noch vorhanden sind, fehlen in den centraleren Theilen
voll entwickelter Plaques. Zwischen den kleinen Höckerchen
zeigen sich Erosionen, Rhagaden und kleine Pusteln; auf seit-
lichen Druck treten zwischen den papillären Excrescenzen
wie aus einem Sieb Eitertröpfchen aus. Gegen ihre Unterlage
lassen sich die Plaques immer leicht verschieben.
Ueber Tuberculosis verrucosa cutis. 407
Der Verlauf der Affection ist ein äusserst chronischer,
und das Bild derselben kann lange Zeit dasselbe bleiben. Schwel-
lung und Rothung als Zeichen acuter Entzündung treten selten
intercurrent auf, und es bleibt nach deren Ablauf das frühere Bild.
Nachdem die Plaques das Stadium der Acme, wie es sich
durch das eben beschriebene Aussehen zu erkennen gibt, über-
schritten haben, tritt mit dem Flacherwerden bis zu gänzlichem
Schwinden der warzigen Excrescenzen im mittelsten Theile der
erkrankten Stellen, mit dem Fehlen der kleinen Abscesse zwischen
den papillären Auswüchsen und der endlichen Vernarbung das
Stadium der Rückbildung ein. Es bleibt eine dünne weiche
Narbe, die ganz oberflächlich gelegen ist und durch ihr „sieb-
förmig durchlöchertes oder fein netzförmiges Aussehen^ auffallt.
Mikroskopisch sahen Riehl und Paltauf eine in un-
regelmässigen Lamellen mächtig entwickelte Homschicht, die
auch „in kryptenförmige Einsenkungen an der Basis der Papil-
lome"* hinabzielit. Besonders stai'k erscheint das Homlager über
den Kuppen der kleinen Höcker, ähnlich den Befunden bei
Ichthyosis hystrix. An einzelnen Stellen sieht man zwischen
verhornten Epidermislagen eingetrocknete Exsudatmassen, in
denen sich die Kerne noch theilweise färben, und Detritus in
bald geringerer, bald grösserer Menge. An den einzelnen Schich-
ten der Epidermis waren bedeutendere Veränderungen nicht
nachweislich, nur die Stachelzellenschicht stärker entwickelt
und die interpapillären Retezapfen entsprechend der starken
Wucherung der Papillen kolbig oder fingerförmig in die Tiefe
gehend. Besonders in der Nähe der kleinen Abscesschen, aber
auch sonst, zeigt sich eine mehr oder weniger starke Durch-
setzung des Rete Malpighii mit Rundzellen.
Wesentlichere Veränderungen weist das Corium in seinen
obersten Schichten auf (Papillen und dem Gebiete des Stratum
vasculosum subpapillare). Hier finden sich theils einzeln stehende,
theils unregelmässig zusammengeflossene, horizontal ausgebrei-
tete „Herde von Zellinfil traten", die stellenweise auch in die
stark vergrösserten Papillen reichen. In der Umgebung der
Herde ist an mehr oder weniger starker Zellinfiltration ein
chronisch entzündlicher Zustand des Gewebes erkennbar. Das
Stratum vasculosum subpapillare ist in seiner typischen Gefäss-
408 Knickenberg.
aaordnuBg nicht mehr vorhanden, dagegen finden sich weite
Capillaren in regelloser Yertheilong. Die tieferen Schichten der
Cutis und das Subcutangewebe werden von den Infiltraten nicht
erreicht. Talgdrüsen finden sich im Bereich der Infiltrate nicht
mehr; die Schweissdrüsen sind in einzelnen Gängen etwas
cystös erweitert, im ganzen aber ohne wesentliche Veränderungen-
Was nun die genannten Herde selbst angeht, so sind die-
selben meist rundlich oder aus den ursprünglich rundlichen
Herden zusammengeflossen und gleichen mit einer peripheren
Schicht von Rundzellen, mit epitheloiden und Riesenzellen
in ihrem Aufbau ganz den Riesenzellentuberkeln.
An einzelnen Stellen, besonders um das imtere Ende der
interpapillären Zapfen, ist Eiterung nachweislich, die zu Abhe-
bung und Durchbrechung der Epidermis an den betrefiFenden
Stellen führen kann und der Ursprung der Eitertröpfchen ist,
die sich zwischen den papillären Auswüchsen ausdrücken lassen.
In den jüngeren Theilen der Plaques überwiegen die ent-
zündlichen Erscheinungen, an älteren Partien treten dieselben
im Gegensatz dazu mehr zurück; die krankhaft veränderte
Zone erscheint schmaler, der Kernreichthum geringer.
Das in diesen Befunden schon genügend sichere Bild der Tu-
berculose erfährt seine Vervollständigung durch den Befund von
Tuberkelbacillen sowohl in den Riesenzellen und in den epithe-
loiden Zellen, als seltener frei im Gewebe zerstreut, meist nur
sehr vereinzelt; in einem Falle wurden sie in grösserer Menge
bei einander liegend gefunden. Im allgemeinen aber waren in
jedem Schnitte von in voller Entwicklung befindlichen Plaques
mehrere Bacillen nachweisbar. Ausserdem fanden sich in Schnit-
ten von Stellen mit acuter Entzündung Coccen, bald mehr ein-
zeln, bald in grösseren Häufchen bei einander, und regelmässig
wurde noch eine zweite grössere Coccenform an den obersten
Epidermisschichten nachgewiesen.
Aus diesen hier in Kürze mitgetheilten makroskopischen,
histologischen und bakteriologischen Befunden entnehmen Riehl
und Paltauf die Berechtigung zur Aufstellung der „Tuber-
culosis verrucosa cutis" als neuer Form von Hauttuberculose
und suchen dieselbe im weiteren Theile ihrer VeröflFentlichung
differentialdiagnostisch zu begründen. Davon später noch einige
lieber Tuberculosis verrucosa cutis. 409*
Worte. Sie gelangen schliesslich zu dem Beaultate, dass nur
die als Perifollicuhte suppuree et eonglomeree en placard von
Leloir beschriebene Affection grössere Aehnlichkeit mit ihrer
Erkrauloing habe, ') abgesehen von der gleich zu besprechenden
Leichenwarze (Verruca necrogenica, Tubercule anatomique), „die
ihrer Affection weitaus am nächsten steht ^.
In den Schnitten einer Leichenwarze, die sie zu excidiren
Gelegenheit hatten, fanden sie ganz ähnliche Bilder wie bei der
Tuberculosis yerrucosa cutis: Tuberkel mit zahlreichen Biesen-
zellen, umgeben von entzündlicher Lifiltration, Tuberkelbacillen
in den epitheloiden und Granulationszellen der Knötchen, und
auch hier die Veränderungen nur in den obersten Cutisschichten.
Die genannte grosse Aehnlichkeit der Leichenwarze mit
der Tuberculosis verrucosa cutis ist wohl die Veranlassung, dass
spätere Autoren beide Erkrankungen identifiziren und den Na-
men „Leichenwarze" verallgemeinem auf Fälle, die nur äusser-
lich ein ähnliches Bild bieten, ohne dass nur die Möglichkeit
der Entstehung, durch wiederholte Berührung mit Leichen und
Leichentheilen vorliegt
So verfahrt Finger in seiner Abhandlung: „Ueber die
sog. Leichenwarze (Tuberculosis verrucosa cutis) und ihre Stellung
zum Lupus und zur Tuberculose." *) Dass aber die Erkrankung
welche Finger Leichenwarze nennt, mit der „Tuberculosis
verrucosa cutis" — diese als berechtigte Sonderform angenom-
men — nicht wohl ganz identisch ist, zeigt sich schon in den
ersten von Finger angeführten Fällen (Vemeuil, Verchere,
Axel Holst, Merklen u. s. w.), denn in all diesen Fällen ist
einerseits entweder die Behandlung ganz erfolglos oder doch
nur eine vorübergehende Heilung zu erzielen, anderseits treten
dabei nach verhältnissmässig kurzer Zeit Erscheinungen von
weiterer allgemeiner Verbreitung des tuberculösen Virus (tuber-
culöse Abscesse, Drüsenaffectionen u. s. w.) bis zur Miliartuber-
') Riehl und Pal tauf sprechen bei dieser Gelegenheit die Ver-
mutbung aus, dass die von Leloir beachriebene Afifeotion eine acut ver-
laufende Variation ihrer Erkrankung darstelle, was aber Leloir in seinem
neueren Werke „Traite de la Scrofulo-Tuberouiose de la peau** als unsu-
treffend bezeichnet.
») Deutsche medic. Wochenschrift 1888.
Archiv f. Dermatol. n. Sypbil. BauU XX VI. 28
410 Knickenberg.
culose auf, während in den von Riehl und Pal tauf beobach-
teten Fällen von Tuberculosis verrucosa cutis weitere Erschei-
nungen durchaus nicht bemerkbar waren. Wenn sie auch ein-
mal Achseldrüsenschwellung sahen, so kann das, da dieselbe
nach Cauterisation der erkrankten Stellen erst auftrat, nicht
auf eine Stufe gestellt werden mit den oben erwähnten weiteren
Krankheitserscheinungen. Die Möglichkeit, dass auch bei der
Tuberculosis verrucosa cutis von der ursprünglichen Stelle aus
allgemeinere Verbreitung der Tuberculose erfolgen kann, muss
ja freilich zugegeben werden ; es sind Tuberkelbacillen da, und
warum sollten diese unter günstigen Verhältnissen nicht auch
weiter verschleppt werden können ? Aber die Verhältnisse schei-
nen eben dafür nicht günstig zu sein, wie wohl aus dem bis
zu 1 5 Jahren beobachteten Bestehen der Tuberculosis verrucosa
cutis ohne weitere Verbreitung der Tuberculose über den Kör-
per anzunehmen ist. Und was die Heilung bei Tuberculosis
verrucosa cutis angeht, so sagen Riehl und Pal tauf aus-
drücklich, „dass in jedem Falle durch geeignete Therapie (Exci-
sion, Auskratzung mit dem scharfen Löffel, Cauterisation, Ver-
ätzung) der Process zu heilen ist''. Sie halten sogar eine Spontan-
heilimg für möglich ohne trotzdem zu leugnen, „dass keiner
ihrer FäUe ohne Recidiv an der einen oder anderen Stelle ge-
blieben ist".
Der von Finger selbst untersnchte Fall von „Leichenwarze" be-
triÖ't emen 41 Jahre alten Zimmermaler, dessen Section Tabercnlose der
Lungen, des Larynx, des Darmes und der Nieren ergab. Auf Handrücken
und Vorderarm fanden sich 5 warzige Plaques „mit aUen Charakteren der
Leichenwarze**. Dieselben sollten seit 20 Jahren bestanden haben.
Das mikroskopische Bild entspricht im allgemeinen dem
von ßiehl und Paltauf angegebenen, nur findet Finger
abweichend eine im allgemeinen geringere Mächtigkeit des Bete
Malpighii, ein tieferes Eindringen der Infiltration und Vorkom-
men der Knötchen mehr in der Tiefe der Cutis, so dass auch
die Schweissdrüsenknäuel in den Bereich der Infiltration fallen.
Trotzdem nun Finger die frappanteste Aehnlichkeit des
klinischen und anatomischen Verhaltens seiner „Leichenwarze"
mit dem des Lupus papillaris, verrucosus und sclerosus zugeben
muss, hält er doch den Umstand, dass bei der ersteren der
lieber Tabercolosis verrucosa cutis. 411
Process oberflächlicher ist — wir sehen eben, dass derselbe die
Schweissdrüsenknäuel mit in seinen Bereich zog — für bedeu-
tend genug, um die Aufstellung einer neuen Form von Haut-
tuberculose als berechtigt anzuerkennen. Lupus verrucosus sowohl
als Tuberculosis verrucosa cutis hält er für durch örtliche Ein-
impfung des Virus entstandene Tuberculosen und schliesst aus
dem Umstände, dass Lupus mehr bei Kindern vorkommt, dass
dasselbe Virus in der saftreicheren Haut des Kindes den tief-
greifenderen Lupus, in der widerstandsfähigeren Haut des Er-
wachsenen die oberflächlichere „Leichenwarze" hervorrufe.
Salz er demonstrirte im Jahre 1887 in der k. k. Gresellschaft der
Aerzte in Wien*) einen Fall von Tuberculosis verrucosa cutis bei einem
49jährigen Manne. Befallen war die rechte Yola manus, der 2., 3. und 4.
rechte Finger. Die Affection war angeblich nach einer 4 Jahre zuvor
stattgehabten Verletzung des rechten Zeigefingers entstanden.
Brugger') beobachtete einen Fall von Tuberculosis verrucosa bei
einem 22 Jahre alten Privatier. Neben einigen kleineren Stellen fanden
sich auf dem Dorsum des rechten Fusses, parallel dem Os metatarsi digiti
quinti 3 ca. 2 —3 Ctm. lange und 1 — 2 Ctm. breite Plaques, breit aufsitzend
mit etwas überhängendem Rande. Diese Affection soll im 4. — 7. Lebens-
jahre begonnen haben, während von frühester Kindheit an öfters Geschwüre
und Abscesse am rechten Bein aufgetreten waren.
Sowohl im makroskopischen Verhalten wie im mikrosko-
pischen Befunde findet Brugger die vollständigste Ueberein-
stimmung mit der von Riehl und Pal tauf gegebenen Be-
schreibung.
Bei dieser Anamnese liegt gewiss die Vermuthung nahe,
dass es sich bei den Abscessen am Bein um tuberculöse Processe
gehandelt habe, und wenn diese Vermuthung richtig ist, lässt
sich auch leicht die Möglichkeit denken, dass von jenen aus
eine Uebertragung des tuberculösen Virus an die Stellen der
nunmehrigen Erkrankung stattgefunden hat, aber trotzdem
möchte Brugger die Erkrankung am Fusse als eine Impf-
tuberculose auffassen, bei gelegentlichem Barfussgehen in der
Jugend des Pat. entstanden.
Mit 2 kleinen frisch excidirten Stückchen der Plaques
machte Brugger Impfversuche an Meerschweinchen. Er brachte
*) Sitzungsbericht. Deutsche med. Wochenschrift. 1888.
«) Virchow's Archiv. Bd. 119.
28*
412 Knickenberg.
die Theilchen subcutan unter die Bauchhaut und sah nach 6
Wochen an der Impfstelle Knoten unter der Haut auftreten;
8 Wochen nachher ging das Versuchsthier ein, und die Section
ergab das Vorhandensein makroskopisch sichtbarer miliarer
Tuberkel in allen inneren Organen, besonders in Milz, Lunge
und Leber. TuberkelbaciUen waren reichlich vorhanden. Dieses
Ergebniss der Impfung bestätigt den mikroskopischen Befund,
bietet aber sonst in keiner Weise etwas Besonderes. Man hätte
vielleicht noch den Versuch machen können, von dem Gewebe
der Plaques etwas in eine ganz oberflächliche Hautwunde zu
verbringen und dort festzuhalten; freilich besonderer Erfolg
wäre hiervon nach den mit Lupusgewebe in dieser Weise an-
gestellten Impfungen und den dort gemachten Erfahrungen auch
nicht zu hoffen gewesen.
Des Weiteren fuhrt B r u g g e r dann einen Fall von ähn-
licher Erkrankung an, den Sanguinetti ^) beobachtete. Es handelt
sich da um einen 40 Jalire alten Bodenwichser, bei dem sich
in einigen Monaten auf dem Handrücken ein haselnussgrosser
Plaque mit warziger Oberfläche entwickelt hatte. Sanguinetti
diagnosticirt Leichentuberkel, Brugger spricht den Fall als
Tuberculosis verrucosa cutis an.
In dem Sitzungsberichte der französischen Gresellschaffc
für Dermatologie und Syphilis*) finden sich 2 Fälle von Haut-
tuberculose, dieSevestre vorführte und die er für Tubercu-
losis verrucosa cutis hält.
In dem einen Falle bei einem 9jälirigen Knaben zeigte sich die
Affection am stärksten auf den Handrücken entwickelt, aber aach sonst
über die ganze Haut zerstreut und zwar in Gestalt einer „Anschwellung,
deren Mitte von einer braunen, missfarbenen Borke eingenommen ist. Die
Oberfläche der Stelle ist papillomatös, nicht ulcerirt, aber nässend. Die
umgebende Zone ist von violetter Farbe, mit ziemlich feinen Schuppen
bedeckt und bei genauerem Zusehen findet man, dass sie mit zahlreichen
winzigen Knötchen (Tuberkel) besetzt ist**. Ausserdem fanden sich in
diesem Falle in der Nähe des Handgelenks beiderseits und auf dem linken
Fussrücken grössere Knoten, von leicht schuppender Haut bedeckt, die
cubitalen und axillaren Lymphdrüsen indolent geschwollen, in der rechten
Parotisgegend eine vereiterte Drüse und alte Narben früherer, wahrschein-
lich tuberculöser Erkrankungen der Haut oder Drüsen.
*) Giom. ital. delle malat. ven. et della pelle. 1887.
') Ref. Monatshefte für prakt. Dermatologie. 1890. Bd. XI.
üeber TubercnloBis verrucosa cutis. 413
Aehnliche Veränderungen an der Haut bot der zweite Fall (6jähr.
Mädchen), nur zeigten die erkrankten Stellen einen deutlicher papillären
Bau. Drüsen auch hier indolent geschwollen.
Der bakteriologischen Untersuchung gelang der Nachweis
von Tuberkelbacillen in beiden Fällen. Ein genauerer histologi-
scher jBefund war an genannter Stelle nicht mitgetheilt.
Wenn man diese Angaben liest, wird man wohl sicher die
Diagnose „Lupus verrucosus" stellen und muss sich wundem,
die Erkrankungen von Öevestre als Tuberculosis verrucosa
cutis aufgefasst zu sehen, mit der doch durchgreifende Unter-
schiede bestehen. Zunächst betreflfen beide Fälle Kinder, während
doch Riehl und Pal tauf ihre Affection nur bei Erwachsenen
sahen. Sodann finden sich makroskopisch sichtbare Knötchen,
deren Fehlen jene Autoren gerade als differential-diagnostisches
Moment zwischen Lupus und Tuberculosis verrucosa cutis her-
vorheben. Es kann demnach kaum zweifelhaft sein, dass, wie
Hardy in jener Sitzung auch schon bemerkte, diese beiden
Fälle mit der Tuberculosis verrucosa cutis nicht übereinstimmen.
B o w e n ^) veröflfentlicht in seinen Gases of cutaneous
Tuberculosis, with histological studies 3 Fälle von Tuberculosis
verrucosa cutis.
Der erste betraf einen 24jährigen Mann, bei dem die Affection auf
dem Handrücken sass und seit 5 Jahren bestand. Die Beschäftigung des
Mannes brachte mannigfache Berührung mit Thieren mit sich.
Der zweite, seit 3 Jahren bestehend, fand sich bei einer 65jährigen
Frau auf der Streckseite der letzten Phalanx des Zeigefingers ; auf dem
Rücken derselben Hand war hier dazu noch ein Scrophuloderma vor-
banden. Angeblich war die erstere Affection aufgetreten, während Pati-
entin ihre an Phthisis erkrankte Tochter pflegte.
Eine ähnliche Ursache und zeitliches Zusammenfallen des Entste-
hens wird im dritten Falle angegeben bei einer 58jährigen Frau, welche
die Taschentücher und Kleider ihrer an Phthise leidenden Tochter zu
waschen pflegte. Sitz der Affection war auch hier die Streckseite der
Finger und zwar der rechten Hand.
Eine Reihe von weiteren 4 Fällen der Hauttuberculose, dieBowen
auf den Handrücken, an den Ellbogen und den Knien junger (6 — 19 Jahre)
Individuen beobachtete, und bei denen die Affection sich als blaurothe,
scharf umgrenzte Knötchen, zuweilen mit warziger Oberfläche zeigte,
glaubt er ebenfalls unter die Tuberculosis verrucosa unterbringen zu
müssen. Allerdings verkennt er nicht die Unterschiede von jener, dass es
') Joum. of cutan. and gen.-urin. Diseases 1890, p. 462.
414 Knickenberg.
sich zunächst um junge Individuen handelt und dass weiter die Oberfläche
der erkrankten Stellen nicht in dem Masse warzig erscheint, wie Riehl
und Pal tauf es bei ihrer Affection gesehen.
Das mikroskopische Verhalten dreier iiierauf untersuchter Fälle
stimmte im Allgemeinen mit der histologischen Beschreibung jener Autoren
überein, nur war der Bacillenbefund im Gegensatze zu jenen geringer.
Aetiologisch Hess sich in den 4 Fällen feststellen, dass entweder
zuvor schon Tuberculose anderer Organe vorhanden war oder die
Erkrankten in vielfache Berührung mit tuberculösen Individuen kamen.
Der von Jackson') berichtete Fall von Tuberculosis verrucosa
cutis zeigt wenigstens in seinem makroskopischen Verhalten zeitweise
volle üebereinstimmung mit der Riehl'schen Beschreibung. Der Patient
ist ein ISjähriger Idiot, bei dem die Affection, seit 5 Monaten bestehend,
auf der hinteren Seite der Mitte des rechten Oberschenkels sass. Nur ein
Theil der Oberfläche war warzig, ein Theil von Ulcerationen eingenommen,
die bei Bettruhe heilten, um beim Gehen wieder aufzubrechen. — Waren
die Ulcerationen geheilt, so war das Bild ganz mit dem RiehTschen
übereinstimmend.
Eine mikroskopische Untersuchung finden wir nicht mitgetheilt
und es bleibt uns somit fraglich, ob der histologische Befund ebensolche
Üebereinstimmung ergeben hätte. Die Neigung zu ulcerösem Zerfall
stimmt übrigens keineswegs zu der Diagnose: Tuberculosis verrucosa
cutis, denn deren Fehlen heben Riehl und Pal tauf ausdrücklich hervor.
Fordyce') sah die Erkrankung bei einem 25jäbrigen Patienten
auf dem Rücken der linken Hand, mit einem Längsdurchmesser von 3 Cm.
Mikroskopisch fand sich kleinzellige Infiltration mit Riesenzellen, aber
Tuberkelbacillen waren nicht nachweisbar.
Im Anschluss daran erinnert Fox an einen ganz ähnlichen Fall
seiner Praxis mit demselben Sitze der Erkrankimg. Von Injectionen mit
Kooh'scher Lymphe erhielt er dabei kein Resultat.
Dieser Sitz der Erkrankung auf dem Dorsum der linken
Hand erinnert uns an eine Bemerkung Fournier's,^) die er
im Anschluss an einen Fall von Tuberculosis verrucosa cutis
am Halse eines an Spitzenkatarrh leidenden Patienten macht,
nämlich dass sich bei den Krankenhauspatienten die Affection
mit Vorliebe auf dem Rücken der rechten Hand zeige, was
Vi dal*) mit der Gewohnheit der Patienten erklärt, sich nach
dem Bäuspem mit dem Handrücken den Mund abzuwischen.
Eine Stütze für diese Anschauung findet Vi dal in der Beob-
') Joum. of cutan. and. gen.-ur. diseases 1891 p. 387.
») Ebenda p. 142.
») Ref. Monatshefte für prakt. Dermatologie. Bd. XII. 1891, p. 466.
') Ebenda.
üeber Tuberculosis verrncosa cutis. 415
achtung, dass sich bei 2 linkshändigen Patienten, die auch
diese Angewohnheit hatten, die Erkrankung auf dem linken
Handrücken fand. Diese Patienten, sagt Vi dal, seinen meist
tuberculös, und in Folge der Arbeit ihre Hände aufgerissen, so
dass eine Autoinoculation leicht möglich sei. Und in der Dis-
cussion über eine von Besnier*) in der Sitzung der Aerzte
des Hospitals St. Löuis vorgestellte Erkrankung an Tuberc.
verruc. cutis, die sich über der Articulatio metacarpo-phalangea
des rechten Daumens fand, hebt Vi dal hervor, dass sich aus
jener Gewohnheit der Pat. auch der so häufige Sitz der Er-
krankung gerade an dieser Stelle des Handrückens erkläre,
denn: „dans ce mouvement, c'est precisement la region meta-
carpienne du pouce sur laquelle se deposent les liquides etc."^
Wenn wir nach diesen Ausführungen nun auf das Material
der hiesigen Klinik eingehen, so finden wir eine Reihe von
Fällen, die in ihrem äusseren Ansehen mit dem von Riehl
und Paltauf beschriebenen Bilde die genaueste Uebereinstim-
mung zeigen. Nachstehend geben wir einen kurzen Auszug der
betrefifenden Ejrankengeschichten, aus denen Alter und Stand
der Patienten, Dauer des Bestehens und Sitz der Erkrankung,
sowie etwaige Complicationen zu ersehen sind ; wir lassen natür-
lich die Fälle unberücksichtigt, bei denen neben der verrucö-
sen Oberfläche typische Lupusknötchen zu erkennen waren.
Wollte man diese Fälle mit zur Betrachtung heranziehen, so
würde die Zahl eine ungleich viel grössere werden müssen,
Aber wir wiederholen, dass wir nur die Fälle hier anführen,
die volle Uebereinstimmung mit der von Riehl und Paltauf
beschriebenen Erkrankung zeigen, bei denen also auch Knöt-
chen makroskopisch nicht zu erkennen waren.
1. F. N., 21 J., vom Lande. Grossmutter starb an Phthise, ebenso
2 Brüder an Phthise gestorben. Beginn des Leidens in der Jugend, wie,
ist unbekannt.
Auf beiden Wangen Scrophulodermata. Auf dem Dorsum der 1.
Hand, der Gegend der Articulatio metacarpo-phalangea des
Zeigefingers entsprechend, verrucöse Plaques von 3 Mm.
Höhe mit röthlichem Saum, nach innen von diesem kleine
Pusteln. Ausdehnung 8 Gm. im Quadrat, auf der Unterlage leicht ver-
schieblich. Einige narbige Stellen auffallend weiss. Eine ähnliche
') Annales de Dermatologie et de Syphiligraphie. 1889, p. 221.
416 Knickenberg.
Affection an der Volarseite der 8. Phalanx des linken Zeige-
fingers, 2 QCm. gross. Beide Stellen weder spontan noeli auf Druck
empfindlich. An den inneren Organen nichts Krankhaftes nachweiftlidu
Ther. : Exstirpation dieser beiden Stellen, sonst Auslöffelang und Caute-
risation mit Pacquelin.
2. M. W. Da Patientin taubstumm, Analphabet und ohne die Be-
gleitung Angehöriger ist, lässt sich eine Anamnese nicht erheben.
Am Kinn ein etwa funfmarkstückgrosser Fleck von Lopus vulgaris,
an beiden Oberschenkeln handtellergrosse lupöse Stellen mit l^arben und
Knötchen. Am linken Oberschenkel Scrophuloderma. Am rechtenKnie
ein zehnpfennigstückgrosser Plaque, zu dem die Krankengeschichte
bemerkt „der von Riehl beschriebenen Tuberculosis verrucosa entspre-
chend''. Spitzen der Lungen etwas tief stehend, sonst nichts Abnormes an
denselben nachweislich.
Therapie: Auslöffelung und Cauterisation. Nachfolgende Behand-
lung mit Sublimatumschlägen und Pyrogallussalbe. Geheilt entlassen.
8. G. P., 18 Jahre alt, Mädchen vom Lande. Eltern und Geschwister
gesimd. Hauterkrankung begann am rechten unteren Augenlide 8 Jahre,
am rechten Fusse 2 — 3 Jahre vor Aufnahme in die Klinik. Pat. selbst
sonst angeblich stets gesund.
Lupöse Stellen in der rechten Infraorbitalgegend und auf der rechten
Wange ; ebenso auf der Beugeseite des linken Vorderarms. Scrophuloderma
am Halse. Auf der Schleimhaut der Oberlippe und der Wange rechts,
sowie am Zahnfleisch Lupus. Auf dem rechten Fussrücken Plaque
von 7 Cm. Länge und 3 Gm. Breite, quer über den Fussrücken
verlaufend. Ein zweiter fünfpfennigstückgrosser verrucöser
Plaque auf der Streckseite der rechten grossen Zehe. Unter-
suchung der inneren Organe : Leichte Dämpfung der linken Lungenspitze,
verlängertes, rauhes Exspirium, keine Rasselgeräusche. Ther.: Auskratzen
mit scharfem LöffeL Cauterisation. Weitere Behandlung mit Sublimatum-
schlägen und Pyrogallussalbe.
4. C. Seh., 16j ähriges Mädchen vom Lande. Eltern der Pat. an-
geblich gesund; eine Schwester litt an Caries der Halswirbelsäule und
Spina ventosa. Pat. litt als Kind an Eiterung am linken Margo infra-
orbitalis, wo mehrere Knochenstückchen ausgestossen wurden. 10 Jahre
vor Aufnahme in die Klinik begann der Lupus des Gesichts, das Leiden
an der Zehe vor 5 Monaten.
Lupöse Erkrankung am Halse links und auf der rechten Wange.
Haut der 8. Zehe am linken Fuss ganz von papillären Wuche-
rungen bedeckt. Lungen u. s. w. normal. Ther.: Wie oben.
5. £. IL, 24 Jahre altes Mädchen vom Lande. Keine hereditäre
Belastung. Pat. angeblich sonst stets gesund. Beginn der Erkrankung
2 Jahre vor Aufnahme in die Klinik. „Zuerst bestand ein kleines Knötchen,
das zerkratzt, immer wieder kam.^
Pat. von blühendem Aussehen. Am linken Unterarm, der Ge-
gend des Capitulum ulnae entsprechend, ein Plaque von 4 Cm.
Ueber Tuberculosis vermcosa cutis. 417
Länge, 3Gm. Breite. Keine Seh wellnng der Achseldrüsen. Percnssions-
schall über der linken Lungenspitze ein wenig kürzer als rechts. Sonst
keine abnormen Erscheinungen an den Lungen u. s. w. nachweislich.
Ther.: Pat. wurde abgesehen von der sonstigen Behandlung mit
Tnberculin eingespritzt.
Es möge uns gestattet sein, die Krankengeschichte der
mit Tuberciilin behandelten Patienten etwas ausführlicher zu
berichten.
Die Anwendung des Tubercuün in diesen Fällen erfolgte,
wie auch bei den anderen Erkrankungen an Hauttuberculose
in der hiesigen dermatologischen KKnik*) im Allgemeinen so,
dass mit geringen Dosen, gewöhnlich 0,001 Gr. TubercuUn be-
gonnen und nur ganz langsam und erst dann zu einer Steige-
mng der Dosis geschritten wurde, wenn keine oder doch keine
'wesentliche Reaction nach der vorigen Dosis mehr eintrat.
Selbstverständlich wurde auch nur dann injicirt, wenn das
Allgemeinbefinden ein gutes war.
Nach einmaliger Injection von 0,001 Tuberculin bei obiger Patientin
war keine Temperatursteigerung vorhanden, das Allgemeinbefinden nicht
gestört; dagegen zeigte sich deutliche Eöthung des Plaque und intensive
Röthung der umgebenden Zone. Nach Excision der erkrankten Stelle war
durch eine gleiche Dosis Tuberculin keine Beaction zu erkennen. Da die
Granulationen schlecht waren, wurden dieselben dann abgekratzt und der
Defect nach Thiersch durch Transplantation gedeckt, worauf völlige
Heilung eintrat.
6. A. M. F,y 52jährige Ehefrau vom Lande. Vater an Phthise ge-
storben. Pat. angeblich stets gesund, ebenso Mann und Kinder. Beginn
der Hautaffection etwa S Jahre vor Aufnahme in die Klinik.
Auf demDorsum der linken Hand, die Gegend desMeta-
carpo-phalangealgelenks des 3. bis 4. Fingers einnehmend
und weiter auf das Dorsum manus übergehend findet sich ein
vermeöser Plaque von 6 Gm. im Quadrat. Kyphoskoliose. Thorax einge-
sunken, besonders die rechte Supradavicttlargrube. In beiden Spitzen und
diffus über den Thorax verbreitet katarrhalische Geräusche. Keine Lymph-
drusenschwellung.
Ther.: Bis zur Auslöffelung und Cauterisation erfolgte eine Injec-
tion von 0,001 Tuberculin, die keine Temperatnrsteigerung, Örtlich aber
deutliche Röthung und Schwellung der erkrankten Partie zur Folge hatte.
Pat. klagte über leichte Kopfschmerzen und Mattigkeit Nach der Opera-
tion blieben 2 Inj. von 0,001 und eine solche von 0,0015 ohne allgemeine
*) Vgl. Doutrelepont: „lieber die Injection mit Tuberculin."
Yerhandl. der Deutschen dermat. Ges. 1891.
418 Enickenberg.
and örtliche Reaction, wogegen nach der ersten Inj. von 0,002 die Tem-
peratur bis 39^ stieg und örtlich stärkere Secretion vorhanden war. Zwei
weitere Inj. von 0,002 und eine von 0,0025 verliefen ohne Beaction. Kach
der zweiten Inj. von 0,0025 traten Kopfschmerzen, starke Dyspnoe ohne
Husten, gesteigerte Herzaction und Pulsfrequenz ein, dagegen kein Fieber
und keine, örtliche Reaction. Ebenso war der Verlauf nach 2 Inject, von
0,0085 und einer Inj. von 0,004. Erneutes Abkratzen der Granulationen
mit nachfolgender Thiersch'scher Transplantation brachten die Stelle
zur Verheilung. Nach 4 Monaten trat Recidiv ein in Form einiger kleiner
Ulcerationen (zerfallene Knötchen?;.
7. K. H., 32jährige Ehefrau vom Lande. Keine hereditäre Belastung
nachweislich. Im 17. Lebensjahre der Fat. wurde der linke Daumen dick,
roth, schmerzhaft ; allmälig auch der Daumenballen und das untere Drittel
des Vorderarms. An einer etwa 8 Om. über den Processus stvloidei in der
Mitte der Vorderarmbeugeseite gelegenen Stelle brach die Schwellung von
selbst auf und es entleerte sich reichlich Eiter. Heilung mit eingezogener
Narbe. Nicht lange darnach begann die Erkrankung der Haut auf dem
linken Handrücken, und 1 Jahr vor Aufnahme in die Klinik bildete sich
eine warzige Stelle auf der Streckseite des linken Vorderarms. Während
letztere Stelle unter Carbolwasserumschlägen und Behandlung mit einer
gelben Salbe (Inhalt?) verheilte, ging eine gleichzeitig entstandene
ähnliche Stelle am distalen Ende der Narbe auf der Vorderarmbeugeseite
unter dieser Behandlung nicht zurück. 4 Wochen vor Aufnahme begann
auf dem linken Handrücken ein Scrophuloderma.
Die Streckseite der I.Phalanx des linken Zeigefingers
und Mittelfingers und die Gegend des Metacarpo-phalan-
gealgelenkes dieser beiden Finger sind eingenommen von einem
warzenartigen Plaque, der von rothem Saum umgeben ist; zwischen den
einzelnen Höckerchen der Oberfläche finden sich verschiedentlich kleine
Ulcerationen. An der Grenze des unteren und mittleren Drittels der Streck-
seite des linken Vorderarms eine weiss-röthliche Narbe mit einigen Lupus-
knötchen. Dieser gegenüber auf der Vorderarmbeugeseite eine tief einge-
zogene Narbe, an deren distalem Ende wiederum eine warzenähnliche,
nicht ganz pfenniggrosse Stelle sich findet. Im Instertitium zwischen
Daumen und Zeigefinger linker Hand ein Scrophuloderma von Wallnuss-
grösse. Cubital- und Axillardrüsen nicht geschwollen. An den inneren
Organen nichts Abnormes nachweislich.
Ther.: Nachdem auf 4 Inj. von 0,001 — 0,(X)4 keine Temperatur-
steigerung, wohl aber als örtliche Reaction leichte Schwellung und Röthung
der erkrankten Partien aufgetreten war, wurde in Narcose das Scrophulo-
derma excidirt, die anderen Stellen mit dem scharfen Löffel ausgekratzt
und dann cauterisirt. Weitere 7 Inj. von 0,005 — 0,007 hatten nur einmal
eine Temperaturerhöhung bis 38,2® zur Folge , blieben aber sonst ohne
allgemeine oder örtliche Reaction. Unter dieser Behandlung, gleichzeitiger
Anwendung von Sublimatumschlägen und zeitweiligem Gebrauch von 107«
Pyrogallussalbe heilten alle Stellen mit glatter weicher Narbe.
Ueber Tuberculosis verrucosa cutis. 419
8. M. G., 20 Jahre altes Mädchen vom Lande. Mutter der Fat.
starb an Phthise ; ein Bruder, der Lupus des Gesichtes hatte, starb ; es lebt
ein Bruder, der an Lupus des Gesichtes leidet, und eine Schwester, die
angeblich gesund ist. Fat. selbst war ausser Erkrankung an Masern und
später an Fneuinonie angeblich stets gesund. Die Hauterkrankung begann
l'/a Jahre vor der Aufnahme in die Klinik am linken Zeigefinger als
kleine Warze. Zur Zeit der Aufnahme fand sich die Streckseite der
beiden ersten Phalangen dieses Fingers mit einem verrucösen
Plaque bedeckt, dessen Aussehen ganz mit dem vonKiehl und Pal tauf
beschriebenen Bilde übereinstimmte. Am linken Mittelfinger war der Nagel
von seiner Unterlage abgedrängt, und es fand sich unter demselben Ulce-
ration ; diese Affection bestand seit 2 Monaten. Eine lupöse Stelle in der
Mitte der Oberarmbeugeseite bestand seit 1 Monat. Endlich zeigten sich auf
dem linken Handrücken 8 Scrophulodermata. Die Untersuchung der in-
neren Organe ergab nichts Abnormes.
Ther.: Nach einer Inj. von 0,001 stieg die Temperatur in 24 Stun-
den auf 38,5*. Der ganze linke Handrücken schwoll stark ödematös an,
die Haut war hier stark geröthet, die ülcerationen secemirten starker;
Fat. klagte über Kopfschmerzen. Das Oedem bestand noch 2 Tage lang.
Nach Auskratzen und Cauterisation (Pacquelin) der erkrankten Partien
hatten 5 weitere Inject, von 0,001 bis 0,004 Tuberculin keine örtliche Re-
action zur Folge, nur traten bald geringere, bald stärkere Kopfschmerzen
und Mattigkeitsgefuhl ein, verbunden mit massiger Temperatursteigerung.
Beiden folgenden 7 Inj. von 0,005 — 0,008 trat neben diesen Erscheinungen
als örtliche Reaction auffallende Böthung des Randes der granulirenden
Stellen ein, die allmälig aber abnahm. Während dann bei der ersten Inj.
von 0,009 die Temperatur bis 38,8* stieg, blieb diese bei 2 weiteren Inj.
derselben Dosis und nach 0,01 unter 38*, und es war keine örtliche Reac-
tion mehr zu erkennen. Nebenher waren Sublimatumschläge und ab und
zu Fyrogallussalbe angewandt. Alle Stellen verheilten mit weicher Narbe.
Wenn wir diese Angaben überblicken, sehen wir, dass das
Alter der Patientinen sich zwischen 16 und 52 Jahre stellt.
Was den Stand oder die Beschäftigung der Fat. angeht, so
sind es durchweg Fraisen und Mädchen vom Lande, bei denen
also eine fortgesetzte Beschäftigung mit Hausthieren und thie-
rischen Producten wohl zutreffen könnte. Abgesehen von einer
Fat., bei der die Anamnese unmöglich war, liess sich Erkran-
kung an Tuberculose in den Familien der Fatientinen in vier
Fällen nachweisen, sei es Erkrankung der Eltern oder der
Geschwister. Die Untersuchung der inneren Organe ergab in
4 Fällen nicht ganz unverdächtigen Lungenbefund, ohne dass
einmal ausgesprochene Phthise nachweislich gewesen wäre.
Dagegen fanden sich andere Formen der Hauttuberculose
420 Knickenberg.
(Lupus vulgaris und Scrophuloderma) in 6 Fällen neben der verru-
cösen Form. Die Lymphdrüsen waren in den Fällen, wo nur
diese letztere Form vorhanden war, nicht geschwollen; waren
sie es in den anderen, so bestanden ja gleichzeitig die Formeui
bei denen man Lymphdrüsenschwellung zu finden gewohnt ist.
Der Beginn der in Betracht kommenden Erkrankungsform wurde
nicht über 3 Jahre vor Aufnahme in die Klinik angegeben,
und gewöhnlich der Verlauf so erzählt, dass zuerst ein rother
Fleck angetreten sei, der dann warzenähnliches Aussehen an-
genommen und sich sehr langsam vergrössert habe. Sitz der
Erkrankung waren fast durchweg die distalsten Theile der Ex-
tremitäten.
Von männlichen Patienten wüi'den 9 hierhin gehören:
1. J. P. W., 60 Jahre alt. Ackerer. Beginn der Erkrankung y« Jahr
vor Aufnahme in die Klinik mit einer kleinen Warze an der Basis des 4.
Fingers. AUmalig dehnte sich der Process nach dem Vorderarme zn in
der Weise aus, dass stets neue kleinste Wärzchen aufschössen. Gleichzeitig
fingen die periphersten Partien zu schwellen an und damit trat zuweilen
auch Schmerz ein.
Auf dem Dorsum der rechten Hand am Metacarpo-pha-
langealgelenk des 4. Fingers beginnend findet sich ein fast kreis-
runder Plaque von Thalergrösse, an der Oberfläche mit warzigen Aus-
wüchsen voll besetzt, umgeben von einem erythematösen Band« Die Papil-
lome theilweise mit Borken und Krusten bedeckt, nach deren Abhebung
schwarzbraune Verfärbung der drusigen Excrescenzen zu Tage tritt. Aus
den zwischen den letzteren befindlichen kleinen Oeffhungen tritt auf Druck
Eiter aus.
Ther.: Auskratzen und Cauterisation. Sublimatumschläge.
2. W. B., 54 Jahre alt, Ackerer. Keine hereditäre Belastung. Pat.
selbst will bis zu Beginn dieser Erkrankung (6 Jahre vor Aufnahme in
die Klinik) ganz gesund gewesen sein. Es entwickelte sich damals auf dem
Dorsum des linken Fusses ein Abscess, der incidirt wurde. Darauf chro-
nisch entzündlicher Zustand zunächst in der Nähe der zuerst erkrankten
Stelle und hieraus weitere Entwicklung der Erkrankung.
Die 2. Zehe des linken Fusses eiephautiastisch verdickt und
in ihrer ganzen Ausdehnung, besonders an der Dorsalseite mit papiUären
Excrescenzen besetzt. 2 Stellen von Lupus hypertrophicus auf dem Dorsum
pedis sinistri und eine Stelle in der Gregend des Gondylus extemus tibiae.
Scrophuloderma am Oberschenkel und über der linken Clavicula. Leisten-
drüsen stark geschwollen. Geringer Tiefstand der Lungenspitzen.
Ther.: Hydroxylamin (0.1 7^) und Sublimatumschläge. Auskratzen
und Cauterisation. Einigemal Pyrogallussalbe. Heilung mit keloidartigen
Narben.
Ueber Taberculosis verrucosa cutis. 421
3. Ph. Seh., 16 Jahre alt, vom Lande. Vater des Patienten starb an
Phtjiise^ 3 Schwestern ^leiden, an Dräsen^. Im 2. Lebensjahre des Pat.
Abscess am linken Oberschenkel ; Incision ; dprt zur Zeit der An&ahme
Narbe. Eine später beginnende Eiterung aus Fisteln an dem rechten Mittel-
finger und am. r>. Zeigefinger besteht noch (Caries). Die verrucöse Haut-
affeetion begann 4^ Jahre vor der Aufnahme an den Metacarpo-pha-
langealgelenken der rechten Hand, von hier breitete sich
die Erkrankung aus auf den Handrücken und bis in die Mitte
der 1. Phalanx des 3.— r5. Fingers, central in Vemarbung. Verrucöse
Plaques von Zwanzigpfennig- bis Fünfmarkstückgrösse finden sich über
der 1. Phalanx und dem Metacarpus des Daumens und auf
der Streckseite des Hai^dgelenks. Am rechten Vorderarm über
der Mitte der ülna pfiaumengrosser Tumor, fiuctuirend, Haut darüber
central leicht geröthet.
Lupgenbefund: Dämpfung der Spitzen, Bronchialathmen, klingen-
des Rasseln.
Ther.: Auskratzen und Gauterisation. Sublimatumschläge und Pyro-
gajlussalbe. Patient wird geheilt entlassen.
4. E. K., 40 Jahre alt. An der Innenseite der linken Ferse
ein markstückgrosser verrucöser Plaque, der angeblich 1 Jahr
vor Aufiiahme in die Klinik als kleine Warze begonnen hat. Seit einiger
Zeit litt Pat. an geringem Husten und hatte einigemal blutigen Auswurf.
Tuberkelbacillen waren im Sputum nicht zu finden.
Ther.: Excisipn. Gauterisation. Heilung.
5. F. 0., 17 Jahre alt, Fabrikarbeiter. Eltern und Geschwister des
Pat. gesund. Pat. selbst litt mehrere Jahre an Rhinitis ulcerosa. 2 Jahre
vor Auftiahme in die Klinik bildete sich an der Nasenwurzel eine kleine
Wucherung, die durch Aetzen zerstört wurde. •/« Jahre später begann die
Wucherung auf der Nasenspitze, die sich als markstückgrosser war-
zenähnlicher Fleck findet. In beiden unteren Nasengängen leichte üleera-
tionen. Submaxillardrüsen geschwollen. Lungen u. s. w. normal.
Ther.: Auslöffelung. Gauterisation. Heilung.
6. P. Seh., 14 Jahre alt. Pat. stammt aus gesunder Familie. Im 4.
Lebensjahre Garies am Metacarpus des rechten Daumens. Nach Operation
heUtß die bis dahin eiternde Fistel ; im 8. Lebensjahre soll da^n ausgehend
von der Narbe die Wucherung begonnen haben.
£s findet sich über dem Metacarpus des rechten Daumens eine,
dem Knochen adhärente Narbe, von ihr ausgehend ein kreisrunder Plaque
von Fünfmarkstückgrösse, der sich nach dem Zeigefinger und der
Falte zwischen Daumen und Zeigefinger hin erstreckt* Gubital-
und A^U^drusen rechts qi^sig indolent geschwollfm. Die innßrisn Organe
sind anscheinend normal,. Unter der gewöhnlichen Behandlung durch. Aus-
kratzen UQd Gauterisation, sowie Anwendung von Sublimatumschlägen und
Pyrograllussalbe trat Heilung ein.
7; W. W., 52 'Jahre alt, Plüschweber* Di© Affeotion auf der- Hand*
begann 2'/, Jahre vor Aufnahme in die Klinik. Pat. glaubt» dass dieselbe
durch Scheuem des Rockärmels entstanden sei.
422 Knickenborg.
Die erkrankte Stelle findet sich auf dem linken Handrücken
über dem Metacarpus pollicis in einer Grösse von 5:3 Cm., auf
ihrer Oberfläche warzige Excreszenzen tragend, zwischen denen kleinste
Ulcerationen an einzelnen Stellen sich zeigen.
Leichte Dämpfung über beiden Lungenspitzen, trockene Rhonchi.
Ther.: Am Tage der Einspritzung von 0,001 Tuberculin trat keine
deutliche Reaction ein, dagegen erschien am folgenden Tage die ganze
erkrankte Partie ums Doppelte geschwollen. Nach Exstirpation und
Transplantation erfolgte Heilung. Weitere Tuberculininjection wurden in
diesem Falle nicht vorgenommen.
8. M. H., 47 Jahre, Ackerer. Mutter des Patienten starb an „Ab-
zehrung''. Die Affection an der Hand begann '/i Jahre vor Aufnahme in
die Klinik. — Auf dem Dorsum der rechten Hand ein gut
fünfmarkstückgrosser verrucöser Plaque , umgeben von
schmalem, erythematösem Saum. Auf seitlichen Druck entleeren sich
zwischen den papillären Excrescenzen, wie aus einem Sieb Eitertröpfchen.
Eine kleinere gleiche Stelle über dem Metacarpo-phalan-
gealgelenk des rechten Mittelfingers. Keine Drüsenschwellung.
Lungen u. s. w. normal.
Nach Auskratzen und Cauterisation trat Heilung ein.
9. S. Seh., 28 Jahre alt, Handelsmann. Hereditäre Belastung des
Pat. nicht nachweislich. Pat. selbst im übrigen angeblich völlig gesund.
Die Erkrankung begann 4—5 Jahre vor Au&ahme in die Klinik an der
rechten Hand und trat später erst an der linken Hand auf, langsam
wachsend. Pat. hat viel mit Lumpen, Knochen u. s. w. gehandelt.
Ueber dem distalen Ende des Metacarpus pollicis
dextri und dicht oberhalb des Interstitiams zwischen dem
4. und 5. Finger der linken Hand findet sich je eine thalergrosse
Stelle, entsprechend dem für Tuberculosis verrucosa cutis beschriebenen
Bilde. Keine Lymphdrüsenschwellungen. An den inneren Organen nichts
Abnormes nachweislich.
Ther.: Excision der erkrankten Stellen beiderseits. Links Naht,
rechts Transplantation. Yerheilung mit glatten Narben.
Ein Rückblick zeigt uns, dass das Alter der 9 männlichen
Patienten zwischen 14 und 60 Jahren schwankt. Ihrer Beschäf-
tigung nach sind es 3 Ackerer, 1 Handelsmann, 2 Fabrikarbeiter
und 3 ohne besondere Beschäftigung. Die Nachforschung nach
tuberculösen Erkrankungen in der Familie ergab in 2 Fällen
Phthise des Vaters bez. der Mutter, während die Untersuchung
der Patienten selbst auf Tuberculose der inneren Organe drei-
mal verdächtigen Lungenbefund oder die Zeichen der Lungen-
tuberculose ergab. Sonst war, was die Beschäftigung oder be-
sondere Gewohnheiten der Pat. angeht, nichts irgendwie Bedeu-
lieber Tuberculosis verrucosa cutis. 423
tendes festzustellen; ein Patient sprach die Vermuthung aus,
dass die Affection durch Scheuern des Rockärmels entstanden
sei, weil sie gerade an der betr. Stelle sass. Bei 3 Patienten
fanden sich ausser der hierhergehörigen Affection Zeichen ander-
weiter Haut- oder Knochentuberculose. Als längste Dauer
des Bestehens der Erkrankung wurden 6 Jahre angegeben. Auch
hier bei den männlichen waren wie bei den weiblichen Patienten
Sitz der Erkrankung die distalsten Partien der Extremitäten.
Interessant ist die Entstehung der verrucösen Plaques an
der Stelle und im Anschluss an Wunden, die durch spontane
Perforation bez. Incision tuberculös erkrankter Stellen entstanden
waren, und aus denen sich tuberculöser Eiter entleert hatte,
wie wir dies bei einer Patientin (7, K. H.) und bei 2 männlichen
Patienten (3. und 6.) erfuhren. (Aehnliche Verhältnisse scheinen
bei dem von Besnier mitgetheilten Falle *) vorzuliegen, indem
sich hier die Tuberculosis verrucosa an der Stelle entwickelte,
wo sich zuvor ein Abscess gebildet hatte ; der Pat. war phthisisch.)
Im übrigen war nur bei 2 Patientinen (3. und 4.) festzustellen,
dass vor der Entwicklung der verrucösen Plaques anderweite
Hauttuberculosen bestanden hatten. Für die Frage der Auffas-
sung der Erkrankung als Inoculationstuberculose hat die erstere
Thatsache eine besondere Wichtigkeit, denn da ist doch die
Entstehung durch Inoculation wohl das nächstliegende.
Die Frage des Lupus als Impftuberculose beschäftigt ja
schon seit langem die Forscher, Aber alle die vielen und auf
die mannigfachste Art angestellten Versuche durch Einimpfung
tuberkelbacillenhaltigen Materials Lupus zu erzeugen, haben
bis jetzt zu keinem Resultate geführt. Leloir^) sah freilich
durch Impfung locale Gebilde entstehen, die vom histologischen
Standpunkte aus sehr an den Lupus erinnerten und Baum-
garten ^) fand nach kräftiger Einreibung einer reichlichen
Menge von Tuberkelbacillen in die rasirte Kaninchenhaut
Localaffecte ähnlich den menschlichen Leichentuberkeln. Allein
welche Bedingungen vorhanden sein müssen, um die Tuberculose
') Annales de Dermatol. et de Syphiligrapbie 1889, p. 220.
') Vierteljahrsschrifl für Dermatologie 1884. Annales de Dermatol.
et de Syphiligraphie 1891.
•) Mykologie p. 637.
4^ Knickenberg.
der Haut gerade in der Form des Lupus auftreten zu lassen,
wissen wir bis heute noch, nicht. Trotz alledem neigen viele
Forscher zu der Ansicht, daßs Lupus in einer grossen Zahl der
Fälle von aussen eingeimpft sei, eine Ansicht, die Herr Geheim-
rath Doutrelepont^) schon seit längeren Jahren in seinen,
klinischen Vorlesungen vertrat. In, freilich ganz wenigen Fälleu
gelang es ja auch den Lupus als Lioculationfilupus nachzuweisen,
vgl. Jadassohn, Virchows Archiv 121. Bi, 1890. „üeber In-
oculationslupus'' und Wolter's, Deutsche med« Wochenschr.
1892. „Ueber Inoculationslupus".
Wenn man aber im allgemeinen Lupus in einer grossen
Zahl von Fällen als von aussen eingeimpft ansehen kann, dann
wird man diese Anschauung wohl mit besonderem Grunde für
den Lupus der Extremitäten geltend machen köimen.
Kiehl und Pal tauf fassen auch die von ihnen beobach-
teten Erkrankungen ebenso wie die Leichenwarze als „Formen
von wahrer Impftuberculose der Haut" auf. Wir zweifeln nicht,
dass sie damit Recht haben. Das oben angeführte Resultat
Baumgarte n^s würde ja auch in gewissem Sinne fär sie sprechen.
Auch Salz er'') bemerkt, dass die von ihm beobachtete
Erkrankung angeblich nach einer 4 Jahre zuvor stattgehabten
Verletzung des betr. Fingers entstanden sei. Und Bowen*)
sagt uns, dass bei 2 seiner Patienten die Affection zu der Zeit
entstanden sei, wo sie an Tuberculose erkrankte Angehörige
pflegten und deren Wäsche, Taschentücher u. s. w. zu waschen
hatten und bei 4 weiteren Patienten festzustellen war, dass sie
entweder selbst schon zuvor an Tuberculose erkrankt waren
oder doch in häufige Berührung mit Tuberculosen kamen. Dem-
nach ist es nicht unwahrscheinlich, dass es sich in den Fallen
auch um Inoculationstuberculose handelt.
Ueber die hier einschlägigen Beobachtungen betreff, das
gleichzeitige Vorkommen anderweiter Hauttuberculösen bez.
sonstiger tuberculöser Erkrankungen der Patienten selbst odßr
') Vergl. anoh Doutrelepont. Ueber Haut- und Sißhleiinhaat-
tuberouloBe. Deutaohe med* Woobensehrift 1892.
') L c.
») 1. c.
Ueber Tuberculosis verrucosa cutis. 425
der nächsten Angehörigen derselben haben wir für unsere oben
angeführten Fälle dort schon berichtet.
In den meisten Fällen wird es ja schwer sein festzustellen,
ob etwa die tuberculöse Lungenaffection schon vor Auftreten
tuberculöser Hauterkrankungen bestand, aber bei genügender
Aufinerksamkeit auf diesen Punkt wird es doch zuweilen ge-
lingen. Besnier*) versichert, dass er in einer ziemlich grossen
Zahl ähnlicher Fälle gewiss sein konnte, dass die Lungenaf-
fection zuerst da war, und schliesst daraus, dass es sich um
Auto-Inoculation handle.
Was die mit Tuberculininjectionen behandelten Fälle an-
geht, so fand sich durchweg örtliche Reaction mit Röthung oder
Schwellung, und es zeigte sich auch da wieder der Werth des
Tuberculin als diagnostischen Mittels. Fordyce^) hatte bei
seinem Falle kein Resultat von Tuberculin gesehen.
Wir kommen nun zu den histologischen Befunden der
exstirpirten Stücke. Diese wurden sofort nach der Exstirpation
in absoluten Alkohol gebracht, gehärtet und dann, theils in
Celloidin, theils in ParaflFin eingebettet, oder auf dem Gefrier-
mikrotom mit Anisöl geschnitten. In allen Fällen fand sich ein
mächtiges Hornlager, das besonders über den Papillen stark
entwickelt und in Lamellen unregelmässig angeordnt war. Stel-
lenweise waren zwischen den verhornten Schichten Exsudat -
massen, in denen sich die Kerne nur noch wenig färbten und
Zerfallsmassen. Diese stammen aus den kleinen Abscessen, die
sich an einzelnen Stellen dicht unter den tiefen interpapillären
Einsenkungen finden. Das Stratum lucidum zeigte keine auffal-
lenden Erscheinungen, ebensowenig das Stratum granulosum.
Die Stachelzellenschicht war besonders dort wesentlich stärker,
wo die Epidermis theils kleinere, theils sehr grosse kolbenför-
mige Zapfen zwischen die Papillen einsenkt Letztere erscheinen
an den Stellen höchster Entwicklung stark gewuchert und oft
dendritisch verzweigt; zwischen dieselben senken sich die Epi-
dermiszapfen je nachdem mehr oder weniger tief ein.
Die Papillen selbst sind, besonders an ihrer Basis stark
zellig infiltrirt und diese Infiltrationen stehen vielfach im Zu-
') 1. c.
») 1. c.
Archiv f. Dermatol. u. Syphll. Band XXVI. 29
426 Knickenberg.
sammenhang mit den ausgedehnten Infiltraten der Gegend des
Stratum vasculosum subpapillare. Während dieses in seiner
typischen Anordnung verschwunden ist, zeigen sich anderseits
zahkeiche unregebnässig rertheilte Capillaren. Zuweilen trat
der herdförmige Charakter der Zellwucherungen deutlich hervor,
zuweilen sahen wir diese Anordnung durch starken ZeUreichthum
der Umgebung mehr verwischt. Die einzelnen Herde boten alle
Kennzeichen eines typischen Tuberkels mit epitheloiden und
Riesenzellen. An einzelnen Stellen, mit Vorliebe dort, wo die
Epidermis sich besonders tief zwischen die Papillen einsenkt,
sieht man den Beginn der kleinen Abscesse, die wir oben schon
erwähnten.
Talgdrüsen und Haarbälge sind verschwunden, dagegen
die Ausfuhrungsgänge der Schweissdrüsen stellenweise erhalten
und um diese herum findet sich dann auch Infiltration.
Soweit würde unser mikroskopischer Befund mit den von
nie hl und Pal tauf gemachten wohl übereinstimmen, aber es
kommt hinzu, dass während jene „die Herde von Zellinfiltraten
nur ausnahmsweise die Ebene der Schweissdrüsenknäuel errei-
chen" sahen, wir diese Herde fast durchweg auch in den tieferen
Schichten der Cutis fanden und auch hier die Umgebung der
Drüsenknäuel und Gefässe mit Rundzellen infiltrirt.
Was den Befund an Tuberkelbacillen angeht, so war der-
selbe sehr gering, jedenfalls nicht grösser als man ihn sonst
bei Lupus zu machen gewohnt ist.
Somit hätten wir bei diesen Fällen grösster Aehnlichkeit
und äusserer Uebereinstimmung mit der von Riehl und Pal-
tauf beschriebenen Affection keinen anderen mikroskopischen
Befund als den bei Lupus verrucosus gewohnten erheben können.
Wenn nun Riehl und Paltauf besondere Bedeutung dem
beilegen wollen, dass sich bei den von ihnen beobachteten Er-
krankungen mikroskopisch die Knötchen nur in den obersten
Schichten der Cutis fanden, so ist uns das kein besonders be-
merkenswerther Befund. Denn oft genug findet man auch in
Fällen, deren klinisches Bild nicht mit dem jener Autoren zu-
sammenfällt, z. B. bei Lupus exfoliaceus, die Infiltrationsherde
nur obei-flächlich gelagert. Aber gehen wir noch weiter auf die
von jenen Autoren angeführten differential-diagnostischen Mo-
üeber Tuberculosis verrucosa cutis. 427
mente ein. Was das Fehlen makroskopisch wahrnehmbarer Knöt-
chen bei Tuberculosis verrucosa cutis angeht, so sagen Kiehl
und Pal tauf selbst, dass sie die ersten Anfänge der Erkran-
kung nicht haben beobachten können. ^) Es bliebe also einer-
seits immerhin möglich, dass zuerst Knötchen dagewesen wären
und anderseits sind oft bei Fällen, deren mikroskopische Unter-
suchung den gewöhnlichen Befund des Lupus verrucosus ergibt,
Knötchen makroskopisch nicht zu erkennen. Und sollten nicht
vielleicht die kleinen Krusten und „Pusteln" am Rande der
papillären Excrescenzen zerfallenen Knötchen ihre Entstehung
verdanken können?
Weiter, sagen sie, zeigen auch ältere Partien keine Ten-
denz zu ulcerösem Zerfall Dieser fehlt aber auch meist bei
Lupus verrucosus, wie das Morrow') ausdrücklich erklärt:
„From the comparison of lupus verrucosus or lupus sclereux
with tuberculosis verrucosa cutis, it will be seen that the present
many analogies, they do not differ materiaUy in their typical
papillomatous features, they are identical in location, and not-
withstanding RiehTs assertion to the contrary, an absence of
ulceration is common to both...'^ Endlich kommen die miliaren
Abscesse bei Lupus verrucosus genau ebenso vor, wie Riehl
und Pal tauf sie für ihre Affection beschreiben. Auch darin,
dass Riehl und Pal tauf aus der Beschäftigung ihrer Patien-
ten heraus die Tuberculosis verrucosa cutis als Impftuberculose
aufiassen, können wir keinen Grund zur Trennung vom Lupus
sehen, denn auch den Lupus der Extremitäten kann man in
einer grossen Zahl von Fällen als Impftuberculose ansprechen.
Und wollte man uns einwenden, dass in dem grösseren
Reichthum an Bacillen ein Unterschied zwischen Tuberculosis
verrucosa cutis und Lupus verrucosus liege, so könnten wir da-
gegen anfuhren, dass auch bei Lupus sich öfters verhältniss-
mässig zahlreiche Bacillen finden. So sah u. A. K o c h ') in ein-
') Später freilich erklären sie ohne Weiteres, dass bei ihrer
Krankheit „das Auswachsen der Papillen gleich zu Anfang des Processes
ohne vorausgehende Ulceration, ja wahrscheinlich fast gleichzeitig mit der
Entwicklung der Tuberkel beginnt **.
*) Gase of Tuberculosis papillomatosa cutis etc. Journal of cut. and
gen.-urin. diseases. 1888, Nr. 11.
') Mittheilungen aus dem kais. Gesundheitsamte. II.
29*
428 Knickenberg.
zelnen Schnitten öfters mehrere Bacillen, so fand Lachmann ^)
im Eiter, der unter Borken entnommen war, die lange Zeit auf
lupösen Stellen gesessen, zahlreiche Bacillen, wie in Züchtungen
bei einander und Doutrelepont*) berichtet von Fällen, in
denen er zahlreiche und einmal sogar in einer Reihe von Schnit-
ten sehr zahlreiche Bacillen nachweisen konnte. Auch gibt uns
Leloir in den Tafeln zu seinem Werke: Traite etc. de la
Scrofulo-Tuberculose eine Reihe mikroskopischer Bilder von
verschiedenen Lupusformen mit zahlreicheren Bacillen.
Allem dem gegenüber sind wir der Anschauung, dass weder
das klinische Bild noch das mikroskopische Verhalten entschei-
dend genug ist, um die Aufstellung der „Tuberculosis verrucosa
cutis" als neue und besondere Form der Hauttuberculose be-
rechtigt erscheinen zu lassen.
Wenn eine Reihe von Autoren (u. A. Fox, Fournier und
in jüngster Zeit Hallope au in seiner Abhandlung : Des treves
dans les manifestations cutanees de la tuberculose) *) Lupus
verrucosus oder sclerösus und die Tuberculosis verrucosa cutis
als gleichbedeutend hinstellen, so können wir uns dem nur an-
schliessen, denn auch unseres Erachtens ist die sog. Tubercu-
losis verrucosa nichts anderes als ein oberflächlicher Lupus verru-
cosus. Diese Auffassung hat Herr Geheimrath Doutrelepont
in seinen klinischen Vorlesungen sowohl als in wissenschaftlicher
Abhandlung seit langem vertreten. La seiner Veröffentlichung:
„Ueber Haut- und Schleimhauttuberculose" *) kommt er auf die
Tuberculosis verrucosa cutis zu sprechen und sagt: „Solche
Fälle, die an den Händen allein, aber auch an anderen Stellen
localisirt sind, sehen wir auch hier, von dem Lupus braucht
man sie jedoch nicht abzuzweigen, da wir sie in Verbindung
mit allgemein verbreitetem Lupus an den Extremitäten, oder
auch mit Lupus des Gesichts allein häufig beobachten, und
diese Form nach Heilung in der Narbe als Lupus vulgaris
recidiviren kann, wie ich es zuweilen gesehen habe."
') Deutsche med. Wochenschrift 1884. Nr. 13.
') „Die Aetiologie des Lupus vulgaris." Vierteljahrsschrift für
Dermatologie und Syph. 1884.
•) Annales de Dermatol. et de Syphiligr. October 1893.
*) Deutsche med. Wochenschrift. 1892.
Ueber Tubercalosis verrucosa cutis. 429
Riehl und Paltauf führen diese Fälle als Inoculations-
tuberculose auf, ich möchte sie ausserdem mit Finger dafür
als Beweis anführen, dass durch Einimpfung Ton Tuberkelyirus
eine dem Lupus papillaris ganz gleiche Erkrankung der Haut
hervorgerufen werden kann^.
Diesen Standpunkt der Identität der Tuberculosis verrucosa
cutis mit der verrucösen Lupusform nimmt auch H. Leloir
ein, der in seinem neuen grossen Werke: Traite pratique
theorique et therapeutique de la Scrofulo-Tuberculose de la
peau. (Paris 1892) bei Abhandlung der Riehl-P alt auf sehen
Erkrankung sagt, dass dieselbe seiner Meinung nach aufgefasst
werden muss als „Lupus demi-sclereux papillomateux superficiel
ä tendance suppurative^, und liest man seine ausführliche Be-
arbeitung des Lupus sclereux u. s. w., so wird man die Berech-
tigung der Ansicht Leloir's nicht verkennen können.
Dass diese verrucöse Lupusform öfters bei Erwachsenen
oberflächlicher sitzt als bei Kindern, mag, wie auch Finger')
vermuthet, seinen Grund in der grösseren Widerstandsfähigkeit
der Haut des Erwachsenen gegenüber jener des Kindes haben.
Es ist ein Verdienst RiehTs und Palt auf's, und das
soll nicht geschmälert werden, diese Formen der Hauterkran-
kung so genau untersucht, beschrieben und auf den tubercu-
lösen Charakter derselben hingewiesen zu haben. Aber wir
wiederholen es, die „Tuberculosis verrucosa cutis^ ist unseres
Erachtens keine in sich abgeschlossene besondere Erkrankungs-
form der Hauttuberculose, sondern nur ein oberflächlicher Lupus
verrucosus.
') 1. c.
BerieM ifter die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
',.'
Verliandlungen der Wiener dermatologisclien
Gesellschaft.
Sitzung vom 6. November 1899.
Yorsitzender : Neumann. Schriftführer: Gehak.
Neamann demonstrirt 1. die Kranke aus der letzten Sitzung mit
Pemphigas vegetans. An dem Bilde hat sich seitdem wenig geändert, nur sind
Efflorescenzen an der Conjunctiva aufgetreten, femer neue in der Mundhöhle.
Besonders interessant ist, dass in der Nabelgegend nach Abstossung der
Blasendecken zwei fleischrothe Stellen zurückblieben, aus deren Gentrum
innerhalb der 14 Tage papillomartige Wucherungen hervorwuchsen, einen
wahren Pemphigus vegetans darstellend. Am Genitale finden sich ähnliche
Waoherangen, Efflorescenzen an der Schleimhaut der Vagina, namentlich
an den Columnen. Blatbefund: 16.000 weisse, 4,100.000 rothe Blutkörper-
ohen, Hämogl. 877e-
Kaposi zeigt 1. ein Kind mit excessiver Ichthyosis hystrix.
Schiff zeigt ein Kind mit einem derben speckig belegten Infiltrat
an der Urethralmondung, das er für eine exolcerirte Sclerose hält. Vater
und Matter sind gesund, das Kind selbet hat viel mit fremden Leuten,
namentlich Kindern verkehrt.
Kaposi betont^ man dürfe nicht so strict die Diagnose auf Scle-
rose stellen, da die VerantwortHehkeit eine grosse ist, besonders bei Kindern,
wo man anoh in Folge von Ekzem an den aneinanderliegenden Genital-
falten and in der Analregion sehr häufig ciroumscripten Decubitus und
Gangrän mit entsprechenden Infiltraten findet. Man müsse sich mehr
reservirt halten, wenn selbst Drüsenachwellungen vorhanden sind, da solche
aach bei nicht specifischen Entzündungen vorkommen können. Er würde sich
höch8ten& getrauen, die Affection für eine Art Epitheldecubitus zu erklären.
Neumann. Die Stelle an der Urethra sieht aus wie eine nässende
Papel, aus dieser allein kann man aber keine Diagnose stellen. Mit Be-
stimmtheit kann man jedoch eine congenitale oder hereditäre Syphilis
auBBchlieasen, Zwei infiltrirte Afterfalten weisen anf eine ältere Erkrankang
hin. Jedenfalls muss das Kind weiter beobachtet, bei guter Beleuchtung
nntersncht, besonders die Mundhöhle inspicirt werden, ehe man ein Urtheil
abgeben kann.
434 Verhandlnngen
Lang spricht sich ebenfalls für eine weitere Beobachtung aus. Das
Kind hat ansserdem eine ganz geringe Prurigo, mit der möglicherweise
auch die ürticariaefQorescenzen am Körper in Znsammenhang stehen.
Ehr mann hat vor einigen Jahren einen 4jähr. Knaben wegen hoch-
gradiger Phimose circumcidirt Es fanden sich ähnliche Plaques an der
Innenfläche des Präputiums, untermischt mit kleinen spitzen Condylomen.
Sie schwanden vollständig nach Trockenlegung des Präputiums, ohne eine
Spur zu hinterlassen. Man könnte dasselbe vielleicht auch hier versuchen.
Kaposi zeigt 2. eine Frau mit Sclerodermie. üeber den ganzen
Körper zerstreute linsen- bis uberthalergrosse Herde, ein ungewöhnliches
Bild, da man sonst entweder isolirte oder der Gefassvertheilung folgende
Plaques findet. Nirgends di£^se Sclerodermie; die Herde befinden sich in
verschiedenen Stadien, einzelne speckähnlich glänzend, im Fortschreiten
begriffen, andere im Zustande cicatrisirenden Hautsclerems, schon ver-
schwindend. Die Dauer der Krankheit ist schwer zu eruiren, weil die Leute
an den von Kleidung bedeckten Stellen eine solche Veränderung der Haut
nicht so bald wahrnehmen. Einen Fall mit so vielen einzeln stehenden
Herden hat K. noch nicht beobachtet.
Der Fall von Sderodermia universalis bei der voriges Jahr demon-
strirten Frau ist auf erweichende Behandlung zeitweilig besser geworden.
Jetzt im Herbst hat die Sclerodactylie wieder zugenommen»
N e u m a n n. Dieser Fall ist jedenfaUs ein Unicum. Die meisten Herde-
befinden sich noch im Stadium elevatum, wo also noch eine Besserung zu'
erzielen ist. Einen interessanten Fall von Sclerodermie sah ich jüngst bei:
einer Frau mit Erkrankung der Gesichtshaut, des Rachens und Kehlkopfes ^
die Kranke bekam bisweilen Anfalle von Athemnoth. Der behandelnde
College wandte Massage und warme Umschläge an.
Ehr mann fahrt einen Fall an, wo Massage eine ausgezeichnete
Wirkung hatte; derselbe betraf ein lljähr. Mädchen, das jahrelang einige
Sclerodermieplaques auf der Haut hatte. Dasselbe litt seit der Kindheit an'
einer schwer zu überwindenden Obstipation. E. sprach betreffs dieses
Falles mit einem CoUegen, der sich viel mit Sclerodermie befasst. Der-
selbe hatte auch in seinen Fällen meist Obstipation gefunden. Ob ein
Zusammenhang zwischen beiden Leiden besteht, ist noch fraglich.
Spiegier zeigt einen Mann, dessen Kopf von zahlreichen halb-
kugeligen Tumoren besetzt ist, die sich klinisch als Molluscum fibrosum
darstellen. Zwei ebensolche (Geschwülste am Rücken. Am Kopf zahlreiche
exulcerirte Stellen. Die erste Yermuthung von Kaposi war die einer durch
Maceration und Reizung exulcerirten , verhältnissmässig gutartigen . Ge-
schwulst mit Uebei^ang in ein bösartiges Stadium. Die mikroskopische
Untersuchung der Geschwülste von verschiedener Grösse und verschiedenen
Stellen ergab übereinstimmend den Bau eines Cylindroms. Eine Beschrei-
bung eines ähnlichen Falles ist Sp. in der Literatur nicht bekannt, mit
Ausnahme eines Referates aus einer französischen Zeitschrift, deren Ori-
ginal sich Sp. noch nicht verschaffen konnte. Krankheitsdauer 40 Jahre.
der Wiener dermatologisclien Gesellschaft. 435
Der grösste Theil der Geschwülste wurde theils auf der Klinik Albert,
theils von Kaposi abgetragen.
Finger denionstrirt 1. einen Mann mit einem mercuriellen Erythem.
Vor 10 Tagen Ixgection von Hydrarg. salicyl., nach 2 Tagen Erythem am
ganzen Körper mit heftigem Jucken, angeblich auch Fieber. Einige ähn-
liche Fälle sind in der französischen Literatur publicirt, wo auf Darreichung
von Hg.-Präparaten Erytheme entstanden.
Ehr mann hat unlängst einen Fall beschrieben, wo wohl nach einer
Einreibungscur und nach subcutaner Anwendung von Ol. cinereum ein
solches Erythem auftrat, nicht aber auf interne Darreichung.
Hebra sah vor einigen Tagen einen Patienten, der nach einer In-
jection einer sehr schwachen Lapislösung in die Urethra ein kolossales
scarlatinaähnliches Erythem unter Fiebererscheinungen bekam. Dabei
zeigte sich eine ziemlich seltene Nebenerscheinung, nämlich eine Affection
der behaarten Kopfhaut, die einem Ekzem ziemlich ähnlich sieht, nässt,.
aber ohne Röthung der Basis, mit Bildung einer grossen Anzahl von
Bläschen beginnend. Dabei ist die Secretion eine so profuse, dass es den
Leuten über Gesicht und Ohren herunterläuft. Ich möchte die Affection
in Parallele setzen zum Herpes febrilis und sie Herpes capillitii nennen.
Auf rein expectative Behandlung schwindet dieselbe, sowie auch das Ery-
them in wenigen Tagen.
Finger zeigt 2. einen Mann, der seit 2 Jahren über Pruritus in
der Gegend des Mons veneris klagt. Alle sonst für dieses Leiden bekann-
ten ätiologischen Momente fehlen. Zugleich leidet der Kranke — eine
Combination, die ich öfters gesehen habe — an sexueller Neurasthenie, die
seit derselben Zeit besteht ; die Erection fehlt nahezu vollständig, die
Ejaculationen sind präcipitirt, oft schmerzhaft. Die Glans ist anästbetisch,
die ürethralschleimhaut hyperästhetisch. Wir sehen eine solche Neurasthenie
bei Masturbatiten, bei Ehemännern, die den Goitus interruptus üben, bei
Leuten mit Urethritis posterior und Prostatitis. Auch unser Patient hatte
eine Urethritis mit linksseitiger Epididymitis. Das aus der Urethra ausge-
druckte Secret führt reichlich Eiterkörperchen. Dieser mit sexueller Neura-
sthenie verbundene Pruritus ist am häufigsten ein Pruritus analis, seltener
betri£ft er die Gegend des Mons veneris. Die Entstehung desselben hängt
mit der Neurasthenie zusammen, da beide auf dieselbe Behandlung schwin-
den. Eine andere Hauterkrankung, die sich in Verbindung mit sexueller
Neurasthenie findet, ist der Herpes präputialis, der besonders nach sexu-
ellen Acten auftritt. Es existiren also 2 Centren für diese Reizerschei-
nungen, eines in der Prostata, ein zweites im Rückenmark. Oft genügt
es, den Patienten sexuelle Abstinenz zu empfehlen, dabei bessert sich auch
der Pruritus. Mit der Verschlimmerung der Neurasthenie tritt auch der-
selbe wieder auf. Ich halte dieses Krankheitsbild für ein ganz tjrpisches.
Ehrmann. Man sieht eine ganze Reihe von Patienten, die über
scheinbar ganz unmotivirte Schmerzen in der Inguinalgegend klagen; die
Leute leiden an Blenorrhoe, Bubo, beginnenden Hernien. Ein grosser Theil
derselben hat einen Pes planus. Die Schmerzen rühren offenbar davon her.
436 Yerhandlangen
dass die Stellung des Fusses auch die des Beines im Hüftgelenk modificiri
und dadurch wahrscheinlich Zerrungen von Nerven herrorgemfen werden.
Bei vielen findet man Herpes genitalis und zw. immer auf der Seite, wo
das Stützbein ist. £& sind meist Leute, die eine stehende Beschäftigung
haben. Oft findet man auch eine circumscripte Schmerzhaftigkeit auf dem
horizontalen Schambeinast; es handelt sich wohl um eine circumscripte
Entzündung des Periosts.
Spiegier demonstrirt 2. ein 2yjähr. Kind mit einem schön aus-
gebildeten Erythema multiforme. Die Affection besteht seit einigen
Tagen. Daneben besteht ein unvollkommener Wolfsrachen und eine
Hasenscharte.
Kaposi zeigt 8. eine Frau mit Pemphigus. Die Kranke befindet
sich jetzt in einem recht guten Zustand. Aus der Yertheilung und Grösse
der Pigmentflecke erkennt man noch jetzt, dass sie schwer krank war.
Jetzt sind bloss ganz kleine Nachschübe in einzelnen Herden zu sehen.
4. eine Frau mit Pemphigus foliaceus serpiginosus, die vor 12 Tagen
an die Klinik kam mit sehr bedeutender Salivation wegen der Mitaffection
der Mundschleimhaut. Jetzt befindet sich die Kranke in dem Stadium, wo
die Herde mit blättrigen Schuppen bedeckt sind. Während dieselben sich
unter entsprechender Behandlung überhäuten, sieht man über der linken
Tonsille eine scharf begrenzte scheibenförmige nekrotische Masse, nämlich
den Herd einer Blase von Pemphigus foliaceus. Da der Pemphigus oft an
der Schleimhaut beginnt und dort sog^ar Nachschübe zeigt, ohne dass auf
der aUgemeinen Decke Blasen vorhanden sind, so ist wohl manchmal die
Diagrnose schwer, namentlich wenn man die Kranken nicht längere Zeit
beobachten kann.
Neumann zeigt 2. eine 54jähr. Frau mit Liehen planus. An den
Ober- und ünterextremitäten, am Stamme, namentlich an den Lenden, am
Rücken und in der Kreuzbeingegend, an Hand- und Fussrücken, selbst an
der Planta linsengrosse, blassrothe mit centraler Delle und festhaftenden
Schuppen versehene Knötchen, dieselben an den Unterschenkeln und am
Bücken lividrotb, zwischen ihnen namentlich um die Handgelenke zahl-
reiche miliare frische Efflorescenzen. Die Haut des Körpers vielfach
zerkratzt, pigmentirt. Theer - Injectionen mit Solutio Fowleri 4 : 20. An
den Unterschenkeln und namentlich an der Planta hat die Affection ganz
das Aussehen einer Psoriasis syphilitica.
Lang erinnert, dass bis jetzt noch kein Fall vorgestellt wurde, der
eine Combination von Liehen ruber acuminatus und Pityriasis pilaire oder
einen Uebergang des einen Bildes in das andere darbot.
N e u m a n n zeigt 3. eine Kranke, die neben tertiären Erscheinungen
von Syphilis an der Haut noch am Genitale nässende Papeln darbietet.
Eine solche Vereinigung von tertiären mit seoundären Formen findet sich
namentlich bei dyskrasiscken Individuen. Besonders interessant sind die
in Gruppen gestellten Narben am Unterschenkel. Bisher ist die Kranke
noch nicht behandelt.
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 437
4. eine Kranke, die vor einer Woche mit der Diagnose „venerisches
Geschwür" auf die Klinik transferirt wurde. Bei näherer Untersuchung
erwiesen sich die in der Vulva und an der Innenseite der Labien vorhan-
denen Geschwüre als aphthöse; es waren meist linsen- bis silbergroschen-
grosse, theils auch kleinere, scharf umschriebene, mit fest anhaftendem
gelbem Belag versehene Stellen. Das Mädchen ist Yirgo intacta. Solche
aphthöse Geschwüre kommen namentlich in Verbindung mit Aphthen der
Mundschleimhaut vor, zumeist werden Mägde befallen, die auf faulem
Stroh oder Heu schlafen. Wenn die aphthösen Geschwüre zunehmen,
treten Erytheme der Haut auf ad nates, an den Oberschenkeln, ähnlich
dem Erythema papulatum. An der Klinik wurden bis jetzt schon 3
solcher Fälle beobachtet.
Hochsinger fragt, ob N. diese aphthösen Geschwüre für ätiologisch
identisch hält mit der Stomatitis aphthosa der Kinder, der die Affection
sehr ähnlich sieht. Für die erstere hat die Forschung eine Entstehungs-
quelle in den Staphylococcen gefunden.
N e u m a n n. Die Stomatitis aphthosa der Kinder kommt gleichzeitig
mit universellen aphthösen Geschwüren an der Vaginalportion und am
äusseren Genitale vor. Daneben gibt es eine zweite Form bei Erwachsenen
in einzelnen schmerzhaften tiefg^ifenden aphthösen Geschwüren bestehend,
wie sie z. B. in Begleitung von Magencatarrh sich findet. Das letztere ent-
spricht der demonstrirten Affection. In den auf N.'s Klinik beobachteten
Fällen konnte der Staphylococcus aureus gezüchtet werden.
5. zeigt er einen 19jähr. Mann mit Psoriasis universalis, der sich seit
5 Wochen an der Klinik befindet und bis jetzt durch 45 Injectionen von
Solut. fowleri (4 : 20) gebessert ist, dass zahlreiche Efflorescenzen ganz ab-
geflacht sind. Es ist dies bisher der 4. in dieser Weise an N.'s Klinik
behandelte Fall.
Hock demonstrirt zwei Fälle, welche an Arthritis blennorrhoica
metastatica nach Augenblennorrhoe leiden.
Der erste Fall betrifft einen Knaben, welcher am 8. Oct. auf der
L geburtshilflichen Klinik geboren und am 20. Oct., weil mit Ophthalmo-
blennorrhoe beider Augen behaftet, auf die Augenabtbeilung der n.-Ö9terr.
Landes-Findelanstalt aufgenommen wurde. Das Kind befand sich relativ
wohl bis zum 24. Oct., an welchem Tage am linken Sprunggelenke eine
deutlich wahrnehmbare Schwellung auftrat. Eine gleiche Schwellung zeigte
Am 26. Oct. das linke Handgelenk (Umfang n 8'\ Cm.), eine ebensolche
Schwellung, wenn auch etwas im geringeren Grade, das rechte Handgelenk
(umfang zz T'/j Cm.). Am 27. Oct. trat am linken Auge ein Ulcus auf,
das rasch perforirte. In dem Secrete beider Augen zahlreiche Gonococcen.
Am 28. Oct. war die Schwellung des linken Sprunggelenkes bereits so
stark (Umfang links zz 10 Cm., rechts 9 Cm.), dass behufs Vornahme einer
bakteriologischen Untersuchung die Function des Gelenkes vorgenommen
werden konnte. Entleert wurden mittelst steriler Pravaz'schen Spritze eine
kleine Menge serös-eitriger Flüssigkeit. In den davon angefertigten directen
Präparaten zeigten sich zahlreiche typische Gonococcen. Das Culturver-
438 Verhandlungen
fahren, welches auf Serum, Agar und Hamagar vorgenommen wurde, be-
Btätigte gleichfalls das Vorhandensein und zwar das alleinige Vorhandensein
von Gonococcen in dem Gelenksezsudate. Aus dem linken Handgelenke,
welches wohl auch bedeutend geschwellt war, konnte wegen der schweren
Zugänglichkeit der Gelenke kein Exsudat gewonnen werden.
Eine am 30. Oct. wiederholte Function des linken • Sprunggelenkes
hatte dasselbe Resultat zu Folge. /
Der zweite Fall betrifft einen dreiwöchentlichen Knaben, welcher
ebenfalls an Ophthalmoblennorrhoe beider Augen leidet, in deren Secrete
ebenfalls zahlreiche Gonococcen nachgewiesen wurden.
Am 6. Nov. trat unter massiger Fieberbewegung (Temper. 88'2 bis
38'5) eine ganz bedeutende Schwellung des linken Kniegelenkes auf. Um-
fang des linken Kniegelenkes auf der Höhe der Patella betragt 13 Cm.,
rechts 11 Gm. Starke Ausbauchung der Gelenkskuppe. Deutlichste Fluctua-
tion. Deutliches Ballotement der Patella. Bei der noch am selben Tage
vorgenommenen Function konnten circa 2 Gem. einer serÖs-eitrigen Flüssig-
keit gewonnen werden, in welcher ebenfalls sowohl durch die betreffenden
Farbenreactionen als auch culturell (auf Serum -Agar und Harn -Agar)
Gonococcen in reichlichem Masse nachgewiesen wurden. Meiner Ansicht
nach steht es also ausser allem Zweifel, dass es sich hier wieder um Ge-
lenksmetastasen und zwar um rein gonorrhoische Gelenksmetastasen nach
Augenblenorrhoe handelt. Ich hatte seit ungefähr 7 Monaten bei mir Ge-
legenheit, 4 solche Fälle zu beobachten.
In Betreff der zwei ersten Fälle, welche ich beobachtet habe, ver-
weise ich auf den kürzlich in der Wr. klinischen Wochenschrift mitge-
theilten „Beitrag zur Arthritis blennorrhoica metastatica.
Auffallend bei dem ersten dieser 2 Fälle war mir das gänzlich fie-
berlose Auftreten der Gelenksschwellungen, sowie der Umstand, dass mit
Ausnahme der Schwellung des linken Sprunggelenkes, welche noch zur
Zeit besteht, die Anschwellungen der Handgelenke mehr einen ephe-
meren Charakter darboten, eine ganz gleiche Erscheinung, wie es der 2.
von mir bereits publicirte Fall darbot, wo nacheinander Sprunggelenke —
Handgelenke ergriffen wurden, Schwellungen zeigten, die aber ebenso
rasch — als sie entstanden, ohne irgend welche Folgen zu hinterlassen —
wieder verschwanden.
Hochsinger weist auf eine kürzlich erschienene Arbeit hin, wo
unter 100 Fällen 40mal die Gonococcen vermisst wurden. Femer ist in der
letzten Zeit ein Fall von Niehden beschrieben worden, wo ein Kind,
trotzdem es in den intacten Eihäuten geboren wurde, an Blennorrhoe er-
krankte ; im Secrete der Vagina fanden sich keine Gonococcen. Man könnte
demnach sich fragen, ob nicht auch bei den demonstrirten Fällen andere
Mikroorganismen wirksam waren.
Hock. Bezüglich des Befundes von Gonococcen kommt es wesent-
lich auf die Zeit der Untersuchung an, indem dieselben mit dem Alter der
Infection immer seltener werden. Diejenigen Falle, wo man keine Gono-
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 439
coccen fand, beweisen nicht, dass nicht früher Gonococcen vorhan-
den waren.
Finger. An Erwachsenen kennen wir 2 Formen von gonorrhoi-
scher Arthritis, eine Form mit den acuten Erscheinungen einer Pyaemie,
oft mit letalem Ausgang, wo es sich um eine Mischinfection handelt. Da-
neben sehen wir — ich habe in der letzten Zeit 3 Falle gesehen — acut
verlaufende Arthritiden, die sich bei Erwachsenen mit Vorliebe an den
kleinen Gelenken localisiren. Sie setzen acut ein mit massiger schmerz-
hafter Schwellung, darauf folgt bald ein subacntes sehr hartnackiges Sta-
dium, das zur Bildung von Bindegewebe fuhrt (2 von den 3 Fällen).
Diese Bindegewebsbildung kommt dem Gonococcus überall zu, sowohl bei
der Gonorrhoe des Mannes als bei der des Weibes, bei den Adnexener-
krankungen, Peritonitiden.
Wertheim. Sogar in so offen gelegenen (Gebieten wie in der
männlichen Urethra und der Bindehaut finden wir neben den Gonococcen
niemals andere Organismen, ausser zufallig hineingerathene. Ja selbst,
wenn ein Individuum mit chronischer Gonorrhoe eine acute Gonorrhoe
acquirirt, verschwinden mit dem Auftreten der Gonococcen die anderen
Saprophyten, dasselbe sehen wir auch bei der Augenblennorrhoe der Neu-
gebomen. Die Frage der Mischinfection ist ja überhaupt wenigstens für
manche Capitel der Gonorrhoe endgiltig entschieden. Wir haben es gar
nicht nothwendig, auf Mischinfection zu recuriren, da der Gonococcus
allein Bindegewebsbildung hervorrufen kann. Ich habe selbst in dem von
Hock angefertigten Präparate aus dem Secrete der demonstrirten Affection
neben den Gonococcen nicht einen einzigen anderen Mikroorganismus
finden können. Auch in den Culturen wuchsen nur Gonococcen.
Königstein. Es ist zwar sehr interessant, dass von Seiten der
Bindehaut Blennorrhoe derartige eitrige Gelenksentzündungen hervorgerufen
werden, dass es aber bis jetzt nicht gelungen ist, eine ordentliche Impfung
mit gonorrhoischem Virus in der Vorderkammer durchzuführen. Bei einem
solchen Versuch entsteht nach 24 Stunden eine Gerinnung, in der man
gar keine Gonococcen findet. Die dabei entstandene Entzündung schwindet
spätestens in 3 — 4 Tagen. Wenn es verschiedene Arten von Gelenks-
schwellung gibt, eine ephemere und eine länger dauernde, so musste man
auch für die Augenblennorrhoe zweierlei verschiedene Agentien annehmen,
lieber Mischinfection soll damit natürlich kein ürtheil abgegeben sein.
Wertheim. An dem Misslingen der Impfnng in die Vorderkammer
war vielleicht die geringe Virulenz der Culturen oder ein anderer Umstand
Schuld. Bei Impfung auf die Urethra hat W. immer einen prompten
Erfolg constatirt, am 3. Tage war bereits profuse Eitersecretion vorhanden.
Für die Frage der Möglichkeit von Metastasenbildung ist die kürzlich er-
schienene Arbeit von L e y d e n über Endocarditis gonorrhoica von Interesse.
In den Elappenauflagerungen fanden sich ausschliesslich Gonococcen, die
stellenweise ins Gewebe eingedrungen waren, stellenweise intracellular
sich fanden.
440 Verhandlungen
Finger. Wenn wir eine Reincultor überimpfen, so impfen wir die
Ptomaine und die Gonococcen. Erstere sind entschiedene Entzündnngs-
erreger and ihre Wirkimg ist die sofort an die Impfang sich anschlies-
sende Entzündung. Von der Virulenz der Gonococcen hangt es nun ab,
ob auch die letzteren eine Entzündung hervorzurufen im Stande sind.
Ehr mann hat in Proben, die Lymphgefassen entnommen waren,
Gonococcen durch Färbung nachgewiesen. Die Ansicht Neiss er 's, Gono-
coccen könnten nur im Epithel vegetiren, ist bereits umgestossen.
Lang. Dass Gk>nococcen zu Metastasen führen können, ist. zwei^
fellos. L. hat einen diesbezüglichen Fall mit einem Abscess am Hand-
rücken in der Gesellschaft vorgestellt Doch darf man nicht so ohne weitera
die Metastasen bloss auf Gt>nococcen beziehen. Dem Falle L e y d e n's steht
eine sehr genau verfolgte bakteriologische Beobachtung einer uloerösen
Endocarditis von Weichselbaum gegenüber; der Fall endete letaL Bei ge-
nauester Untersuchung fanden sich keine Gonococcen als Ursache der Me-
tastasenbildung.
Wertheim wollte natürlich die Möglichkeit einer Mischinfection
überhaupt nicht leugnen.
Hochsinger möchte nicht die ätiologische Natur der Gelenksaffec-
tion in Bezug auf ihren Zusammenhang mit dem Gonococcus in Frage
stellen. Diese Affection hat eine grosse Aehnlichkeit mit einer andern ein
paarmal von H. bei Kindern beobachteten, die gleichzeitig eine Exulcera-
tion oder Erosion des Kabels darboten. Dabei fanden sich Gelenksmeta-
stasen, deren Eingangspforte für die Infection wohl im Nabel zu suchen
war. Interessant ist es, diese Fälle mit dem von Hock demonstrirten zu
vergleichen, weil jüngst von Epstein die Anregung ergangen ist zu an*
tersuchen, ob nicht die „Blennorrhoe des Nabels'' auf gonorrhoischer Basis
beruhe.
Hautkrankheiten.
(Bedigirt von Prof. Kaposi in Wien.)
Acate nnd chroBische Iiifeetionskraiikheiteii.
h ManiiiBg, M. S. On tfae skin emptions, which ocour in Bepticaemia
following scarlet fever ami diphtheria. The Brit. Med. Joum. 1. April 1893*
2. Ihomson, Hugh. Inooul. of measles. The Brit Med. Joum. 8. April 1898.
3. Giarr6, Gario. Anasarca postmorbilloso. Lo Sperim. An. XLYI. Nr. 21,
' 4. Kennedy, J. M. Report of three cases of scarlet fever with secondary
attades, occurring in one family. Medic« Becord. N. York. 15«April 1893»
5. Cidari, EL üeber Osteomyelitis variolosa. Beitrage zur pathoL Anat.
und zur allg. Pathologie. Ziegler. Bd. Xm.
6. Guarneri, (Huseppe. Ricerche sulla Patogenesi ed Etiologia delP in*
fezione Vaccinica eVaiolosa. Arch.perle scienzemed. Vol. XVI. Nr. 2?.
7. Montgommery, D. W. Gase of lupus of the nose. The St. Loui«
Med. and Surg. Joum. Febr. 1898.
, 8. Beaveii Bake. The value of surgery in leprosy. The St. Louis Med,
and Sui^. Joum. April 1893.
9. Beaven Bake. Yisoeral tubercnloeis in leprosy. The Lanoet. 1. April 1898.
(1) Der Aufsatz Manning's ist seinem Inhalt, nach identisch mit
dem in diesem Archiv bereits referirten (Archiv, XXV. Jahrgang, 1893
p. 602) dass^ben YerfEissers aus der Lancet vom 18. August 1892.
Sternthal.
(2) Thomson hat in 9 Fällen Kinder mit frischem Seram geimpft,
das er aus Bläschen Masemkranker entnahm. Die ersten beiden Fälle
wurden durch die Inocniation anscheinend immun gemacht; bei einem
dritten Kinde, das schon Prodromalerscheinungen aufwies, wurden die
ausbrechenden Masern entschieden gemildert; der Ausschlag war sehr
l^ering, Gomplicationen fehlten, während bei dem erkrankten Schwesterchen
schwerste Masern mit Lungencomplicationen bestanden. Ebenso war es
bei dem 4. Falle. Der & Fall wurde ebenso immunisirt wie der erste und
ArehiT f. DermAtoI. n. Syphll Band XXVI. 30
442 Bericht über die LeiBtangen auf dem Gebiete
zweite. Der 6. Fall muss ausgeschieden werden, da das Kind, als es ge-
impft wurde, schon Masern gehabt hatte. Im 7. und 8. FaU erkrankten
die Kinder trotz der Impfung an regulären Masern; jedenfiedls war hier
das inoculirte Material zu schwach. Der 9, Fall wurde immunisirt.
Sternthal.
(8) Giarre beschreibt einen Fall Yon ausgebreiteten Oedemen der
Haut, die direct im Anschlüsse an Morbillen von heftiger Dysenterie
begleitet, aufgetreten waren. Das 4jährige Kind erkrankte gleichzeitig mit
einem Bruder an Morbillen. Nach vier Tagen war wohl das Exanthem
vollständig ausgebrochen, das Fieber fiel jedoch nicht ab, sondern blieb
continuirlich, wobei das Kind über sehr heftige Kopfschmerzen klagte»
Dabei begann sich eine starke odematöse Anschwellung im Gesichte,
namentlich an den Augenlidern und an den Extremitäten geltend zu
machen, die ziemlich rasch zunahm, sich auch auf den Stamm verbreitete,
wo namentlich der Rücken stark angeschwollen war. Auch die grossen
Labien zeigten eine bedeutende Schwellung. Ausserdem war heftige Dysen-
terie vorhanden. Die zahlreichen Stühle waren flüssig, f5tide riechend,
vermischt mit Schleim und Blut, von graugelber Farben dabei heftiger
Tenesmus, leichter Vorfall der Rectalschleimhaut. Sonst war nichts patho-
logisches zu entdecken ; namentlich keine Affection der Nieren ; der mit
Aem Gatheter entnommene Harn war ganz eiweissfrei; keine Erkrankung
des Herzens; kein Katarrh der Bespirationsorgane. Die Untersuchung des
JBlutes ergab fast normale Verhältnisse.
Die Temperatur war massig, aber constant erhöht. Fast in der
sechsten Krankheitswoche wurde das Fieber remittirend, um im Verlaufe
der nächsten drei Wochen ganz nachzulassen, wobei unter allmäligem
Schwinden der Oedeme das Kind ganz genas.
Zur Zeit der stärksten Oedeme wog das Kind 17'6 Kg., nach 20
Tagen jedoch nur 12*3 Kgp Da Verf. diese Oedeme weder unter die bei
Nephritis oder Herzaffectionen vorkommenden einreihen kann, da durchaus
keine Beziehungen zum Myxödem vorhanden waren, es sich auch nicht als
«angioneurotisches , kachektisches oder rheumatisches Oedem erklären Hess,
glaubt er es für ein essentielles Oedem halten zu müssen, welches in
directem Zusammenhange mit der vorher durohgemachten acuten Infec-
tionskrankheit steht. Spietschka.
(5) Ghiari untersuchte die Knochen von 22 nach Variola Verstor-
benen u. zw. : 5 im Stadium eruptionis, 9 aus dem Stadium suppurationis,
8 Stadium exsiccationis, 2 von Variola peracta.
Es wurde namentlich das Mark der grossen Röhrenknochen, Femur
und Tibia untersucht. In 19 von diesen 22 Fällen fanden sich im Knochen«
marke Erkrankungsherde und zwar Entzündung mit Nekrose ; sie stimmen
also überein mit den Variolaefäorescenzen an Haut und Schleimhaut. Im
Stadium eruptionis noch klein und schwerer zu finden, waren sie inft
Stadium suppurationis und exsiccationis mit Ausnahme eines Falles stets
und bis halberbsengross vorhanden; je weiter die Krankheit vorgesehritten
war, desto mehr trat die Nekrose in den Vordergrund. Eiterung war dabei
der Dermatologie. 443
nie vorhanden. Aus äusseren Gründen konnten nur in wenigen Fällen
auch andere Knochen untersucht werden, jedoch auch in diesen fanden
sich stets Erkrankungsherde vor, so dass angenommen werden muss, das^
die Osteomyelitis variolosa im ganzen Knochensystem verbreitet vor-
kommt und eine ebenso häufige und wahrhaft variolöse Erkrankung ist
wie die von demselben Forscher zuerst gewürdigte Orchitis variolosa.
Spietschka.
(6) Guarneri beobachtete in Schnittpraparaten von Variolapusteln,
die dem Cadaver entnommen waren, in den Epithelzellen der Haut kleine
Körperchen, die er in Folge seiner weiteren Untersuchungen für einen
Parasiten hält. Diese Körperchen, die sich mit den gewöhnlichen Färbe-
mitteln gut färben, liegen in einer Aushöhlung des Protoplasmas der
Epithelzelle, gewöhnlich einzeln, selten zu zweien oder mehreren. Meist finden
sie sich in einer bestimmten Entfernung vom Kerne der Zelle, der dann
flach und nach dem andern Pole der Zelle gedrängt ist. Sehr selten liegen
sie dem Zellkerne an, welcher dann oft eine Einbuchtung zeigt, welche
dem Körperchen entspricht, woraus Verf. auf eine grössere Gonsistenz
dieser Körperehen schliesst. Sehr selten sind sie in einer Höhle oder
Nische des Kernes selbst eingebettet. Am deutlichsten sind sie an den
beginnenden Efflorescenzen im Stadium papulosum zu beobachten. Hier
finden sich im Centrum des Erkrankungsherdes die grössten Körperchei^
vor, während sie i>eripherwärtB immer kleiner werden, was Verf. dadurch
erklären zu können glaubt, dass sie sich in verschiedenen Entwicklungs-
stadien befinden. Ist bereits Pustelbildung eingetreteu, so sind die Kör-
perchen im Centrum, wo der Zerfall sich vorfindet, nur sehr schwer
nachweisbar, dagegen sind sie in den peripheren Theilen, die sich ge-
wissermassen im präpnstulären Stadium befinden, wohl vorhanden.
Aehnliche Befunde geben die Efflorescenzen an den Schleimhäuten^
Femer konnten in den Efflorescenzen, die durch Impfung mit Vaccine
hervorgerufen worden waren, ganz ähnliche Körperchen nachgewiesen
werden. Die verschiedensten Culturversuche fielen vollkommen negativ au9
(entsprechend dem Malariaplasmodium).
Um diese Körperchen im lebenden Zustande beobachten zu können,
impfte Yerf. Vaccine wie auch Variolapustel-Inhalt unter das Epithel der
Cornea des Kaninchenauges.
Die dadurch hervorgebrachten Efflorescenzen wurden in den ver-
schiedensten Stadien ihrer Entwicklung durch einen ganz flachen Schnitt
mit dem Rasirmesser abgetragen und in der mit der Thränenflüssigkeit
des KaninchoDS gefüllten Kammer am erwärmbaren Objecttisch beobachtet.
Hier zeigten sich die Körperchen, die ein starkes Lichtbrechungs-
vermögen besitzen, in gleicher Weise gelagert, wie in den gehärteten Prä-
paraten, jedoch konnten hier deutlich amöboide Bewegungen an denselben
beobachtet werden, die etwas langsamer stattfinden als die der Malaria
Amoebe im Blute. Bei genauester Beobachtung mit den stärksten Ver-
grösserungen konnte an diesen Körperchen eine Zellmembran, ein Zelleib
und ein Zellkern nachgewiesen werden. Femer konnte Verf. Bilder be-
30*
444 Bericht über die Leistangen anf dem Gebiete
obachten, die eine Vermehrung durch Caryokinese (indirecte Zelltheilung)
tmd eine durch Gimnosporen (Sporenbildung) annehmen hissen. Nach allen
diesen Beobachtungen glaubt Yerf. diese amöbenartigen Eörperchen in
einen causalen Zusammenhang mit den Veränderungen der Haut, wie sie
bei Bildung der Variola- und Vaccineefflorescenzen statthaben, bringen
zu können. So entstehe die Aushöhlung des Zellprotoplasmas, in welcher
die Parasiten liegen, dadurch, dass ihm dasMateriale der Zelle als Nahrung
gedient hat etc. Verf. gibt zum Schlüsse diesen Körperchen, in welchen
er den Infectionstrager der Variola und Vaccine gefunden zu haben
glaubt, den Namen Gitorydes seil. Variolae oder Vaccinae.
Spietschka.
(7) Montgommery theilt einen Fall von Lupus des rechten Nasen-
Bügels mit, der insofeme Interesse verdient, als er der Diagnose grosse
Schwierigkeiten machte. Der Patient war 42 Jahre alt, hatte vor 16 Jahren
ein Geschwür hinter der Corona glandis und bemerkte vor 4 Monaten 2
Bläschen am rechten Nasenflügel, die sich rasch in Oeschwürchen mit
steilen, wie mit dem Locheisen herausgeschlagenen Rändern und mit
schmutzig-grauem Grunde verwandelten. Patient wurde erfolglos antisyphi-
litisch behandelt, vielmehr unterminirten die Geschwüre die zwischen
ihnen gelegene Haut. Als diese Hauptbrücke excidirt war, zeigte sie
mikroskopisch ein deutliches Hineinwuchem des Epithels in die Tiefe.
Trotz gesteigerter Jodkalidosis (bis 120 Gr. pro die) brach das C^chwür
die Nasenhöhle durch, worauf ein dreieckiges Stück mit der kranken Stelle
herausgeschnitten wurde. Mikroskopisch fand sich dasselbe wie bei der
I^beexcision : epitheliale Infiltration, die sich von der bei Epithelien
nicht unterscheiden liess, und ausserdem diffuse, entzündliche Infiltration
des Bindegewebes, wie es ebenfalls oft bei Krebs vorkommt. Acht Wochen,
nachdem der Patient sich zuerst gezeigt hatte, erschien auf der Narbe ein
Schorf, und als dieser abgehoben war, lagen 2 Geschwüre darunter, die
genau wie die früheren aussahen. Diesmal wurde ein grösseres Stück Ge-
webe entfernt. Bei der mikroskopischen Untersuchung desselben fanden
sich Tuberkel und Langhans'sche Riesenzellen. Verf. macht darauf aufinerk-
sam, dass dieser Fall zur Illustration der Angabe verschiedener Pathologen
dient (Klebs, Gouncilman, Karg), dass bei Granulomen, besonders Lupus
die Epithelzellen oft in das unterliegende Bindegewebe hineinwuchem, so
dass an einigen Stellen histologisch der Process genau einem Epithe-
liom gleicht. Karg hat jüngst wieder einen solchen Fall veröffentlicht.
Sternthal.
(8)BeavenRake bemerkt, dass die Tfaatsache, dass wir der Lepra
gegenüber therapeutisch machtlos sind, leicht dazu veranlassen kann,
manche Massregeln zu vernachlässigen, die den Leidenden Erleichterung
verschaffen könnte. In der palliativen Behandlung der Lepra leistet die
Chirurgie weit mehr als die interne Medicin, soll deshalb auch ausgiebig
benutzt werden. Wenn man a priori glauben sollte, dass bei einer so er-
schöpfenden, verheerenden Krankheit wie Lepra Wunden langsam und
nu vollkommen heilten und dass es zu einer chronischen Eiterung kommen
der Dermatologie, 445
müsste, 80 lehrt die Erfahrimg, dass Incisionen bei Leprösen mit erstaun-
licher Geschwindigkeit und mit fester Narbe heilen ; ja die Heilung scheint
sogar bei ihnen schneller als bei Gtesunden zu erfolgen, was wahrscheinlich
auf der schnelleren Gerinnung des Blutes beruht, dessen Procentgehalt an
Fibrin gesteigert ist. Verf. hat nun im Lepra-Asyl auf Trinidad innerhalb
6 Jahren 1996 Operationen ausgefohrt, von denen er eine Tabelle gibt.
Die meisten Operationen wurden bei anästhetischer Lepra unternommen
und zwar 1487 bei männlichen und 88 bei weiblichen Kranken mit an-
ästhetischer Lepra. Von tuberöser Lepra wurden nur 83 Männer und
26 Weiber, von gemischter 800 Männer und 10 Weiber operirt. Die Frauen
sind an den Operationen mit insgesamt nur 124 Fällen betheilig^t, obwohl
deren Zahl entsprechend dem Procentverhältniss (V« sämmtlicher Spitals-
insassen sind Frauen) 500 sein müsste. Diese geringe Zahl wird erklärt
durch die Thatsache, dass die Frauen weniger schwere Arbeit ausserhalb
des Asyls verrichten als die Männer. Bei diesen Arbeiten (es sind Garten-
ond Feldarbeiten) werden Finger und Hände häufig mit den Arbeitsge-
räthschaften verletzt und dadurch Geschwüre, Abscesse, Knochennecrosen
etc. hervorgerufen. Verf, bespricht nun die einzelnen Operationen, ztmächst
die Amputationen, legt die Gründe dar, weswegen sie ausgeführt wurden
nnd zeigt, dass sie meist lebensverlängemd wirkten. — Nervendeh-
nungen wurden llSmal ausgeführt. Malum perforans pedis heilte häufig
nach Dehnung des Ischiadicus in wenigen Tagen, brach allerdings auch
wohl wieder auf. Intensive Schmerzen, wegen deren die Patienten Ampu-
tation verlangten, wurden 9mal durch Nervendehnung zum Verschwinden
gebracht. In 2 Fällen, in denen der Schmerz nach 4 Monaten resp. 1 Jahr
wiederkehrte, wurde der Nerv, popliteus ext mit gutem Erfolge gedehnt.
In 33 von 100 Fällen wurde wegen Anästhesie gedehnt, jedoch ohne
£rfolg; ebenso ohne Erfolg in 18 Fällen, um zu sehen, ob die Dehnung,
auf die lepröse Infiltration der Haut von Einfluss wäre. Die Resultat»
der Dehnungen lassen sich folgendermassen wiedergeben: 1. In 47 von 100
Fällen wurde grössere oder geringere Besserung erzielt. 2. Der freigelegte
Nerv wurde in 48 Fällen verdickt gefunden. 3. Hauptindicationen für die
Operation sind Ulcus perforans, einige Fälle von Necrosis und der mit
Ulcus perforans resp. mit peripherer Neuritis verbundene Schmerz. 4. Der
Nerv, ischiadicus ist am geeignetsten für die Dehnung, da er den Spinal-
ganglien näher ist. (Victor H o r s 1 e y hat gezeigt, dass wenn das Lenden-
mark im todten Körper freigelegt ist und der Isohiadicus gedehnt wird,
sich die Wirkung der Dehnung bis zum Sacralplexus beobachten lässt. Die
Nervenwurzeln werden nach abwärts gezogen und so das Lendenmark
erschüttert. Die Besserungen nach der Dehnung sollen auf Veränderungen
in den Spinalganglien beruhen, die durch diese Vorgänge zu Stande kom-
men.) Verf. gibt nun Krankengeschichten, um die Erfolge der Dehnungen
anschaulicher zu machen. — 630mal wurden todte Knochen oder Knorpel
entfernt. Gresohwüre und Buchten heilen schnell nach Entfernung todter
Knoehen. Excision von Knoten gibt oft ermuthigende Erfolge, später er-
scheinen Recidive, die neue Operationen nöthig machen. Die Entfernung
446 Bericht über die Leistungen aof dem Gebiete
von Knoten der Gonjunctiva ist unbefriedigend, da die Cornea gewöhnlich
zeitig mit ergriffen ist und Yollständige Exstirpation der Masse unmöglich
st . Wuchernde Granulationen wurden 15mal entfernt. Papillom vom Fusse
wurde Imal entfernt. Taw wurde zweimal operativ behandelt, die Knoten
ezcidirt und Hg. und K.-J. interne gegeben. Ligaturen wurden 5mal ge-
macht, um Knoten der Gonjunctiva im Wachsthum zu hemmen ; vergeblich,
da sich bald Collateralcirculation einstellte. Incisionen wurden 1016 ge-
macht. Bei der ersten Indication von Necrose an leprösen Extremitäten
incidirt Verf. bis auf den Knochen; seiner üeberzaugung nach wird da-
durch sehr wirksam Gangran oder difiuse Suppuration verhindert. 24mal
wurde das Ulcus perforans nach folgender Methode mit gutem Resultat
behandelt: Ein Bistouri wurde von der Sohle bis zum Fussrücken durch-
geführt und alle Gewebe nach vom zu durchschnitten, so dass das Bistouri
zwischen den Zehen herausgezogen wurde. Liegt das Geschwür zuiallig
einer Seite des Fusses näher, so wird das Bistouri seitlich durchgezogen.
Die so entstehende klaffende Wunde wird mit Borlint ausgestopft und
dann lässt man sie vom Grunde aus granuliren. Die Blutung ist gewöhnlich
unbedeutend. Ein Patient wurde wegen tuberculöser Lepra des Larynx
tracheotomirt. Eine Hemiotomie wegen eines eingeklemmten Leisten-
bruches bei einem schon 32 Jahre an Lepra anaesth. Erkrankten heilte
mit fester Narbe in 22 Tagen. Cataract wurde ömal operirt. Lridec-
tomie wurde ebenfalls ausgeführt. Eingestreute Krankengeschichten illu-
striren den Nutzen des chirurgischen Eingreifens bei Lepra.
Sternthal.
(9) Beaven Rake hat experimentell die Frage geprüft, ob die bei
Sectionen häufig in den Eingeweiden gefundenen Tuberkel, die oft in den
Lungen zu grossen Höhlen einschmelzen, und ebenso ob die käsigen Bron-
chial- und Mesenterialdrüsen Producte der Lepra oder der Tuberculose
wären. Er kommt auf Grund von Impfversuchen zu dem Schlüsse, dass
diese visceralen Knoten und die Drusen tuberculose und nicht lepröse
wären. Er glaubt auch, dass es möglich wäre, dass Lepra und Tuberculose
durch denselben Bacillus veranlasst wären; doch ist dies noch nicht
bewiesen. Sternthal.
Erythematöse, ekzematöse, squamöse Ent*
zflndongsprocesse.
1. Fisher, Theodore. Erythema of the face of butterfly distribution. The
Lancet. 7. Jan. 1893.
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0. V. Schroen. 1890.
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8. Boeek, C. Fortgesetzte Beobachtungen einzelner seltenerer Hautkrank-
heiten in Norwegen. 1. Herpes s. dermatitis gestationis, 2. Hydroa
vacciniforme, Bazin und eine noch nicht beschriebene vesiculöse Krank-
heit; 3. Dermatitis herpetiformis circumscripta s. circinata. Norsk.
Mag. for Laegevidenskoben 18989 P« ^^^ — ^^^»
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; Giomale ital. delle maL vener. e della pelle. XXVHL Tesc. L
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11. Wertheimber. Zur Behandlung der Verbrennung im Kindesalter.
Mnnchener medic. Wochenschr. 1892. Nr. 81, p. 6^7.
12. Ilo§9i. Ricerche anatomo-patologiehe sul Pemfigo« Istituto di Ana-
tomia patoL della R« universita di Napoli diretto dal Pro! 0. von
Schrdn. 1890.
13. Sberwood-Bunn, B. Pemphigus with polymorphus erythema. Medic.
Reeord. N. York. 18. März 1898.
.14. Witthauer, K« Die therapeutische Yerwerthung des Hydrargyrum
sozojodolicum. Münch. medic. Wochenschr. 1892, Nr. 84, p. 602.
(2) Die bisher in der Literatur bekannten Fälle von Arzneiexan-
themen vermehrt Lanz durch eine von ihm gemachte Beobachtung von
Dermatitis medicamentosa diffusa ex usu opü. Die Diagnose konnte mit
absoluter Sicherheit gestellt werden. Das Exanthem wurde zweimal durch
pulv. Doveri (das erste Mal war die Dosis unbekannt, das andere Mal
betrug sie 6 Gran), einmal durch gtt« Y tinct. opii simpL hervorgerufen.
Das erste Mal brach das Exanthem nach 8 Stunden, das zweite, und dritte
]Aal nach je 7 Stunden unter Temperaturst^igerung bis auf .88*3' beim
fweiten und 38-0' beim dritten Mal auf. Das erste Mal war die Temper.
nicht gemessen worden. Das Erscheinen des Ausschlages wurde jedes
Mal begleitet von wiederholten Schüttelfrösten, auf welche Hitzegefuhl,
Kopfschmerzen vorzüglich in der Stirn und in d^n Schläfen und Gefühl
von Brennen und Ziehen in der Haut folgten. Ausserdem wurden Fehlen
4e8 Appetits, vermehrter Durst, Trockenheit im Munde und belegte Zunge
^onstatirt. Was die Art des * Ausschlages anbetrifft, so begann derselbe
mit Röthung und Schwellung der Hant vom Kopf und erstreckte sich bis
zu, den Fussspitzen. In Folge der Anschwellung waren die normalerweise
vorhandenen Furchen verstrichen und die Haut war gespannt. Am 2.
Tage begann sich die Epidermis in Lamellen, an Händen und Füssen^
448 Beriebt über die Xeistnngrä anf dem Gebiete
sogar in toto ia, Form von Handschnben und Pantoffeln absnstosMn.
Gleichzeitig mit der Hantentzündong konnte aucb im besproehenen Falle
eine Mitbetbeilignng der Sobleimhant constatirt werden, und zwar be«
obaehtete Terf. eine Hyperamie der Schleimhaut des Mnndes und des
Rachens. A. Lana.
(3) RoBsi bringt nach einer kurzen Betrachtang der Literatur über
die Histologie des Eczema squamosum, in welcher er nnr Oberflilohlieh-
keit und Widersprüche finden zu können glaubt, seine eigenen histolo-
gischen Untersuchungen, die er an der schon seit langer Zeit in Alkohol
aufbewahrten Haut eines einzigen Falles vorgenommen hat. Neben der
Vergrösserong der Papillen, der feuchten Darchtrfinkung und Infiltration
des Bindegewebes gibt er als wichtigsten Befund den Mangel einer Aus-
dehnung der Geftsse an, welche im Vergleiche zu den stark ausgedehnten
Lymphraumen normal oder fast verengt aussehen. Die Schweissdrüsen
zeigen keine Yer&nderung, das Rete Malpighi hyperplastiseh, besonders
die Zapfen, desgleichen das Stratum granulosum reich an Eleidin, das
Stratum comeum auf das lOftAche verdickt. Zuletzt wird auf 6^nd dieser
Beobachtungen eine kurze Erklärung der pathologischen Vorgänge in
den verschiedenen Stadien des chronischen Ekzemes- und seines ganzen
Verlaufes gegeben. Spietschka.
(4) Nach Dyer kommen „Reflexekzeme'' bei Kindern häufiger vor
und sind sehr widerspenstig gegen die Behandlung. Die Erkrankung
befallt hauptsächlich die Extremitäten und zwar die Streckseiten.
Die Uebergänge von Haut und Schleimhaut werden im Gegensatz zum
gewöhnlichen Ekzem nie ergriffen. Die Erkrankung beginnt mit rothen,
scharfrandigen Flecken, die symmetrisch gestaltet und localisirt sind.
Die Flecke vergrössem sich langsam, schuppen und nassen bisweilen.
Durch £ratzen, Waschen und andere Reize wird der Process gesteigert.
Diese £3czeme hängen immer von anderen Störungen direct ab und ver-
schwinden mit deren Beseitigung und kehren wieder, wenn diese Stö*
rungen Rückialle machen. In ihren Symptomen ähneln diese Ekzema
anderen neurotischen Typen von Hauterkrankungen, besonders den Ery**
i^emen. Verf. gibt mehrere Beispiele, bei denen die Ekzeme erst ver-
schwanden, nachdem die Grundursache z. B. Asthma oder adhärentea
Präputium, beseitigt war. Ichthyol, Borsalben etc. erweisen sich
wirksam, wofern nur die Reflex erregende Hauplkrankheit beseitigt wird«
SternthaL
(5) Petrilli berichtet über seine Erfolge, die er bei der An-
wendung des Schwefel. Zinkhydrates (ZnS, H^O) namentlich bei Ek-
zemen erzielt hatte; sowohl bei äusserlicher, wie bei interner Verab«
reiohnng waren die Erfolge sehr gut, und es gelangten recht hartnäekigv
Fälle zur Heilung. Die Versuche über die Resorption des JkCttels iny
Organismus und über dessen Elimination blieben resultatlos.
Spietschka.
(6)' Ein 36jähriger Mann erhielt von Robinson eine Mixtur, dSe
er Smal täglich nehmen sollte, bestdiend aus 10 Gr. Ammoniumehleric^
der Dermatologie. 449.
1 Gr. Jodkali tmd 1 Drachme Rhabarberinftis. Nach 6 Doeen trat Heizung
dar Angen, der Nase imd der Kehle ein. Naeh 6 Tagen er&ohien ein
Anasehlag anf den Armen, am 7. Tage war er über die Extremit&ten
mit Ausnahme der Hände verbreitet. Der Aossohlag bestand ans unrogel-
mästig gestalteten Blntextravasaten. Jucken oder Schmerzen fehlten« Verf.
weist auf die Gefahren hin, die Jodkali bei solchen Kranken erzeugt, die
eine Jodidiosynkrasie haben. Sternthal.
(7) Im Ansohluss an seine im Jahre 1888 in derselben Zeitschrift
mitgeiheilten Beobachtungen seltener Hautkrankheiten in Norwegen theilt
Boeok mit, dass er die Absicht habe, seine Beobachtungen einzelner
iresioo-bullöser Hautkrankheiten darzulegen, worüber die medicinische
Literatur des Landes noch nichts enthält, und beginnt mit Dermatitis
herpetiformis (Duhring). Boeok betrachtet diese Krankheit nicht
als selten und erwähnt 16 Fälle. Indem er Töllig einräumt, dass es sehr
schwierig, die mannigfachen Formen und Variationen der vesico-bullosen
Krankheiten zu einer begrenzten Anzahl klinischer Bilder zu sammeln,
erkennt Boeck den von Duhring aufgestellten Krankheitsbegriff, wie
solcher jetzt aufgefasst wird, als yoUkommen berechtigt und natürlich
zusammengehörige Formen umfassend an. Nachdem die Auffassung der
Krankheit von Seiten verschiedener, besonders französischer Verfasser
sowie die abweisende Haltung der Wiener Schule (mit Ausnahme von H.'
V. Hebra) erwähnt worden, werden die far die Krankheit charakteri«
»tischen Symptome besprochen.
Nach mehr oder weniger heftigem Jucken erscheint ein in hohem
Grade symmetrischer Ausschlag mit polymorphen Primär-Efflo-
resoenzen: erythematösen Flecken, Papeln, Vesikeln und Bullen, zuweilen
mit ringförmiger Anordnung. Auch Pusteln gehören mit zum Krankheits-
begriff.
An secundären Veränderungen auf der Haut kommen vor: Krusten
md Schuppen, hyperämische und pigmentirte Flecke, oft Kratzwunden
und Furunkeln als eine Folge von Infection mit Bakterien. Affection der
Schleimhäute ist von B. nicht beobachtet.
Der Verlauf der Krankheit äusserst chronisch, aber das All*
gemeinbefinden ist auffallend gut im Vergleich zu der steten
Unruhe, welche wesentlich durch das Jucken hervorgerufen.
Von Gomplicationen beobachtete B. Zucker und Eiweiss im Urin und
in. einem einzelnen Falle Endocarditis.
Die ersten Fälle wurden lange vor Duhring 's Beschreibung der
Krankheit beobachtet und unter der Bezeichnung „Hydrorrhoea" auf«
geführt.
Der Verf. macht aufmerksam auf die merkwürdige Vorliebe der
Krankheit für einzelne Regionen der Haut. Die Haut um die Gelenke
herum, besonders um Ellbogen* und Kniegelenk ist oft angegriffen. Auch
die Begion um die Axilla heram. Vom Ellbogen erstreckt sich di<) Krank«
heit häufig längs dem obersten Theil der Ulna. Dann kommt als die
am häufigsten angegriffene Localität die Sacralregion und eine kleine be«*
450 Bericht über die Leistungen anf dem Gebiete
grenzte Partie meistens om den obersten Theil von der Rima inter nä
hemm. Die Scapnlirregion und der Hals bis an den Haarrand, sowie das
GFesieht werden angegriffen« Fast das ganze Hantsystem kann der Sitz
för die Krankheit sein^ doch nach B.'s Erfahrung sind die obengenannten
Stellen die am häufigsten angegriffenen. Hand- und Fusssohlen hat B.
niemals angegriffen gesehen.
Es wird besonderes Gewicht auf die „verticaleCorrespondenz^
des Ausschlages gelegt.
Das Nervensystem scheint eine hervorragende Rolle bei der
Pathogenese zu spielen. Die Fälle recrutiren sich aus allen Alters-
olassen, meistens Männer. Von den 16 Fällen waren 11 Männer and 6
Frauen. Der Sommer scheint zum Ausbruch disponirt zu haben«
Ein paar Fälle sind sicher geheilt, aber das weitere Schicksal der
meisten Patienten konnte nicht weiter verfolgt werden, da sie sich nur
wenige Male zeigten.
Von inneren Mitteln sind mit verschiedenem Nutzen angewandt:
Arsenik, Thran, Eisen, Bromchinin, Antifebrin.
Local besonders: Thiol 1 Theil auf 8~-6 Theile Wasser, 1— 3mal
täglich auf die kranken Stellen gepinselt.
Thumenol nicht so wirksam, zeigte sich jedoch in einem Falle
wirksamer als ThioL Milde Salben und das Jucken stillende Waschungen
wurden oft gebraucht. Einfache lauwarme Wannenbäder, 2 — 8 Mal wö-
chentlich, während Vorsicht mit medicamentÖsen Bädern angerathen wird.
Eref ting.
(8) a) Ton Herpes s. Dermatitis gestationis beschreibt
Boeck einen wohl charakterisirten Fall bei einer 28jährigen Dame,
welche nach der Niederkunft (2. Schwangerschaft) auf den Handflächen
und Fusssohlen einen Ausbruch von Yesikeln bekam, die heftig juckten.
Im 5. Monat der dritten Schwangerschaft trat die Affection wieder
auf und dauerte bis 8 Wochen nach der Niederkunft. . Die Patientin
fand sich zum ersten Male bei B. ein, 5 Wochen nach Beginn der
Krankheit. Das Exanthem bestand aus Yesikeln, grösseren Bullen, im
Uebrigen auch aus Papeln und erythematösen Plaques. Es war genau
symmetrisch sowohl anf den oberen als unteren Extremitäten sowie auf
dem Truncus. Während der folgenden vierten Schwangerschaft ein leichter
Ausbruch an den Beugeflächen des Unterarmes.
Während der 5. und letzten Schwangerschaft fingen die Ausbruche
bereits im 2. und 8. Monat an sich einzufinden und dauerten bis 4 oder
5 Monate nach der Niederkunft. Die Affection war dieses Mal ziemlich
heftig und schmerzhaft und die Blasen waren dieses Mal vom 8. Monat
der Schwangerschaft bis zum Aufhören der Ausbruche purulente, welches
früher nicht der Fall gewesen war.
b) Hydroa vacciniforme, B^jsin. Diese seltene, aber in-
teressante Krankheit, die zum ersten Male in den 60er Jahren von Bazin
beschrieben worden, ist seitdem vernachlässigt und vergessen worden, bis
Jonathan Hutchinson in den letzten Jahren zu wiederholten Malen
der Dermatologie. 451
die Aufmerksamkeit auf diese Affeotion gelenkt hat unter dem Namen«
„Summer eruption.''
Boeck theilt 8 Fälle mit, die ausföhrlicher in diesem Archiv be^
sprochen werden.
e) Dermatitis herpetiformis circumscripta s. cir-
c i n o s a.
Unter diesem Namen beschreibt der Verfasser 2 Fälle einer ge-
linderen vesiculösen Hautkrankheit von einem bisher noch nicht be-
schriebenen Typus.
Beim ersten Fall (einer Frau von 80 Jahren) beobachtet man auf
beiden Handrücken eine cirkelrunde Plaque von der Grösse einer Einder-
hand, welche eine hyperämische, etwas infiltrirte, theils sich abschälende,
theils: nässende Mittelpartie zeigt, welche von einer mit zahlreichen
klaren Yesikeln von der Grösse einer Nadelspitze bis zur Grösse eines
Hanikomes, kranzförmig besetzten Randzone umgeben wird. Aehnlichei
aber nur haselnussgrosse Plaques sieht man auf der ersten Phalanx an
mehreren Fingern. Die Krankheit ist von sehr heftigem Jucken begleitet
und daher dem Kranken sehr beschwerlich. Die Affectipn äusserte sich
zuerst vor ungefähr 10 Jahren und kam seitdem jeden Winter wieder.
Im anderen Falle (Mann von 23 Jahren), weit weniger charak-
teristisch, waren in den letzten Wintern ähnliche Plaques gekommen,
besonders auf der Badialseite des rechten Handgelenkes.
Krefting.
(9)Mantegazza excidirte 10 Psoriasiskranken kleine Hautstückchen,
um die Krankheit in ihren verschiedenen Formen und Stadien einer
genauen histologischen Untersuchung unterziehen zu können. Er erhielt
dabei folgende Befunde: Stratum comeum bei heftigen Processen oft ab-
gängig, sonst verdickt, aus Lamellen bestehend, in denen die mit
Carmin gut förbbaren Kerne sichtbar sind. Nur bei frischen, rapid sich
entwickelnden Pseudopapeln findet man im Stratum com. kleine Rund-
zellennester, an jenen Stellen, wo im Rete Malpighi und Stratum papilläre
Anhäufung Von Wanderzellen vorliegt. Strat. lucid. oft gar nicht, oft gut
zu unterscheiden. Im Strat. granuL schwinden gegen das kranke Gewebe
hin wie mit einem Schlage die Keratohyalinkeme oder sie werden sehr
klein und spärlich, zerstreut, nur in einer Zellreihe vorhanden. Dagegen findet
man in den Zellzapfen zwischen den Papillen, namentlich wo sie sich sehr
in die Tiefe erstrecken, das Keratohyalin in grossen Tropfen innerhalb
des Protoplasmas einzelner Zellen. Im Strat. spin. bemerkt man im
weiteren Verlaufe schwererer Formen namentlich in den höheren Lagen
9
eine Aufhellung des Protoplasmas um den Zellkern herum, dieser wird
kleiner, an die Seite gedrückt, bis die ZeUe zu einem cystischen Element
gewordexi ist (hydropische Degeneration) ; öfter als gewöhnlich findet man
Zellen in trüber SchweUung. Die Auswanderung von Leukocyten in das
Stratum der Cylinderzellen findet entsprechend dem Processe in der
Epidermis, nicht aber entsprechend der Infiltration im Derma statt. Die
Zahl der Zellen vermehrt, ihre Lagerung unregelmässig. Oft, bei dunkler
452 Bericht über die LeistuDgen anf dem Gebiete
Pigmentinmg der Haut Pigmentinangel an den erkrankten SteUen. Yerf,
nimmt an, dass die Depigmentation nach Abheilung der Psoriasiaherde
nach Chrysarobinbehandlong keine specielle Wii^ung des Ghrysarobins
sei, sondern auf der eigenen Stmctur der psoriatischen Flecke beruhe.
Die Infiltration im Dermay dessen Capillaren erweitert sind, entspricht
nicht den Veränderungen in der Epidermis, sondern findet nur dann in
stärkerem Masse statt, wenn gewisse Teranhissende Momente vorhanden
sind. Nirgends Mastzellen, mit der Weigert^schen Färbung nirgends Fibrin
nachzuweisen. Die Vermehrung der Karyokineaen der Kerne in den Zapfen
und die Erweiterung der Bindegewebsmaschen in den Papillen lassen an-
nehmen, dass bei der Vergrösserung der Papillen die EpitheljseUen activ
seien. Die Hautdrüsen zeigen keine Besonderheiten.
Die Resultate dieser Untersuchungen veranlassen den Verfiuser, den
Charakter der Krankheit als Ernährungsstörung aufzufassen, bestehend aus
einer gesteigerten Vermehrung der Epidermiszellen und begleitet von einer
vorzeitigen Degeneration. Wenn auch Parasiten (Hyphomyceten oder Ba-
kterien) nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden können, so
sei es doch im höchsten Orade wahrscheinlich, dass sie nicht die Ursache
der Krankheit seien. Aus der Betrachtung der Krankheit, ihrem Auftreten^
der Heredität, den Begleiterscheinungen nervöser Natur gehe vielmehr
hervor, dass man sein Augenmerk auf das periphere Nervensystem richten
müsse. Die Untersuchungen des Autors in dieser Richtung sind jedoch
resultatlos geblieben. • Spietschka.
(10) D. van Haren Noman berichtet über vier von ihm wahrge-
nommenen Fälle dieser merkwürdigen, selten vorkommenden Hautaffec-
tion. Die wichtigsten klinischen Symptome, welche in mehr oder minderem ' * i '
Grade bei allen Fällen gefunden werden, sind: T^ ^JOu^^^-''^''^ ^^^^/j^t ^^ii^r^v-/
' I
Im Anfange der Krankheit leichte Abschuppung des behaarten
Kopfes, welche später in starke Schuppenmassen übergeht. Röthe der
Haut, welche an einzelnen Stellen diffus, an anderen in stark markirten
Flecken auftritt; in leichter Infiltration und gefolgt von einem Stadium
squamoBum, wobei trockene Haut und minimaler Juckreiz.
Die Haut der Volae und Plantae ist roth und belegt mit festen
Hommassen, welche durch schmerzhafte Risse und Rhagaden unterbrochea
waren und zuweilen die Bewegung der Finger erschwerten. Die Haarfol-
likel der rothen Hautpartien überragen mehr oder weniger das Niveau der
Haut und aus ihren klaffenden Oeffnungen stecken kleine Homkegel und
Schüppchen, welche in der Mitte von einem Lanugohaar durchbohrt sind,
nach aussen ; die Homkegel, welche ziemlich hart und trocken sind, bieten
der Haut das Gefühl eines scharfen Reibeisens, sitzen sehr fest in den
Haarbälgen und und zuweilen so dick, dass sie Rhagaden bilden.
Anf den Narben der Vaccine werden keine Efflorescensen gefunden ;
weil hier alle Haarfollikel verschwunden sind, so ergibt sich aus dieser
Thatsaeha, wie sehr das Entstehen von Kegeln und kleinen Papeln an di«
Anwesenheit unverletzter Haarfollikel gebunden ist
der Dermatologie* 453
Die Efflorescenzen treten nicht immer an denselben Hantpartien
am stärksten hervor; znweilen confloiren die Kegel and bilden Schuppen,
in einem Fall besteht im Gesicht eine vermehrte Sebumanssoheidung,
^odnrch die Schuppen eine mehr fettige, schmutzig-grane Farbe be-
Icommen.
Yerf. betrachtet als das Prim&re, das Entstehen der Epithelstacheln,
deren unmittelbare Umgebung sich ein wenig aufhebt und also eectmdär
ein röthliches oder rothes Knötchen bildet.
Die Lymphdrüsen sind in einigen Fällen hier und dort aufge-
trieben, nicht schmerzhaft und nicht adhärent.
Ansser minimalem Juckreiz und geringem Schmerz bei Bewegung,
wenn sich Rhagaden gebildet haben, haben die Kranken keine subjectiven
Beschwerden, auch an den inneren Organen ist nichts Pathologisches
nachzuweisen.
Recidiven zeigten im Allgemeinen dieselben klinischen Symptome
wie frflhere Eruptionen.
Die Anwendung macerirender Salbverbände und innerlicher Arsenik-
gaben in steigender Dosirung war in den meisten Fällen im Stande,
im Laufe einziger Monato die Haut zur definitiven Abheilung zu bringen,
tiber konnte vor Recidiven nicht behüten.
Ans diesem Symptomencomplex stellt Yerf. die Diagnose Pityriasis
pilaris Devergie, Pitiryasis rubra pilaris Besnier, oder Liehen ruber
acuminatus Kaposi.
Der Streit in den letzten Jahren, gefuhrt über die Frage, ob die
Krankheit, bekannt unter diesem Namer eben dieselbe ist als die, welche
Ton Hebra Liehen ruber und später von Kaposi Liehen ruber acumi-
natus genannt wurde, wird mit einigen Wörtern erwähnt und die dar-
"uber herrschende Meinung kurzweg mitgetheilt, woraus Verf. schliesst,
dass wir jetzt zu differenziren haben:
1. Pityriasis pilaris (Devergie) n Pityriasis rubra pilaris
(Besnier) n Liehen ruber acuminatus (Kaposi).
2. Liehen planus neuroticus (Unna) rr Liehen ruber (Hebra).
8. Liehen ruber planus (Kaposi) rr Liehen planus (Wilson).
Zur mikroskopischen Untersuchung wurde ein Hautstückchen
Bxstirpirt.
Der mikroskopische Befund zeigte, da wo die Veränderungen noch
wenig vorgerückt waren, das Infundibulam erweitert und die Wände
durch grosse Menge concentrisch angeordnetes Homgewebe auseinander
gezerrt, wodurch der Follikel in seinem obersten Theile vergrössert ist;
dieses Homgewebe umgibt auch einen kleinen Theil des ausgetretenen
Lanugo-Haares, in dessen Umgebung es allmälig in das normale Stratum
«omeum übergeht.
Das Stratum granulosum ist ein wenig verbreitert, da wo es in
den Haartrichter einsinkt, zeigt aber sonst keine merkbaren Verän-
derungen. Auch das Bete Malpighi ist noch normal, aber die zum Follikel
gehörende Talgdrüse ist schon etwas verkleinert und atrophirt, was bei
454 Berieht über die Leistimgen auf dem Gebiete
Zunahme des Proceeses auch ärger wird. Die tiefen Schichten des Coriam
.zeigen nichts Pathologisches.
Im weiteren Stadinm des Prooesses sind die Infandibula trichter-
förmig erweitert und ausgefüllt mit einer grossen Menge conoentrisch
angeordneten Homgewebes, worin kleine aufgerollte Lanogo-Haare ; das
Homgewebe quillt weit ans den Haarfollikeln hervor und bildet den
bekannten Homkegel.
Das Stratum granulosum ist verbreitert und kaum erkennbar. Das
Bete Malpighi zeigt, besonders unter den Homkegeln, eine starke Neigung
sich auszubreiten und senkt mit langen interpapillaren Zapfen tief in das
Gutisgewebe ein. Die Talgdrüsen der Haut sind oft verkleinert, die Zellen
der Acini verschrumpft und dicht an einander geschlossen.
Neben den Veränderungen in dem Haartrichter scheint also auch
eine Verkleinerung, Verschrumpfung der Talgdrüsen vorzukommen, was
jedoch ohne genauere Untersuchung nicht für alle Talgdrüsen ange-
nommen werden darf, weil gerade in einigen Fällen ausgesprochene
Seborrhoe besteht.
In weiteren Stadien kommen auch im Corium ringsum den Follikel
Veränderungen vor; die kleinen Blutgefässe und Capillaren der ober8te^
Ck)riumschichten sind hyperämisch und umgeben von kleinzelligen, ent-
zündlichen Infiltrationen, welche zusammen mit einem geringen Oedem als
Ursache der später wahrnehmbaren circumfolliculären Abhebung und
Knötchenbildung zu betrachten sind.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt also in der Hauptsache den
Befund Taylor's, Robinson*s, Besnier-Jacquet's, Galewsky's.
Zur DifFerenzirung der Pityriaais pilaris vom Liehen ruber (Hebra)
sieht man bei jener die allerersten Veränderungen ausschliesslich in den
Haarfollikeln, vermuthlich zuweilen auch in den Schweissdrüsengängen auf«
treten und ihr Wesen besteht in Vermehrung und Anhäufung von epi-
thelialem Homgewebe, einer Hyperkeratosis mit anfanglicher Verbreitung,
später Verdünnung des Stratum granulosum; ein Process also, der vor-
läufig ausschliesslich aus der Epidermis hervorgeht, zuweilen mit, zuweilen
ohnjs Schrumpfen und Zugrundegehen der Talgdrüsen.
Erst später, wenn dieAenderungen in der Epidermis sich bis auf die
Epidermis der Umgebung der Haarfollikel ausbreiten, wenn klinisch di^
allgemeine Abschuppung entsteht, fangt auch das Cbriumgewebe an geringe
Veränderungen zu zeigen, welche als Folge des Irritationsreizes der
Afficirten Epidermis zu berücksichtigen sind.
Die pathologischen Veränderungen der Epidermis und ihrer An-
hänge sind also primär, diejenigen des Corium secundär, während beim
Liehen ruber (Hebra) und Liehen planus (Wilson) die Cutis primär und
viel intensiver, die Epidermis dagegen secundär afißcirt ist (Neumann,
Weyl, Köbner, Crocker etc.).
Hierdurch erklärt sich zugleich, aus welchem Grund nach Abheilung
bei Liehen mehr oder weniger Pigment in der Haut zurückbleibt, bei
Pityriasis pilaris dagegen niemals.
der Dermatologie. 455
Die klinischen Symptome dieser beiden Dermatosen nnd die
dififerential-diagnostischen Charaktere, welche die Pityriasis pilaris von
jeder Hautaffection, mit welcher sie Terwechselt werden könnte unter-
scheidet (Ichthyosis, Liehen pilaris, Psoriasis, Ekzema squamosom) werden
zum Schluss durch Verf. klar auseinandergesetzt.
In einer Nachschrift bespricht Verf. die an der unteren Fläche der
ausgelösten Homschicht adharente Epidermisfortsätze, welche in einem
Fall meistens einfach, in anderen Fällen grosstentheils doppel* oder dreifach
vorkommen und von Boeck „Doppel- oder Zwillingsconi^ genannt
werden* Verf. hält die einfachen, welche auch grösser und dicker sind, als
entstanden aus den kleineren, dünneren, doppelten oder dreifachen Kegeln,
diese letzten würden auch nur in der ersten Periode der Hautaffection
gefunden werden und später in älteren Fällen nicht mehr oder sehr selten.
Das wahrgenommene abwechselnde Vorkommen einfacher, doppelter oder
dreifacher Kegel wurde also abhängen von dem Alter des Processes um
den anatomischen Verhältnissen der Follikel.
Schliesslich bemerkt Verf. noch, dass es ihm fehlerhaft vorkommt,
diesen doppelten und dreifachen Kegel Zwillings- (Boeck) oder Drillings-
coni zu nennen, weil man hieraus vermuthen möchte, dass sie von
Zwillings- oder Driltings-HaarfoUikeln herstammen, gleichwie diese von
Flemming und S. Giovannini wahrgenommen und beschrieben sind
und welche als embryonale Bildungs- und Entwicklungsanomalien ange-
sehen werden müssen.
Ein paar Photographien, welche das klinische Bild darstellen und
einige Zeichnungen der mikroskopischen Bilder und der Hautlamellen
mit dem anhängenden Kegel sind zugegeben.
Spruijt Landskroon.
(11) Auf Grund einer grösseren Anzahl einschlägiger, zum Theil
sehr schwerer Fälle, welche insgesammt auf Verbrühung durch heisse
Flüssigkeiten sich beziehen (nur in 1 Falle handelte es sich um eine auf
den Handrücken beschränkte Verbrennung durch Flamme) , schlägt
Wertheimber vor, die verbrühten Theile zunächst mit lauwarmem
Borwasser zu reinigen, hierauf eine mehrfache Schichte hydrophiler Gase,
welche mit Aq. Calc, Ol. lini aa 50,0, Thymol 0,05— 0,10 getränkt, in Form
breiter Streifen über die Wundfläche gelegt, mit Gompressenstoff zu be-
deeken und mittelst einer Gazebinde zu befestigen. Es ist rathsam den
Verband täglich zu erneuern. — Da aber die Stahl'sche Brandsalbe durch
ihre zähflüssige Gonsistenz der Umgebung der Kranken nach längerer
Anwendung zumeist unangenehm wird, so vertauscht W. dieselbe im
Verlaufe oder zu Ende der 2. Woche gegen eine Wismuth-Borsalbe (Bis-
muth. subnitr. 9,0, Acidi borici 4,5, Lanolini 70,0, Ol. olivar. 20,0). Die
Art der Anwendung ist die gleiche wie die des Stahl^schen Liniments.
Innerlich verordnet W. die gewöhnlichen Excitantien.
A. Grünfeld.
(12) Rossi bringt die Resultate der histologischen Untersuchung
zweier Fälle von Pemphigus. Er fand, dass es sich dabei um keine reine
456 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Akantholyse, sondern um einen Entzündungsprocess handle ; dafür sprechen
die Gefassektasien, die kleinzellige Infiltration des Gewebes, das Exsudat
nach aussen und die Pigmentablagemng im Derma. Im ersten Falle
waren dies die wesentlichsten Veränderungen der Haut. Im zweiten war
jedoch eine allgemeine Hypertrophie sammtlicher Hautschiohten, namentlidi
der PapiUarschicht vorhanden. Er erklärt dann die Blasenbildung als
Abhebung der obersten Schichten des Epithels von den unteren im Stratum
granulosum, hervorgebracht durch das entzündliche Exsudat (Pemphigus
bullosus). Nach Platzen der Blasen und Eintrocknung derselben zu
Borken kommt es zum Pemphigus orustosus. Hier kann noch Heilung er-
folgen. Dauert jedodi die Krankheitsursache und mit ihr die Entzündung
fort, dann kommt es zu ProUferation, dann zu Narbenretraction (Pem-
phigus foliaceus). Spietschka.
(14) Auf Ghund seiner Versuche will Witthauer die Heilresnltate
nach Gebrauch des Sozojodol-Quecksilbers bei Fuss- und Unterschenkel-
geschwüren als so überraschende und schnelle bezeichnen, dass es als ein
bevorzugtes Heilmittel jedenfalls hervorgehoben zu werden verdient. Nach
Seifenreinigung im Bad wird ein Pflaster aus Hydrarg. sozojodoL 1,0,
Lanolin 90,0, Ol. oHvar. 10,0 angefertigt und mit diesem der Fuss, resp.
Unterschenkel auf gewÖhnUohem Wege gedeckt. Der Verband wird zuerst
alle Tage, spater nur jeden 4—5 Tag gewechselt. Schon nach wenigen
Tagen stössen sich die gewucherten Granulationen ab und bald erscheinen
frischrothe feste Granulationen und zugleich mit ihnen ein zarter Narben»
Baum am Wundrande. Die Vemarbung schreitet gewöhnlich auffallend
rasch fort, das Geschwür heilt. Beim Vorhandensein kleiner offener
Stellen und Nachlassen der Heiltendenz wird das Bein unter einem
Drahtkorb offen liegen gelassen und die wunde Stelle mit Hydrarg.
sozojod. 1,0, Tale. 99,0 bestreut. So tritt unter dem trockenen Schorfe die
Vem&rbung ein.
Unter anderem wandte W. das Mittel noch bei Ekzemen in
jedem Stadium, besonders nach solchen medicamentösen Ursprungs, in Form
des oben angeführten Streupulvers und des Zinc. sozojodol. 9,0, Tale, venet
Xft. Die nässenden Stellen heilen rasch, die Bl&sohen trocknen ein vmA
ebenso lassen die subjeetiven Empfindungen, Jucken, etc. nach. Von
Nebenwirkungen bei Anwendung des Sozojodol-Quecksilbers sei hinzugeftigt,
dass dasselbe einen leichten brennenden Schmerz verursacht, der aber die
Patienten nur wenig belästigt und nach einigen Stunden anthört.
A. Grfinfeld.
Venerische Krankheiten.
(Redigirt von Prof. Neisser und Primararzt Jadassohh in Breslau.)
Therapie der Syphilis.
1. Dubois-HaTenith. Präsentation de denx cas de syphilidea tertiairet
nlcereases ocoupant presque tont le yisage et gneriee par le pazue-
ment occlusif avec le sparadrap mercoriel, sans administration ni de
mercure ni d'iodure k rintörieor. Societe des Sciences medioales de
fimzelles. Journal des maladies cutan^es et syphilitiques. 1891 p. 61«
2. Balzer. Gontribution ä Tötnde du traitement local des syphilides;
utilite du massage. SociSte clinique de Paris. Journal des maladiet
cutan^es et syphilitiques. 1891 p. 843.
8. Bock. Du traitement local dans certaines l^sions ulcereuses et uloero-
gommeuses de la Syphilis. La Clinique de Bruxelles. 28. Mai 1891.
Ref. im Journal des maladies cutanees et syphil« 1891 p. 888.
4. Boequillon. Gomposition en mercure des sels mercuriels. La Sem«
m^dicale. 1892 p. 148.
6. Cohnatein, Wilh. Ueber den Einfluss einiger edler Metalle (Queck-
silber, Platin 'und Silber) auf die Nierensecretion. Archiv fär experi-
mentelle Pathologie und Pharmakologie. XXX. Bd. p. 126.
6. KankeL Ueber die Verdampfung Ton Quecksilber aus der grauen
Salbe. SitB.-Ber. der phy8ik.-med. Qen. zu Würzburg. 1892. Nr. 2.
7. Pilliet et Gathelineau. Recherches experimentales sur les lösions
determin6es par le bichlorure de mercure. Soo. de biologie. S^nce
du 29 octobre 1892. Le mercredi m^dical. 1892 p. 529.
8. Galantoni, A. Anatomische Veränderungen nach SublimatTergifbnng,
Giomale della Assoc. Napolitana di Med. e Natur. 1892.
9. Darier. Intoxication mercurielle. Societe frangaise d^ophthalmoiogiOr
2. L 1898. Le Mercredi m^dical. 1898. Nr. 2.
10. Weiss. Sialorrhoe in Folge einer fast ganz vicariirenden Ausschei*
düng des Quecks. durch die Speicheldrüsen. Ther. Mon. 1890 p. 417.
IL Galippe. De la pseudo-stomatite mercurielle. Sociöte de Biologie.
80. Juli 1892. Semaine med. 1892. Nr. 89 p. 810.
12. Morel-LaTall^e. Des hydrargyries pathogenetiques. Erythemes poly*
morphes scarlatiniformes dus a l'usage interne du mercure. BeTue
AraUT f. Dematol. n. Sypbü. Band XXVI. 3|
458 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
de medecine. Bef. im Journal des maladies cutanees et syphilitiqaes.
1891 p. 628.
18. Intoi^ranee pour la m6dication iodnr^e. Soci6t^ medicale da IX Ar-
rondissement. Journal des mal. cutan6e8 et syph. 1891 p. 406.
14. Heinz. Experimentelles zur Jodkaliwirkung. Berl. klin. Wochenschr.
1890. Nr. 62.
15. Goll. Eüpfer*s Jod-Ratanbia-Syrup. Gorr.-Bl. fSLr Schweizer Aerzte.
16. Nov. 1892. Nr. 22 p. 707.
16. Pariser Correspondent. The prerention of jodism. Lancet Bd. I.
1892 p. 887.
17. Barcerie, De la. Ein Fall von acutem Jodismus. Therap. Monats-
hefte 1891, p. 420.
18. G^my. Die schweren Joderuptionen. Ann. de Dermat. et de Syphil.
1891 p. 641.
19. Swertsehkow. Localbehandlung syphil. Gesch¥rüre. Wratsch 1892.
20. White, Blake. Le chlorure d'or et J^iodure de manganese dans le
traitement de la cachexie syphilitique. La Sem. med. 1892. Nr. 34.
21. Heryng. Ueber die locale Anwendung der Chroms&ure bei syphili-
tisdien Ulcerationen. Therap. Monatsh. 1891. Heft 8.
22. Feibe§. üeber die locale Anwendung der Chromsäure in der Be-
handlung der syphilitischen Afiectionen der Mundhöhle.
28. Gütttz. Chrombehandlung bei Syphilis. Therap. Monatsh. 1880 p. 496.
24. Günts. Chromnachweis im Urin. Ther. MonaUh. 1890 p. 237.
86. KalMhnikoff. Traitement de la Syphilis par la chaleur. Wratsch.
Ref. im Journal des maladies cntanees et syphilitiques. 1891 p. 890.
(1) Dubois-Havenith stellt zwei geheilte Fälle von uloeroser
Lues Tor, welche ohne irgend welche Allgemeinbehandlung allein mit
Auflegen von Beiersdor f fschem Quecksilber - Guttapercha «> Pflastermull
behandelt worden waren. Er hat im Ganzen 26 Fälle Ton tertiären
Hautsyphiliden in der verhältnissmässig kurzen Zeit von 12—26 Tagen
unter der obengenannten localen Behandlung heilen sehen. Ohne etwa
ia solchen Fällen auf die Allgemeinbehandlung verzichten zu wollen,
will er nur für die Combination beider Methoden plaidiren.
Paul Neisser.
(2) Balz er macht darauf aufmerksam, dass es maoulöse und
papulöse Exantheme gebe, welche sich sehr rebellisch gegen jegliche
Allgemeinbehandlung verhalten ; er empfiehlt in solchen Fällen die
Massage zu versuchen, und fuhrt als Beweis für den günstigen Erfolg
derselben einen Fall aus dem Hopital de Lourcine an, in dem nach
mehrwöchentlichem vergeblichen Gebrauch von Hg. tannic. und Jodkali
unter rationeller Massage «ein über den Körper und das Gesicht verbrei-
tetes maculöses Exanthem nach drei Wochen bis auf einzelne Pigmenti-
rangen verschwand. (?) Paul Neissec
(8) Bock empfiehlt in allen den Fällen von Gummen, namentlich
exulcerirten, welche sich unter Jodkali- oder combinirter Behandlung
nur langsam oder gar nicht zurückbilden, die chirurgische Entfernung
der Syphilis. 459
derselben: breite Eröffnung derselben mit dem Thermooaater, ener-
gisches Anskratzen mit Schonung der . Muskeln und Gefasse, Drainage
und antisepiische Behandlung. Er will in zwei Fällen den glänzenden E!r-
folg der YöUigen Verheilung innerhalb von 10 Tagen gesehen haben.
Paul Neisser.
(4) Bocquillon gibt den Hg.-6ehalt der einzelnen Quecksiiber-
präparate in folgender Weise an: Jodür: 45,57o» Sublimat 73,727«)
Lactat 67,I07o» Peptonat 67,15%, Suocinimid 68,3Voi Galomel 84Vot
rothes Oxyd 92,597o, Phenolat 61,687«, Thymolat 41,87o, Albuminat
10,27«, Tannat 233%, Salicylat 697o. Jadassohn.
(6) Da bisher bestimmte Angaben, dass sich did seit Jendrässik
wieder viel besprochene Hg.-Diurese am Thier hervorrufen lasse, in der
Literatur sich kaum finden, hat Gohnstein Versuche über die Wirkung
des Hg. und zweier anderer edler Metalle (Platin und Silber) auf die Niere
gesunder Thiere angestellt. Er hat feststellen können, dass in der That
durch alle 8 Metalle eine Vermehrung der Harnmenge sich erzielen lasse.
Durch weitere Versuche konnte er es zum JSiKndesten sehr wahrscheinlich
machen, dass irgend eine durch das Hg. bewirkte Kreislaufveränderung
die Ursache dieser Dinrese sei, denn bei chloralisirten Tbieren blieb sie
aus ; auch durch die Durchschneidung der Nierennerven Hess sich das Ein-
treten der Hg.-Diurese verhindern. Bei kleineren Dosen Hg. konnte
Gohnstein im Gegensatz zu vielen anderen Autoren eine geringe Blut*
drucksteigerung erzielen, die aber keinesfalls ausreicht, um die Diurese
zu erklären. Bezüglich der Erklärung der Hamvermehrung weist der
Verf. die Hypothese Jendrassik^s, welcher sie auf die durch das Hg
veränderte Dififusions Verhältnisse des Wassers zwischen Blut und Geweben
zurückführt, zurück, hält aber auch die andere Anschauung, nach welcher
die Diurese durch eine directe Einwirkung auf die Nierencpithelien Zu-
standekommen solle, auf Grund seiner Versuche für unwahrscheinlich, da
nicht anzunehmen ist, dass sich die Nierencpithelien unter der Einwir-
kung des Ghlorals oder der Nervenverletzung verändern.
Jadassohn.
(6) Ausgehend von neuen Versuchen Renk's, die Kunkel zu be-
weisen scheinen, dass Quecksilber nur ausnahmsweise in Stanbform
durch die Luft getragen werde, bespricht der Autor seine Versuche,
die sich mit quantitativen Bestimmungen des aus grauer Salbe ver-
dampfenden Quecksilbers beschäftigen. Graue Salbe wurde auf einem
Pappdeckel von 3000 Cm^ Oberfläche in 1 Mm. dicker Schicht aufge-
. strichen. Dieser Pappdeckel wurde in einen gut gedichteten flachen
Kasten gelegt, welcher Zu- und Abflussrohr besitzt, so dass vermittelst
Saug^rkung ein langsamer Luftstrom durch den Kasten strich und
Quecksüberdämpfe mitnahm. Letztere wurden in Absorptionsapparaten
(Salpetersäure — kein Goldblatt!) aufgefangen. Der gan^e Versuch wurde
bei einjr Temperatur von 33--35' C. angestellt. Die Quecksilbermengen,
die hierbei gefunden wurden, schwankten zwischen 8—18 Milligramm
Hg. auf 1 C.-Meter durchgesaugter Luft. Je schneller der Luftstrom, desto
31*
460 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
geringer war die QaeckBÜbermenge, je frisoher die Salbe aufgeatrichen
war, desto mehr Hg. gab sie ab. Es kam also bei der Sehmiercor aal
24 Standen (12 GM. Luft) eine sehr namhafte Menge eingeathmeten
Quecksilberdampfes, wenn der Versuch mit der Salbenbftchse der Ap-
plicat ionsweise am menschlichen Körper entspreche. Ein den wirklichen
Verhältnissen der Schmieronr adäqaater Versnch ist nicht leicht an-
zustellen. A. Philip pson.
(7) Pilliet und Cathelineau haben die pathologischen Ver-
änderungen der Organe von 8 durch Sublimat vergifteten Thieren stndirt
und sind dabei zu den bekannten Resultaten (Veränderungen an den
Kierenepithelien, im Dann- und Dickdarm, in der Leber und der Milz)
gekommen. Es erübrigt nur noch, zu bemerken, dass die Sectionsbefunde
bei Menschen mit denen bei ihren Thierrersuchen übereinstimmten.
Paul Neisser.
(8) Galantoni beschreibt die bekannten Veränderungen nach
Sublimatvergiftung — in den Nieren hat er nach sehr acuter Vergiftung
nur kleine interstitielle Hämorrhagien gefunden; bei subacuter Vergif-
tung hat auch G. in manchen Fällen die viel beschriebenen Verkalkungen
gesehen, die er, wie wohl die meisten neueren Autoren, nicht auf eine
Entkalkung der Knochen zurückfuhrt. Zwischen der Stärke der Nieren-
und der Darmveränderung besteht keine Proportion. Die Autopsie gibt
nur die Anhaltspunkte zu einer Wahrscheinlichkeits-, nicht die zu einer
sicheren Diagnose.
(9) Darier berichtet über einen Fall von Quecksilber-Vergiftung
in Folge einer einzigen Injection von 1 Ggr. Quecksilbercyanat — er
empfiehlt auf Grund dieser Erfahrung mit 6 Mgr. zu begizmen und nur
allmälig auf 1 Ggr. zu steigen.
Parent hat nie eine unangenehme Wirkung dieser Injectionen
geoehen. Er betont besonders die Nothwendigkeit ein chemisch ganz reines
Präparat zu benutzen.
Auch Gorecki hat einige Nebenwirkungen gesehen, die er mehr
der Oyanwasserstoffsäure als dem Mercur beimessen möchte.
Jadassohn.
(10) Weiss* Patient hat vor 11 Jahren einen Schanker gehabt
Erkrankt plötzlich mit Erscheinungen von Seiten des Nervensystems,
gegen welche eine Schmiercur angeordnet wird. Bei der 26. Einreibung
(ä 2 Gr. ünguentum cinereum) stellt sich bei intacter Mundschleim-
haut (5 Monate nach der Gur noch bestehender) Speichelfiuss ein (in 12
Stunden 1000 Gr. Speichel). Jodqueoksilberreaction bei Untersuchung des
Speichels sehri^deutlich. Barlow.
(11) Galippe behauptet, dass in manchen Fällen von Stomatitis
bei Syphilitikern diese nicht auf das Hg., sondern auf septische StofiFe
in der ungenügend gereinigten Mundhöhle zurückzuführen sei und dass
man diese Stomatitis durch sorgfaltige Antisepsis und mechanische Säu-
berung bei Fortgebrauch des Mercur heilen könne. Zum Beweise für
diese Anschauung führt G. einzelne Fälle an. Jadassohn.
der Sypbilu. 461
(12) Morel-Lavall^e berichtet über 22 yon ihm selbst beobachtete
F&lle Ton Mercürialezanthem nach internem Gebrauch von Hg. Die
Haupterscheinnngen, welche theils ohne, theils mit anderen Intoxica-
tionserscheinnngen auftraten, waren zürn Theil sehr schwere und ähnelten
oft den Morbilli, dem Eczema rabram, dem Erysipelas und der Dermatitis
exfoliatiya, während die häufigste Form ein scarlatinöses Exanthem war.
Panl Weisser.
(18) Bei Gelegenheit der Discnssion über Nitot*s Frage, was man
mit Lnetikem machen solle, welche kein Jodkali vertrügen, drückt
unter Anderen JuUien seine Ansicht darüber folgendermassen aus: Er
selbst habe zu verschiedenen Malen und bei den verschiedensten Dosen an
sich selbst die unangenehmsten und langdauemdsten Erscheinungen des
Jodismus erfahren. Bei Leuten, die das Jodkali absolut nicht vom
Magen aus vertrügen, räth er, es in Dosen von 1 — 2 Gramm 2mal
täglich per clysma in Milch zu geben. Sonst gibt er 10 — 80 Tropfeu
Jodtinctur in Wasser oder Wein, was vorzüglich vertragen würde. Ein
anderes, sehr gut wirkendes und vertragenes Präparat sei das Jodol,
welches er in Dosen von 0,1 bis 5mal taglich gebe; diesem Präparat
könne man in Pillen sehr gut Hg.-Präparate, z. B. Hydrarg. salicyl.
beimischen und so gleich die combinirte Behandlung insceniren.
Paul Neisser.
(14) Heinz wiederholte die Versuche von Binz, welcher Jodoform-
dämpfe auf das Mesenterium von Fröschen einwirken Hess und bestätigte
dil von Binz gefundene Verminderung oder das Fehlen der Leucocyten-
AuswanderuDg. Ferner studirte er den Einfluss des gebundeneu Jodes
auf Entzündungsprocesse durch subcutane Jodnatr.-Injectionen. Das Re-
sultat war dem oben angegebenen entgegengesetzt: Regere Thätigkeit
der Leucocyten. Verf. injicirte Zinnober in die Bauchhöhle und fand, dass
das Blut der mit J.-Na. behandelten Thiere mehr zinnoberhaltige Leuco-
cyten aufwies als bei anderen Thiereu. Verf. schlägt deshalb vor, die
Eoch'sche Methode mit der internen Jodbehandlung zu verbinden in
Fällen, in denen eine Resorption möglich ist. Lex.
(15) Goll empfiehlt Kupfer 's Jod-Ratanhia-Syrup als ein sehr
mildes und zweckmässiges Jodpräparat, das langsam, aber sicher wirkt.
Jodschnupfen, welcher in der Schweiz nach GolPs Erfahrungen bei etwa
8 — 107« der Patienten vorkommt, wird durch die Bindung des Jod an
organische Stoffe (wie die Ratanhia-Gerbsäure) sicher vermieden. Das
Präparat, dessen Geschmack durch Extr. Ghinae oder Gort, aurant. ver-
bessert werden kann, enthält 270« Jod; ein Esslöffel zz 3 Ggr. reinen
Jods. Die Erfahrungen, die Goll bei den verschiedensten Krankheiten
gemacht hat, sind sehr günstig. Man muss den Syrup 4—6 Wochen
nehmen lassen. Jadassohn.
(16) Die Wirlrang des Jodkali ist bei syphilitischen Processen
eine bessere als die des Jodnatriums. Jodismus wird man wohl nicht in
allen Fällen verhüten können, doch ist möglicherweise das von Mala-
462 Bericht über die Leiitungen auf dem Gebiete
chowski und Rdhmann empfohlene Natnam bicarbonieam , mit
Jodkali gleichzeitig gegeben in siemlich groeter Menge, werthroll.
Barlow.
(17) Baroerie bekam naoh 0,6 Jodkalium Ersoheinongen des
heftigsten acuten Jodismas, welcher nach Ii^ection von 0,02 Morphium
schwand. Früher hatte der Autor Jodkalium in gprossen Dosen ohne Be«
schwerde ertrsgen. Bar low.
(18) Neben den leichten papulo-pustulösen Formen führt 6emy
die schweren furunculösen, karbuncnlösen, selbst necrosirenden Derma-
titiden an, von denen er 4 Fälle eigener Beobachtung mittheilt. Dieselben
beginnen stets als pralle grosse Blasen, die zu dicken impetiginosen
Borken eintrocknen und was Q. für völlig pathognomonisch ansieht, fast
ausschliesslich am Handrücken sitzen. Dieselben heilen nur mit Rnck-
lassung oft sehr entstellender Narben. Verwechslung ist möglich mit
Impetigo und Syphilis. Auf Unterbrechung der Jodtherapie pflegen sie meist
rasch zu sistiren. Finger. ,
(19) Swertschkow verbindet syphilitische Geschwüre aller Sta-
dien nach Abwaschung mit 2% Wasserstoffsuperoxyd mit Watte, die in
(vor dem Gebrauch zu erwärmenden) Garbol-Campher (Ac. oarbol. 5*0,
Camphor. 10*0) getränkt ist; nach 8 — ötägigem (2 — Smal täglich gewech-
seltem) Verband ist das Geschwür gereinigt und soll dann mit Dermatol-
Vaseline (äS), über die noch Emplastr. cinereum gelegt wird, verbunden
werden. Auch ohne AUgemeinbehaudlung soll diese Therapie sehr gute
Erfolge haben.
(20) In einem Referat der Semaine medic. wird berichtet, dass
Blake White mit gutem Erfolg bei syphilitischer Cachexie 2 — 3 Mal
wöchentlich subcutane Ii^ectionen (in die Lumbo-Dorsalgegend) eines
Doppelsalzes von Gold- und Manganchlorür benutzt und zwar von einer
Lösung, die im Tropfen 0,001 des Salzes enthält; er beginnt mit einem,
dann mit 2 Tropfen, die er mit 5 Tropfen 1% Carbolwasser verdünnt.
Der Erfolg ist hauptsächlich eine Kräftigung; der Puls wird voller, der
Appetit besser, das Gewicht steigt; manchmal leichtes Fieber. Es gibt
aber auch Patienten mit einer Idiosynkrasie gegen dieses Mittel: Kopf-
schmerzen, Diplopie, Schwindel etc. stellen sich ein ; dann muss man mit
der Dosis herabgfehen, eventuell das Goldsalz durch ein Platinsalz er-
setzen. Jadassohn.
(2U Heryng nimmt Kuttner (Therap. Monatsh. 1891 Nr. 6, in
dieser Zeitschr. bereits ref.) gegenüber die Priorität der localen Behand-
lung syphilitischer Schleimhautulcerationen mit Ghromsäure für sieh in
Anspruch. Das Mittel ist dem in letzter Zeit empfohlenen Acidum trichlor-
aceticum weit überlegen. Karl Herxheimer.
(22) Feibes weist an der Hand der Literatur nach, dass die von
Jvuttner empfohlene locale Anwendung der Ghromsäore bei luetischer
Erkrankung der Mundhöhle nicht neu ist> F. theilt dann eigene, durch
Chromsäure geheilte Fälle mit; es sind das zerfallene Gummen, Plaques
opalines, 11 Fälle von Psoriasis linguae. Auch die meroorielle Stoma-
der Syphilis. 4Sg
titii wird von F. mit Erfolg mit Chromsäure behandelt. (£s ist dem
Referenten aufgefallen, dass weder Euttner noch Feibes die Fälle von
Idiosynkrasie gegen Chromsäure bei ihren Betrachtungen aogezogen liaben).
Karl Herxheimer.
(28) Güntz hat bei 9 Syphilitischen, die während der Ghrom-
behandlung zugleich eine energische Salzbadecur unternommen hatten,
Smal Chrom im Urin nachgewiesen, was ihm ohne die Salzbäder nie
gelungen war. Barlow.
(24) Güntz, der bisher niemals Chrom im Urin mit Chrom wasser
behandelter Kranken nachweisen konnte, ist dies jetzt in einem Falle
geglückt Barlow.
(26) Ealashnikoff hat in mehreren Fällen von hartnäckigen
papulösen und pustulösen Syphiliden nach vergeblicher Anwendung der
anderen Behandlungsmethoden die locale Application der Wärme versucht
und ist mit dem Resultat sehr zufrieden. In einzelnen Fällen will er
schon nach einmaliger Anwendung der Wärme einen günstigen Erfolg
gesehen haben, während dieser in anderen erst nach einem Monat eintrat.
Paul Neisser.
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(1) Indem Lydston die allgemeine Frage streifr, wie weit unter
bestimmten Bedingungen ein und dieselben Mikroben, welche con-
stant in den Absonderungen des Uro-Genitattracts gefunden werden,
Ursachen Torschiedener Erankheitsformen, oder andererseits wie weit
heterogene Organismen Ursachen eines und desselben Krankheitsprocesses
sein können, geht er auf die Thatsache ein, dass verschiedene Krankheits-
formen mikrobischen Ursprungs unter die allgemeine Bezeichnung einer
Urininfection zusammcngefasst werden. Nach dem derzeitigen Standpunkt
unseres Wissens kann man indess z. B. eine Unterscheidung der ein-
seinen Affeotionen noch nicht machen und muss man sich demgemäss
mit der These begpiügen, dass viele Formen organischer nnd functioneUer
Yerftndemng des Uro*Genitaltracts parasitären Ursprungs sind; hieher
gehören die Processe einer AUgemeininfection mit Erguss und £iterang
468 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
der GelenkböHlen bis zur einÜEtohen chronischen prostatisohen Hei-
zung. Loeser.
(2) Gnyon's Referat aber die Urininfection zerf&Ut in 2 Thaile
Der erste betrifft die mfectiösen Erkrankungen der Blase, der zweite
behandelt das Zustandekommen von Allgemeininiection in Folge der
Erkrankung des Urogenitalapparates, insbesondere wird die Pathologie
des Urinfiebers eingehend besprochen.
Ad I. Die Resultate, zu denen Guyon bei Besprechung der Gystitis
gelangt, sind folgende:
1. Normaler Urin ist in der Blase stets bakterienfrei enthalten.
2. Der Urin entzündeter Blasen enthält stets Mikroben, die als die
Erreger der Erkrankung anzusehen sind.
5. Solcher Mikroben gibt es eine grosse Menge von Arten, sowohl
Coocen wie Bacillen und unter diesen letzteren spielt die wichtigste
Rolle das Bacterium coli commune.
4. Eine durch Gonoooccen bedingte Cystitis gibt es nicht,
sondern die Blasenentzündung im Verlaufe der Gonorrhoe beruht immer
aaf Mischinfection.
6. Die tuberculöse Cystitis stellt eine eigenartige Erkrankungsform
dar und ist gesondert yon den übrigen Cystitiden zu betrachten.
6. Die normale und die kranke Harnröhre sind stets von für die
Blase pathogenen Mikroorganismen bewohnt.
7. Dieselben können in die Blase gelangen
a) durch fortgeleitete Entzündung von der Harnröhre aus,
b) durch spontanes Hineinwachsen in die Blase (beim Weibe
nicht selten),
e) durch Verschleppung vermittelst Gatheters.
8. Weitaus die häufigste Ursache der Gystitis aber ist ein Gatheter
rismus mit unreinen Instrumenten; die Verschleppung der Urethral-
bakterien durch sterile Gatheter kommt viel weniger in Betracht
9. Selten erfolgt eine Infection der Blase von der Blutbahn aus.
10. An und für sich können Bakterien allein keine Cystitis her-
vorbringen, sondern dieselben bedürfen zur Ermöglichung einer Infection
Retention des Harnes oder Verletzungen der Blasenschleimhaut.
12. Die Virulenz der Mikroben kann vielleicht beim Zustande-
kommen der Gystitis eine gewisse Rolle spielen.
IS. Zersetzung des Harnes bei Blasenentzündung ist nur ein se-
cundäres Phänomen. Die Gystitis kann längst bestehen, ehe ammonia-
kalische Gährung eintritt.
14. Die Infection von der Blase aus kann ascendirend auf die
Nieren fortschreiten.
Ad U. Ueber die Pathologie des Urinfiebers stellt Gnyon fol-
gende Schlüsse auf:
1. Die infectiösen Erkrankungen des Urogenitalapparates stellen
eine Gefahr für den Gesammtorganismus dar.
der Syphilis. 469
2. Die noth wendige Bedingung zum Zustandekommen einer Allge-
meinerkranknng ist Infection des Urins, verbunden mit einer Continuitftts-
trennung der mit demselben in Berührung kommenden Gewebe.
8, Urinfieber kann spontan auftreten; meist aber ist es die Folge
eines Gatheterismus oder eines anderen mit Verletzungen einhergehenden
chirurgischen Eingriffes. Der Ausgangspunkt kann sowohl in der Urethra,
wie in der Blase, Niere und im Ureter liegen.
4. Klinisch lassen sich 2 Formen yon Urinfieber unterscheiden.
a) einmaliger oder wiederholter acuter Anfall,
b) chronische Urincacbexie mit wenig ausgesprochener continu-
irlicher Temperaturerhöhung.
5. Zur Erklärung des Krankheitsbildes genügt weder die Theorie
von „nervösem Shok" noch die, welche eine „Phlebitis'* postulirt. Eine
Mierenerkrankung kann unter Umständen mit Schuld an der Temperatur-
erhöhung sein, allein dies trifft nicht für alle Fälle zu. Einzig und aUein
Yelpeaus Ansicht von der „Urin Vergiftung^ lässt sich mit gewissen
Einschränkungen heute noch aufrecht erhalten.
6. Es handelt sich nämlich nicht allein, wie Yelpeau meirte,
um eine Vergiftung durch Urin, sondern um eine Resorption infioirten
Harnes von verletzten Schleimhäuten (meist der Urethra) aus.
7. Das inficirende Agens sind die im Urin der Kranken befindlichen
und ins Blut gedrungenen Bakterien und die Richtigkeit dieser An-«
sohauung findet ihren Beweis
a) in dem Befunde von Bakterien in dem Blute der Patienten
während des Anfalls.
b) in dem Identitätsnachweise der aus dem Blute und der kranken
Blase gezüchteten Formen.
8. Die reinsten Anfälle von Urinfieber scheint Bacterium coli
commune hervorzurufen. Bei den durch andere pyogene Goccen be«
dingten Anfällen wiegt mehr das Bild der Pyämie vor.
9. Auch das Thierezperiment kann zum Beweis dafür angezogen
werden, dass es sich beim Urinfieber um Bakterienwirkung handelt. In-
jicirt man Thieren Gystitismikroben ins Blut, so kann Tod erfolgen,
manchmal auch Nephritis auftreten.
10. Beim kranken Menschen ist die AUgemeininfection besonders
gef&hrlich, wenn schon vor dem Anfall Veränderungen in den Nieren be-
standen. Es können sich dann m fataler Weise ascendirende und desoer.
dirende Nephritis summiren.
11. Möglicherweise sind es nicht immer nur resorbirte Bakterieni
die das Urinfieber bewirken, sondern auch von denselben gebildete
Toxine. Schwere, zum Tode führende Infectionen beruhen wohl meist
auf der Thätigkeit in relativer Menge ins Blut gerathener Bakterien von
starker Virulenz. Aber schnell nach Gatheterismus etc. auftretende ein-
malige Anfälle sind wohl auf die Resorption toxischer Prodncte zurück-
zuführen. Der Sieg des Organismus in den letzteren Fällen hängt von
intacter Nierenfunction ab. Bei wiederholten Anfallen handelt es sich
470 Bericht über die Leistiingen auf dem Gebiete
nm Hinznireten Ton Nierenlftsionen. In Fällen endlieh von chronischer
ürinkachezie unterliegen die Kranken durch wiederholte Resorption
giftiger Stoffe bei mangelhafter AuBseheidnngBfahigkeit der Nieren.
12. Variationen im Bilde der ürininfection hängen ab:
a) von der Virulenz der Bakterien,
b) Ton dem AUgemeinbefinden der Patienten.
13. Leute, deren Gystitis schon lange besteht, können durch eine
Art Autovaccination (wiederholte Resorption kleinster Mengen gü-
tigen Urins) eine gewisse Immunität gegen acute Allgemeininfection er-
reichen.
Ein ausfuhrliches Literatunrerzeichniss schliesst Guyon's Aas-
fahrungen. Bar low.
(3) In der Arbeit von Erogins findet sich eine ausfuhrliche
Geschichte der Cystitis von Pasteur ab bis in die neueste Zeit. Der
Autor selbst hat 22 Fälle von Blasenentzündnngen und Infectionen der
Hamwege bakteriologisch untersucht, deren Protokolle er ausfurlich
mittheilt. Im Ganzen fand er 6 Arten von Bakterien (bis auf 2mal stets
in Reincultur) in den untersuchten Urinen, welche mit allen Vor-
sichtsmassregeln aufgefangen waren und stets frisch verarbeitet wurden.
16mal war im Harne ein Gelatine nicht verflüssigendes Bakterium
vorbanden, darunter 14mal in Reincultur. 5 Patienten aus dieser Gruppe
litten an einfacher Gystitis, bei 7 weiteren war dieselbe noch mit
Nierenerkrankungen complicirt und bei den 4 letzten fanden sich im
Urin, der bei 2 Kranken einen äusserst foetiden Geruch hatte, nur die
Bakterien ohne Eiterbeimengung , so dass Krogius diese Fälle als
„Bakteriurie** auffasst. Indessen bestanden doch bei 2 der an „Bakteri-
urie'' Leidenden schwere Allgemeinsymptome, die nur auf locale Behand-
lung der Blase etwas schwanden. Es folgt nun eine Beschreibung der
morphologischen und culturellen Eigenthümlichkeiten dieses nicht ver-
flüssigenden Bakteriums, welche durch beigegebene Abbildungen sehr
übersichtlich gemacht ist, sowie dessen pathogener Eigenschaften. Das-
selbe zersetzte sterilen Urin je nach der Provenienz und Besonderheit
der einzelnen Gultnr in 5 — 22 Tagen, wirkte eitererregend bei sub-
cutaner Application, hatte bei intraperitonealer und intravenöser Ein-
verleibung meist den Tod der Versuchsthiere zur Folge und erregte
endlich eine kurz (6—6 Tage) dauernde Blasenentzündung, wenn ausser
der Injection einer Bakterienaufschwemmung in die Blase die Harn-
röhre für längere Zeit unterbunden wurde. Die auf diese Weise
erzeugte künstliche Retention ward bis zur Dauer von 24 und mehr
Stunden ausgedehnt. Auch Nephritis Hess sich durch I^j. in den Ureter
prodnciren.
Auf Grund vergleichender Studien kommt nun Krogius zu dem
Schlüsse, dass dieses nicht verflüssigende Bakterium mit dem Bacterium
coli commune identisch sein müsse. Diesen Bacillus coli communis
fand der Autor auch in paraurethralen und prävesicalen Abscessen als
alleinigen Eitererreger, ausserdem in den Nieren.
der Syphilis. 471
Bei 2 Kranken wnrde das Vorkommen des von Krogius in einer
irftberen Arbeit Urobacillas liqnefaciens septious genannten Bacillus
oonstatirt. Derselbe fand sich einmal in der Blase^ und einmal in einem
perivesicalen Abscess sowie im Blnte des Patienten 18 Stunden vor dem
Tode. Derselbe zersetzt Harn äusserst schnell (schon in wenigen Standen)
nnd ist für Thiere sehr pathogen. Iigection in die Blase hat Cystitis
auch ohne künstliche Betention zur Folge. Sterilisirte Gultnren waren
giftig nnd die Yimlenz nahm mit dem Alter der Cultur eher zu als
ab. Diesen Bacillus konnte der Verfasser mit dem Protons Hanseri
identificiren.
2mal war der Staphylococons aureus als ätiologischer Factor der
Gyatitis anzusehen.
2mal fand sich der stark hamstofizersetzende Staphylococcus
liqnefaciens Lundström in der Blase, in Association mit anderen
Bakterien.
2mal war die Blasenentzündung durch Gronococcen bedingt. In
einem Falle zeigten sich dieselben in Reincultur im Urin. Die kli-
nischen Symptome liessen an dem Bestehen einer Cystitis nicht zweifeln.
Barlow.
(4) Harrison bespricht unter Mittheilung von einzelnen Kranken-
geschichten nnd Daten die Klinik des „Urinfiebers^. Als Paradigmen für
die Art und Weise des Auftretens fahrt er 3 Fälle an.
1. Ein im üebrigen ganz gesunder Mensch macht die Urethrotomia
interna durch, bekommt dann einen Schüttelfrost und Fieber, das sich
unter Umständen mehrmals nacheinander wiederholen kann.
2. (Beobachtung Bauks Mitschell [Edinburg Med. Joum. 1871] bei
einem 3Qj ährigen Manne.) Ein Kranker war früher schon öfters bougirt
worden, ohne Schaden zu nehmen. Ohne besondere Veranlassung wurde
er gelegentlich einer neuen Bougirung von einem, eine Stunde später
einsetzenden Schüttelfrost befallen und starb unter convulsivischen Zu-
ckungen und sich wiederholenden Frösten in 6 Stunden. Bei der Section
fand sich leichte Nierencongestion, sonst nichts.
8. (Eigpne Beobachtung H.'8.) Ein 11 jähriger Knabe hatte sich bei
Gelegenheit eines Sturzes auf das Perineum eine partielle Zerreissung der
Harnröhre zugezogen. Die EioführuDg eines Catheters ä demeure war
sehr leicht. 48 Stunden nach dem Unfall traten oft sich wiederholende
Gonvulsionen ein und der Patient erlag in 8 Stunden. Autopsie ver-
weigert.
Trotz der an den 3 Paradigmen gezeigten Verschiedenheiten im
Verlaufe des Urinfiebers glaubt Harrison die Meinung vertreten zu
sollen, dass alle 3 Beobachtungen der nämlichen Kategorie zuzuweisen
sind und er theilt in Bezug auf die Aetiologie ganz den bakteriellen
Standpunkt Hallos. (Ann. gen.-ur. Feb. 1892.) Das Eintreten des Urin-
fiebers hängt sehr von der Art des operativen Eingriffs an den Harn-
wegen ab. Selten tritt es nach Perinealsection wegen Stricturen auf,
häufig (nach Tearan: Brit. med. journ. march 1878 in V, aller Fälle), bei
472 Bericht über die Leistongen auf dem Gebiete
Urethrotomia interna. Desgleichen ist es häufig, wenn nach Zerreissnngen
der Urethra ein Yerweilcatheter angelegt wird und sich dann üiin
zwischen Instrument und Harnröhren wand infiltnrt. Bei gleichseitiger
Drainage der Blase durchs Perineum bleibt es aus.
Die Schwere des instrnmentellen Eingriffs ist gans unabhängig von
dem Auftreten von Fieber. Diese Daten fuhren Harrison zu dem
Schlüsse, dass nicht der Eingriff an sich pyrogen wirkt, sondern, dass
es sich um mechanische Verhältnisse, welche die Infection begünstigen^
handeln müsse.
Er empfiehlt daher an die Urethrotomia interna die Drainage der
Blase durchs Perineum anzuschliessen und will bei diesem an 25 Patienten
erprobten Verfahren nie Fieber beobachtet haben, obwohl die Urethra,
durch die vor der Heilung der Urethralwunde kein Urin passirte,
zur Erhaltung des Kalibers regelmässig bougirt wurde. Natürlich muss
die Drainage eine regelmässige sein. Die Perinealboutonniere soll 7 Tage
offen bleiben.
Eine Varietät des „Urinfiebers** bietet aber für eine Erklärung
durch Infection Schwierigkeiten. Wird bei Patienten nämlich die Prostata
durchschnitten und bis zur Heilung ein Verweilcatheter eingelegt, so
tritt manchmal Frost und Fieber auf, wenn der Kranke zum ersten
Male durch die Harnröhre Wasser lässt. Dies scheint nur durch Nerven«»
einfluss erklärlich.
Trotzdem kommt Harrison zu dem Besume:
1. dass eine Beaction mit Fieber nach Wunden im Bereiche der
Harnröhre von ungenügender Drainage der Blase abhängt,
2. dass die Ursache des Fiebers nicht in Nerrenstörungen, sondern
in Infection zu suchen ist.
Ob es sich bei der Infection um directe Bakterienwirkung oder um
von denselben gebildete giftige Producte handelt, ist zur Zeit noch nicht
zu entscheiden. Barlow.
(6) Beliquet's Ausfuhrungen gipfeln in Folgendem:
1. Die normale Blase mit gesundem Epithel resorbirt nicht
2. Die kranke, ihres Epithels beraubte Blase, ebenso die kranke
Urethra, die ohnedies gegen Traumen viel widerstandsloser ist, resorbiren
Harn und in demselben befindliche Stoffe.
S. Alle Urinfieberformen sind auf die Resorption mehr oder weniger
reränderten Harnes zurückzufahren.
4. Die Therapie soll den Gontact des inficirten Urines mit Wunden
yerhüten, durch prophylaktische Antisepsis, durch Verweilcatheter, durch
adstringirende Injectionen, die schützende Schorfe gegen die Infections-
erreger bilden. Ausserdem ist bei schon bestehendem Fieber Alkohol,
Schwitzen, Milchdiät angezeigt. Barlow.
(6) Halle's Ausführungen decken sich in allem Wesentlichen mit
den Ansichten, die Guyon beim VL Gongr. fl franz. Chir. yertreten
hat. (Cf. 2.) Barlow.
der Syphilis. 47^
(7) Die Pathogeme des Urethralfiebers ist trotz der zahlreiciien Be-
arbeitatigen, die dieses Thema seit Maisonneave gefunden hat, noch
fem dATOD, in allen Punkten aufgeklart zu sein.
In einer kurzen Uebersicbt über die allgemeinen Aüschauungen
auf diesem Gebiete gibt Hart mann eine Krankengeschichte bekannt, die
einige sehr beacbtenswerthe Momente enthält.
Nach H. steht es fest, dass es sich beim Urethralfieber nicht um
eine einfache Resorption von normalem Urin handle, sondern dass man
einer Infection in rein bakteriellem Sinne gegenüberstehe. Man weiss'
sehr wohl, dass gewisse Formen dieses Fiebers mit mehr oder weniger
ausgesprochenen Deferyescencen in Verbindung mit Eiterherden in den.
Nieren stehen, aber die Art und Weise, wie das infectiöse Agens in den^
reinen typischen Fällen von Gatheterfieber resorbirt wird, ist noch nicht
Tollstandig festgestellt. Unrecht haben nach H. diejenigen Autoren, die
die ürethralbakterien als Ursache der Temperatursteigerung nach Gathe-
terismus beschuldigen und glauben durch eine sorgfältige aseptische
Reinigung der Harnröhre der Infection entgegentreten zu können. Im
Gegentheil enthält der Urin der kranken Blase meist die Infectionsstoffe
und es ist zum Zustandekommen ' des Krankheitsbiides nothwendig, dass
nicht nur der Urin Urethral wunden passirt, sondern dass eine gewisse.
Quantität unter Druck in das Gewebe eingepresst wird — ein Verhältniss,
welches bei der Miction statt hat.
Die Krankengeschichte , an der H. seine Ansicht zu beweisen
sucht, ist folgende: Ein Prostatiker yon 65 Jahren hatte schon lange an
Urinbeschwerden gelitten und hin und wieder schwerere Krisen durchge-
macht, bis in letzter Zeit fast vollständige Retention eingetreten war.
Trotzdem erfolgte wieder Besserung und erst nach 12 Tagen vom ersten
Besuche H-'s an war dieser genöthigt, zum Gatheter zu greifen und
wegen grosser Schwierigkeit beim Ueberwinden der Prostasta einen Ver-
weiloatheter einzulegen.
Dieser konnte nach einiger Zeit wieder entfernt werden und der
Pat. ward in der Folge öfters catbeterisirt, z. Th. that er dies selbst,
wobei immer Blut kam, ein Zeichen, dass die Harnröhre Verletzungen auf-
wies. Niemals aber bestand Fieber. Nach fast 4wöchentlicher Behandlung
urinirte der Kranke zum ersten Male spontan. 11 Stunden später
typischer Schüttelfrost und Temperatursteigerung, die in wenigen Tagen
wieder herunterging.
So oft nun im Verlaufe der SVjmonatlichen Beobachtung der
Kranke den Gatheter gebrauchte, blieb er von Fieberanfällen verschont,
desgleichen, wenn er nur wenige Tropfen Urins spontan entleerte.
Erfolgte aber eine vollständige Miction, so trat jedesmal ein Schüttelfrost
mit längerer oder kürzerer Temperatursteigerung auf. Der Urin enthielt.
Golibacillen in Reincultur. Aus diesen Beobachtungen zieht H. folgende
Schlüsse:
1. Verletzungen des Urethralkanals auch wenn dieser nicht eitert?
führen nicht zu Temperatursteigerung.
ArebiT f. Dermatol. n. Sjphil. Band XXVI. ^2
474 Bericht über die Leistnngem auf dem Gebiete
2. Da der Caiheterifmas und Ideine Mengen Urins nie Fieber
hervorriefen^ dagegen eine voUst&ndige Mietion, so moss der Passage
einer grösseren Menge infecüösen Urins Über die wunde Harnröhre
nnd der Penetration eines gewissen Theiles derselben ins Gewebe die
Schuld an der Temperatorsteigerung angemessen werden. Barlow.
(8) Denys betont, dass die Beaction des Urins nicht sur Glaasi*
ficirung von Cystitisftllen verwendet werden dürfe. Im übrigen siehe
Denys, Diagnostic des microbee dans les urines. (BulL de l'Aead. de
Beige 1892.) Barlow.
(9) Die Beschreibung Aehard's und Hartmann*s betrifft denselben
Kranken, dessen Geschiehte der letxtere der beiden Autoren in „Quelques
r^flexions k propos d'nn oas de fiirre nrineuse ä aoc^s intermittents"
(8. ob. 7) ausführlicher gegeben hat.
Die Schlüsse, zu denen beide Verfasser kommen, sind folgende:
1. Trauma des Urethralkanals an sich ruft kein Fieber hervor.
2. Die Absorption der fiebererregenden Stoffe findet in der
verletsten Harnröhre statt, wenn dieselbe durch eine vollständige Miction
gedehnt wird.
8. Im vorliegenden Falle kam die Infection durch Bacterium coli
commune zu Stande. Barlow.
(10) Nach Denys genügt in den meisten Fällen von Gystitis die
mikroskopische Untersuchung eines Tropfens Urin, um die Gattung der
die Infection bedingenden Mikrobe festzustellen.
Bei Tuberculose der Blase findet man nur sehr wenige Bakterien,
die die bekannte Farbenreaotion geben.
Bei anderen Cystitisfällen werden am häufigsten der Bacillus laciis
aerogenes, der unbeweglich ist, und Strepto- sowie Staphyloooccen
geftmden, die sich mikroskopisch ebenfalls bequem unterscheiden
lassen.
Nach einigen weiteren allgemeinen Betrachtungen kommt Denys
zu folgenden Schlüssen:
1. Der Bacillus aerogenes Escherioh ist gewöhnlich der Infections-
erreger bei Krankheiten der Hamwege.
2. Die beste Eintheilung der Gystitis ist die nach den Erregem.
8. Die einfache mikroskopische Untersuchung des Urins genügt fast
immer, um die Infectionserreger zu bestimmen. Barlow.
(11) Charrin berichtet, dass Bouchard die Gegenwart von
Bacillus coli communis im Präputialsecret Gesunder und Kranker con-
statirt hat.
Femer hat B. öfters eine Krystallbildung auf festem Nährboden
durch diesen Bacillus gesehen. Auch Gasentwickelung tritt, besonders bei
Gelatinestichculturen, meist auf. Barlow.
(12) Reblaub ist es, gelegentlich seiner Untersuchungen über die
Gystitis bei Frauen aufgefallen, wie gross die Aehnlichkeit zwischen
Bacillus coli communis und der „Bact^rie pyogene Albarran^ ist. Immerhin
aber zweifelt er noch an der vollkommenen Identität beider and stellt
der Syphilis. 475
unter aller Betenre die Ansicht auf) dass vielleicht der Aufenthalt in den
Hamwegen an dem Colibaeillns einige Yerinderangen Ternrsache.
Barlow.
(18) Aehard nnd Renant, die früher die Bedeutung des Bact.
coli commune bei der Infeotion der Hamwege gans besonders vertreten
haben und die die Identität dieses Bakteriums mit der j^Bact^ie py-
ogne Albarran** stets hery erhoben, sind jetzt auf Grund von eigenen
und Morelles Untersuchungen zu der Anschauung gelangt, dass auch
dem Bacterium lactis aerogenes eine Stelle bei der ürininfection anzu-
weisen seL Das einzige Zeichen, wie man B. coli commune und B. lactis
aerogenes auseinander halten kann, ist Folgendes: Beide wachsen nicht,
wenn man eine alte Cultur abkratzt und auf den alten Nährböden
einen neuen Impfstrich derselben Bakterie macht. B. lactis aerogenes
aber wächst auf abgekratzten Coliculturen. Barlow.
(14) Achard und Ren au t fanden in der Niere einer schwangeren
Frau, die an Nephritis litt, einen Bacillus, der alle Eigenthümlichkeiten
des Bacillas coli communis Escherich aufwies. Postmortale Einwanderung
des Bacillus ins Gewebe war ausgeschlossen« Bei einem Vergleich dieses
Bacillus nun mit der „BactMe pyogene** von Albarran konnte weder
in Bezug auf Morphologie noch Verhalten im ThierkÖrper ein Unter-
schied gefunden werden. Sie schliessen hieraus auf die Identität beider
Bakterien, eine Ansicht, welche durch eine Mittheilung von Strauss,
der berichtet, dass Krogius durch ganz selbständige Untersuchungen
zu dem gleichen Resultate kam, unterstützt wird. Barlow.
(15) Achard und Renaut haben die Baoilles urinaires (es ist
nicht hervorgehoben, welche sie meinen — vermuthlich die mit dem
Bacterium coli commune identischen) auf ihr Vermögen, Harnstoff zu
zersetzen, untersucht. Harn mit diesen Bakterien geimpft, bleibt sauer:
auf reinen Hamstofflösungen wachsen sie nicht ; bei Zusatz von
Pepton (am besten 17t9 kaum noch bei ö*/« Peptongehalt) vermehren sie
sich, verlieren aber die Fähigkeit, die Indolreaction zu erzeugen. Die
Verff. schliessen aus ihren Versuchen, dass der Harnstoff diesen Bakterien
nicht zur Nahrung dienen kann, ja dass er ihnen bei ihi'er Entwicklang
schadet. Jadassohn.
(16) Krogius hat den aseptisch aufgefangenen Urin von 17
Cystitisfallen untersucht. Er fand ein Bakterium, welches morphologisch
und im Verbalten am ThierkÖrper absolut mit Esoherich's Bacterium
coli commune übereinstimmte und [ebenfalls mit Clado^s „Bact^rie
septique de la vessie** und Albarran's „Bact^rie pyog&ne' identisch zu
sein scheint. Infection von Reinculturen in die Blase von Thieren mit
folgender Ligatur der Harnröhre brachten Gystitis zu Wege, desgleichen
konnte K, subcutane Eiterung und Allgemeininfection mit seinen Bakterien
hervorrufen. (Cf. die sub (3) ausfuhrlich referirte Arbeit.) Barlow.
(17) Sertini constatirt, dass Harnsäure im Allgemeinen ein sehr
constanter, sich nicht leicht zerlegender Körper ist. Beweis: das Vor-
kommen im Guano, der Jahrtausende alt ist. Snspendirt man Harnsäure
32*
476 Beriebt über die heistwgen auf dem Gebiete
in Wasser und gestattet Luftzutritt, sa findet monatelang keine Zer*'
Setzung, statt, eine geringe Menge faulen Urines ruft aber sofort solche
hervor. ,,Mikrococcu8 ureae Jakscb" und Bacillus fluorescenc zersetzen
Harnsäure entweder nach der Formel C*«H*Az*0« + 8H«0* + CO n
4AzH5C'0« -f CO« oder es enUteht Harnstoff wahrscheinlich nsch
einer ähnlichen- Formel wie bei der Oxydation von Harnsäure sich AUoxan-
und Harnstoff bildet Bar low.
(18) Carlier und Arnault verstehen unter ^jürinabscesssn^^
Eiterungen, die durch ins Gewebe gelangten infectiöeen XJrin bedingt
sind und solche, die sich in der Gegend der Hamwege ohne Verbindung
mit denselben bilden. Der Erreger der Eiterang ist meist die „Baeterie-
pyogene^. Behandlung soll in ausgiebigen Einschnitten und Drainage be-
stehen. Womöglich müssen l)estehende Stricturen auch sofort behandelt
worden. Barlow.
(19) Marboun empfiehlt nach einer zusammenfassenden Be-
sprechung der bei Erkrankung der Hamwege angewendeten inneren
und äusseren Antiseptika das „ICikrocidine^ für die direete und indirecte
Antisepsis derselben. Das Mikrocidine besteht aus Naphthol und Aetz*
natron, ist in Wasser löslich, verdirbt Wäsche und Instrumente niöht
und ist weder giftig noch ätzend. Die Dosis innerlich ist 2 Gr. pro die.
Eine Solution (S : 1000) ruft in der Blase keine Schmerzen hervor.
Barlow.
(20) W. A. Meiseis, welcher die Blasenbewegungen an Kaninchen
iui. Sanders -Ezn'schen Bade von 88* G. mit 0,67o Koohsalzgehalt studirte,
kommt zu folgenden Resultaten:
1. Man kann die Blasenbewegungen der Thiere* nur unter denselben
Kautelen studiren wie die Darmbewegungen, weil die abkühlende und
trocknende Wirkung der Luft als starker Reiz wirkt; -auch entsteht an der
aufgedeckten Blase eine starke Hyperämie%
. 2. Die Blase vollführt selbständige, automatische Bewegungen, die
durch eine gewisse Rhythmicität charakterisirt sind. Diese Bewegungen
sind zusammengesetzter Natur und combiniren sich theilweise aus den
undulirenden Bewegungen der Seitenwände, aus den rotirenden und
gleichzeitig nach rechts und links schwankenden Bewegungen des Vertex.
Am stärksten ist die automatische Bewegung, wenn die Blase halb ge-
füllt, schwächer wenn sie stark gefüllt oder leer ist. Als Einleitung zur
Harnentleerung verliert die Blase ihre ovale Form, der spitzige Vertex
flacht sich ab und die Blase wird kugelförmig, später nimmt sie die Form
einer Kastanie an und wird gefurcht.
8. Die unterbundene und herausgeschnittene Blase vollführt im
Saude rs'schen Bade eben solche automatische, vom Centrum unab-
hängige Bewegungen, wie die mit dem Körper zusammenhängende un-
versehrte Blase und benimmt sich Reizen gegenüber qualitativ ebenso,
\Tie diese. Die Bewegungen der excidirten Blase sind höchst wahr-
scheinlich so zu deuten, wie Engelmann die periodischen Bewegungen
der Ureteren erklärte.
:> der SypHilis.. . •: ' 477
4. Die bei. der alkaliBcheii.Kaiiigährmig Bieh bildenden anormalen
fiambestaodtheile wie kohlensaures Amnion , Schwefel Wasserstoff nnd
<Schwefelammon sind .als Reize sn betrachten, welche Blasenbewegrangen
auslösen, und .zwar ist das kohlensaure Ammon.das'Stfirkstei Schwefel-
wasserstoff der schwächste Reiz. Aus Versuchen an excidirten Blasen er-
gibt sich, dass jene Reize die Bewegungen' nicht nur refleetorisch, sondern
«nch durch directe Reizung der ^Mnskelelemente und der motorischen
J^errenfasem der Blase 4uslösen. Die aufgezählten Hambestandtheile üben
auch auf die Gefasse der Blase eine, deutliche Wirkung aus: Schwefel*
wasserstoflf und Schwefelanimon erzeugt in stark diluirten Lösungen
Contraction. der Gefässe, kohlensaures und hamsaures Ammon dagegen
atarke Dilatation derselben.. Da die zwei ersteren bei der alkalischen
Harngährung nur in geringem Masse vorhanden sind, wird natürlich die
Wirkung der beiden letzteren auf die Blutgefässe ' prävaliren. Gon-
centrirtere Lösungen des kohlensauren Ammon können, wenn sie
längere Zeit mit der Blasenwand in Berührung sind, diese paretisoh
machen.
Aus allem hier aufgezählten erfolgt von selbst, dass der Tenesmus
die Hyperämie und die dem Tenesmus manchmal folgende Blasenparese,
die bei der alkalischen Harngährung im Innern der Blase beobachtet
werden, an die Gegenwart der obigen abnormen Hambestandtheile, be-
sonders an die des kohlen- und harnsauren Ammons gebunden sind.
Vielleicht irren wir auch nicht, wenn wir die Blasenschmerzen diesen
Substanzen zuschreiben.' Es ist unnöthig auseinanderzusetzen, wie sehr
alldies im gegebenen Krankheitsfälle, in Hinsicht auf die Nothwendigkeit
^iner Therapie, die möglichst frühzeitige gründliche Auswaschung und
Desinfection der Blase begründet.
5. Thermische Reize, uüd zwar Kälte ebenso wie Wärme, steigern
die Blasenbewegungen, gleichviel ob die Blase mit dem Körper im Zu-
sammenhang oder herausgeschnitten ist. Die Blutgefässe verengem sich
sowohl auf Kälte, als auf Wärme. £s gibt aber gewisse Unterschiede
zwischen den Wirkungen der beiden Temperaturen und zwar einestheils
die Blasenbewegungen, andemtheils die Gefässe betreffend.
Während nämlich auf Kältereize die zuvor heftig bewegte und
schon ermüdete Blase nach 2—3 Minuten langem Ausruhen wieder ihre
automatischen, rhythmischen Bewegungen beginnt, bewegt sich nach
Anwendung von warmem oder heissem Wasser die ermüdete Blase
Hingere Zeit, 10 ja 16 Minuten lang nickt, sondern liegt erschlafft da
und wenn sie sich wieder zu bewegen beginnt, so thut sie dies sehr
schwach, energielos. Die zufolg^e der Kälte contrahirten Gef&sse bleiben
längere Zeit, die auf. Wärme contrahirten nur kurze Zeit in diesem
Zustande. Letztere erweitem sich stark und erschlaffen viel früher als
die Blase selbst. Es versteht sich von selbst, dass bei gewissen Fällen von
Blasenblutungen die Anwendung von Kälte zweckmässiger sein kann, als
die der Wärme. i
478 Bericht über die Leiitnngen auf dem Gebiete
6. Die Harnblase antwortet auf mechaaitche Reizungen mit Gon-
tractionen und Steigerung ibrar Bewegungen. Ea iat dies tbeilwmse eine
Reflexwirknng, theiiweise aber wird der Reis ron den glatten Mnskel«
fasern fortgeleitet; die Wirkang ist aoch an der excidirtea Blase xn
beobachten,
7. Die Blase kann durch faradischen Strom aar Gontraction ge*
awnngen werden, was übrigens bei der therapentisehen Anwendung
des elektrischen Stromes ebenfalk eonstatirbar ist, bisher aber experi-
mentell noch nicht bewiesen wurde. Barlow.
(21) Magon bat die Arbeiten früherer Forscher über die
Absorptionsfähigkeit der Blasensehleimhant nachgeprüft und die Ursachen
für das Entstehen oder Ausbleiben von Resorption eingehend besprochen.
Barlow.
(22) Gnyon^s Kranke, eine Frau von 24 Jahren, hatte einen para-
metritischen Abscess, aus dem sich, wie das Endoskop xeigte, Eiter in
die Blase entleerte. Die Blasenschleimhaut selbst war gesund und es
bestand auch kliniscb keinerlei Anhalt für eine Cystitis. Der mit dem
Eiter des Abscesses gemischte Urin enthielt Bacterium coli commune,
welches aus dem Eiterheerde stammte. Inooulationen von Culturen auf
Meerschweinchen waren erfolglos. Ans diesem Befunde sieht Guyon
folgende Schlüsse, die er zur Stütze seiner an anderer Stelle oft vorge-
tragenen Ansicht über die Entstehung der Gjstitis verwerthet.
1. Es gibt keine Gystitis ohne Bakterien, aber die Bakterien sind
nicht an sich fähig, die Krankheit hervorzurufen, sondern bedürfen dazu
gewisser unterstützender Momente.
2. Diese Momente sind Retention, Trauma, Gongestion. Am
wichtigsten von diesen ist die Retention
a) wegen der Stagnation des Harnes,
h) wegen der durch dieselbe bedingten
1. Hämorrhagien,
2. Epithelverletzungen;
e) wegen der Parese der Blase, die nach langer Retention
entsteht.
Eine Einth eilung der Gystitiden darf nicht nach den Bakterien-
arten gemacht werden, die nur dazu beitragen^ sie hervorzurufen, denn
eine solche Eintheilung zieht die Entwicklung der Krankheit nicht
genügend in Betracht. Die eigentlichen Grundursachen müssen als Basis
für eine Glassification dienen. B arlow.
(28) Schnitzler, der schon 1890 eine vorlaufige Mittheilung über
einen von ihm aus einer Anzahl von Gystitisföllen gezüchteten Bacillus
und dessen pathogene Eigenschaften veröffentlichte, hat in einer neueren,
mit eingehenden historischen Bemerkungen versehenen Arbeit die Resultate
einer bakteriologisohen Harnuntersuchung von 26 Biasenkranken aus-
führlich mitgetheilt.
Bei sftmmtliohen Patienten mit Ausnahme eines einzigen war der
Urin ammoniakalisch oder wurde es in kürzester Frist, nachdem er.
der Syphilis. 479
unter Meptisohen Cantelen aufgefangen war, im Reagentglase unter
WatteTerschlusB. 4 der Fälle waren Entzündungen der Blase sogleich
mit bestehender Strictur, 3 waren mit Steinbildnng compUcirt, 18 Fälle
betrafen Caiheterisatjionsoystitiden bei sonst gesundem uropoetisohem
Apparat (DerCatheterismus war wegen yorübergehender Retention nach
einer Operation erforderlich)^ bei 4 Hess sich eineAetiologie nicht genauer
feststellen und endlich war bei einem ein Caroinom in die Blase perförirt.
Ausserdem sog Sohnitsler eine Patientin, welche eine partielle Blasen-
exstirpation öberstanden hatte, in den Kreis seiner Beobachtungen«
Die Befunde waren wie folgt:
a) 16mal fand sich in der Blase nur eine einzige Bakterienart.
fr) lOmal waren mehrere Species neben einander vertreten.
Ad a) In der ersten Gruppe zeigte sich:
1. 9 {+ l Blasenexstirpation) mal ein stark hamstoffzersetzender
Bacillus, der mit Proteus Hauseri sich als identisch erwies.
2. Imal ein Coccus, der harnstoffzersetzend war und Gelatine
verflüssigte. (Wahrscheinlich ein abgeschwächter Staphylococcas pyo-
genes albus.)
3. Smal ein Coccus, der Harnstoff zersetzte und Gelatine con-
sumirte. (Mikrococcus ureae Leube.)
4. imal ein Bacillus, der Harnstoff nicht zersetzte. (Bacillus bei
Golpitis emphysematosa ; Eisenlohr und Klein.)
5. Imal ein Bacillus, der Harnstoff zersetzte und Gelatine nicht
verflüssigte.
Ad fr) In der zweiten Gruppe fand sich:
1. 7ma] Proteus Hauseri,
2. Imal der oben genannte Staphylococcus pyogenes,
3. Imal eine Harnstoff nicht zersetzende Bacillenart.
Es waren also im ganzen 23mal hamstoffzersetzende und 2mal
nicht harnstoffzersetzende Arten vorhanden. Bei einem Kranken, dessen
Urin ammoniakalisch war, gelang es nicht, den Harnstoffzerleger zu
isoliren. Die Reinculturen der Bakterien gewann Schnitzler auf
dem üblichen Wege mittelst Plattenverfahren aus ganz frischem Urin.
Die hamstuffzerlegende Fähigkeit derselben studirte er an sterilem Harne,
wobei er durch Controlversache mit Jackscher ^Nährlösung bewies, dass
wirklich jede stärkere Ammoniakbildung im sonst normalen Harne aus
dem Zerfall von Harnstofi stamme.
Dt9 weiteren bespricht der Verfasser eingehend Rovsing^
Theorie von der Aetiologie der Cystitis und kommt zu dem Schlüsse,
dass £ür die Entstehung einer Blasenentzündung beim Menschen eine
Urinretention im Sinne Rovsing 's und Guyon's nicht unbedingt noth*
wendig sei. Auch den von Rovsing aufgestellten Typus einer «catar-*
rhalischen Blasenentzündung^ lehnt er auf Grund eigener Versuche ab»
da es ihm gelungen, mit nicht pyogenen Hamstoffzerlegem oder Ammo->
niaklösung eitrige Cystitis hervorzurufen. Ferner erkennt Schnitzler
4S0 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
im Gegensatz za RoTsing'B Ansicht auch eine sanre, nicht tnbercnlöse
Cystitis an.
Zu diesen Anschauungen ist der Autor auf Grund zahbeicher
Thierversnohe gekommen, welche derselbe in einem' Anhange ausführlich
mittheilt, ebenso wie er eine genauere Beschreibung der verschiedenen
gefundenen Bakterien wie insbesondere des bisher allein von ihm und
Krogius bei Cystitis gefundenen Proteus Hauseri und dessen Wirkung
auf den Thierkörper gibt. Jils würde den Rahmen eines Referates bei
weitem überschreiten, alle diese interessanten Einzelheiten ausfahrlieh
zu besprechen resp. kritisch zu beleu<^ten. Barlow.
(24) Reblaub^s Arbeit über die Cystitis beim Weibe bezieht eich
auf 16 Fälle. Die FVagen, deren Lösung er auf experimentellem Wege
erstrebte, waren folgende:
1. Sind alle Cystitiden bei Weibern bakteriellen Ursprungs?
2. Sind die eventuell gefundenen Bakterien ein ätiologischer Factor
oder stellen dieselben nur eine accidentelle Erscheinung dar?
3. unter welchen Bedingungen wirken die Mikroben pathogen auf
die Blase?
4t, Woher stammen dieselben und auf welchem Wege erreichen sie
das Organ?
In einem 2. Theile studirte der Verfasser an der Hand klinischer
Beobachtung, inwieweit die Resultate der Thierexperimente sich mit den
Befunden am Menschen vereinigen liessen uud endlich ist eine 3. Ab-
theilung der Schrift einer Untersuchung gewidmet, in welchem Ver-
bal tniss die einzelnen zum Zustandekommen der Blasenentzündung
als nothwendig erkannten Factoren bei der Cystitis blennorrhagica,
graviditatis, puerperalis und der sogenannten „Cystite primitive' eine
Rolle spielen.
Was die Einzelheiten des im ganzen 7 Capitel umfassenden
Werkes betrifft, so ist das 1. Capitel historischen Betrachtungen ge-
widmet, welche, wie in fast allen gleichzeitigen Arbeiten über das Thema
der Blasenentzündung, im Wesentlichen die von Rovsing 1890 ange-
führte Literatur mit einzelnen Completirungen umfassen. Im 2. legt
der Autor seine Untersuchungsmethode dar, von deren genügender
Sicherheit er sich durch Control versuche an gesunden Blasein über-
zeugt hat.
Das 3. Capitel enthält eine Beschreibung der verschiedenen ge-
fundenen Bakterienarten und zwar zeigten sich bei den 16 Fällen 4mal
Staphylococcns pyogenes aureus, Imal Mikrococcus albicans amplns
(Bumm), Imal Diplococcus subflavus (Bnmm), 6mal Bacterium coli
commune (Escherich), 2mal Bacillus griseus (Weichselbaum), 2mal
Proteus Hauseri (Urobacillus liquefaciens septious [Krogius]). Es waren
also regelmässig im Urin der Cystitiskranken Bakterien (meist in Rein-
oultur) vorhanden, während der Harn 5 gesunder Frauen stets steril
War. Sämmtli che Mikroben besassen die Fähigkeit, Harnstoff in kürzerer
der Syphilis. 481
oder längerer: Zeit zu zulegen. Der Urin abw war bi« auf 2 Fälle (in
einem ist die Reaction in der Krankengeschichte nicht angegeben,
Ref.) bei der Entnahme ans der Blase stets deutlich sauer.
Im 4. Gapitel beschreibt Reblaub, der die pyogene oder to-
xische Fähigkeit seiner Mikroben durch Versuche an verschiedenen
Thierea festgestellt, hatte, die Resultate, welche er bei ' der Erzeugung
experimenteller Gystitis an 'Kaninchen hatt^* Iniicirte er eine Auf-
schwemmung von Reinculturen der Bakterien in die Blase, so schwanden
dieselben nach wenigen Stunden schon aus dem Urin und es trat nie
Blasenentzündung ein.
Legte er aber, nach der Iigection eine Ligatur um die Harnröhre
und erzeugte er so künstliche Retention, so gelang es regelmässig eine
Gystitis hervorzurufen, nur war die Zeit, deren die einzelnen Bakterien*
arten dazu bedurften, eine variable. Ebenso waren die Erfolge positiv,
wenn er eine Gongestion derBlasenschleimhaut durch Ganthariden bewirkte«
Unsicher und schwankend aber war die Bakterien wirkuug, wenn er ein
Trauma der Blase der Injection beifügte. Gewöhnlich kam auch
dann eine Gystitis nur bei längerer oder kürzerer Ligatur des Penis zu
Stande.
Die Besprechung über die Wege, auf denen eine Infection der Blase
zu Stande kommen kann, findet sich im 5. Gapitel und ist im Wesent-
lichen referirend gehalten.
Was den 2. und 8. Theil der Arbeit anbelangt, welcher die
Gapitel 6 und 7, sowie die sorgfältig geführten Krankengeschichten und
Versuchisprotokolle bringt, so muss in Bezug auf die darin mitgetheilten,
höchst interessanten Ausführungen des Verfassers auf das Original ver-
wiesen werden, da ein Eingehen auf die vielen wichtigen Details zu
viel Raum beanspruchen würde. Es dürfte für die Zwecke eines
Referates genügen, die Schlussfolgerungen, welche Reblaub aus seinen
Experimenten und klinischen Erfahrungen zieht^ hier kurz mitzutheilen.
Dieselben lauten wie folgt:
1. Bei allen Fällen von weiblicher Gystitis finden sich Bakterien.
2. Dieselben sind meist in Reinkultur vorhanden.
8. Es gibt sehr vielerlei Mikroben, denen cystitiserregende Eigen-
schaften zukommen.
4. .Das Bacterium coU commune (Bact6rie pyogene Hall6), etwas
mqdificirt durch seinen Aufenthalt in den Harnwegen, wird beim Weibe
w^ beim Manne am häufigsten bei der Blasenentzündung angetroffen.
5. Die aus den kranken Blasen gezüchteten Mikroben sind
pathogen.
6. Die Invasion, der Bakterien in die Blase an und für sich ruft
keine Gystitis. hervor. Noth wendig zum Zustandekommen derselben sind
Retention des (Jrins oder Trauma, resp. Gongestion der Blase.
7. Die in der kranken Blase gefundenen Bakterien finden sich
normaler Weise in der Urethra, Scheide, Darmtractus und der Luft in
einer mehr oder weniger abgeschwächten Virulenz.
482 Bericht über die Leistimgeii auf dem Gebiete
8. Die Blase kann infieirt werden 1. ron der Urethra, 2. Ton
der Umgebung, 8. von den Nieren aus. Bei letzterem Modus entsteht stets
Nephritis.
9. Klinik und Thierezperiment stehen im Einklang, soweit die
Aetiologie der Biasenentsündung und die zum Entstehen derselben
nothwendigen Vorbedingungen in Betracht kommen. Doch gibt as eine
Ansabl von Gjstitisf&llen, bei welchen wir genöthigt sind, eine gewisse
pr&disponirende Schwäche des Organs anzunehmen.
10. Die sogenannte gonorrhoische GystitiB ist Ar gewöhnlich eine
Mischinfection. Durch Gonococcen bedingte Infection der Blase ist, wenn
dieselbe überhaupt exiitirt, beim Weibe sehr selten.
11. Die Cystitis bei Graviden stellt keine besondere Art dar. Die
Gravidität wirkt nur prädisponirend für Infectionen durch die mit ihr eio*
hergehende Gongestion der Unterleibsorgane eventuell durch die von ihr
manchmal verursachte Urinretention.
12. Die Gystitis puerperalis kommt in 2 Formen vor. Die eine ist
bedingt durch Infection im Puerperium, die andere, besser Gystitis
post partum genannt, durch eine solche von aussen, welche noch be-
günstigt wird durch den Zustand, in dem sich die Beckenorgane naeh der
Geburt befinden.
18. Die sogenannte „Gystite primitive" bei der Frau ist meist
tuberculÖR, kann aber auch durch andere Bakterien, die, sei es durch
die Nieren oder vom Genitaltractus aus io die Blase gelangen, be-
dingt sein.
Anmerkung des Ref.: Der abweichende Standpunkt, den Re-
ferent in einigen der oben referirten Punkte einnimmt, findet sich in
einer in diesem Archiv erschienenen Arbeit ausfahrlicher dargelegt
Barlow.
(25) Frisch beobachtete einen 52jährigen Patienten mit chronischer
abscedirender Prostatitis. Plötzlich trat unter Schüttelfrost und schweren
Allgemeinerscheinungen heftige Gystitis auf, als deren Erreger Fr. im
Harne des Kranken gefundene Streptococcen ansah. Ein Erysipel der
Haut, welches sich im Verlaufe der Beobachtung am linken Oberschenkel
entwickelte, legte den Verdacht nahe, dass es sich beim Beginne der
Erkrankung um ein primäres Schleimhaoterysipel der Harnblase gehandelt
habe und Gultur- sowie Thierversuche mit den aus dem Urin gezüchteten
Streptococcen stutzten diese Ansicht Barlow.
(26) Zu der Frage, ob das Vaginalsecret Schwangerer pathogene
Keime enthält — eine Frage, die von verschiedenen Autoren verschieden
beantwortet ist — nimmt Burguburn mit einer bakteriologischen
Untersuchung des Vaginalsecrets von 12 gesunden, vorher innerlich nie
untersuchten und nie desinficirten Schwangeren Stellung. Das Seeret
wurde mittelst Pipette aspirirt und in Agar- und (}elattneplatten aas-
gegossen. Ausser einer Anzahl Mikroorganismen (Sareine, Hefe, verschie-
dene Gocoen und Bakterien), die der Autor auf Grund des Thierexperiments
oder cultureller Diagnostik für harmlos hielt, fanden sich in 2 Fällen
der Syphilii. 483
StaphyloeocciM pyogenas albus, in 1 Fall Staphyloooeoos cereos albna,
in 1 Fall ein Streptoeoccas. Um diese als pathogen sn erweisen, wurde
das Tfaierexperiment herbeigezogen, doch befriedigte die gewöhnliche
Einverleibung (intrayenöse, iutraperitoneale Injection) nicht | da die
Thiere, wie dies auch von anderer Seite gefunden war, sich gegen diese
wahrscheinlich abgeschwächten Mikroben refractär verhielten. Die In-
jection in vordere Augenkammer, resp. Glaskörper ergab dagegen cum
Theil positive Resultate. Beide Staphylococci albi verursachten Hypo-
pyon, doch nur der eine von ihnen Glaskörpervereiterung. Der Staphylo-
eoocus cereus albus ergab circumscripte Entzündungsherde plastisch-
fibröser Natur. Dagegen verliefen die Augenimpfungen mit dem Strepto-
coccus pyogenes rewDiltatlos. Auch die EinimpAmg am Kaninchenohr
misslang. Die von Gottstein angegebene Injection von Hydracetin,
das die rothen Blutkörperchen zerstört und so zu einer späteren Impfung
empfänglicher machen soll, erwies sieh als unzulänglich, da spontan
Abscesse (Stallabseesse) auftraten. Auf Grund dieser Thierexperimente
und der Eigenschaften der Reincultaren hält B. die gefundenen Staphylo -
coccen mit den bekannten Eitererregem for identisch und will den
geringen experimentellen Ausfall durch die abgeschwächte Virulenz
erklärt wissen. Auch den Streptococcenbefnnd hält er nicht fOr bedeu-
tungslos. Der Klinik müsse es überlassen bleiben, den Bedingungen nach*
suspüren, unter welchen diese Organismen voll vimlent würden und Puer-
peralfieber erzeugten. A. Philippson.
(27) Da ein Theil der Witte'sohen Befunde, nämlich diejenigen,
welche sich auf den Pyosalpinxeiter beziehen, schon andern Orts ver-
öfifentlicht und in diesem Archiv referirt ist, so erübrigt hier nur, einiges
von den bakteriologischen Resultaten wiederzugeben, die W. aus der Unter»
suchung des Scheidensecrets erhalten hat. Bemerkenswerth ist die Ent-
deckung von 6 Arten von Knrzstäbchen, die sich dadurch aaszeichnen, dass
sie in kleiner Menge subcutan oder intraperitoneal injicirt, in relativ kurzer
Zeit den Tod der Impfthiere herbeiführen. Am meisten Interesse nahmen
die in der Vagina gefundenen Eitererreger in Anspruch, mit denen sich
auch verschiedene andere Autoren beschäftigt hatten. Bekanntlieh haben
die ans dem Scheidensecret gewonnenen Staphylococcen und Streptococcen
erheblich von ihrer Virulenz eicgebüsst, so dass Winter an Thieren
überhaupt keine Eiterung erzielen konnte. Demgegenüber konnte Witte
die aus der Vagina oder dem übrigen Genitaleansl rein gezüchteten
Staphylococcen und Streptococcen in einem Drittel der Fälle als virulent
nachweisen. Um eine Erklärung für die Abschwächung der Mikrobien zu
finden, wurden virulente Staphylococcen und Streptococcen auf saure
(Milchsäure) Nährböden verimpft, da das Vaginalsecret selbst sauer re-
agirt (Säuregrad von 0,95Vo Milchsäure). Staphylococcen konnten einen
Säuregehalt von 0,57t> dagegen Streptococcen nur von 0,08—0,07% ver-
tragen. Solche Gulturen hatten aber die Fähigkeit eingebüsst auf
neutralem bezw. schwach alkalischem Nährboden weilerzuwachsen und
Thiere zu inficiren. Bei den Streptococcen musste man schon auf einen
484 Bericht über die.LeiBtuQgen auf dem Gebiete
SäaregehBli von 0,61% zai^okgeheti, am bei Thieren Abscesae zn erzielen,
dagegen zeigte sich an den Thieren nicht ein Mal etwas krankhaftes bioi
intravenöser I^jection von Btaphylococcen, die einer GuUur von 0,1 — 0,3"/«
Säuregehalt entstammten. A^Philippson.
(28) Von den ä zur Beobachtung gelangten und durch Laparotomie
gewonnenen Pyosalpiuxprfiparaten Wittens enthielt daa. erste Rausch«
brandbacilleh , das zweite und dritte KäpselbaciUen , welche die
Gram'sche Färbung annahmen und sich als Dipjococc. lanceolat. Fränkel
erwiesen. Im 3. Falle fanden sich ausserdem noch andere Bacillen. Im
4. Falle waren neben Gonococcen noch Staphylococcen gefunden worden,
was von Interesse ist, da Wertheim die Bedeutung der Mischinfection
geleugfnet bat. Witte erwähnt in dieser Beziehung noch eines, ähn-
lichen Falles^ in welchem neben Gonococcen auch der Streptococcus pyo-
genes longus angetroffen wurde. A. Philippson.
(29) Hei tz mann macht auf die relative Häufigkeit der Cyatitis
bei Frauen, welche mehrere Geburten .überstanden haben, aufmerksam.
Die Schlauheit der Scheide und des Beckenbodens in solchen Fällen
begünstigt das Zustandekommen von Cystocelen, die im weiteren Yerlauf
Divertikel bilden, in denen Harn stagnirt, sich zersetzt (? ohne Bakterien-
einwanderung ? Ref.) und entzündungserregend wirkt. .
Seltener ist die Blasenentzündung durch Infectiou der Harnröhre
mit Gonococcen bedingt. Dieselbe kommt auch infolge des acuteren
Entstehens und der dadurch hervorgerufenen stürmischeren Symptome,
ebenso wie die auf traumatischem Wege erfolgte, oder durch fortgepflanzte
Entzündung von den Nachbarorganen aus bedingte Cystitis, eher zur
Behaodlung und meist relativ schnell zur Heilung.
Die chronisch, schleichend entstehende Blasenentzündung aber
dauert infolge der anfanglich geringen Beschwerden, welche die Pati-
entinen nicht gleich zum Arzte fahren, oft monatelang und ruft
schliesslich bedeutende Alterationen der ganzen Wand und insbesondere
der Schleimhaut des Organes hervor. Von dieser letzteren stösst sich,
begünstigt durch die chronische Hyperämie und Entzündung, Epithel
in grossen Massen ab und daft neue unter ungünstigen Umständen sich
bildende (Harnzersetzung etc.) ist äusserst zart und wenig widerstands-
lähig gegen Solutiones continui.
Auf diese Weise kommt es zu Fissuren, welche äusserst quälende
Symptome hervorrufen und den Kräftezustand der Patientinen sehr
schädigen können. . Vor allen Dingen klagen die Frauen über Störungen
bei der Harnentleerung, deren Frequenz meist sehr gesteigert und die
Läufig ungemein schmerzhaft ist. Nicht elten wird Blasenkrampf am
Ende der Miction beobachtet und auch in den Intervallen können —
das ganze Organ in Mitleidenschaft ziehende — Schmerzanfalie vorkommen.
Der Urin enthält nicht selten Blut. Es erinnert dieser Symptomencomplex
sehr an den „irritable bladder-* genannten Zustand und es ist für Heitz-
mann nicht zweifelhaft, dass manche dieser Fälle eine Gystitis mit. be-
stehenden Fissuren darstellen.
der Syphilis. 485
Eine sitshere Diagnose kann nnr das Endoskop üefem.
In Bezng auf die Aetiologie der Fissureiibildung kommt als be-
sonders prädisponirend die Gonorrhoe in Betracht und zwar sowohl bei'
chronischen wie bei acuten Fällen , femer . Cohabitationsversache und*
Pessare. -
Die Heilung ist bei acuter Entstehung meist leicht und oft eine
spontane. Beim chronischen Bestand aber, insbesondere wenn ammonia-
kalischer Harn sich in derBlasie befindet, ist dieselbe sehr schwierig und
langwierig, ja es können sich eventuell bösartige Tumoren an Stelle . der,
lang vemachlässigten Fissuren entwickeln.
Bei jeder Behandlung ist peinlichste Antiseptik Grundbedingung.
Prophylaktisch soll jede Cystitis sorgsam überwacht' und geheilt werden.
Sind einmal Fissuren vorhanden, so müssen dieselben ndbeuder allge->
meinen gegen die Entzündung der Blase gerichteten Therapie (Spulungen)
besonders durch Auftupfen (täglich od. seltener) mit Adstringentien local
beeinflusst werden.
Recidive sind nicht selten und es empfiehlt sich, die Behandlung
nicht zu frühe abzubrechen. Gelingt es nicht, die Grundursache zu
heben, so erscheint allerdings die Prognose quoad Recidiv eine ungünstige.
Barlow. .
(80) In 4 Gapiteln bespricht Guyon an der Hand von Kranken-
geschichten seine Erfolge mit Sublimat bei Cystitis, Die Beobachtung
erstreckt sich im Ganzen auf 26 Fälle, von denen 10 mit Spülungen und
16 mit Instillationen behandelt wurden. Die Spülungen geben im Ganzen
bedeutend schlechtere Resultate als die Instillationen und G. sucht die
Ursache für dieses Verhalten in den Fehlem der Spülnngsmethode.
Wie die beigegebene Curve eines Falles zeigt, steht die vermehrte
oder verminderte Mictiou durchaus im Zusammenbang mit der kleineren
oder grösseren Capacität der Blase. Das Ydlum ist aber wieder von
dem Sensibilitätszustand, resp. der Entzündung abhängig und es leuchtet
daher leicht ein, warum so häufig nach Spülungen bei acuter Gystiti»
und kleinem Blasenlumen n^it gewaltsamer Dehnung der Blasenwand statt
Besserungen Verschlimmerungen eintreten.
Bemerkenswerth ist femer, dass die behandelten tuberculösen Gysti-*
tiden (10 an Zahl) die Sublimatinstillationen vortrefflich vertrugen, im
Gegensatz zu dem Verhalten gegen alle anderen Mittel, insbesondere
gegen das sonst so treffliche Argentum nitricum. 5 dieser Fälle wurden
sehr gebessert.
Die übrigen Gysti tiden waren verschiedenen Ursprungs, die Resultate
z. Th. bedeutende Besserung, z. Th. Heilung. Nur 4 Fälle, mit Spülungen
behandelt, heilten nicht.
Was die Teichnik der Instillationen anlangt, so warnt Guyon
entschieden vor starken Goncentrationen des Sublimats. Die Stärke der
Losung soll bei Beginn der Behandlung nicht 1:5000 übertreffen und
durchschnittlich auch in späteren Stadien 1 : 1000 nicht überschreiten.
Alle Lösungen müssen ohne Alkohol hergestellt werden. Die £in-r
486 Berieht über die Leiitongen auf dem Gebiete
spritsQDgen werden nnmiitelbar hinter dem Schlieesrnnikel gemacht,
beginnend mit 20^90 Tropfen allmftlig zn 4 Gr. mit gleichzeitiger
Verstärkung der Lötnng ateigend« Die Blase mnet vor der Instillation
selbstyerst&ndlioh leer aein. Spölnngen sollten nur bei einer gewissen
Tolerans der Blase Yerwendang finden. Will man statt Snblimat Argentnm
nitricom (caye bei Tnbereolose I) anwenden, so wird mit 10«- 16 Tropfen
einer 2*/« Lösnng begonnen und siemlich schnell bis dVt gestiegen.
Ein Gapitel der Pnblication ist Desinfectionsyersachen von Halle
gewidmet. Dieser Forscher fand, nm das Wichtigste heryorznheben, sehr
bedeutende CDtwicklangshemmende Eigenschaften bei Sublimat und Ar-
gentnm. Sehr schwer war es dagegen, eine Desia&otion yon eiterigem,
Keime bergenden Urin sn erzielen, swei Thatsaoben, die nicht grade
auffallend sind. Interessant aber und yon praktischem Werthe ist die Mit-
theilnng, dass Ohio rsil her in Urin oder Bouillon entwicklungshemmend
auf Cystitisbakterien eingewirkt haben soll, eine Thatsache, die sehr
geeignet scheint, den Instillationen das Wort su reden. Barlow.
(31) Okey-Blom hat sich eine Jodoformöllösung in folgender
Weise hergestellt. 1 Gr. Jodoform wird in 7 Gr. Aether gelöst und diese
Mischung mit 7 G^. Oliyenölyermengt. Applicirt yrird dieselbe bei Cystitis
mittelst des Instillateurs in der Dosis yon 1 — 6 Gr. taglich.
Diese Therapie kann bei nicht heilenden Cystitiskranken ohne Be-
sorgniss angewendet werden und hat nach 0.-B. unter 12 Blasenentiün-
düngen yerschiedener Art in 11 Fillen g^te Dienste gethan. Barlow.
(82) Filippow iigicirte nach yorheriger Ausspülung der Blase
mit V4 7, Milcbs&urelösnng 20—40 Gr. einer 10% Jodoformemulsion (nach
Mosetig-Morhof) und Hess die Flüssigkeit nach einer Viertelstunde wieder
abfliessen. In 8 Fällen sah er yon dieser Behandlung einen sehr gün-
stigen Erfolg.
(83) Boegehold hat bei 72 FUlen yon acuter gonorrhoischer
Cystitis 60mal schneUes Aufhören des Tenesmus und Klarwerden des
yorher trüben ürines durch Gopaiya-Balsam 0,6 4->6 Kapseln pro die
ersielt. Bei 12 acuten Blaseneatarrhen (nicht auf (^norrhoe beruhend),
8mal günstiger Erfolg durch oben genannte Mittel. Unter 10 Fällen
chronischer Cystitis 5 MaL Nach den Guyon'schen HöUensteinin-
stillationen hatte Autor in 3 acuten Fällen Verschlimmerung beobachtet.
Barlow.
(34) Henry berichtet über 2 Fälle yon Cystitis, welche er mit
Methylenblau (8mal täglich 1 Gran) behandelt hat. Der eine der Pa-
tienten, der seit 2 Jahren krank war (Ataxie, Prostatiiis, Lues) wurde in
8 Wochen sehr wesentlich gebessert, der andere mit einfacher Cystitis
geheilt. Jadsssohn.
(35) Bryson erzählt, dass einem Cystitiker in Folge einer Verwechs-
lung eine zweimalige Blasenausspülung mit einer Lösnng yon 80,0 2% Sali-
cylglycerin in 125,0 Wasser yon einem Studenten gemacht wurden; der
Erfolg war ein so überraschender, dass Vortragender diese Cor in an-
deren Fällen oft wiederholte. Er empfiehlt es aber nur in solchen Fällen
der Syphilis. 487
▼on ohron. GystitiB, in denen, wo die Blaseniohleimhant mit einer
dicken Schicht von Eiter und abgestorbenen Hierenepithelien bedeckt sei,
auf welche das Salioyl gnt lösend wirke, wfthrend er diese Methode bei
anderen Formen von Gystitis for eontraindicirt hält. Paul Neisser.
(86) Sympson empfiehlt das Salol fftr die Behandlung der chro-
nischen Gystitiden sehr energisch. Es soll den Urin fast immer in
wenigen Tagen klar und sauer machen und von seinem unangenehmen
(Geruch befreien. S. gibt es in einer Mixtur (Salol 8,0 Pulv. acac.
Gummi qu. s. Aq. Ginnamoni 860,0 4stl. 1 Essloffel). Jadassohn.
(37) Gazeneuve hat, nachdem er die antibakterielle und anti-
fermentative Wirkung 5%iger Antipyrinlösung expenm enteil festgestellt,
hat, diese Lösung auch zur localen Behandlung eitriger Gystitiden (2 Fälle)
und gonorrhoischer Blasenhalscatarrhe verwendet und sehr gute und
schnelle Erfolge erzielt Jadassohn.
(88) Desnos fand, dass Betinollösungen nur sehr schwache
antiseptische Eigenschaften haben, aber dass die Gegenwart des Retinols
die Löslichkeit anderer Salze günstig beeinflussen kann. Er empfiehlt
Instillationen von Salol zu 5 bis 10*/« in Retinol gelöst zu 20—30 Gr. nach
vorhergehender Spülung der Blase mit warmer Borsäure. Betont wird,
dass das Mittel reizlos sei. Barlow.
(89) Stenbeck beschreibt aufs genaueste die Yortheile, welche
die Anwendung der von ihm zum ersten Male medicinischen Zwecken
dienstbar gemachte Gentrifuge für die Untersuchung von Flüssigkeiten,
die arm an Formelementen sind, mit sich führt. Gelegentlich einer Be-
sprechung der Befunde im Gystitis-Urin wendet sich Stenbeck ent-
schieden gegen Rovsing 's Auffassung von dem Entstehen der Gy-
stitis und insbesondere gegen die Ansicht des letztgenannten Autors,
als sei jede mit saurem Urin einhergehende Blasenentzundung , tuberculös.
(Ref. möchte hier betonen, dass er auf Grund eigener Untersuchungen
Stenbeck's Meinung vollkommen theilt.) Stenbeck gelang die
Isolinmg eines Bacillus aus saurem Gystitis-Urin, den er Bacillus ureae
aoidus nennt und dessen genauere Beschreibung noch folgen soll. (Sollte
es sich vielleicht um Bacterium coli commune handeln? Ref.) Neisser'-
sche Gonococcen fand Stenbeck nie im Urin. Ausser diesen bakteriolo-
gischen Untersuchungen enthält der Artikel noch manch' Wissenswerthes
über den Nachweis von Erystallen, Gylindem etc. im Harne und über die
Untersuchung anderweitiger pathologischer Secrete und Ezcrete.
Barlow.
(40) Guttmann empfiehlt für. klinische Ham-Sedimentirungsz wecke
eine von Blähnsdorf in Frankfurt a/M. constrairte elektrische Gentrifuge,
welche 1600 Umdrehungen in der Minute erzielt. Der Preis derselben
beträgt 60 Mark. Galewsky.
(41) Boisseau de Roch er bespricht in einem ausführlichen
Artikel die Vor- und Nachtheile verschiedener gebräuchlicher Endoskope.
Die näheren Details der sehr lesenswerthen Arbeit wiederzugeben würde
488 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
die GreoEen eines Referates bedeutend überschreiten und es rnnss
daher auf das Original rerwiesen werden. Bar low.
(42) Otis zeigt snnachst ein Urethroskop, das in einem kleinen
Concavspiegel besteht, welches ein fetter Draht von ungefähr 5 Cm,.
Länge mit dem Urethroskoprohre verbindet. In der Mitte des Drahtes
ist eine kleine Edison'sche elektrische Lampe angebracht, während ein.
halbkreisförmiger Schirm unmittelbar hinter dem Spiegel sich befindet,
um die äusseren Ldchtstrahlen abzuhalten. Wie bei dem Leiter ^schen
Instrument, von welchem das beschriebene nur eine Modification darstellt,
fallen die Strahlen von der Lampe auf den Spiegel und werden in den
Tubus reflectirt, während das beleuchtete Feld über den Scheitel des Spiegels
hinweg leicht beobachtet werden kann. Als ürethroskoprohr dient am
besten das von Klotz (New- York), welches ohne Trichter an seiaem
äusseren Ende, sich nahezu 2'/, Gm. weiter als der früher gebräuchliche
Desormeawe*sche Tubus in die Urethra vorschieben lässt. Das in der Üeber-
schritt als „vervollkommnetes" ürethroskop bezeichnete Instrument besteht
aus einem Metallrohr oder Cylinder von 3 Vi Gm. Länge und ly. Cm.
im Durchmesser mit verschlossenem äusseren Ende. Vom offenen Ende
des Cylinders 0,6 Cm. entfernt ist eine planconvexe Linse so angebracht,
dass sie leicht entfernt und gereinigt werden kann, während in der
Nähe des verschlossenen Gylinderendes in der Länge von 0,6 und im
Durchmesser von 1,8 Cm. sich ein Bug befindet, durch welchen die Licht-
quelle, eine kleine elektrische Glühlampe, ein<;^eführt werden kann und der
ausserdem mit den bez. Yentilationsöffnungen versehen ist. Die Handhabe
des Instrumentes besteht aus einem Stück Hartg^ummi von 27, Cm. Länge
und ly. Cm. Weite, durch welche die elektrischen Verbindungsdrähte
zur elektrischen Lampe gehen. Diese Handhabe ist mit dem Buge
mittelst eines sog. Bayonetgelenks verbunden, wodurch die Lampe
unmittelbar an die Planseite der Linse gebracht wird. Mittels einer
Schraubenvorrichtung kann die Lampe nach Belieben auf und ab ge-
dreht werden. Dieses Instrument wird nun aai besten mit dem oben
angegebenen Klotz^schen Tubus mittels des oben gleichfalls angeführten
Drahts in Verbindung gebracht. Wenn die Lampe bei richtiger Lage
des Instrumentes leuchtet, wird ein so starker Lichtstrahl in das Urethro-
skoprohr geworfen, dass die Harnröhren Schleimhaut besser als mit irgend
einem anderen Instrument beobachtet werden kann. 0. fasst die Vorzüge
seines Instruments dahin zusammen: 1. Schliesst es die störenden Anssen-
strahlen aus. 2. Gewährt es einen viel leichteren Zugang zur Harnröhre
sowohl far das Auge als für Instrumente. 3. Ut die Beleuchtung inten-
siver. 4. Die Lichtquelle und somit das Auge kommt gegen 4 Cm. dem
Urethroskoprohre näher. 5. Das Instrument ist sehr compact und wiegt
(trotzdem in Messing) kaum 80 Gr. 6. Es ist sehr einfach und deshalb
wenig kostspielig. Loeser.
(48) In dem Aufsatze Sümegh's sind vorzugsweise die dem Spe-
cialisten geläufigen Anweisungen für den Catheterismns in einer leicht
verständlichen und praktischen Form wiedergegeben. Auf die Desinfection
der Syphilis. 489
•der Instrumente (metallische^ durch Siedehitze, Nelaton^s und Metcier^s
durch Carbol- oder Snblimatlösnng) und der Urethra (leider wird nicht
angegeben, durch welche Lösung) wird gebührendes Gewicht gelegt, die
Brauchbarkeit- der Catheter mit MercieWscher Krümmung mit Recht be-
tont, Ton den metallischen Instrumenten werden die mit DittePscher und
Ultzmann*scher . Krümmung am meisten empfohlen ; als Kunstgriff bei
„spastischen Stricturen" wird vorherige Ii^'ection von 6 — 6 Gr. Oel an-
gegeben, vor der vorzeitigen Anwendung metallischer Instrumente gewarnt,
die Gontrole vom Rectum aus, besonders bei Prostataschwelltingen betont
— zum Schluss aber gebührend hervorgehoben, dass gerade auf diesem
Gebiete die persönliche üebung der Aerzte unersetzlich ist.
Jadassohn.
(44) Wendschuh hat Gatheteretuis aus Leder, Hartgummi oder
Gelluloid in Form von Cigarrentaschen für die biegsamen englischen
Gatheter, in Form von Blechdosen für die elastischen seidenen oder die
Nelaton'sohen Gatheter verfertigt. In jedem Etuis können 1—3 Stück
untergebracht werden; zum Einölen ist innen ein Gelflacon oder eine
Yaselinbüchse angebracht. Dieselben sind zunächst für den Selbstgebrauch
der Patienten bestimmt. Lex.
(45) Nazaris und Taquet haben eine Methode zur Sterilisirung
von Gathetern mit Hilfe von Quecksilberdämpfen erfunden. Die An-
wendung scheint etwas complicirt und langwierig und leider ist von den
Autoren eine genaue Angabe der Art und Weise, wie sie ihre Gefasse
etc. desinfioirten, nicht gemacht worden. Bar low.
(46) Lanelongue glaubt die Schwierigkeiten, welche die sichere
und zugleich för die Instrumente unschädliche Desinfection der weichen
Catheter und Boogies darbietet, dadurch überwunden zu haben, dass er
sie in verschlossenen Tuben aufbewahrt, auf deren Grunde „Rondelles
de flanelle mercurielle^ sich befinden. Er hat sich davon überzeugt, dass
die Quecksilberdämpfe das ganze Gefass erfüllen und dass die Instru-
mente in dieser Atmosphäre unendlich lange aseptisch bleiben. Zum
Einfetten benutzt er sterilisirtes Gel, in dessen Behälter etwas metal-
lisches Quecksilber gegossen wird. Seitdem Lanelongue sich dieser
Methode bedient, hat er nie mehr irgendwelche unangenehme Folgen des
Catheterismus etc. erlebt. Jadassohn.
(47) Nach Jacobi gibt es zahlreiche Ursachen der Blasen- und
ürethralreizbarkeit bei Frauen. Die Gynaekologen beziehen sie ge-
wöhnlich auf Entzündung und Lageveränderungen der Gebärmutter.
Howard hat auf das Symptom des Harndranges und des häutigen
Hamens bei Affectioneu der Harnleiter aufmerksam gemacht. Manchmal
ist es das hervorragendste Symptom eines Nierensteins. Andererseits hat
Goodell (Philadelphia) mit Hecht behauptet, dass eine nervöse Blase
eines der ersten Zeichen eines nervösen Hirns sei. Denn wie die Nervo-
sität eine mangelhafte Beherrschung der höheren gegenüber den niederen
Nervencentren bedeute, so weise auch die Blasenreizbarkeit auf einen
ArehiT f. Dtnnatol. n. Syphil. Band XXVI. 33
490 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Mangel der Himcontrole hin. Zur Illustration dieses Satees föhrt J«
mehrere Fälle an.
1. Eine 25jährige nnyerheiratete Dame mit nerröaem Temperament,
die in Folge Aufregung in ihrem Berufe als Sohreiblehrerin ängsÜieh
und traurig wurde, verspürte Tag und Naoht Harndrang und bei Beginn
und sn Ende des Harnens einen unerträglichen Schmers, der allem An-
scheine nach seinen Sitz im Blasenhalse hatte. Der Urin selbst, die Harn-
Organe sowie die Genitalien zeigten nichts Abnormes. Auch ron Hysterie
zeigte sich keine einzige Aeusserungi wenn man nicht die Blasen*
reizbarkeit als solche ansehen will. Durch locale Faradisation — eine
Elektrode auf die Lendenwirbelsanle, die andere auf die Blasengegend
jedesmal 20 Minuten lang — erfolgte Heilung. J. glaubt, dass in der
That periphere hysterische Neurosen, mag es sich um Lähmungs- oder
Erampfzustände oder um Paraesthesien handeln, durch die genannte
Art der Elektricität beinahe specifisch beeinflasst werden.
2. Eine 6C|jährige hysterische Frau mit deutlicher Analgesie der
unteren Extremitäten, so dass eine Nadel von der Spitze bis zum Kopfe
ohne Schmerzensäusserung eingestochen werden konnte, litt an seit-
weinen Anfällen von Blasenreizbarkeit ; durch Iigection von 0,12
Cocain auf 80,0 Wasser in die Blase wurden die Anfälle prompt be-
seitigt.
8. Eine westindische Creolin im Alter zwischen 60 — 60 Jahren mit
normalen Geschlechtsorganen und Urin klagte über fortwährenden Druck
im lilasenhalse und häufigen Urindrang. 15 Jahre zuvor war ihre Urethra
deshalb von Marion Simps mittels forcirter Dehnung, jedoch ohne
Erfolg behandelt worden. Nach verschiedenen fruchtlosen Behandlungen
wandte J. den fsradisohen Strom an, indem die eine Elektrode direct
in die Blase geführt wurde, worauf die Kranke Besserung fühlte. Heilung
erfolgte jedoch erst, nachdem eine am Orific. int. urethrae endoskopisch
vorgeftindene Schleimhautschwellung mittelst einer I*/oi£r^n Arg. nitr.-
Lösung, die mittels eines besonderen Instruments ausschliesslich auf die
betroffene Stelle applicirt wurde, einige Zeit behandelt war.
4. Eine mit Dysmenorhoe und allgemeiner Nervosität behaftete
Frau klagt über anhaltendes Brennen in der Harnröhre. Der Schmerz
wurde besonders beim Gehen schlimmer und strahlte in die Lenden und
Schenkel aus, so dass Patientin meist liegen musste. In Anbetracht des
neurasthenischen Zustandes wurde sie mit Ueberernähmng von Fleisch
behandelt. Das Leiden wurde darnach schlimmer. Von dem Gedanken
ausgehend, dass in Folge mangelhafter Fleisohverdauung sieh vielleicht
toxische Substanzen bildeten und so die Neurasthenie herbeiführten,
wurde die Kranke auf Milchdiät gesetzt (8 Lit. tägL) nnd fühlte sich
seitdem viel wohler. Doch war die Beobachtung des Falles z. Z. noch
nicht abgeschlossen. Loeser.
(48) Den tu bespricht auf Grund einer Krankengeschichte die
verschiedenen Arten reflectorischen Spasmus der Urethra. Der betref-
iende Patient litt an Hämorrhoidalknoten mittlerer Glosse und hatte
der Syphilis. 49 X
schon jahrelang mit Hamhesohwerden zu thnn, die in theilweiser Re«
tention nnd sehr schwacher expnlsatorischer Kraft der Blase bestanden.
Besonders auffallend waren diese Symptome su Zeiten der „H&moirhoidal-
krisen^. Die Untersuehnng ergab Abwesenheit jeglicher organischer
Yerändeningen in d«r Urethra, so dass die ESrscheinnngen mir aaf
reflectorischen Spasmus Enrückanführen waren. Solche Spasmen können
auftreten im Verlaufe von Gonorrhoen, Blasensteinkrankheiten und Pro-
stata- und üterinerkrankungen. Auch bei Trauma (Sturz aufs Perineum)
selbst entfernterer Regionen (Schenkel- Armbruche) kommen dieselben vor
und sind zumal bei Verletzungen der unteren Extremitäten nicht selten.
Ein Beweis, dass die in derartigen Fällen entstehende HamTcrhaltung
etc. auf Spasmus und nicht auf Paralyse der Blase beruhen, findet sich
in dem Widerstand, welchen der Ganal der Bougirung entgegensetzt.
Das Fehlen von Schmerzen allein spricht nicht gegen Spasmen und die
schwache Expulsionskraft der Blase Iftsst sich durch eine Schwächung
der Muscnlatur bei lange bestehender Disteusion erklären. Zur Behand-
lung empfiehlt sich am besten die DivulsioD. Barlow.
(49) Heidenreich's Kranker, ein Mann von 40 Jahren, kam
wegen eines harten Fremdkörpers in der Urethra in B^andlung. Der
Pat. gab an, vor 2 Jahren plötzlich durch Schmerzen aus dem Schlafe
geweckt worden zu sein und einen harten Körper in der Harnröhre
bemerkt zu haben. Der ürinstrahl war seither nur mehr fadenförmig.
H. machte eine Boutonniere und zog einen Knochen von 1 Ctm.
Länge und 20 Centigr. Gewicht aus dem Urethralcanal. In der Gegend
des linken Schambeindornes befanden sich Narben von 2 Fisteln und
der Knochen vorsprung fehlt. Vor 10 Jahren sollen Schmerzen in der
Hüfte links bestanden haben. H. schliesst auf einen tuberoulösen Process,
der das Knochenstück seinerzeit löste und beim Durchbrechen in die
Blase das Fragment mitschwemmte. Barlow.
(60> Brown stellt einen 48jährig. Mann vor, der im 17. Lebenswahre
zum ersten Mal Beschwerden in der Harnröhre verspürte. 3 Jahre vorher
hatte er eine Gonorrhoe. Die urethroekopische Untersuchung ergab
ein rauhes Aussehen der ganzen Schleimhaut und eine ungewöhnliche
papilläre Hervorragung. Vor dem Uriniren fand sich besonders im
Bulbus ur. eine schleimigeitrige Absonderung. 7 Monate wurde Pat.
vergebens behandelt. Die Untersuchung auf Tuberkelbacillen irar ne-
gativ. Der Urin enthielt Albumen und Blut. Endlich wurden in einer
aus der Harnröhre kommenden dickeren ungefärbten Masse gegen 10
Nematodenwürmer gefunden. Der Mann hatte nie in den Tropen gelebt
und auch sonst war über den Ursprung der Erkranknag niehts zu
ermitteln. L o e s e r.
(61) Fiorani operirte durch laterale Incision einen Gretin von
84 Jahren, welcher sich 3 kleine Holzstückchen in die Urethra einge-
schoben hatte. Dieselben waren von Salzen inkrustirt und die Stcin-
bilduDg hatte bei allen 8 die Grösse einer Pfiaume erreicht.
33*
/
492 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Einer der Steine befand sich in der Blase, einer am Blasenhalse,
der dritte in der Urethra.
Bei einem zweiten Fat. extrahirte F. durch Urethrotomie einen
Stein der Harnröhre von 4 Cm. Länge und 3 Cm. Dicke.
Eine 8. Operation betraf einen 60jährigen Mann, bei dem früher
eine Lithotripsie vorgenommen worden war. Ein Stück des Steines hatte
sich in der Harnröhre eingekeilt und war allmälig im Laufe vieler
Jahre zu einem Phosphatconcrement von 16 Or. Gewicht geworden.
Urethrotomia externa. Heilung ohne Zwischenfall. Barlow.
(52) Marshall fand bei einem jährigen Kinde, das mit völliger
Urinverhaltung ins Nottinghamer Einderhospital gebracht wurde, in der
Nähe des Orificium urethrae einen Stein im Gewicht von 18 Cg. Nach
der Entfernung desselben kamen spontan nur wenige Tropfen Urin, auch
aus dem eingeführten Catheter floss nur ein schwacher Strahl. Durch
Druck oberhalb der Symphyse dagegen wurden schnell 188 Com. Urin
entleert. Mit Rücksicht auf eine auszuführende Lithotrypsie sei es nicht
ohne Nutzen zu wissen, dass ein so junges Kind so viel Flüssigkeit ohne
Nachtheil hat zurückhalten können. Loeser.
(53) Martin sah typische Balanitis an einem 8jährigen Kinde
auftreten. Die Ursache für dieselbe sucht er darin, dass ein Verwandter,
der an chronischer Cystitis litt, die Ansteckungsquelle dargestellt habe.
Er knüpft an seine Beobachtung die Warnung, zur Pflege von Kindern
Personen mit chronischen infectiösen Ausflüssen zuzulassen.
Barlow.
(54) Perrin hat mehrere Fälle von Leucoplasien mit Degeneration
des Epithels beobachtet, zwei an der Zunge, eine an der Unterlippe
und eine an der Vulva. Bei der Möglichkeit der Umwandlung dieser
Leucoplasien in Epitheliome räth er, dieselben jederzeit energisch mit
dem Thermo- oder Galvanocauter zu entfernen. Paul Neisser.
(55) Will et demonstrirt eine fibröse Geschwulst, die sich unter
der Haut des Penis eines älteren Individuums befunden hatte. Ausgangs-
punkt die bindegewebige Tunica des Penis. Bestand 2V, Jahre. Zu-
sammensetzung vorwiegend glatte Muskelfasern. Barlow,
(56) Wille tt demonstrirt 2 congenitale Cysten, aus dem Scrotum
eines Knaben stammend. Der Hoden, obwohl anliegend, war von den
Tumoren getrennt. Targett glaubt, dass es sich um degenerirte
Nävi handle, eine Ansicht, der Bowlby widerspricht, unterstützt von
Willett. Barlow.
(57) Shattock zeigt ein glattes Myom des Corpus cavemosum
penis, welches eine Steinbildung aus Magnesium- und Calciumphosphat
im Inneren barg. Barlow.
(58) Arbuthnot Lane rapportirt über einen Fall eines ausge-
dehnten, schnell zerfallenden Papilloms am Peuis. Dasselbe war bei
einem 39jährigen Mann 3 Wochen nach einem Coitus aufgetreten und
hatte sich trotz Behandlung in 4 Monaten bis an die Peniswurzel ver-
breitet. Auch in der Harnröhre fanden sich Wucherungen, die wie die
der Syphilis. 493
übrigen Neubildungen leicht spontan und auf Manipulationen hin
bluteten. Da es sich zeigte, dass die Corpora cavemosa selbst ergriffen
waren, sowie dass die Urethra theilweise durch das Gewächs zerstört
war, so musste die Amputation des Penis vorgenommen werden. Das
Mikroskop ergab einen Tumor von papillomatösem aber nicht epithelialem
Charakter. Genesung erfolgte prompt. Bar low.
(59) Nach einer kurzen Besprechung der Pathologie der Phimosis
gibt Germa eine ausf&hrlichere Beschreibung der verschiedenen Ope-
rationsmethoden. Er verwirft die Inoision, Excision, Dilatation und räth
dringend zur Circumcision. Er empfiehlt die von Horteloup angegebene
Operation mit dem von diesem construirten Instrument (cf. Original).
Lasch.
(60) Trekaki empfiehlt auf Grund einer Erfahrung von 30 Circum-
cisionen Verletzungen des Frenulum zu vermeiden, da Narben in dieser
Gegend bei späteren Erectionen störend sein können. Cocain ist bei
der Operation nicht sehr günstige Chloroform überflüssig. Bar low.
(61) Doran theilt Erfahrungen über die chirurgische Behandlung
von Vnlvo - Yag^nalcysten oder Cysten der Cowper'schen Drüsen mit.
Er ist für complete Exstirpation, welche ihm an einem einschlägigen
Falle, der einen sehr hoheu Grad erreicht hatte, geglückt ist. Meist
ist die Cowper'sche Drüse selbst der Ausgangspunkt. Hutschinson
bemerkt, dass er abgesehen von derart veralteten Fällen wie der
des Vortragenden, guten Erfolg von partieller Exstirpation der Cysten-
wand und Cauterisation des Inneren gesehen habe. Sheld empfiehlt
Chromsäureapplication nach partieller Exstirpation. Doran selbst hat
dagegen Misserfolge nach Partialexcision beobachtet. Barlow.
(62) Schuchardt versucht durch 7 von ihm beobachtete Fälle
die Annahme zu beweisen, dass die Inoculation der Tuberculose auf
dem Wege des geschlechtlichen Verkehrs und der hierdurch bedingte
Tuberculose der inneren Geschlechtsorgane und die regionären Lymph-
drüsen gar nicht so selten vorkommt und dass es sich dabei um
Mischinfectionen einestheils mit Sohankergift, andemtheils mit Gono-
coccen handelt.
Die beiden ersten Fälle beziehen sich auf Ulcera mollia, die von
Bubonen gefolgt waren. In beiden Fällen erwiesen sich bei der Operation
die Drüsenpackete tuberoulös erweicht; in dem 2. Fallewar im Ge-
schwürssecret der Nachweis von Tuberkelbacillen gelungen.
In den 5 andern Fällen — Gonorrhoe und Tuberculose — gelang
der gleichzeitige Nachweis von Tuberkelbacillen und Gonocoocen 2mal
bei bereits anderweitiger tuberculöser Erkrankung. In 2 Fällen war
ausser den im Secret der Urethra nachgewiesenen Tuberkelbacillen keine
tuberculose Erkrankung nachzuweisen, doch reagirten beide auf In-
jection von 0,01 Gr. Tuberculin ohne örtliche Reaction mit Fieber.
Im 7. Falle handelt es sich um einen chronischen Harnröhrencatarrh mit
Tuberkelbacillen, der aus einem acuten tubercuiös-gonorrhoischen her-
vorgegangen war. Lasch.
494 Bericht über die Leistimgen auf dem Gebiete
(63) Mal herbe operirte durch hoben Blasensehnitt einen Pat. Ton
18 Jahren, der an wiederholten Blasenblntnngen nnd Sehmerzen gelitten
hatte. Bei der endoekojHschen Untersnchnng schien ein Tnmor vorsoliegen,
weswegen die Operation eingeleitet wurde; es zeigte sich aber bei Ge-
legenheit derselben, dass offenbar ein Blutgerinnsel den Tumor vorge-
täuscht hatte. Statt dessen fand sieh eine ausgedehnte Tnbercnlose der
Blasenschleimhaut, die thermocauterisirt wurde. Resultat: Bedeutende
Besserung.
Im Anschluss an diese Mittheilnng erörtert Malherbe die Indi-
cationen für chirurgisches Eingreifen bei tubercnlöeer Gystitia, und
kommt KU dem Schlüsse, dass dasselbe bei sicherer Diagnose umschrie-
bener, auf die Blase allein beschränkter Veränderungen sehr wohl günstig
wirken könne, dass aber die Sicherstellnng dieser Diagnose sehr
schwierig sei. Barlow.
{64) Horteloup beschäftigte sich mit der Behandlung tuber-
culöser Prostatae nach Lanelongue's Methode. Nach Herstellung
einer Perinealboutonniere wurde mit einer langen Hohlnadel in die ein-
zelnen Prostatalappen gestochen nnd Eisenchlorid iojicirt. Verweil-
catheter 48 Stunden lang. Besserung in 2 Fällen. Barlow.
(65) Brown stellt einen Kranken mit Tnbercnlose der Uro-Genital-
wege yor; die Präparate enthielten beinahe Reinculturen von Tuberkel-
bacillen. Der Kranke, ein Seemann, bemerkte zuerst eine leichte, bald
vorübergehende Hämaturie. Ein Jahr später traten grössere Störungen
beim Uriniren auf. Das Gystoskop stellte nichts positives fest Später
kamen kleinere Blutklumpen mit dem Urin. Die seitlichen Prostatalappen
zeigten sich bei der Rectaluntersuchung vergrössert und 2 zartere Knötchen
fanden sich nahe der Spitze der Samenbläschen. Die Lungen waren frei.
(66) Petit empfiehlt zur Behandlung der Blasentuberculose eine
lauwarme Injection von 160 Gr. Wasser, versetzt mit 10 Tropfen Opium-
tinktur zu machen« Dieser Mischung wird ein Theelöffel von:
Jodoform 20*0
Glycerin 10^
Aq. dest. 6*0
Traganth schleim 0*5
zugesetzt. Nach 2 Minuten lässt man die eine Hälfte der in der Blase be-
findlichen Flüssigkeit ablaufen, die andere soll möglichst lange darin
gehalten werden. Barlow.
(67) In einem klinischen Vortrag bespricht Duplay im Anschluss
an 2 Fälle die Pathologie der tnberculösen Cystitis; er unterscheidet
8 Gruppen von Kranken : Solche mit isolirter Blasen-, solche mit Blasen-
und Genital* und solche mit Blasen- und Lungentubereulose. Bezüglich
der directen Infeotion der Frau — bei welcher die Blasentuberculose
bekanntlich sehr selten ist — durch den Goitus spricht sich der Verf.
sehr skeptisch aus. Er unterscheidet 2 Stadien der Krankheit, die oft
unmerklich in einander übergehen: Das erste, das der „Grudit6 des tu-
bercnles'', das 2. das der Erweichung, die eigentliche tuberculöse „Gy-
der Syphilis. 495
ttitit", welche sich beBonders durch heftige Sehmerzen anzeigt. Von den
Symptomen werden neben den Beschwerden die Haematnrie (in der
leisten Portion der „8 Gläser- Probe**), Schmerzen bei Druck auf den
Grund der Blase (wo die Tuberkel zun&chst meist sitzen und wo man
sie er. vom Rectum aus fühlen kann), endlich die Tuberkelbaoillen be-
sprochen« die aber auch fehlen können. Der Tod tritt auch bei Patienten
mit Phthise meist durch Uebergreifen auf die Nieren (Gachexie urinaire)
ein. Therapeutisch verwirft Du play die locale Behandlung, — nur eine
operative Eröfinung der Blase und Curettage kann bei geeigneten F&Uen
▼or Allem mit Rücksicht auf die Wünsche des Patienten versucht wer-
den — und begnügt sich mit diätetischen Massnahmen. Jadassohn.
(68) Aus den Bemerkungen Stintzings über Urogenitaltubercu-
lose erwähnen wir hier nur, dass der Verf. nicht bloss die Verheiratung
tuberculöser Individuen dringend widerräth, -*- wogegen wohl Niemand
opponiren wird — sondern dass er auch verlangt, dass bei den polizei-
ärztlichen Untersuchungen der Prostituirten besonders auf Tubeiculose
geachtet und die tuberculösen Individuen unbedingt ans der Reihe der
Prostituirten entfernt werden sollen, da nach seiner Ansicht die Zahl
der durch die Prostitntion veranlassten Fälle von „Cobabitationstuber-
culose*' keine geringe sei. Jadassohn.
(69) Unter mehr als 1500 Fällen von Influenza hat Zampetti
8 Mal Orchitis beobachtet, die einmal in Abscessbildung ausging,
die beiden anderen Malen sich sehr schnell zurückbildete. Bar low.
(70) Kelly's Kranker, ein Mann von 32 Jahren, bekam am 10. Tagd
eiaer Influenza Orchitis. Nähere Genitalunterauchung nicht erwähnt.
B a r 1 o w.
(71) Harris sah an einem 67jährigen Manne im Verlaufe einer
Influenza Orchitis auftreten. Nähere Untersuchung, speciell auf Gonococcen,
ist nicht erwähnt. Barlow.
(72) Briscoe beschreibt einen Fall von Orchitis bei einem
82jährigen Influenzakranken. Einen positiven sicheren Beweis, dass es sich
nicht um eine Hodenentzündung als Folge einer irgendwie exacerbirten
chronischen Urethritis gonorrhoica posterior gehandelt habe, gibt er nicht.
Barlow.
(78) Oestreich demonstrirt eine Prostata, bei welcher die rechte
Hälfte die Grösse einer Mannesfaust, die linke die einer Birne hatte. Das
Präparat stammt von einem Manne, welcher sich 2 Jahre lang selbst
cathetensirte. Ein Abscess, der im Anschluss an einen falschen Weg ent-
standen, hatte eine Perforationsperitonitis hervorgerufen, an welcher
Patient starb. G al e w s k y.
(74) Bruce Clarke hat mit der galvanocaustischen Methode
Bottini's 3 Fälle von Prostatikern, die noch normalen Urin, aber schon
bedeutende Mengen von Residualham hatten, geheilt und einen sehr
gebessert. Die Anwendung eines Catheters war nicht mehr nöthig, da
die Patienten nach der Operation auf natürlichem Wege die Blase
entleerten.
496 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
DiscuBsion: H. Fenwick h< den Apparat für zu BchwerföUig'
und unpraktisch. Besonders tadelt er, dass eine Einwirkung auf den
Mittellappen mit dem Instrumente unmöglich sei, während 90% von
Harnbeschwerden bei Prostatavergrösserung durch die Hypertrophie des
Mittellappe^8 bedingt sind. Swinfood bemerkt, dass er keine
eigene Erfahrung mit Bottini's Methode hat. Er gebraucht ein modi-
ficirtes Prostatatoraa, doch sind seine Resultate nur sehr temporär.
Buckston Browne warnt vor der fortwährenden Einführung neuer
Methoden und besonders vor üeberschätzung ihrer Wirkung. E« konomt
vor, dass die atonische Blase eines Prostatikers wieder vollkomxneii
functions tüchtig wird, auch ohne jede Operation. Barlow.
(75) Pousson hat bei einem Prostatiker, der an Gystitis mit sehr
schmerzhaften Krisen litt, den hohen Blasenschnitt mit Drainage mit
bestem Erfolge gegen die Entzündung gemacht. Die Gystalgie aber
blieb bestehen und Pousson macht darauf aufmerksam, dass eine
Operation bei schmerzhafter Gystitis durchaus nicht immer auf die
Krisen günstig wirken müsse, während antiphlogistisch fast stets Erfolg zu
verzeichnen sei. Barlow.
(76) Poncet macht den hohen Blasenschnitt bei Prostatikern, 1.
wenn Gatheterismus unmöglich oder 2. durch falsche Wege sehr er-
Echwert ist, 8. wenn Zeichen von ürinintozication oder 4. unstillbare
Blutungen in der Blase vorliegen. Erprobt hat er die Methode an S5
Fällen und gute Resultate zu verzeichnen. Barlow.
(77) Goignet's Patient, ein Prostatiker von 71 Jahren, hatte sich
mittcrlst elastischen Gatheters einen falschen Weg durch die ganze Prostata
hindurch gebohrt, der in der Peritonealhöhle endete.
Lehrreich ist der Fall insofern, als er zeigt, dass statt des ela-
stischen Gatheters bei derartigen Patienten lieber ein Kelaton zu benutzen
ist, und dass man sich durch die Angaben von Prostatikern, die be-
haupten, den Gatheter in der Blase verloren zu haben, nicht abhalten lassen
soll, zaerst die Harnröhre zu untersuchen.
Poncet stimmt der letzteren Ausführung auf Grund eigener Er-
fahrung bei. Barlow.
(78) Key es plaidirt in Fällen von Prostata-Hypertrophie, selbst in
scheinbar verzweifelten für eine Prostatectomie nach Oeffhung der
Blase vom Hypogastrium aus. Die Entfernung des Prostatagewebes selbst
geschieht mittelst Ecraseur. Die Anwendung von Diuretin kann nütz-
lich sein. Barlow.
(79) Mansell Moulin theilt ausfahrlich 2 Krankengeschichten
von Prostatikern mit, bei denen er die Prostatectomie mit verschiedenem
Erfolge vornahm. Bei dem ersten Pat. musste nur ein kleiner Theil des
vergrösserten Mittellappens behufs Herstellung einer ungehinderten
Passage entfernt werden. Gystitis bestand zur Zeit der Operation nicht.
Hier erholte sich die Blase fast vollständig von ihrer Atonie und es trat,
relative Heilung in 2 Monat^en ein. Anders im 2. Falle. Hier bestand starke .
der Syphilis. 497
Cyftitis and es mossten grosse Theile beider Seitenlappen der Prostata
excidirt werden. Tod erfolgte 3 Monate nach der Operation an Pyelitis.
Barlow.
(80) Mansell Moulin gibt ^eine Anzahl hübscher Zeichnungen'
von Prostatavergrösserangen. Unter seinen Ausfuhrongen sind hervorzu-
heben erstens, dass die Prostata ein rein genitales Organ ist und mit
der Miction nichts zu thun hat; zweitens, dass der Beginn der Ver-
grösserung weder auf Bindegewebshyperplasie, noch auf Atheromatose
beruhe, sondern dass ein Drüsentumor entsteht, welcher regressive
Veränderungen eingehen kann; drittens, dass die mangrelhafte Gontrac-
tionsfahigkeit der Blase nicht primär von Alterationen der Blasen wand,
die nur secundär sind (Oystitis), abhängt, sondern vom obliterirenden
Prostatatumor, da die Blase nach zeitiger Operation ihre volle Ezpul-
sionskraft wiedergewinnen kann.
Nach einer genauen Besprechung der verschiedenen operativen
Behandlungsmethoden discutirt M. eingehend die Vor- und Nachlheile
jeder einzelnen und empfiehlt schliesslich, bei bestehenden Beschwerden
und Gomplicationen frühzeitig zu operiren. In Fällen, bei denen die
Blase durch Gystitis etc. ihre Function eingebüsst hat und die Nieren
schon bedroht sind, muss man sich auf palliative Massregeln beschränken.
Barlow.
(81) Mansell MouUin ist der Ansicht, dass bei der heutigen,
vorgeschrittenen Prostata Chirurgie die Difi'erentialdiagnose zwischen den
einzelnen Formen und Arten der Yergrösserung noch nicht genügend
beachtet werde. Die gewöhnlichen Untersuchungsmethoden reichen zu
diesem Zwecke nicht aus. Rcctaiuntersuchung kann nur Aufschluss
über Hypertrophie der dem tlectum zunächst gelegenen Drüsentheile geben.
Ueber das Verhalten der Prostata am Blaseuhalse oder in den Seitenlappen
erhält man keine Aufklärung.
Exploration mit der Sonde stellt die Länge der Pars prostatica
urethrae fest und die Gombination mit Rectaluntersuchung kann, be-
sonders bei festen Tumoren, zu Resultaten führen; auch eine etwaige
Dilatation der Harnröhre im Prostatatheil las st sich constatiren, manch-
mal ist es sogar möglich, über die Form der in die Blase reichenden
Drüsentheile sich zu orientiren. Die Gystoskopie ist nur von beschränktem.
Werthe.
Alle diese Methoden haben aber den Nachtheil, nur den mittleren
Theil der Prostata in Betracht zu ziehen. Ueber die Seitenlappen, auch
wenn dieselben so hypertrophirt sind, dass die Harnröhre in Schlitzform
comprimirt wird, ertheilen sie keine Auskunft. Um nun zu constatiren,
ob der Abfluss des Urins aus der Blase durch einen sich klappenformig
vorlegenden Drüsentheil oder durch Verengerung der Urethra bedingt
ist, lässt M. M. Borsäure durch Druck mittelst eines am £nde offenen,
bis an den Prostatatheil der Harnröhre geführten Gatheters einfliessen.
Bei klappenartigem Verschluss genügt der geringste Druck, um die
Varia.
Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Nachdem durch die
im Juli und August vorgenommene schriftliche Abstimmung die Abhaltung
des IV. Congresses unserer Gesellschaft zu Pfingsten 1894 in Breslau be-
schlossen und mir die Geschäftsführung för diesen Gongress übertragen
worden ist, beehre ich mich hierdurch zum Besuch unserer Versammlung
ergebenst einzuladen.
Der Gongress wird stattfinden am Montag (Pfingstmontag), den 14.
Mai 1894 und an den beiden folgenden Tagen.
Die Sitzungen werden abgehalten werden von 9 — 12'/, und von
2 — 47, ühr. Die geschäftliche Sitzung ist für Dienstag, den 15. Mai, um
12 Um: anberaumt. Die wissenschaftlichen Hauptthemata sind:
1. lieber die modernen Systematisirungsversuche in der Dermatologie.
Referent: Professor Dr. Kaposi.
2. lieber den gegenwärtigen Stand der Lehre von den Dermatomy-
cosen. Referent : Professor Dr. Pick.
Ausserdem ist bereits eine Anzahl von Vorträgen angemeldet; ich
bitte aber um möglichst baldige Anmeldung weiterer Vorträge und De-
monstrationen, damit recht bald das vollständige Programm versendet
werden kann. Einem früheren Beschluss der Gesellschaft entsprechend
werden in erster Reihe Demonstrationen berücksichtigt werden; um die-
selben nach Möglichkeit zu erleichtern, werden die Heise- und Verpfle-
gungskosten für Kranke nach vorhergehender Anmeldung beim GeschäfU-
mhrer von der Gesellschaft getragen werden. In Verbindung mit dem
Gongress wird eine Ausstellung von Instrumenten, Arzneimitteln, Mou-
lagen, anatomischen Präparaten etc. stattfinden; um möfi^lichst frühzeitige
Anmeldung wird dringend ersucht. Schliesslich bitte ich die Mitglieder, mir
alle für die geschäftliche Sitzung beabsichtigten Anträge, sowie die An-
meldung von Gollegen zur Aufnahme in die Gesellschaft möglichst bald
übermitteln zu wollen.
Breslau, December 1893. A. Neisser.
General-Register zum Archiv für Dermatologie und Sy-
philis einschliesslich die Er gänzungs hefte. Jahrgang I — XXV.
Wir bringen hiermit zur Kenntniss der Leser dieses Archivs, dass das
schon lange in Aussicht gestellte Generalregister zu unserem Airchiv soeben
erschienen ist und hoffen damit einem allseitig gefühlten Bedürfnisse ent-
sprochen zu haben. Nachdem das Archiv für Dermatologie und Syphilis
für sich das Verdienst in Anspruch nehmen darf, dass in demselben alle
irgendwie berücksichtiffenswerthe Arbeiten, welche auf dem Gebiete der
Hautkrankheiten und der Syphilis während der letzten fünfundzwanzig
Jahre erschienen sind, im Originale oder im Referate niedergelegt sind,
wird das Register, das eben diesen Zeitraum (1869 bis inclusive 1893)
umfasst, nicht bloss für jene, welche das Archiv besitzen, sondern für
alle wissenschaftlich Arbeitenden ein literarischer Behelf von grösstem
Nutzen sein.
Dermatologie u SyphiiJs.Band XXVI.
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•chiv fOermatologieu. Syphilis Band XXVI,
4 Fig.i.
Fig.Z.
lell er 'Tuberculosis cutis verrucosa.
Begründet von H. Auspltz und F. J. Pick.
ARCHIV
für
Dermatologie und Syphilis.
Dnter Ullwlrkiuig tob
Pnt. H'CALL AHDER80N, Dr. ARNIKO, Dr.BBBBKlID, Dr.BESNIEB, Prof. BBROH, Dr.BOEOE,
Pnr. DOUTBELEPONT. Fror. SUHKIHO, Dr. EI.6ENBBRS, Prof. EPSTBIN, Dr. FINQBB, Dr. J.
QROHnCLO, Praf.BASLÜMD,Dr.T.HEBRA, Dr,0.HEBZH2IMBB,Dr.H0CH8INQER, Dr.HOKO-
VITZ, Dr. JADABSOHK, Prot. JANOWSKT, Prot. JABISCH, Prof. KÖBHER, Dr. KOPF, Prof.
LAKO, Dr. LBDEBMANN, Fror. LiBLOIR, Prof. LESBER, Prof. LUKASIEWIOZ, Dr. LUSTGARTEN,
Dr. An ICBSKIL, Dr. MRAOEZ, Prot. mnmAHN, Dr. OBERI.ÄNDEB, Prof. P1ITI1S8EN, J. K.
PBOK80H, Pror.BBDEB, Dr.lUHHI<,Dr. RÖNA, Dr.O. ROBBNTHAL, Dr.aOHIFF, Dr. HCHOTZ,
Dt. SOHITSTER, Prof. BOHWIiaaiR, Dr. BZADES, Prof. TARNOWSKY. Dr. TOITTON, Dr.
DIJJtANN, Dr. VBIEL, Dr. t. WATRA8ZBWSKI, Dr. WELANDEB, Dr. WINTERNTTZ,
Prof. WOI,FF, Dr. ». ZEIS8L
DQd In OamgloMhin mll
Prot Oaspary, Prof. Kaposi, Prof. Lema, Prof. Neisser,
■5Hltib»F Wlca Berlin B real au
herausgegeben von
Prof. F. 3. Piek im Prag.
Siebenundzwanzigster Band.
Mit dreinhn Tafeln und 10 Abbildungen im Texte.
Wien und Leipzig.
Wilhelm Branmöller,
Bnd UniTenlUtabBcbUadlar.
IV Inhalt.
Paff.
Aus der Univers.-Klinik für Haatkrankheiten des Prof. Dr. A. Wolff
in Strassburg. lieber das Yorkommen yon Nerven in spitzen Condy-
lomen. Von A.Reisner, Assist, der Klinik. (Hierzu Taf. XII, XIII. > 385
Ueber den Pleomorpbismus pathogen er Hypht^myceten. Von I'ranz
Kr41 in Prag 397
Anhang.
Die mikroskopische Technik im Dienste der Dermatologie. (Ein
Rückblick auf die letzten zehn Jahre.) Von Dr. R. Ledermann,
Arzt far Hautkrankheiten und Dr. Ratkowski, prakt. Arzt in
Berlin. (Fortsetzung) 73, 236, 407
Bericht Ober die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatologie
und Syphilis.
Verhandlungen der Berliner dermatol. Vereinigung .... 96, 302, 48i)
Verhandlungen der Wiener dermatol. Gesellschaft 87, 309, 427
Venerische Krankheiten 129, 273, 446
Hautkrankheiten 103, 259
Buchanzeigen und Besprechungen 157, 319, 473
Varia 157, 319, 475
Originalabhandlungen .
Archiv f. Dermatol. u. Sjrpbil. Band XXVII.
Aus der Klinik fOr Syphilis und Hautkrankheiten der
k. üniversit&t in Turin.
lieber einen Fall von Ichthyosis mit
Hypertrophie der Schweissdrüsen.
Von
Prof. 8. Criovannini.
(Hierzu Taf. I, 11 und HI.)
In der hiesigen Klinik habe ich mehrere Monate lang
einen Fall von Ichthyosis unter Augen gehabt, der mir wegen
einiger klinischen und anatomischen Besonderheiten, die er dar-
bot, von einigem Interesse schien.
Patientin ist ein Mädchen von 13 Jahren, das hinsichtlich
der Entwicklung und der Bildung des Körpers nichts Bemerkens-
werthes darbietet.
Bei der Untersuchung desselben fallen die schweren Ver-
änderungen auf, die sie aufweist, Veränderungen, welche die
Homschichte, das Corium, die Nägel und die Haare betreflfen.
Die Homschichte ist bei der Kranken in verschiedenem
Masse verdickt und hat das Aussehen, das sie bei Ichthyosis
anzunehmen pflegt. Der höchste Grad der Verdickung der Hom-
schichte wird von der sogenannten Ichthyosis histrix dar-
gestellt. Diese Ichthyosisform tritt mehr als anderswo an den
Handflächen und den Fusssohlen hervor.
An den Fusssohlen erreicht die Homschichte eine so
enorme Dicke, dass sie sich wie dicke Holzschuhe ausnimmt.
An der Peripherie, wo die Homschichte mächtiger ist als gegen
die Mitte der Fusssohle, variirt ihre Dicke zwischen 2 und 3
Cm. Die grösste Dicke wird an den Fersenrändern angetroffen.
Verdickung der Homschichte findet sich ebenfalls, wenn auch
1*
4 G i o V a ti n i 11 i.
in geringerem Grade, an der Plantai-fläche der Zehen und um
die Nägel herum.
An den Handflächen erscheint die Homschichte besonders
an den Daumen- und Kleinfingerballen verdickt, wo sie eine
Mächtigkeit von etwa 1 Cm. erreicht. Etwas weniger beträchtlich
ist ihre Dicke an der Palmarfläche der Finger und um die
Nägel herum.
An allen obenerwähnten Körpertheilen weist die verdickte
Homschichte eine sehr grosse Zahl verschieden breiter Risse
auf, die sie nach allen Richtungen hin durchfurchen. So werden
lauter hornige Inseln von verschiedener Gestalt und verschie-
denem Aussehen gebildet. An der Fusssohle zeigt die äussere
Oberfläche dieser Inseln, besonders an den Stellen, an denen
sie mit dem Boden mehr in Berührung kommt, jene Glätte
und jenen Glanz, wie sie dem Hom gewisser Thiere eigen sind.
Am übrigen Körper ist der Hystricismus viel weniger be-
deutend und nimmt die Form dünner, stachelartiger, eng bei
einander liegender Excrescenzen an. So an den beiden Kniekehlen,
an der Streckseite der Knie, am Nabel, an der Streckseite
der Ellbogen, am obem Drittel der Hinter- und der Aussenseite
des linken Vorderarms und an der Streckseite der Handgelenke.
Die mächtigsten Stacheln befinden sich an den Eiiiekehlen, wo
sie im Durchschnitt eine Länge von Vs C^' haben.
Die verdickte Homschichte bietet sich auch unter der
Form von 1 — 3 Mm. dicken Platten dar, die an Ausdehnung
und Gestalt den für die Ichthyosis serpentina charakte-
ristischen Platten gleichen. Mehr oder weniger ausgedehnte
Flecken dieser Ichthyosisform finden sich auf dem Fussrücken
und an der Fussbiege, an der Innen- und der Hinterseite der
Beine, an den Seiten des Knies, an der Vorder- und der Aussen-
seite der Schenkel, an verschiedenen Stellen des Bauches und
der Lenden, an der Aussenseite der Oberarme, an der lunen-
imd der Aussenseite des rechten Vorderarms, auf dem Rücken
der Hände und der Finger.
Das Gorium ist bei der Affection in besonderer Weise in
Mitleidenschaft gezogen. Am obem Theile der Bmst, am Halse,
am Kopfe, wo die Homschichte bei oberflächlicher Beobachtung
nicht bedeutend verändert erscheint, weist die Oberfläche des
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. 5
Coriams zahlreiche Elevationen auf, die ihr ein aii die soge-
nannte Ichthyosisanserina eiinnemdes Aussehen verleihen
(Tafel L II Fig. 1). Doch wie wir bei Behandlung der patholog.-
' anatomischen Verhältnisse sehen werden, stehen diese Erhebungen
im speciellen Falle, nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, mit den
Haarfollikeln in Verbindung, sondern mit den Poren der hyper-
trophischen Schweissdrüsen ; wir werden sie deshalb, da sie in
der Dermatologie noch keinen Namen haben, hier provisorisch
Prominenzen der Schweissporen nennen.
Diese Erhebungen sind meistens kegel- oder halbkugel-
förmig, und nur an den dicken Falten der Haut erscheinen sie
mehr oder weniger abgeplattet, fast wie Kämme.
Ihre Grösse variirt sehr : von der Grösse eines mit blossem
Auge kaum wahrnehmbaren Punktes, alle Grade durchschreitend,
bis zu der eines Hirsekorns. Die grössten Erhebungen haben
nicht mehr als 4 Mm. Höhe und befinden sich an den Knie-
kehlen, an den Achselhöhlen und am Halse; die kleinsten trifft
man an der Stirn, au den Wangen und den Augenlidern an.
Sie haben nicht immer die gleiche Farbe. Bleibt die Kranke
im Zimmer und ohne Bewegung, dann haben sie die Farbe der
normalen Haut oder sind ein wenig geröthet. Aber sobald
die Kranke sich nur ein bischen Bewegung in der Sonne macht
oder sich anstrengt, nehmen die Prominenzen eine dunkelrothe,
zuweilen in's bläuliche fallende Farbe an, deren Intensität im all-
gemeinen im Verhältniss zur Grösse der Prominenzen steht. Die
ßöthe verschwindet, wenn man mit dem Finger oder mit einem
Glase dai'auf drückt und hinterlässt eine leicht gelbliche Färbung.
Betrachtet man diese Prominenzen durch ein Linsenglas,
so sieht man auf dem Gipfel der meisten kleine hornige Haufen
sich erheben, die nicht selten die Foim ganz feiner Kegel oder
Zapfen haben.
Diese Prominenzen liegen ganz dicht beieinander, und wenn
sie auch an einigen Stellen nur vereinzelt vorkommen, so be-
rühren sie sich doch an anderen mit ihrer Basis, so dass sie
hier der Haut ein chagiinartiges Aussehen geben.
Ausser an den obenerwähnten Theilen werden die Erhe-
bungen auch an den mit Ichthyosis histrix und serpentina be-
6 Giovannini.
hafteten Eörperstellen angetroffen, sobald man hier die hornigen
Auflagerungen entfernt. Es geht also daraus hervor, dass diese
Erhebungen sich auf fast der ganzen Körperoberfläche finden.
Ganz frei davon sind nur das äussere Ohr und die an verschie-
denen Körperstellen vorhandenen Narben. Hier sei noch des
Umstandes erwähnt, dass die Ohren der einzige Körpertheil
sind, bei welchem die Cutis ein ganz normales Aussehen hat.
Diese Erhebungen oder Prominenzen, der Schweissporen
haben in ihrer Gesammtheit eine grosse Aehnlichkeit mit den
Erhebungen der Haarfollikel, die man bei der Ichthyosis anserina
beobachtet, von denen sie sich besonders durch drei Umstände
unterscheiden, nämlich durch das Fehlen jeder Spur von Haar
in ihrem Innern, durch eine grössere Confluenz und eine weniger
regelmässige Anordnung.
Die Ichthyosis histrix ist nur an den Handflächen
und den Fusssohlen scharf begrenzt; am übrigen Körper geht
sie einerseits allmälig in die Ichthyosis serpentina über und
verfliesst andererseits mit den sich auf den Prominenzen der
Schweissporen erhebenden hornigen Kegeln, welche auf diese
Weise fast die leichteste Form des Hystricismus darstellen.
Wie zum Theil schon aus dem Obengesagten hervorgeht,
sind die verschiedenen Ichthyosisformen fast symmetrisch auf
den beiden Körperhälften vertheilt.
Die hornigen Verdickungen haben eine sehr verschiedene?
und oft unbestimmbare Farbe. An den Handflächen und den
Fusssohlen herrscht eine zwischen Gelblichweiss und mehr oder
weniger dunklem Kastanienbraun schwankende Farbe vor. An
den anderen Körpertheilen, wo die Homschichte ein stachel-
artiges Aussehen hat, schwankt ihre Farbe zwischen Grau und
Schwarz. Eine dunkelgraue Färbung weisen oft auch die Hom-
platten auf.
Bezüglich des Venvachsenseins^der Hornschichte mit den
daininter liegenden Geweben ist, je nachdem es sich um die
Handflächen und Fusssohlen oder um den übrigen Körper handelt,
ein bedeutender Unterschied vorhanden. An den erstgenannten
Körpertheilen ist die Homschichte so fest mit den darunter
liegenden Geweben verwachsen, dass sie sich nur schwer davon
loslösen lässt. An den anderen Körpertheilen dagegen lassen
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. 7
sich die hornigen Stachehi und Platten überall mehr oder we-
niger leicht lostrennen.
In entsprechender Weise verhält es sich mit dem Cohäsions-
grad der die Homschichte zusammensetzenden Elemente.
Während die hornigen Auflagerungen an den Handflächen und
den Fusssohlen einen bedeutenden Grad von Festigkeit auf-
weisen, zeigen die hornigen Stacheln und Platten an den übrigen
Körpertheilen einen nur schwachen Zusammenhang ihrer Elemente
und lassen sich leicht zerstückeln.
Die Nägel, die, wie gesagt, ganz von einen bedeutenden
Grad von Hystricismus aufweisender Cutis umgeben sind, zeigen
alle beträchtliche Veränderungen.
Zunächst sind sie alle dicker als de norma. Jedoch variirt
die Dicke sehr an den verschiedenen Nägeln, indem sie zwischen
einem Minimum von 2 Mm. und einem Maximum von 14 Mm.
schwankt. Im Allgemeinen sind die Nägel an den Füssen dicker
als die Nägel der Hände.
Im Gegensatz zu ihrer Verdickung steht die Thatsache,
dass sie eine schmälere, und in der Mehrzahl der Fälle auch
kürzere Basis haben als gewöhnlich. Aus verschiedenen Ver-
gleichen, die ich mit gesunden Nägeln von Mädchen machte,
welche das Alter der Patientin hatten, ging hervor: dass bei
dieser letzteren der Querdurchmesser der Basis bei allen Nägeln
1 bis 6 Mm. schmäler ist als de norma, dass bei 14 Nägeln
auch der Längsdurchmesser der Basis 1 bis 5 Mm. kürzer ist.
Die Richtung der Nägel ist in zweifacher Hinsicht eine
von der Norm abweichende: einerseits weichen die einzelnen
Nägel mit ihrem vorderen Theile bald nach innen, bald nach
aussen von der Achse der betreffenden Phalangen ab; anderer-
seits statt nach vom gerichtet zu sein, erheben sie sich in
fast verticaler Richtung von ihrem Bette.
Ganz besonders auffallend und verschieden ist die Ge-
staltung der Nägel. . Sie sind nicht platt, sondern ähneln mehr
kegelförmigen Stümpfen, Prismen, Parallelepipeden u. s. w. An
ihrer Oberfläche fijiden sich mehr oder weniger deutlich an-
gedeutete, in verschiedener Richtung verlaufende Riimen. An
mehreren Stellen erscheint ihre Oberfläche rauh und wie zer-
fressen. Die Nägel des Daumens, des Zeige- und des Gold-
3 QioTannini.
fingers der rechten Hand weisen je eine oder zwei Höhlungen
auf, die sich mit den vom Holzwurm im Holz gegrabenen ver-
gleichen lassen. Der Nagel der grossen Zehe des linken Fusses
bietet eine YoUständige fortlaufende Auflösung dar auf einer
Strecke, die, bei normalen Verhältnissen, ungefähr der Lunular-
region entsprechen würde. Der Nagel des Zeigefingers der
rechten Hand zeigt, ausser einer ähnlichen fortlaufenden Auf-
lösung in seiner Mitte, eine Längsspalte.
Die Nägel sind alle ohne Glanz und ganz undurchsichtig.
Ihre Farbe variirt zwischen Gelblichweiss und mehr oder weniger
dunklem Kastanienbraun.
Einen seltsamen Contrast zu der Hypertrophie der Horn-
schichte und der Nägel, die man bei der Patientin beobachtet,
bildet die Thatsache, dass diese eine fast vollständige
und auf die ganze Körperoberfläche verbreitete
Alopecie darbietet. Mit blossem Auge kann man bei der
Patientin keinerlei Haarwuchs wahrnehmen. Nur das mit einer
Linse bewa£fnete Auge vermag hier und dort, an Stelle der
Kopfhaare, der Wimpern und der Augenbraune, einige gewöhn-
lich farblose, höchstens 1 oder 2 Mm. lange Härchen zu er-
kennen. Am ganzen übrigen Körper findet man, auch wenn man
durch ein Linsenglas sieht, keine Spur von Haaren oder Flaum.
Patientin hat eine Stator von 1'285 M. and wiegt 21 Kilo.
Das Muskelsystem und das Unterhautfettgewebe sind bei ihr mittel-
mässig entwickelt.
Die sichtbaren Schleimhäute sind normal.
Die Haut zeigt im Grade ihrer Elasticität keine Modification. Ent-
gegen der Norm lässt sich die Kopfhaut leicht in hohe Falten erheben.
Die Schweissabsonderung ist sowohl an den in höherem Grade von
der Hyperkeratosis betroffenen Körpertheilen als auch am übrigen Körper
erhalten; ja die Kranke hat anhaltend Hyperidrosis an den Achselhöhlen.
Was die sensiblen und tactilen Empfindungen anbetrifft, so ist der
Tastsinn an allen Körpertheilen, aber besonders an den Handflächen, den
Fusssohlen und den Knien ein feiner.
Die Empfindung für Schmerz ist überall eine feine.
Die Kranke empfindet überall sehr gut Wärme und Kälte. Doch
muss dort, wo die Hornschichte sehr dick ist, die Berührung mit dem
warmen oder kalten Körper längere Zeit dauern, damit sie die Temperatur
richtig wahrzunehmen vermöge; andernfalls verwechselt die Kranke oft
die Empfindungen der Wärme und der Kälte.
Der Dnicksinn, das Muskelgefuhl und derRaumsinn sind überall normal.
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. 9
EbenMls normal ist die faradische Reizbarkeit der Nerven und
der Muskeln.
Dort, wo die Hornschichte verdickt ist, ist keine Sensibilität für. den
inducirten Strom vorhanden, während diese Sensibilität an den übrigen
Haatstellen normal ist.
Es wurde auch der elektrische Widerstand geprüft, indem die
Elektroden auf die Handflächen, auf die Fusssohlen und auf andere Kurper-
stellen, an denen die Hornschichte am meisten verdickt erscheint, gelegt
wurden. Im Vergleich zu einem gesunden mit Patientin gleichaltrigen
Mädchen, bei welchem die Untersuchung auf genau dieselbe Weise vor-
genommen wurde ergibt sich, dass bei unserer Patientin die Schnelligkeit
mit welcher der elektrische Widerstand sinkt, bedeutend geringer ist; je
nach den untersuchten Hautstellen und der verschiedenen elektromotori-
schen Kraft die angewendet wird, ist das erreichte Minimum um ein
Drittel bis um die Hälfte höher als de norma.
Die Rectaltemperatur der Kranken, zwei Monate lang täglich mehrere
Male gemessen, hat im Durchschnitt zwischen 37*3^ und 37*5' geschwankt.
Bemerkenswerth ist, dass, wenn die Kranke ein Bad nimmt, die Temperatur
oft auf einige Stunden auf 38*2 • bis 38-6" steigt.
Puls und Respiration normal.
Es wurde auch der StoflFwechsel bei der Kranken studirtj die er-
haltenen Resultate werde ich jedoch in einer anderen Publication mittheilen.
Was die Krankheitsgeschichte betrifft, ist festgestellt, dass
Patientin schon bei der Geburt den grössten Theil der Verän-
derungen deutlich darbot, die man jetzt bei ihr beobachtet,
d. h. sie wies keinerlei Haarwuchs auf, hatte eine unebene
Cutis und ihre Nägel waren missgestaltet und etwas dicker als
de norma.
Die ersten Anzeichen von Verändening der Epidermis
traten erst im Alter von 2 Monaten auf. Die Veränderung be-
stand zuerst in Abschülferung kleinster Schüppchen, die auf
der Streckseite der Handgelenke, auf der Streckseite der Ell-
bogen und der Knie stattfand. Bald nachher wurde auch eine
leichte Verdickung der Honaschichte an den Handflächen und
den Fusssohlen wahrgenommen.
Mit dem Wachsen des Kindes wurde die Verdickung der
Hornschichte an den letztgenannten Körpertheilen immer be-
trächtlicher, die Nagel nahmen inmier mehr an Dicke zu und
auf die einfache Schüppchenerzeugung , die sich schon auf
andere Körpertheile ausgedehnt hatte, folgten allmälig die
Formen der Ichthyosis serpentina und histrix.
10 Giovannini.
Nach Vollendung des ersten Lebensjahres war das Krank-
heitsbild schon in seinem ganzen Umfange skizzirt; in den
darauf folgenden Jahren traten die verschiedenen Ichthyosis-
foimen, ohne je einen Rückgang anzudeuten, immer deutlicher
hervor.
Während des Aufenthaltes der Kranken in der Klinik
liessen wir es uns ganz besonders angelegen sein festzustellen,
wie lange Zeit die Hornsclüchte zu ihrem Wachsthum braucht.
Aus den unternommenen Untersuchungen geht hervor, dass die
Hornschichte an den Handflächen und den Fusssohlen, wenn
sie entfernt ^drd, etwa 3 Monate braucht, um die Dicke von
2 Mm. zu erreichen.
Patientin ist aus Camino Monferrato gebürtig.
Ihr Vater, ein jetzt im 53. Jahre stehender Arbeiter ist regelmässig
gebaut und kräftig; er ist dem Trünke ergeben. Die Mutter, die jetzt
37 Jahre zählt, ist etwas schwächlich von Körper aber von regelmässiger
Gesichtsbildung. Beide Eltern haben sich stets der besten Gesundheit er-
freut, haben eine braune Hautfarbe und dichtes schwarzes Haar. Die Mutter
weist einen gewissen Grad von Seborrhoe im Gesichte auf.
Patientin hat einen einzigen Bruder, der 20 Monate älter ist als sie,
eine regelmässige Genichtsbildung zeigt und gesund ist.
Von den Eltern und deren Verwandten ist kein Fall von Haut-
erkrankung bekannt, der sich in irgendwelcher Weise mit dem hier be-
schriebenen vergleichen Hesse.
Die Mutter trug Patientin im Leibe, während sie noch ihr erstes
Kind säugte und da sie von ihrem schwangern Zustande nichts wnsste,
fuhr sie die zwei ersten Monate der Schwangerschaft mit dem Säugen fort.
Während dieser Zeit war sie beständig von Uebelkeit belästigt und hatte
ausserdem starke Schmerzen an allen Gelenken, besonders aber an den
Fussgelenken. Diese Schmerzen waren weder von Anschwellung der Ge-
lenke, noch von Fieber begleitet und hörten auf, als sie mit dem Säugen
aufhörte. Femer war sie während der ganzen Schwangerschaft beständig
von Kummer und Verdruss gequält, so dass sie oft weinte.
Das Kind wurde in normaler Zeit geboren und 12 Monate lang von
di'r Mutter gesäugt.
Im Alter von 6 Jahren litt Patientin während der Monate April und
Mai am Keuchhusten und dieser stellte sich bis zu ihrem 11. Lebensjahre
alle Jahre regelmässig um dieselbe Zeit wieder ein. In diesem Alter bekam
sie auch die Masern und musste deshalb 8 Tage lang das Bett hüten.
Vom 6. bis zum 10. Lebensjahre litt sie an Ekzema crustosum an
der Kopfhaut, an mehreren Stellen Karben zurückliess. Zu dieser Zeit
entzündete sich auch eine Lymphdrüse an der linken Seite des Halses, die
in Eiterung überging.
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. H
Von zur Ichthyosis in Beziehung stehenden Belästigongen hatte sie
hauptsächlich die durch die Hypertrophie der Nägel verursachten auszu-
stehen, indem sich die um diese herum gelegenen Gewebe leicht zerreissen
und entzünden. Mehrmals wurden diese Gewebe, besonders an den Händen,
von eiternder Entzündung betroffen, die bisweilen wochenlang dauerte.
Wenn sich die Nägel, w^ie dies nicht selten geschah, in Folge dieser Ent-
zündung ablösten, so bildeten sie sich im Verlauf von etwa 3-— 4 Monaten
wieder neu. Es scheint jedoch, dass einige der neugebildeten Nägel nie
wieder die Dicke der abgefallenen erreichten.
Oft wurde sie auch von Rhagaden belästigt, die sich bald hier, bald
dort an den Handflächen und den Fusssohlen zwischen den Bissen der
verdickten Homschichte bildeten.
Am übrigen Körper verursachte die Ichthyosis ausser einem zuweilen
von leichtem Stechen begleiteten Hitzegefühl der Patientin keine Belästi-
gungen. Patientin hat geweckten Verstand und zeichnet sich durch ihre
nicht gewöhnliche Schlauheit aus.
Die verschiedenen Kuren, die sie in und ausserhalb der Klinik
durchgemacht hat, hatten kein anderes Resultat, als die zeitweilige Ab-
lösung der verdickten Homschichte.
Pathologisch-anatomischer Befund.
Zur mikroskopischen Untersuchung hat Patientin bereit-
willig sechs Hautstücke geliefert. Zwei derselben wurden von
zwei verschiedenen Stellen des Capillitium genommen, zwei
andere von zwei verschiedenen Stellen einer Fusssohle, eines
von einer Seite des Halses und eines von einer Handfläche.
Demnach konnte sowohl die in leichtem, als die in höchstem
Grade veränderte Haut der mikroskopischen Untersuchung
unterworfen werden.
Auch die Nägel, sowohl der Füsse als der Hände sind
einer histologischen Untersuchung, unterworfen worden. Ein
einziger Nagel, nämlich der der grossen Zehe des rechten Fusses,
der sich in Folge einer Entzündung seines Bettes losgelöst
hatte, konnte ganz untersucht werden; von den anderen Nägeln
wurden nur Bruchstücke untersucht.
Haut und Nägel wurden zum Theil in Flemming'scher
Flüssigkeit (Chromosmiumessigsäure), zum Theil in absolutem
Alkohol fixirt.
Die Schnitte wurden in verschiedener Richtung und in
Serien angefertigt.
Die Schnitte von in Flemming'scher Flüssigkeit fixii-ten
Hautstücken oder Nägeln wurden mit Methylviolett oder Sa-
12 Giovannini.
franin gefärbt; die Schnitte von in absolutem Alkohol fixirten
Stücken wurden zum Theil nach der Bizzozero'schen Methode
(Jod-Chromsäure) und zum Theil mit Hämatoxylin, Pikrocaiinin
und Alauncarmin, Boraxcarmin und Borsäurecarmin gefärbt.
Eine gewisse Anzahl Hautschnitte wurde auch mit Orcein-
lösungen gefärbt, die nach den für die Untersuchung des ela-
stischen Gewebes angegebenen Formeln bereitet worden waren.
Beim Studium der Hautverletzungen wurden zu den Ver-
gleichen zahlreiche Präparate normaler, sowohl einem mit Pa-
tientin gleichartigen Mädchen, als Individuen verschiedeneu
Alters und Geschlechts entnommener Haut benutzt. Ausser der
einfachen Beobachtung bediente ich mich bei den Vergleichen
häufig mittels der Camera lucida ausgeführter Zeichnungen.
Corium
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Haut findet
man, dass die Papillen, obgleich deren Basis die gewöhnliche
Dicke behalten hat, alle mehr oder weniger verlängert sind.
Während sie am Kopfe und am Halse nur doppelt so lang sind
als de norma, erreichen sie an den Handflächen und den Fuss-
sohlen die 8- bis 4fache der normalen Länge.
Das Corium erscheint von noimaler Dicke. Sein, beson-
ders an dem Papillartheil an Zellen reiches Bindegew^ebe zeigt
nichts Anormales. Ziemlich häufig werden, besonders in der
Nähe der Gefässe, körnige Zellen angetroffen.
Das elastische Gewebe, in verschiedenen Schnitten der
Kopf- und der Fusssohlenhaut untersucht, weicht im Aussehen,
in der Ausdehnung und in der Art der Vertheilung nicht er-
heblich von der Norm ab.
Im Capillitium sind die elastischen Fasern sehr zahlreich.
Im Retetheil des Coriums verflechten sie sich, oft der Richtung
der Bindegewebsfaserbündel folgend, auf die verschiedenste
Weise. Oben dringen viele Fibrillen, meistens in verticaler Rich-
tung, in die Papillen ein, durchlaufen dieselben in verschiedener
Richtung, um sich dann, in kurzer Entfernung von der Epi-
dermis, an verscliiedenen Stellen zu vereinigen und zu ver-
flechten, so ein zartes Netzwerk bildend.
In der Haut der Fusssohlen sind die elastischen Fasern
in reichlicher Menge im Papillartheile des Coriums vorhanden.
Kill Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. 13
Einen fast geradlinigen Verlauf beibehaltend, durchziehen sie
mit dem grössten Theil ihrer Länge die Papillen, ohne dass
man jedoch an irgend einer Stelle die Bildung eines subepi-
thelialen Netzwerks zu erkennen vermag. In geringer Menge
finden sie sich dagegen im Retetheil der Haut.
Die elastischen Fasern umhüllen die Talgdrüsen mit einer
Art Netzwerk; aber an keiner Stelle lassen sie in deutlicher
Weise eine besondere Anordnung um die Knäuel und die Aus-
führungsgänge der Schweissdrüsen herum erkennen.
Bezüglich der glatten Muskelfasern ist nur die Thatsache
bemerkenswerth, dass sie, häufiger als gewöhnlich, sich mit ihrem
untern Ende an die Ausführungsgänge der Schweissdrüsen
inseriren.
Im Papillartheile des Coriums weisen die Blut- undLymph-
gefässe zuweilen, und besonders an den Handflächen und den
Fusssohlen, einen etwas grösseren Durchmesser auf als de norma.
Die Nervenzweige haben ein normales Aussehen.
Das Corium ist zuweilen in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung mit Fett infiltrirt. Da dies jedoch nur in der Nähe der
Talgdrüsen beobachtet wird, so handelt es sich mit aller Wahr-
scheinlichkeit um Fett, das aus diesen Drüsen ausgetreten ist.
An keiner Stelle des Coriums findet man Spuren von
Entzündung.
Epidermis.
Aus der Untersuchung der Vertical- und Querschnitte geht
hervor, dass in der Haut sowohl des Capillitium und des Halses
als der Handflächen und der Fusssohlen die Malpighi'sche
Schichte, in ihrer Masse genommen, etwa doppelt so dick ist
als de norma. Die Verdickung der Malpighi'schen Schichte
erfolgt ausschliesslich auf Kosten ihres interpapillaren Theils,
denn der suprapapillare Theil dieser Schichte bleibt entweder
von normaler Dicke oder ist dünner als de norma.
In ihrer Anordnung, Form und Vereinigung bieten die
Zellen der Malpighi'sfihen Schichte nichts Bemerkenswerthes dar.
Was die Structur der Zellen dieser Schichte anbetriflft,
ist hervorzuheben, dass sie nicht selten um den Kern herum
einen hellen und durchsichtigen, mehr oder weniger breiten Hof
aufweisen, der augenscheinlich durch eine Zunahme des peri-
14 Giovannini.
nuclearen Raums bedingt ist. Die Kerne sind in diesem Falle
meistens etwas kleiner und haben einen etwas unregelmässigen
Contour ; das Protoplasma ist ebenfalls mehr oder weniger gegen
die Peripherie der Zellen gedrängt.
Obgleich in allen untersuchten Hautstücken bald hier, bald
dort solche Zellen angetroffen werden, so sind sie doch in der
Haut der Handflächen und der Fusssohlen besonders häufig
und ist hier der perinucleare Hof auch deutlicher als anderswo.
Sie können an jeder Stelle der Malpighi'schen Schichte ange-
troffen werden, gewöhnlich sind sie jedoch sehr spärlich in der
Basalschicht und sehr zahlreich dagegen in der Mitte der inter-
papillaren Säulen.
Eine ganz ähnliche Erweiterung des perinuclearen Raumes
gewahrt man bisweilen auch in den Zellen der Malpighi^schen
Schichte einer ganz gesunden Haut, sowohl von Föten als von
Erwachsenen, weshalb die Thatsache an und fär sich nicht als
wirklich anormal betrachtet werden kann. Die Anormalität
besteht nur darin, dass in dem speciellen Falle die Zellen mit
dem oben beschriebenen Aussehen viel zahlreicher sind als
unter gewöhnlichen Bedingungen.
Der Umstand, dass sich diese Veränderung der Malpi-
ghi'schen Zellen besonders häufig und ausgeprägt an den
Handflächen und den Fusssohlen findet, wo die ichthyotische
Hornschichtverdickung viel bedeutender ist als an anderen
Körperstellen, lässt es uns für wahrscheinlich halten, dass sie
mit der Verhomung in Beziehung steht.
In der Haut des Capillitium und des Halses wird das
Stratum granulosum durch eine oder höchstens durch zwei
Zellenlagen dargestellt; aber in der Handflächenhaut steigt die
Zahl dieser Lagen auf drei, und in der Fusssohlenhaut sogar
auf sechs. Wenn demnach auf Grund der Resultate der mit
der Haut eines mit Patientin gleichaltrigen Mädchens gemachten
Vergleiche die Dicke der Hornschichte an den beiden erst-
genannten Körperstellen als normal betrachtet werden kann,
muss sie hingegen an den letztgenannten Stellen als bedeutend
vermehrt angesehen werden. Die sie zusammensetzenden Zellen
haben übrigens ein ganz normales Aussehen.
Das Stratum lucidum bietet nichts Bemerkenswerthes dar.
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüseu. 15
Die Homschichte, die wie gesagt, eine enorme Mächtig-
keit an den Handflächen und den Fusssohlen besitzt, ist hin-
gegen in der Haut des Capillitium und des Halses nur wenig
oder gar nicht verdickt.
Was die Structur anbelangt, so zeigt die Homschichte
nicht viel Bemerkenswerthes. Ganz so wie man es unter noi*-
malen Verhältnissen findet, sind die Hornschichtzellen in der
Haut der Handflächen und der Fusssohlen meistens in geringem
Grade abgeplattet, bewahren zum grossen Theil ihr Protoplasma
und sind eng mit einander verbunden; in der Haut des Capil-
litium und des Halses dagegen sind die Hornschichtzellen alle
mehr oder weniger bedeutend abgeplattet, haben ihr Proto-
plasma gewöhnlich zum grössten Theil verloren und sind oft
ohne Zusammenhang und über die Hautoberfläche erhoben.
Nägel.
Die in der schon beschriebenen Weise hypertrophischen
und missgestalteten Nägel weisen bei der mikroskopischen
Untersuchung verschiedene Veränderungen auf.
Untersucht man einen Längsschnitt des ganzen Nagels
von der Zehe, so gewahrt man, dass er an verschiedenen Stellen
und auf mehr oder weniger ausgedehnten Strecken aus lauter
Säulen von verschiedener Dicke besteht, die in der Richtung
des Nagelbettes verlaufen und übereinander gelagert sind.
(Taf. n, Fig. 2.) In Querschnitten bieten die Hornplatten an den
einzelnen Säulen eine charakteristische Anordnung in concent-
rische Schichten dar. Schöne Figuren dieser Anordnimg der
Hornplatten hat schon He nie*) bezüglich des Pferdehufs
gegeben, ebenso Kölliker") bezüglich der gerieften Nägel
des Menschen.
Auf den Querschnitten des besagten Nagels erscheint die
Nagelsubstanz an einzelnen Stellen nicht zu Säulen angeordnet,
sondern in lauter feine, mehr oder weniger in der Richtung
') J. He nie. Das Wachsthain des menschlichen Nagels und des
Pferdehufs. Sep.-Abdr. aus Band XXXI der Abhandlungen der Kgl. Ge-
sellschaft der Wissensch. zu Göttingen. 1884. Taf. V, Fig. 6.
'') A. Kölliker. Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 1889.
6. Aufl., Band I, pag. 215, B'ig. 161.
16 Giovanniiii.
des Nagelbettes gekrümmte und durch fast gleichgrosse Zwischen-
räume von einander getrennte Schichten getheilt. (Taf. II, Fig. 3.)
Eine Anordnung der Homplatten in Säulen und in Schichten,
wie sie der Nagel von der grossen Zehe darbietet, beobachtet man
auch bei den anderen Nägeln.
Diese Structur ist bei den einzelnen Nägeln die vorherr-
schende, jedoch nicht die ausschliessliche; an verschiedenen
Stellen ist die Anordnung der Homplatten eine so unregelmäs-
sige, dass sie sich jedem Versuch, sie zu beschreiben, entzieht.
Alle untersuchten Nägel weisen an verschiedenen Stellen
eine mehr oder weniger bedeutende Trennung ihrer Platten
auf. An den Seiten der Säulen findet diese Trennung nicht
selten auf ziemlich ausgedehnten Strecken in derselben Bichtung
statt. (Taf. II, Fig 2.).
Ausserdem durchfurchen wirkliche Kanäle in grosser Zahl
und in verschiedener Richtung die NägeL Auf Querschnitten
erscheinen diese ^Kanäle bald von runder, bald von ovaler, bald
auch von ganz unregelmässiger Form. In einzelnen Fällen bleibt
ihr Durchmesser durchweg der gleiche; häufiger erweitem sie
sich allmälig, schneckenförmig. In einzelnen Fällen rühren
diese Kanäle offenbar vom Centrum der Säulen her, während
sie in anderen Fällen anscheinend dem Auseinanderweichen der
Homschichten ihre Entstehung zu verdanken haben (Taf. 11, Fig. 3).
Im Innern der Nägel gewahrt man auch zahlreiche Höh-
lungen, die ebenfalls, wie die Kanäle, von runder, ovaler oder
ganz unregelmässiger Gestalt sind. In der Mehrzahl der Fälle
verschmelzen sie sich derart mit den Kanälen, dass man oft
nicht ihre Grenzen zu erkennen vermag.
Die Grösse der Höhlungen und der Kanäle ist eine sehr
verschiedene : von solchen, die klein sind wie eine Zelle, gelangt
man, durch alle Abstufungen hindurch, zu mehrere Millimeter
grossen. Die kleinsten Höhlungen liegen mitunter so nahe neben
einander, dass sie nur durch eine ganz dünne Wand von ein-
ander getrennt sind und so dem betreffenden Nageltheil ein
bienenstockartiges Aussehen geben.
Alle Höhlungen und auch die Kanäle sind fast in ihrer
ganzen Ausdehnung mit einer meistens homogenen und wenig
oder gar nicht gefärbten breiigen Masse gefüllt, mit welcher
Ein Fall von Ichthj'osis mit Hj^pertrophie der Schweissdrüsen. 17
zusammen man bisweilen mehr oder weniger verunstaltete
Leukocyten, Mikroorganismen und Kömchen von verschiedenem
Aussehen und von unbestimmbarer Natur bemerkt
An mehreren Stellen ist selbst die compacte Nagelsubstanz
von zahlreichen Kömchen durchdrungen, die wie Pigmentkömehen
aussehen und, zuweilen ziemlich ausgedelmte, unregelmässige
Haufen bilden. Diese offenbar von aussen hierher gelangten
Körnchen, die besonders im Nagel der grossen Zehe sehr zahl-
reich sind, haben wahrscheinlich grossen Antheil an der dunkel-
kastanien-braunen Färbung, welche der Nagel dieser Zehe
aufweist.
SchweissdrOsen.
Beim Studium der Schnitte der verschiedenen Hautstücke
fällt die ausserordentliche Weite der Schweissgänge auf (Taf. HI,
Fig. 1, 2). Um wie viel weiter diese Schweissgänge sind als die
normalen, lässt sich aus nachstehender Tabelle ersehen:
Qrttister Kleinster DarchmeMer
Durchmesser der Darchmesser der des Lumens der
Mit IchthvOSis be- Si-hwelssgänge Schweissg&nge Gänge
haftete Haut . . 176—305 ^i 46—92 ^ 13—111 pi
Normale Haut . . 55—106 fi 18—36 ju 3— 25 a*
Diese Maasse wurden an Querschnitten der Haut genom-
men ; der Maximaldurchmesser der Gänge entspricht der Stelle,
an welcher sie nach aussen münden; der Minimaldurchmesser
der Stelle, an welcher die Gänge in die betreffenden Knäuel
übergehen. Die angegebenen Zahlen stellen die Durchschnitts-
zahlen einer sehr grossen Zahl Messungen dar.
Die weitesten Oeffnungen der Gänge werden am Capillitium
angetroffen (Taf. HI, Fig. 2), wo dieselben oft eine Weite haben,
die die gewöhnliche Weite um das Fünffache übertrifft. Aus
angestellten Vergleichen geht hervor, dass am Capillitium die
Oeffnungen der Schweissgänge etwas weiter sind als die Oeffnun-
gen der Haarfollikel bei einem mit Patientin gleichaltrigen
Mädchen. Die an ihrem obern Ende verhältnissmässig weniger
weiten Gänge trifft man in der Haut der Handflächen und der
Fusssohlen an, wo sie nur 3 bis 4 Mal weiter sind als de norma.
Doch ist zu bemerken, dass in diesen Regionen unter normalen
Verhältnissen die Oeffnungen der Schweissgänge etwa doppelt
so weit sind als im Capillitium.
Archir f. Dermatol. n. Sjphil. Band XXVII. 2
13 Giovannini.
Bezüglich des Durchmessers des unteren Endes der Gänge
werden keine bedeutenden Unterschiede wahrgenommen, ganz
gleich, ob es sich um diese oder jene Region des Körpers handelt.
Die Zunahme des Durchmessers an den Enden der Gänge
gewinnt in dem speciellen Falle eine grössere Bedeutung wegen
der veränderten Form der Gänge selbst Bekanntlich behalten
die normalen Gänge fast die gleiche Dicke das ganze Corium
hindurch, und nur in kurzer Entfernung von der Malpighi'schen
Sclüchte erweitem sie sich ganz plötzlich. In unserem Falle hin-
gegen nimmt die trichterförmige Erweiterung der Gänge viel
weiter unten ihren Anfang, so dass diese in der Mitte des Co-
riums eine Weite aufweisen, die, in Anbetracht der Localität, eine
wahrhaft ausserordentliche genannt werden kann.(Taf. III, Fig. 1.)
In ihrem Verlaufe durch das Corium halten die Gänge
im allgemeinen eine sich mehr oder weniger der verticalen
nähernde Richtung ein.
Das Epithel der Gänge, welches das gleiche Aussehen hat
wie das der Malpighi^schen Schichte, ist von einer ganz anor-
malen Dicke. Eine grosse Zahl Gänge fängt schon an ihrem unte-
ren Ende an drei Epithelzellenlagen aufzuweisen ; aber je weiter
man nach oben geht, nehmen diese Lagen immer mehr an Zahl
zu, so dass sie auf halber Höhe des Coriums schon auf fünf
steigen und an der Oberfläche des Coriums auf 10 — 14 gelan-
gen. (Taf. m, Fig. 2.)
Bemerkenswerth bezüglich dieses Epithels ist nur die
Thatsache, dass viele seiner Zellen eine helle, mehr oder we-
niger breite Zone um den Kern herum aufweisen, ähnlich der
schon beschriebenen Zone bei den Zellen der Malpighi^schen
Schichte. Derartige Zellen werden besonders an dem obern
Theile der Gänge angetroffen, wo man sie um so zahlreicher
findet, je mehr man von unten nach oben und von aussen nach
innen geht.
Am obern Theile der Gänge setzt sich das Stratum granu-
losum der Epidermis, an Dicke bedeutend zunehmend, in den
Gängen selbst fort. So ist dasselbe z. B. in der Haut des Capil-
litium und des Halses, in der Nähe des Lumens der Gänge,
wo er seine grösste Mächtigkeit erreicht, 4 — 6 Mal dicker als
in der umliegenden Ei)ideimis.
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. X9
Auch das Stratum lucidum ist an den Gängen 2 — 3 Mal
dicker als in der übrigen Haut.
In der Haut des Capillitium und des Halses ist die Hom-
schichte an den Oefl&iungen der Schweissgänge 10 — 20 Mal
dicker als in den angrenzenden Theilen, und bildet deutliche,
nicht selten kegelförmige, und mit der Spitze nach oben ge-
richtete Haufen, welche sich mehr oder weniger über die Haut-
oberfläche erheben. (Taf. HI, Fig. 1.)
Was die Structur dieser Haufen anbetrifft, so ist zu be-
merken, dass die sie zusanmiensetzenden Homzellen im Aus-
sehen von denjenigen der umliegenden Hornschichte etwas
verschieden sind. Im Vergleich zu diesen letzteren erscheinen
die Homzellen der Schweissgänge viel weniger abgeplattet, be-
wahren häufiger Spuren des Protoplasmas und des Kerns und
werden weniger häufig unzusammenhängend und über die Haut-
oberfläche erhoben angetroffen. Dieser Merkmale wegen nähern
sich die an den Oefl&iungen der Schweissgänge gelegenen Hom-
zellen mehr dem Typus der Homschichtzellen der Handflächen
und der Fusssohlen, als denjenigen der übrigen Hautfläche.
Betreffs des Gentralkanals der Gänge ist, ausser dessen
ausserordentlichen Weite, die Thatsache als anormal hervorzu-
heben, dass er einen wellen- oder spiralförmigen Verlauf in
viel grösserer Entfernung von der Epidermis anninmit, als unter
gewöhnlichen Verhältnissen. (Taf. HI, Fig. 1.) Handelt es sich
um sehr weite Gänge, so ist ein derartiger Verlauf zuweilen
schon auf etwa halber Höhe des Coriums angedeutet. Auf der
ganzen Strecke, auf welcher der Kanal diesen Verlauf hat, sind
die ihn begrenzenden Epithelzellen in der Richtung der Achse
des Kanals stark abgeplattet, haben ein helles homogenes Proto-
plasma und liegen mit ihrem Contour dicht neben einander.
Der Kanal der Gänge ist in seiner ganzen oder fast ganzen
Ausdehnung leer. Wo diese Kanäle einen Inhalt aufweisen, hat
derselbe das Aussehen einer bald ganz farblosen, bald nur
schwach gefärbten homogenen Masse. Den farblosen Inhalt trifft
man fast ausschliesslich an den von den Gängen an ihrem
untern Theile gebildeten Windungen au. Seltener findet man
hier und dort im Innern der Kanäle kleine, intensiv gefärbte
2*
20 Giovannini.
Kömcheu oder Epithelzellen, die sich offenbar von den Kanal-
wänden abgelöst haben.
Ganz wie unter normalen Verhältnissen, weisen in diesem
Falle Yon Ichthyosis die Schweissgänge in der Höhe des Rete-
theils des Coriums, aussen vom Epithel, zuerst eine Anhist-
membran und darauf wenige cii-culär gelagerte Bindegewebs-
zellen auf.
Aber von ganz besonderem Interesse ist das Verhalten
des um die Schweissgänge herum liegenden Bindegewebes am
Papillartheile des Coriums. Hier hebt sich das Bindegewebe um
die Oeffnungen der einzelnen Gänge herum empor, um jene
Elevationen zu bilden, die wir vorhin als Prominenzen der
Schweissporen bezeichnet haben. Obgleich die Beziehung
zwischen diesen Bindegewebsprominenzen und den Oefl&iungen
der Schweissgänge bisweilen auch auf Verticalschnitten der
Haut hervortritt, so zeigt sie sich doch nur auf Querschnitten
constant und in deutlichster Weise. (Taf. HI, Fig. 2.)
Auf der Achse der Gänge entsprechenden Verticalschnitten
haben die Prominenzen an den Seiten der Gangöffnung das
Aussehen von zwei dicken Papillen. Auf Querschnitten erscheinen
sie bald von runder, bald von ovaler Gestalt und zeigen einen
mehr oder weniger deutlich ausgebuchteten Contour.
Die Prominenzen sind meistens in ihrer ganzen Höhe
scharf von einander getrennt, und nur selten gewahrt man,
dass zwei von ihnen an der Basis vereinigt und an ihrem obem
Theile von einander getrennt sind.
Die beschriebenen Prominenzen trifft man constant und
gut entwickelt um die Oeffnungen der Schweissgänge herum an
sowohl in der Haut der Handflächen und der Fusssohlen als
in der des Capillitium und des Halses.
Bezüglich der Bedeutung dieser Prominenzen ist zu be-
merken, dass auch unter normalen Verhältnissen am Capillitium
und am Halse Prominenzen um die Schweissporen herum an-
getroffen werden, die den oben beschriebenen in der Form
gleichen; aber während an diesen Stellen die Bindegewebs-
prominenzen um die Oeffnungen der Haarfollikel herum häufig
und ziemlich gross sind, sind sie hingegen um die Oeffnungen
der Schweih)sdrüsen hemm wenig entwickelt und äusserst selten.
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. 21
Deshalb gewinnen im vorliegenden Falle die Prominenzen der
Schweissporen nicht so sehr wegen ihrer ausserordentlichen
Entwicklung, als vielmehr wegen der Beständigkeit, mit der sie
angetroffen werden, eine exceptionelle Bedeutung.
Um die Schweissgänge henim sind die Gefässe zahlreicher
als an jedem andern Theile der ichthyotischen Haut. Schon am
untern Theile der Schweissgänge beobachtet man mehrere Haar-
gefässe bald auf einer Seite, bald auf zwei meistens entgegen-
gesetzten Seiten der Gänge gnippirt ; nach oben zu aber nehmen
die Gefässe noch bedeutend an Zahl zu, bis etwa an der Basis
der Schweissporenprominenzen, in deren Innern sie sich dann
plötzlich verlieren.
In einigen Fällen zeigen die Gänge an den Windungen,
die sie an ihrem untern Theile bilden, cystenartige Erweite-
rungen mit einem durchschnittlichen Diameter von 100 — 324 /i,
die wahrscheinlich durch Secretzurückhaltung hervorgebracht sind.
Ein einziges Mal nur sieht man die Ausführungsgänge
zweier Drüsen auf etwa halber Höhe des Coriums sich in einen
einzigen Gang vereinigen.
Was die Knäuel der Schweissdrüsen anbelangt, ist als
anoimal nur die Thatsache hervorzuheben, dass sie etwas
grösser sind als de norma. Auf Grund der sehr zahkeichen ange-
stellten Vergleiche, auch mit derHautErwachsener und der nicht
selten sehr hervortretenden Unterschiede, die sich daraus ergaben,
kann dieses mit Sicherheit behauptet werden. Dieses grössere Volu-
men der Knäuel kann wohl besonders auf Rechnung einer Ver-
längening des sie bildenden Schlauches gebracht werden, denn
dieser Schlauch weist auf dem grössten Theile seiner Ausdeh-
nung keinen merklich grösseren Durchmesser auf als de norma,
Haare und Talgdrüsen.
In der Haut des Halses findet man keine Spur von Haar-
follikeln.
In der Haut des Capillitium sind die Haarfollikel sehr selten.
Aus den angestellten Vergleichen geht hervor, dass ihre
Zahl kaum die Hälfte beträgt von der Zahl der Haarfollikel,
die man am Capillitium eines gesunden, mit Patientin gleich-
22 Giovannini.
altrigen Mädchens antri£ft. Ihr Querdurchmesser ist sehr gering,
denn er misst nicht mehr als 46 — 92 /u. Sie haben eine mehr
oder weniger oberflächliche Lage, denn an keiner Stelle gehen
sie so tief, dass sie bis in die Mitte des Coriums gelangen.
Ausserdem münden sie nicht selbständig auf die Haut-
oberfläche, sondern in das Innere der Talgdrüsen« Die Haar-
follikel sind, wie gewöhnlich, zu Gruppen angeordnet, doch zählt
jede Gruppe deren nicht mehr als zwei.
Der Durchmesser des in diesen Follikeln enthaltenen
Haarschaftes misst nicht mehr als 5 — ^9 ju. Es handelt sich
hier also weniger um Haare als um Lanugohärchen, wie man
sie unter gewöhnlichen Verhältnissen auf dem Gesichte eines
Mädchens anzutreffen pflegt. Und sie haben auch alle die
histologischen Merkmale des Lanugohaars.
Häufig weisen diese Härchen eine Zerstörung ihres Halses,
sowie eine vollständige oder unvollständige Zerstörung ihrer
innem Wurzelscheide auf, ähnlich der von mir bei der Alopecia
areata beobachteten. ^) Die losgetrennten Haarschafte befinden
sich entweder noch an ihrem Platze oder werden, an den Mün-
dungen der Talgdrüsen, in den hier vorhandenen, von Hom-
platten und Fett gebildeten Zapfen steckend, angetroffen. Ein-
mal zählte ich in einem dieser Zapfen bis zu vier Haarschafte,
alle fast von gleichem Durchmesser. Ziemlich häufig werden
auch haarlose Follikel angetroffen.
Die haarlosen oder isolirte Haare in ihrem Innem ent-
haltenden Follikel finden sich in einem Zustande mehr oder
weniger vorgeschrittener Atrophie.
Nur in einem Follikel wird ein Haar in einer seiner ersten
Entwicklungsphasen angetroffen.
Die Talgdrüsen sind sehr wenig entwickelt, denn keine
von ihnen besteht aus melir als zwei Acini und überall münden
sie direct auf die Hautoberfläche.
Ihre Structur bietet nichts Bemerkenswerthes dar.
') S. Giovannini. Recherches sar Thistologie pathologique de la
pelade. Annales de dermatologie et de eyphiligraphie. 3. S^rie, Tome U,
p. 921. 1891.
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. 23
Die ihre Oeffnungen an der Hautoberiläche bekleidende
Epidermis weist eine meistens zusammenhangslose und von
äusserst abgeplatteten Zellen gebildete Homschichte auf.
Ein einziges Mal triflft man unterhalb eines Haares eine
in eine cystenartige Höhlung umgebildete Talgdrüse an. Im
Innern der Cyste beobachtet man am obem Theile wenige
Lagen Epithelzellen, die sich meistens in einem Zustande offen-
barer Degeneration befinden, und am untern Theile wenige
formlose Fetthäufchen.
Karyokinese.
Mit besonderer Aufmerksamkeit wurde nach den karyo-
kinetischen Figuren in der Haut geforscht. Die Präparate wurden
zu wiederholten Malen untersucht und dabei wurde nichts
ausser Acht gelassen, was geeignet war, die Mitosen deutlicher
erkennen zu lassen.
Zahlreicher als in jedem andern Theile der Haut finden
sich die Mitosen im Epithel der Schweissdrüsengänge. Um nur
eine annähernde Zahl anzugeben, kann man sagen, dass unter
hundert Schnitten von Hautstücken von je etwa 7« □Cm.
Grösse, sich etwa fünfzehn finden, die in diesem oder jenem
Gang Mitosen aufweisen. In jedem Quer- oder Längsschnitt
dieser Gänge finden sich meistens 1 — 2, seltener 3 — 4 Mitosen.
Obgleich die Mitosen häufiger in der obem Hälfte der Gänge
beobachtet werden, so trifft man sie doch auch nicht selten
in der untern Hälfte an und in einem Falle zählt man
in einem Querschnitt der untern Hälfte eines Ganges sogar
4 Mitosen. Bedenkt man, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen
die Mitosen in den Gängen der ausgewachsenen Schweissdrüsen
äusserst selten sind, so glaube ich, kann man sagen, dass in
dem vorliegenden Falle, in den Gängen eine lebhaftere Karyo-
kinese statt hat als de noima.
In den Knäueln sind die Mitosen fast ebenso selten wie
unter gewöhnlichen Verhältnissen.
Was die Malpighi'sche Schichte anbetrifft, so weisen unter
hundert Schnitten von Hautstücken von der obengenannten
Grösse, etwa zehn Mitosen in ihr auf. Handelt es sich um die
Haut des Capillitium und des Halses, so kommt auf jeden
24 Giovannini.
Schnitt nie mehr als eine Mitose und nur in der Haut der
Handflächen und der Fusssohlen findet man deren zuweilen
zwei und ausnahmsweise auch drei auf jedem Schnitt. So ge-
ring diese Zahlen auch erscheinen mögen, glaube ich doch,
dass sie eine leichte Vermehiiing in der Zahl der in der Mal-
pighi'schen Schichte anzutieflfenden Mitosen darstellen; denn
aus den an normaler Haut gemachten Untersuchungen haben
sich bisher noch geringere Zahlen ergeben.
Sowohl in den Schweissgängen als in der Malpighi'schen
Schichte finden sich die Mitosen in verschiedenem Stadium und
haben meistens ihren Sitz in der Basalschichte und selten nur
in der zweiten und dritten Zellenlage.
Im Innern der haarlosen oder isolii't« Haare enthaltenden
Follikel fehlen die Mitosen gänzlich ; in den mehr oder weniger
normale Haare enthaltenden Follikeln fehlen die Mitosen ent-
weder gänzlich oder sind bedeutend spärlicher als gewöhnlich.
Denn im letzteren Falle trifft man in der Matrix der Haare
nicht mehr als 3 Mitosen an, während diese in der Matrix nor-
maler Haare von entsprechender Grösse auf 6 — 12 steigen.
Im Epithel der Talgdrüsen, in welchem unter normalen
Verhältnissen die Kar}'^okinese auch eine ziemlich lebhafte zu
sein pflegt, trifft man keine Mitosen an.
Nur sehi- selten finden sich die Bindegewebszellen des
Papillartheils der Cutis und die Endothelzellen der Blutgefässe
in indirecter Theilung.
Betrachtet man nun diese Resultate, so findet man, dass
der Mitosenbefund in den verschiedenen Theilen der Haut mit
der von denselben dargebotenen Entwicklung fast übereinstimmt.
Ein gewisses Missverhältniss scheint nur zwischen der Zahl der
im Epithel der Malpighi'schen Schichte und der Schweissgänge
angetroffenen Mitosen und der Erzeugung von Homzellen zu
bestehen: während nämlich im besagten Epithel die Mitosen,
im Ganzen genommen, nur um eine ganz geringe Zahl vermehrt
sind, findet sich die Homschichte, besonders in manchen Re-
gionen, ungemein verdickt. Dieses Missverhältniss wird jedoch
viel weniger gross erscheinen, wenn man die Umstände berück-
sichtigt., die, im speciellen Falle die grössere Hornschichtpro-
duction begleiten.
Ein Fall von Ichthyosis mit Hypertrophie der Schweissdrüsen. 25
Denn, wie wir schon gesehen haben, findet in diesem
Falle von Ichthyosis die Zunahme der Hornsclüchte nur sehr
langsam statt : an den Handflächen und den Fusssohlen nimmt
die Homschichte im Verhältniss von etwa 1 Mm. alle 45 Tage
zu. Es scheint also, dass zu einem so langsam vorschreitenden
Wachsthum dieser Schichte auch eine die Norm nicht weit
überschreitende Vermehrungsthätigkeit der sie erzeugenden
Zellen genügen müsse.
Ausserdem findet der so bedeutende Unterschied, der
hinsichtlich des Grades zwischen der Ichthyosis der Handflächen
und der Fusssohlen und jener des übrigen Körpers besteht,
seinen Grund im Verhalten der Abschuppung. Wie aus der
Krankheitsgeschichte und dem histologischen Befund hervor-
geht und wie es übrigens auch unter normalen Verhältnissen
geschieht, fand an den Handflächen und den Fusssohlen der
Kranken keine nennenswerthe Hornplatten-Abschuppung statt,
während diese Abschuppung in bedeutendem Grade an der
übrigen Körperobei-fläche erfolgte. Hiernach lässt sich also
begreifen, wie an den Handflächen und den Fusssohlen die
erzeugte Homschichte dadurch, dass sie sicli beständig auf-
häufte, eine grössere Mächtigkeit erlangen konnte, als anderswo.
Dieser Fall von Ichthyosis ist ei'wähnenswerth wegen
einiger nicht gewöhnlicher Eigenthümlichkeiten, die er darbietet
und zwar: Wegen des Umstandes, dass der Hystricismus mehr
als anderswo an den Handflächen und den Fusssohlen ausge-
sprochen ist, wegen der Betheiligung aller Nägel an dem Krank-
heitsprocess, wegen der Hjrpertrophie der Schweissdrüsen, wegen
des gleichzeitigen Bestehens einer beinahe vollständigen Alopecie,
wegen der mit Sicherheit festgestellten intra-uterinen Entste-
hung des grössten Theils der Veränderungen.
Die genaue Untersuchung des Falles hat sodann einige
neue Eigenthümlichkeiten bezüglich der Ichthyosis aufgedeckt,
wie z. B. die die histologischen Veränderungen der
Nägel betreffenden Eigenthümlichkeiten, die Ka-
ryokinese im Epithel der hypertrophischen Schweiss-
drüsengänge und die Existenz besonderer Erb e-
26 GioTannini.
bungen oder Prominenzen des Coriums an den
Poren genannter Drüsen.
Diese letztere Eigenthümlichkeit ist, vom klinischen Ge-
sichtspunkt aus, offenbar von einigem Interesse, indem sie
darthut, dass ein der sogenannten Ichthyosis anserina
ähnliches Aussehen der Haut, ausser von den Haarfollikeln auch
von den Gängen der hypertrophischen Schweissdrüsen gegeben
sein kann.
Erkläxung der Abbildungen auf Tafel I, II und III.
Die Photogramme 2 und 3 der Tafel II und 1 und 2 der Tafel m
stellen Theile mikroskopischer Schnitte von in Chromosmiumessigsäure
fixirten und mit Methylviolett gefärbten Stücken dar.
Tafel I. Photogr. 1. Kopf und Hals der Patientin. Zeigt in seinem
Zusammenhang das Aussehen, das der Haut des Halses durch die Pro-
minenzen der Schweissporen gegeben wird.
Tafel II. Photogr. 1. Haut von der hintern Region des Halses nach
oben zu eine Strecke des Capillitium mit einbegreifend, in welcher man
bei einer der Wirklichkeit fast nahekommenden Vergrosserung, die Promi-
nenzen der Schweissporen sieht.
Phot. 2. Längsschnitt vom Nagel eines Daumens. Zeigt die Nagel-
substanz zu Säulen angeordnet. Vergröss. 47 d.
Phot. 8. Querschnitt von dem in Phot. 2 dargestellten Daumennagel.
Zeigt die Nagelsubstanz in dünne Schichten getheilt; die zwischen den
einzelnen Schichten bestehenden Zwischenräume sind mit einer breiigen
Masse angefüllt. Yergr. 34 d.
Tafel III. Phot. 1. Verticalschnitt von der Haut des Capillitium.
Man sieht drei weite Schweissgänge ; an ihrer Mündung auf die Hautober-
fläche bildet die Hornschichte Auflagerungen, die zum Theil über die
Hautoberfläche hervorragen. Yergr. 83 d.
Phot. 2. Querschnitt von der Haut des Capillitium an der Papillar-
Bchichte. Man sieht die vom Bindegewebe um die weiten Oeffhungen der
Schweissgänge herum gebildeten Erhebungen. Vergr. 108 d.
Ans der k. k. dermatologisohen Universitätsklinik des
Prof. F. J. Pick in Prag.
lieber sogenannte Nerven-Nae^l.
Ton
Dr. Theodor Spietsclika,
ÄMlstent der Klinik.
(Hierzu Taf. IV.)
Bären Sprung') hat zuerst eine Erkrankung der Haut
beschrieben, welche derselbe durch folgende Merkmale charak-
terisirte: 1. Halbseitigkeit, 2. Anordnung in Streifen und
Flecken entsprechend den Verbreitungen der peripheren Nerven
in den Bezirken der spinalen Nerven, 3. Hypertrophie der
Hautpapfllen mit Pigmentbildung in mehr oder minder
starkem Grade, massige Verdickung der Epidermisschichten
aber keine Hypertrophie der Hautdrüsen, Haarbälge oder
Haare. Er nannte dieselbe Naevus unius lateris, und
sah sie als eine Folge „einer angeborenen Erkrankung einzelner
Spinalganglien" an. Th. Simon*) wies darauf hin, dass der
Name Naevus unius lateris recht unglücklich gewählt sei, denn
„aus dem Umstände, dass die bisher veröffentlichten Fälle
halbseitig waren, folgt keineswegs, dass in anderen Fällen nicht
auch Spinalganglien beider Seiten erkranken können". Das
Wesentliche erblickt er in der Ausbreitung der Erkrankung
*) Bärensprung. Naevus unius lateris. Cfaar.-Ann. 1868, p. 91 — 95.
') Th. Simon, lieber Nerven-Naevi. Archiv f. Dermal, und Syph.
1872, p. 24.
28 Spietschka.
nach bestimmten Nervenbezirken und schlägt daher den Namen
Nerven-Naevus vor. Er fügt zu den vier Fällen Bärensprungs
noch zwei eigener Beobachtung und einige aus der Literatur
hinzu, bei welchen er die Zugehörigkeit zu einem Nervengebiete
zu bestinmien in der Lage war. Interessant ist eine Beobachtung
Gerhardt's, *) welcher die Erkrankung „neuropathisches Haut-
papillom" nennt.
Bei einem 6jährigen Mädchen fand er die Papillomentwicklung
streng halbseitig, aber gekreuzt, nämlich an der linken Gesichtshälfte und
an der rechten Brasthälfte bis herab zum Nabel. Im dritten Lebensjahre
war das Kind von häufigen epileptischen Krämpfen befallen worden, und
gleichzeitig hatte die Entwicklung der Papillome begonnen. Ein zweiter
Fall seiner Beobachtung war ein Gljähriger Mann, wo die Erkrankung
die ganze rechte Körj^erhälfte von der zweiten Rippe nach abwärts ein-
nahm. Er macht auf die Anordnung parallel den Intercostalräumen auf-
merksam, welche an Herpes zoster erinnert.
Gerhardt erwähnt noch zweier Fälle von Thomson
und Adams, von welchen dererstere ganz dieselbe Ausbreitung
rechts zeigte, wie sie bei dem von uns beobachteten Patienten
links vorhanden war. Auch Gerhardt glaubte nach der Loca-
lisation und namentlich auf die Beobachtung gestützt, dass bei
dem einen Falle das Auftreten der Erkrankung von Krämpfen
begleitet war, eine Erkrankung des Nervensystems, wahrschein-
lich der Spinalganglien, als Ursache der Papillomentwickelung
annehmen zu müssen. Diese Annahme findet eine Bekräftigung
durch eine Beobachtung Pott's. *) Hier war das Papillom im
ganzen Gebiete des rechten Trigeminus verbreitet, in dessen
Bereiche angeborne Pigmentationen vorhanden gewesen waren.
Im ersten Viertellebensjahre wurde das Kind von epileptischen
Krämpfen befallen, welche die rechte Gesichtshälfte und obere
Extremität betrafen und eine Lähmung dieser Gesichts-
hälfte und Parese der Extremität zurückliessen. Gleichzeitig
begann die Entwickeluug der Papillome. Eine Erkrankung,
welche ganz gleiche Veränderungen der Haut darbot, jedoch
in ganz anderer Vertheilung und Anordnung, wurde von
') Gerhardt. Beobachtungen über neuropathisches Hautpapillom.
Jahrb. f. Kinderheilk. IV. 1871, p. 270*
') R. Pott, üeber Papilloma neuropathicum. Jahrb. f. Kinderheil-
kunde. XXVIII, 1888, p. 432.
Ueber sogenannte Nerven-Naevi. 29
Beigel ) beobachtet, und als Papilloma area-elevatum bezeichnet,
weil die Efflorescenzen kreisrunde, scharf begrenzte Erhabenheiten
bildeten. Ohne nachweisbare Ursache wurde das bis dahin ganz
gesunde Kind im 10. Lebensmonate von heftigen Krämpfen be-
fallen, wobei sich die Hauterkrankung zu entwickeln begann.
In der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
zu Heidelberg stellte V e i e 1 *) einen Fall von excessivem Naevus
pigmentosus vor, der an Brust und Bauch scharf halbseitig
begrenzt war. Auch hier fiel die Streifenbildung parallel den
Intercostalräumen auf. Julius Müller^) beschreibt einen
Naevus verrucosus unius lateris, der über die ganze rechte
Körperhälfte verbreitet war und nur stellenweise so viel auf
die linke Körperhälfte übergriff, als es auch der Herpes zoster
zu thun pflegt.
Derartige Fälle lassen wohl den neuropathischen Ursprung
dieser Naevi recht wahrscheinlich erscheinen, allein ganz mit
Recht betont Petersen,*) dass die Berechtigung der Be-
nennungen Gerhardt's und Simon's trotz aller Wahrschein-
lichkeitsgründe nicht sicher erwiesen ist.
ßecklinghausen, *) welcher in seiner grossen Arbeit
die Bedeutung der multiplen Fibrome der Haut als Neuro-
fibrome klargelegt hat, betont ausdrücklich den Unterschied
zwischen diesen und dem trophischen Nerven-Naevus Th.
Simon's, und stellt als wesentlich unterscheidendes Merkmal
das Fehlen einer richtigen Tumorenbildung bei letzterer Er-
krankung auf. Ihm scheint überhaupt, „als ob diese ,neuritischen'
Papillome die Folgen der Vernichtung des Nerveneinflusses
auf die Ernährung der Hautgewebe, trophische Störungen
neuroparalytischer Natur sind, welche ungewöhnlicherweise zu
') Beigel. Eine bisher nicht beschriebene Hautkrankheit. (Papil-
loma area-elevatnm.j Virchow's Archiv 47, p. 367.
*) Sitzungsbericht der Section für Derm. der 62. Vers, deutscher
Naturf. u. Aerzte. Heidelberg 1889. Arch. f. Derm. u. Syph. 1890, p. 207.
') Müller, Jul. Naevus verruc. unius lateris. Arch. f. Derm. und
Syph. 1892, p. 21.
*) Petersen, Walther. Ein Fall von multipl. Knäueldrüsen-Ge-
schwülsten. Arch. f. Derm. u. Syph. 1892, p. 919.
*) Recklings hausen. Ueber die multii)len Fibrome der Haut.
Berlin 1882, p. 59.
30 Spiels chka.
einem activen Vorgang, zu einer Hypertrophirung der obersten
Hautschichten fuhren, während letztere doch bei den Neuro-
fibromen nur gedehnt und atrophirt, also rein passiv betheüigt
werden".
Einen gleichfalls recht ausgebreiteten halbseitigen Naevus
beschrieb A. Lanz*) und hebt dabei folgende Punkte hervor:
1. halbseitige (links) Entwickelung, 2. Entstehung im ersten
Lebensjahre, 3. Charakteristische Vertheilung der Hautaffection
in Form von mehr oder weniger breiten Streifen oder Linien,
4. kein nachweisbarer Zusammenhang der Gruppen mit der
Verbreitung der Nerven (Voigt'sches Liniensystem), 5. Fehlen
jeglicher sowohl central wie peripher klinisch nachweisbarer
Veränderungen des Nervensystemes. Lanz hält daher den
Namen Nervennaevus nicht für entsprechend und schlägt lieber
die Unna'sche Bezeichnung Naevus linearis verrucosus vor; für
seinen Fall möchte er jedoch das Adjectivum verrucosus mit
ichthyosiformis vertauschen, da die Hautaffection viel mehr
das Aussehen einer Ichthyosis als einer Warze bot.
Auch Jadassohn*) konnte bei den vier von ihm be-
schriebenen Fällen einen Zusammenhang zwischen der Aus-
breitung der peripheren Nerven und der Localisation der Naevi
nicht ermitteln. Er würdigt wieder die fissurale Theorie Vir-
chows, •') welche derselbe namentlich für die im Trigeminus-
gebiete vorkommenden Gefässuaevi, die Angiome, aufgestellt hat
In der That ist es ja im höchsten Grade wahrscheinlich,
dass die Anlage, oder sagen wir das gebräuchlichere Wort
Prädisposition zur Entwickelung dieser halbseitigen Naevi eine
im embryonalen Leben entstandene ist. Wir finden, dass der
Naevus zumeist schon bei der Geburt bestanden hat, oder doch
wenigstens angedeutet war, oder aber dass die Entwickelung
in einem sehr frühen Alter, meist dem ersten Lebensjahre
stattfindet, und da ist es gewiss von höchster Bedeutung, dass
') A. Lanz. Ein Fall von Naevus verrucos. unius lateris (v. Bären-
sprung), Naevus linearis verruc. (Unna) sen. ichthyosiformis (Lanz). Medi-
zinskoje Obosrenje. 1893. Bd. XL, Heft 17, p. 449. Moskau (Russisch).
') Jadassohn. Beiträge zur Kenntniss der Naevi. Arch. f. Denn,
u. Syph. 1888, p. 917.
*) Virchow. Geschwülste. IIL, p. 845.
üeber sogenannte Nerven-Xaevi. 31
die Entwickelung in einzelnen Fällen (Gerhardt Fall I,
Pott, Beige 1) von schweren nervösen Störungen, epileptischen
Krämpfen etc. begleitet war.
So sehr die Fissuraltheorie Virchow's für die telean-
giectasischen Naevi namentlich des Facialisgebietes annehmbar
erscheint, so wenig sind wir jedoch berechtigt, diese Telean-
giectasien mit den verschiedenen anderen Naevi, als Pigment-
Daevi, warzenartige oder papillomartige Naevi genetisch gleich-
zusetzen. Die Einwände, welche Campana*) gegen die Fissural-
theorie selbst für die im Trigeminusgebiete auftretenden Ge-
fässnaevi erhebt, dürfen nicht ohne Weiteres zurückgewiesen
werden. Wohl nicht mit Unrecht betont er, dass es ihm un-
begreiflich erscheint, dass, wenn man die Bildung des Angioms
als eine anatomische Thatsache gelten lassen will, man darin
nicht dasselbe Gesetz der vollkommen lateralen Symmetrie er-
kennen darf, das sich so constant in der Embryogenie der
Arterien und Capillaren erweist. Ebenso muss man zugeben,
dass, wie es nicht immer gelingt, das Verbreitungsgebiet eines
papillären oder Warzennaevus in die Grenzen der Voigt'schen
Tabellen einzuzwängen, es auch nicht immer angeht, den Ge-
fässnaevus in einer erklärlichen Weise um die euibryonalen
Spalten zu gruppiren.
Die Verhältnisse des Auftretens und der Entwickelung
der verschiedenen halbseitigen Naevi gleichen einander so sehr,
dass wir heute durchaus nicht in der Lage sind, zu sagen,
Gefassnaevus und warzen- oder papillomartiger oder Pigment-
Naevus seien genetisch ganz verschiedene Dinge, dennoch
ist die Unterscheidung Simon' s") in vasomotorische und tro-
phische Naevi wohl ganz berechtigt.
Die bis heute vorliegenden Beobachtungen lassen uns
keine bestimmten Schlüsse auf die Ursachen der Entwickelung
der halbseitigen Naevi ziehen.
Es besteht eine recht grosse Mannigfaltigkeit der Mei-
nungen und Möglichkeiten!
') Gampana. üeber einige neuropathische Dermatosen. (III.) Arcb.
für Derm. u. Syph. 1888, p. 184.
') Th. Simon, 1. c. p. 28.
32 Spiet schka.
Hier eine Entscheidung zu treffen, dürfte nicht leicht sein,
da eben der anatomische Beweis für die eine oder andere
Ansicht nicht leicht zu erbringen ist. Die wahrscheinlich zumeist
intrauterinen Störungen nervöser Natur, die zui- Entwickelung
dieser Naevi Veranlassung geben, brauchen ja zur Zeit, wo der
Naevus ausgebildet ist, längst nicht mehr nachweisbar zu sein.
Uebrigens kommen auch Fälle mit entwickeltem Na«vus nur
selten zur Section, und vielleicht sind die Störungen im Nerven-
system dann überhaupt nicht mehr nachweisbar. Um daher
der Lösung näher zu kommen, wird es nothwendig sein, der-
artige Fälle genau zu beobachten, und die casuistische Publi-
cation in dieser Richtung eifrigst zu betreiben.
Wir hatten nun in letzter Zeit an der Klinik des Herrn
Prof. Pick Gelegenheit, unter anderen drei besonders bemer-
kenswerthe Fälle von Naevus zu beobachten, deren Veröffent-
lichung mir Herr Prof. Pick zu übertragen die Güte hatte,
wofür ich ihm meinen herzlichsten Dank auch an dieser Stelle
ausspreche.
I. Fall. Naevus neuropathicus verruco-papillomatosus
pigmentosus. (Abbildung des Falles auf Taf. IV.)
S. J., lOjähriger Schuhmacher, kommt wegen eines Ekzemes an
beiden Händen auf die Klinik.
Bei der somatischen Untersuchung des Patienten wird die eigen-
thümliche Erkrankung an der linken Thoraxseite und am Arme wahrge-
nommen. Patient gibt an, dass er dieselbe seit der frühesten Jugend bemerkt
habe, und dass ihm seine Mutter sagte, er habe sie schon bei der Geburt
gehabt, und sie sei dann mit ihm gewachsen. Es ist ihm nicht bekannt
dass in seiner Verwandtschaft jemand eine ähnliche Erkrankung habe.
Status praes. : Patient ist mittelgross, kräftig gebaut, hat gut
entwickelte Musculatur und massig starken Panniculus.
Die Untersuchung der inneren Organe ergibt vollkommen normale
Verhältnisse. Keine nervösen Störungen. An beiden Handrücken, Bück-
und Seitenflächen der Finger und zwar der ersten Phalanx ein aus
derber Infiltration und Röthung der Haut und kleinen mit klarem Inhalte
gefüllten Bläschen bestehendes Ekzem. Die Nägel der Finger zeigen
kleine grubige Vertiefungen und Längsstreifung.
Die allgemeinen Hautdecken sind glatt gut befeuchtet, lebhaft
pigmentirt. Haupthaar dunkelblond, Irides graublau, Pupillen gleich weit,
prompt reagirend. Im Gesichte spärliche Acne und Comedonen ; Zähne
gut ; Mundschleimhaut zeigt keine Abnormitäten.
An der linken Seite des Thorax befindet sich eine Gruppe warzen-
oder papilloraartigen Wucherungen, welche in Gürtelform die Hälfte
lieber sogenannte Nerven-Kaevi. 33
des Stammes umgibt, und auch auf die Innenfl&cbe des Armes übergreift.
Die genauere Ausbreitung ist folgende: Am Rücken beginnt der Gürtel
am Innenrande der Sci^ula, in der Begio infraspinata, in der Höbe des
nL u« lY. Domfortsatzes. Von hier zieht er, allmälig sich verbreiternd,
dicht unter der hinteren Achselfalte an die Seite des Stammes, schickt
einen breiten Ausläufer in die Achselhöhle, und erreicht zwischen
vorderer Achselfalte und Mamilla seine höchste Entwickelung. Dann
erstreckt er sich, die Mamilla noch einnehmend, ein unteres Segment
des Warzenhofes jedoch nicht mehr betreffend, schnell an Breite und
Intensität abnehmend, nach vom, wo er in der Höhe des unteren Endes
des Corpus stemi zwei Querfinger von der Mitte endet. Aus der Achsel-
höhle zieht ein Streifen genau im Sulcus bicipit internus peripherwärts,
läuft dicht hinter dem Condylus internus Humeri an die ülnarseite des
Vorderarmes, wo er am Handwurzelgelenke endet.
Der ganze Kaevus setzt sich aus zweierlei Gebilden zusammen. Die
einen sind flache Warzen, die an der Oberfläche feinhöckerig und gelbbraun
bis schwarzbraun pigmentirt sind. Die einzelnen Wärzchen erreichen Punkt
bis Linsengrösse, und confluiren an den Stellen der stärksten Entwickelung
zu grossen Flächen, und lassen vielfach eine streifenartige Anordnung
erkennen. Am vorderen und hinteren Ende sind sie gelb bis gelbbraun,
zwischen Warzenhof und Achselhöhle jedoch braun bis tief schwarzbraun.
Die anderen, welche in der Achselhöhle vorkommen, bilden bis haselnuss-
grosse gestielte Papillome, von violettbrauner dunkler Farbe, und gelappter
Oberfläche. Die meisten sind trocken, jedoch in der Tiefe der Achselhöhle
ist das Epithel zwischen einzelnen macerirt und hier findet leichtes
Nässen statt.
Ausserdem befindet sich links an der Seite des Stammes, in der
Höhe des Rippenbogens ein pigmentarmer Fleck.
n. Fall. Naevus neuropathicus verrucopapillomatosus
pigmentosus.
D. A., 28jähriger Taglöhner. Der Vater des Patienten starb vor
kurzer Zeit 70 Jahre alt, nachdem er durch 13 Jahre an Athemnoth
gelitten hatte; die Mutter lebt, ist vollkommen gesund, 68 Jahre alt; zwei
Schwestern und zwei Brüder sind gesund. Der Patient gibt an, dass in
seiner ganzen näheren und entfernteren Verwandtschaft keine besondere
Erkrankung vorhanden sei, auch keine Geistes- oder Nervenkrankheit
vorkam. Namentlich ist ihm nichts von einer ähnlichen Hauterkranknng
bekannt. Sein Hautleiden besteht, wie ihm seine Mutter erzahlte, seit
der frühesten Kindheit. Es soll jedoch in den ersten Lebensjahren nicht
so stark ausgeprägt gewesen sein, sondern sich erst im sechsten Lebens-
jahre sehr verschlimmert haben. Damals badete er in einem kalten
Bache, es war im September, worauf er krank wurde, und fieberte ; dabei
soll sich das Hautleiden sehr gesteigert haben. Daraufhin blieb es sich
ganz gleich, nur dass es mit dem Patienten wuchs. Er wurde dadurch
nie belästigt. Nur wenn er stark schwitzte, war ihm das Nässen und der
ArehiT f. Dennato]. s. STpbll. Band XXVII. 3
34 Spietschka.
üble Geruch in der AchseUiöhle unangenehm. Er gibt an, sonst nie krank
gewesen zu sein; er ist Potator in allen Getranken (Bier, Wein, Schnaps);
die Kopfschmerzen nach einem Rausche waren die einzige Krankheit, über
die er sich beklagt. Der Appetit ist immer gut, der Stuhl in Ordnung,
eine venerische Affection hat er nie durchgemacht.
Status präsens: Patient ist mittelgross, von kraftigem Knochen-
bau und gut entwickelter Muskulatur; der Panniculus adiposus massig.
Die Untersuchung der inneren Organe ergibt vollkommen normale Ver-
hältnisse.
Die allgemeinen Hautdecken sind mit Ausnahme der unbedeckt
getragenen Theile wenig pigmentirt, glatt, gut befeuchtet und eingeölt.
Gesicht und Hände dagegen sind lebhaft pigmentirt. Das Haupthaar blond,
schütter. Irides grau, Pupillen gleich weit, prompt reagirend. Das Gesicht
ist etwas asymmetrisch. Die Nasenspitze sieht nämlich ein wenig nach
links. Stirnfalten und Nasolabialfalte sind links stärker ausgeprägt, der
Mundwinkel ist etwas nach links verzogen. In der Function der Gesichts-
muskulatur lässt sich jedoch ein Unterschied an den beiden Gesichtshälften
nicht erkennen. Im Gesichte und an den Streckseiten beider oberer Extre-
mitäten befinden sich zahlreiche ephelidenartige Pigmentationen, die an
den Unterarmen auch auf die Beugeseiten übergreifen. An der Schleim-
haut des Mundes sind keine Pigment- oder sonstige Anomalien wahrzu-
nehmen.
An der Haut des Stammes und der oberen Extremitäten befinden
sich zweierlei Bildungsanomalien: Die einen gleichen dem Fibroma mol-
luscum oder mehr noch Papillomen, indem sie nämlich kleine, bis erbsen-
grosse, weiche Geschwülsteben bilden, die an einem dünnen Stiele sitzen;
dieselben fühlen sich weich und ziemlich schlaff an und zeigen eine fein
gefaltete Oberfläche; die etwas grösseren haben ein gelapptes Aussehen,
genau wie ein venerisches Papillom, nur dass sie zumeist eine trockene
Oberfläche und Pigmentation zeigen. Ihre Farbe ist gelbbraun, bei den
grösseren etwas dunkler, stellenweise ins Violette spielend. Die zweite Art
gleicht mehr einer flachen weichen Hautwarze und besitzt eine hellbraune
Farbe, die Oberfläche ist fein höckerig. Es finden sich jedoch allmälige
Uebergänge aus der einen Form in die andere, auch sind die Färbungs-
verhältnisse verschieden. Die flachen Bildungen an der rechten Seite des
Stammes sind sehr dunkel pigmentirt, während sie am Rücken und an
den Extremitäten hellere Färbung zeigen; die papillomartigen in der
rechten Achselhöhle wiederum sehr dunkel, fast violett schwarz, während
die über den Schulterblättern und am Rücken eine bedeutend geringere
Pigmentation aufweisen. Die gestielten Bildimgen befinden sich beiderseits
am Rücken über den Schulterblättern, in der Fossa supraspinata sehr
zahlreich, namentlich rechts; links reichen sie nur zw^ei Querfinger breit
unter die Spina, rechts dagegen eine Handbreit. Beiderseits nehmen sie
nach aufwärts an Grösse zu, setzen sich über die Falte des Musculus
tsucullaris bis in die Schlüsselbeingrube fort, wo sie auch wieder rechts
lieber sogenannte Nerven-Naevi. 35
starker entwickelt sind als links und bis in die halbe Höhe des Halses
hinaufreichen, jedoch nur in spärlichen Gruppen. Merkwürdig ist ihre An-
ordnung in Reihen, welche vom Nacken quer nach aussen auf den Ober-
arm ziehen. Ausserdem befinden sich in der rechten Achselhöhle und zwar
in der vorderen Hälfte derselben mächtige Gruppen, während an der hin-
teren Achselfalte nur zwei etwa wallnussgrosse Gruppen stehen. In der
Achselhöhle selbst bilden sie grosse papillomartige Wucherungen, deren
Oberfläche theilweise macerirt und violett roth gefärbt ist.
Die zweite Art der Bildungen ist in der Weise vertheilt, dass in
der Mitte der Brust von der Glavicula bis etwas unter die Mamillen herab
eine Gruppe solcher warzenartiger Bildungen sich befindet, die über dem
Stemum am dichtesten ist und «ich nach aussen bis zwei Querfinger vor
die Mamillarlinie erstreckt. Von dieser Gruppe, welche beiderseits eine
streifenförmige symmetrische Anordnung zeigt , verlaufen bogenförmige
Gruppenzüge am Musculus pectoralis major gegen die Arme zu, auf denen
sie sich, immer etwa 2 Querfinger von der freien Achselfalte entfernt
über die grösste Wölbung des Biceps bis gegen das Ellbogengelenk er-
strecken. Am linken Arme verlaufen sie dann mehr ulnarwärts bis zur
Mitte des Vorderarmes, rechts blos bis in das obere Drittel; jedoch be-
findet sich hier ausserdem noch ein Zug im Sulcus bicipitalis internus,
welcher von der Papillomgruppe der Achselhöhle ausgeht.
üeber beiden Schulterblättern befinden sich bis in die Höhe des
Domfortsatzes des 5. Brustwirbels herab grosse Gruppen derartiger Ge-
bilde. Die Richtung dieser gleichfalls in Streifen geordneten Gruppen geht
oberhalb der hinteren Achselfalte an die Aussenseite des Oberarmes, ver-
läuft im oberen Drittheil desselben etwas nach vom, gelangt im Sulcus
bicipitalis extemus ans Ellbogengelenk und erstreckt sich an der rs^dialen
Hälfte der Beugeseite des Vorderarmes bis ungefähr in die Hälfte desselben.
Femer verlaufen an der rechten Hälfte des Stammes in herpes-
zoster-artiger Anordnung drei Gürtel, die aus Gruppen derselben warzen-
artigen Gebilde bestehen, die aber hier sehr dunkel pigmentirt sind. Der
oberste Gürtel befindet sich in der Hohe der 7., der zweite in der Höhe
der 9., der dritte in der Höhe der 12. Rippe und zieht bis über den
Darmbeinkamm. Am deutlichsten sind die Gürtel an der Seite des Stammes
ausgeprägt, während sie sich dorsal- und ventralwärts gegen die Mittel-
linie mehr ausbreiten und mit einander stellenweise verschnrelzen. An der
linken Seite befinden sich nur hinten zwei Querfinger neben der Mittellinie
drei diesen Gürteln entsprechende Gmppen. Noch tiefer, über der oberen
Hälfte des Kreuzbeines befindet sich jederseits noch eine weitere Gruppe,
die einen vierten Gürtel andeutet; rechts setzt sie sich in der oberen
Hälfte der Glutaealgegend nach vom fort, um dicht über dem Pupart-
schen Bande bis zur vorderen Mittellinie zu ziehen, und hier mit dem
dritten Gürtel zu verschmelzen. Die Gürtel enden rechts vome scharf in
der Mittellinie, während sie hinten beiderseits etwas von der Mittellinie
entfernt beginnen.
3*
36 Spietschka.
Bei beiden Fällen sehen wir eine Tollkommen gleicliartige
Erkrankung, welche unstreitig auf einer Papillenhypertrophie
mit FigmentbOdung beruht und sich in Form von Warzen oder
Papillomen zu erkennen gibt
Betrachten wir nnn die Localisation etwas näher 1
Bei dem ersten Falle (Taf. IVj ünden wir ein Gebiet be&Uen,
welches bereits der Region der Intercostalnerren zugehört und
der Ausbreitung der zweiten und dritten Intercostalis sinister
entspricht, und zwar das ganze Gebiet derselben einnimmt mit
Ueber BOgenAnote Nerven-Naevi. 37
Ausnahme des vordersten nnd hintersten Theiles. Ausserdem
aber sehen wir einen Theil der Unken oberen Extremität be-
iallen, welcher dem Nervus cutaneus internus entspricht. Wir
finden nun einen wichtigen anatomischen ZuBammenhang dieser
38 Spietschka.
beiden Gebiete, denn Henle^) sagt: „Der Ramus perforans
lateralis des zweiten Intercostabierren verbindet sich mit dem
Nervus cutaneus internus des Armes, oder vertritt ihn, und
auch vom dritten gelangen noch Zweige zur Haut der Achsel-
grube/ Wir müssen doch zugeben, dass die äussere Unter-
suchung kaum einen schöneren Beweis für den Zusammenhang
zwischen der Ausbreitung dieser Naevi und den Verbreitungs-
gebieten der Hautnerven erbringen kann, als diese merkwürdige
Uebereinstimmung in unserem Falle.
Wir finden auch eine grosse Uebereinstimmung in der
Ausbreitung der Erkrankung unseres L Falles mit dem Falle H
von Herpes Zoster bei Weis, ^) welchen derselbe gleichfalls
in der oben angegebenen Weise erläutert.
Unser zweiter Fall bietet das merkwürdige Beispiel eines
^Naevus unius lateris" bilateralis, dessen Möglichkeit bereits
von Th. Simon in der oben citirten Arbeit betont wurde, aber
bisher in derartiger Weise noch nicht beobachtet worden ist.*)
Trotzdem derselbe die Erkrankung an beiden Seiten in so
ausgesprochener Weise zeigt, hält er doch auch die Regeln
der Halbseitigkeit sti-eng ein.
Was hier die Vertheilung der Krankheit nach Nerven-
gebieten betrifft, so finden wir die Verbreitungsbezirke ver-
schiedener Spinalnerven vom IV. Cervicalis bis zum ersten
Sumbalis in die Erkrankung in mehr oder weniger starker
Weise einbezogen. Am Stamme sehen wir links nur die Ge-
biete der Rami perforantes posteriores befallen. Rechts dagegen
werden die Gebiete des 7., 9. und 12. Intercostalis voll-
ständig eingenommen und auch das Gebiet des ersten Sum-
balis ist nicht verschont, denn wir beschrieben oben einen
vierten Gürtel, welcher dicht über dem P u p a rt'schen Bande bis
') Henle. Handbuch der Nervenlehre des Menschen. Braunschweig
1871, p. 508.
*) Weis, E. lieber e;)idemi8chen Zoster. Archiv f. Derm. u. Syph.
1890, p. 630.
*) Erst nach Vollendung dieser Arbeit erhielt ich Kenntniss von
einem Falle, welchen Saalfeld in derBerl. derm. Vereinigung am G.Juni
1893 vorgestellt hatte. Auch hier war die Affection beiderseitig, jedoch in
ungleich starker Weise vorhanden.
üeber sogenannte Nerven-Naevi. 39
g^nau in die vordere Mittellinie zieht, und zum grossen Theile
mit dem S. Gürtel verschmolzen ist.
Am Schultergürtel finden wir beiderseits das Gebiet des
IV. Gervicalis mit papillomartigen Bildungen besetzt. In der
rechten Achselhöhle haben wir ein ähnliches Verhältniss wie
bei dem vorigen Falle links. Wir sehen hier einen schmalen
Streifen vom Schulterblatte unter der hinteren Achselfalte in
die Achselhöhle ziehen, wo eine mächtige Gruppe von Papil-
lomen sitzt, die wiederum einen schmalen Zug warzenartiger
Gebilde in den Sulcusbicipitalis internus sendet, der darin bis
zum Ellbogengelenke verläuft. Also Gebiet des IIL Inter-
costaJis mit seiner Abzweigung zur Achselhöhle und Innenseite
des Armes. An der Vorderseite des Stammes ist dieser Gürtel
nur durch einige kleine Warzengruppen oberhalb der Mamilla
angedeutet; links fehlt er ganz, hier sind aber auch in der
Achselhöhle und im Sulcusbicipitalis internus keine patholo-
gischen Gebilde vorhanden.
Die eigenthümliche Anordnung der Streifen an der Brust
dürfte wohl dem hier etwas modificirten Verlaufe der Haut-
nerven entsprechen. Wir finden darüber bei Langer (Lehrb.
der Anatomie 1887 pag 350): „Die Einfügung der oberen Ex-
tremität modificirt die typische Anordnung der beschriebenen
Hautnerven. Die Modificationen betrefifen aber nur die oberen
bis zum siebenten und bestehen in folgendem. Da der erste
Intercostalis vollständig vom Schultergürtel bedeckt wird, so
kann er keinen Hautast abgeben, wogegen er eine beträchtliche
Fasermenge an den Plexus brachialis abliefert. Der zweite Inter-
costalis besitzt bereits beide durch bohrende Hautäste, er sendet
aber den hinteren nicht zur Brust, sondern mit dem Nervus cutaneus
brachii internus vereint zur oberen Extremität, wo er die Haut der
Achselgrube und eines Theiles des Oberarmes mit Fasern ver-
sieht. Da auch die folgenden hinteren Hautäste bis zum 7.
von den Rumpfarmmuskeln überlagert werden, so müssen sie,
um zur Brusthaut zu gelangen, einen Umweg machen und vorne
den unteren Rand des Poctoralis umgreifen. Die mangelnden
Brusthautäste der ersten zwei Intercostales ersetzen die Nervi
supruclaviculares des 4. cervicalis, dessen Hautgebiet somit un-
mittelbar an den Hautast des 3. Intercostalis grenzt. Wenn
40 Spietscbka.
wir uns nun vorstellen, dass das Gebiet des 3. und 4. Inter-
costalis links nur in seinem vordersten Theile befallen ist,
rechts dagegen nur beim 4. der seitliche Theil ausgelassen ist,
während das Gebiet der Supraclaviculares (aus dem 4. Cervicalis)
beiderseits ergriffen ist, kann uns auch diese eigenthümliche
Anordnung erklärlich werden.
An den Armen ist die Gruppirung recht einfach. Die
beiden grossen Züge, die oben beschrieben wurden, folgen
genau den Verbreitungsgebieten der Hautzweige des N. circum-
flexus humeri und Radialis einerseits und des Ulnaris andrer-
seits.
Dass trotz des Auftretens der Krankheit an beiden Seiten
des Körpers die Halbseitigkeit der Affection deutlich erkennbar
ist, geht aus Folgendem hervor. Erstens ist die rechte Hälfte
viel schwerer befallen als die linke, und zweitens sehen wir
rechts Gebiete in scharf halbseitiger Begrenzung befallen, die
links frei sind; dies zeigt sich namentlich an den Rami per-
forantes laterales et anteriores der Nervi spinales intercostales^
in deren Gebiete die Erkrankung vorne scharf in der Mittel-
linie abschneidet. Ausserdem sehen wir dasselbe an dem scharf
halbseitigen tieferen Herabgreifen der Zone über der Regio
scapul. infraspinat. und über dem Pectoralis major, entsprechend
dem Nervus intercost. HI mit dem anschliessenden Gebiete des
Nervus cut. brachii intern., welches linkerseits vollkommen frei-
gelassen ist, bis auf den vordersten Theil der Brustgegend.
Bezüglich dieser beiden Fälle möchte ich wegen einer gewissen
Analogie in der Localisation an den lY. Fall Jadassohn^s^)
erinnern, welcher einen Naevus mit ganz gleichartigen Verän-
denmgen betrifft, wobei er schreibt: „Bezüglich ihrer Grup-
pirung erinnern die Flecke am Rumpfe theilweise an Herpes
zoster. So beginnt schon in der Höhe des vierten bis sechsten
Brustwirbels ein aus den geschilderten Hautveränderungen be-
stehender Streifen am inneren Rande des Schulterblattes und
zieht unter der Achselhöhle um die Seitenwand des Thorax
nach vorn, nachdem er zuvor an die oberen hinteren Pallien
des Oberarmes einige schmälere Streifen abgegeben hat." Ganz
') J ad a 8 söhn, 1. c, p. 928. Arch. i. Derm. u. Syph. 1888.
üeber sogenannte Nerven-Naevi. 41
I
ähnliche Verhältnisse finden wir bei dem von Saalfeld') in
der Berliner dermatologischen Vereinigung am 6. Juni 1893
Yorgestellten Kranken. Auch hier setzte sich die Affection, über
die Yollständig befallene Achselhöhle hinweggehend, in
Gestalt eines gegen die ulnare Seite des Ellbogens sich ver-
jüngenden und oberhalb der ulnaren Seite des Handgelenkes
spitz auslaufenden, fast continuirlichen Streifens fort.
Noch ein weiterer Punkt wäre zu erwähnen, welcher für
den Zusammenhang dieser Erkrankung mit dem Nervensysteme
namentlich der Spinalganglien spricht. Die Cervicalnerven,
namentlich die vier unteren mit dem ersten Intercostalis gehen
untereinander reiche Anastomosen ein und wechseln einen
grossen Theil ihrer Fasern mit einander aus, so dass der end-
giltig zusammengestellte Nerv seine Fasern aus mehreren ver-
schiedenen Wurzeln bezieht. Die übrigen Intercostalnerven
dagegen zeigen ein ganz einfaches Verhalten; wenn nun eine
in den Spinalganglien gelegene Ursache verändernd auf die
Haut einwirkt, so wird an dem den Intercostales entsprechenden
Gebieten die Anordnung der Hautveränderung eine einfache,
typische sein. An den den Cervicalganglien entsprechenden
Partien dagegen müssen Unregelmässigkeiten in der Vertheilung
der Afifection an den Tag treten. Sollte diesen Verhältnissen
bei unserem zweiten Falle nicht die deutliche Anordnung der
Erkrankung in Gürtelform in den tieferen Gebieten und die
schwer aufzulösende Vertheilung am Schultergürtel entsprechen ?
Eine sichere Stütze für den neuropathischen Ursprung
dieser Naevi wird allerdings erst die genaue Beobachtung ein-
schlägiger Fälle erbringen können. Nach unseren Beobachtungen
aber müssen wir uns den Ansichten Bärensprungs, Th.
Simonis oder Recklinghaus en's zuneigen und ihnen unter
den bestehenden Meinungen entschieden die grösste Berechti-
gung zuerkennen.
Wir wollen nun zur Betrachtung des dritten Falles von
halbseitigem Naeviis übergehen, welcher nach Art der vorhan-
denen Veränderungen den ersten Fällen Jadassohn's entspricht.
*) Saalfeld. Doppelseitiger Naevus vermoosus (Nervennaevns.)
Dermatol. Zeitschr. Bd. I, Heft 1.
42 Spietichka.
V. F. , 20jähriger Lederfarber. Der Patient kommt wegen
Luea mit ulcerirenden Papeln an der Mundschieünhant zur £linik. Die
Pigmentafiection am Stamme hat Patient wenig beachtet, da sie ihn
durchaus nicht beläBtigte. Er gibt an, dase sie, Bowie die beiden pigmenti
lo^en Stellen am Rücken achon eejt der Gebort bestehe, nnd mit ilim ge-
wachsen sei.
Status praesens: Pat. ist mittelgross, von gracilero Knochenban,
achwaph entwickelter Muskulatur und geringem Panniculus adipoaus. Daa
Haupthaar ist blond, die Iride.i blau. Die allgemeinen Hautdecken sind
glatt, mSseig pigmenlirt, gut befeuchtet und eingeölt. Der Hals ist lang,
schmal, Thorax flach. Kein besonderer pathologischer Befund an den
inneren Organen. Die Genitalaffection, die Erkrank ungsherde der Mund-
Schleimhaut und die sklerotischen Drüsen Veränderungen wollen wir hier
nicht näher erörtern.
Die Erkrankung, wenn man es so nennen darf, welche uns hier
interessirt, befindet rieh an der linken unteren Hälfte des Stammes und
aro linken Oberschenkel; sie besieht aus einer sehr grossen Zahl brauner
Flecke, die gewöhnlichen Kpitheliden vollständig gleichen, nur dass
manche etwaa grösser werden, als dies die Sommersprossen in thun
pflegen.
Dieselben nehmen ein siemlich scharf tunsohriebenes Qebiet ein,
das sich folgendermassen begrenzen lässt. Vome endet dasselbe scharf in
üeber eogenaDnte Nerven-Kaevi. 43
der Mittellinie von der Symphyse bis binaof zum Kabel; am Nabel
apringen zwei oder drei Flecke auf die rechte Seite über. Oberhalb des
Nabels steigt die Qreiue noch 8 Querfinger empor, entfernt sich aber in
ganz «anften Bogen etwas von der Mittellinie; verläuft dann Eiemüch
horizoDtal bie zur Mamillarlinie, fallt hier wieder drei Querfinger senk-
recht nach abwärts, um sich dann spitzwinkelig nach hinten nnd oben eq
wenden. In dieser Richtung verläuft die Grenze bis zu einer vom Innen-
rande der Scapula senkrecht nach abwärts gezogenen Linie bis cum
unteren Itande der 11. Rippe. Dann senkt sie sich wieder schräg nach
abwärts, um in der Höhe der Lenden Wirbelsäule auf die rechte Seite des
Stammes üherEugreifen, überschreitet die Mittellinie jedoch nur um einen
Querfinger breit, und erreicht dieselbe wieder, um dann bis zu der Rima
ani herabzuziehen. Die untere Grenze ist nicht scharf zu ziehen. Im
unteren Theil sind die Pigmentflecke sehr klein und bedeutend spärlicher.
Doch kann man sagen, dass sie in der Höbe des ersten Steisswirbels von
diesem horizontal bis in-die Seitenlinie zieht, die sie dicht unter dem
Trochanter m^or erreicht.
Von hier geht dann die Grenze an der Seiten- und Yorderfläche
des Schenkels schräg nach abwärts ; hier kann jedoch eine genaue
Begrenzung nicht angegeben werden, weil die Flecke hier mehr zerstreut
sind, und sich allmälig in der Mitte des Oberschenkels und auch an
seiner Innenseite verlieren.
44 Spietschka.
Dieses Gebiet ist nan mit kleinen braunen Flecken wie nbenaet.
Dieselben schwanken in ihrer Grösse von der eines kleinen Pünktchens
bis zu der einer Linse. Die Haut ist an den pigmentirten Stellen weder
verdickt noch sonst verändert; die Flecke zeigen keine bestimmte
Gmppirang, sondern sind regellos zerstreat. Auffallend ist ausserdem die
diffuse dunklere Pigraentirung, welche besonders die Ünterbauchgegend
einnimmt. In der Mittellinie des Bauches ist dieselbe am stark8t«n und
endet nach rechts hin plötzlich, sodass hier die halbseitige Begrenzung
um so schärfer markirt ist.
Neben diesem grossen Xaevus zeigte der Patient noch insofern
einige Pigmentanomalien, als sich am Rücken links zwei ovale und an der
Brust eine runde pigmentlose Stelle befand.
Das Gebiet, welches die Anomalie in unserem Falle ein-
nimmt, gleicht fast vollständig dem von Jadassohn^ be-
^schriebenen HI. Falle. Es wird vom Lumbal plexus aus inner-
virt, u. zw. vom letzten Intercostalis, femer dem N. ileo hypo-
gastricus, N. üeo inguinalis und Nervus cutaneus femoris ex-
temus, welch letztere vom L und II. Lumbalnerven entstammen.
Ich möchte dabei besonders auf die obere Grenze der Affection
aufinerksam machen, welche in unserem FaDe wohl etwas tiefer
liegt, als im Falle Jadassohn^s, aber doch eine merkens-
werthe Uebereinstimmung mit derselben zeigt; dieselbe betriflFt
nämlich das rechtwinkelige nach abwärts Knicken genau in der
Mamillarlinie, und die abermalige Knickung nach hinten oben.
In der rückwärtigen Mediallinie zeigt sich eine Abweichung
zwischen beiden Fällen: bei Jadassohn steigt die Grenze
etwas spitzwinkelig gegen die Medianlinie nach aufwärts, bei
uns fallt sie nach abwärts, um aber hier in gleicherweise wie
bei J. auf die andere Seite ein wenig überzugreifen. Eine merk-
würdige Uebereinstimmung in beiden Fällen bietet femer die
untere Grenze, sowohl was ihre Configuration als auch was die
Beschaffenheit der Pigmentflecke selbst betrifft ; auch die diffuse
braune Pigmentation im vorderen oberen Theile des befallenen
Gebietes mit ihrer scharf hervortretenden Grenze in der Mittel-
linie am Abdomen war bei beiden in gleicher Weise vorhanden.
Die Verschiedenheit der Hautveränderungen zwischen den
ersten zwei Fällen einerseits und dem dritten andererseits sind
in die Augen springend und genügend in der Arbeit Jadas-
sohn's gewürdigt worden.
') Jadassohn, L c. p. 923.
lieber sogenannte Nerven-Naevi. 45
Da wir über die Aetiologie derartiger halbseitiger Naevi
noch ganz im Unklaren sind, und da uns namentlich auch noch
der stricte Beweis für den Zusammenhang mit nervösen Stö-
rungen fehlt, scheinen uns derartige Uebereinstimmungen der
Affection in yerschiedenen Fällen, wie sie oben erwähnt wurden,
im höchsten Grade bemerkenswerth zu sein. Sollte sich die
Erwartung Jadassohn^s bestätigen, dass die letztere Form
halbseitiger Naevi, wo sich derselbe aus einer grossen Zahl
kleiner Pigmentmale zusammensetzt, nicht gar so selten sei,
was jedoch nach den spärlichen Angaben in der Literatur
nicht der Fall sein dürfte, so wäre es sicher im höchsten Grade
wünschenswerth, dieselben genau zu beachten, um der Lösung
dieser Fragen näher treten zu können.
Wenn wir versuchen, aus der Anordnung der Hautverän-
dei-ungen einen Schluss auf die Natur der Erkrankung zu
ziehen, so werden uns folgende Momente massgebend sein;
1. Dass sich die Yertheilung der Anomalien an die Verbrei-
tungsgebiete der Hautnerven anschliesst.
2. Dass die Gruppirung der Gebilde in den beiden ersten
Fällen vollkommen der bei Herpes zoster vorkommenden gleicht,
dessen nervöser Ursprung im hohen Grade wahrscheinlich
ist, und
3. dass beim letzten Falle die Veränderungen ziemlich
gleichmässig über ein gut abgegrenztes Gebiet verbreitet sind,
das von mehreren hinter einander liegenden Spinalganglien aus
innervirt wird.
J
Ein Beitrag zui* Kenntniss der Haiithömer
der Augenadnexa.
Von
Dr. Mitvalsk^,
Docent der Angenlieilkande an der bShm. UniyeraitXt im Prag.
(Hierzu Taf. V u. VI.)
Durch die Gefälligkeit des Dr. Smidrkal aus Baud-
nitz gelangte ich zur Untersuchung eines schönen Falles von
einem Yerhältnissmässig grossen und üppig gewachsenen Haut-
home des Unterlides und da die Fälle dieser bizarren Erkran-
kung im Bereiche der Augenadnexa immer noch mitgetheilt
werden und da der von mir verzeichnete anatomische Befund
vielleicht auch etwas die Frage des Wachsthums der Hauthörner
überhaupt näher zu beleuchten in der Lage ist, glaube ich
mich berechtigt, auf denselben in diesem Artikel näher eingehen
und den betreffenden histologischen Befund ausfuhrlicher mit-
theilen zu dürfen.
Bei einer 40jährigen Arbeiterfrau bildete sich vor einem
Jahre auf dem rechtsseitigen Unterlide „ein kleiner Faden",
den die Frau einfach abgerissen hatte. Es entstand nachher
daselbst eine Warze der Unterlidhaut, welche von der Frau
vriederholt unterbunden wurde, wiederholt abfiel und immer
wieder vmchs. Als dann dieselbe die Grösse einer kleinen
Haselnuss erreichte, versuchte die Frau dieselbe von neuem
mit einem Haarseile abzuschnüren und liess dasselbe fest zu-
geschnürt an der Geschwulstbasis liegen; das erwünschte Ab-
fallen der Geschwulst bheb diesmal jedoch aus, die Haarseil-
schlinge wuchs ein, die Geschwulst wuchs darunter weiter
48 Mitvalsky.
'schob die unterbundene, nun eingetrocknete Geschwulstpartie
vor sich, so dass Anfang November 1892, also etwa ein Jahr
nach dem letzten Unterbindungsacte, bei der Kranken folgender
Befund notirt wurde: Bei der gut genährten, sonst ganz ge-
sunden Frau ist das rechte Unterlid, speciell in seiner äusseren
Hälfte, massig evertirt, beim Lidschliessen gleicht sich die
Eversion jedoch aus. Gerade in der Mitte der lidhaut sitzt
ein tj'pisches Hauthom (Fig. 1) von 4*2 Cm. Länge, dessen
ovaläre, mit ihrem Längsdurchmesser horizontal gestellte Basis
l'b Cm. und 1'2 Cm. Durchmesser misst. Das Hom ist bogen-
förmig gekrümmt, mit seiner Convexität zur Nase gerichtet und
etwas nach aussen verschoben, so dass seine Spitze die Gegend
des Körpers des Os zygomaticum berührt; die obere Grenze
der Hornbasis ist von dem Lidrande 2 Mm. entfernt. Das Hom
zeigt deutlich 3 differente Partien. Die basale, etwa 1 Cm. lange
Partie erhebt sich allmälig aus der Hautoberfläche und zeigt
einen feinen mit derselben continuirlichen Hautüberzug, ist von
schmutzig gelber Farbe und elastischer Consistenz, so dass
Dr. §midrkal sogar auf die Gegenwart eines Atheroms oder
eines Lipoms daselbst dachte. Die mittlere Partie des Hauthoms
— etwa 2 Cm. lang — ist homartig durchscheinend, von schwach
olivengrüner Farbe; dieselbe ist der Länge nach gefurcht und
scheint aus parallel geordneten Säulen zu bestehen, ihre Con-
sistenz ist härtlich und nimmt sichtlich gegen die Spitze des
Gebildes zu. Darauf ist nun eine dritte Partie angesetzt, welche
hornartig hart, schwarz gefärbt und von der mittleren durch
zwei — einen Yerdickungsknoten einschliessenden — Binnen
geschieden ist. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diese
Scheitelpartie dem ursprünglichen, vor etwa einem halben Jahre
mit einem Haarseil abgeschnürten Home entspricht, welches
nach der Unterbindung keinesfalls abfiel, sondern beim weiteren
Wachsen des Homes sanunt dem umschlungenen Haarseil er-
hoben und vorgeschoben wurde.
Die Exstirpation wurde am 4. November 1892 von Dr.
§midrkal auf die Art vorgenommen, dass das Hom sammt
der Basis und dem subcutanen Bindegewebe ausgeschält, worauf
die Wunde vernäht wurde. Es erfolgt« definitive Heilung; bis
jetzt kein Becidiv.
Kin Beitrag zur Kenntnisa der Hauthörner der Augenadnexa. 49
Das Gebilde wurde behufs Conservirung in Mü Herrsche
Flüssigkeit gelegt, worauf der mittlere Theil derselben deutlich
aufquoll und der Knoten der Haarseilsehhnge von selbst sich
löste, so dass das früher eingewachsene und nicht sichtbare
Haarseil wieder zum Vorschein gekommen war.
Die histologische Untersuchung zeigte nun folgenden
Befund: An Längsschnitten durch die ganze Homlänge
sieht man, dass das Hörn der Hauptsache nach aus epidermoi-
dalen, mehr oder weniger veränderten Zellen aufgebaut ist, wo-
zwischen nur äusserst spärliches Bindegewebe zu finden ist. —
Das Scheitelstück (Fig. 1^) lässt an der Spitze nur einge-
trocknete Epidermiszellensäulen, deren Zellkerne keine Spur einer
Tinction annehmen, erkennen; irgendwelche Bindegewebsreste
sind daselbst nicht sichtbar; die knotige Anschwellung
desselben präsentirt sich jedoch deutlich als mumificirende
Basalpartie des vor einem Jahre sammt seiner Basis unter-
bundenen Hauthönichens. Man sieht daran eine wohlerhaltene
Epidennis mit Haarbalken, in denen sogar noch sichtbare
Härchen stecken ; unter der Epidermis ist eine gelblich gefärbte
Schichte einer geronnenen Albuminsubstanz, die wohl als Ueber-
bleibsel einer bedeutenden Hämorrhagie, welche nach der
Unterbindung der Hörnchenbasis zu Stande kam und die Epi-
dennis von dem Bindegewebs^orüst des kleineu Homes abhob,
zu betrachten ist; das darunter befindliche, gut kenntliche
Bindegewebsgerüst zeigt zahlreiche, geschläugelte, mit breiten,
rostfarbenen Säulen homogen veränderten Blutes überladene
Blutgefässe, ist von den diflfundirten Blutpigmentderivaten durch-
tränkt und rostfarben, die Kerne der Bindegewebskörperchen
sind zwar gesclu-umpft, ausgetrocknet, nehmen jedoch die Tinc-
tion ziemlich gut an. Die Structur des Hauthornes ist an diesem
Scheitelstück, obwohl die Mumification desselben ziemlich weit
vorgeschritten ist, ganz wohl ausgesprochen ; man findet daselbst
ein reichliches centrales Bindegewebslager, von dem auf diverse
Seiten balkenartige Fortsätze abzweigen, welche von, in der
Balkennähe noch färbbaren Epithelialzellen umschlossen werden,
welche Zellen mit der Entfernung von den Bindegewebsbalken
abgeflacht, ja schuppenförmig, jedoch unter einander verschmolzen
werden und ihre Färbbarkeit mehr oder weniger vollständig
ArchiT f. Dermatol. u. Syphil. Band XXVII. 4
50 Mitvalsky.
yerlieren. In den blutüberladenen Blutgefässen dieses Scheitel-
stückes ist kein einziges erhaltenes, oder nur als solches kennt-
liches Blutkörperchen enthalten, die Blutflüssigkeit ist daselbst
zu homogenen, gelben, bis rostfarbenen Säulen verwandelt. Das
Bindegewebsgerüst des Scheitelstückes ist mit den spärlichen
Bindegewebsstreifen des Mittelstückes wohl verbunden; sein
Blutgefässsystem ist jedoch ausserhalb der Circulation gesetzt.
Das parallel gerippte Mittelstück (Fig. Ift) des Homes
zeigt sich aus in einander übergehenden, ungleichmässig langen
und dicken Säulen, deren mehrere immer wieder von einem
gemeinsamen Homzellenmantel umgeben sind, zusammengesetzt.
Ihr Gros ist aus schalenförmig aneinander gehäuften, mehr
oder weniger verhoniten Epithelialzellen gebildet Zwischen
diesen Zellensäulen, meistens in den erwähnten Umhüllungs-
manteln, findet man stellenweise mehr oder weniger deutlich
erhaltene Bindegewebsstreifen und Gefässe, eventuell nur deren
Beste (Fig 2). Die Blutgefasssäule ist je mehr gegen den Scheitel
desto mehr degenerirt, homogen, gelb; am längsten erhalten
sich noch die farblosen Blutzellen; auch die Blutgefässwände
scheinen meistens degenerirt und eingetrocknet ; anderenorts
sieht man, dass die degenerirte Blutmasse die Blutgefässwände
durchbrochen hat und in den Bindegewebsklüfben als degenerirte
Hämorrhagie figurirt. An Querschnitten des Mittelstückes ist
schon zu ersehen, dass das spärliche Bindegewebe des Haut-
hornes nicht einzig durch die entlang des Hauthomes in die
Länge gezogenen, sich auch verzweigenden, papillenähnlichen
Gewebsstreifen repräsentirt ist, sondern dass es ausser dem
noch sehr spärliche, der Quere nach verlaufende, mehr oder
weniger als solche noch erhaltene Septa (Fig. 3) bildet, in
denen ebenfalls die Gefässe und deren Beste das Hauthom
hinaufziehen (Fig. 3 a). Die meisten dieser vorgefiin denen Ge-
websstreifen erreichen sammt den darin verlaufenden Gefässen
nicht den Scheitel des Mittelstückes; als ihre Fortsetzung ist
meistens ein mit amorpher gelblicher Masse erfüllter Spalt zu
sehen, der nun weiter hinauf mit reticulirtem Gewebe erfüllt
zu sein pflegt, welches letztere wohl mit Unna'scher Mark-
substanz oder Hornmark sowohl morphologisch als genetisch
identisch sein mag. Unter dem Namen der Bindegewebsstreifen
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hanthömer der Augenadnexa. 51
dari' man sich wohl kein saftiges, frisches Bindegewebe vor-
stellen ; ja wären nicht anderweitige Merkmale, die uns dasselbe
erkennen lassen, vorhanden, so hätten wir unsere liebe
Mühe, die Bindegewebsstreifen von dem übrigen Hauthomgewebe
zu unterscheiden, da die Bindegewebsfasern und Zellen äusserst
spärlich und schmächtig sind. Die Bindegewebsstreifen sind
meistens jedoch dadurch kenntlich gemacht, dass die daran
angrenzenden Epidermiszellen bei weitem mehr gefärbte Kerne
(Fig. 8) und mehr saftige Zellkörper zeigen und dann da-
durch, dass in denselben Blutgeiässe (Fig. 2), die meistens
wohl mit Blutinhalt gefüllt sind, gegen den Hauthornscheitel
verlaufen. Im Ganzen kommen an einem Längsschnitt durch
unser Hörn etwa 3 — 5 mehr oder weniger kenntliche Binde-
gewebsstränge vor; an Querschnitten sind deren mehrere. Der
Verhornungsgrad der Epidermiszellen variirt an allen Schnitten
bedeutend ; eine totale Verhornung der Zellen bis auf feine graue
Schüppchen, so dass deren Kerne gar nicht sichtbar sind, hat
nur an wenigen Stelleu platzgegriffeii, die in der Verhomung
nicht so weit vorgeschrittenen Zellen sind stark abgeplattet bis
nmdlich und zeigen linienförmige bis ovale Kerne, welche diverse
Färbungssaturation aufweisen ; der Zellkörper erweist sich unter
dem Mikroskop bernsteinartig, glänzend.
Die für die Auflassung des Wachsthums der Hauthömer
wichtigsten Befunde liefei-t wohl der basale, von deutli-
cher Epidermis überzogene Theil der Geschwulst
(Fig. 4j. Betrachten wü* zuerst die Längsschnitte. Die
normal beschaffene Epidermis zieht mit einem dünnen, stark
kleinzellig infiltrirten Corium von der Hornbasis hinauf und
schickt überall zahlreiche, schräg gegen die Hornbasis verlau-
fende Epithelzapfen hinunter, welche bald entweder solide er-
scheinen und sich mit epithelialen Endkolben der Hauthorn-
basis vereinigen, oder leere cystische Hohkäume nach der Art
einer mikroskopischen Atherombildung zeigen, oder aber in
ihrer Mitte ganz deutliche feine Härchen eingeschlossen auf-
weisen. Eine ganze Menge der soliden Schläuche geht speciell
auch von dem Ende des Epidermisblättchens geisselformig ab
(Fig. 5 a) und schmiegt sich der Hauthomperipherie an
(Fig. 55). Der Hauthombasis zu sieht man dann zahlreiche
52 MitvaUky.
Schweissdrüsenconvolute, deren Tubuli sämmtlich er-
weitert am Rande des Gomu in grossen Gruppen gehäuft, unter
der Basis desselben jedoch durch stark ausgesprochene klein-
zellige Infiltrationen auseinandergedrängt und abgeplattet er-
scheinen. Ihre Epithelialzellen sind in einer ausgesprochenen
Wucherung begriffen und einzelne Schläuche derselben lagern
stellenweise ganz deutlich immitten von Orbicularisfasem, wohin
sie hineingewuchert sein dürften. DaseigentlicheHauthorn-
gewebe besteht hier der Hauptsache nach aus grossen Epi-
thelialzellen in diversen Stadien der Verhomung und in diverser
Gruppirung, welche in der Form von breiten, sich theilenden
lappigen Epitheliallagem bis an die Orbicularismusculatur
reichen, an ihrer Peripherie sichtliche Vermehrung eingehen
und kolbige Epithelialzellenfortsätze produciren. Die Wucherung
und Vermehrung dieser Epithelialzellen und die Production
epithelialer Kolben geschieht sowohl in der Richtung der Haut-
homdecke, als auch gegen die Hauthornbasis zu, in der letz-
teren Richtung aber entschieden ausgiebiger. Dadurch kommt
wohl das Wachsen des Cornu überhaupt zu Stande. Die gegen
die Basis zu strebenden Epithelialkolbeu erheben das Cornu
und verlängern es sichtlich, wobei sie an das stark gewucherte
und verdickte subcutane Bindegewebe herandrängen, welches
sie theilweise zur Seite schieben, von dessen dickeren Balken-
sie sich jedoch in immer neue Kolben zerklüfl^n lassen. Das
aus der kleinzelligen Infiltration fortwährend nachwachsende
Bindegewebe liefert die gefässtragenden und die Ernährung
des Hauthornes besorgenden Bindegewebsbalken, die sich in
dem basalen Theile des Hauthorns in diverser Richtung ver-
zweigen und stellenweise sogar mit den von benachbarten
bindegewebigen Fortsätzen ausgehenden Aesten wieder sich
vereinigen, so dass dadurch in einzelnen Partien des basalen
Theiles des Cornu ein bindegewebiges Maschengerüst zu Stande
kommt, welches nach der Art der Carcinome grosse Gnippen
von epithelialen Zellen umgrenzt, von denen diejenigen, die an
das Gewebsgerüst angelehnt sind, sämmtlich lebensfrisch und
normal, ja meistens regelmässig cylindrisch, während die-
jenigen, die mehr gegen das Centrum zu gelegen, von dem
Bindegewebsgerüst mehr entfernt sind, diverse Verhornungsstadien
i'
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hauthörner der Augenadnexa. 53
eingehen, ja die centralen sogar zei-fallen erscheinen (Fig. 4).
In anderen Partien des Hauthornes ist an den Längsschnitten
kein completes basales Maschengerüst zu sehen, sondern die
Bindegewebssepta ziehen direct in das Hauthomgewebe hinauf,
bleiben einfach oder geben in verschiedenen Richtungen ab-
gehenden Aeste, die zumeist jedoch ziemlich niedrig bleiben,
mit den benachbarten sich nicht vereinigen und von der Basis
aus gerechnet 0*2 — 3 Mm. betragen, während nur ziemlich
spärliche derselben sich bis in die Höhe von 1 — 1'5 Cm., ja
noch höher, von der Basis an den Schnitten deutlich verfolgen
lassen. Sie enthalten Blutgefässe und dienen sichtlich zur Er-
nährung des Hauthornes ; „Papillen" darf man sie jedoch wohl
kaum nennen.
Aeusserst lehireich gestaltet sich der Querschnitt durch
die basale Hauthornpartie (Fig. 6 und 7). Man findet zuerst
wieder die normale Epidermis mit einem sehr dünnen, klein-
zellig infiltrirten Corium ohne Papillen. Von dem Stratum Mal-
pighii nehmen nun Ursprung unzählige dicke Epithelzapfen,
die sich im subcutanen Bindegewebe nach allen Seiten ver-
theileu und als sichtliche pathologische Epithelwucherungen der
Hauthornoberfläche parallel verlaufen (Fig. 6 a). Anderenorts
beherbergen diese Zapfen auch deutliche Haare (Fig. 66) und
stellen sich dann als pathologisch gewucherte Haarfollikel dar,
während dem sie andei'wärts wieder in ihrem Innern miliare
Atherome einschliessen (Fig. 6 c und Fig. 7 a), ja in der Mitte
anderer sind wieder mehr oder weniger deutliche pathologisch
veränderte Schweissdrüsen - Ausführungsgänge zu constatiren
(Fig. 6 d). Stellenweise sind in dem subcutanen Bindegewebe
Gruppen von Schweissdrüsenacini zu sehen, welche in der Re-
gel von starker kleinzelligen Infiltration umgeben sind. Von
diesem subcutanen Bindegewebe reichen nun ziemlich zahlreiche
Bindegewebssepta zwischen die Säulen der verhornenden Epi-
thelzellen (Fig. 6 e), bilden dort entweder blind endigende,
oder aber sich mit den von der Nachbarschaft konmienden
vereinigende Ausläufer, welche letzteren meistens in der Haut-
homperipherie ein bindegewebiges Maschengerüst formiren,
dessen centripetale Zweige in dem Hauthom blind zu endigen
scheinen. Nur die untersten Partien des basalen Hauthomtheiles
54 M i t v a 1 s k y.
haben meistens ein den ganzen Hauthomqnerschnitt durehzie-
hendes Maschengerüst aus Bindegewebe. Die an das Mittelstück
des Homes angrenzenden Theile zeigen das Bindegewebsgerüst
meistens nur in der Peripherie, während die centralen Par-
tien desselben das Gepräge des Mittelstückes an sich tragen
und nur spärliche hinaufziehende, von äusserst spärlichem
Bindegewebe umschlossene Blutgefassquerschnitte, oder aber
auch hie und da einen Bindegewebsbalkenquerschnitt darbieten.
Man sieht und erkennt daselbst, dass das Bindegewebe sich
mit der Entfernung desselben Ton der Hauthornbasis und von
der Oberfläche des basalen Homtheiles auffallend rasch redu-
cirt, ausgezerrt wird oder atrophirt, so dass in den höheren
Hauthomtheilen die Bindegewebsstreifen und -balken meistens
nur durch zwischen den einzelnen Zellensäulen befindliche
Spalten, in denen dann die Blutgefässe verlaufen, repräsentirt
wird (Fig. 2, Fig. 3). Die den Bindegewebsbalken anliegenden
Epithelzellen sind stark gefärbt, etwa cylindrisch gestaltet,
regelmässig geordnet und zeigen bedeutende Wucherung, Ver-
mehrung und Zapfenbildung, während die übrigen gegen
das Innere der Epithelzellensäulen gelegenen sich am Wege
der Verhornung befinden, concentrisch nach der Art einer
Krebsperle geordnet sind, einen gelblichen, glänzenden Zell-
körper, jedoch meistens einen noch tingirbaren ovalen Kern
aufweisen (Fig. 6).
Man sieht überall deutlich, dass die von der Epidermis
und von den Hautadnexen abzweigenden Epithelzellenkolben sich
den in der Hauthornbasis wurzelnden alten Epithelzellensäulen
anschmiegen, mit ihnen verschmolzen dann gegen die Basis zu
streben, wachsen, dicker werden, in ihrer Mitte dann bald selbst
wieder zu verhornen anfangen und auf diese Weise dann zum
weiteren Wachsthum des Homes mit einem nicht geringen Theile
mit beitragen. In denjenigen nun, welche miliare Atherome ein-
schliessen, fängt die Verhornung inmier von der Atheromum-
gebung an. Hauthornzellensäulen, die in ihrer Mitte miliare
Atherome eingeschlossen enthalten, sind nicht selten. Nur
selten gelingt es jedoch, in der Mitte derselben durchschnit-
tene Lanugohärchen, als Beweis ihres Haarfollikelursprungs,
ja sogar auch an pathologisch veränderte Schweissdrüsenaus-
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hauthömer der Augenadnexa. 55
lührungsgäüge erinnernde Lumina anzutreffen als ein Finger-
zeig dafür, dass auch von dem Epithel der Schweissdrüsen-
Äusführungsgänge Epithelzellensäulen des Hauthonis ihren Ur-
sprung nehmen dürften.
Es fragt sich, ob und inwiefeme sich der von uns be-
schriebene Fall für die Frage der Genesis der Hauthömer
überhaupt verwerthen lässt?
Wir müssen da zwei Zeitmomente der Genesis
der Hauthömer von einander streng unterscheiden, von
denen der eine auf den ersten Ursprung, währenddem
der zweite auf das weitere Wachsthum derselben
sich bezieht. Es ist ja allgemein bekannt, dass durch mangel-
hafte Differeuzirung dieser beiden Momente in die Genesisfrage
der Hauthömer ziemlich viel Verwirrung hineingebracht wurde,
insofeme als aus den anatomischen, eventuell auch histologischen
Befunden an yerhältnissmässig grossen, ausgewachsenen Hörnern,
die nur zur Beurtheilung der Frage des Wachsthums verwerth-
bar gewesen wären, auch auf den Ursprung der Homer im
Allgemeinen Rückschlüsse gezogen wurden. Für die Beurtheilung
der Ursprungsfrage der Hauthömer sind die grossen Hauthom-
fälle, wie sie Horner, Lebert, Carl Theodor v. Bayern
und Andere mittheilen, gar nicht verwei-thbar und die dies-
bezüglichen Schlüsse nicht berechtigt ; denn nur die allerkleinsten
Cornua vermögen uns über ihre Ursprungsperiode zu belehren
und solche sind meines Wissens nur von Bätge in Dorpat
(Zur Casuistik multipler Keratosen, Deutsche Zeitschrift für
Chirurgie, Bd. VL, p. 474 etc. 1876) und von Unna in Ham-
bui*g (Das Fibrokeratom, Deutsche Zeitschr. für Chir., Bd. XI,
Hett 3, p. 267 etc. 1879) untersucht und mitgetheilt worden.
In Anbetracht dessen, dass man immer noch mit den
Lebert 'sehen, auf Gmnd der Untersuchungen von meistens
alten Hauthömem gewonnenen Anschauungen herummanipulirt,
scheint es mir nothwendig, uns die Befunde Bätge 's und
Unna 's über die Hauthorngenesis vor das Auge zu fuhren.
Bätge fand bei einem Falle von multipler, regionärer
Keratose der Nasen- und Wangengegend bei einem 60jährigen
Mann die Cutispapillen unverändert, weder activ durch Wuche-
rung, noch passiv durch Atrophie an dem Process betheiligt.
56 Mitvalsky.
Von grösserer Wichtigkeit ist wohl sein zweiter Fall, welcher
ein ITjähriges Mädchen betraf, welches nach ihrem ersten
Lebensjahre von einem flechtenartigen Ausschlag über
den ganzen Körper ergriffen worden war, der sich allmälig in
inselförmige Erhebungen umgewandelt hatte, bis er
schliesslich in unzählige Hauthornbildung des unteren Köri)er-
theiles ausgeartet sei; es waren dabei alle möglichsten lieber-
gänge Yon minimalen bis zu 16 Cm. langen Cornua zu sehen.
In den grösseren fandBätge an Querschnitten Cancroidperlen
ähnliche Epidermisfelder an einander gereiht, nii^ends jedoch
eine Spur von Papillendurchschnitten. Für uns sind die Unter-
suchungsergebnisse von einem stecknadelkopfgrossen und einem
zweiten, 2 Mm. grossen Hörnchen die wichtigsten. Bätge fand
unter den beiden Hörnchen das Stratum Malpighii breiter als
ringshei-um, er fand jedoch darunter keine Spur von Papillen;
wohl waren aber die Papillen der Nachbarschaft vorhanden und
vergrössert. Unter dem einen von den Hörnchen senkte sich
das Stratum Malpighii sogar tiefer in die Cutis hinein, als Aus-
druck dessen, dass es sich dabei um eine rein epitheliale
Wucherung gehandelt haben mag, an der die Papillen nun
dadurch Antheil naluneu, dass sie eben zu Grunde gingen;
in dem zweiten Falle ging aus der Mitte des verdickten Stratum
Malpighii ein kurzer epithelialer Zapfen in die Cutis hinein, in
dessen Längsachse ein Kanal verlief; es handelte sich da um
Zellenwucherung einer pigmeutirten Haarwurzelscheide. Die
Papillen zu beiden Seiten dieses Epithelialzapfens waren sicht-
lich gewuchert und mit ihren Spitzen nach aussen gebogen,
einige derselben erscliienen auch geknickt und ausnehmend
schmal, was wohl nur ein secundärer Vorgang ist. Ein Vor-
rücken der Papillen ins Hauthorn hat Bätge nie beobachtet.
Unna untersuchte Geschwülstchen von 1 — 8 Mm. Länge,
1 — 2*5 Mm. Dicke, die am meisten den faden- bis pfrie-
menförmigen Warzen ähnelten und kleinste auf binde-
gewebiger Grundlage sitzende Hauthömer darstellten, an denen
sich ein unter Beihilfe der Patienten „wechselnder** Homkegel
bereits constatiren liess. Eine äussere Veranlassung zur
Entstehung dieser kleinen Geschwülste, die Unna
in diesem ersten Stadium „Fibrokeratome" nennt, konnte
Kin Beitrag zur Kenntnisa der Uauthörner der Augenadnexa 57
nicht constatirt werden. Sie kommen hauptsächlich im
höheren Alter und an Stellen der Haut vor, welche entweder
zur Faltenbildung im Alter neigen, wie an den Augenlidern,
an dem Halse oder vorgebildete Falten tragen, wie an der Nase
und Wangen, woraus es scheint, dass diese Faltenbil-
dung der Cutis als prädisponirendes Moment zur
Bildung derselben zuzulassen sei.
Li zwei Fällen Unna 's kam eine grössere Anzahl dieser
Auswüchse vor, welche in den verschiedensten Stadien der Ent-
wicklung befindlich, dieselbe makro- und mikroskopisch deutlich
vor Augen führten. Die Bildung der Hauthömchen soll nun
folgendermassen vor sich gehen: Auf einem Fibromknötchen
entsteht eine epitheliale Wucherung, an der Basis derselben
verdichten sich jedoch abnorm die Homzellenschichten, schnüren
die Basis ein und bilden einen formlichen Stiel des Fibrom-
knötchens, wodurch dann das an dem Fibromknötchen
fortwuchernde Epithel in langen Zapfen in das
centrale Bindegewebslager dringt und papillen-
artige Bindegewebsstränge einschliesst. Die Ver-
hornungsgrenze der Epidermis schiebt sich nun in die Vertie-
fungen der Epithelialzapfen und es bleibt nur eine gleichmässig
dicke, die papillenartige Erhebungen umgebenden Stachelzellen-
lage unverhomt. Die Oberhautschichten bilden nun Wellen-
thäler und Wellenberge, welche letzteren die dichtesten sind
und durch Degenerationsvoi-gänge eine Art Zerfallsmasse —
Marksubstanz oder Hornmark — produciren. Ueber
den Pseudopapillenspitzen kommt nämlich eine stärkere seröse
Exsudation als sonst zu Stande, die auf die darüber befindliche
Epidennisschichten ungleichartig einwirkt Die Stachelzellen
blähen sich stark auf, die noimale Körnerbildung bleibt in
denselben aus; die Uebei^^angszellen erleiden eine fibrinoide
Degeneration, die untersten Lagen der verhornten Zellen
schwellen zu trüben oder helleren klumpigen Massen an, weiter
darauf entstehen mit fibrin- und kernähnlichen Massen
erfüUteHöhlen, welche von hornigen Bändern umschlossen
werden. Die von mehreren Autoren beschriebenen „B lut extra-
vasate zwischen den Hornzellen'' sah Unna in seinen
Fällen zweimal, hat sich jedoch von dem Blutgehalte derselben
58 MitvaUky.
nicht überzeugen können ; daraus, dass dieselben immer in den
obersten Markräumen und zwischen den äussersten Lagen des
Hauthornes gelegen waren, glaubt er, es handle sich ebenfalls
um eine Art degenerirter Homsubstanz. In den Wellenthälem
geht die Keratinisation mit Bildung der Eömerzellen einher.
Unna macht nun auf die nahe Verwandtschaft des
Hauthorusmit demCarcinom aufinerksam; man brauche
sich nur die vorhandenen Epithelzapfen in das umgebende Binde-
gewebe fortwuchernd vorzustellen und man habe ein Carcinom vor
sich und bemerkt weiter, dass das letzte ätiologische
Moment der Hauthornbildung bis jetzt uns noch völlig
unbekannt sei.
Bezüglich des von Home, Lebert und Anderen patro-
nisirten „folliculären" Ursprungs der Hauthörner
sagt Unna, dass in seinen Fällen die HautfoUikel
sicher an der Cornubildung nicht den geringsten
Antheil hatten und erläutert, wie ohne Inanspruchnahme
der Follikel die diesbezüglichen Befunde Weber's, Leber t's
und Hessberg's zu erklären seien. Auch gegen den als haare
Münze angenommenen „papillären" Ursprung des Haut-
hor ns nimmt er entschieden Stellung, „wenn man darunter
verstehen will, dass eine Papillengruppe selbstständig wuchernd
eine Geschwulst erzeugt, auf welcher nachträglich die Oberhaut
dicke Hornschichten ablagert Die Papillen unseres Hauthoms
sind passive Bildungen, für deren Entstehung das frühere
Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Pappillarkörpers
vollständig irrelevant isf^. „Ich habe keine Neigung — sagt
Unna weiter — in den häufig begangenen Fehler zu verfallen,
die von mir gefundene Entwicklung dieses Hauthorns nun als
Entwicklung des Hauthoms überhaupt auszugeben, oder auch
nur der bisher sogenannten „papillären" Entstehung zu substitui-
ren. Hierzu wäre vor Allem die Untersuchung jener Haut-
hömchen mit ihrer Hautbasis nothwendig, welche hin und wieder
in grösserer Anzahl um grössere Hauthörner sich entwickeln."
Aus eben demselben Grunde benennt Unna seine Geschwülstchen
nicht Comua cutanea, sondern gibt denselben einen eigenen Namen.
Bei Bätge sehen wir also die Hauthörner aus insel-
förmigen Erhebungen, die sich nach einem flechtenartigen Aus-
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hauthömer der Augenadnexa. 59
schlag ausgebildet haben sollen, ohne die geringste active Theil-
nahme der Papillen von allem Anfang an sich entwickeln,
speciell ist keine Spur von einem Hineinwachsen der Papillen
in die kleinen Cornua vorhanden; tiberall handelte es sich nur
um primäre Epithelzellenwucherung gegen das Corium zu, ge-
paart mit Keratinisation. Bei Unna ist wieder das Entstehen
des Comu aus minimalen Hautfibromen, ebenfalls als Folge der
primären Epidermiszellenwucherung mit nachfolgender Kera-
tinisation, ohne die geringste Betheiligung von wahren Haut-
papillen, wohl nachgewiesen.
Wo bleiben denn die Beweise der sogenannten „papil-
lären" Genesis des Hauthornes, w^elche noch Rindfleisch
(Lehrb. d. pathol. Gewebelehre, 1875, p. 257) mit dem Satze,
dass „zum Zustandekommen des Hauthornes als Basis noth-
wendiger Weise eine Papillengruppe gehört", als selbstver-
ständlich annimmt?
Die „papilläre" Genesis mag sich wohl auf Grund der
anatomischen Untersuchung von grösseren und grossen Haut*
hörnern eingebürgert haben, da man an Hauthomlängsschnitten
immer spärliche, schmale, das Cornu hinaufziehende Bindege-
webestreifen findet, welche die für die P>nährung des Haut-
horngewebes nothwendigen Blutgefässe einschliessen und von
der Bindegewebsbasis der Geschwulst — wie es ja nicht anders
sein kann — entspringen. Man fasste nun allgemein diese iso-
lirten, der Cutis perpendiculär aufsitzenden Bindegewebssträuge
als verlängerte physiologische Cutispapillen auf und stellte sich
vor, dass sie aus denselben durch active Wucherung entstanden
seien, welchem Vorgange bei der Genesis der Hauthöi-ner eine
leitende KoUe zukäme, obwohl man über keine diese Annahme
bestätigenden anatomischen Untersuchungen der im Enstehen
begriffenen Hauthörnchen verfügte. Au spitz sah sich des-
halb schon im Jahre 1870 (Ueber das Verhältniss der Oberhaut
zur Papillarschicht etc., Archiv f. Denn. u. Syph. p. 50, 1870)
genöthigt, auf die Un*haltbarkeit dieser Annahme und auf die
primäre Bethätigung der Epidermis bei der Haut-
hombildung hinzuweisen. Mir scheint es, dass auch der Um-
stand zur Annahme der „papillären" Genesis der Hauthörner
beigetragen hat, dass die anatomisch-histologische Untersuchung
60 Mitvalsky.
der Gornua nur an Längsschnitten geschah, wobei auch
die eventuellen, zwischen den Zellensäulen hinaufstrebenden
Septa straugartig durchschnitten erscheinen ; hätte man die Unter-
suchung an Querschnitten vorgenommen, so wäre man früher
über die Existenz dieser, vielleicht öfter vorkommenden Septa
und über deren genetische Analogie mit den schmächtigen iso-
lirten Bindegewebssträngen orientirt gewesen. Auch die ana-
mnestischen Angaben der Patienten scheinen die „papilläre"
Genesis befürwortet zu haben, da die Comua systematisch aus
„Warzen" entstanden sein sollen, bei deren Genesis bekanntlich
Cutispapillen eine Rolle mitspielen. Nun wird aber unter dem
populären Namen einer „Warze" kein einheitlicher anatomischer
Begriff verstanden und wir wissen bestimmt nur, dass nur die
„fadenförmigen Warzen", die histologisch sich als kleine Haut-
fibrömchen darstellen, ganz bestimmt sich zu Hauthörnem
entwickeln können, wie es U n n a zweifellos nachgewiesen hatte
und wie wir das auch aus der Anamnese unseres Falles ent-
nehmen können.
Nur in dem Falle des Hauthorns der Glans penis
von Pick (Zur Kenntniss d. Eerat. Viertelj. f. Dermat. und
Syph. II. Jalirg., p. 315 etc., 1875) scheinen papillomatöse Bil-
dungen zur Entwicklung eines Cornu cutaneum Gelegenheit ge-
geben zu haben; da entwickelte sich bei einem mit Psoriasis
Ijehafteten Manne das Cornu nach spitzen Condylomen.
Der sogenannten „folliculären" Genesis des Hauthorns
kann bei der Entstehung desselben gar keine Bedeutung zu-
geschrieben werden und die betreffenden Anschauungen der
Autoren wurden von Unna (1. c.) bereits widerlegt. Wohl
kommt jedoch der „folliculären" Vergrösserung und
dem Wachsthum des Hauthornes eine Bedeutung zu, die
wii* bereits bei der Schilderung des histologischen Befundes bei
unserem Falle ausführlich angelührt haben und auf die wir noch
zu sprechen konmieu.
Wenn wir nun über den Ursprung derHauthörner
im Allgemeinen befragt würden, so müssten wir in Anbetracht
der betreffenden Publicationen antworten, dasdieHauthorn.
bildung durch active Wucherung und Vermehrung
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hauthömer der Augenadnexa. 6 1
der Stachelzellen einer ganz circumscripten, mei-
stens bereits früher pathologisch veränderten
Hautpartie eingeleitet wird, welche in der Form von
Kolben und Zapfen gegen das darunter liegende
Bindegewebe vordringt, die dazwischen gelegene
Bindegewebspartien in die Form von Strängen
und Septen transformirt und sie einschliesst, mit
nachfolgender Eeratinisation der Stachelzellen
von der Oberfläche aus, welche sich in der Mitte
der Stachelzellenkolben pfropfartig nach unten
bisnahe demFundus der Stachelzellensäulen fort-
schiebt, so dass nurdie den Bindegewebssträngen
anliegenden und benachbarten Stachelzellen von der
Eeratinisation für langeZeit verschont und frisch
bleiben. Durch das fortwährende Wachsen der Stachelzellen-
kolben gegen die Coriumbasis zu werden die älterenCornu-
partien sammt den darin eingeschlossenen Bindegewebssträn-
gen und -balken mehr und mehr erhoben, wobei die letzteren in
Folge der andauernden Zerrung und des in Folge der Eeratini-
sation auf sie geübten Seitendrucke^, sowie auch in Folge ihrer
immer zunehmenden Entfernung von der sie ernährenden Ba^is,
in Bezug auf ihr Volumen stark reducirt werden und abnehmen,
woraus wohl nur in Folge der mangelhaften Geachwulst-
ernährung die fortschreitende und endlich definitive Eeratini-
sation der betreflfenden dem Comuscheitel nahen Partien des
Hauthomes resultiren muss, in welchem Stadium w^ohl die
spärlichen Bindegewebsfasern als solche nicht zu erkennen und
nunmehr als der Länge nach verlaufende Spalten zu sehen
sind, die stellenweise nur noch durch die daselbst verlaufende,
mehr oder weniger veränderte Blutgefässäste als solche kenntlich
sind. Dass bei diesem Eintrocknungsvorgange Störungen der
auch sonst daselbst dürftigen Blutcirculation in der Form
von Hämorrhagien in die Bindegewebsspalten, der Throm-
bosen etc. zustande kommen, wodurch die obersten Cornu-
partien dann von der directen Blutcirculation ausgeschlossen
werden, liegt auf der Hand.
Zur Bildung derBindegewebstrabekel desCornu
ward allmählich die ganze Cutisdicke herangezogen, worauf
62 Mitvalsky.
meistens die gegen die Basis immer heranwachsenden Stachel-
zellenkolben an der mit der Hauthombasis verwachsenen Cutii»
zerren, dieselbe verdünnen und mit aus der Hautfläche erheben^
wodurch eine Hautumscheidung der basalen Haut-
hornpartie gebildet und eine Differencirung des Homes
in zwei Theile zustande gebracht wird. Der basale von
demHautsaum umschlossene Hauthorntheil ist ver-
schieden lang, schimmert gelbröthlich durch, ist immer weich
und besteht der Hauptsache nach aus frischen, meistens krebs-
perlenartig geordneten Epithelzellenformationen, die jedoch
gegen die Hauthombasis zu in ihrer Mitte die Anzeichen der
fortschreitenden Keratinisation in der Form des Gelblichwerdens
ihrer Zellkörper und der veränderten Farbenreaction ihrer
Zellkerne bereits aufweisen können. Dazwischen sind nur dünne,
stellenweise sich verflechtende Bindegewebstrabekel, die das ganze
Zellengewebe durchflechten und zusammenhalten. — Der zweite
H a u t h o r n t h e i 1 ist die obere das eigentliche Cornu repräsenti-
rende Paitie, deren detaillii-te Schilderung wir au unserem Falle
ganz ausführlich mitgetheilt haben.
Es ist wohl selbstverständlich, dass imweiterenWachs-
thum der Kand der dünnen Hautumscheidung mit keratinisiii,
die unterste Partie des oberen Homtheiles mitbildet und dass,
solange das Cornu gegen die Basis zu wächst, immer neue
Cutistheile zur Bildung der Hautumscheidung herangezogen werden.
Die basalen Epithelzellensäulen produciren neue Wuche-
rungskolben hauptsächlich zwar gegen die Basis, jedoch auch
zu den Seiten des basalen Hauthomtheiles, wodurch in erstem
Falle das Höhen-, im zweiten dami das Breitenwachs-
thum der Geschwulst befordei-t wird.
Zum Wachsen des Hauthornes überhaupt und
zu seinem Breitenwachsthum speciell tragen auch
wesentlich die Epidermis und die Adnexa der die
basale Hornx)artie umschliessenden Hautscheiden
bei, speciell die Haut follikel. An unserem Falle sehen
wir deutlich, wie von dem Epidermisende zahlreiche nach unten
sich kolbenförmig verdickende Stachelzellenfortsätze zwischen
die Haut und Hauthomperipherie sich einsenken und derselben
sich anschmiegen, wir sehen da femer die pathologischen Wuche-
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hauthörner der Angenadnexa. 63
rungen der ganzen die Hornbasis umschliesnenden Epidermis-
fläche und der Hautadnexa> grösstentheils wohl der Haar-
follikel, theilweise jedoch auch der Schweissdrüsen. Wir sehen
an unserem Falle von dem Rete Malpighii zahlreiche Stachel-
zellenkolben abzweigen und der Hauthomobei-fläche sich an-
schmiegen; dieselben sind theilweise solid, theilweise schliessen
sie jedoch miliare Atherome oder aber feine Härchen ein, in ein-
zelnen derselben sind sogar Beste von Schweissdrüsenausfuhnings-
gangen zu constatii-en. Da nun alle diese Zellenkolben im Verlaufe
der Zeit zu Epithelzellensäulen des Hauthoms werden, so darf
es uns wohl nicht Wunder nehmen, dass wir auch in den fertigen,
keratinisirenden Zellensäulen der Hauthornperipherie stellen-
weise mikroskopische Atheromchen, Lanugohärchen, oder auch
wahrscheinliche Reste von Schweissdrüsenausiuhrungsgängen
eingeschlossen vorfinden.
Diese sämmtlichen, meistens gegen die Hauthornbasis zu
wachsenden Stachelzellenkolben sind von einander vom reichlichen
Bindegewebe geschieden, welches sie im Weiteren zwischen sich
fassen und zum Bindegewebsgerüst des Hauthornes gestalten,
das im weiteren Wachsthumsverlaufe mit dem Hörne mit in
die Höhe rückt und stellenweise ebenfalls „papillenähnliche"
Bindegewebestränge — hauptsächlich wohl an Längsschnitten —
bildet. Dieses den basalen Hauthorntheil umschliessende Binde-
gewebe ist ziemlich mächtig kleinzellig iniiltrirt, und es kann
wohl gar kein Zweifel darüber existiren, dass seine Vermehrung
vermittelst der kleinzelligen Infiltration geschieht.
Die an der Basis des Hauthornes wuchernden Stachel-
zellenkolben begegnen daselbst stellenweise gewucherten Schweiss-
drüsenconglomeraten, und es ist wahrscheinlich, dass sie die-
selben in sich einschliessen und dass dann eine Wucherung der
Stachelzellen und der Schweissdrüsenzellen promiscue zustande
kommt, so dass auf diese Weise dann auch die Schweissdrüsen-
zellen zur Hauthornbildung beizutragen scheinen.
Wie sich die Papillen der Umgebung verhielten, kann ich
nicht mitthcilen, da ausser dem Hautsaume der Hauthornbasis
nichts entfernt wurde ; so viel ist jedoch sicher, dass die Papillen
der Hautumgebung bei dem Hinaufrücken der Cutis auf das
Comu sichtlich durch Zerrung ausgeglättet wurden.
64 Mitvalsky.
Die eben durchgeführte Schilderung des Cornuwachsthums
mag wohl nur die kegelförmig gestalteten Hanthörn er
vollends betreffen. Es liegt ja auf der Hand, dass die immer-
währende Apposition von Stachelzellenkolben von der basalen
Hautumscheidung und deren Adnexen, die mit der Zeit zu Haut-
hornzellensäulen auawachsen, ein immer zunehmendes Dicker-
werden des Comu an der Basis und conische Hauthornform zur
Folge haben muss.
Bei cylindrisch gestalteten Cornuis mag wohl
unsere Schilderung nicht vollends zutreffen insoferne, als
diejenigen Momente, die eine Dickenzunahme des Cornu nach
sich ziehen, da sichtlich ausser Spiel treten. Bei einem cylin-
drischen Hauthome wird wohl eine bedeutende Mitbetheiligung
einer Hautumscheidung und deren Adnexen an dem Wachsthum
ausbleiben und das Wachsen derselben mag nur durch die
gegen die l-nterlage zu gerichtete Wucherung der urspning-
lii hen Stachelzellensäulen bedingt sein.
Mit der Frage des Zustandekommens der conischen und
cylindrischen Cornuformen beschäftigte sich unlängst Schöbl
(O'vzacnych roliovych nadorech oka. Kozpravy öeske akad., IL tf.,
rocnikl., L 2(>, 1892, mit einem beigefugten deutschen Texte). Er
stellt sich jedoch das Zustandekommen dieser beiden Cornuformen
gM uz anders vor, als dies aus meiner anatomischen T-ntersuchung so
klar einleuchtet. Es sei bemerkt, dass Schöblauch zur Gruppe
derjenigen Autoren gehört, die auf Gnmd von Untersuchung
grosser Cornua eine ,, papilläre ** Genesis der Cornua annehmen
und die in den Hauthörneru voi-gefündenen einfachen und ver-
zweigten Bindegewebestränge als „Papillen" erklären. Er äussert
si(h nun darüber wie folgt: „Der histologische Befund ist bei
normalen Hauthömern ein sehr einfacher. Wir finden in ihnen
gewöhnlich zahlreiche h>i)ertrophisclie, gewöhnlich sehr ver-
längerte, oft vielfach verästelte Papillen, welche von einem
sehr spärlichen bindegewebigen Stroma getragen werden. Die
Papillen sind gewöhnlich von einer Schichte eyliiidrisclier Zellen
bekleidet, dann folgt eine mehr oder weniger mächtige Scliichte
von Stachelzellen, welche gegen die Peripherie zu allmählich
spindelf()nnig werden, endlich das Protoplasma und die Kerne
verlieren, verhornen und als verhornte Epidermoidalplättchen
die Rinde des Hornes bilden. Erfolgt die Verhornung der
Ein Beitrag zur Kenntniss der Haathömer der Augenadnexa. 65
Epidenuoidalzellen verhältuissmässig bald, so entsteht ober
jeder Papille oder Papillengruppe eine fingerhutartige Kappe
von verhornten Zellen, welche durch den fortschreitenden Yer-
mehrungs- und Verhomungsprocess stets mächtiger und mächtiger
in die Höhe wächst und so über jeder Papille oder Pappillen-
gruppe einen in die Höhe strebenden Cylinder oder ein Prisma
von verhornten Zellen bildet, welche zusammen das ganze Haut-
hom bilden. Am Längsschnitt solcher Hauthömer erblicken wir
deshalb lauter Wellenlinien, deren Wellenberge den Gipfeln
der Papillen, deren Wellenthäler den Vertiefungen zwischen den
selben entsprechen. Auf diesem Entwickelungsmomente
beruhen meiner Ansicht nach die beiden defini-
tiven Grundformen der Hauthömer, die cylindrische
unddie kegelförmige. Bei Hauthörnem, welche sehr langsam
wachsen, bei denen dagegen der Verhomungsprocess verhältuiss-
mässig sehr bald eintritt, ist die Scliichte der Stachelzellen
eine sehr wenig mächtige, und die ober den Papillen die be-
trefTenden Kappen bildenden verhornten Zellen haben bei dem
laugsamen Wachsthumsprocesse hiidänglich Zeit zur weiteren
Entwicklung, sie werden stets flacher, ohne in den übrigen
Dimensionen viel zu verlieren ; in Folge dessen werden die Wellen-
linien auf den betrefiEenden Längsdurchschnitten solcher Haut-
hömer immer flacher und flacher ; Wellenberge und Wellenthäler
werden stets niedriger; aber weil die Zellen im Querdurch-
messer wenig oder nichts verlieren, bleibt über jeder Papille
oder jeder Pappillengruppe ein Cylinder oder ein Prisma von
verhornten Zellen von stets sich gleich bleibendem Durchmesser
und da das ganze Hom aus der Summe dieser Cylinder oder
Prismen zusammengesetzt wird, so muss es nothwendigerweise
eine cylindrische oder cylindrischprismatische Gestalt annehmen.
Solche Hauthömer endigen am Gipfel stets stumpf, oft sieht es
AUS, als ob sie abgehackt worden wären. Anders verhält sich
die Sache, wenn ein Hauthom sehr rasch wächst und der Ver-
homungsprocess verhältuissmässig langsam eintritt. In einem
solchen Falle entwickelt sich ober den Papillen und zwischen
denselben eine sehr mächtige Schicht zu Stachelzellen, welche
jedoch, da sie zur Ausbreitung Baum genug besitzen, nicht so
tiefe Epithelzapfen zwischen den Papillen in die Tiefe treiben,
▲rfhiT f. Dermatol. a. STphll. Band XZVn«
66 Mitvalsky.
und auch nicht so typisch ausgesprochene Kappen ober den
Papillen oder Papillengruppen bilden. Die Stachelzellen werden
ganz allmälig, je weiter sie von Papillen entfernt werden, mehr
und mehr spindelförmig von Gestalt, und da sie zumeist die
Longitudinalrichtung bewahren, muss sich, da sie im transTer-
salen Durchmesser stets abnehmen, das ganze Hörn allmälig
zuspitzen und eine kegelförmige Gestalt annehmen. — Es ist
selbstverständlich, dass dies nur für die beiden Hauptformen
von Hauthöruem gemeint ist und dass es, wie in Allem in der
Natur, Uebergangsformen gibt, welche sich bald diesem, bald
jenem Typus nähern."
Schob Ts Arbeit enthält auch andere Punkte, welche mit
den in unsex'er Arbeit auf Gmnd des Literaturstudiums und
auf Grund unseres histologischen Befundes niedergelegten An-
schauungen, nicht übereinstimmen, und da es sich um eine erst
im vorigen Jahre publicirte Arbeit handelt, so können diese
Punkte nicht unerwähnt gelassen werden: 1. Seh ob 1 zeichnet
an der Fig. 3. ein systematisch durchgeführtes, ganz reguläres
einschichtiges Cylinderepithel um seine als „Papillen" aufge-
fasste Bindegewebestränge. Eine solche Formation wurde bis-
her von Niemandem vorgefunden. Die erste Reihe der an die
Bindegewebsstränge angrenzeu<len Stachelzellen fanden wir wohl
an ihrem dem Bindegewebe zugewendeten Ende cylindi-isch ge-
staltet, ihr anderes Ende fugt sich jedoch überall den mul-
tangulären Contouren der darauf folgenden Stachelzellen an, so
dass es nie in einer Linie zu liegen kommt, wie das Sc höhl
abbildet. 2. Schob 1 stellt sich vor, dass die Keratinisation
über und um jede Papille als ein System von fingerhutartigen
Kappen von verhornten Zellen entsteht, welche Kappen durch
die von den Papillengipfeln immer neu entstehende Kappen
hinauf geschoben und von der Papille entfernt werden, so dass
im weiteren Verlaufe über jeder Papille eine aus dem Material
dieser Kappen gebildete cylindrische oder prismatische Säule«
aus welcher das Hörn eben zusammengesetzt ist, entsteht.
Schöbl äussert sich nicht weiter, wie er sich das Epidermis-
zellenverhältniss in den Räumen zwischen den benachbarten
Papillen vorstellt und bemerkt femer, dass „zwischen den oben-
erwähnten Zellencylindem oder Prismen« in alten Hörnern auch
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hauthörner der Augenadnexa. 67
•
Markräume zu finden sind. Wie Unna gezeigt und überzeugend
abgebildet hatte, kommt das Hornmark, welches wohl in diesen
Markräumen enthalten sein mag, auch in ganz jungen und
kleinen Comuis vor und zwai* in der Tliat zwischen den ver-
hornten, das Comu zusammensetzenden Zellensäulen ; nur stellt
sich das Verhältniss beider zu den Bindegewebssträngen, oder
den sog. „Papillen" nach Unna^s und meinen übereinstimmenden
Befanden ganz anders dar, als dies vom Schöbl geschildert
wird. Diese in den Mai'kräumen enthaltene Marksubstanz be-
findet sich nämlich knapp über dem Scheitel der „Papillen",
und ihr Zustandekommen daselbst hat Unna auf eine ebenso
sinnreiche wie natürliche Weise aufgeklärt ; die verhornten Cy-
linderzellensäulen sind nach Unna^s und meinen Untersuchungen
keinesfalls den „Papillenscheiteln" als Kappen aufgesetzt, sondern
sie wurzeln zwischen den Bindegewebsträngen, fassen dieselben
zwischen sich und legen sich in der Mitte der Stachelzellen-
kolben möglichst tief der Hauthombasis an. — Es ist jedenfalls
auffallend, dass bei Schöbl einerseits, bei Unna und mir
andererseits eine so difierente Auffassung der Hauthornstructur
und des Verhomungsvorganges zu Tage tritt.
Dass die an der Basis eines Hauthomes aufgefundenen
Stachelzellennester als Durchschnitte der schief und quer ver-
laufenden Stachelzellenkolben, die ja bei jedem und speciell bei
conisch gestaltetem Hauthorne, solange dasselbe wächst, vor-
handen sein müssen, und in deren Centrum später die Kera-
tinisation gegen die Basis zu weiter schreitet, solange dieselben
die Basisfläche des Comu nicht überschreiten und in der Um-
gebung der Hauthombasis ihr selbständiges Weiterverbreiten
nicht zu Tage treten lassen, mich nicht veranlasst hätten, ein Comu
cut. complicatum cum carcinomate epitheliali histologisch zu
diagnosticiren, wie es Schöbl bei seinem ersten Falle (Figur 3)
thut, ei*^'ähue ich nur nebensächlich, ebenso wie ich auch die
Bemerkung, dass die Blutcirculationsvorgänge in den schmächti-
gen Bindegewebsausläufern eines Comu, wie ich und Andere
dieselben constatirt hatten, bei Weitem complicirter waren, als
es aus den in derselben Abbildung Schöbl's eingezeichneten
roth und blau gehaltenen Schemata von Blutgefässen zu er-
sehen ist, nur nebenher mache.
5*
63 M i t V a 1 s k y.
Eine neue Theorie der Hauthomentwickelung glaubt un-
längst auch Lagrange aus Bordeaux auf Grund der Unter-
suchung eines 2*2 Cm. langen und 0*5 Cm. breiten Unterlid-
hauthomes bei einem 60jährigen Manne geliefert zu haben
(Note sur un cas de come palp^brale. Nouvelle theorie sur le
developpement des comes. Annales d' oculistique, Decembre
1892, p. 403 etc.) Lagrange fand an Längsschnitten der
exstirpirten Geschwulst die „Papillen" stark hypertrophisch,
3 — 4mal verlängert; die die „Papillen" umschliessenden Epi-
thelzellen bilden eine sehr dicke Schichte und man sieht in der
eigentlichen Homsubstanz Epithelialschläuche, welche Papillen —
Verlängerungen darstellen. Die gelbliche Homsubstanz enthält
auffallender Weise reichliche Epidermiszellenkugeln, die nach
der Gegenwart kleiner mit Carmin gefärbter Zelleninseln, die
von concentrischen Schichten der Homsubstanz umgeben sind,
zu erkennen sind ; dieselben nehmen sichtlich von isolirteu £pi-
dermiszelleninseln Ursprung; diese Kugeln sind bald rundlich,
bald in die Länge gezogen, einige derselben, eingeschlossen
zwischen zwei umfangreichere Kugeln, sind abgeflacht und kaum
zu erkennen. Die Homproduction geht also in 2 differenten
Stellen vor sich: 1. oberhalb des Epithels der „Papillen", 2. rings-
herum um in der Homsubstanz isolirtes Epithel; auf beiden
den Stellen geht die Verhomung ohne Eleidin vor sich, welches
nur selten voi^efiinden wurde, was wohl ganz abnormal ist und
dabei ganz eigenthümlich erscheint. Noch interessanter ist die
Gegenwart der Epidermiskugeln, wofür uns der Befand an der
Geschwulstbasis genügende Erklärung liefert. Man findet da-
selbst Blutlacunen, welche wahrscheinlich von einer traumatisch
hervorgebrachten interstitiellen Hämorhagie, zu denen bei
einem Hauthom reichliche Gelegenheit geboten wird, datiren,
An mehreren Stellen bemerkt man, dass diese Hämorhagie.
da sie die benachbarten Gewebselemente trennte, den Papillen-
gipfel auf die Art abgerissen hat, dass er diesen Gipfel von
der Basis des epithelialen Conus abgetheilt hatte. Auf diese
Weise wurde das aus jungen Epithelialzellen zusammengesetzte
Papillenende auf freien Fuss gesetzt und setzte die Hom-
zellenbildung, welcher Thätigkeit sie, als sie noch der Papille
anhaftete, oblag, fort. So viele nun auf die Art abgetrennte
Ein Beitrag zur Kenntniss der Uanthömer der Augenadnexa. 69
papilläre Epithelialzellengruppen, ebensoviele Epidermiskugelu,
welche sich getrennt entwickeln und alle fähig sind die Haut-
homlänge zu vei'grössem. Die zahlreichen Insulte erklären
genügend die Gegenwart der peripapillären Hämorrhagien,
welche ein zusanunenhängendes Geflecht von Blutergüssen an
der Yereinigungsstelle des Comu und der Haut darstellen. Die
durch diese Blutergüsse abgerissenen Papillenspitzen wurden
durch die umliegenden Säfte ernährt und konnten deshalb
Homsubstanz produciren. Die auf diese ^^^eisc decapitirte Papille
proliferirt weiter und verliert später entweder durch den Strom
des extravasirten Blutes oder durch directes Berühren ihren
Scheitel wieder, auf welche Weise successiv sich mehrere Epi-
thelialinseln von jeder Papille losgetrennt hatten; diejenigen,
welche sich zuerst abgelöst hatten, nehmen den Hauthomscheitel
ein und sind klein, diejenigen aber, welche sich unlängst von
ihrer Mutterpapille entfernt hatten, sind weit grösser. Die ke-
ratische Transformation derselben ist die Grundursache dieser
Geschwulstbildung.
Weder nach der Beschreibung, noch nach den beigefügten
Abbildungen ist es möglich sich zu orientiren, ob Lagrange's
Auflfassung berechtigt ist und ob und inwiefern sein Befund mit
den unserigen in Einklang steht oder differii-t. Auf unsere Be-
funde wirft der Fall kein Licht und wir begnügen uns mit der
einfachen Anfühiiing seiner Befunde und der darauf gebauten
Schlussfolgerungen.
Am Schlüsse des Artikels sei es mir gestattet die bis
jetzt bekannten Fälle der Hauthörner der Augen-
adnexa zusammenzustellen, da dieselben in unserer Disciplin als
Raritäten betrachtet werden, was sie wohl keinesfalls mehr sind.
Die ersten Fälle datiren von v. Ammon (Monatsschrift
für Medicin, Augenh. u. Chir. HI. Bd., 4. Heft, S. 392- 394,
1840, „Ueber homartige Auswüchse der Augenlider**). Zuerst
theilt V. Ammo n einen Fall eines Hörnchens mit, dessen Photo-
graphie ihm Strohmeyer aus Erlangen zugeschickt hatte und
welcher eine 71 Jahre alte Frau betraf. Der näliere Sitz des
Homes ist darin nicht angegeben, v. Ammon selbst sah zwei
Fälle von hornartigen Auswüchsen an den Augenlidern ; in einem
derselben handelte es sich um einen 40jährigen Mann, das
70 Mitvalsky.
3 Linien lange Hom sass am rechten oberen Augenlid ; im zweiten
Falle war die Geschwulst 4 Mm. lang und sass am linken oberen
Augenlid einer 50jährigen Frau.
Fronmülle r's Fall (Joum. f. Chir. u. Augenh. v. Wal-
ther u. v.Ammon,Bd 32, Neue Folge 2 Bd., p. 178—179, 1843)
betraf einen 50jährigen Mann; die beinahe zoUgrosse und
federspuldicke Geschwulst war mitten auf dem rechten oberen
Augendeckel situirt, in der Mitte war sie durch Abbindungs-
versuche eingeschnürt.
Nelaton (Elementes de pathol. chirurg. Paris, 1844 T. 1,
p. 388) macht nur eine kurze Bemerkung, er habe ein Hom
vom freien Rande des Augenlides operativ entfernt.
Szokalski (Annales d' Oculistique, LIV, p. 211, 1865)
sah ein 1*5 Cm. langes Hom auf dem linken Unterlide einer
30jährigen Näherin und entfernte dasselbe.
Henry Schaw (Gase of cutan. hom of eyelid. Boston
Med. and Surg. Joum., 11 Febr. 1869) fand bei einem 56jährigen
Irländer ein etwa 1*5 Zoll langes Hom des rechten Unterlids
(nach Wecker-Landolt, Tome I, p. 84). Schaw bemerkt, dass
durch die Conjunctiva des unteren, mit Ectropium behafteten
Lides die Basis des Homes wie mit Talg erfüllt durchschimmerte.
Soelberg-Wells's Fall (A treatise on the diseases of
the eye, 3. ed., London, 1873, p. 767) betraf einen 76jährigen
Mann, bei dem das 2 Cm. lange Hom auf dem rechten Unterlid
implantirt war.
Keymond's Fall (Osservazione di produzione comea
suUa palp. Giom. d. Acad. de medic. di Torino; Aprile 1871):
56jähnger Mann mit einem mehr als 1 Cm. langen Home des
linken oberen Augenlides.
Gulstad (Bergh, Archiv f. Dermat. u. Sji)h. V. Jahi*g.,
2 Heft, p. 187, 1873) sah am Rande des rechten oberen Augen-
lides bei einem 19jährigen Mädchen ein 4 Mm. langes Hörnchen.
In C h i s o 1 m's Fall (Virginia medical monthly, p. 261, 1877)
war das Hom 1 Zoll lang. In der Nähe der Augenspalte sass
ein Hörnchen auch in dem ersten von Bätge (1. c.) mitgetheil-
ten Falle von multipler Keratose; ausser mehreren Hornbil-
dungen an der Nase war eine hornige Excrescenz unterhalb
Ein Beitrag zur Kenntniss der Hanthömer der Augenadnexa. 71
des linken unteren Augenlides und dem inneren Augenwinkel
derselben Seite des 60jährigen Mannes.
Walsham zeigte in der Patholog. Society London im J.
1880 ein Hauthom vom Unterlide einer alten Frau (Lagrange,
Annales d' Oculist, Decembre 1892, p. 403).
de Wecker (Trait6 complet, L tome, p. 84., 1880) bildet
eine Horngeschwulst ab, welche er vom linken ünterlide eines
40jährigen Mannes entfernte.
Michel sagt im Graefe-Saemisch (Bd. IV. p. 408, 1876):
Nach Jousanne's Beobachtung war bei einem 3jährigen
Kinde zuerst am rechten oberen Augenlide ein Hauthom abge-
rissen worden, und kurze Zeit darauf traten 2 frische Hönier
am linken oberen Lide auf. Nähere Angaben konnte ich über
diesen Fall nirgends auffinden.
Herzog Carl Theodor in Bayern (Festschrift zur
Feier des 70. Geburtstages von Herrmann v. Hehnholtz und
Zehender's Klin. Monatsbl. f. Augenh., September, 1892) theilt
einen Fall eines 4*5 Cm. langen Hauthomes bei einer 78
jährigen Frau mit, welches an der Grenze des äusseren und
mittleren Drittels des rechten oberen Lides sass.
S c h ö b 1 (1. c.) theilt zwei Fälle mit, deren einen ich
im J. 1884 mitzubeobachten Gelegenheit hatte. Derselbe be-
traf eine 82jährige Frau, Barbara Holik; das Hörn war
etwa conisch gestaltet, 5 cm. hoch, betrug an der Basis etwa
3 Cm. Durchmesser und nahm mehr als eine Hälfte der links-
seitigen Nasenfläche ein, reichte von der Nasenwurzel beinahe
bis zum linken Nasenflügel in verticaler, von der Mittellinie der
Nase bis in die Gegend des inneren Augenwinkels in sagittaler
Richtung. ') Im z w e i t e n Falle handelte es sich um ein 2 Cm.
langes Hauthom, welches unter der Mitte der rechten Augen-
braue eines 72jährigen Mannes situirt war.
*) Dieser Fall ist im „Aerztlichen Berichte des k. k. allgemeinen
Krankenhauses in Prag" für das Jahr 1884 auf Seite 536 und 538 von
Schöbl als „Comu cutaneum nasi et palpebrae" betitelt; in seiner eben
angefahrten Arbeit aus dem Jahre 1892 ist derselbe Fall wieder als ein
^ünicum*' und zwar als ein „Gor nu cutaneum plicae semilunaris*
boschrieben.
72 MitvaUky.
L a g r a n g e's Fall (1. c.) betrifft einen 60jährigen Mann,
bei dem das Hörn 2*2 Gm. lang, 0*5 Cm. breit war und auf
dem linken Unterlide sass.
Wie ersichtlich, sind die meisten yon den Ophthalmologen
publicirten Fälle von Hauthömem wohl nur von casuistischem
Werthe.
Zrklinmg der Abbildungen anf Tau V nnd VI.
Fig. 1. Das Hauthom in natürlicher Grösse, abgetheilt in das unter-
bnndene Scheitelstück a, Mittelstück h und Basalstück «.
Fig. 2. Querschnitt durch einen bereits eingetrockneten Bindegewebs-
sträng des Mittelstückes, wo die spärlichen Gewebszellen von den Homzellen
nicht mehr gut zu unterscheiden sind. In den zwei Blutgefassquerschnitten
sieht man die bereits intra vitam stagnirte, degenerirte Blutsäule, in der
Reste farbloser Blutkörperchen noch differenzirt werden können.
Fig. 8. Ein Querschnittstheil durch das Mittelstück, ein Bindegewebs-
septumdurchsohnitt mit Blutgefassresten a enthaltend.
Fig. 4. £ine etwa 4fache Vergrösserung der Hauthombasis nach
einem mit Haematoxylin gefärbten Präparat. Die verhornenden Zellen blass,
die stark gefärbten, frischen Zellen dunkel, das System der Bindegewebs-
trabekeln zwischen den letzteren in der Form von hellen Linien gezeichnet.
Fig. 5. Das Ende des Hautsaumes um den basalen Comutheil und
die davon abgehenden geisselartigen Epithelzellenschläuche, a Hautdurch-
schnitt, b Durchschnitt des betreffenden Theiles der Comuperipherie.
Fig. 6. Querschnitt durch eine Partie der Peripherie des basalen
Gomutheiles. Man sieht die Epidermis und die von derselben abgehenden,
oder bereits abgetrennten soliden (a), Härchen (6), Atheromchen (e), sowie
auch gewucherten Schweissdrüsen-Ausfuhrungsgängen ähnliche Gebilde (i)
enthaltenden Epithelzellenstränge. In der Mitte ein Durchschnitt einer
verhornenden Epithel zellensäule, zu deren Seiten mit subcutanem Binde-
gewebe zusammenhängende Bindegewebsstränge zu sehen sind.
Fig. 7. Ein analoger Querschnittstheil. Die miliare Atheromchen
enthaltenden Epithelzellstränge sind verschmolzen und bilden eine Art
Mantel um die Comuperipherie, in der schon andere ebenfalls miliare
Atherome enthaltende Epithelzellenstränge eingfewachsen sind.
Die mikroskopische Technik im Dienste
der Dermatologie.
(Ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre.)
Von
Dr. R. Ledermann, und ^r* Ratkowski,
Arzt fBr Haatkrankheltoii pnikt. Arzt
in Berlin.
Wer im Verlaufe einer wissenschaftlichen Arbeit genöthigt
war, sich die Kenntniss der einschlägigen Literatur zu ver-
schaffen, hat es als angenehme Erleichterung empfunden, wenn
er die vielfach zerstreuten, oft schwer zugänglichen Ai'beiten in
einer übersichtlichen, mehr oder weniger kritischen Weise zu-
sammengestellt fand. Solche Zusammenfassungen sind in neuerer
Zeit, nachdem die Literatur einer jeden, auch der kleinsten
Specialdisciplin einen ungeahnten, selbst für den Fachmann
kaum mehr zu übersehenden Umfang anzunehmen beginnt, ge-
radezu eine Nothwendigkeit geworden und gewiss wird jeder
solchen VeröffentUchungen sympathisch gegenüber stehen. Diese
Erwägungen sind es hauptsächtlich gewesen, welche die Vei*ff.
bewogen haben, die Fortschritte der mikroskopischen Technik
aus den letzten 10 Jahren, soweit sie für den Dermatologen
von Wichtigkeit sind, in übersichtlicher Weise zur Anschauung
zu bringen.
Wir haben uns dabei jeder eigenen kritischen Einsprache
enthalten, dagegen die kritischen Bemerkungen der Autoren,
soweit sie für die Beurtheilung des jeweiligen Gegenstandes von
Wichtigkeit waren, oft in ausführlichster Weise wiedergegeben.
74 Ledermann und Ratkow»ki.
¥.tj werden sieb vielleicht auch Arl»eiteu referirt finden, aber
welche die wi>>enscliaftliche Kritik längst zur Tage>ordnung
übergegangen i^t und welche wir dennoch erwähnen zu müssen
glaubten, weil sie nicht selten die Anregung zu weiteren und
fruchtbringenderen Forschungen gegeben haben. Andererseits
bitten wir zu entschuldigen, wenn l»ei der Fülle des zu liewiil-
tigenden Materials Arl>eiten übersehen wurden, welche ein
specieUeres Eingehen erforderten. Wir werden uns bemühen,
in einem Nachtrage das Fehlende zu ergänzen. Bei der Eigen-
art des Stoffes haben wir nach mehrfachen Erwägungen den
Modus gewählt die einzelneu Arbeiten in bestimmter Gruppi-
rung in Form von Referaten aneinanderzureihen. Da es bei
den einzelnen TinctionsTerfahren auf die minutiöseste l$eobach-
tung der Vorschriften ankommt, so halien wir alle Recepte und
Angaben möglichst genau wiedergegeben, so dass eine leichte
Orientirung stattfinden kann. Auhaughweise folgt ein Register
der benutzten Literatur.
I. Allgemeiner Theil.
Baagentien und Fttrbeteohnik.
Obwohl gerade in den letzten z«'lin Jahren die Fortschritte auf dem
Geliiete der Färbetechnik ganz ausserordentlich hervorragende und mannig-
fache gewesen sind, so müssen wir ans doch in Anbetracht des specielleren
Charakters dieser Arbeit bei der Wiedergabe derselben insoweit beschrän-
ken, als ein grosser Theil der neu empfohlenen Methoden keine specielle
Krrungenschaft der dermatologischen Histologie ist, sondern derGesammt-
histolo^e in allen ihren Zweigen in gleicher Weise zu gute kommt.
EinbettuBg and Conserrimsg.
Was die Einbettung und Conservimng mikroskopischer Präparate
betrifft, so verdienen nur wenigre neue Methoden Erwähnung. Die Herstel-
lung frischer Schnitte mit dem Gefriermikrotom geschieht noch jetzt wie
vor zehn Jahren in der bekannten Weise mit dem Aetherspray.
Eine Verbesserung scheint das von Kühne als Einbettmigsmittcl
empfohlene Anis öl darzustellen. Verf. empfiehlt zu diesem Zwecke ein
Anisöl, das bei 6 — IS* R. je nach dem Sauerstoffgehalt erstarrt. Die An-
wendung des einfachen Verfahrens geschieht in der Weise, dass ca. 2 Mm.
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 75
dicke Stückchen aus dem Alkohol heraus fiir 12 — 24 Stunden in Anisöl
gelegt und mit einigen Tropfen desselben auf die ganz trockene Platte
des Mikrotoms gebracht werden. Nach kurzer Einwirkung des Aethersprays
sind die Stücke schnittfertig und werden von dem Messer leicht gefasst.
Die gewonnenen Schnitte werden zunächst in ein Schälchen mit Anisöl
oder direct in Alkohol gebracht, in dem sie sich gut ausbreiten und das
Gel abgeben. Sollte das zu schneidende Stück abreissen, so muss die Platte
des Mikrotoms gründlichst mit Alkohol trocken gerieben werden, da das
Präparat sonst nicht wieder anfriert. Doch kann man das Abreissen leicht
verhindern, wenn man von Zeit zu Zeit mit dem Spray nachhilft. Am
besten bewährte sich ein von Schimmel und Co. in Leipzig bezogenes
Anethol (Oleum anisi pur.), das bereits bei 21' R. erstarrt. Ist dasselbe
in der Flasche schon erstarrt, so kann man es leicht durch Eintauchen in
heisses Wasser wieder flüssig machen.
Von den zahlreichen Methoden der Durchtränkung der Gewebe
mit Paraffin erwähnen wir ein Verfahren von Przewowski, welches
sich wesentlich auf die Erhaltung mikroskopischer Präparate von beträcht-
licher Grösse bezieht. Die Gewebsstücke kommen zunächst in schwachen,
dann auf 24 Stunden in wasserfreien Alkohol. Darauf einige bis 24 Stunden
in wasserfreies Anilinöl, darauf nach Abtrocknung mit Löschpapier auf
ebenso lange Zeit in reines Chloroform, alsdann auf 24 Stunden oder länger
in zweckmässig zusammengestelltes geschmolzenes Paraffin in den Thermo-
staten. Möglichst schnelle Abkühlung des ausgegossenen Paraffins. Die Schnitte
selbst kommen auf ein mit Wasser befeuchtetes Objectglas, werden dann mit
schwedischem Löschpapier abgetrocknet und auf 2 oder mehrere Stunden
in den Thermostaten bei 40® C. gebracht. Jetzt haften dieselben sehr fest
am Objectträger. Das Paraffin wird durch Chloroform, Xylol oder Ter-
pentin entfernt und die Präparate sind zur Färbung reif. Ledermann
empfiehlt die Paraffin-Einbettung lediglich für fötale Haut und hält
dieselbe für die Haut des Erwachsenen für weniger geeignet.
Bezüglich des Einlegens der Präparate in Nelkenöl, Bergamottöl,
Xylol, Terpentin u. s. w. sind wesentliche Verbesserungen in der Literatur
nicht angegeben, dagegen finden sich zahlreiche Mittheilungen über die
Glycerin-Conservirung, bezw. die Umkittung von Glycerin-
Präparaten, von denen wir die von Krönig und Heidenreich
empfohlenen Einschlusskitte hier wiedergeben.
Krönigs Kitt besteht aus 2 Theilen Wachs, der in einem Porzel-
lanschälchen geschmolzen und dem hierauf stückweise 7 — 9 TheileColo-
phonium zugesetzt werden. Die Masse wird dann tüchtig verrührt und
des besseren Aussehens halber eventuell durch Gaze filtrirt. Sie erkaltet
innerhalb weniger Stunden. Zum Gebrauch wird sie durch Eintauchen
eines erwärmten Drahtes verflüssigt und um die Ränder des Deckglases ge-
zogen. Sie erstarrt in einer halben Minute und zeigt bei vorzüglicher
Härte keine Sprödigkeit. Um die Auflösbarkeit des Lackes durch Cedemöl,
Fenchel-, Ricinus-, Steinöl u. s. w. zu verhüten, überzieht man den Lack-
rand mit einer Spirituosen Schellacklösung, welche bei einer concentrirten
76 Ledermann und Ratkowski.
Lösung in einer Stunde zu einer für Lnmersionsöl undurchdringlichen
Schicht wird. Die Yortheile des Lackes bestehen
1. in der schnellen Fertigstellung des Präparates, 2. in
der Unlösbarkeit des Lackes in Wasser, Glycerin, Kali ace-
ticum, 3. in der guten Consistenz, 4. in der einfachen und
billigen Anfertigung desselben. Der Lack färbt sich mit Al-
kanna-Wurzel schön roth.
Heidenreieh's Lack hat folgende Zusammensetzung:
Bernstein 25 \
Copal •• 25 1^
I GrewichtS"
Leinölfirnis mit Manganborat gekocht ... 50 > ., .,
Ol. Lavandulae 50 — 60 1
Künstlicher Zinnober (Eosin oder Zinnober) 40 — 60 j
Das Glycerin, welches zum Einschluss benutzt wird, muss nach
Gray immer neutral sein. Die beste Prüfung geschieht mit der Zunge;
bei Nachgeschmack nach Fettsäuren ist es zu verwerfen.
Zur Conservirung von rothen Blutkörperchen und Gefrier-
schnitten empfiehlt Heller kleine Stücke frischen Gewebes in eine
dünne Chromkali-Lösung zu legen, dann in Wasser abzuspülen. Zur
Verhinderung der Pilzentwicklung setzt man Chloralhydrat zu, indem
man einer y^%igen Cblomatriumlösung l\ Chloralhydrat hinzusetzt.
Mikroskopiflches Arbeiten bei künstliehem Licht.
Um mikroskopische Arbeiten am Abend zu ermöglichen, liess sich
Unna von Zeiss in den Diaphragmenträger eines neuen Mikroskops eine
matte Glasplatte so einfugen, dass er sie ad libitum mit den gewöhnlichen
Diaphragmen und ohne dieselben gebrauchen konnte. Diese Combination
eines zerstreuenden mit den rein beschränkenden Diaphragmen hat sich
ihm sehr bewährt. Er arbeitet seit der Zeit Abends nur noch mit dem
allerhellsten Lampenlicht ohne Ermüdung der Augen. Bei Benutzung der
Oelimmersion des Abbe'schen Condensors wird nicht wie sonst der Plan-
spiegel, sondern der Concavspiegel gebraucht; bei Anwendung dicker
Milchglas-Diaphragmen kann man sogar directes Sonnenlicht zur Beob-
achtung heranziehen.
FarbstoffiB.
Neue Farbstoffe, welche sich in der histologischen Technik für
dermatologischo Zwecke einen bleibenden Platz erworben haben, sind in
den letzten 10 Jahren kaum eingeführt worden. Auf die Ehrlich'sche Farb-
mischung, sowie auf die Gruppe der Bosaniline und Pararosaniline werden
wir in einem späteren Capitel eingehen. An dieser Stelle mögen nur
einige neuere Becepte und Herstellungsarten bekannter Farblösungen be-
sprochen werden, welche in den Lehrbüchern nicht leicht zu finden sind.
Am reichsten sind die Vorschriften für die verschiedenen Carmine.
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dennatologie. 77
1. Carmine.
Hamann empfiehlt eine Carminlösung, welche bo hergestellt wird,
dass man 30 Gr. Carmin mit 200 Gr. concentrirtem Ammoniak vermischt
und dazu tropfenweise Acid. acet. glaciale bis zur Neutralisation oder
ganz schwach saueren Reaction hinzufügt. Nach 2—4 Wochen ist die filtrirte
Flüssigkeit brauchbar. Der dabei erhaltene und in gleicher Weise und mit
der gleichen Menge von Ammoniak und Essigsäure behandelte Nieder-
schlag ist aber jedes Mal vorzuziehen. Vorzüge der Lösung bestehen im
schnellen Nachfarben und nicht leichter Ueberfarbung. Bei Vorbehandlung
der Präparate mit Müller Vher Flüssigkeit, Osmiumsäure, Pikrin-
Schwefelsäure oder concentrirter Sublimat lösung gleich gute
Resultate.
Kultschizky empfiehlt ein saueres Chloralhydrat-Carmin, welches
die Möglichkeit bietet, alle Theile des Präparates zu färben, wobei man
jedoch nicht die gleichmässig diffuse Färbung erhält, welche z. B. das
Boraxcarmin oder Lithioncarmin, ohne nachfolgende Behandlung mit an-
gesäuertem Alkohol gibt. Die verschiedenen Theile des Präparates unter-
scheiden sich vollkommen klar — das Protoplasma der Zelle, die Kerne
derselben, die faserige Substanz des Bindegewebes.
Will man eine besonders scharfe Färbung der Kerne erhalten, muss
man das Präparat nach der Färbung in einer 27» Alaunlösung waschen.
Nach dieser Waschung nehmen die Kerne (und auch das glänze Präparat)
eine schöne violette Färbung an. Auf diese Weise kann mit diesem Carmin
in zwei Farben, in der rothen und violetten, gefärbt werden. — Bei all
diesen Manipulationen ist destillirtes Wasser zu verwenden.
Bereitung des Chloralhydrat-Carmins:
Hydrat, chloral 10 Gr.
Acid. murat. (27o) KH) Ccm.
Dann wird trockenes Carmin hinzugefügt (von 0*75 bis TS Gr.),
je nach dem Grade der Sättigung, den man wünscht, und die ganze
Mischung 1 — 1'/, Stunden in einem Kolben bis zum Siedepunkt erhitzt.
Um die Verdunstung zu vermeiden, wird der Kolben mit dem Korken
verstopft, in welchem eine Glasröhre eingefugt ist. Darauf lässt man die
Lösung abkühlen (bei Zimmertemperatur in 24 Stunden) und filtrirt.
Will man nur die Fasersubstanz des Bindegewebes färben, so hat
man das Carmin aufgelöst in einer lOVo Chloralhydratlösung zu verwenden.
Dieses neutrale Chloralhydrat -Carmin bereitet man wie das oben
beschriebene sauere Carmin. Es mischt sich schön mit Grenacher's
Alauncarmin, welche Mischung eine zweifelhafte Färbung von rother und
violetter Farbe gibt und ebenso mit Pikrinsäure (Pikrocarmin). Die be-
schriebenen Carminlösungen schimmeln lange Zeit nicht.
Pisenti empfiehlt folgende Herstellung von Alauncarmin. In
100 Ccm. einer heiss gesättigten wässerigen Alaunlösung (100 Theile ko-
chendes Wasser lösen 183 Theile krystallisirtes Alaun) werden einige
Minuten lang 1*5 — 2 Gr. Carmin gekocht, sodann gibt man 2 Gr. schweflig-
78 Ledermann und Katkowski.
sanres Natron zu. Dieses löst den kleinen Carminrest , welchen die
Alaunlösung ungelöst gelassen hat. Man lässt nochmals 5 Minuten lang
kochen und filtrirt heiss. Dann lässt man erkalten, und da sich wahrend
des Abkühlens eine betrachtliche Menge von Alannkrystallen absetzt, so
ist es gut, dass die Lösung decantirt und in einer anderen Flasche auf-
bewahrt wird. Die Lösung färbt in wenigen Minuten.
Arcangeli empfiehlt folgende Alauncarminlösung:
A. Solut. Alumin. concentr lOO'O
Acid. boric 2*0
Carmin 0*25
10 Minuten gekocht (violett-rothe Farbe).
B, Solut. Alumin. concentr. lOOO
Acid. salicyl 0*25
Carmin 0*25
10 Minuten gekocht.
Ebenderselbe empfiehlt folgende Vorschrift für Boraxcarmin:
Aq. dest 100-0
Acid. boric 4*0
Carmin 0*5
Man kocht 10 Min. lang, lässt die Flüssigkeit etwas erkalten und
hltrirt warm. — Schnelle Färbung mit hochrother Farbe ähnlich dem Eosin.
Hag empfiehlt zur Doppelförbung von Stücken in toto folgende
Modification des Grenacher'schen Boraxcarmins: 2 Gr. Carmin
werden mit 4 Gr. Borax verrieben und hierzu 300 Ccm. destillirtes Wasser
in einer Kochflasche gegeben. Dann wird gekocht, bis die Flüssigkeit auf
ca. 250 Ccm. eingedampft ist, unter häufigem Umschütteln. Der etwas ab-
gekühlten, aber noch warmen, tiefblau-roth gefärbten Lösung wird jetzt
eine Lösung von Acid. acetic. glaciale 10 : 100 mittels Pipette zugesetzt,
nicht blos so lange, bis die Farbe umschlägt, sondern bis sie einen ganz
hellrothen Ton bekommt und krystallhell transparent ist. Nach einem
Tage filtriren und etwas Thymol in Krystallen zusetzen. In dieser Lösung
können Schnitte, wie Stücke, gleichgiltig ob sie in Alkohol, Sublimat
oder Chromsalzen gehärtet waren, rasch in toto gefärbt werden. Die
Stücke von höchstens 0*5 Cm. Seitenfläche werden 2 — 4 Tage bei
Zimmertemperatur bis zur gleichmässigen Durchfarbung eingelegt und in
70procentigem Alkohol mit Salzsäure diflerenzirt, bis keine
oder wenig Farbe in dem alle halbe Stunde zu wechselnden Salzsäure-
alkohol abgegeben wird (gewöhnlich in 1— -4 Stunden). Dann wird das
Präparat in absoluten Alkohol mit Pikrinsäure gebracht, worauf
es nach 12 Stunden bei richtigem Pikrinzusatz einen leichten OrangeUm
angenommen hat und nun zum Einbetten fertig ist. ^
Bizzozero empfiehlt folgendes Pikrinsäurecarmin: In einem
Mörser werden 0'50 reines Carmin in 8 Ccm. Ammoniak und 50 Ccm«
destillirten Wassers gelöst; in einem andern Mörser 0*5 Pikrinsäure in
50 Gr. Wasser. Man giesst letztere Lösung langsam unter beständigem
Umrühren in die erste Lösung und verdampft dann im Was^erbade, bis
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 79
der Ammoniakgeruch ganz verschwanden ist. Gewöhnlich ist die Flüssig-
keit dann auf die Hälfte ihres früheren Volumens redncirt. Man lasst nun
erkalten und fugt sofort */, des Volumens, also 10 Ccm. reinen Alkohol
hinzu. Die Lösung mass sorgfaltig in verschlossener Flasche aufbewahrt
werden.
Arcangeli empfiehlt ein Pikrinsäurecarmin ohne A m m o n. :
Acid. picr. solut. concentr. 50*0
Carmin 0*25
Die Lösung wird 10 Minuten gekocht und kalt filtrirt. Tincti-
onszeit 4 — 8 Stunden.
Derselbe empfiehlt folgendes Salicylsäurocarmin:
Aq. dest. 100*0
Acid. salicyl. 0*25
Carmin 0*25
10 Minuten zu kochen und dann zu hltriren.
Orth emptiehlt folgende Lithioncarminlösung, welche sich
durch Einfachheit der Herstellung und Schönheit der Kernfarbung aus-
zeichnet: Man bereitet sich eine kalt gesättigte Lösung von Lithion car-
bonicum, in welcher sich Carminpulver in fast beliebiger Quantität
auflöst. Verf. benutzt eine 2'/jprocentige Lösung eines solchen Li-
thioncarmins, welches in wenigen Secunden bis Minuten frische, wie ge-
härtete Präparate difins färbt. Um Kernfarbung zu erhalten, spült man
die Präparate, ohne sie vorher in Wasser zu reinigen, in salzsaurem
Alkohol (1 Tb. Salzsäure : 200 Th. 70 procent. Alkohol) ab und kann
sie dann wie gewöhnlich untersuchen. In frischen Präparaten kommt
durch die dünne Salzsäurelösung eine Aufquellung des Bindegewebes,
Fibrins u. s. w. zu Stande.
Noch vorzüglicher ist das Pi kr o lithion carmin, welches einfach
so hergestellt wird, dass man zu einer gewissen Quantität Lithioncarmin
die passende Menge kalt gesättigter wässeriger Pikrinsäurelösung unter
Schütteln langsam zufügt. Die Menge richtet sich nach der Concentration
der Carminlösung : 2 — 3 Th. Pikrinsäurelösung auf 1 Th. 2'/, procent. Li-
thioncarmin. Wiegt die eine Farbe bei dem Gebrauche vor, so setzt man
noch beliebig viel von der anderen zu. Die weitere Behandlung geschieht
wie beim Lithioncarmin, nur darf man die Schnitte nicht lange in salz-
saurem Alkohol liegen lassen, weil derselbe allmälig die Pikrinfarbung
verdirbt.
Hag empfiehlt folgendes Ammoniaklithion carmin: 3 Gr.
Carmin werden in 100 Ccm. kalt gesättigter Lithion carbon. -Lösung gelöst
und noch 5 Ccm. Ammoniak zugegeben. Die Lösung färbt sehr rasch
und intensiv. Die Schnitte werden in Wasser leicht abgespült und dann
mit Salzsäurealkohol diflferenzirt. Doppelfärbungen durch Einlegen der
Schnitte in absolutem Alkohol mit Pikrinsäure. In den Fällen, in welchen
wegen ("hromhärtung die Färbung nicht recht gelingen wollte, hat fol-
gende Zusammensetzung gute Dienste gethan : 1 — 1 '/, G r. C a r m i n werden
mit 2 Gr. Natrium bicarbon. in 1.50 Ccm. Wasser gekocht und
30 Ledermann und Ratkowsky.
10 — 15 Ccm. 5Vo EsBigsäure aus Acid. acet. glaciale bereitet zu-
gesetzt. Nach dem Erkalten werden 5 Ccm. Lithionlösung zugefügt.
Nachbehandlung der Schnitte bei üeberfarbung mit salzsaurem Alkohol.
Für die Histologie des Nervensystems wird von amerikanischer
Seite folgendes Carmin-Osmium empfohlen: Man mische eine starke
Garminlösung mit ammoniakalischem Wasser und lasse sie bis zum
Aufsteigen von rothen Wolken auf dem Wasserbade verdunsten. Nach
dem Abkühlen wird Iprocentige Osmiumsäure hinzugefugt und
dann unter einer Glasplatte filtrirt. Die so entstehende sehr dunkle
Flüssigkeit besitzt die färbenden Eigenschaften des Carmins und die fizi-
rende Kraft des Osmiums. Nach einigen Tagen verliert die Lösung ihren
Geruch und wird dunkler. Dabei hat sie die Fähigkeit des Fixirens ver-
loren, ist aber ein gutes Mittel zum Maceriren geworden. Die zu
förbenden Gebilde sollen in ausgebreiteter Stellung zum Absterben gebracht
werden. Hierzu dient eine concentrirte Lösung von Eisensulfat. Nach
dem Absterben kommen sie eine halbe bis 12 Stunden in die Osminm-
Carminlösung und dann zur Härtung in Alkohol.
2. Hämatoxyline.
Heidenhain schlägt eine Abänderung der Färbung mit Häma-
toxylin und chromsauren Salzen vor, da die von ihm früher
beschriebene Färbung mit Hämatoxylin und Kali bichromic. den Nach-
theil hat, dass die ursprünglich schwarz gefärbten Präparate leicht vergilben
und damit unbrauchbar werden. Die in Alkohol oder besser zuerst in
Pikrinsäure (gesättigte Lösung), darauf in A 1 k o h o 1 gehärteten Ge webs-
stücke werden auf 12 — 24 Stunden in eine wässerige Lösung von Häma-
toxylin (VjVo) ^^^ darauf in eine V^proc entige Lösung des gelben
einfach chromsauren Kali^s, an Stelle des rothen doppelt chromsauren
Kali's ebenfalls auf 12 — 24 Stunden gebracht. Sodann Entwässerung in
Alkohol, Durchtränkung mit Xylol, Einschmelzen in Paraffin. Feine
Schnitte in Xylol au%ehellt zeigen eine graublaue Färbung, welche das
Chromatin der Kerne, wie die protoplasmatischen Structuren annehmen.
Man erhält damit eine ausgezeichnete Tinction der Protoplasraanetze,
sowie eine ganz reine Kemtinction. Bei Behandlung mit Pikrinsäure
eignet sich diese Methode vorzüglich zum Studium der Mitosen und hat
den Vorzug, dass sie Stückfärbung statt der Färbung einzelner
Schnitte gestattet. Die Chromatinfaden zeigen oft aufs deutlichste die
Zusammensetzung aus Kömchen.
Flemming empfiehlt für Kemfarbung folgende Lösung: Krystiil-
linisohes Hämatoxylinum concentratum in Alkohol absolut,
gelöst, darnach Ammoniakalaun concentrirt in Wasser. Dann lässt man
die Lösung eine Woche hindurch am Lichte stehen, filtrirt und setzt
25 Ccm. Glycerin und 25 Ccm. Methylalkohol hinzu.
List empfiehlt für Hämatoxylin-Doppelfarbung ausser dem Eoain
auch salpetersaures Rosanilin.
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 81
3. Bismarckbraun.
List benutzt als Gontrastfarbung für Bismarckbraun Metbyl-
grün und Anilingrün.
Unna empfiehlt als vorzügliches Kernfarbemittel wässerige Lö-
sungen von Metaphenylendiamin. In HautschnitteUi welche so ge-
färbt werden, bleibt die Homschicht ungeförbt, ebenso die coUagene und
elastische Substanz. Das Protoplasma nimmt einen schwach graubraunen
Ton an, der sich beim Auswässern der Schnitte verliert. Die Kerne ziehen
die Farbe energisch an. Werden solche Schnitte gut ausgewaschen und
in 1 procent. Natrium nitrosum Lösung gebracht , die bei directer Mi-
schung mit schwacher Lösung von Metaphenylendiamin diese sofort in
eine dunkel gelbbraune Lösung von Vesuvin verwandelt, dann findet Um-
wandlung in den gelbbraunen Ton des Yesuvins statt und zwar innerhalb
der mittleren lockeren Homschicht, nicht in den übrigen Theilen des
Schnittes. Unna nimmt an, dass das Phenylendiamin sich einerseits
in den Kernen niederschlagt und anhäuft, wodurch dieselben graubraun
gefärbt werden, andererseits in der lockeren Homschicht in solchem Grade
imbibirt, ohne eine chemische Verbindung mit dem Gewebe einzugehen,
dass die nachfolgende Behandlung mit Natrium nitrosum hier ausnahms-
weise eine Yesuvinbildung veranlassen kann. Es wird nur dort gelingen
Anilinfarbstofife in den Greweben selbst aus mehreren Gomponenten zu er-
zeugen, wo wir durch rein physikalische, besonders günstig^ Umstände die
eine Farbstoffcomponente locker aufspeichern können, ohne bereits eine
feäte Verbindung mit dem Gewebe zu veranlassen, oder wo es uns gelingt,
eine solche wieder nachträglich soweit zu lockern, dass sie nun mit der
zweiten Gomponente die neue Verbindung zur Bildung des gewünschten
Farbstoffes eingehen kann. Wir haben bei jedem Färbeprocess haupt-
sächlich zweierlei zu unterscheiden: L die Imprägnation des Ge-
webes mit der Farbstofflösung, ein physikalisches Phäno-
men, 2. die wirkliche Färbung, eine chemische Erscheinung, welche
letztere stets mit einem Niederschlag und oft mit einer allmälig fortschrei-
tenden Aufspeicherung des Farbstoffes im Gewebe einhergeht, 3. kommt
noch oft hinzu ein wiederum physikalisch bedingter Nieder-
schlag des Farbstoffes gröberer Art auf dem Gewebe, der von
der Gonoentration des Farbstoffes, seiner Neigung zum Ausfallen und der
Dauer des Färbeprocesses abhängt, der mehr von praktischem als von
theoretischem Interesse ist und gemeiniglich sogenannte Farbstofi&iieder-
schläge darstellt. Von dem Metaphenylendiamin, einem grau-bläulichen, un-
veränderlichen Pulver gibt man eine Messerspitze in ein Schälchen mit kaltem
destillirtem Wasser, um die erwähnte sehr reine Kemfärbung zu erzielen.
Joseph und Wurster entgegnen Unna: I. In frischen Haut-
schnitten erzeugt weder das reine, noch das ozydirte Metaphenylendiamin
eine Kemfärbung, soniern nur eine diffuse grüne, resp. braune Tinction;
2. werden frische Hautschnitte, bevor sie 24 Stunden mit der grünen
FarbstofÜösung in Berührung kommen, auf die gleiche Zeit in Chrom-
säure gelegt und gut ausgewässert, dann zeigen die Kerne tief schwarze
ArchlT für Oorioatol. ii. Syphil. Band XXVIl. q
52 Ledermanii und Ratkowski.
Tinction, zugleich erscheinen im Gewebe so viel Niederschläge, dass diese
Kernfarbemethode für die mikroskopische Technik werthlos ist; 3. bei
einem Ulcus durum, welches 24 Standen lang in Mü Herrscher Flüssigkeit
und dann 2 Monate in Alkohol nach dem Auswässern fizirt war, bewirkte
bereits die frische grüne Metaphenylendiaminlösung eine sehr distincte
grüne Kemfärbung, ebenfalls der oxydirte Farbstoff des Phenylenbraun
eine wundervolle, sehr distincte roth-braune Färbung der Kerne. Die von
Unna beschriebene braune Färbung der Kerne wurde nur dann erzielt,
wenn das Metaphenylendiamin vor dem Entfärben oxydirt wurde oder die
Objecte in Müller'scher Flüssigkeit, beziehungsweise in Chromsäure cou-
servirt wurden. Das Resultat war das gleiche, wenn die mit Metaphenylen-
diamin getränkten Hautschnitte längere Zeit in Chromsäure oder chrom-
saures Kali gelegt vnirden. In gleicher Weise wirkte Celloidin auf die
freie Base oxydirend oder Yesuvin bildend. Es erscheint sicherer zur
Kernfarbung einen wirklichen Farbstoff, wie das Phenylenbraun, das
Vesuv in, das Bismarckbraun zu benutzen an Stelle eines undefinir-
baren Gemenges, wie es das Phenylendiamin darstellt.
Unna erwidert in einer Anmerkung, dass ersieh nicht wie Joseph
und Wurster der Farbbase, sondern des salzsauren Salzes derselben be-
dient habe. Dieses sei ein vorzügliches Kemfarbemittel, färbt sowohl in
frischen Geweben, als in solchen in Alkohol, Salpetersäure, Osmium oder
Flemming^scher Lösung fiidrten. Alte oxydirte, fast schwarze Lo-
sungen färben ebenso vorzüglich und geben mit der Natrium nitrosum
Lösung eine schöne klare Yesuvinlösung.
4. Fuchs ine.
Michelsohn empfiehlt für dermatologische Zwecke besonders die
Anwendung des Säure fuchsins. Die Schnitte kommen zuerst eine
Stunde oder länger in gesättigte, wässerige Lösung von Säurefuchsin,
werden dann in einer grossen Schale voll Wasser abgespült und dann in
ein Uhrgläschen mit einer 0*1 procentigen Lösung von Kali causticum
fusum in Alkohol gelegt; darauf Abspülen in einer grossen Schale mit
Wasser (destillirtes nicht nothwendig), Entwässerung in Alkohol, später
Nelkenöl, Canadabalsam. Der Verlauf der Bindegewebsfasern und die
Vertheilung der Blutgefässe, ebenso die zelligen Bestandtheile, die sich in
der Umwandlung in Homsubstanz befinden, sind gut sichtbar. Der Azen-
cy linder und die markhaltigen Fasern der Pacini^schen Körperchen er-
scheinen als gleichmässig roth gefärbte Fäden; die Markscheide ist blass
gefärbt. Bei Doppelfarbung mit Hämatoxylin zuerst obige Färbung,
dann Ueberfarbung mit Hämatoxylin, das durch Eisessig von dem zu
starken Hämatoxylingehalt befreit wird.
5. Orcein.
Schliesslich erwähnen wir noch eine Arbeit 0. Israel's über Dop-
pelfarbung mit Orcein: Israel verwendet an Stelle des von Weigert
und Weil zur Färbung von Zellen und Intercellularsubstanz empfohlenen
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie, 83
Orseille, welches im Allgemeinen wegen der Unsicherheit seiner Tinc-
tion keine weitere Verbreitung gefunden hat, das Orcein C^H^NO^. Man
stellt sich mit einem zur Lösung genügenden Zusatz von Essigsäure eine
gesättigrte Lösung dieses Farbstoffes her, welcher sich besonders zur
Färbung des Strahlenpilzes eignet. Nach längerem Verweilen in der
Lösung nimmt der Pilz eine dunkel-bordeaurothe Färbung an, die intensiv
genug bleibt, wenn man die Farbe mit Alkohol derartig auszieht, dass
das umgebende Grewebe ohne einen Anflug von künstlicher Färbung er-
scheint. Die Keulen des Pilzes treten sehr scharf hervor. Bei Schnitten
mit reichem Mycel ist dieses mehr oder weniger tief blau geßrbt. Die
centralen Theile des Mycels bleiben oft ungefärbt. Unterbricht man die
Entfärbung früher, resp. verlangsamt sie durch sorgfaltiges Auswaschen
der Säure aus den der Farblösung entnommenen Schnitten, so kann man
den grössten Theil des Mycels blau gefärbt erhalten. Alsdann zeigt
auch das umgebende Gewebe eine schwache rothe Färbung des Zellinhalts
und der Intercellularsubstanzen, daneben eine schöne, nach dem Grade der
Entfärbung von lichtblau bis dunkelblau viscariirende Tinction der Zell-
kerne und zwar sind die übrigen Gewebstheile um so röther, je tiefer
blau die Kerne erscheinen. Ueberfärbte Schnitte erscheinen fast gleich-
massig roth, so auch solche in Glycerin, das die blaue Farbe auszieht.
Man muss daher die fertig tingirten Schnitte in Balsam aufbewahren. —
Hierbei ist die Entwässerung schwierig, da durch 2 Portionen Alkohol in
der gewöhnlichen Zeitdauer die Farbe verloren gehen würde. Um dies
zu vermeiden, bedient er sich eines Verfahrens, das er schon lange bei
der Färbung mit Anilinfarben für diejenigen Bacterien anwendet, aus
denen die Farbe durch Alkohol leicht extrahirt wird.
Der dunkelweinroth gefärbte Schnitt wird in Aq. dest. abge-
waschen. Das überflüssige Wasser auf dem Spatel mit Fliesspapier aufge-
sogen. In Alkohol absolutus nur so lange, bis die Kerne deutlich blau
erscheinen (einige Secunden). Schnell auf den Objectträger. Der Alkohol
durch kräftiges Aufdrücken von dickem Fliesspapier entfernt, der Schnitt
selber auf dem Objectträger festgeklebt. Entfernt man den Alkohol nicht
vollständig, so bleibt das Präparat leicht am Papier hängen und es sind
lue zerbrechlichen Schnitte für die weitere Behandlung dann meist ver-
loren. Der Schnitt ist nun zwar noch nicht hinreichend wasserfipei, wird
es jedoch durch Austrocknung an der Luft, die man jedoch nicht so weit
treiben darf, dass das Präparat sich vom Glase ablöst und zerbröckelt.
Vielmehr muss man im richtigen Moment ein ätherisches Oel, welches
die Farbe nicht auszieht, hinzusetzen und dieses durchdringt den Schnitt
fast augenblicklich, wenn er hinreichend wasserfrei ist. Verf. verwendet
Cedemöl und zwar nimmt er bis zur Zähflüssigkeit eingedicktes Material,
welches die Anwendung eines Balsams überflüssig macht, da es in kurzer
Zeit vollständig verharzt Es ist in der Handhabung viel bequemer als
ein Balsam und die Objecte halten sich vortrefflich.
Bei der Anwendung des Orceins zu Doppellärbungen verhalten
sich die meisten Mikrophyten wie die Kerne und das Verfahren ist bequem,
6*
84 Ledermann und Ratkowski.
während die Gram^sche Methode ja bekanntlich mit der gänzlichen Ent-
färbung der Kerne ein for diesen Zweck (Bacillenfarbang) vollkommeneres
Resultat liefert. Dagegen bietet die Tinction für die verschiedensten Ge-
webe ganz vorzügliches, besonders für Musculatur und Haut. Alle
chemisch differenten Theile der letzteren zeigen verschiedene Nuancen des
Roth. Der verhornte Theil der Epidermis erscheint stark roth gefärbt,
während das Rhete Malpighii sich blasser tingirt. Noch blasser erscheint
das Bindegewebe der Cutis, dunkler das elastische Material derselben.
Die Epithelien der Schweissdrüsen zeigen eine relativ intensive Röthe.
Dabei sind alle Kerne schön blau. — Für den Ausfall der Färbung ist es
ohne Belang, ob die Stücke in Alkohol oder in Müll e rascher Lösung coii-
servirt waren.
Der beschriebenen Doppelfärbung kommt ein grosses
theoretisches Interesse zu, weil das Orcein, als ein Pflan-
zenfarbstoff, die hauptsächlichsten tinctoriellen Eigen-
schaften der sogenannten basischen, wie der sauren Anilin-
farben in sich vereinigt und zwar eine glückliche Gombina-
tion zweier Contras tfarben, welche dem Farbstoff eine aus^-
gedehnte Anwendung gewährleisten.
Wir werden auf das Orcein an anderer Stelle noch zurückkommen.
(Fortietsnnff folgt )
Bericht ülier die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
Verhandlungen der Wiener dermatologischen
Gesellschaft.
Sitzung vom 22. November 1893.
Vorsitzender: Neumann. Schriftführer: Cehak.
Nobl zeigt (aus dem Ambulatorium Lang 's) einen Mann mit
Psoriasis vulgaris der Hohlhand. Bei flüchtigem Ansehen könnte
man den Fall mit einer specifischen Psoriasis verwechseln, aber das Fehlen
einer derberen Infiltration, der Mangel eines Infiltrationssaumes, die zarte
Beschaffenheit und das gleichmässige Verhalten der Schuppen spricht
dagegen. Ausschlaggebend ist, dass Efflorescenzen an EUbogen und Schul-
tern vorhanden sind. Der Pat. hatte nie eine venerische Affection.
Neumann hat in seinem Atlas einen Fall von Psoriasis nigra
abgebildet, der ein tief dunkel pigmentirtes Individuum betraf. Diese Formen
an der Hohlhand kommen namentlich dort vor, wo ein Druck ausgeübt
wurde, sei es durch einen Stock oder einen anderen festen Gegenstand, den
die Kranken tragen, ebenso wie sich an anderen dem Druck ausgesetzten
Stellen Psoriasis entwickeln kann, z. B. durch Mieder, Riemen.
Schiff zeigt ein Kind, das seit seiner Geburt an einer Anomalie
der allgemeinen Decke leidet. Die Haut ist überall ausserordentlich trocken,
runzelig, schlecht genährt. Es handelt sich entweder um eine höchst
seltene Form von Ichthyosis simplex oder um Xerodermia universalis.
Gegen Ichthyosis spricht der Umstand, dass die Schuppenbildung nicht
bedeutend ist und specieU die Haut der Füsse und Hände nicht schuppig,
sondern glänzend und gerunzelt ercheint. Ich möchte mich daher für die
zweite Möglichkeit aussprechen.
Lang. Ich halte den Fall für die seltener angeborene Form von
Ichthyosis u. zw. leichter Art. Die congenitale I. kommt ungemein selten
vor. In einzelnen Fällen kann man neben derselben auch Hantdefecte
constatiren am Lid und das Fehlen der Ohrmuscheln. Hier ist auch eine
Verkürzung vorhanden, die aber mit der geringen Elastioität der Haut
zusammenhängt. Eine solche congenitale I. beobachtete ich einmal bei 2
88 Verbandlungen
Geschwistern. Die Verkürzung der Haut betraf nicht nur das Augenlid,
so dass das Kind mit offenen Augen schlief, sondern auch die Lippen.
Das Kind konnte den Mund nicht schliessen, infolge dessen auch nicht
saugen ; löffelweise wurde ihm die Milch zugeführt. An der hinteren Seite
der Ohrmuschel fehlte die Haut, die Ohrmuschel war gleichsam an da<i
Hinterhaupt angelegt. Meines Wissens hat C a s p a r y auf einen ähnlichen Fal 1
aufmerksam gemacht. Bei schwereren Fällen kommt eine Verkürzung auch
in der Weise vor, dass es so aussieht, als ob eine Bindeneinwicklung in
ungeschickter Weise vorgenommen worden und da und dort dauernde
Einschnürungen zurückgeblieben wären. Auch bei der acquirirten I. be-
kommt man manchmal den Eindruck, als ob die Haut zu kurz, z. B. über
der Tibia zu stark gespannt wäre.
Schiff. Heute ist das Bild weniger schön, weil dem Kinde Bäder
und macerirende Mittel gegeben wurden.
Neu mann. Bei der Ichthyosis congen. muss man verschiedene
Grade unterscheiden. Die eigentliche I. c. fuhrt in den ersten Lebenstagen
zum Exitus letalis, die ganze Haut ist geröthet, von Rhagaden durchsetzt
Bei der 2. Form bestehen symmetrische Einschnürungen an der Haut der
Brust- und Bauchwand. Solche Fälle kennt man nur aus anatom. Präpa-
raten, ein solches befindet sich im Museum zu Leipzig, ein zweites in Wien.
Der demonstrirte Fall ist eine Ichth. congenita simpl. leichteren Grades.
Der Papillarkörper ist noch nicht hypertrophisch, daher auch die polygo-
nalen Felder nicht zu sehen; diese charakteristische Erscheinung wird
erst später sichtbar werden.
Lang bemerkt ergänzend, das» die beiden von ihm beobachteten
Kinder im Alter von 1 — 2 Jahren starben.
Nobl. Ich erlaube mir an einer Reihe von Patienten die Heilre-
sultate einer Behandlungsmethode der venerischen Lymph-
adenitiden zu demonstriren, die Prof. Lang seit dem Jahre
1892 auf seiner Abtheilung in Anwendung bringt und bisher zu so gün-
stigen Heilerfolgen führte, dass es geboten erscheint, dieselbe in einem
weiteren Kreise von Interessenten bekannt zu machen.
Es handelt sich um eine modificirte Punktionstherapie, combinirt
mit Injectionen von Argentum nitricum.
Die Behandlung der venerischen Lymphdrüsenentzündungen ver-
mittelst der Punktion ist, wie bekannt, keine neue mehr, sie wurde zu
verschiedenen Zeiten geübt, aber stets wieder aufgegeben, was bei dem
Umstände als die meisten Angaben aus der vorantiseptischen Zeit her-
rühren, weiter nicht Wunder nehmen lässt.
So haben bereits Blanche (1837), Vivefoy (1839), Hulard (1842),
ganz besonders aber Vidal de Cassis (1851) die Eröffnung der Adenitis
durch mehrfache kleine Einstiche zur Methode erhoben. So ist die Punktion
vereiterter Bubonen mit nachträglichen medicamentösen Injectionen von
Jod, Sublimat, Kampher, Garbolsäure etc. bereits von Roux, Marchall,
Lozetti, später von Wer t he im (1868), Jakubovics (1875) U.A. geübt
worden, während sich Grünfeld schon im Jahre 1869, später Le
der Wioner dermatologischen Gesellschaft. 89
Pilear (1875) eines ABpirationsverfahrenB vermittelst subcutaner Druck-
pumpe bedienten.
Das an der Abtheilung in Anwendung gezogene Verfahren ist an und
für sich sehr einfach, stellt an chirurgische Schulung keine besonderen An-
sprüche und kann ohne jede Assistenz zweckentsprechend ausgeführt werden.
Handelt es sich um eine jener wohl meist vorkommenden Drüsen-
geschwülste , bei welchen es nach totaler Einschmelzung einer oder
mehrerer Drüsen zur Bildung eines Drüsenabscesses gekommen war, so
werden bei kleineren Abscessen eine (in der Mitte desselben), bei grosseren
zwei (an den Polen) Punktionsöffnungen mit der Spitze eines Bistouris
gemacht, der Eiter unter massiger Compression entleert, der entstandene
Drüsenhohlraum mit einer 1% Arg. nitric. Lösung aufgebläht, die Lösung
durch leichtes Streichen in alle Nischen vertheilt und dann zum Theile
wieder herausgelassen, hierauf ein Compressionsverband angelegt (in den
Fällen mit Contraincision erst noch ein Drain eingeführt). Die Expression
mit nachfolgender Ii^ection wird nun in 1- bis 2-tägigen Intervallen so
lange fortgesetzt, als noch Secretion vorhanden ist. Die Secretion pflegt
meist schon nach der zweiten Expression abzunehmen und ist zu be-
obachten, dass das anfangs rein eitrige Secret sich erst in eine dickflüssige
klebrige, chocoladbraune Flüssigkeit (zerfallene Erythro- und Leucocyten,
Fibrin) umwandelt, die wieder einem nur schwach blutig tingirten Serum
Platz macht.
Ist in einem Falle, in dem bereits verkleinerten Drüsenhohlraum
noch ein Rest dieses dünnen Serums enthalten, so kann derselbe unbe-
schadet darin belassen werden, indem er, wie es wiederholt verfolgt werden
konnte, spontan zur Resorption gelangt.
Die Höhle wird nun immer kleiner, die Hautdecke legt sich an und
die Punktionsöffnung schUesst sich, ohne merkliche oder auffallende Spuren
zu hinterlassen. Diesbezüglich muss ich noch bemerken, dass selbst in
Fällen, in welchen die Adenitisdecke bereits substantielle Veränderungen
eingegangen war — so zu papierdünner Lamelle sich verdünnt erwies, nach
der Entspannung durch die Punktion, die Haut sich noch erholte und
wieder anlegte. In jenen Fällen, bei denen es sich um Drüsentuinoreu
handelt, die an einer oder mehreren Stellen Erweichungsherde tragen oder
aber trotz starker Entzündungserscheinungen nicht deutlich Fluctuation
nachweisen lassen, werden die Injectionen von Arg. nitric. sowohl in die
punktirten erweichten Partien, als auch in die Umgebung der festen
Drüsensubstanz vorgenommen (an mehreren Stellen einige Theibtriche
einer Pravaz'schen Spritze mit 1% Arg. nitr.), was in der Mehrzahl der
Fälle nach 2 — S Tagen eine meist schmerzlose Schmelzung der restirenden
Drüsenpartien zur Folge hat, während in einzelnen Fällen ein Schwinden
der entzündlichen Erscheinungen und Rückbildung des Tumors verfolgt
werden kann.
Contraindicirt ist die Anwendung des Verfahrens in solchen FäUen,
bei welchen es sich um die hyperplastische Form der Drüsenentzündung —
um sogenannte stnimöse Bubonen handelt. In solchen Fällen bestehen meist
90 Verhandlungen
mehrere Drüsenknollen nebeneinander, die bald periphere, bald centrale
Erweichungsherde besitzen und durch Hohlgänge, die einander vielfach
kreuzen und etagenförmig verlaufen, miteinander in Verbindung stehen,
dabei kann die Haut theils ganz normal, theils entzündet und vielfach
perforirt erscheinen. In solchen Fällen kann nur von einer radicalen £x-
stirpation aller erkrankten Drüsen ein Heilerfolg erwartet werdeiL
Da es nun nicht immer leicht möglich ist, ähnliche Fälle von vorne-
herein als strumöse Bubonen zu erkennen, so haben sich in die Versuchs-
reihe auch solche Adenitiden eingeschlichen, bei denen sich erst dann nach-
träglich die Nothwendigkeit der Badicaloperation heraussteUte. So musste
in den bisher behandelten 80 Fällen lOmal die Operation ausgeschkrasen
werden, was einen Procentsatz von 12*5 ergibt. In den 70 geheilten Fällen
lietrug die durchschnittliche Heilungsdauer 10 Tage. Die in den einzelnen
Fällen entleerte Gesammt-Eitermenge schwankte zwischen 1 und 90 Cbcm.
Die kürzeste Heilungsdauer betrug 3 bis 6 Tage in 8 Fällen, die
längste 25 bis 90 Tage in 3 Fällen, während in der überwiegenden Mehr-
zahl der Fälle für die Heilung ein Zeitraum von 5 bis 10 Tagen erforder-
lich war. Zieht man in Anbetracht, dass eine operativ angeg^angene Ade-
nitis, wie es ja bekannt ist und aus verschiedenen Operationsstatistiken
(Uli mann, Spietschka etc.) hervorgeht, durchschnittlich einer Heilungsdauer
von 40 bis 42 Tagen, also um das Vierfache mehr an Zeit bedarf, femer
dass nach Adenitisoperationen stets kenntliche, oft auch hochgradig ent-
stellende Narben resultiren, die wieder zu den verschiedensten Beschwerden
(Neuralgien etc.) Anlass geben können, so kann dem an der Abtheilung
Langes geübten Verfahren nur wärmstens das Wort gesprochen werden,
indem dasselbe, durch Kürze der Heilungsdauer, Vermeiden von entstel-
lenden und verrätherischen Narbenbildungen, sowie nur geringem chirur-
gischen Aufwände den Anforderungen einer idealen Bubonentherapie im
vollsten Masse gerecht zu werden im Stande ist.
Von den behandelten Patienten haben wir 26 — 30 wiedergesehen, die
theils wegen intercurrenten anderweitigen AfFectionen neuerdings die An-
stalt aufsuchten, theils der Aufforderung, sich nach einiger Zeit ansehen
zu lassen, Folge leisteten; in keinem dieser FäUe war eine Recidive oder
irgendwelche Veränderung an den behandelten Drüsen zu constatiren.
Ich erlaube mir nun an diesen 10 Patienten, die sich theils noch
in Behandlung befinden, theils bereits vor Wochen und Monaten punktirt
wurden und seither ihrem Berufe nachgingen, die Resultate dieser Punk-
tionsmethode zu demonstriren.
Lang. Als ich mit der Injectionstherapie von Argentnm nitricnm
den Anfang machte, besorgte ich, dass dieselbe sehr schmerzhaft sein
müsse und habe daher das erste Mal den Kranken narcotisirt Nach 2 bis
3 Tagen erschien es mir nothwendig, neuerlich an einer Stelle Argentum
nitr. zu injiciren und da ich den Patienten nicht neuerlich narcotisiren
wollte, machte ich die Injection ohne Narcose; ich sah nun, dass das
Verfahren durchaus nicht so schmerzlich war. Man punktirt entweder
an einer Stelle, wenn der Abscess klein ist, oder an zweien bei einem
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 91
grossen Abecess ; in die entzündeten Drüsen injicirt man noch da und dort
tief ins Gewebe hinein. In einem Falle war der Abscess fast faustgross,
die Haut so verdünnt, dass man nicht mehr erwarten konnte, dass noch
Gelasse in derselben vorhanden waren, man also nicht mehr auf ihre FIr-
haltung rechnete; wir machten in gewöhnlicher Weise die Incision und
Contraincision ; nach kurzer Zeit war die dünne Haut ganz angelegt und
der Patient geheilt. Allerdings gibt es Fälle, in denen man nicht reussirt,
aber man hat jedenfalls durch das desinficireude Agens far eine nachfol-
gende Exstirpation gut vorgebaut.
Wappner zeigt einen jungen Mann mit einer extragenitalen
Sclerose. An der 1. Seite der Oberlippe ein unregelmassig begrenztes
Geschwür mit flachen Randern, feinkörnigem Zerfall und indurirter Basis.
An der entsprechenden Seite ein geschwelltes Drüsenpacket. Der Pat. gibt
an, dass er sich an einer Cigarrenspitze verletzt habe. Da das Geschwür
nach einigen Tagen nicht gut wurde, suchte er ärztlichen Bath. Auf anti-
luetische Behandlung ist das Geschwür zurückgegangen, nur das Geschwür
ist grösser und etwas schmerzhaft geworden.
Prof. Lang demonstrirt 1. im Anschluss an die letzte Discussion
ülier Abscesse bei Blennorrhoe einen Fall von Urethritis, der bei der
Aufnahme eine Krankheitsdauer von 6—8 Tagen hatte. Zugleich bestand
ein entzündliches Oedem des Präputiums. Eine vorgenommene Punktion
ergab einen negativen Befund bezüglich des Vorhandenseins von Gonococcen.
Nach einigen Tagen kam es an derselben Stelle zur Abscendirung. Jetzt
aber fanden sich in dem hinter dem Sulcus gelegenen, ca. halbkastanien-
grossen Abscess, dessen Eiter bei Anwendung der grossten Cautelen in einem
desinficirten Schälchen aufgefangen wurde, Gonococcen in reichlicher An-
zahl. Der Fall zeigt, dass man durch ein negatives Untersuchungsresultat
nach der Punktion nicht zu einem bestimmten Schlüsse berechtigt ist.
Es mag ja nicht immer ein gleich günstiger Moment für den Nachweis
der Gonococcen vorhanden sein. In diesem Falle dürfte es sich wahrschein-
lich um eine directe Durchwanderung der Gonococcen durch das Gewebe,
nicht eigentlich um eine Metastase handeln.
2. Einen Mann, der bei der ersten Untersuchung an der Penishaut
ein paar buckelige Anschwellungen mit' blutiger Sufifusion aufwies. Au
einzelnen Stellen war die Epidermis wie pergamentartig verschorft. Der
Gedanke an eine Strangulation lag nahe. Diese war in der That in
der Absicht ausgeübt worden, um eine Rigidität des Penis hervorzurufen;
nach der Strangulation wurde der Penis noch etwas unsanft massirt. In
einem ähnlichen Falle sah L. geradezu vollständige Gangrän des Penis
und Abfallen desselben in % seiner Länge in Folge Strangulation.
Ehr mann. Der erste Fall ist offenbar ein periurethraler Abscess.
Wir finden solche am häufigsten an zweierlei Stellen, in der Gegend des
Frenulum und in der des Bulbus. Der Weg, auf dem sie entstehen, ist
das bindegewebige Septum, der Rest der Verschlusslinie der embryonalen
Urethra gegen das Perineum. Im rückwärtigen Theile des Frenulum, wo
dieses Septum einen breiten, von lockerem Bindegewebe erfüllten Wulst
92 Verhandlungen
darstellt, nimmt die Eiterung manchmal einen Weg nach der Seite und
perforirt in der Frenulamische. In diesem Bindegewehsseptum liegen auch
2 parallele Lymphgefasse, die Henle beschrieben hat und die man auch
makroskopisch sich fortsetzen sieht, manchmal bei Blennorrhoe in vivo nach
Schwund von Oedemen. In dem Inhalt derselben habe ich tinctoriell 60-
nococcen nachgewiesen.
Wie Gonococcen von aussen eindringen können, ohne die Urethra
zu passiren, habe ich in zwei Fällen gesehen, wo eine Infection von para-
urethralen Gängen durch Gonococcen ohne ürethralinfection stattfand. In
dem einen bestand ein längs-, in dem anderen querverlaufender Gang. Die
Patienten gaben an, nie Blennorrhoe gehabt zu haben. Die wiederholte
Untersuchung ergab keine Urethralblennorrhoe. Es sind wohl auch Gono-
coccen bei der Infection in die Urethra eingedrungen, wurden jedoch
durch das Sperma und den Hamstrahl, der unmittelbar nach dem Goitus
gelassen wurde, heransbefordert, natürlich nicht aber aus den paraureth-
ralen Gängen.
Finger kennt 2 Fälle, welche 5 — 6 Tage nach dem Goitus die
ersten Erscheinungen von Blennorrhoe zeigten. An den Resten des circum-
cidirten Präputiums trat ein Oedem auf. In beiden Fällen wurden durch
die Punktion Gonococcen constatirt. Das Septum ist wohl für die para-
urethralen Infiltrate ein wichtiger Weg, aber nicht für alle. Auch in die
Littre'schen Drüsen können Gonococcen eindringen, so kann es in den-
selben durch Abschliessung und Entzündung, zu Periadenitis und Para-
iirethritis kommen.
Lang sah kürzlich bei einem Collegen nach Coitus Secretion aus
einem paraurethralen Gang an der linken Urethrallippe. Die Sonde drang
'4 Cm. weit ein. Dabei keine Urethritis. Im Secret des Ganges liessen
sich Gonococcen nachweisen. L. begann eine elektrolytische Behandlung,
doch traten nach 4 — 5 Tagen die Erscheinungen einer Urethralblennor-
rhoe dazu.
Ehr mann bemerkt, dass es sich in seinen Fällen um eine längere
Beubachtungszeit , während welcher keine Urethralblennorrhoe auftrat,
handelte.
L a n ^. In einem seiner falle traten erst 4 Wochen nach der Infec-
tion die ersten Zeichen von Urethritis auf, wohl deshalb, weil die in die
Urethra hineingelangte Gonococcengeneration zu abgeschwächt war.
Neu mann. Die Paraurethritis ist keine so häufige Erkrankung. In
manchen Fällen ist die Urethra ganz normal und der eitrige Ausfluss be-
schränkt sich bloss auf die Gränge, u. zw. selbst bei kleinen Kindern. Da
sich der Eiter am Orific. urethrae ansammelt, so ist eine Verwechslung
mit Urethritis bei oberflächlicher Untersuchung leicht möglich.
Bezüglich der Strangulation des Penis weist X. auf einen von ihm
beobachteten Fall hin, einen 4 Jahre alten Knaben betreffend, dessen Glans
geschwellt, mit Krusten bedeckt und bläulich -roth verfärbt war. Bald
stellte sich heraus, dass die Gouvernante, um Erection hervorzurufen, um
Sulcus Coronarius Haare gebunden hatte.
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 93
Neumann bespricht den letal verlaufenen Fall von Psoriasis
universalis, denselben, den Kaposi vor Jahresfrist der Gesellschaft vor-
gestellt hatte und der später in Neumann ^s Klinik eingetreten war. Bei
der Aufnahme war die Haut verdickt, dunkelroth gefärbt und mit Krusten
bedeckt, keine Schuppenbildung. Vor 6 Wochen kam der Kranke an N.^s
Klinik. Die Haut war verkürzt, atrophisch, namentlich um die (Gelenke.
Temperatur normal. Die Nagelsubstanz hypertrophisch, besonders am Nagel-
bett. Zahlreiche Pusteln an den Extremitäten. Der Kranke wurde immer
schwächer, Athembeschwerden, Hydrops traten auf, vor 8 Tagen Punktion
und Entleerung von 8 Liter Flüssigkeit. Am 19. Exitus letalis. Interessant
ist die Combination von Psoriasis mit der bei der Section gefundenen
Miliartuberculose. Bei der Obduction, welche Prof. Kolisko vorgenom-
men, ÜEind sich: Die Haut mit dicht stehenden, gelbbräunlichen Krusten
bedeckt, die hanlkom- bis hellerstückgrosse Platten bilden und fest auf-
sitzen. An den wenigen von solchen Borken freien Stellen zahlreiche halb-
kugelige, hanfkomgrosse, mit Eiter gefüllte Bläschen. Hirn und seine
Häute Ödematös. Linke Lunge stellenweise locker adhärent, von ziemlich
zahlreichen, einzeln stehenden, miliaren, grauen Knötchen durchsetzt, blut-
reich, ödematös. In der rechten Thoraxhälfte 1 Liter Serum, auf der
Pleura der r. Lunge fibrinöse Auflagerungen, auf der Kuppe der Pleura
am mediastinalen Blatte graue Knötchen. R. Lunge wie die 1. beschafien.
Die infraclavicularen Drüsen rechts, sowie die des vorderen Media-
stinums verkäst. Duct. thoracicus erweitert, an seiner Wand keine Knötchen.
Herz mit dem Herzbeutel im ganzen Umfange verwachsen. Im Abdomen
circa 5 Liter Serum. An beiden Leistencanälen offene, ins Scrotum rei-
chende Hernien, in deren Grund die Testikel blossliegen und von einer
tuberculisirenden Membran überzogen sind. Leber grösser, Kapsel verdickt,
das Parenchym von zahllosen grauen, hie und da gelblichen, mitunter
central galliggrün gefärbten bis linsekorngrossen Knötchen durchsetzt.
Milz vergrössert, von miliaren Granulis durchsetzt. Vereinzelt« Knötchen
in den Nieren.
Neumann zeigt 1. einen Fall von Cavernitis.
Ein 40jähriger Mann mit einem thalergrossen Defect des Präputium
und der Penishaut, in Folge dessen die Tunica albuginea blossliegt und
mit einem fest anhaftenden Belag versehen erscheint. Die Penishaut einen
halben Centimeter weit abgehoben, infiltrirt, geröthet und schmerzhaft.
Die Corpora cavernosa urethrae weich und dünn; die Corp. cavern. penis
stark verdickt. Vorne an der Glans eine linsengrosse Narbe. Es hat sich
offenbar um eine traumatische Paraphimose im Anschluss an weiche Ge-
schwüre gehandelt, mit nachfolgender und noch jetzt bestehender Caver-
nitis. Solche Cavemitiden kommen auch aus anderer Ursache zur Be-
obachtung, so bei Blennorrhoe, sind aber mehr umschrieben, femer in Folge
von syphilit. Primäraffect, in welchem Falle aber die indurirte Partie
dicht hinter dem letzteren liegt, in Form von haselnussgrossen, scharf
umschriebenen Wülsten, Schliesslich bei älteren Männern. Bei Erection
muss es natürlich dann zu Deviation des Gliedes kommen.
94 Verhandlangen
Ehrmann sah voriges Jahr einen ähnlichen Fall mit einem Ge-
schwür an der unteren Fläche des Penis. Es war ein Gumma, das durch
Sublimatverband und Jodeinpinselung, sowie allgemeine Jodbehandlung in
einigen Wochen gut wurde.
Grün fei d findet nicht die charakteristischen Merkmale des Gumma.
Die Narben in der Frenulargegend setzen einen Geschwürsprocess voraus,
der zu Oedem und Necrose der vorderen Partien führte. Es fehlen ja Vs
der Cutis penis. In manchen ähnlichen Fällen Hess sich der Schaft dcg
Penis von der verschiebbaren Haut gleichsam abziehen. Manchmal ent-
wickelt sich bei Paraphimose Gangrän unter unseren Augen unter Ablö-
sung der ganzen Cutis penis. Aus der Feme würde man das Ganze für
Necrose halten, das ist es aber nicht. Es handelt sich offenbar um ein
contagiöses Geschwür, das durch die zufallige Beschaffenheit der Narben-
bildung und des Geschwörsprocesses ein solches Aussehen gewonnen hat.
Ehr mann. Hier besteht keine Necrose, sondern eine Necrobiose.
Die Ränder sind unterminirt, scharf begrenzt, wie es dem central zerfal-
lenden Gumma zukommt. Die nach Paraphimose entstehenden Narben
beginnen oben und begrenzen sich an der Seite.
Finger. Es handelt sich hier gewiss um eine Necrose. Die Er-
krankung des Corpus cavemosum kann aber nicht durch Strangulation
erklärt werden, auch nicht durch eine Entzündung.
Neumann. Gummen sind umschriebene Geschwülste. Ich habe
noch nie ein diffuses Gumma des Corp. cavemos. gesehen ; hier sehen wir
Narben nach Geschwüren, die Corpor. cavem. liegen bloss. Auffallend
ist deren enorme Härte. Bei Sclerosen zeigen die Corpor. cavemos. wohl
oft eine immense Härte, aber Indurationen nach einer Paraphimose ge-
hören gewiss zu den Seltenheiten. Jedenfalls ist ein Neoplasma nicht
auszuschliessen wegen der enormen Harte. Bei anämischen Individuen
kommt wohl Cavernitis nicht so selten vor, doch ist dabei das Corpus
cavemos. weich.
Cehak. Ein ähnlicher Fall wurde vor 2 Jahren vorgestellt; es bot
ein ganz ähnliches Geschwür dar, dieses sowie die begleitende Schwellung
schwand auf antiluetische Behandlung. Die Cavernitis konnte auch damals
nicht aufgeklärt werden.
Neumann zeigt 2. einen Fall von polymorphem Syphilid.
Ein 22j ähriger Mann, dessen gesammte Körperoberfläche mit einem
polymorphen Exanthem bedeckt erscheint. Wir finden zunächst miliare,
etwa mohnkom- bis hirsekomgrosse , in Gruppen stehende, schmutzig-
graue Efßorescenzen , die mit Krusten und Schuppen belegt sind
(Liehen syphilit.j. Diese Gruppen sind linsen- bis lOkreuzerstückgross,
stellenweise zu eben so grossen, schuppenden Plaques confluirt, und sind
am zahlreichsten und deutlichsten an Brust und Rücken sichtbar. Femer
finden wir zahlreiche Stellen, wo die Knötchen bereits resorbirt sind, die
Haut braunroth verfärbt und schuppend erscheint. An der Beugefläche
des Kniegelenkes gruppirte linsengrosse, papulöse Efflorescenzen. Drusen
allenthalben vergrössert. Psorias. palm. et plant. Primäraffect nicht nach-
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 95
zuweisen. Am Prapatium nnd an der Glans schuppende Knötchen, au den
Tonsillen diphther. belegte Papeln. Dauer der Syphilis 7 Monate. Thera-
pie: Thymolquecks.-Injectionen.
8. einen sehr schönen Fall von universellem Leukoderma
syphiliticum.
Ein 22jähr. Mädchen von lymph. Habitus, dessen gesammte Haut
stark pigmentirt ist und ein universelles Leucoderma zeigt. Die einzelnen
Flecke sehr deutlich vortretend, am schärfsten am Nacken, an der Bauch-
wand, an Rücken und Lenden, sowie an den Oberextremitäten. An den
Unterextremitäten miliare Knötchen, entsprechend einem bereits präfor-
mirten Liehen pilaris. Die einzelnen Knötchen schmutzigbraun, abschup-
pend. An den Fussrücken die Knötchen bereits geschwunden, an ihrer
Stelle nur Pigmentirungen. Ausserdem eine leichte Onychie, das Nagelbett
infiltrirt. Priraäraffect nicht nachweisbar. Am Genitale hochgradig ge-
wucherte, spitze Condylomen. Es handelt sich um eine ältere, nicht be-
handelte Syphilis. Krankheitsdauer mindestens 1 Jahr.
4. einen Fall von Mollusca sebacea und Syphilis.
Ein 22jähr. Mädchen, welches an Stamm und Extremitäten ein klein-
papulöses Syphilid zeigt. An den grossen Labien und an der inneren
Schenkelfläche mehrere schrottkorngrosse Efßorescenzen , aus denselben
ein sebumartiger Pfropf ausdrückbar (Mollusca sebacea). Aus einzelnen
haben sich, da sie Virus aufgenommen haben, Geschwüre gebildet. An
den kleinen Labien nässende Papeln.
5. eine eigenthümlich geformte Sclerose.
Ein 18jähr. Mädchen mit einer mehr als kreuzergrossen exulcerirten
Sclerose am unteren Ansatzpunkte des linken grossen Labium. Das Ge-
schwür erscheint in der Mitte wie eingeschnitten, der Rand derb, braun-
roth. Dauer der Infection 7 Wochen.
Verliandlungeii der Berliner dermatologischen
Vereinigung.
Sitzung vom 14. November 1893.
Vorsitzender: Las aar. Schriftführer: Saalfeld.
I. Joachimsthal. a. G. lieber Knochendeformitaten bei Lues
congenita mit Krankenvorstellung.
J. stellt einen Sjährigen Knaben, das vierte und letzte Kind seiner
Eltern, vor. Der Vater starb an progressiver Paralyse ; die Mutter ist gesund
und hat keine Fehlgeburten durchgemacht. Eine ältere Schwester ist taub-
stumm, eine zweite infolge angeborener hochgradiger Schwachsichtigkeit
auf beiden Augen fast blind. Nach Angabe der Mutter zeigte sich nach
der Geburt des vorgestellten Knaben ein Ausschlag sowie eine Nasen-
affection mit bestandigem Schnupfen und Ohrenausfluss. Allm&lig traten
schmerzhafte Anschwellungen an verschiedenen Stellen des Skeletts auf»
er wurde im März d. J. der chirurgischen Behandlung der Universitats-
Polikl. far orthopädische Chirurgie überwiesen. Der Knabe war äussent
blass, Fettpolster und Muskulatur gering. Die inneren Organe boten keine
Zeichen von Tuberculose, nur bestand eine geringe Milzschwellung. Die
Cubital-, Nacken-, Hals- und Inguinaldrüsen waren in leichtem Grade
vergrössert, die Zähne z. Th. defect, zeigten nicht die Hutachinson' sehen
Veränderungen. Links bestand eine Perforation des Trommelfells sowie
ein übelriechender eitriger Ausfluss. Am Kopf prominirten die Tubera
frontal, sehr stark, der Umfang des Sch&dels war vergrössert Besonders
auffallend waren die Veränderungen an beiden Vorderarmen und Unter-
schenkeln. Auf der r. Seite bestand an der Tibia nach oben hin eine sehr
starke schmerzhafte Auftreibung und Verbreiterung, auf der anderen Seite
gleichfalls, nur in geringerem Masse. Hier war in der unteren Hälfte die
Fibula stark verdickt und auf Druck schmerzhaft. Auch die Ulna rechts
zeigte in der Mitte eine starke Auftreibung. Der Radius war im unteren
Abschnitt verdickt und auf Druck schmerzhaft. Es bestand zu gleicher
Zeit eine starke radialwärts convexe Krümmung, die dadurch hervorge-
rufen wurde, dass der Radius nach unten verlängert war. Dadurch war
eine sogen. VarusstcUung hervorgerufen, so dass die Achse der Hand,
die man sich durch den Mittelfinger gezogen dachte, etwa um 30 Cm.
der Berliner dermatologischen Vereinigung. 97
abwich, wenn der Knabe seine Hand in gewöhnlicher Stellung hielt.
Aehnhche noch verstärkte Yerhältniwe waren auf der linken Seite. Hier
bestand neben einer starken Aoftreibong des Radius und der Ulna eine
Behinderung der Bewegung im Ellenbogengelenk, so dass die Pro- und
Supination nur in geringem Masse und unter heftigen Schmerzen passiv aus-
fuhrbar war. Die Musculatur zeigte eine hochgradige Atrophie, so dass ein
pseudoparalytischer Zustand vorhanden war. Nach Gebrauch von Jodkali
und Sublimatbadem ist der Knabe wesentlich gebessert worden. Er besucht
die Schule und nimmt am Turnunterrichte theiL Es bestehen jetzt noch
Verdickungen in den Epiphysen der Ulna und des Radius, jedoch geringer
und weniger schmerzhaft als vorher. Auch die Varusstellung ist zurück-
gegangen. An den unteren Extremitäten bestehen ebenfalls noch Ver-
dickungen der Tibia und Fibula. Wenngleich die Diagnose jetzt klar ist,
so bot dieselbe zur Zeit sehr grosse Schwierigkeiten. Gegen Tuberculose
sprach der Mangel sonstiger tuberculöser Erkrankungen innerer Organe,
der Sitz der Knochenveränderungen hauptsächlich an der Diaphyse und
das Fehlen jeglichen Schmelzungsprocesses trotz der langen Dauer. Die
von Paget i. J. 1876 beschriebene Ostitis deformans konnte ebenfalls
ausgeschlossen werden, da diese Affection bei Erwachsenen vorkommt und
ausserdem Schädel, Becken, Extremitäten und Wirbelsäule ergreift.
Dagegen musste der Gedanke an eine Blutkrankheit nahe liegen, besonders
da Nothnagel unter dem Namen Lymphadenitis ossium ein ähnliches
Krankheitsbild beschrieben hat.. N.^s Fall starb, und die Autopsie ergab
eine Veränderung des Knochenmarks. Die durch Engel vorgenommene
Blutuntersuchung ergab aber bei dem vorgestellten Knaben keinen Anhalt
für eine Erkrankung desselben. Die Farbe war hellroth. Der Hämoglobin-
gehalt betrug 70% statt 100%, die Zahl der rothen Blutkörperchen 4'/«
statt 5 Millionen, das Verhältniss der weissen zu der rothen Blut-
körperchen war 1:5000, die eosinophilen Zellen betrugen 4% statt 27o>
Myelocyten, kernhaltige rothe und unentwickelte Lymphocyten waren
nicht vorhanden. Gegen die Annahme von Loos, der in letzter Zeit die
Zunahme der eosinophylen Zellen bei hereditärer Lues auf die starke
Ausdehnung specifischer Exantheme zurückfahrte, spricht der vorgestellte
Fall. Zapp er t hat in letzter Zeit die Loos'schen Beobachtungen da.
durch in Frage gestellt, dass er festgestellt hat, dass bei Kindern über-
haupt die Zahl der eosinophilen Zellen vermehrt ist. Was die Deformität
an den Händen betrifft, so dürfte die Verlängerung des Radius nicht nur
auf Betheiligung periostealer Processe, sondern auch auf eine Betheiligung
des Epiphysenknorpels zurückzufahren sein. Einen ähnlichen Fall hat
Schede i. J. 1877 auf dem Chirurgencongress vorgestellt. Derselbe
betraf ein löjähriges Mädchen, das eine chronische Periostitis der rechten
Tibia infolge von angeborener Lues hatte. Durch erhebliche Wachsthum-
Steigerung war die kranke Tibia um 8—9 Gm. länger als die gesunde der
anderen Seite. Interessant ist noch, dass unter dem Einfluss der Be-
handlung die durch die Verlängerung des Radius bedingte Varusstellung
der Hände sich erheblich gebessert hat, ohne dass ein operativer Eingriff^
Archir f. Dermatol. a. Syphil. Band XXVII. 7
98 VerhandlungeD
wie Schede ihn in seinem Fall für nothwendig hielt, ausgeführt zu
werden brauchte.
Grimm hat eine stattliche Anzahl vernachlässigter Fälle von
Lues congenita zu beobachten Gelegenheit gehabt und eine Yerlängenmg
einzelner Knochen bei Kindern yerhältnismässig häufig angetroffen,
vielleicht in 10% der Fälle. Eine Behandlung war in diesen Fällen nicht
vorangegangen. £r erinnert sich besonders eines 9jährigen Knaben, bei
dem der Radius beträchtlich länger als die Ulna war, so dass noch eine
stärkere Luxationsstellung als im vorgestellten Falle vorhanden war.
Lennhoff a. G*: Ueber Ichthyosis mit Krankenvorstellung.
L. stellt aus der Poliklinik von Litten 4 Greschwister mit Ich-
thyosis vor. Die beiden ältesten zeigen die Erscheinungen in ausge-
sprochenem Masse, die anderen in geringerem. Das eine Kind ist von
Geburt an stumm, kann aber hören und ist etwas schwachsinnig. Ob die
Stummheit auf einer Lähmung der Kehlkopfmusculatur beruht, kann L.
nicht genau beurtheilen. Vater und Mutter der betr. Kinder sind frei
von Ichthyosis, dagegen sollen die Grossmutter, ein Bruder der Mutter
sowie seine drei Kinder an derselben Affection leiden.
Lassar. Ueber Ichthyosis acquisita. L. stellt mit Bezug auf diese
Fälle eine Frau vor, die neben einer Röthung der Haut alle Kriterien
der Ichthyosis aufweist, aber das Leiden, das durch eine lange Reihe
von Jahren unverändert geblieben ist, erst im erwachsenen Zustande er-
worben hat. L. erwähnt noch einen ähnlichen, sehr bekannten Fall, der
lange Zeit für Pityriasis rubra gehalten wurde, bei dem es sich aber
ebenfalls um eine Ichthyosis acquisita handelte. Diese Form der Ichthyosis
unterscheidet sich durch die tiefe Röthung der Haut von der gewöhnlichen,
gibt aber sonst zu keinerlei Störungen Veranlassung.
Saalfeld beabsichtigte ebenfalls zwei Geschwister mit Ichthyosis
vorzustellen; dieselben sind aber inzwischen an Masern erkrankt. Drei
andere Geschwister derselben sind vollständig frei. Durch den Gebrauch
von Thilanin ist eine gewisse Besserung erzielt worden.
Rosenthal glaubt, dass die vorgestellten Kinder auf das deutlichste
beweisen, dass die Pityriasis simplex die niedrigste Stufe der Ichthyosis
congenita darstellt, da bei dem einen der vier Geschwister nur diese
Affection besteht, während bei anderen die Ichthyosis in ausgeprägtem
Masse vorhanden ist.
Lewin betont, dass man von einer Ichthyosis congenita eigentlich
nicht sprechen darf, da sich die Affection immer erst im zweiten oder
dritten Lebensjahre entwickelt. Femer fragt er, ob die Kinder lufections-
krankheiten durchgemacht haben, da Hebra u. A. häufig nach Masern,
Pocken etc. eine Heilung der Ichthyosis gesehen haben. £s ist femer
beobachtet, dass die Affection sich in weiblicher Linie seiteuer fortpflanzt,
als in männlicher. In der Familie Lambert waren auch die Töchter frei.
L. hat häufig Ichthyosis bei Frauen gesehen, die viel scheuem, u. zw.
ist es ihm aufgefallen, dass die Affection hauptsächlich an den Knien
der Berliner dermatologischen Vereinigung. 99
ausgeprägt war, aber auch bei solchen, die diese Beschäftigung nicht
haben.
Blaschko hält es nicht für angebracht, so weit yon einander
liegende Krankheitsprocesse mit demselben Worte, Ichthyosis, zu bezeichnen
Er hat schon darauf hingewiesen, dass die echte Ichthyosis eine Keimes-
anomalie und keine Krankheit ist. Es kommt vor, dass eine Generation
übersprungen wird, und dass sich die Krankheit auch in schräger Linie
vererbt. Es werden aber häufig auch andere Processe mit dem Namen
Ichthyosis bezeichnet, und es würde daher zur Klarheit beitragen, wenn
man diesen Ausdruck nur für die in einer abnormen Keimesanlage bedingte
auffallende Veränderung der Epidermis gebrauchen würde.
Lewin glaubt, dass man auf diese Weise alle Krankheiten mehr
oder minder als Keimanomalien bezeichnen könnte. Aber dann müssten
die Krankheiten doch angeboren sein. Die congenitalen Fälle betreffen
die sogen. Porzellankinder, von denen Lassar vor längerer Zeit hier
ein Exemplar vorgestellt hat.
Oesterreicher führt aus, dass die gewöhnliche Form der Ich-
thyosis eine hereditäre sei, während die congenitale stets zum Tode führe.
Blaschko erwidert, dass die Fälle von Ichthyosis congenita, die
Oesterreicher anführt, mit der Ichthyosis vulgaris nichts zu thun
haben; es sind das sehr seltene Fälle von intrauteriner Erkrankung, von
denen man noch nicht weiss, wodurch sie bedingt werden. Bei der echten
Ichthyosis handelt es sich um eine homochrone Vererbung d« h. um Zu-
stände, die ererbt, aber nicht angeboren sind.
Lennhoff bemerkt, dass die Mutter bei demjenigen Kinde, welches
die Erscheinungen am ausgeprägtesten hat, von Geburt an eine rauhe Haut
beobachtet hat, während bei den übrigen Kindern das nicht der Fall war.
Masern haben die Kinder alle ohne irgendwelchen Einiiuss durchgemacht.
Die Kinder des Bruders, die leider ^icht gekommen sind, haben die Er-
scheinungen in sehr geringem Grade und auffallender Weise auch die rau-
hesten Stellen unterhalb der Knien. Besonders ist dieses auch bei dem Vater
der Kinder der Fall, ohne dass derselbe viel auf den Knien gearbeitet hat.
Isaac. lieber Acne necrotica mit Kranken Vorstellung.
I. stellt einen Pat. vor, der vor einem Jahre unter ziemlich starkem
Fieber an Geschwüren der unteren Extremitäten mit entzündlichen Er-
scheinungen erkrankte. Im Sommer d. J. wiederholte sich der Ausbruch
und zu Anfang des Winters trat die Affection zum dritten Male auf. Es
bestehen an den unteren Extremitäten und auf dem Rücken eine grosse
Anzahl von runden, pfennigstückgrossen Narben, die tief in der Haut
liegen, als ob ein Stück Gewebe herausgebohrt wäre. Nebenbei bestehen
hie und da grössere Furunkel und kleinere, linsenförmige, graubläuliche
Knötchen, die mit einer kleinen Oeffnung versehen sind und keine ent-
zündlichen Erscheinungen darbieten. I. glaubt, dass es sich um eine Form
von Acne necrotica handelt, trotzdem die Prädilectionsstellen nicht er-
griffen sind. Dafür sprechen die Narbenbildung, die Form, der Verlauf
7*
1 00 Verhandlungen
sowie die circumscripte trockene Gangrän. Liehen raber und Lues sind
nach seiner üeberzeugung auszuschliessen«
Rosenthal unterstützt die Diagnose I s a a c 's. Er hat unter ziem-
lich zahlreichen Fallen von Acne necrotica Gelegenheit gehabt, tot einiger
Zeit einen ahnlichen Fall zu beobachten, der sich auf die beiden unteren
Extremitäten beschränkte. Sowohl die Narben, als auch das Pigment deuten
darauf hin, dass der Process seit längerer Zeit besteht. Die vorhandenen
Acneknötchen beweisen den Fortbestand der Affection.
Brück erinnert sich, dass vor einigen Jahren Boeck Fälle von
Acne necrotica beschrieben hat, die ähnlich verliefen.
Lassar erwähnt, dass die Fälle von Boeck ein viel groteskeres
Aussehen hatten und sich am Racken und Stamm durch Geschwüre gel-
tend machten. Er hatte Gelegenheit, einen dieser Fälle in Behandlung zu
bekommen und dadurch durch den Augenschein die Beschreibung zu be-
stätigen.
Brück erwähnt, dass Boeck besonders auf eine blaurothe Farbe
der Haut aufmerksam macht, welche in der Umgebung der nekrotischen
Stellen auftritt. Ausserdem betont Boeck, dass die unbedeckten Körper-
stellen befallen werden, was bei den vorgestellten Pat. nicht der Fall ist
Ledermann: Therapeutische Mittheilungen.
L. berichtet über eine neue Salbengrundlage, die den Vorzug
hat, ohne besonders starke Einreibung durch eine chemische oder
physikalische Eigenschaft in die Haut zu dringen und dort nur eine
geringe, aber far den Loftabschluss hinreiohende Halle zu hinterlassen.
Adeps und Vaselin dringen bekanntlich nicht in die Haut ein, und das
Lanolin erst nach Verreibung mit öligen oder wässrigen Vehikeln.
Die neue Salbengrundlage, wegen ihrer leichten Resorbirbarkeit
Resorbin genannt, gehört zu den Fettemulsionen. Es ist das diejenige
Arzneiform, welche die möglichste Verkleinerung der einzelnen Moleküle
gestattet. Dass dieselbe bisher nur in geringem Grade verwerthet wurde,
beruht auf der Schwierigkeit der Herstellung. Das Resorbin wird nach
einem zum Patent angemeldeten Verfahren hergestellt ans reinstem
Mandelöl und wenig Wachs durch Emulgiren mit Wasser unter
Zuhilfenahme eines geringen Procentsatzes von zu diesem Zweck
geeigneten, in übrigen unschädlichen Bindemitteln. Die Salbe ist mit
allen vegetabilischen und thierischen Fetten mischbar und kann durch
Zusatz solcher Stoffe jede beliebige Gonsistenz erhalten. Namentlich ist
ein Zusatz einer geringen Menge Lanolin von grosem VortheiL Was die
dermatotherapeutischen Eigenschaften des Resorbins betrifft, so dringt
dasselbe schnell in die Haut und fettet wenig, so dass man imstande ist,
selbst differente Medicamente ohne Occlusivverband aufzutragen. Es wirkt
zugleich als Kühlsalbe. Es ergeben sich daher folgende Indicationen für
seine Verwendung: Bei allen H3^rkerato8en und Parakeratosen, wie
Ichthyosis und Pityriasis, femer bei einer gewissen Infiltration der Haut,
wie bei Sklerodermie u. ä. Es ist weiter geeignet bei artificiellen Derma-
titiden, bei Geschwüren und Rhagadenbildung, bei der Incorporation von
der Berliner dermatologischen Vereinigung. 101
Medicamenten, so für das Naphthol und besonders bei der Behandlung
der Scabies, da man imstande ist, einen Pat. am ganzen Körper mit
Perubalsam einzuschmieren, ohne dass die Wäsche schmutzig oder der
Kranke durch das Fettg^efuhl belastigt wird* Die Verwendung des Resorbins
zu Üng. einer, hat den Vorzug, dass es wenig fettet, sich in kurzer Zeit
in die Haut einreiben lässt und einen angenehmen, schwach aromatischen
Geruch besitzt. Der Inunctionsmodus wird dadurch vereinfacht, dass das
Resorbin schnell verschwindet und einen matten Metallspiegel hinterlässt.
Lässt man die Salbe eine Zeit lang eintrocknen, so kann man durch
weiteres Reiben schon nach 15 Minuten keine Spur von Quecksilber mehr
an die Oberfläche bringen ; reibt man jedoch weiter, nachdem der Spiegel
aufgetreten ist, so presst man mechanisch das Quecksilber wieder heraus.
£s ergibt sich daher als Regel, nur so lange einzureiben, bis die sichtbare
Salbe verschwunden ist und nur ein Metallspiegel zurückbleibt. Die
Wirkung dieser Salbe ist deijenigen mit gewöhnlicher grauer Salbe adäquat.
Saalfeld hat bisher nur einen einzigen Pat. mit dieser grauen
Salbe behandelt. Derselbe war gerade am Ende seiner Schmierkur, ist aber
mit der Salbe sehr zufrieden gewesen.
Heller fragt nach dem Preis der Salbe.
Ledermann: Derselbe ist ungeföhr dem des Lanolin gleich.
Lewin fragt, ob Ledermann dieselbe Quantität Salbe genommen
hat, wie bei der gewöhnlichen grauen Salbe, oder weniger.
Ledermann: Die Salbe ist genau der gewöhnlichen nachge-
bildet, d. h. d8y,*/o Hg. Er habe jedesmal 8—4 6r. einreiben lassen.
Lewin fragt den Vortragenden, ob er die Wirksamkeit des Mittels
auf die Mundaffectionen, sowie in Bezug auf Salivation u. s. w. beobachtet hat.
Ledermann hat in einem Fall nach der vierten Einreibung, in
einem andern etwas später eine leichte Gingivitis auftreten sehen.
Lewin fragt, ob Ledermann Versuche gemacht hat, um zu
sehen, wie tief das Quecksilber in die Haut eingedrungen ist, indem er
Hautstückchen, die vorher mit der Salbe eingerieben waren, heraus-
geschnitten und mikroskopisch untersucht hat.
Ostermann fragt, ob der Vortragende weiss, ob das Mittel auch
nicht ranzig wird.
Ledermann hat, soweit die Erfahrungen, die sich auf '/i «^^^'^e
erstrecken, reichen, ein Ranzigwerden noch nicht beobachtet.
Rosenthal hat die Präparate Ledermann's schon vorher zu
sehen Gelegenheit gehabt. Dieselben haben vom therapeutischen Stand-
punkt aus einen sehr günstigen Eindruck auf ihn gemacht. Die Salbe ist
kühl und verreibt sich ausserordentlich schnell. Was die Theorie Leder-
mann's, betreffend die Resorption der grauen Salbe, anbetrifft, so kann
sich R. derselben nicht ansohliessen, da man sonst bei der gewöhnlichen
grauen Salbe durch längeres Einreiben auch wieder das Quecksilber aus
der Haut herausdrücken müsste.
Ledermann erwidert, dass man nach ungefähr 15 Min. nicht
mehr imstande ist, das Quecksilber aus der Haut herauszudrücken. Das-
102 Verhandlungen
»elbe ist also vorher noch nicht genügend Terarbeitet. Bei der gewöhnlichen
Salbe kann man darüber nicht artheilen, weil immer sehr viel Fett auf
der Haut zurückbleibt.
Las aar. Ueber Erythema striatum. L. wurde in mehreren Fällen
auf eine eigenthümliche Spielart von Kratzeffecten aufmerksam, welche
sich durch eine strichartige Borkenbildung auszeichnet. So wurde ihm
u. A. ein Knabe zugeschickt, der die AfTection an den Händen zeigte.
Dieselbe zeigte sich in Perioden von ungeföhr einem Monat £s war klar,
dass dabei bestimmte Lymphwege im Spiele waren, wie das auf der
Abbildung, die L. zeigt, noch zu erkennen ist. Der Knabe zeigte später
nach der Abheilung der Affection ein Erythema ezsudativurn. Ein
zweiter Fall kurz nachher mit gleichartiger Affection und derselben
periodischen Recidivität betraf ein halbwüchsiges Mädchen. Dasselbe kam
nach einiger Zeit mit einem Erythema bnUosnm wieder, das zu Borken-
bildung neigte, aber immer wieder spielte die strichformige Bildung die
Hauptrolle. Der dritte Fall betraf eine Fat., die L. seit langer Zeit an
Pemphigus behandelte. Dieselbe zeigte auf dem Rücken der mit Blasen
bedeckten Hand eine ähnliche Eruption, die deutlich den Lymphwegeu
entsprach. Die Affection war in diesem Falle durch eine Wildpret-
Vergiftung hervorgerufen, so dass man sie als ein Erythema vencnatum
bezeichnen könnte. L. weist darauf hin, dass das Erythema striatum ge-
neigt ist, ganz bestimmten Lymphbahnen zu folgen und diesen Weg auch
bei Recidiven immer wieder einzuschlagen.
Heller hat einen ähnlichen Fall beobachtet und wird auf denselben
später bei einer anderen Gelegenheit näher eingehen.
I s a a c meint, dass man diese Fälle besser als pemphigoide bezeichnet
Lew in meint, dass man diese Form zum Erythema exsudat. nicht
rechnen kann, da bei dieser Affection noch andere Symptome vorhanden
sind. Die Fälle, in denen sich Bläschen bilden, sind imgeheuer selten.
Dieselben treten dann besonders an der Peripherie der Exsudate auf. L.
besitzt etwa 110 Fälle von Erythema exsudat. und hat nur zweimal der-
artige Blasenbildungen gesehen; doch waren dieselben stets mit Fieber
verbunden, so dass die Fälle unter der Diagnose Variola in die Charite
geschickt wurden. Derartige KratzefQorescenzen hat L. nie gesehen.
Interessant wäre es noch, die vasomotorische Reizprobe bei diesen Fat
zu beobachten. Nebenbei erwähnt L. einen Fall von Sepsis, wo nach
Quecksilbereinreibungen sich Pemphigus bildete. Die betr. Pat. starb und
ist secirt worden.
Lassar rechnet eine grosse Gruppe von Pemphigusformen zum
Erythema bullosum; in einer grossen Anzahl aber, die er als Vorstadien
des Pemphigus betrachtet, treten keine Blasen auf, obwohl bei längerem
Bestehen sich Blaseneruptionen zeigen können, wie z. B. bei der Pat., die
die Affection in Folge der Wildpretvergiftung hat.
0. Rosenthal.
Hautkrankheiten.
(Redigirt von Prof. Kaposi in Wien.)
Analomie, Physiologie, path. Anatomie, allg. and
exper. Pathologie nnd Therapie.
1. Strauss, Arthur. Die Färbung der Hautnerven mit Palladiumchlorür.
Monatsh. f. prakt. Derm. VIII. 4.
2. Unna. Entzündung und Chemotaxis. Berl. kl. Wochenschr. 189S. Nr. 20.
3. Jessner, S. Ein dermatologisches System auf patholog.-anatomischer
(Hebra'scher) Basis. Derm. Studien. 1893.
4. Rascli, G. (Kopenhagen.) Beitrag zum Studium der durch Arsen be-
wirkten Hautkrankheiten. Ann. de Derm. et de Syphil. 1893, p. 150.
(1) Verf. bediente sich zur Färbung der Hautnerven des von E.
Schulze zuerst zum Nachweis von Muskeln angewandten Palladium-
chlorürs. Die möglichst frischen und von möglichst jungen Individuen
genommenen Hautstückchen wurden sofort in eine l'/f wässerige Lösung
von Palladiumchlorür (mit ev. Zusatz von 1 bis 2 Tropfen Salzsäure)
auf 2 bis 7 Tage je nach ihrer Grösse gebracht; dann in absolutem
Alkohol bis zur Härtung eingelegt.
Darauf Einbettung in Celloidin oder Paraffin, Aufhellung der
Schnitte in Nelkenöl und Einbettung in Canadabalsam. Die Wirkung
auf das Nervengewebe ist eine specifische, indem es bei schwacher Ein-
wirkung eine graue, bei starker eine schwarze Farbe annimmt. Das
Bindegewebe bleibt ungefärbt und lässt sich mit Orcein und Methylenblau
nachfärben. Fett wird nach längerer Einwirkung grau gefärbt. Nach-
trägliche Kernfarbung ist äusserst schwierig. Die Frage, ob das Palla-
diumchlorür auch die in die Epidermis eindringenden Axencylinder färbt,
beantwortet Verf. mit Nein. Dagegen konnte er, besonders an der Kopfhaut
104 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
des Menschen subepitheliale protoplasmatische Fasern nachweisen, welche
in eigenthümlich gestaltete Zellen übergingen , die den Eindruck von
sympathischen Fasern mit Ganglienzellen machten. Ledermann.
(2) Unna geht bei der Erklärung des Begriffs der Entzündung
von den Untersuchungen von Pfeffer und Leber über die chemotaktischen
Wirkungen verschiedener Substanzen auf Bakterien und Leukocyten aus.
Er sucht an vier Beispielen, die der Pathologie der Haut angehören, die
chemische Attraction lebendiger Materie nachzuweisen. Bei der Bock-
har tischen staphylogenen Impetigo steht eine leukotaktiche Wirkung d. h.
die chemotaktische Wirksamkeit der Staphylococcen auf die Leukocyten
im Mittelpunkt der Erscheinungen, während jede andere histologische
Unterlage (Zellproliferation, Schädigung der Greflsse, des Epithels und
des Bindegewebes) fehlt. Aehnlich verhält es sich beim acuten Ekzem-
bläschen, in dem die von U. nachgewiesenen Monococcen, die exquisite
Aerobien sind — daher die relative Seltenheit dieser Bläschenart —
ausser Leukocyten auch grössere Mengen von Serum anlocken.
In einer dritten, durch eigenthümliche , bestimmte Coccen hervor-
gerufenen Art von Bläschen war der Inhalt ganz frei von Leukocyten
und enthielt weisses Serum, während in einem vierten von Unna vor-
geführten Beispiel die Leukocyten von einem dichten Netze fadenförmigen
Fibrins umgeben waren. In allen diesen Fällen ruft ein Mikroorganismus
und die durch ihn erzeugten toxischen Producte eine Bewegung auf die
Bestandtheile des Blutes und der Lymphe hervor und fuhrt, je nach seiner
Eigenart, zu einer leukotaktischen oder einer leukoserotaktischen oder
einer rein serotaktischen oder einer leukofibrinotaktischen Ausscheidung.
Dieselbe gründet sich stets auf eine gewisse Serumwirkong der Mikro-
organismen, so dass man z. B. bei Entzündungsvorgängen in der Cutis
den primären Sitz der entzündungerregenden Ursachen nicht in die Cutis
zu verlegen braucht, sondern auch an die Möglichkeit ihres Sitzes in der
Oberhaut denken muss. Das Princip der Chemotaxis macht daher die
primäre Geflssschädigung im Sinne Cohnheim^s hinfällig und über-
flüssig und erklärt zugleich den nach demselben bisher angenommenen
Widerspruch der Verlangsamung des Blutstromes in den erweiterten,
entzündeten Gefassen, da das Blut des ganzen Bezirkes durch die ein-
wirkende Anziehungskraft festgehalten wird. Die Entzündung ist daher
nach U. eine Gewebsstörung, welche durch Austritt von Exsudat aus den
Blutgefässen in Folge der Anwesenheit eines chemotaktischen Körpers
im Gewebe hervorgerufen wird. 0. Rosenthal.
(3) Verf. unterscheidet vier Principien, nach denen eine Eintheilune:
vorgenommen werden kann:
1. Das semiotische Princip, nach der äusseren, makroskopischen
Gestaltung der einzelnen elementaren EfBoreszenzen. Derartige Systeme
haben nach seiner Ansicht nur den Werth einer historischen Reminiscenz.
2. Das nosologische Princip, nach der ganzen Entwicklung des
Processes, unter Berücksichtigung des Beginnes, Verlaufes und der Folgen.
der Dermatologie. 105
Ein solches Princip tragt nach Verf. mehr den allgemeinen Anschauungen
Bechnung als dem eingehenden Wissen.
8. Das ätiologische Princip. Auch dieses Princip, das bei unserem
heutigen bakteriellen Streben am meisten Aussicht auf Anerkennung
haben dürfte, ist far die Aufstellung von Hauptklassen nicht zulässig,
wenn anders wir durch die Benennung der Hauptgruppen das Wesen
der in ihnen enthaltenen Krankheiten in seinen Grundzügen cha-
rakterisiren.
4. Das pathologisch-anatomische Princip, das Verf. allein für richtijre
Basis der Hauptklassen einäs Systems hält.
Verf. bespricht dann die bestehenden Systeme. Das jüngst von
Tommasoli aufgestellte hält er für primitiv und dabei doch gekünstelt.
Das A u s p i t z'sche System, dessen meisterhafter Aufbau Verf. bewundernd
anerkennt, ist nach seiner Meinung als Ganzes nicht aufgestellt nach
einem bestimmten Princip, sondern es sind die Leiden, die anatomisch,
pathologisch - anatomisch , ätiologisch, nosologisch ein wesentliches, sie
charakterisirendes Merkmal gemeinsam hatten, in Gruppen zusammen-
gefasst und von einem gemeinsamen Rahmen umgeben. Darin liegt zu-
gleich die Grösse und zugleich die Unzugänglichkeit des Systems, das
Verf. genauer bespricht.
Das Hebra'sche System — ein pathologisch-anatomisches — ist
nach Jessner das einzig richtige. Es bedarf nur einer anderen Fassung
der Klassen, auch müssen die ätiologischen Klassen aus dem System
entfernt werden, jedoch an den Grundprincipien derselben muss fest-
gehalten werden.
Von den Vorwürfen, die diesem System gemacht werden, erkennt
Verf. folgende als berechtigt an: 1. die Secretionsanomalien umfassen die
verschiedensten pathologischen Vorgänge in den Drüsen. Diese Klasse kann
in dieser Form nicht stehen bleiben. Die neurotischen Dermatosen stellen
eine ätiologische Gruppe dar, ebenso die parasitären Dermatosen; beide
können in einem rein pathologisch -anatomischen System nicht Platz
finden. Dagegen müssen die Hyperämien von den Entzündungen getrennt
werden.
Was nun die speciellere Eintheilung betrifft, so unterscheidet Verf.
sechs pathologisch-anatomische Klassen.
I. Functionelle Anomalien.
Hierher gehören die Anomalien der Sensibilität (Hyperaesthesie,
Anaesthesie, Paraesthesie) ; die Anomalien der Motilität (Dermatospasmus,
Cutis anserina); die Anomalien der Talg- und Schweissdrüsensecretion.
IL Anomalien der Blutvertheilung (ohne jede Entzündung).
Hierher gehören alle activen und passiven Hyperamien ohne ent-
zündlichen Charakter, alle Anaemien, die Oedeme (ohne Hyperaemie (1.
diffus. Oedeme, 2. umschriebene Oedeme (Urticaria, fliegende Oedeme,
Prurigo). Letztere Classificirung dürfte wohl berechtigten Widerspruch
erfahren.
106 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
m. Entzündliche Pk'ocesse der Haut.
Hierher gehören die Entzündungen der Gntis und Subcntis, dar-
unter auch die Oranulome, wie Tuberculose, Lepra u. s. w.; die Ent-
zündungen der Drüsen und Follikel, die Entzündungen der Nägel.
rV. Hypertrophien.
H. der Epidermis (1. congenitale, Ichthyosis, Liehen pilaris, 2.
erworbene mit und ohne Papillarrergrösserung). H. des Bindegewebes
(Elephantiasis). H. der Drüsen, der Haare, Nägel und des Pigmentes.
y. Neubildungen (benigne und maligne).
VL Regressive Ernährungsstörungen. (Atrophien, Degenerationen und
Nekrose.)
Es fehlen in dem System die Epizoen und Arzneiexantheme,
letztere wohl mit Recht, da dasselbe Medicament verschiedene Exantheme
bewirken kann. Ledermann.
(4) Die in den letzten Jahren nach Arsengebrauch beobachteten
Dermatosen sind der Zoster, die Keratosis palm. et plant, und die
Melanodermie. Rasch berichtet nun über zwei weitere Fälle, von denen
es in dem einen zu einem rasch gangränescirenden Zoster, einer all-
gemeinen Eruption gangraenescirender Pusteln, Keratosis palmeris und
gastrischen sowie nervösen Symptomen kam, während der zweite einen
8 Tage dauernden Pemphigus zeigte. Mit dem Aussetzen des Arsens
schwanden resp. besserten sich die genannten AfTectionen.
Einschlägige Literaturangaben belegen diesen Zusammenhang von
Dermatosen und Arsengenuss. Den zweiten Theil der Mittheilung bildet
oine Zusammenstellung der übrigen, sehr zahlreich beschriebenen Haut-
erkrankungen, die auf Arsengebrauch zurückgeflihrt werden. Bei den
Pigmentirungen macht R. auf die Möglichkeit, sie gegenüber Morbus
Addisonii difierenziren zu müssen, aufmerksam; bezüglich mancher Fälle
von Erythrodermie hält er Arsengenuss für die Ursache, da verschiedene
Hauterkrankungen, wie Psoriasis, Pityriasis pilaris. Liehen planus, die
in Erythrodermien übergehen, häufig mit Arsen behandelt werden.
Winternitz.
Aeute nnd elironisehe Infectionskrankheiten.
1. Eade, Peter. The prevention and mitigation of small-pox. The Brit.
Med. Joum. 29. April 1893.
2. «Savill, Thomas D. On the diagnosis of small-pox in the early stages.
The Brit. Med. Joum. 29. April 1893..
3. Epstein, Emanuel. Beiträge zu den Impfkrankheiteu. Aus der pädiatr.
Abtheilung der allgemeinen Poliklinik in Budapest Jahrb. f. Kdhlkde.
XXXV. Bd. 1898, p. 442-^450.
der Dermatologie. 107
4. Jadassohn. Tubercolose der Haut. (Schles. Gesellsch. für vaterländ.
Cultur in Breslau. Deutsche med. Wochenschr. 1893. Nr. 26.
5. Malcolm Morris. THe effects of „Koch's Tuberculin^ combined with
surgical measures in the treatment of lupus. The Brit. Med. Joum.
3. Juni 1893.
6. Donelan, James. Gases of lupus treated by means of tuberculin com-
bined with other measures. The Brit. Med. Journ. 24. Juni 1893.
7. Jadassohn. Lupus des Gesichts. Schles. Gesellsch. für vaterl. Cultur
in Breslau. Deutsche med. Wochenschr. 1893. Nr. 25.
8. Heidenhain. Die Behandlung des Lupus. Greifswalder med. Verein.
Deutsche med. Wochenschr. 1893. Nr. 22.
9. Zambaco-Paeha. Ueber die Lepra in der Bretagne. Annales de
Dermat. et de Syphil. 1892. 1213—1227.
10. Winiarsky, Joseph. Blutuntersuchungen bei anämischen und kachec-
tischen Zustanden, insbes. bei der Lepra. Inaug.-Dissert. Dorpat 1892.
— Blutuntersuchungen bei der Lepra. S. Petersburger med. Wochen-
schrift. 1892. Nr. 39, p. 365.
(1) Eade empfiehlt als sicherstes Mittel, die Pocken zu verhüten,
die in England nicht durchgeführte allgemeine Vaccination resp. Ke-
vaccination. Als iprophylaktisches Mittel, wenn man sich der Contagion
ausgesetzt hat, empfiehlt Verf., von der Vorstellung ausgehend, dass das
Gift zunächst in den Follikeln der Haut resp. auf den Schleimhäuten
aufgenommen werde, ehe das Blut inficirt wird — die Hautoberfiäche,
speciell die exponirten Theile wie Gesicht, Hals, Brust und Hände mit
einer antiseptischen Einreibung zu versehen z. B. Schwefel- oder Carbol-
salbe oder Salicyllösung. Erscheint nun der Ausschlag doch und schmelzen
die Knötchen ein, so hat man oft vorgeschlagen, auf diese ein bakterien-
tödtendes Präparat zu bringen. Doch ist dies werthlos; dagegen ist nach
Verf. Ansicht es sehr zweckmässig, nach Analogie der Carbolinjectionen
in Furunkel, in die einzelnen Knötchen CarboUösung zu injiciren. Im
Stadium exsiccationis soll man es ähnlich wie nach Scharlach halten, also
um weitere Infectionen zu verhüten, die Haut mit antiseptischen Ein-
reibungen versehen. Sternthal.
(3) Epstein bringt zwei Fälle von hämorrhagischer Diathese
und 14 Fälle von Erythema nach Impfung mit Kälberlymphe aus
Papai's Impfanstalt. Unter 430 Geimpften des Jahres 1892 waren dies
die beobachteten Impfkrankheiten. Die beiden Hämorrhagie-Fälle erwecken
klinisches Interesse. — Bei einem 12monatl. Kinde entsteht am 4. Tage
nach der Impfung ein Erythema universale, welches an der Streck-
seite der Oberextremitäten u. zw. in directer Continuität der Impfpusteln
hämorrhagischen Charakter trägt. Nach 6 weiteren Tagen, da das
Impferythem schon zurückgegangen ist, entwickelt sich ein typisches
Masernexanthem, daher das Kind während der Maseru-Incubation
geimpft worden sein musste. — Der zweite Fall betraf ein 4monatL
108 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Kind, welches gleichfalls am 5. Tag nach der Impfung von Hauthaemor-
rhagien befallen wurde, welche jedoch über den gap^en Körper verbreitet
waren, aber schon am 6. Tage ihres Bestandes verblassten. — Beiden
Fällen gemeinsam ist die Zeit des Auftretens und das Erscheinen der
Blutungen unter schweren Störungen des Allgemeinbefindens insbesondere
heftigen Fieberbewegungen.
Zweifellos sind ätiologisch die Impfexantheme als Folgen einer
secundären Infection aufzufassen. Mit Recht weist der Autor auf den
Umstand hin, dass bei Verwendung der humanisirten Lymphe derartige
Vorkommnisse so selten zur Beobachtung gelangt sind, dass die Impf-
exantheme während der Zeit, wo diese Impfinethode vorwiegend in
Uebung war, schier in Vergessenheit gelangten. Ref. erblickt auch den
einzigen Uebelstand der animalen Lymphe in der häufigen und unver-
meidlichen Verunreinigung derselben mit phlogogenen Mikroben, so dass
secundare Entzündungen und Infiltrate in der Umgebung der Impfstellen
dabei ganz gewöhnliche Erscheinungen sind und secundare Infectionen der
oben beschriebenen Art gewiss überall beobachtet werden. Leider kosten
solche auch manchmal das Leben des ImpjSings, wie ein von L. Pfeiffer
(Verhandig. der 9. Versammig. d. deutsch. Ges. f. Kdhlkde. Wiesbaden 1892,
p. 133) mitgetheilter Fall, ein Smonatl. Kind betreffend, beweist. (Anm.
des Referenten.) Hochsinger.
(i) Jadassohn stellte eine 42jährige Puella publica mit Tuber-
culosis verrucosa cutis vor. Die Affection hatte ihren Sitz an der linken
Hand, und, was bemerkenswerth ist, am linken Knie, sowie am Rücken,
wo neben verschiedenen Narben drei bis vier kaum über das Niveau der
Haut erhabene kleine charakteristische Herde vorhanden waren. Die
mikroskopische Untersuchung stellte die Diagnose sicher. Die Patientin
gab an, dass sie seit etwa 14 Jahren jeden Winter einen derartigen
Ausbruch bekäme, der gegen das Früljahr hin von selbst wieder verheilte.
Von der Richtigkeit dieser letzteren Behauptung konnte sich J. über-
zeugen, da sich die Hommassen allmälig abstiessen. Weitere Zeichen von
Tuberculose waren nicht vorhanden, eine äussere Ursache für die Infection
nicht nachweisbar. 0. RosenthaL
(5) Malcolm Morris legt dar, dass das Tuberculin zwar kein
Heilmittel für Lupus sei, dass dieser aber nach Anwendung des Tuber-
culin mit besserem Erfolge chirurgisch zu behandeln ist. Die Injectionen
sind zu verwerfen, wenn der Lupus mit Tuberculose der Lungen oder
anderer innerer Organe complicirt ist. Sternthal.
(6) Donelan spricht sich in ähnlichem Sinne wie Malcolm
Morris aus. SternthaL
(7) Jadassohn stellt einen Fall von Lupus des Gesicht« vor,
der der Diagnose grosse Schwierigkeiten stellte. Die Wangenhaut war
beiderseits massig derb infiltrirt, die Färbung der Haut kaum verändert,
und nur vereinzelte U*bhaft rothe Efflorescenzen waren sichtbar. Charak-
teristische Knötchen waren nirgends sichtbar. Erst, als auf Tuberculin-
der Dermatologie. 109
injectionen und auf Thiosinamin charakteristische Beactionen folgten,
wurde ein kleines Knötchen exstirpirt, in dem sicli typische Tuberkel
mit Lang hansischen Riesenzellen fanden. Damit wurde die Diagnose
Lupus gesichert. Einer spontanen Involution folgte später ein Recidiv
derselben Form. 0. Rosenthal.
(8) Heidenhain berichtet, dass man in der Greifswalder chirur-
gischen Klinik im letzten Jahre die Behandlung des Lupus mit dem
scharfen Löffel und Thermocauter verlassen und zu der Methode von
Thiersch übergegangen sei, den Lupus, wie gross auch der Defect
werde, zu exstirpiren und den Defect durch Transplantation zu decken.
Der erste Fall betraf ein Mädchen, bei der der Lupus die ganze Wange
vom Ohr bis in die Submaxillargegend einnahm. Nach wenigen Wochen
verliefls sie, in zwei Sitzungen geheilt, die Klinik. Nach einem Jahr stellte
sie sich mit einer neuen Ulceration vor, die in gleicher Weise
behandelt wurde. Selbst bei Lupus des ganzen Gesichts gelingt es,
die erkrankte Haut durch gesunde vom Oberschenkel zu ersetzen.
0. Bosenthal.
(9) Auf Grund eigener Anschauung zahlreicher Leprafälle und einer
zu Untersuchungszwecken gemachten Beise durch die Bretagne kommt
Zambaco-Pacha zu dem Schlüsse, dass die Lepra in der Bretagne
noch thatsächlich bestehe. Die sogennante Morvan'sche Krankheit sei die
mutilirende Form der klassischen Lepra, eine andere als Syringomyelio
bezeichnete Form mit Klauenhand und Muskelatrophie sei die als an-
ästhetische Form Danielsen's bekannte Lepra, nur manchmal abge-
schwächt oder modificirt. Ausserdem sei er ulcerirenden, ich thyo tischen, ja
selbst tuberösen Formen daselbst begegnet.
Neben klassischer Lepra gebe es eine Ueberzahl von leichten und
abgeschwächten Formen.
Die Leprosis umfasse wie die Scrophulosis eine grosse Klasse von
Affectionen, zu denen auch gewisse gegenwärtig als neue und selbst-
ständige Krankheiten aufgefasste Formen, wie die Sclerodermie und
Morphea gezählt werden mögen. Letztere wegen des Vorhandenseins der
Sensibilität von der Lepra zu trennen, sei nicht gerechtfertigt, da es
Lepröse mit erhaltener Sensibilität und Morpheakranke mit anästhetischen
Zonen gebe. Im Gegentheil könne man Lepra mit Empfindung und Em-
pfindungslosigkeit unterscheiden.
In der dem Vortrage Z.'s folgenden Discussion erklären es Vi dal
und Besnier für wünschenswerth, dass in den für Lepra angesprochenen
Fällen der Leprabacillus nachgewiesen werde. Z. hofft, diesem Postulate,
das er als gerechtfertigt anerkennt, später nachkommen zu können.
Winternitz.
(10) Winiarski hat das Blut von 17 Leprösen aus dem Lepro-
sorium Muhli bei Dorpat untersucht und beschäftigte sich 1. mit der
Bestimmung der durch das Hämoglobin bedingten Färbekraft des Blutes
mittelst der v. FleischPschen Hämometers; 2. mit der Bestimmung der
in 1 Cub.-Mm. Blut enthaltenen Zahl rother Blutkörperchen, der Grösse
110 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
und etwaigen Fonnabweichnng derselben, sowie des numerischen Ver-
hältnisses der rothen zu den weissen Blutkörperchen; 3. mit der Be-
stimmung der in 1 Cub.-Mm. des Blutes vorhandenen Zahl der Leukocyten
und des numerischen Verhältnisses der ein- und mehrkemigen Leukoc3'ten
zu einander.
Es sei bemerkt, dass die Zählungen der Blutkörperchen mit dem
Thoma-Zeiss^schen Zählapparat geschahen. Als Verdünnungsflüssig-
keiten benutzte W. für die rothen Blutkörperchen eine 2y^\ Lösung
von Kali bichromicum, für die weissen Vs7ö Essigsäurehydratlösung. —
W. kommt zum Schluss, dass die Lepra in ihren jüngeren und leichteren
Stadien keine schwereren Alterationen des Blutes bewirkt, dagegen bei
weiterer Verbreitung über den ganzen Körper und ihren schweren Formen
allerdings eine schwere Beeinträchtigung des Blutlebens bewirkt, indem
sie zu solchen Veränderungen des Blutes fuhrt, wie sie bei den schwersten
Formen der essentiellen Anämie beobachtet werden. Die weissen Blut-
körperchen halten sich im Allgemeinen auf der Norm. In allen Fällen
war ein bedeutendes Prävaliren der mehrkemigen Leukocyten zu consta-
tiren. Was die Diameter der rothen Blutkörperchen anbelangt, so behielten
dieselben im Allgemeinen normale Grösse, nur waren die Mikrocyten and
die Blutkörperchen mit einem Durchmesser von 9,218 /« bis 10,056 a* etwas
reichlicher vortreten, als es normal zu sein pflegt. A. Grünfeld.
Erythematöse, ekzematöse, parenchymatöse
Entzündungsproeesse.
1. Lnstgarten. Gase of Erythema circumscriptum planum et papilläre
in morbo caeruleo. New York derm. Soc. 221 Meeting. Joum. of cut.
and gen.-ur. dis. April 1893.
2. Jensen, C. 0. Die Aetiologie des Nesselfiebers und der diffiisen Haut-
necrose des Schweines. Deutsche Zeitschr. für Thiermedicin. Bd. 18,
4. u. 5. Heft.
8. HiLton Thompson, J. A case of factitious Urticaria. The Lancet.
22. April 1893.
4. Unna. Coccen des Ekzems. AerztL Verein zu Hamburg. Deutsche
med. Wochenschr. 1893. Nr. 19.
6. Unna. Künstliche Ekeemflecke. Aerztl. Verein zu Hamburg. Deutsche
med. Wochenschr. 1893. Nr. 18.
6. Unna. Unterschied zwischen der Impetigopustel und dem Ekzem-
bläschen (Impetigo Willan). Aerztl. Verein zu Hamburg. Deutsche
med. Wochenschr. 1893, Nr. 20.
7. Trousseau, A. Eczema palpebrale. Ann. de Dermat. et de Syphil.
1893, p. 567—571.
8. Forbe§, N. Hay. Notes on a case of chronic ekzema, associated with
the develysment of certain nervous Symptoms (hystero-psychopathg).
The Lancet. 15. Juli 1893.
der Dermatologie. 111
9. Foarnier, A. Herpes vacciniformiB des Eindesalters. Gangrän der
Vulva. Plötzlicher Tod. Annales de Denn, et de Syphil. 1893, p. 25.
10. Engman, M. F. Ein Beitrag zur Histologie der Joddermatitis. Monats-
hefte f. prakt. Derm. Nr. 8.
11. Piffard, Henry G. A contribution to the histology of psoriasis. Joum.
of cut. and gen.-ar. dis. April 1893.
12. Strelitz (Berlin). Beitrag zur Pemphigus-Aetiologie. Aus der Poli-
klinik Baginsky's. Arch. f. Kdhlkde. XV. 1892, p. 101—104.
13. Car§teii8, Andr. Zur Sklerodermie im Kindesalter. Arbeiten aus der
pädiatrischen Klinik zu Leipzig. Jahrb. für Kdhlkde. XXXVI. 1893,
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14. Dubreoilh, W. lieber atrophische Alopecien. Annales de Dermat.
et de Syphil. 1893, p. 329—339.
15. Allen. Gase of Exfoliatio areatao linguae. New York derm. soc. 221
Meeting. Joum. of cut. and gen.-ur. dis. April 1893.
(1) Lustgarten stellt einen sechsjähr. Knaben mit angeborenem
Herzfehler, wahrscheinlich Stenosis des Pulmonarostimus, vor, bei welchem
sich im Gesicht und am Körper rothe, leicht erhabene Flecke z. Th. von
papillärem Charakter mit kleinen Hämorrhagien finden. L. glaubt, dass
dieser Zustand auf einer Paralyse der papillären Blutgefässe beruht, wo-
durch es zu einer Diapedese der rothen Blutkörperchen kommt. Möglicher-
weise hat die chemische Veränderung derselben die papillären Hypertro-
phien veranlasst. Einige zeigten eine gewisse Aehnlichkeit mit dem von
Pringle, Mibelli und anderen beschriebenen Angiokeratosis.
Ledermann.
(2) Um über das Verhältniss des Nesselfiebers und der diffusen
Hautnekrose der Schweine zum Rothlaufe derselben, welche seit Haubner
als getrennte Krankheiten aufgefasst wurden, Klarheit zu verschaffen,
stellte Jensen nicht nur eigene Forschungen und Untersuchungen an,
sondern forderte auch die Thierärzte des Landes auf, ihm alles ihnen
vorkommendes Material zukommen zu lassen. Auf Grund dieser For-
schungen stellt er diese Erkrankungen nur als verschiedene Form ein
und derselben Krankheit dar, als deren wahrscheinliche Ursache die Roth-
lauf bacillen anzusehen sind. Auch die Endocarditis verrucosa sei nur eine
Folge oder auch eine selbständige Form dieser Krankheit.
In allen Fällen von Nesselfieber wurden von ihm durch die mikro-
skopische Untersuchung von Schnittpräparaten Rothlauibacillen nachge-
wiesen. Von nicht wenig Fällen wurden auch Impfungen bei Mäusen mit
positivem Ausfall vorgenommen, indem dieselben an einer Krankheit
starben, die ganz dem Impfrothlauf glich. Die Aussaat von Blut- und
Milzsaft solcher Mäuse ergab auch stets kräftige charakteristische Roth-
laufculturen. Während jedoch diese Bacillen beim Rothlauf die Capillaren
der Haut anfüllen und nur wenige frei im Gewebe liegen, fanden sich
dieselben beim Nesselfieber nur in den Lymphräumen der Lederhaut vor,
und zwar oft in grossen Mengen, am häufigsten gerade unter der Epider-
mis. Auch in der Milz eines Thieres, das wegen Nesselfieber geschlachtet
112 Bericlit über die Leistungen auf dem Gebiete
worden war, fanden sich einige wenige Rothlanfbacillen. Tauben, mit
Cultnren von Nesselfieber geimpft, starben; dagegen gelang es nicht,
durch Fütterung von Ferkeln mit NesselfieberbaciUen oder durch Impfung
kleiner Stückchen davon unter die Haut derselben Nesselfieber zu erzeu-
gen, was aber deswegen nicht als Beweis gegen den Zusammenhang
zwischen Rothlauf und Nesselfieber betrachtet werden kann, da derartige
Impfungen mit Rothlauf gleich&lls zumeist negativ ausfallen.
Aus den eigenen und den von vielen Aerzten mitgethei\ten Beo-
bachtungen schliesst Verfasser auf die nahen Beziehungen, die zwischen
Rothlauf und Nesselfieber bestehen, und gibt eine genaue Beschreibung
des Verlaufes des Nesselfiebers, das, wie der Rothlauf, sich als acute
Infectionskrankheit darstellt. Aach nach dem Nesselfieber kann, wie nach
Rothlauf sich Endocarditis verrucosa entwickeln.
Auch beim „trockenen ausgebreiteten Hautbrande der Sehweine,
einer verhältnissmässig häufig vorkommenden, von Berg genau beschrie-
benen Krankheit vermochte Verf. durch die histologische Untersuchung
von Hautstücken das Vorhandensein zahlreicher Bacillen nachzuweisen, die
ganz denen des Rothlaufes glichen.
Nach allem, was wir hierüber wissen, folgert nun Verfasser, das«
der Rothlauf in mehreren verschiedenen wohlcharakterisirten Formen auf-
tritt zwischen denen jedoch ab und zu Uebergangsformen vorkommen. Und
zwar haben wir folgende klinische Formen desselben zu unterscheiden:
1. „Rouge t blanc" 2. Rothlauf im engeren Sinne; 3. diffuse nekrotisirende
Hautentzündung (trockener Hautbrand) ; 4. Nesselfieber (Urticaria) und 5.
Endocarditis verrucosa bacillosa.
Die Frage, warum die Krankheit einmal in der und ein anderes
Mal in jener Form auftritt, ist noch nicht gelöst. Vielleicht spielt der
Infectionsmodus dabei eine Rolle; doch muss wohl auch angenommen
werden, dass es ein verschiedener Grad der Virulenz der Bacillen sein
muss, möglicher Weise in Verbindung mit einer grösseren oder geringeren
Empfänglichkeit der Thiere, welche den Charakter der Krankheit und
den gut- oder bösartigen Verlauf (Nesselfieber oder Rothlauf) derselben
bedingt.
Zuletzt wird noch die Frage angeregt, wie sich die Veterinarpolizei
gegenüber dem gutmüthigen Nesselfieber in Zukunft wird zu verhaltea
haben, da doch seine Beziehungen zum Rothlaufe so innige sind.
Spietschka.
(4) Unna demonstrirte ein Kaninchen, welches an zwei Stellen, an
denen es mit Coccen des Ekzems geimpft war, einen progressiven Haar-
ausfall zeigte, analog der menschlichen Alopecia pityrodes. Diese Imp-
fungen haben beim Kaninchen und Meerschweinchen stets dieses Ergebniss^
der Coccus bildet auf Nähragar im Gegensatz zum Staphylococcns albus
grauweisse scharf begrenzte Bänder und zahlreiche Tröpfchen, er verflüssigt
Gelatine nur langsam und unvollständig an der Oberfläche und ist auf
Kartoffeln frei von^dem charakteristischen Kleistergeruch des Staphylococcns.
Er besitzt meistens die Form von Diplococcen und unterscheidet sich
der Dermatologie. 113
durch die enormen Ghrössendifferenzen der einzelnen Individuen in allen
nicht zu üppig gewachsenen Gulturen (0,5 — 1,5 /«). Selbst die beiden
Hälften sind zuweilen verschieden. Er ist tinctoriell leicht zu erkennen;
nach Gram und Weigert ist er farbbar. 0. Rosenthal.
(5) Unna erzeugte an sich und dem Laboratoriumsdiener künst-
liche Ekzemflecke durch Einimpfung von Coccen, die Unna bei allen
Ai-ten des seborrhoischen Ekzems nachgewiesen hat. Die Impfungen fielen
fünfmal hintereinander positiv aus, dadurch dass er den Impfstellen
Luftsauerstoff und genügende Feuchtigkeit zu gleicher Zeit zuführte.
0. Rosenthal.
(6) Unna hält das Bläschen nicht für die gewöhnliche Primär-
efflorescenz des Ekzems, sondern viel häufiger flache mit Schuppen
und Krusten bedeckte Erhebungen. Klinisch sowohl wie histologisch
finden sich starke Differenzen zwischen der Bockhar tischen staphylo-
genen Impetigo und der Willan'schen Impetigo, d. i. einer Form des
heutigen Bläschenekzems, das durch das Eindringen des Ekzemcoccus
erzeugt wird. Besonders hervorzuheben ist die Anordnung des Staphylo-
coccus in Reihen und traubenförmigen Massen, sowie seine extracelluläre
Lagerung, wogegen der Ekzemcoccus als Doppelcoccus und in maulbeer-
formigen Herden auftritt, und theils frei, theils in Leucocyten, gonococcen-
ähnlich, eingelagert ist. 0. Rosenthal.
(7) Das sehr lästige und hartnäckige Eczema palpebrale ist mit
einer Conjunctivitis combinirt, welche nach ihrem Charakter als Ekzem
der Conjunctiva zu bezeichnen ist. Dieselbe ist die Quelle stetiger neuer
Recidiven und muss deshalb zuerst in Behandlung genommen werden.
Als Grundsätze der Behandlung gelten für Trousseau folgende: Anti-
sepsis resp. Asepsis, weiter Vermeidung jeglicher Reizung der ekzema-
tösen T heile durch Frattwerden und Kratzen, wodurch schädliche Keime
immer aufs Neue in die erkrankten Theile gelangen.
Er verwendet und rühmt Waschungen der Conjunctiva und der Lider
mit Sublimatlösungen (0*05 — 500 bis allmälig 0*25 — 500), Besprühen mit
Borwasser; Occlusivverband ; (eventuell Zwangsjacke zur Vermeidung des
Kratzens); für die Nacht Deckung mit aseptisch hergestellten Reismehl-
kataplasmen, oder aus Wismuth, Zink und Borsäure zusammengesetzten
Streupulvern. Salben erst gegen Schluss der Behandlung und zwar
möglichst reizlose und schwach dosirte in folgender Riihenfolge Vaselin,
Axungia, Bismut, Zinkoxyd, Ichthyol, gelbes (Hg) Oxyd, Ol. cad.
Winternitz.
(9) Bei einem 16 Monate alten Mädchen entwickelten sich unter
anfanglichem leichten Fieber an der Vulva und deren Nachbarschaft rothe
Flecken, die sich zu vaccineähnlichen Pusteln und zu Substanzverlusten
umwandelten. In der weiteren Folge trat trotz leicht antiseptischer Be-
handlung Gangrän der Vulva (bis in die Leiste reichend) ein und starb
das Kind ohne vorherige alarmirende Symptome plötzlich. Da weder local
noch sonst im Körper ein sicherer Anhaltspunkt für diesen plötzlichen Tod
Arthiv f. Dermatol. o. 8yphll. Band XXVII. g
114 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
gefunden wurde, nahm F. eine Intoxication durch vom Gangranherde aus
resorbirte Ptomaine an. Wintern itz.
(10) Ueber die Jodwirkung auf die Haut ist von Seiten der Histo-
logen bisher noch nicht viel gearbeitet worden. Die beiden vorliegenden
werthvollen Arbeiten von Schede und Goen werden vom Verf. ausführlich
besprochen. Schede verdanken wir den Nachweis einer starken, serösen
Entzündung bei der Jodapplication ; Coen den Xachweiss, dass schon
vom Beginn der Entzündung an sowohl die Epithelien, wie die Binde-
gewebäzellen sich durch mitotische Neubildung an dem Processe be-
theiligen. Da die Frage nach der Einwirkung des Jods auf die Haut trotz
dieser vortrefflichen Arbeiten noch nicht nach allen Richtungen geklärt
ist, hat Verf. einer Anregung Unna's folgend, die Jodeinwirkung am
Kaninchenohr mit den neuen Methoden der Protoplasmafarbung studirt.
Die jodirten Hautstücke, die von 1 Stunde bis zum 25. Tage nach erfolgter
acuter Entzündung entnommen waren, wurden meist in Alkohol gehärtet,
wenige osmirt und hauptsächlich nach 2 Methoden gefärbt:
1. Auf Nuclein und Elastin mit Haematoxylin und saurem Orcein.
2. Auf Protoplasma und Collagen mit Unna^s polychromem Methy-
lenblau und neutralem Orcein.
Als sichergestellt durch die Untersuchung können folgende Daten gelten :
1. Die etwa '/, Stunde nach der Pinselung beginnende Hyperämie.
2. Das Oedem und die seröse Exsudation (stets nach V, bis 1 Stunde
wahrnehmbar).
3. Die locale Leukocytose. Dieselbe beginnt etwa 2 Stunden nach
der Pinselung und nimmt in den nächsten Stunden noch erheblich zu«
Der Strom der Leukocyten ist nach dem Epithel zu gerichtet, die Menge
derselben am dichtesten in den oberen Abschnitten der Papillen. Die
Gestalt der Leukocyten ist die von Wanderzellen. Einige finden sich auch
im Ohrknorpel.
4. Die Bläschenbildung. Dieselbe erfordert eine sehr starke Jod-
einwirkung und ist lange nicht so charakteristich, wie die Hyperämie und
Leukocytose. Verf. ist es nur ausnahmsweise gelungen, eine Blase hervor»
zurufen. Dieselbe sass in der Stachelschicht; es handelte sich um eine
einfache Verdrängungsblase, welche die von Leukocyten infiltrirte, obere
Stachelschicht abgehoben hatte.
5. Die frühzeitige Mitosenbildung, 6 Stunden nach der Pinselung
entstehend, zur selben Zeit mit der starken Leukocytose und zwar sowohl
im Epithel, wie in der Cutis.
6. Die Resorption eines Theiles der Leukocyten auf dem Wege der
Lymphbahnen und die Entfernung eines anderen Theiles mit den Bläschen
und Krusten.
7. Die Rückkehr zur Norm.
Gegenüber diesen als feststehend zu betrachtenden Punkten stellt
Verf. die folgenden als noch discutabel hin:
a) Die Rolle, welche die Leukocyttn bei diesem Entzündungsprocesse
spielen.
der Dermatologie. X15
6) Die Schicksale der sesshaften Bindegewebszellen bei der Ent-
zündung.
c) Die Herknnft der nengebildeten Zellen im Bindegewebe.
(2) Das Schicksal derselben nach Ablauf der Entzündung.
e) Das Verhalten des GoUagens und des Elastins während der Ent«
Zündung.
In Bezug auf die Leukocyten theilt Verf. mit, dass er wesentlich
polynucleare gefunden hat, die jedoch nicht zum Aufbau neuen Binde-
gewebes dienen können, da sie fast überall zerfaUen.
Was die von Schede und Coen für junge Bindegewebszellen
und frühere Leukocyten gehaltenen kleinen Zellen mit grossem Kern
betrifft, so bestätigt Verf. ihre Existenz und hält sie für perivasculäre
Bindegewebszellen. Den ausfuhrlichen Angaben Coens über Mitosen
vermag Yerf. Neues nicht hinzuzufügen, macht dagegen darauf aufmerksam,
dass wenige Stunden nach der Jodpinselung eine Menge grosser, durch
Fortsätze zusammenhängender Spindelzellen gefunden werden, welche
mehrere Kerne enthalten. Sie beweisen, dass neben der Kemtheilung
und Bildung junger Bindegewebszellen auch eine Yergrössernng der
Spindelzellen in situ eintritt, wobei durch Verdickung der Zellfortsätze
die Zellenleiber direct in einander überzugehen scheinen. Verf. beschreibt
ausserdem noch andere Metamorphosen, die einen mehr rein pathologischen
Charakter tragen: so das Zellödem und die nucleäre Degeneration des
Protoplasmas. Eine fettige Degeneration des Zellprotoplasmas vermochte
Verf. auch an osmirten Stücken nicht aufzufinden.
Verf. beantwortet die vorher aufgeworfenen Fragen zum Schluss in
folgenden Sätzen.
a) Bei der Joddermatitis gehen die scharenweise angelockten
Leukocyten theils zu Grund, theils wandern sie in die Blutbahn
zurück.
h) Die fixen Bindegewebszellen erleiden unter dem Einfluss der
acuten Entzündung theils progressive Veränderungen (Hypertrophie des
Spongioplasmas), theils regressive (einfaches Oedem, nucleäre Degeneration)
mit Ausschwemmung von Zellsubstanzen.
e) Unter dem Einfluss der acuten Entzündung bilden sich auf
mitotischem Wege neue Epithelien in der Stachelschicht und neue Binde-
gewebszellen aus alten Bindegewebszellen. Eine Neubildung letzterer aus
Leukocyten ist nicht nachzuweisen.
d) Die hypertrophischen und neugebildeten Bindegewebszellen gehen
beim Abklingen der Entzündung durch einfache Atrophie auf den
Status einfacher Spindelzellen zurück. Keineswegs werden sie auf dem
Wege hochgradiger Verfettung vollständig resorbirt.
e) Die elastische Substanz erfahrt vorübergehend bei der Jodent-
zündung eine Atrophie, die collagene eine ödematöse Anschwellung.
Ledermann.
(11) Piffard beschreibt die von ihm bei einem excidirten psori-
atischen Hautstückchen gefundenen histologischen Veränderungen folgen-
8*
115 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
dermassen: Bei schwacher yeif;ro88erang erscheint die Cutis durch Zu-
nahme der Bindegewebsbundel und eine ungewöhnlich starke £nt¥ricklung
der quergestreiften Muskelfasern verdickt. Die Epidermis besitzt ein
hypertrophisches Bete und ein ausserordentlich entwickeltes Stratum
granulosum. Oberhalb des letzteren befinden sich mehrere Zelllagen mit
halb durchscheinenden kernhaltigen Zellen, die Verf. für Homzellen
hält. Bei starker Yergrösserung sieht man in einigen Retezellen die
Kerne geschrumpft und vacuolisirt. Mitosen und andere active Ver-
änderungen fehlen. Die Entstehung der kernhaltigen Homzellen führt
Verf. auf das Stratum granulosum zurück, welches an einigen Stellen auf
Kosten der genannten Zellen verschwindet. Er sieht daher in dem Stratum
granulosum den activen Sitz der Veränderungen bei der Psoriasis und
glaubt, dass die Cutis und das stark hypertrophische Bete Malpighii nur
eine passive Bolle dabei spielen. Ledermann.
(12) Strelitz und nach ihm Alm qu ist züchteten aus dem Blasen-
inhalte von Pemphigus acutus neonator. einen gelben und einen weissen
Staphyloooccus und dem letztgenannten Autor gelang es durch Einimpfung
von Beinculturen bei sich Pemphigus zu erzeugen. Das bestätigt Strelitz
neuerdings durch gelungene Impfezperimente, welche er an sich und einem
Mediciner vornahm. 30 Stunden nach der Inoculation traten Pemphigus-
blasen bei S. auf und „trotz sorg^tiger antiseptischer Beinigpmg der
Haut nach dem Platzen der Blasen konnte S. es nicht verhindern, dass
4 Wochen lang neue Blasennachschübe erfolgten, welche ihr Entstehen
zweifellos einer directen Uebertragung des Virus auf benachbarte Haut-
stellen verdankten.*' Fieber und Drüsenschwellung trat nicht auf.
Hochsinger.
(13) Bei einem 3jähr. Kinde entsteht im Anschluss an eine Schar-
lach- und darauffolgende Keuchhustenerkrankung (während eines £r^
kältungsfiebers) in acuter Weise eine enorme Festigkeit, Spannung und
Glätte der Haut des Gesichtes, des Halses, später der Obereztremitäten
mit entsprechender Bewegungsbeschränkung, ohne jede Spur von Oedem
oder localen Entzündungserscheinungen. An der Haut der Brust, des
Bückens, der Nates und der Innenfläche der Oberschenkel entsteht die
Affection etwas später und langsamer, auch minder intensiv, während die
Unterschenkelhaut frei erscheint bis auf stellenweise durchtastbare
haselnussgrosse Verdickungen, aus welchen sich jedoch 7« Jahr später
die gleiche Affection entwickelte, wie oben beschrieben wurde. Kein
Zweifel, dass hier das volle klinische Bild der Sklerodermie vorlag.
Wieder '/, Jahr später ist Alles zur Norm zurückgekehrt und die Heilung,
bei welcher vorwiegend eine diaphoretische Therapie (Schwitzkur, Kali
acet. innerl.) in Verwendung kam, eine vollständig dauernde geworden, da
auch 2 weitere Jahre später das Kind völlig gesund ist.
Bei der mikroskopischen Untersuchung eines excidirten Haut-
stückchens findet sich Verbreiterung des Coriumgewebes durch dichte
und kernarme Bindegewebsziige und leichte Kemvermehrung in der Um-
gebung der Arterien, nebst auffallender Verschmälerung der £]>idermis-
der Dermatologie. 117
8cbichte. Subcatis, Schweissdrüsen, Hautnerven- und Muskelsystem zeigen
keine Anomalie.
Bemerkenswerth in dem Falle war eine . continuirlich andauernde
Hyperidrosis universalis und die acute Entstehung im Anschlüsse an
zwei Infectionskrankheiten (Scharlach und Keuchhusten), an welche
die HautafTection sich unmittelbar anschloss. Hochsinger.
(14) Dubreuilh beschreibt einige Fälle, die er unter die als
atrophische oder Narbenalopecie von Brocq beschriebenen Formen
einreiht.
Bei den Fällen der ersten Gruppe (Brocq's Pseudo-pelade) handelt
es sich um atrophische, haarlose Stellen am behaarten Kopf, an denen
zumeist am Rande um einzelne noch erhaltene Haarbüschel, manchmal
die Peripherie einnehmend, manchmal jedoch auch innerhalb der Areae
fleckenformige Entzündungsherde sich zeigen. In letzteren sind Epidermis-
pröpfe um die kranken Bälge vorhanden, welche die Haare überdauern.
Die Affection ähnelt makro- und mikroskopisch dem Lupus erythematosus,
ist aber von ihm zu trennen. Therapeutisch hatte Ichthyol nur ge-
ringen Werth.
Die Fälle der zweiten Gruppe (Brocq's Sycosis lupoide, Unna's
Ulerythoma sycosiforme) zeigten perifolliculäre , mit Börkchen be-
deckte, von Haaren durchbohrte Knötchen, die zu Haarausfall und zu
excentrisch fortschreitenden Areae mit Knötchensaum führen.
Therapeutisch war tägliches Kasiren erfolgreich. Winternitz.
(15) Allen stellt einen jungen Mann mit Exfoliatio areata linguae
vor, wie man sie häufig bei Kindern, sehr selten bei Erwachsenen sieht
und welche Parrot auf hereditäre Lues zurückführt. Der Patient hat
an Lupus gelitten und ist durch Scarification geheilt worden.
Ledermann.
Bildangsanomalien.
1. Philippsoll. Verstell, eines Falles von Pigmentanomalie mit Fibrom-
bildung. Aerztl. Verein zu Hamburg. Deutsche med. Wochenschrift.
1893, Nr. 17.
2. Moucorvo. lieber congenitale Elephantiasis. Annales de Dermat. et
de SyphiL 1893, p. 234—251.
3. Fineh Noyes, A. W. A case of lymphangioma circumscriptum. The
Brit. Med. Joum. 3. Juni 1893.
4. Francis, Alfred G. Lymphangioma circumscriptum cutis. The Brit
Joum. of Derm. Februar und März.
5. Miirray, G. R. The treatment of myxoedema and cretinism. The
Lancet 13. Mai 1893.
6. Allen Starr, M. A contribution to the subject of myxoedema, with
the report of three cases treated success fully by thyroid extract. Med.
Record. X. York. 10. Juni 1893.
HS Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
7. Crary, George W. A case of myxoedema, treated with thyroid ex-
tract by the stomach and a description of preparing the extract. Med.
Record. N. York. 17. Juni 1893.
8. Hallopeaa, H. und tleanseluie, £. Ein Fall von Hautsarcomatose,
der die klinischen Charaktere einer infectiösen Lymphangitis bot.
Annales de Dermat. et de Sj'phil. 1892, p. 1088 u. f.
9. Martiu, E. Vorstellung eines Falles von multiplen Hautsarkomen.
Schles. Gesell seh. f. vaterl. Cultur in Breslau. Deutsche med. Wochen-
schrift. 1893. Nr. 5.
10. VeiSi^er. Vorstellung eines Falles von Mycosis fungoides. Schles.
Gesellsch. für vaterländ. Cultur in Breslau. Deutsche med. Wochen-
shrift. 1893, Nr. 18.
11. Ifeis^ser. Vorstellung eines Falles von Mycosis fungoides. Schles.
Gesellschaft für vaterländ. Cultur in Breslau. Deutsche med. Wochen-
schrift. 1893, Nr. 5.
12. Lassar. Zur Therapie der Hautkrebse. Vortrag mit Krankenvorstell.
geh. in der Berl. medic. Gesellschaft, Berl. klin. Wochenschr. 1893,
Nr. 23. Discussion zu diesem Vortrag, Berl. klin. Wochenschr. Nr. 28.
13. Supino, Rafaello. La Mallattia delP Addison. Ricerche chimche e
considerazioni cliniche. II Morgagni. Anno XXXV, p. 1. Nr. 3.
(1) Philippson demonstrirt aus der Unna'schen Klinik eine
Frau, deren Rumpf und Extremitäten mit hellbraunen, verschieden grossen
Pigmentflecken besetzt ist, während an den betreffenden Stellen einzelne
weiche Tumoren zu fühlen sind. Die mikroskopische Untersuchung
ergab den bindegewebigen Charakter der Geschwülste.
0. Rosenthal.
(2) Moncorvo berichtet über drei Fälle congenitaler Elephan-
tiasis, die er bei in Rio geborenen Kindern beobachtet hat. Das eine
Kind stammte von eingewanderten Weissen, die beiden andern waren
Mischlinge brasilianischer Abkunft. Die Krankheit betraf bei einem Kinde
beide, bei dem zweiten nur die eine untere Extremität, bei dem dritten
eine obere Extremität und die angrenzende Partie der betreffenden
Tboraxhälfte. Die Form der Elephantiasis war bei dem einen die
sklerotische, bei den zwei anderen die gemischte — fibröse Hyperplasie und
cystische Degeneration.
Der Verfasser bespricht nun die Aetiologie der Elephantiasis, die
für eine Reihe von Fällen durch den Nachweis von Filaria sanguinis
(im Urin, im Blute und in der Lymphe) klargelegt ist ; er selbst hat von
13 Fällen blos einmal die Filaria nachweisen können. Für eine andere
Reihe von Fällen schliesst er sich dagegen der von Verneuil, Clado und
Sabourand vertretenen Anschauung von der Identität von Erysipel und
Lymphangitis mit Elephantiasis an. Er selbst konnte bei zwei FäUen
von Lymphangitis, von denen der eine schon zu permanenten Oedemen
geführt hatte, den Streptococcus (Fehleisen) nachweisen.
der Dermatologie. 119
Das Auftreten der Elephantiasis im Foetalleben erklärt er durch
Uebergang der betreffenden Mikroorganismen durch die Placentarwege.
Winternitz.
(3) Finch Noyes theilt aus Melbourne folgenden Fall von cir-
cumscriptem Lymphangiom mit. Bei einem 12jahrigen, sonst gesunden
Mädchen entwickelten sich seit 1'/, Jahren am oberen und vorderen
Theile des rechten Oberschenkels „Wasserbläschen", die zuerst wie kleine
Kömer von gekochtem Sago aussahen, allmälig an Grösse zunahmen und
theils vereinzelt blieben, theils miteinander verschmolzen. Als Verf. die
Patientin sah, waren an der oberen und vorderen Flache des rechten
Oberschenkels unmittelbar unter der Leistenfurche acht verschiedene
Bläschengruppen von 3pfennig- bis Schillinggrösse. Die Gruppen bestanden
zumeist aus Haufen von Bläschen von Stecknadelkopf- bis Halberbsen-
grosse. Die meisten waren weiss gefärbt und durchscheinend wie Büschel
weisser Johannisbeeren, andere hatten eine röthliche Farbe. Einige der
grösseren Bläschen waren auch mit venösem Blut gefüllt, so dass sie dem
Theil das Aussehen einer reifen Maulbeere gaben. Zwischen den Gruppen
war die Haut besetzt mit kleineren, stecknadelkopfgrossen Laesionen, die
wie unter der Haut liegende Kömer gekochten Sagos aussahen. Alle
Laesionen enthielten Flüssigkeit ; durch Druck konnte dieselbe zum grössten
Theile entleert werden, um sich sofort nach Aufhören desselben wieder
anzusammeln. Beim Anstechen der hellgefarbten Bläschen ergoss sich eine
klare, • alkalisch reagirende Flüssigkeit, lieber einigen älteren Laesionen
hatte die Haut ein etwas warziges Aussehen angenommen. Die einzelnen
Bläschen wuchsen aUmälig bis zur Grösse einer halben Erbse oder etwas
darüber. Sie hatten keine Tendenz sich spontan zu öffnen. Subjective
Symptome machte die Erkrankung nicht. Mit Elektrolyse wurden die
Bläschen zur Obliteration gebracht. Zwei Jahre nach der Operation
hatte sich eine grosse Zahl feiner Bläschen in der Nachbarschaft gebildet,
die sich allmälig weiter entwickelt hatten, aber nicht grösser wurden als
ein Sagokom. Sternthal.
(4) Francis unterscheidet zwei Arten von Angiomen : das Häman-
giom und das Lymphangiom. Ersteres erscheint 1. als portweinfarbener
Fleck, 2. als gewöhnlicher capillärer Naevus, 3. als venöser cavernöser
Naevus, 4. als cutane und subcutane Fhlebectasie, 5. als kleine capilläre
Punkte, Streifen, Flecke mit oder ohne Thrombosen und Hämorrhagien,
6. als kleine Blutcysten, 7. zunehmender Gefassreichthum ohne augenfällige
Yergrösserung der Gefasse. Letzteres erscheint sowohl als einfache Zu-
nahme der Capillaren als auch als varicöses, cavemöses Lymphangiom,
zuweilen als cystisches und cavemöses Lymphangiom leichteren Grades.
Das Lymphangiom ist meist congenitalen Ursprungs, ist in seiner einfachen
Form nicht sichtbar und kommt erst, sei. es, dass es mit Hämangiom
vergesellschaftet ist oder nicht, in späteren Phasen zum Vorschein. Es
finden sich dabei : l. Varicen, kleine Cysten und Cavemen bilden zunächst
die für das Leiden so charakteristischen Vesikeln der Krankheit, die, an
Form ähnlich herpetischen Vesikeln und Sagokömern, theils isolirt, theils
1 20 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
mannigfietch gruppirt erscheinen. 2. Kleine Papeln, 3. Kleine Papeln mit
vesikulöser Kuppe, die die Tendenz haben, vesiladöser zu werden, jo
weiter die Entwicklung fortschreitet. 4. Kleine Papeln oder Yesikeln, die
sich schliesslich analog dem Angiokeratom mit Keratosis vergesellschaften
und sich 5. sogar mit Pachydermie und localisirter Elephantiasis verbinden
können. Auf eine eingehende Besprechung der zahlreichen Varietäten
dieser Affection und auf eine Wiedergabe des grossen eigenen und
vergleichsweise herangezogenen casuistischen Materials müssen wir an
dieser Stelle verzichten. Hauptsächlich scheint die britische Race der
Träger dieser Affection zu sein.
Was die Histologie der Affection betrifft, so ist in einigen Fällen
dafi Epithellager comprimirt und verkleinert, in anderen sin*^. die intei^
papillären Zapfen stark verlängert und senken sich in die Septa zwischen
den grösseren Lymphcysten ein; manchmal ist das Rete Malpighii nicht
verändert, manchmal bis auf ein oder zwei Zelllager reducirt oder in
eine grosse umgewandelt. Nicht selten findet sich eine Zunahme des
Pigments. Das Stratum comeum ist entweder intact oder verdickt,
speciell um die Orificien der Haarfollikel herum. Diese letzteren sind
manchmal verdickt und zeigen grosse Unregelmässigkeiten an den
Wurzelscheiden. Viele enthalten 2 — ^5 Haare und einige Acari folli-
culorum. Die Veränderungen im Corium betreffen hauptsächlich die
papilläre und subpapilläre Schicht und zwar die Lympfgefasse , Blut-
gefässe und das Bindegewebe. Man findet a) dilatirte Lymphgefasse
in der Subpapillarschicht mit gelegentlichen Varicositäten, b) gleich-
massige dilatirte Gefasse im Papillarlager, welche geschlossene Knäuel
bilden, e) grössere Höhlungen, besonders in der Papillarschicht, welche
Bläschen bilden. Diese entwickeln sich durch gleichmässige Vergrösserung
der Lymphgefasse, indem sie die dünnen Septa zwischen den Knäueln
durchbrechen. Die Lymphgefasse und Höhlungen sind mit einem Endothel
austapezirt, welches entweder wie normal, abgeplattet sein kann oder
einen mehr proliferirenden Charakter darbietet mit einer geringeren Ab-
plattung des Zellkörpers und einer dichtgedrängten Anhäufung von
Zellen. Riesenzellen und Kemfiguren sind nur spärlich vorhanden. Der
Inhalt der Lymphräume besteht aus fein granulirtem coagulirtem Material,
gelegentlich aus feinen Fibrinfaden, in einigen findet sich eine Mischung
von Blut und Lymphe oder Blut allein. Das Bindegewebe der Cutis ist
zellreich, besonders in der Umgebung der Blut- und Lymphgefasse. Die
Infiltration besteht aus runden, ovalen und Spindelzellen, einzelne mit
fettigem Inhalt oder Pigment. In einigen der Zellmassen sieht man feine
Spalten, welche junge Lymph- oder Blutgefässe zu sein scheinen, Lymphe
oder Blut enthalten und derer Wände aus Zellmassen gebildet sind. Dass
die Veränderungen in den Lymphgefässen immer einen embryonalen
Ursprung haben, scheint nicht nothwendig, denn Lymphgefasse ebenso
wie Blutgefässe können sich auch in chronischen, entzündlichen Ge-
schwülsten bilden.
der Dermatologie. 121
In Analogie zu der postgenitalen Entwicklung mancher Häman-
giome (Angiokeratoma und Angioma serpiginosum) und zu dem ge-
legentlich vorkommenden postgenitalen Wachsthum der Haemangiome
scheint es logisch, auch ein postgenitales Entstehen und Wachsthum
der Lymphangiome anzunehmen. Ja es können sogar Lymphangiome sich
in dem an Lymphgefassen armen Unterhautfettgewebe entwickeln und
zwar so schnell, dass man nothwendiger Weise an eine Neubildung denken
muss ; auch findet man dilatirte Lymphgefasse an den Spitzen der Papillen,
welche normaler Weise keine Lymphgefasse enthalten, wie denn auch die
mikroskopische Untersuchung in den Zellinfiltrationen neugebildete Blut-
und Lymphcapillaren zeig^.
Am ScUuss bespricht Yerf. jene Gruppe von cutanem Lympangioma,
bei welcher es zu einer Hyperplasie des fibrösen Gewebes, zu einer loca-
lisirten Elephantiasis kommt. Ledermann.
(5) Murray gibt in kurzer Zusammenfassung die Theorie der
Function der Schilddrüse und die Behandlung bei Fehlen derselben. Die
normale Gland. thyreoid. hat die Aufgabe, ein Secret zu liefern, das für
die Aufrechterhaltung der Gesundheit nöthig ist. Ist dieses Secret, sei es
in Folge einer Erkrankung der Drüse oder deren Entfernung nicht mehr
in genügender Menge vorhanden, so stellt sich ein Zustand ein, den man
jetzt als Myxoedem, Cretinismus oder Gachexia strumipriva gut kennt.
Die Intensität der Symptome schwankt, je nachdem mehr oder weniger
secemirendes Gewebe ausgefallen ist. Die Functionen des normalen Schild-
drüsensaftes können nun ersetzt werden durch Secret, das man aus der
Thyreoidea eines gesunden Schafes, Ferkels oder einer Kuh erhält, sei es
dass man es unter die Haut i^jicirt oder per os gibt, und durch Darrei-
chung dieses Saftes beseitigt man die krankhaften Erscheinungen, sofern
nicht unheilbare Degenerationen eingetreten sind. Das Mittel hat man
bekanntlich (siehe auch Ref. in diesem Archiv) in verschiedener Form
gegeben. Zur subcutanen Injection ist am empfehlenswerthesten ein Gly-
cerinextract aus Schafsthyreoidea. Dieses Extract besteht aus Saft der
Thyreoidea, Glycerin und einer 0,5^0 CarboUösung zu gleichen Theilen.
Es kann in Doseii von 5 — 15 Minims injicirt werden (1 Minim = 0,000059
Liter). Interne gibt man das Extract in derselben Concentration, doch
ohne Carbolsäure. Ebenso hat man rohe und leicht gekochte Thyreoidea
mit gutem Erfolge gegeben, aber in dieser Form ist es nicht vortheilliaft,
da leicht gastro-intestinale Störungen entstehen. Aus frischer Drüse aus-
gepresster, mit Wasser vermischter Saft ist ebenfalls zur subcutanen In-
jection verwandt worden; femer ein aus der Drüse hergestelltes Pulver
und endlich auch das weisse Präcipitat, das man erhält, wenn man dem
Extracte Alkohol zusetzt. Alle diese verschiedenen Präparate sind erfolg-
reich. Die Behandlung selbst zerfallt in zwei Stadien. Im ersten handelt
es sich darum, die Symptome der Krankheit zu beseitigen, im zweiten
den Patienten in dem erreichten guten Zustand zu erhalten. Letzteres
kann nur durch fortgesetzten, und zwar für die ganze fernere Lebens-
zeit fortgesetzten Gebrauch irgend eines Thyreoideapraparates geschehen.
122 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Im ersten Stadium ist Vorsicht geboten, nicht zu schnell die Besserung
eintreten zu lassen, da, zumal bei bestehenden Anzeichen von Herz-
oder Gefassdegeneration leicht Synkope eintritt. Unter Umstanden ist
Bettruhe nöthig, um dem geschwächten Herzen jede ungewohnte An-
strengung zu ersparen. Dieses erste Stadium beansprucht gewöhnlich
6 — 12 Wochen. Es hat sich als zweckmässig herausgestellt, langsam
10 — 15 Minims 2 — 3mal wöchentlich zii injiciren, nachdem Spritze und
Haut mit 6*/o CarboUösung gereinigt sind. Ist das Extract Ton Anfang
per OS gegeben worden, so sind kleine, tägliche Dosen vom besten
Erfolge begleitet, nämlich 5 — 15 Minims jeden Morgen 2 — 3 Stunden nach
dem Frühstück in etwas Wasser genommen. Je nachdem keine Besserung
oder Pulsbeschleunigung auftritt, muss die Dosis beträchtlich erhöht oder
vermindert werden. Die Veränderungen in der Temperatur, dem Puls,
Gewicht, Aussehen und Empfinden des Patienten sind wichtige Merkmale
für die zu verordnende Dosis. Da bei fast allen Fällen von Myxödem die
Temperatur subnormal ist, so ist die Temperatursteigerung eines der
frühesten Anzeichen der Besserung. Eine plötzliche Temperatursteigerung
ist — wofern nicht eine locale Ursache vorhanden — durch eine zu
grosse Dosis bedingt. Eine Beschleunigung des Pulses, die nicht im Ver-
hältniss zu der Temperatursteigerung steht, ist eine Indication, dass die
Dosis vermindert werden muss. Beim Beginn des IL Stadium hat man
die kleinste Dosis zu bestimmen, die die Gesundheit des Patienten
aufrecht erhält. Hierbei unterstützt uns die Temperatur wesentlich, da
diejenige Dosis, die die Temperatur eben auf dem Normalen, jedenfalls
über 97* F. erhält, genügt, den Patienten bei Wohlsein zu erhalten. Bei
Injectionen entspricht dem meistens 15 Minims einmal wöchentlich.
Doch zieht Verf. in diesem Stadium die Darreichung per os vor. Tägliche
kleine Dosen per os sind grösseren in längeren Zwischenräumen vor-
zuziehen, doch muss man pro Woche 3 — 4mal so viel geben als bei In-
jectionen nöthig wäre, um den gleichen Effect zu erzielen. — Verf. theilt
einen neuen Fall von Myxödem mit, der so behandelt wurde und in
bestem Wohlsein blieb. Daran anknüpfend erwähnt er, dass Cachexia
strumipriva, der sporadische Gretinismus und sogar der endemische Cre-
tinismus genau so zu behandeln seien wie Myxödem. Da nach Darreichung
des Saftes der Thyreoidea der allgemeine Metabolismus der Gewebe ge-
steigert ist, was seinen äusseren Ausdruck findet in der besseren Er-
nährung der Haut und Haare, so hat man auch versucht, Hautkrank-
heiten so zu behandeln. Bramwill will bei Psoriasis einen guten Erfolg
gehabt haben, dem Verf. glückte dies aber bei Psoriasis ebensowenig als
bei Akromegalie. Sternthal
(8) Bei einem kräftigen jungen Manne entwickelte sich auf einer seit
Jahren bestehenden Schwiele der Handfläche eine Ulceration ; später traten
längs der Lyrapfgefasse unter der Haut vollständig bewegliche Knoten
auf, die sich vergrösserten, mit der Haut und unter einander vei*wuchsen
lind durchbrachen. Die Substanzverluste bekamen buchtige Ränder und
einen unebenen, höckerigen, bei der leisesten Berührung blutenden Grund.
der Dermatologie. 123
Weiters entwickelte sich eine diffuse Infiltration der Haut der ganzen
Extremität, in welcher die Geschwulstknoten sich kaum mehr gesondert
erkennen Hessen. Gomplicirende Eiterung und mehrfach intercurrirende
Erysipele. Tod durch eine Pleuritis (Streptococcen). Die Section zeigte
auch Knoten an der Pleura und in den Nieren. Durch Impfungsversuche
und histologische Untersuchungen konnten die Verf. Tuberculose und Rotz
ausschliessen, sowie die Sarcommatur der Affoction sicherstellen. Sie
kommen zu dem Schlüsse, dass sarcomatuse Geschwülste durch Jahre
auf eine Extremität beschränkt bleiben können, sich längs der Lymph-
gefasse und -Drüsen weiter verbreiten, und eine grosse Aehnlichkeit mit
tuberculösen Lymphangitiden besitzen können, von denen sie sich durch
die unaufhörlichen Blutungen unterscheiden. Der Grund der letzteren ist
die Verstopfung der Gefasse durch Gescbwulstmassen und die hiedurch
bedingte Gewebsdegeneration. Winternitz.
(9) Martin stellt eine 40jährige Frau vor, die seit V4 Jahren an
Geschwulstbilaungen des Gesichts und des linken Armes leidet. Nebenbei
stehen an verschiedenen Stellen Lymphdrüsenschwellungen. Von den
letzteren wurden einige behufs mikroskopischer Untersuchung exstirpirt.
Der Befund ergab ein aus Rund- und Spindelzellen gemischtes Sarcom.
In der Discussion erwähnt Mikulicz, dass er geneigt sei, die multiplen
Hautsarcome von den eigentlichen Sarcorogeschwülsten zu trennen, da
es sich bei der Verbreitung derselben um typische Geschwulstmetastasen
nicht handelt. Es läge nahe, die Affection als eine Allgemeinerkrankung
aufzufassen, die wahrscheinlich den infectiösen Granulationsgeschwülsten
zugezählt werden müsse. 0. Rosenthal.
(10) Neisser stellt die Patientin mit Mycosis fungoides noch
einmal vor, da dieselbe 6—8 Stunden nach jedesmaligem Gebrauch von
Jodkali sehr zahlreiche, erst zinnoberrothe, später braunrothe, tagelang
bestehende Flecke und Erhebungen bekam, bei denen es sich um eine
Extravasation von rothen Blutkörperchen handelte. An anderen Stellen
traten Bläschen auf, die von einem ähnlichen rothen Hof umgeben waren.
Die mycotischen Tumoren selbst waren geschwollen, geröthet und
schmerzhaft. Das Bild erinnert an eine lo(^ale Tuberculinreaction. Die
Patientin gibt an, dass sie schon früher nach Joikali ähnliche Eruptionen
gehabt habe und dass die knotigen Neubildungen sich in Folge dessen
verkleinert hätten. Auch bei stärkerer Abkühlung zeigt sich eine
ähnliche Irritabilität, wenngleich in geringerem Grade.
0. Rosenthal.
(11) Neisser stellt eine dreissigjährige Patientin vor, die seit 2'/,
Jahren an einer Mycosis fungoides ohne ekzematöses Vorstadium leidet,
und spricht sich dahin aus, dass er die Affection trotz der bisherigen
mangelnden positiven Befunde zu den infectiösen Granulationsgeschwülsten
rechne. Zu der von Mikulicz aufgeworfenen Frage, ob die multiple
Sarcomatose nicht überhaupt auf eine Infection zurückzufahren sei, be-
merkt N., dass er bei den Sarcomen eher an eine infectiöse Aetiologie
glaube, als bei den Garcinomen. Bei letzteren habe er trotz reichlicher
124 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Untersuchungen bisher nichts finden können, was die parasitäre Aetiologie
erweisen könne. 0. Rosenthal.
(12) Lassar hat drei Fälle von Hautkrebsen ohne irgend welche
örtliche Eingriffe durch die innerliche Medication von Liq. kali arsenicos.
zur Vemarbung gebracht. Der erste Fall betrifft eine Frau von 75 Jahren,
die im October v. J. mit einem Tumor von der Grösse einer halben Wall-
nuss auf der linken Wange in Behandlung kam. Die Geschwulst hatte
sich innerlich 6 — 8 Monaten entwickelt und war nur an einer kleinen
Stelle erodirt. Die mikroskopische Untersuchung zeigte eine atypische
Epithelwucherung mit Zapfenformation und Epithelkugeln. Die Patientin
erhielt Liq. kal. arsenicos. mit Aq. menth. piper. aa 3mal tägl. 5 Tropfen.
Anfang December war die G^chwulst geschrumpft und vnmarbt. Seit
einem halben Jahr hat sich an dem Status nichts geändert. — Der zweite
Fall betrifft eine Dame mit einem Ulcus rodens auf dem Nasenrücken.
Dieselbe wurde innerlich und subcutan behandelt. Seit 4 Monaten ist die
Geschwulst vernarbt. — Der dritte Fall betrifft einen Bahnarbeiter von
66 Jahren mit einem Tumor am linken Nasenflügel, der sich seit länger
als einem Vierteljahr entwickelt hatte. Das Mikroskop erhärtete die Dia-
gnose. Die Involution wurde ebenfalls durch innerliche Darreichung von
Sal. Fowleri erzielt. 0. Rosenthal.
In der Discussion erinnert Köbner an die Angaben Esmarch's
aus dem Jahre 1877 über die sehr alte Anwendung des Arseniks gegen
verzweifelte Fälle von Carcinomen und betont die Aehnlichkeit von
manchen seborrhoischen Krusten mit Hautkrebsen. Ebensowenig wie alle
atypischen Epithel Wucherungen, besonders der Haut mit GMH;inomen zu
identificireu seien, ebensowenig scheinen K. bei der Kürze der Beobach-
tungszeit die vorgestellten Fälle beweisend. Auffallend seien auch die
geringen Dosen und die kurze Dauer der Behandlung. Der dritte von L,
vorgestellte Fall sei bestimmt noch nicht geheilt K. vertrittt daher mit
Energie den chirurgischen Standpunkt.
v. Bergmann spricht sich ebenfalls mit Entschiedenheit zu Gun-
sten eines operativen Vorgehens aus. Er hält bei zeitiger Operation der
Gesichtscarcinorae ein Recidiv fast für eine Ausnahme. Bei der Behand-
lun;r von Carcinomen muss man auf die spontanen, in den Structurver-
hälrnisseu bedingten Vemarbungsvorgänge im Centrum und an der Obei>-
fläche der Geschwulst, welche durch Vermeidung jeglichen therapeutischen
Beizes begünstigt werden, besonders achten. Auch ist der Unterschied
des bösartigen Charakters der Gewächse ein sehr bedeutender, da es gar
nicht selten vorkommt, dass Carcinome in der Temporalgegend 18—20
Jahre bestehen. Derartig langsam wachsende, aus harten, sich zum Theil
selbst involvirenden Knötchen bestehenden Geschwülste können und sind
als Lupuscarcinome gedeutet worden. Verschwindet ein Krebs, was zu-
weilen vorkommt, vollständig oder nur im Centrum, so bilden sich für
gewöhnlich accessorische Herde in der Umgebung oder in den benach-
barten Lymphdrüsen, die eine Zeit lang der Beobachtung entgehen können.
Auch V.Bergmann erinnert an die klinische und mikroskopische Aehn-
der Denuatologie. 125
liühkeit von Talgdrüsenadenomen mit Gesichtscarcinomen und führt dar-
auf die besonders in den 50er Jahren gerühmte Wirkung von Kali chloric-
Umschlägen zurück. Kurzum, die innere Medication sollte nur für inope-
rable Carcinome in Betracht kommen. 0. Rosenthal.
(13) Supino untersuchte den Harn einer 33jährigen Frau, die an
Morb. Addis, erkrankt war, nach eigener und fremder Methode auf Neurin,
erhielt jedoch stets ein negatives Resultat; der Harn zeigte beim Thier-
experiment keine giftigeren Eigenschaften als gewöhnlicher Harn. Nach
diesen Versuchen und aus den klinischen Beobachtungen zieht er folgende
Schlüsse :
1. Beim Morb. Addis, sowie auch bei jenen Krankheiten, welche
nach der Exstirpation einer oder beider Nebennieren eintreten, handelt
es sich um Autointoxication mit einer oder mehreren Substanzen, die
man noch nicht kennt, sicher nicht um Neurin.
2. Das symptomatische Krankheitsbild hängt von Verletzungen des
Nervensystems ab, welche in Folge allmäliger Wirkung der im Blute
kreisenden giftigen Substanzen entstehen ; nur in den ausnahmsweise rapid
verlaufenden Formen können die Vergiftungssymptome vorherrschen,
während die Pigmentation und die charakteristischen anatomischen Ver-
änderungen fehlen.
3. Auch ohne Verletzung der Nebennieren kann das vollständige
Krankheitsbild entstehen; in diesen Fällen können die Verletzungen im
Nervensystem, welche das anatomische Substrat der Krankheit bilden, als
primäre betrachtet werden, ohne dass der abnormale Reiz seinen Ursprung
von einer Veränderung der Nebennieren in ihrer Structur oder in ihrer
reinigenden Function haben würde. Spietschka.
Parasiten und parasitäre Affectioneu.
1. Sabraz^S, J. Favus beim Menschen, Huhne und Hunde. Annales de
Derraat. et de Syphil. 1893, p. 340—346.
2. Sabourand, R. Beitrag zum Studium der menschlichen Trichophytie.
Annales de Dermat. et de Syphiligr. 1892, p. 1061.
3. Sabourand, R. Beitrag zum Studium der menschlichen Trichophytie.
2. Mittheil. Annales de Dermat. et de Syphil. 1893, p. 116.
4. Sabouraiifl, R. Zur Hypothese über die saprophytische Existenz der
Trichophytonarten. Annales de Denn, et de Syphil. 1893. 561—566.
Sabrazes hat in 17 Fällen von Favus des Menschen stets nur eine
und dieselbe Pilzart nachweisen können, welche mit der von Kral, Plaut
und Mibelli gezüchteten identisch war. Favus, den er von einer Affection
des Hahnenkammes züchtete, erwies sich, nach Haftung, culturellen Eigen-
schaften und botanischer Stellung als von dem ersten verschieden. Bei
der Maus erzeugte er Scutula und führte zur Zerstörung tieferer Theile
(Ohrknorpel), beim Menschen bewirkte er jedoch nur erythematöse, schup-
pende Plaques.
126 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Ein vom Hunde stammenderi rein gezüchteter Favus, von den zwei
vorhergehenden ebenfkiUs verschieden, fahrte, obzwar vereinzelt, zur Scutu-
lumentwicklung auf der menschlichen Haut; seine culturelle Rückimpfuag
reprodicirte wieder den ursprünglichen Hnndefavus. Sabrazes spricht
sich gegen die von Unna u. Xeebe behauptete Vielheit der Favnsarten
beim Menschen aus. Winternitz.
(2) Auf Grund von eingehenden Untersuchungen der bei der mensch-
lichen Trichophytie vorfindlichen Sitze kommt Sabourand zu folgenden
Schlüssen.
1. Die Parasiten, welche die menschliche Trichophytie erzeugen,
gehören zur Art Botrytis (Classe Mucedo), sind somit verwandt mit den
Botrytisformen, welche gewisse Erkrankungen der Seidenraupen (Muscardine)
und der Maikäferlarven hervorbringen.
2. Es gibt sehr reichliche Arten Trichophytie erzeugender Pilze.
3. Zwei davon sind die gewöhnlichen Ursachen der menschlichen
Mycose.
tt) Die eine, welche kleine Sporen von 3 /i im Durchmesser (ohne
Mycelium innerhalb der Affection) bildet, wird meist nur an behaarten
Partien gefunden. Sie ist die gewöhnliche Ursache der schweren, recidivi-
renden und decalvirenden Trichophytien des Kindesalters. Die Sporen er-
füllen die Haare und scheiden dieselben ein.
b) die zweite Art ist durch grosse Sporen, 7 — 8 f* im Durchmesser,
welche in Faden vereinigt sind, gekennzeichnet. Man trifft sie in dO*/o
der Mycosis tonsurans des Kindesalters, fast immer bei der Trichophytie
des Bartes und der kreisförmigen Flechte der allgemeinen Hautdecke,
speciell bei Fällen, die sich an eine Trichophytie des Bartes und der Haare
anschliessen. Ihr äusserst ähnlich und nur durch culturelle Eigenschaften ge-
schieden, ist eine andere grosssporige Art, die ebenso häufig bei den
kreisförmigen Mycosen der allgemeinen Hautdecke vorkommt. Eine zweite
grosssporige Art, die sich durch Ungleichheit der Sporengrösse und Fehlen
von Mycelien unterscheidet, wurde nur ein einzigesmal bei einer decal-
virenden Flechte eines Kindes gefunden.
Zwei Trichophytonarten, die gelegentlich gefunden und isolirt wurden
von denen die eine schwarze, die andere rothe Culturen bildet, scheinen
nur zufallige Befunde beim Menschen gewesen zu sein.
Bei der Inoculation, die von S. mit den Culturen der ersten vier
(bei der menschlichen Trichophytie gewöhnlich vorhandenen) Pilzarten
vorgenommen wurden, constatirte er ein sehr häufiges Fehlschlagen der
Impfung. Er empfiehlt die Impfgegend sorgfaltig zu sterilisiren, die Impfung
mit Stich vorzunehmen und die Keaction des Schweisses durch Zufuhr
von doppeltkohlensaurem Natron alkalisch zu machen.
Die beim Menschen vorkommenden Trichophytonarten sind von
einander verschieden, in ihren kennzeichnenden Merkmalen stetig; ein
Uebergang der einen in die andere Art ist nicht zu erzielen.
Winternitz.
der Dermatologie. 127
(8) In weiterer Verfolgung seiner schon früher referirten Untersu-
chungen über die Trichophytie erörtert Sabourant die Frage nach der
Identität der grosssporigen Trichophyten. Er kommt zum Schlüsse, dass
man auf günstigen und chemisch constanten Nälirböden, als deren bester
sich ihm 2 — 37o Zuckermaltose, mannithaltige Biermalzgelatine erwiesen,
rund neunzehn Arten (especes) von grosssporigem Trichophyton unter-
scheiden könne, deren Specificität durch die Beständigkeit der Charaktere
und die Unmöglichkeit, letztere zu modificiren, gegeben ist. Mit Aus-
nahme zweier makroskopisch differencirbarer Formen sei es klinisch kaum
möglich, die Trichophytien des Haares mit blossem Auge der Art nach
diagnostisch zu bestimmen. Auf dem behaarten Kopfe charakterisire sich
die Trichophytie des Pferdes durch Zuge mit tiefer Dermatitis, d. i. die als
Kerion Celsi bekannte Affection, diejenige der Katze durch grössere Aus-
breitung, nicht so scharfe Begrenzung und lebhafte an Verbrennung erin-
nernde Hautentzündung (feinste Bläschen). Andere specielle Formen der
Haartrichophytie, deren Anzahl bisher nicht bekannt ist, und die man
makroskopisch nicht zu unterscheiden vermag, sind mikroskopisch durch
ein besonderes Bild der Pilze gekennzeichnet. Von der Trichophytie der
allgemeinen Decke ist die Mehrzahl der Arten ebenso charakteristisch wie
ihre auf besonderen Nährböden gewonnenen Gulturen. Die folliculäre
Trichophytie (folliculite agminee trihophytique) ist durch das Trichopb.
des Pferdes, die schnell sich verbreitende circinäre Form (Trichopb.
circininee dysidrosiforme) ist durch ein besonderes, wahrscheinlich der
Katze entstammendes Tr. erzeugt. Aehnlichkeit und Ungleichheit der
Trichophytien erklären sich durch die Analogie der sie erzeugenden
Parasiten, die gleichwohl keine Identität bedeutet.
(4) Zur Stütze der Hypothese, dass die Trichophytonarten auch sapro-
phytisch vorkommen können, macht Sabourand folgende Gründe geltend:
1. Das Trichophyton erlangt auf der Haut keineswegs jenen Ent-
wicklungsgrad, wie auf künstlichen Nährböden. Es wird also, da es be-
deutend bessere Emährungsbedingungen ausserhalb des parasitischen
Lebens findet, wohl auch saprophytisch existiren.
2. Für seine saprophytische Existenz spricht auch die Analogie
mit anderen Pilzen, wie dem AspergiUus fumigatus, der Botrytis Bassiana,
die sogar zum Theil früher als Saprophyten denn als Parasiten bekannt
waren.
3. Man kann das Trichophyton auf verschiedensten natürlichen,
nicht weiter sterilisirten Nährböden, als Humus, Treibhauserde, faulem
Holz, Samenkörnern und auch in Flüssigkeiten, die bloss Mineralsalze
enthalten, züchten. Winternitz.
Venerische Krankheiten.
{Kedigirt von Prof. Nei89<er und Primararzt Jadafsohn in Breslau.)
Varia,
1. Kopp, Carl, lieber die Verwendung des Europhen (Isobutylorthocresol-
jodid) in der venereologischen Praxis. Therap. Monatsh. 1893. Heft III.
2» Eiehhoff, P. J. Ueber meine weiteren therapeutischen Erfahrungen
mit Europhen. Therap. Monatsh. 1893, Heft 1.
S. Rogner, v. Ueber Wundbehandlung mit Dermatol. Wiener medicin
Presse. 1891. 33.
4. Meisels, W. Das Comutin als Hämostaticum bei Blutungen derHam-
und Sexualorgane. Gyogyaszat 1891. Nr. 32.
h. De i*exalgi]ie. Revue de therapeutique. Ann. gen.-ur. 1892, p. 803.
ß. Wells. Notes on use of cocaine in genital irritation of men. The
Therapeutic Gazette. Mai 1892.
7. Binet, P. Sur une substance thermogene de Purine. Joum. pharm«
et chim. 1. Oct. 1891, p. 302. C. R. Acad. des soiences. C. XIH. 207.
Ref. Ann. gen.-ur. 1892, p. 561.
5. Variot und Besaazon. Influence de la secretion testiculaire sur le
developpement organique: independance de cette fonction et de la
Spermatogenese dans certains cas. Gazette med. de Paris. 1892. 25. Mai.
Ref. Ann. gen.-ur. 1892, p. 526.
9. Vialieton. La Spermatogenese chez les mammif^res et chez Phomme.
Lyon medical. Ref. Ann. gen.-ur. 1892, p. 286.
10. Guelliot. La numeration des spermatozoides. Ann. gen.-Qr. 1892, p. 27.
11. Lannegrace. Difference dans les fonctions exeroees sur la vessie par
les nerfs afferents du plexus hypogastrique. Acad. des sc. 28 Mars 1892.
Ref. Ann. gen.-ur. 1892, p. 557.
12. Delbet. Quelques recherches anatomiques et experimentales sur la
yessie et l'urethre. Annales gen.-ur. 1892, p. 168.
13. niatthew». The etiology, diagnosis and treatment of ulceration of
the rectum. The Journal of the Amer. medical associat. 14. Oct, 1898.
ArehiT f. Dermatol. n. Sypbil. Band XXYII. 9
130 Beriebt über die Leistungen auf dem Gebiete
14. Ottawa, J. Zur Aetiologie der trachomatösen Augenentzündung»
Centralbl. f. prakt. Augenheilkunde. 17. Jahrg. 1893. Juli, p. 196.
15. Eustaee, Marcus. Three cases of yenereal disease. Mission Hospital*
Quetta. Beluchistan. The Brit. Med. Joum. 22. April 1893.
(1) Kopp hat Fälle von Ulcus moUe, Bubonen und nässenden sy-
philitischen Papeln mit Europhen behandelt. Von 19 Fällen von Ulcus
moUe wurden 5 nach Petersen ausgekratzt und mit Europhen -Bor-
säurepulver (1:3) verbunden. Heilung in 4 bis 11 Tagen. In den
anderen 14 Fällen wurden die Geschwüre mit 1%« Sublimatlösung ge-
reinigt und dann 2 — 3 Mal täglich mit Europhen-Boraäurepulver bestreut.
Heilung durchschnittlich nach 17 Tagen. Die Heilungsdauer bei ausge-
kratzten Bubonen schwankte zwischen 14 und 32 Tagen, wobei sich das
Mittel als völlig reizlos erwies. Die Verwendung desselben zu localen
Zwecken bei nässenden luetischen Papeln schien Vorzüge vor der von
Kopp sonst geübten Behandlung mit der L ab arra quetschen Lösung
nicht zu haben. Karl Herxheimer.
(2) Eichhoff hat von den subcutanen Injectionen des Europhens
bei Lues deshalb Abstand genommen, weil es zu wenig Jod abspaltet,
und die positiven Erfolge daher den eventuellen Beschwerden nidit gleich
kommen. Dagegen empfiehlt er es als locales Mittel bei secundären
syphilitischen Affectionen. Ausserdem hat Eichhoff 31 Fälle von ülcera
mollia mit Europhen bei einer durchschnittlichen Heilungsdauer von
14 Tagen behandelt, ohne dass Bubonen oder locale Reizungen aufge-
treten wären. Nur das Ulcus molle elevatum heilte nicht durch alleinigen
Europhengebrauch, sondern die Wucherungen mussten ausserdem mehr-
mals mit Lapis geätzt werden. Karl Herxheimer.
(3) V. Rogner hat in umfangreichem Masse in der chirurgischen
Praxis Dermatol zur Verwendung gebracht. Bei Phlegmonen, Verletzun-
gen und anderen Fällen, als Streupulver, in Salbenform und als Gollodium ;
auch hat er eine Dermatolgaze hergestellt.
Stark eiternde Wunden reinigten sich angeblich in überraschend
kurzer Zeit, die Secretion nahm schnell ab. Brandwtmden heilten unter
dem von Dermatol gebildeten Schorf schnell. Auf gesunde Haut in der
Umgebung von Wunden hat Dermatol keinerlei reizenden Einfiuss. Verf.
hält das Dermatol iur dem Jodoform überlegen wegen seiner Ungiftig-
keit, Geruchlosigkeit und adstringirenden Eigenschaften. A. Brandt.
(4) Meiseis überzeugte sich an Thieren von der hämostatischen
Wirkung des Comutin, gleichviel, ob es per os gereicht oder in die
Blutbahn direct injicirt wurde. Im Anschluss hieran wandte Meiseis das-
Medicament in Dosen von einigen Milligrammen bei Blutungen in Folge
acuter Gonorrhoea urethrae, Cystitis etc. stets mit promptem Erfolge an.
Er empfiehlt deshalb ebenso wie Lewitzky (bei Metrorrhagien) das
Cornutin in Dosen von 0,015 pro die als ausgezeichnetes Hämostaticum.'
Galewsky.
(5) Delefosse bringt einen kurzen Artikel über die Literatur des
Exalgins und dessen Wirkungen. Er glaubt, dasselbe bei Neuralgien der
der Syphilis, 131.
Hamwege empfehlen zu sollen und gibt eine Anzahl Receptformulare
mit den Namen der betreffenden Autoren:
1. Dujardin-Beaumetz. Exalgine 2,50 Gr., Alcoolat de Menthe
10,0 Gr., Eau de tilleul 120 Gr., Sirop de fleurs oranger 30 Gr. Im Ess-
löffel 0,25 Gr. Exalgin.
2. Blancard. (Pariser Spitäler.) a) Sirop aromatique alcoolise,
der 0,20 Exalgin pro Löffel enthält b) Pastillen jede zu 0,05 Exalgin mit
0,018 Soda in Wasser zu lösen.
3. Bardet. Exalgin 2,5—5,0 Gr., Rhum 20,0—30,0 Gr., Eau di-
stille 100,0 Gr., Sirop. simple 30,0 Gr. Im Esslöffel 0,25 Gr.
4. Desire. Exalgine 0,25—0,75, Alcool ä 90* q. s. Sirop diacode
10,0 Gr., Eau distülee 90.0 Gr.
5. Gorodichze. Exalgine 0,80 Gr., Alcool 1,00 Gr., Eau de me-
lisse 100,0 Gr.
Dujardin-Beaumetz giebt 0,25—0,40 Exalgin auf einmal oder
0,40—0,75 auf 2 Dosen vertheilt im Tage. Desnos geht auf Tagesdosen
bis 1,75 Gr., aber die Einzelgabe überschreitet 0,25 Gr. nicht. Fräser
verwendet 0,03 — 0,1 mehrmals täglich. Vorsicht bei Nierenerkrankungen 1
Barlow
(6) Wells hat zur Bekämpfung von schmerzhaften Erectionen, von
Masturbation und Chorda mit sehr gutem Erfolge Cocain angewendet.
Nach dem Uriniren wird Abends eine 4%ige Cocain - Losung in die
Urethra eingespritzt. Lasch.
(7) Bin et hat aus dem normalen menschlichen Harne eine fieber-
erregende Substanz in folgender Weise gewonnen. 1 Liter Harn wird mit
Phosphorsäure angesäuert, dann kommt 1 — 2 Cgr. einer concentrirten
('hlorcalciumlösung hinzu und darauf wird mit Kalkwasser und Natron-
lauge neutralisirt, bis ein fleckiger Niederschlag entsteht. Dieser Nieder-
schlag wird dekantirt, auf einem Filter gesammelt, mit starkem Alkohol
gewaschen, getrocknet und endlich 2 — 3 Tage in Glycerin 10 Cc. zu
12 Cc. ausgezogen. Das 4- oder öfache Volum Alkohol zum Glycerin-
auijzug zugesetzt, gibt einen flockigen sich in Wasser lösenden Niederschlag.
Diese Substanz findet sich besonders im Harne Tuberculöser, aber
sie existirt auch im Harne von anderen Kranken und in etwas abge-
schwächter Activität bei Gesunden.
Besonders reagiren auf subcutane Injectionen mit Tuberculose ge-
impfte Meerschweinchen, aber auch junge gesunde Thiere und säugende
Weibchen.
Die Injection ruft eine Erhöhung der Temperatur um 1 — 2 Grad
hervor. Das Maximum der Erhöhung fallt in die 3. Stunde nach der
Injection, und das Fieber entsteht durchschnitthch in der 2. Stunde und
dauert 4-5 Stunden. Barlow.
(8) Variot und Besanzon glauben, dass auch Hoden, welche
keine Spermatozoen hervorbringen, nicht ohne Einwirkung auf die Entwick-
lung des Organismus seien. Diese Ansicht scheint gestützt durch den
Umstand, dass Leute, deren Testes zur Fortpflanzung untauglich sind,,
9*
132 Bericht über die Leisttnxgen auf dem Gebiete
dennoch aUe Kennzeichen der Mannbarkeit erhalten. Woran das Aus-
bleiben der Spermatozoen im einzelnen Falle liegt, lasst sich heute noch
nicht entscheiden. Bar low.
(9) Vialletons Ausführungen lassen sich in Folgendem zusammen«
fassen :
1. Eigentliche Spermatogenese.
Ä) die Spermaerzeugung geht vor sich, indem die die Wand der
Samencanälchen auskleidenden Zellen durch Kariokinese Tochterzellen
hervorbringen, welche durch wiederholte Zweitheilung je 4 Spermatiden
produciren ;
B) diese letzteren, zu Gruppen vereinigt, sitzen zwischen den in
ihrer Entwicklung weniger vorgeschrittenen Spermatiden;
C) in diesen Zwischenräumen sammelt sich eine zähe Zwischen-
zellensubstanz an, welche die Spermatiden mit den Grundzellen verbindet ;
D) die Spermatiden fallen nach ihrer Transformation in Sperma-
tozoen in das Lumen der Canälchen.
2. Die Production eines Spermatozoon ist zurückzufuhren auf die
Pifferenzirung einer in der Mutterzelle enthaltenen Substanz, entstanden
nach successiven Proliferationsvorgängen und Metamorphosen derselben.
3. Die Reifung der Spermatozoen beginnt, wenn sich ein Spermato-
cyte zweimal nach einander ohne Intervalle mit Production von 4 Sper-
matiden theilt. Die Reifung besteht in einer Reduction chromatischer
Substanz . B a r 1 o w.
(10) Mit Bezugnahme auf eine Publication Lodes (Ges. d. Wiener
Aerzte, ref. Ann. gen.-ur. 1891 Dec.) über die Quantität der Spermatozoen
im menschlichen Samen, die dieser Autor auf 225 Millionen pro Ejacu-
lation angibt, verö£fentlicht Guelliot seine Methode der Spermatozoen-
zählung, die zu etwas anderen Zahlen führte. Er mischt eine Quantität
Sperma (wie viel? Ref.) mit 100 Wasser und 20 AlkohoL Ein Tropfen
dieser Mischung kommt in den Hagen-Hechel'schen Zählapparat und wird
darin 10 Minuten in Ruhe gelassen, damit die Spermatozoen sich absetzen.
Das Resultat, das G. mit seinem Verfahren erzielt, ist die Zahl von
4126000 Spermatozoen pro Ejaculation. Bar low.
(ll)Lannegrace bat an 150 Thieren Nerven, welche mit der
Blase in Verbindung treten, durchschnitten und Folgendes gesehen : 1 . Bei
Durchschneidung der Sympathie! keine Veränderung. 2. Bei Trennung der
Hypogastrici medulläres oder Sacralnerven Auftreten von Retention, die
durch einen Spasmus des Blasenhalses bedingt war. 8. Bei combinirter
Durchschneidung der Hypogastrici und Sacralnerven Paralyse der Blasen-
wand. 4. Bei nur einseitiger Nerventrennung keine Veränderungen. Cathe-
terismus wirkte in den gelähmten Blasen verhängnissvoll. Bar low.
(12) Delbet macht mit Hilfe zahlreicher Abbildungen und genau
in ihrer Anordnung angeführter Versuche auf verschiedene wichtige
anatomische Verhältnisse der Blase wie der Urethra aufmerksam. Beson-
ders ausführlich beschäftigt er sich mit den Bedingungen, unter denen
hei Druckanwendung mittelst Injectionsflüssigkeiten eine Zerreissung der
der Syphilis. 138
UrethralBchleimbaat zu Stande kommt. Nach seiner Meinung reisst die-
selbe regelmassig in der Pars spongiosa und Injeotionsflüssigkeit dringt
dann direct in die Venen dieser Partie ein. Hieran knüpfen sich längere
Ausführungen über die Pathologie des Urinfiebers, welche im Originale
eingesehen werden müssen. Bar low.
(IS) Der Artikel von Matthews enthält nichts Neues. Koch.
(14) Ottawa beschreibt einen Fall, in welchem nach seiner festen
TJeberzeugung ein Trachom in directem Anschluss an und durch eine
Gonorrhoe entstand, und einen weiteren, in welchem ein Trachom durch
eine antiluetische Behandlung heilte. (In einem 8. Falle soll Scrophulose
die Ursache des Trachoms gewesen seini Ref.) Jadassohn.
(15) Eustace berichtet zunächst über ein phagedänisches Geschwür
der Zunge bei einem 2QJ ährigen Indien Das Ulcus nahm in Grösse eines
Schillings die Stelle ein, wo die Zungenspitze gewesen war, und dehnte
sich mit rapider Schnelligkeit aus. Unter interner Behandlung mit Liqu.
ferri perchlor, und 48tündlich 10 Gr. Chinin und Aetzung der erkrankten
Fläche mit Acid. carbol. pur. Heilung in 12 Tagen. Die Zunge war bis zum
Frenulum zerstört. Der 2. Fall betrifft einen 22jährigen Eingeborenen mit
charakteristischem Primärafiect der Zunge, Drüsenschwellung und secun-
därer Syphilis. — Im 3. Falle handelt es sich um einen 25jährigen Moham-
medaner, der an der Oberlippe ein schiUingstückgrosses Geschwür hatte
mit Drüsenschwellung an beiden Seiten des Halses. Keine Anzeichen von
secundärer Syphilis noch ülceration im Rachen. Der Geschwürsgrund war
hart, die Haut war '/^ Zoll ringsumher infiltrirt, doch fehlte das glänzende
Aussehen und das Gefühl, als ob eine Knorpelscheibe in dem Geschwür
läge, wie es bei echtem hartem Schanker ist. Das Geschwür wurde mit
Lotio nigra bebandelt und der Patient erhielt halbstündlich Tag und Nacht
Vii gran Calomel. Am Abend des 8. Tages beginnende Heilung. Später —
Beobachtung noch 1 Monat — keine secundären Symptome.
Sternthal.
Verbreitung und Prophylaxe der venerischen
Krankheiten. Prostitutionswesen.
1. Bla§chko. Zur Prostitutionsfrage. Berl. med. Gesellschaft. 30. März
1892. Ref. Deutsche med. Wochenschr. 1892. Nr. 14, 18, 19, 24, 25.
27. April, 4. Mai, 4. Juni, 15. Juni 1892.
2. Barthel^my. Syphilis et sante publique. Paris 1890.
3. Petrini. Prophylaxie de la syphilis en Roumanie. La Boumaine medi-
cale. Avril. 1893. Nr. 2.
4. Cmdell, Tommasi. La prostitution d^£tat en Italic. Revue de morale
progressive. Mai 1892. Ref. im Joum. des mal. cut. et s^ph. 1892, p. bll"
134 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
5. Moeller. La reglementation en Belgiqne au point de vue sanitaire.
Comite de la federation britannique et continentale. Joum. des mal.
cut. et syph. 1892, p. 872.
6. Ronqilillo. Interrogatorio de las prostitutas. Gaceta sanitaria de Bar-
celona. Juni 1892. Bef. im Joum. des mal. cut. et syph. 1892, p. 572.
7. Birkbeck Heviiis. Les maladies veneriennes dans Parmee anglaise
(at home) avant rintroduction des actes sur les maladies contagieuses,
pendant leur application et depuis leur suppression. Comite de la
federation britannique et continentale. Congres de Bruxelles. Journal
des mal. cut. et syph. 1892, p. 355.
8. Fiaux. Note sur la rarete des maladies veneriennes dans la population
ouvrienne de Paris. Gaz. des höpitaux. 7. März 1893. Nr. 28.
9. Ledermami, R. Zur Behandlung geschlechtskranker Cassenmitglieder.
Medic. Reform. 1893. Nr. 19.
10. Gollmer. Die Antragsteller, welche an Syphilis gelitten haben, vom
versicherungspflichtigen Standpunkte. Monatsblätter för die Yertranens-
ärzte der Lebens versicherungsbank zu Gotha. Jahr. VII, Heft 3 u. 4.
11. SchmalfÜSS. Das Ammen wesen in Hamburg. Deutsche Tiertelj. fiir
öffentl. Gesundheitspflege. 25. Bd. 1. Heft. 1892, p. 93 u. ff.
(1) Blaschko spricht sich im Gegensatze zu der Mehrzahl der
Dermatologen gegen die Bordelle aus; er fuhrt für seine Ansicht die zu
Anfang dieses Jahrhunderts in Paris aufgestellten Statistiken an, nach
welchen die venerischen Erkrankungen in Bordellen viel zahlreicher als unter
der freien Prostitution waren (12% gegen 7% bei Lues, 25*5 gegen 15V9
bei den übrigen Geschlechtskrankheiten), femer die Ansicht Bergs in
Kopenhagen. Er gibt ferner an, dasä z. B. in Hamburg mehr als die
Hälfte aller Geschlechtskrankheiten, bei denen die Quelle der Infection
ermittelt werden konnte, in den Bordellen erworben worden sei. In
Berlin habe seit Aufhebung der Bordelle (1850) die Zahl der venerischen
Erkrankungen rapid abgenommen, was Blaschko durch mehrere Curven
demonstrirt, aus welchen hervorgehen soll, dass die Anzahl der Erkran-
kungen von lOOVo auf 25 '/o gesunken sei. Vortragender gelangt schliesslich
nach eingehender Besprechung der geheimen Prostitution etc. zu dem
Schlüsse, dass die gewerbsmässige Prostitution, die eingeschriebene wie
die nicht eingeschriebene, gefahrlicher sei, als die verbreitete gelegentliche
Prostitution. Er verlangt in Folge dessen, man solle den Versuch, die nicht
gewerbsmässige Prostitution unter Controle zu bringen, aufgeben und
will nur die gewerbsmässigen Prostituirten polizeilich beaufsichtigt wissen.
Die Untersuchung gehört in die Krankenhäuser, wo sich die Behandlung
unmittelbar anschliessen könne. Vortragender bespricht zum Schluss noch
allgemein hygienische Massregeln, die Beschränkung des Krankencassen-
gesetzes bezüglich der venerisch Kranken etc.
Max W o 1 f f bespricht den Werth der mikroskopischen Untersuchung
bezüglich der Gonorrhoe und constatirt eine Zunahme der Gonorrhoe und
Abnahme der Lues in den Charit e-Statistiken.
der Syphilis. 135
G. Lewin hält ebenfalls die Bordelle für schädlich und schlägt die
Centralisation der Untersuchung der Prostituirten vor.
Güterbock leugnet , dass der Gonococcenbefund für die Infectiosität
spreche (! I).
Bosenthal schliesst sich bezüglich der Bordelle den Ansichten
Blaschko's und Lewin's an, er räth zur Jmwandlung der Sittenpolizei in
eine hygienische, die Decentralisation der Untersuchung in Berlin, die Ein-
richtung Yon Specialkrankenhäusem.
S. Neumann bezweifelt, dass das Blaschko'sche Zahlenmaterial
brauchbar sei for die Feststellung der Zu- oder Abnahme der Lues in
Berlin, auch er wendet sich gegen das oben erwähnte Krankencassengesetz.
Yillaret constatirt ebenfalls die Abnahme der venerischen Krank-
heiten nach der Armeestatistik (far Berlin eine Abnahme der Syphilis
um 2'3%, der venerischen Krankheiten um 29*4%, far Leipzig entsprechend
von 15% und 14%, fiir die deutsche Armee für Lues von 33V»» ^r Ulcus
molle und Bubo von 4JS\, für Gonorrhoe und deren Folgekrankheiten
von 137o)* Was die Ausbreitung der Syphilis anbelangt, so variirt dieselbe
von 53 pro Mille im XII. sächsischen bis zu 21 pro Mille im XIII. württem-
bergischen Armeecorps.
George Meyer hält die Bordelle für nützlich, glaubt aber nicht,
dass es möglich sein dürfte, alle Prostituirten einzurangiren. Er wendet
sich femer gegen die Einseitigkeit der Blaschko'schen Statistik und be-
antragt schliesslich die Wahl einer Commission zur Bearbeitung der
Prostitutionsfrage.
Yirchow bittet die praktischen Folgen der Discussion zu beachten
und praktische Massregeln zur Bekämpfung der Syphilis vorzubringen.
Er steht Bosenthal gegenüber auf dem Standpunkte, dass die Spuren der
Syphilis nirgends über die Zeit der Entdeckung Amerikas hinausreichen.
Lewin bezeugt nach seinem statistischen Material, dass die ge-
heime Prostitution mehr zur Verbreitung der Syphilis beitrage als die
controlirte. Lewin wendet sich sehr energisch gegen Blaschko^s Ansicht
imd stutzt sich dabei auf Foamier, Mauriac, Parent-Duchatelet etc.
Kleist empfiehlt nach dem Beispiele Bremens facultative Bordelle,
er befürwortet ebenfals die Stellung der Prostituirten unter Polizei- imd
Sanitäts- Aufsicht. An der Discussion betheiligen sich noch Zadek,
Lewin und zum Schluss nochmals Blaschko.
Der Antrag Meyer wird hierauf angenommen und eine Commission
von 12 Mitgliedern gewählt. Galewsky.
(2) Barthelemy bespricht eingehendst die Bedeutung der Syphilis
für das allgemeine Wohl; das beiweitem häufigere Vorkommen der Lues
bei nicht reglementirten Mädchen (Kellnerinen etc.) als bei Prostituirten,
die Infectionsgefahr, welche namentlich letztere darbieten, die hereditäre
Lues u. s. w. Er betont ausdrücklich den Werth der Prophylaxe und den
einer geordneten regelmässigen Ck>ntrole. Galewsky.
(3) Petrini bespricht die Bedeutung der Syphilis im Allgemeinen
und in Rumänien im Besonderen. Interessant ist, was er über die Aus-
186 Bericht über die Leistvagen auf dem Gebiete
breitung der Syphilis auf dem Lande mittheilt, wel^e dort wesentlich
auf extragenitalem Wege zu Stande kommt Er verlangt eine Beanf-
fticbtigung der Prostitation nicht bloss in den grossen Städten, eine Controle
der geheimen Prostituirten in Bucarest, die Weiterbeobachtung der nach
syphilitischer Erkrankung aus dem Hospital Entlassenen. Dass in Deutsch-
land durch solehe Massregeln die Syphilis „fast rerschwnnden'^ ist, ist
leider eine zu optimistische Anschauung. Jadassohn.
(4) Grude li schildert die Anstrengungen, welche in den letzten
Jahren in Italien zur Unterdrückung der Reglementirung der Prostitution
gemacht wurden. Nachdem im Jahre 1860 durch ein Ministerialdecret die
Bordelle gesetzlich gestattet und andere sittenpolizeiliche Vorschriften
erlassen worden waren, wurde dies Decret 1888 widerrufen, und seitdem
verbreitet sich die Lues ungeheuer; mehrfache Beschlüsse des Parlaments
und Petitionen blieben in dem Schreibpult der Minister liegen. In der
letzten Zeit bemächtigte sich die Presse und die italienische medicinische
Gesellschaft auf dem Congress zu Siena der Sache und verlangt eine
gesetzliche Regelung der Frage, vor Allem die Gründung von unter specia*
listischer Leitung stehenden Polikliniken for venerische Krankheiten.
Paul Neisser.
(5) Mo eil er hat die venerischen Erkrankungen in der belgischen
Armee in dem Zeitraum von 1868 — 89 statistisch zusammengestellt und
kommt dabei zu dem Resultat, dass die Reglementirung der Prostitation
und die sanitatspolizeiliche Untersuchung mit der Abnahme der Erkran-
kungen nicht in Zusammenhang stehe. So sei in zwei Garnisonen, in
Beverloo und Diest, die Abnahme der venerischen Erkrankungen am
deutlichsten zu constatiren und gerade dort gebe es keine Reglementirung.
Verf. steht also entschieden auf dem Boden des Abolitionismus.
Paul Neisser.
(6) Ronquillo schildert die in den spanischen Bordellen beste-
henden Einrichtungen, die sich in Nichts von denen anderer Lander
unterscheiden. Zum Schluss spricht sieh Yerfetsser für ihre Aufhebung
sowohl aus moralischen, wie aus hygienischen Gründen aus, da die Inhaber
die erkrankten Puellen der Untersuchung zu entziehen wissen und sie
trotz ihrer Krankheit häufig zur Ausübung ihres Gewerbes und dadurch
zur Verbreitung der venerischen Krankheiten zwingen.
Paul Neisser.
(7) Birkbeok Nevins, ein strenger Abolitionist, stellt m einer
Statistik die syphilitischen Erkrankungsfalle in der englischen Armee aus
den Jahren 1860 — 89 zusammen. Bekanntlich war im Jahre 1866, haupt-
sächlich wegen des schnellen Anwachsens der Lues in der Armee
ein Gesetz zur Regelung der Prostitution erlassen worden, welches im
Jahre 1882 wieder aufgehoben wurde. Vortrageader behauptet, dass
trotz der sanitätspolizeilichen Untersuchungen der Puellae publ. die Lues
in der Armee in diesen Jahren zugenommen habe, während sie seit der
Abschaffhng dieses Gesetzes in stetigem Abnehmen sei. Auf die Verhältnisse
in der Civilbevölkerung könne man aus den jährlichen Recrutenunter-
der Syphilis. 187
sachnngen schlieBseii : in den letzten 5 Jahren des Bestehens des Gesetzes
▼Ott 78-*82 seien 11,1 pro ndlle, in den letzten 6 Jahren nach Aufhebnng
desselben 8,1 pro mille wegen Lues znrfickgestellt worden. Todesfälle
an Lues seien in den letzten 7 Jahren vor dem Gesetze 68, während
seines Bestehens 84, nach seiner Aofhebnng 76 pro 1,000.000 vorge«-
kommen. Vortragender folgert daraus in Uebereinstimmung mit allen
anderen auf dem Gongress sprechenden Engländern, dass, abgesehen von
der moralischen Seite auch in hygienischer Beziehung die Reglementirung
der Prostitution zu verwerfen ist, während der Genter Chefarzt, Cruyl, den
Staat für berechtigt und verpflichtet hält, im Interesse seiner Unterthanen
und zum Schutze derselben Ausnahmegesetze gegen eine gewisse Kategorie
von Menschen zu erlassen. Paul Neisser.
(8) Fiauz hat vom 1. September 1888 bis 81. December 1892 unter
6679 Arbeitern in Paris, die er auf venerische Krankheiten untersuchte,
nur 12 Gonorrhoen, 2 Ulcera moUia mit Bubonen, 1 Syphilis gefunden —
wohl nur ein Beweis dafür, wie unvollkommen diese Untersuchung war.
Jadassohn.
(9) Ledermann bespricht die allgemein giltigen Principien für
die Behandlung geschlechtskranker Cassenmitglieder. Verfasser steht in
den Hauptfragen auf dem Neisser'schen Standpunkte; die Arbeit, welche
hauptsächlich für den prakt. Arzt berechnet ist, enthält deshalb nichts
wesentlich Neues. Galewsky.
(10) Gollmer vergleicht (nachdem er erwähnt hat, dass die Gothaer
Bank luetische Antragssteller ohne syphilitische Symptome, bei welchen
seit 3 Jahren kein Recidiv erfolgte, aufnimmt) die Gutachten europäischer
Aerzte und Bankdirectoren, die Dr. £. in Hamburg far die Mutual Life
Ins. Co. einholte. Derselbe hatte sich dahin ausgesprochen, dass frühere
Luetiker entweder auf Lebenszeit ohne Zuschlagsprämie oder mit Ab-
kürzung zu versichern seien, da die Syphilis auf die Lebensdauer keinen
Einfluss übt. Gollmer schliesst: 1. Syphilis ist heilbar. 2. Das
Princip der Gothaer Versicherungsbank ist richtig und durchfahrbar;
Gollmer wünscht sogar schon vor Ablauf der 3 Jahre Luetiker versichern
zu dürfen, wenn sie nachweinen, dass ihre Lues durch prophylaktische
intermittirende Hg-Behandlung nicht vernachlässigt worden ist.
Galewsky.
(11) Hamburg soll nach Ansicht von Schmal fuss die einzige
Stadt in Deutschland sein, in welcher die Ammen amtlich untersucht
sein müssen, bevor sie einen Dienst antreten dürfen. Der Autor gibt
eine Uebersicht über die Entwickelung des seit dem Jahre 1822 beste-
henden Untersuchungswesens. Aus der jetzt (seit 1890) zu Recht beste-
henden Untersuchungsordnung mag Folgendes hervorgehoben werden. Jede
Amme, welche in Dienst zu treten wünscht, meldet sich bei der Polizei-
behörde, welche die Legitimationspapiere prüft; sind diese in Ordnung,
so findet die ärztliche Untersuchung von dem staatlicherseits an-
gestellten Ammenarzt statt. Der polizeiliche Erlaubnissschein sowie das
ärztliche Gesundheitsattest haben nur für 8 Tage Giltigkeit; letzteres
138 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
muBs, falls während dieser Zeit ein Dienst nicht angetreten ist, verlängert
werden. Vom Ammendienst sind unbedingt znrackznweisen : 1. Alle syphi-
litischen oder syphilisyerdachtigen Ammen. 2. Alle mit Tripper oder
weichem Schanker behafteten Individuen. 8. Alle tubercolösen Personen
(Kehlkopf, Lungen, Drüsen, Knochen, Gelenke, Haut). Die Besiduen aus-
geheilter tuberculöser Processe, Drüsennarben etc. sind auf dem Erlaubnisse
schein unter Bemerkungen zu notiren. 4. Alle Krebskranken. 5. Alle solche,
bei denen seit der Entbindung ein Jahr oder längere Zeit verflossen ist.
6. An Mastitis leidende. Selbstverständlich hat der Ammenarzt das Recht,
Ammen auch aus anderen als den obengenannten Gründen zurückzuweisen,
wenn es ihm aus ärztlichen Gründen nothwendig erscheint. Yorläuflg
zurückzuweisen sind: 1. Unreinliche. 2. Mit Ungeziefer Behaftete. 8. Mit
ausgedehnterem Ekzem und mit einem örtlichen Ekzem oder einem an-
deren Hautausschlag der Brüste versehene Individuen. 4. Solche, bei denen
an beiden Brustwarzen Schrunden bestehen. Von dem Nutzen der obliga-
torischen Untersuchung überzeugt man sich durch folgende Statistik:
1890 1891
In Procenten wurden zugelassen 75*0 76*7
vorläufig zurückgewiesen 16*2 15*8
definitiv zurückgewiesen 8*8 8*4
100-0 ~99'9~
Natürlich kann bei noch so gründlicher Untersuchung ein absoluter
Schutz gegen Infection, speciell Syphilis und Tuberculose, nicht geboten
werden, sondern nur ein relativer. Auch wird die Aufgabe des Hausarztes,
der namentlich Quantität und Qualität der Milch untersuchen wird, durch
die amtliche Controle nicht illusorisch. A. Philippson.
Venerische Helkosen.
1. Attdry. Bacteriologie clinique du chancre et des blennorrhagies
compliquees. Gazette hebd. de Med. et de ther. 1893. 9.
2. Rivi^re. Bacillus des Ulcus molle. See. d^anatomie et de physiologie
de Bordeaux. 17. Aprü 1893. Ref. Gazz. d. ospitali. 11. Mai 1893.
Nr. 56, p. 591.
8. Gil^rt. Contribution ä Petude etiologique du chancre mou. Gaceta
sanitaria de Barcelona. April 1892. Ref. im Joum. des mal. cut. et
syph. 1892, p. 388.
4. Balzer. De la gangrene des organes gSnitaux. La medecine moderne.
Nr. 55. 12 juiUet 1893.
5. Legrain, E. Multiple Ghancreentwicklung; hectisches Fieber. Behand-
lung mit heissem Wasser. Annales de Dermat. et de Syphil. 1892,
p. 931—934.
6. Görde8. Ein Fall von Ulcus molle gangraenosum vag^inae. Central-
blatt für Gynäkologie. 1893, p. 59.
der Syphüis. 139
7. Drimpelmaon, K. Blutung aus einem Ulcus molle. Protokoll der
Sitzung der ärztlichen Gesellschaft in Eostroma. Lief. 1, p. 10.
8. Cordier. Traitement des Ghancres sous phimosis. Societe des sciences
m6dicales de Lyon. Joum. des mal. out. et syph. 1892, p. 844.
9. Tmka. Die Behandlung eitriger Bubonen der Leiste durch subcutane
antiseptische Durchspülung. Wiener medic. Wochenschr. Nr. 9. 1893.
10. Si*dgewlck, Francis. On the treatment of bubo, on excision and
the attempt to secure union by first intention of the wound afterward.
Read before the Suffolk district surg. soc. Boston. 7. Dec. 1892. Joum.
of cut. and gen.-ur. dis. Febr. 1893.
11. Bfrousse, A. und Botbezat, P. lieber den Werth der Welander'schen
Abortivbehandlung der Bubonen. Annales de Dermat. et de Syphil.
1893, p. 347—353.
12. Broiisse. Behandlung der Bubonen nach Welander. Montpellier med.
1893. Nr. 7, p. 133.
13. SherrU. Buboes and their treatment. The New- York medical joumaL
28. Oct. 1893.
(1) I. Der weiche Schanker: Alle Untersuchungen die Audry ge-
macht hat, beziehen sich auf den Eiter. Als Färbemittel hat ihm die
besten Dienste das Boeck'sche Methylenblau geleistet. £r bestätigt die
Krefting'schen Befunde, hält die Krefting^schen und Unna'schen
Bacillen für wahrscheinlich identisch und gibt von seiaen Untersuchungen
folgende Resultate an : Die Bacillen finden sich bald isolirt, bald in Gruppen,
selten in Ketten, bald ausserhalb der Eiterkörperchen, bald innerhalb der-
selben, bald sehr zahlreich, bald nur sehr vereinzelt. Das Gulturverfahren
wurde nicht versucht. Die Untersuchungen erstreckten sich:
1. auf das Secret des ursprünglichen Ulcus molle. Hier legt der
y. nur denjenigen Befunden W.erth bei, die er von nicht in Präputial-
sack resp. nicht in der Vulva oder weiblichen Urethra sitzenden Schan-
kem erhalten;
2. auf das Inoculationsgeschwür. In allen Fällen, in denen die In-
oculation positiv ausfiel, konnte Audry die Bacillen nachweisen;
3. auf den Buboneneiter. Von 4 Fällen war Y. 3mal nicht im Stande,
im Eiter die Bacillen zu finden; dagegen gelang es ihm im 4. Falle, sie
im Eiter und ebenso in den mit dem Eiter erzeugten Inoculationspusteln
nachzuweisen. Für die ersten Fälle der Nichtinfectiosität des Bubonen-
eiters gibt es 2 Erklärungen: entweder die Bacillen haben an ihrem In-
vasionsorte Stoffwechselproducte gebildet, deren Aufnahme durch die
Lymphbahnen zur Drüsenvereiterung geführt hat ; oder die Bacillen waren
ursprünglich am Locus morbi vorhanden und sind erst später verschwunden.
Lasch.
(2) R i V i e r e hat die zuerst von D u c r e y beschriebenen, von Unna
Streptobacillus genannten Bakterien in vielen Inoculationsschankem ge-
funden, aber auch in Geschwüren nach der 4. Generation noch mit anderen
Bakterien vermischt. Die bisher angegebenen Färbungsverfahren (Ducrey,
]40 Bericht über die Leistungen aof dem Gebiete
UnoA, Quinqnaud und Nieolle) haben ihm nur massige, die Kuhn ersehe
Färbung aber sehr gute Resultate ergeben. Jadassohn.
(3) Gibert behauptet, dass die Infeetiositat und Inoculirbarkeit des
Ulcus molle nicht nur auf dem ihm eigen thümlichen Virus, sondern auch
auf dem Eiter und dem in demselben enthaltenen Staphylococcus pyogenes
aureus beruhe. Paul Neisser.
(4) Balz er g^bt eine kurze, übersichtliche Darstellung der Patho-
logie und Therapie des phagedänischen Schankers. Der Artikel enthält
nichts Unbekanntes. Kochu
(5) Legrain berichtet über einen Fall, bei dem sich im Anschlüsse
an einen weichen Chancre, der am Scrotum localisirt gewesen, zuerst ein
chancroser Bubo und später in mehrfachen Schüben sehr zahlreiche Chancre-
geschwüre an den untern Extremitäten und am Stamme entwickelten.
Hektisches Fieber (Morgens 87,5*, Abends 89*) und allgemein septicä-
mische Erscheinungen begleiteten die Ausbrüche. Nachdem Jodoform-,
Borsäure- und Salolverbände nicht viel genutzt hatten, bewährten sich
tägliche warme Bäder von 80* bis 89* auTs Beste, indem die Geschwüre
sehr rasch heilten und die allgemeinen auf Resorption zu beziehenden Er-
scheinungen ebenso schnell schwanden. Winternitz.
(Vi, Gör des berichtet über eine Patientin, welche, vor 5 Wochen
inficirt, seit 3—4 Wochen über heftige Schmerzen an den Genitalien klagte,
die sie zuletzt sogar am Gehen hinderten. Bei der Untersuchung ergab
sich, dass das ganze Scheidenrohr vom Introitus vaginae bis zur Portio
hin in den oberflächlichen Partien, zum Theil mehr als 1 Ctm. tief, gan-
gränös war; die Infectionsstelle schien an der linken vorderen Scheide-
wand zu sitzen. Nach Entfernung alles Gangränösen und Auskratzung
mit dem scharfen Löffel Ausspülung mit l*/g Creolinlösung und dann
Jodoformgazetamponade. 4 Tage später trat unter urämischen Erschei-
nungen (Pat. war im 5. Monate gravida) der Exitus, kurz vorher
Abort ein. Die Section ergab, dass die Uterusinnenfläche mit diphtherie-
ähnlichen Massen belegt und die Nieren um das Doppelte vergrössert waren.
Jod war vorher im Urin nicht nachgewiesen worden. Paul Neisser.
(7) Der 18jährige Kranke Drimpelmanns war seit 8 Wochen von
einem Heilgehilfen wegen Ulcus molle mit Jodol und Sublimatwasehungen
behandelt worden. Nach 8 Wochen die erste Blutung mit Tamponade,
2 Tage darauf die zweite mit Liquor ferri sesquichl. gestillt. Tags darauf
die dritte, die der Heilgehilfe auch noch zum Stehen brachte. Bei der
vierten Blutung wurde D. hinzugezogen, fand den Kranken schon recht
anämisch. Im Sulc. retroglandul. rechts, beinahe am Frenulum ein tiefes
Ulcus von Bohnengrösse, das die Eichel ziemlich stark arrodirt hat. In der
Mitte des Grundes eine spritzende Arterie. Kulte, Druck und eine schwache
Lösung von Fe, Gl« fahrten nicht zum Ziel. Unterbindung der Arterie
mit Gatgut. Verband mit 5*/, GarbolöL Keine Nachblutung, in 8 Wochen
verheilt. Strauch.
(8) Gordier empfiehlt bei mit Phimose complicirten Ulcera
mollia vor der Gircumcision 1 — 2 Gbctm. einer gesättigten Ghlorzinklösung
der Syphilis. 141
(50,0 Chlorzink: 40,0 Aq. dest.) in die Phimose zu injiciren und diese
Lösung 1 — 2 Minuten einwirken zu lassen. Nach dieser Aetzung steht G.
nicht an, nach der Circumcision selbst in ulcerirte Stellen Suturen zu
legen, die er stets halten und per primam heilen sah. Paul Neisser.
(9) Trnka empfiehlt für mehrverzweigto, noch nicht vollst&ndig
verflüssigtes Drüsengewebe enthaltende, grosse Bubonen der Leiste folgende
Behandlung: Er macht an der Peripherie des Abscesses mehrere einfache
Ineisionen, fuhrt an einer Stelle (rlascanülen oder Quttaperchadrains ein
und spült die Höhlen so lange mit schwachen desinficirenden Lösungen
von Kochsalz, Kali hypermanganicum etc. durch, bis die Lösung wieder
rein ausfliesst. Hernach injicirt T. S'/o Carbol- oder IVoo Thymol-Lösung
bis zur Füllung der Höhle bis zur alten Grösse, belässt die Lösung durch
einige Minuten darin, spült hierauf wieder mit Kochsalzlösung durch,
injicirt etwas Jodoformemulaion und legt nun einen Gompressionaverband
(Trockendruckverband) an. Eventuell findet 1 — Smalige Wiederholung des
Verfahrens nach je 4 — 5 Tagen statt. Heilungsdauer durchschnittlich
14—20 Tage. K. Ullmann.
(10) Sedgewick hat bei einer grösseren Anzahl von Exstirpationen
syphilitischer, schankröser, gonorrhoischer, tuberculöser und traumatischer
Bubonen stets die Wundrander nach der Operation vereinigt und mit
wenigen Ausnahmen immer eine Heilung durch prima Intentio erzielt.
Er entfernt das ganze erkrankte Gewebe radical, beseitigt, wo es noth-
wendig, die necro tische Haut, und desinficirt. nach grundlichem Curette-
ment die Wunde mit sterilisirten Schwämmen oder mit solchen, die mit
einer schwachen Sublimatlösung getrankt sind. Er warnt vor der An-
wendung starker Antiseptica und bedient sich am liebsten zur Reinigung
der Wunden sterilisirten Wassers oder schwacher Borsäure oder Kalium-
permanganatlösungen. Im Durchschnitt betrug die Heilungsdaner bei er-
folgter prima Intentio 16 Tage (die kürzeste 11, die längste 28 Tage).
Die mittlere Heilungsdauer betrug bei allen Wunden, welche mit Granu-
lation heilten, 34 Tage. Ledermann.
(11) Brousse und Bothezat sprechen sich auf Grund einer Unter-
suchungsreihe von 10 Fällen, von denen 9 trotz Injection zu Vereiterung
der Drüsen führten und die Incision nöthig machten, gegen We lande rs
Verfahren aus. Die nach der Injection auftretenden Allgemeinerscheinungen
beziehen sie auf die durch die Injectionsnadel gemachte Verletzung, die
den in der Drüse enthaltenen Mikroben eine Eingangspforte (in den Or-
ganismus) schafft. Winternitz.
(12) Brousse berichtet über die Resultate, die er in 5 Fällen mit
der bekannten Behandlungsmethode der Bubonen nach Welander er-
zielte. Nur in einem Falle konnte er die Eiterung verhindern. Stets
beobachtete er nach der Injection locale Reaction, Fieber und allgemeine
Krankheitserscheinungen.
(13) Die Arbeit Sherrils enthält nichts Neues.
142 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Gonorrhoe und deren Complieattonen.
1. Abel. Yereinfaclmng der Methode zur Gonococcenoultur. Greifswalder
med. Verein. 3. Dec. 1892.
2. Bienge, Ein Beitrag zur Cultur des Gonococcus. Centralblatt für
Gynäkologie. 1893, p. 154.
3. WoUr, M. Culturen von Gonorrhoecoccen. BerL medic. G^sellschatt
15. Jnni 1892. Deutsche med. Wochenschr. 1892. Nr. 25, p. 591 und
Nr. 28, p. 657.
4. Audry. Bacteriologie clinique du chancre et des blennorrhagies
compliquees. 11. Gaz. hebd. et de M6d. et de chir. 1893. Nr. 9.
5. Hagounenq, L. et ^rand, J. Sur le microbe pathogene de l'orchite
blennorrhagique. Academie des scienoes. 20. Feber 1893. La Semaine
iii^leaie. 1. März 1893. Nr. 13, p. 97.
6. £raud. Observation d'^pididymite blennorrhagique terminee par sup-
puration ; examen bacteriologique et chimique. Annal. de Derm. et de
Syph. 1892, p. 164.
7. IVeelsen. Ueber Gonorrhoe. Vortrag in der gynäkologischen (resell-
schaft zu Dresden. 12. Jan. 1893. Centralb'l. für Gynäk. 1893, p. 236.
8. Fabry, Johann. Zur Frage der Gonorrhoe der paraurethralen und pra-
putialen Gänge. Monatshefte für prakt. Dermatol. Nr. 1. Jan. 1891.
9. Touton, Karl. Weitere Beiträge zur Lehre von der gonoxrhoi sehen
Erkrankung der Talgdrüsen am Penis nebst Bemerkungen zur ipatho-
logie des gonorrh. Processes. Berl. klin. "Wochenschr. 1892, Nr. öl.
10. Souplet. La blennorrhagie maladie generale. Gazette hebdomada^e
de Medecine et de Chirurgie. 1. Juli 1893. Nr. 26, p. 304.
11. Finger, Ernst. Zur Klinik und patholog. Anatomie der chronischen
Urethritis posterior u. Prostatitis blennorrhagica chronica. Int. Centr. ^
f. Phys. u. Pathol. d. Harn- u. Sexualorgane. 1893. Bd. IV. Heft 3, p. 117. \
12. Dind. Klinischer Beitrag zur Urethralblennorrhagie. Therapeutische
Monatshefte. 1893. Heft 2.
13. Lewis. The Role of the posterior Urethra in chi'onic Urethritis. The
am. assoc. of gen.-ur. surgeons. 20. — 21. Juni 1893. The Joum. of cut,
and gen.-ur. dis. Sept. 1893.
14. Ingria, Vittorio Emanuele. Coutributo sulle uretriti posteriori e loro 1
complicazioni. Gazzetta degli ospitali. 1893. 11. Juli. Nr. 82, p. 858.
15. Goldenberg. Ein neuer endoskopischer Obturator zur Erleichterung
der Einführung des Endoskops in die hintere Harnröhre. New- Yorker
Medicinische Monatsschrift. Bd. V. Nr. 3.
16. Janet. Hemorrhagie postmictionelle de l'urethre anterieure. La France
med. 1892.
17. Petersen, 0. W. Entzündung der Samenbläschen (Spermatocystitis)
als Complication der Gonorrhoe. Wratsch. 1893. Nr. 18.
der Syphilis. 143
18. Dfims, Blasenstein und Tripper. Dentsche militararztliche Zeit-
schrift. 1893. L, p. 18.
19. Büttner, Heinrich. Polizeiärztliche Untersuchungen über das Vor-
kommen von Gonococoen im weiblichen Genitalsecret. Inaug.-Diss.
Dorpat. 1892. St. Petersburger med; Wochenschr. 1892. Nr. 47, p. 438.
20. Witte. Zur Gonorrhoe beim Weibe. Verhandlungen der Gesellschaft
. für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin am 9. Dec. 1692 und 13.
Jan. 1893. Zeitschrift far Geburtshilfe. 1893. 26. Band, 1. Heft.
21. DiseuMion über die Gonorrhoe beim Weibe. Im Anschluss an die
beiden Vorträge von Broese ') und Witte. Verhandlungen der Gesell-
schaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin am 9. Dec. 1892
und 13. Jan. 1893. Zeitschr. f. Geburtshilfe. 1898. 26. Bd., 1. Heft.
22. Croekett, M. A. The Gonococcus in its Relation to Ascending Go-
norrhea in Women. Buffalo Medical and Surgical Journal XXXII. Nr. 8.
23. Mann, Matthew D. The Relation of Gonorrhea to the Pelvic Diseases
in Women. Buffalo Medical and Surgical Journal. XXXH. Nr. 8.
24. Laczny. Pathologie und Therapie der frischen weiblichen Gronorrhoe.
Inaug.-Dissert. Berlin 1891.
25. Krönig. Vorläufige Mittheilungen über die Gonorrhoe im Wochenbett.
Central blatt für Gynäkologie. 1893, p. 157.
26. Wertheim. Ein Beitrag zur Lehre von der Gonococcenperitonitis.
Centralblatt für Gynäkologie. 1892, p. 385.
27. Cballan. Peritonite diffusia d^origine blennorragica. Ref. Gazzetta
medica di Torino. 5. Oct. 1893. Anno XLIV. Nr. 40, p. 792.
28. Bröse. Gonorrhoischer Tuboovarialabscess, demonstrirt in der Ges.
für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin. 13. Jan. 1893. Centralbl.
für Gynäkologie. 1803, p. 163.
29. Saulmann. Endometritis und Salpingitis tuberculosa, complicirt mit
Gonorrhoe. Sitzung der gynäkologischen Gesellschaft in Brüssel vom
24. April 1892. Centralblatt für Gynäkologie. 1892, p. 533.
30. Palmer, E. R. Two Cases of Sterility foUowing Gonorrhoea. The
Surgical Society of Louisville. The med. and Surg. Reporter. 1893.
31. Cahen-Braeh. Die Urogenitalblennorrhoe der kleinen Mädchen. Sep.-
Abdr. aus dem Jahrb. für Kinderheilkunde. 1892.
32. Berggrün. Bakteriologische Untersuchungen bei der Vulvo- Vagini tis
kleiner Mädchen. Archiv für Kinderheilkunde. XV. Bd., p. 321. 1893.
33. Gross. Zur Casuistik der Gonorrhoe. Inaug.-Diss. Tübingen 1890.
34. Balzer nnd Souplet. Beitrag zum Studium der Albuminurie im Ge-
folge des Trippers. Annales de Derm. et de Syphil. 1892, p. 113.
35. Balzer, F. und Jaequinet, R. Manifestatious renales de Pinfection
blennorrhagique. Semaine medicale. 1893. Nr. 52, p. 411.
36. Monti. Ueber Pyelitis im Kindesalter. Internationale klinische Rund-
schau. 1893. Nr. 12, 13.
') Der Vortrag Broese's wird nach dem in der Deutschen med.
Wochenschr. veröflentlichten Original besonders referirt werden.
]44 Bericht über die LeiBtimgen auf dem Gebiete
(1) Abel empfiehlt folgende äusierst empfehlenswerthe Yerein-
fachong der Methode der Gk>nococcencaltar für alle Diejenigen, welchen
menBchliches Blutserum nicht jederzeit zur Verfügung steht. Er be-
streicht Peptonagar dick mit Blut, welches man leicht aus einem Schnitt
in die eigene desinficirte und wieder getrocknete Haut erhält. Kach
Impfung mit G.-G. haltendem Eiter wachsen dieselben in typischer Form.
Galewsky.
(2) Bei G^egenheit der Demon stration nach Wertheim 's Angaben
gefertigter Gh>nococoenreinculturen erwähnt Menge, dass er an Stelle
des Blutserums mit gfutem Erfolge steril aufgefangene Cystenfinssigkeit,
mit Agar vermisdit, zur Gonococcencultur verwendet habe ; als ebenso ge-
eignet habe sich Hydrosalpinxinhalt erwiesen, letzterer sogar mit dem Yor-
theil, dass er sich durch strömenden Dampf sterilisiren lasse. Verfasser
wirft zum Schlüsse die Frage auf, ob bei der Schwierigkeit, diese patho-
logischen Producte in Menge zu beschaffen, nicht auch Ascites- und Plen-
ritistranssudate mit Agar gemischt als günstige Nährböden zu ver^
wenden seien. Paul Keisser.
(3) Wolff demonstrirt mikroskopische Präparate sowie Culturen
von Gonococcen, welche nach der Wertheim-Gebhar duschen Methode
gewonnen sind. Vortragender steht bezüglich des Werthes der G.-C.-
Untersuchung bei der Gonorrhoe völlig auf dem Neisser'schen Stand-
punkte ; er betont in klarer und eindringlicher Weise den Werth der Pro-
stituirten-üntersuchungen besonders bei der chronischen Gonorrhoe etc. Er
bespricht hierauf eingehendst die diagnostischen Merkmale der Gonococcen.
Galewsky.
(4) II. Vorhandensein von Mikroorganismen im ürethralsecret bei
Complicationen von Blennorrhoen.
Die grosse Seltenheit, mit der Gonococcen in den sogenannten go-
norrhoischen Gelenks- resj). Sehnenscheidenentzündungen nachgewiesen
werden konnten, lässt Audry daran zweifeln, dass die Gonococcen für
diese Affectionen die Krankheitsursache darstellen. Aus seinen klinischen
Erfahrungen heraus glaubt er folgende 2 Thesen aufstellen zu dürfen.
1. Bei allen Tripperkranken mit Complicationen finden sich im
Ürethralsecret Mikroorganismen, die sich nach Aussehen und Anordnung
von den Gonococcen unterscheiden.
2. Wenn man neben Gonococcen andere Mikroorganismen findet,
so ist man zu der Annahme berechtigt, dass der Patient eine Complication
gehabt hat oder noch bekommen wird.
Zum Schluss spricht der Verfasser der Gram'schen Färbung jeden
differentialdiagnostischen Werth für die Gonococcen ab, da eine grosse
Anzahl anderer im Präputialsack vorkommender Mikroorganismen die-
selbe Reaction geben. Lasch.
(5) Hugounenq und £raud geben jetzt selbst an, dass der von
ihnen aus der Urethra cultivirte Diplococcus zwar in der Form und in dem
Verhalten bei der G r a m'schen Färbung mit den Gonococcen übereinstimmt,
aber sich sonst unter Anderem auch durch seine Grösse von denselben
der Syphilis. 145
unterscheidet. Sie behaupten, dass ihr Diplococcus sich immer in der Urethra
findet, wenn eine Epididymitis auftritt, und glauben demnach, da»s er
wirklich der speciiische Erreger der gonorrhoischen Epididymitis ist.
Jadassohn.
(6) £rau d theilt zunächst die Krankengeschichte eines 28jährigen 6o-
norrhoikers mit, der neben einer frischen Initialsclerose an einem „Urethral-
catarrh" fgonorrhoisch ?) litt, und zwar schon seit 8 Jahren. Er hatte schon
zu Beginn seiner „Blennorhoe^ (?) eine linksseitige Epididymitis durch-
gemacht. Nun trat ein Recidiv an demselben Nebenhoden auf, der all-
mälig unter entzündlichen und fieberhaften Erscheinungen stark anschwoll
nnd nach aussen durchzubrechen drohte. E. incidirte daher und fand
einen eitrigen Erguss in die Tunica vaginalis.
E. schliesst eine syphilitische Erkrankung aus und nimmt an, dass
die Eiterung in der Tunica vaginalis durch Fortpflanzung der Entzündung
von dem Schwänze des Nebenhodens aus entstand. Er hat den Beweis
dafür im Thierexperiment schon früher zu erbringen geglaubt, indem er
Toxalbumine einer Mikrobe, die er aus einer Epididymitis gezüchtet hatte,
in die Testikel von Hunden einspritzte und so das klinische Bild künst-
lich nachahmen konnte. Auf Grund der bakteriologischen und chemischen
Untersuchungen des aufgefangenen Eiters kommt Eraud zu folgenden
Resultaten :
1. Die blennorrhagische Epididymitis kann in Eiterung übergehen,
und zwar ausschliesslich in Eiterung in die Tunica vaginalis. Eine primäre
Vereiterung des Hodenparenchyms in Folge von Blennorrhoe scheint nicht
vorzukommen.
2. Die Mikrobe, die die einfache Entzündung hervorruft, ist wahr-
scheinlich dieselbe, welche die eitrige Entzündung zu Stande bringt.
8. Das Toxalbumin, das er in dem Eiter der Tunica vaginalis fand,
ist fast identisch mit dem, das er aus den Culturen, die vom Eiter geimpft
waren, gewann.
4. E. hält es dansch für erwiesen, besonders nach seinen früheren
Untersuchungen, dass zwischen den Toxinen aus einer blennorrhagischen
Epididymitis und den Toxinen des „Staphylococcus urethralis", der in der
normalen gesunden Harnröhre vorkommt, kein Unterschied besteht.
Ernst Bender.
(7) Aus einem nicht viel Neues bringenden Vortrag Neelsen's
über Gonorrhoe sei hier nur erwähnt, dass N. als Angriffspunkt für die
Gonococcen das Uebergangsepithel, das Mittelglied zwischen Platten- und
<Gylinderepithel, auffasst, von wo aus dann der Process weiter gehen kann,
dass er ferner die Möglichkeit einer rein gonorrhoischen Cystitis negirt,
ebenso wie er sich zu den durch Gonococcen allein verursachten Gelenk-
«md Nervenafiectionen sehr zweifelhaft verhält. Bei der weiblichen ascendiren-
den Gonorrhoe, speciell bei dem Uebergreifen auf Tuben und Parametrien,
sei eine Mischinfection die bei weitem gefahrlichere, da bei rein gonor-
rhoischer Infection die Gefahr einer Peritonitis bei der beschränkten
licbensfahigkeit der Gonococcen eine sehr geringe sei. Paul Neisser.
Arebir f. Dermatol. u. Sypbil. Band XXVIL 10
146 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
(8) Nach einer kurzen Recapitulation der früheren Arbeiten und
deren Ergebnisse über die Frage, ob die im Gefolge von Gonorrhoe ent-
stehenden Drüsenentzündungen direct oder indirect durch Gonococcen-
Invasion hervorgerufen werden und ob der Gonococcus in mehrschichtiges
Plattenepithel einzudringen vermöge, geht Fabry zur Mittheilung zweier
Fälle aus seiner Beobachtung über, durch die er beweist, dass mit Hilfe
der Lympfkörperchen, die die Gono«occen in sich aufnähmen, die Drüsen,
welche mit der Hamröhrenschleimhaut communiciren, inficirt würden.
Es finde gleichsam durch die Eigenbewegung der Lympfkörperchen eine
Verschleppung des Virus in die inneren Partien der Drüse statt. Ange-
regt werde diese Bewegung durch die von der Hamröhrenschleimhaut aoi
die Epithelien der Drüsen fortgepflanzte Entzündung. Ob die Virulenz der
so fortgeschleppten Gonococcen dabei verloren geht, lässt Verfasser un-
entschieden. Der Gonococcus scheine die Drüse in catarrhalische Ent-
zündung zu versetzen, nicht in abscedirende, zu welch' letzterer erst das
Hinzutreten anderer Mikroorganismen führe. Vez fasser glaubt also, dass
der Gonococcus den Boden für das Gedeihen anderer Bakterien in diesen
parurethralen Gängen und Littre'schen Drüsen vorbereite durch Unter-
haltung eines chronischen Entzündungszustandes.
Von den beiden vom Verfasser berichteten Fällen wurde der eine durch
Exstirpation, der andere durch Kauterisation der paraurethralen entzünd-
lichen Neubildungen von dem vorhandenen und durch sie imterhaltenen
Tripper geheilt. Brandt.
(9) T o u t o n beschreibt einen weiteren Fall von gonorrhoischer Drüsen-
erkrankung am Penis, die sich in Form eines über die Raphe quer ver-
laufenden Stranges auf der Unterseite des Gliedes darstellte. Auf Druck
entleerte sich gonococcenhältiger Eiter. Die Affection war anderweitig
als eine luetische diagnosticirt worden. Die erkrankten Drüsen erwiesen
sich als Talgdrüsen. Interessant ist, dass T. das Verhalten der Gonococcen
zu den Epithelien für gerade so charakteristisch hält, als dasjenige zu
den Eiterkörperchen. Sie liegen immer auf den Epithelien entweder am
Bande als schmaler Saum oder als Rasen auf der Aussenfläche der Zelleur
Anhangsweise wird noch über einen Fall von Folliculitis Jrenularis chronica
berichtet, wobei keine Gonococcen gefunden werden konnten, sondern
Doppelstäbchen, die T. wiederholt bei chronischem Tripper aufgefallen sind.
Karl Herxheimer.
(10) Souplet bespricht in einer klinischen Vorlesung die Gründe,
welche vom klinischen wie vom bacteriologischen Standpunkte dafür
sprechen, dass die Gonorrhoe nicht blos eine specifische Infectionskrank-
heit ist, sondern auch eine solche, welche sich generalisiren kann. Mit
aller Reserve bespricht er die in der Literatur niedergelegten Thatsachen,
welche für eine solche Anschauung sprechen, ohne selbst neue beizubringen,
Jadassohn.
(11) Finger kommt am Schlüsse seiner eingehenden Arbeit za
folgenden Schlüssen:
der Syphilis. 147
1. Die chronische Urethritis ist ein herdweiser Process, der sich im
sab epithelialen Bindegewebe als chronische Bindegewebs-Hyperplasie ab-
spielt. Erkrankungen von Epitheldrüsen sind theils als complicatorische^
theils als consecutive Erscheinungen aufzufassen.
2. Die Herde chronischer Blennorrhoe localisiren sich mit Vorliebe
in Pars pendula, Bulbus, Pars prostatica.
8. Die Pars membranacea ist gegen den chron. Process relativ im-
mun (unter 81 Fällen chron. Urethritis nur 2mal leichte oberflächliche
unwesentliche Veränderungen).
4. Die Herde chron. Entzündung sitzen sowohl in Pars anterior
als posterior in einer Reihe von Fällen oberflächlich, in der Mucosa, dem
subepithelialem Bindegewebe.
5. In einer zweiten Reihe von Fällen gehen diese Herde per
Continuitatem auf das submucöse Gewebe, in Pars anterior auf periure-
thrales und cavemöses Gewebe, in Pars posterior auf die Prostata über.
6. Es entstehen so chron. verlaufende, complicator., herdweise Pro-
cesse, in der Pars anterior die chron. Periurethritis und Cavemitis, in der
Pars posterior die chron. Prostatitis.
7. Daraus ergeben sich nun anatomisch folgende Formen chron»
Urethritis :
1. Urethritis chron. anterior 2. Urethritis chron. posterior
a) Urethr. ant. chron. super- a) Urethr. chron. posterior su-
flcialis, mucosa, perficialis mucosa,
h) Urethr. chron. anterior pro- b) Urethr. chron. posterior pro-
funda, funda.
(d. h. -f Periurethritis und Cavemitis (d. h. + Prostatitis chron.)
chron.)
Mischformen sind natürlich häufig.
Fingers Arbeit entspricht im Wesentlichen den beiden Veröffent-
lichungen Fingers im Archiv f. Dermatol. (1891 Ergsh. 1, 1893 Ergsh. 1)
und enthält ausserdem eine ausführliche Besprechung der subject. und
object. klinischen Symptome der Urethritis posterior chronica und der
Prostatitis blennorrhag. chron. Galewsky.
(12) Dind. (Cf. die inhaltlich übereinstimmende Arbeit: Ref. dieses
Archiv. 1893, p. 680.)
(18) Nach Lewis liefern die gewöhnlich angeführten Ursachen für
die lange Dauer der chronischen Gonorrhoe (Vorhandensein von Gonococcen,
Stricturen von weitem Caliber, [der Gebrauch gewisser Medicamente) keine
genügende Erklärung und geben auch keine Anhaltspunkte für die Pro-
gnose. Die beste Erklärung für die lange Dauer und für die häufigen Recidive
gibt das Bestehen der Urethritis posterior, welche für die gewöhnlich ge-
gebenen Ordinationen unzugänglich ist. Deshalb ist in jedem Falle von
Urethritis posterior eine locale Behandlung am Platz. Welche Ursachen
das Zustandekommen der Urethritis posterior begünstigen, dafür gibt die
klinische Forschung keine Anhaltspunkte. Am wahrscheinlichsten ist die
10*
148 Bericht über die Leistongen auf dem Gebiete
Infection der hinteren Harnröhre vermittelst der Lympfgefasse, Verf. sieht
in der Urethritis posterior keine GompUcation, sondern eine natnrgemässe
Begleiterscheinung der Gonorrhoe. Ledermann.
(14) Ingria hat „nicht nur mit der 2-Glä8erprobe, sondern anch
mit der Methode Kromeyer's untersucht, welche besser als die erstere
zu einer exacten Diagnose dient". (Diese Methode — der Pyoctaninein-
spritzung in cße ür. anterior^ um bei der Zweig&serprobe die blauge-
färbten Fäden aus der anterior von den nicht gefärbten aus der posterior
unterscheiden zu können — ist nach J. zu Unrecht vergessen; — dem
Ref. hat die positive Dienste nicht geleistet; die Ausspülung der Ur. an-
terior behufs sicherer Diagnose wird auffallenderweise nicht erwähnt.) Mit
diesen Methoden hat Verf. unter 390 Fällen 228mal eine Ur. posterior
oonstatirt, und zwar in der ersten Woche in 42,5 V«, in der 2. Woche in
67,21%, in der ». Woche in 61,22V., in der 4. Woche in 91,11%, in der
5 Woche in 78,837«, in der 6. Woche in 62,68% • Unter den mehr oder
minder chronischen Fällen (188 an der Zahl) war eine Ur. posterior in
54,88 Vo vorhanden. Im Durchschnitte war sie in 58,47Vo aller Fälle zu con-
statiren, eine zwar hohe, aber doch nicht so hohe Ziflter, um die Ur. posterior
als eine fast regelmässige Folge der Gonorrhoe bezeichnen zu können.
Nur in einem Falle fehlte die gleichzeitige Ur. anterior. Auch nach J.'s
Erfahrungen ist die Ur. post. weniger hartnäckig als die anterior.
Von den 228 Fällen heilte die Ur. ant. bei noch bestehender post.
in 60 Fällen, in 41 Fällen heilte die post. zuerst ; nur in einem Falle be-
stand eine Ur. prostatica sehr lange Zeit, in den andern 126 Fällen konnte
der Process nicht bis zum Ende verfolgt werden. Die Ursachen der post.
findet der Verf. nicht in constitutionellen Störungen, sondern besonders
in hochgradigen Anstrengungen und in frühzeitigen und schlecht ge-
machten Injectionen.
Einseitige oder doppelseitige Epidid3rmitis wurde in 45 Fällen con-
statirt, meist in der 3. und 4., nie in der 1. Woche. 12mal bestand die
Epididymitis ohne posterior oder — wie der Verf. voraussetzt — die erstere
kam erst zur Beobachtung, als die letztere schon verheilt war. Pro-
statitis — eine bei J. ziemlich häuüge Complication — bestand immer
zugleich mit einer Posterior.
Von den 15 Stricturen sassen 9 in der Pars cavemosa, 4 in der
Membranosa, 2 in der Prostatica; immer war ant. und post. vorhanden.
Cystitis wurde 20mal beobachtet, 15mal leicht und nur am Blasenhals
localisirt, 5mal schwerer ; einmal — nach Gatheterismus — war sie mit
Pyelitis complicirt. Jadassohn.
(15) Goldenberg hat zur Erleichterung der endoskopischen Unter-
suchung der hinteren Harnröhre einen Obturator angegeben, dessen Prin-
cip dem El lio tischen Uterine Repositor entnommen ist. Er besteht aus
zwei am Ende mit einander verbundenen flachen Drähten, deren einer
durch die mit einer Daumenschraube versehene Hülse geht. Durch Drehen
an der Schraube wird der letztere Draht beliebig verkürzt oder verlängert,
HO dass man dem auf die Drähte genau passenden, spiralig gewundenen
der Syphilis. 149
Ende der Obturatorscheide jede beliebige Krümmung geben kann. Letzterer
wird direot an einem Zeiger abgelesen. Das Instrument wird gekrümmt
eingeführt, durch den Obturator gerade gestellt und letzterer aus der
Scheide herausgezogen, die in situ in der Harnröhre liegen bleibt.
Koch.
(16) Jan e t unterscheidet von der gewöhnlichen Form der spontanen
Blutung aus der Harnröhre eine zweite, welche am Ende der Miction in
Form einiger blutiger Tropfen auftritt und sich yon der aus der Ur. post.
dadurch unterscheidet, dass diese letztere nur am Ende der Blasenent-
leerung, die erstere bei jeder Unterbrechung des ürinirens sich zeigte.
Er sah diese Form besonders bei starker Epitheldesquamation der Urethra.
(17) Petersen berichtet über einen Fall von Spermatocystitis im
Anschluss an Gonorrhoe. Yert. weist gleichzeitig auf die wenigen in der
Literatur bekannten Fälle hin. Galewsky.
(18) Düms bespricht 2 Fälle von Blasensteinen und hält in dem
ersten Falle den alten Tripper für die Ursache der Steiubildung, im
zweiten den Stein für die Ursache eines Trippers. In letzterem Falle, in
welchem Infectionsmöglichkeit geleugnet wird, glaubte Verfasser, dass der
Stein als Reizursache einen Tripper (!) erzeugt habe. Eine weiteres Ein-
gehen verdient nach alledem die Arbeit nicht. Galewsky.
(19) Büttner untersuchte auf Gonococcen mit den gewöhnlichen
Färbungsmethoden das Genitalsecret von 54 Prostituirten Dorpats, welche
theils im dortigen städtischen Hospital intemirt, theils ambulant waren.
Bei seinen Untersuchungen fand B. nur 6 Fälle von acuter, resp. makro-
skopisch diagnosticirter Gonorrhoe. Bei den weiteren 48 Fällen konnte
B. constatiren, dass die procentuarische Zahl der mit Gonorrhoe be-
hafteten Prostituirten eine desto grössere war, je häu'iger jede einzelne
Person untersucht wurde. Unter 32 ambulanten Puellae publicae wurde
die Untersuchung bei 9 blos einmal und unter den 16 Intemirten bei 4
nur einmal vorgenommen. Die einmal Untersuchten, als nicht beweiskräf-
tig aus der Rechnung gestrichen, fand B., dass unter 12 nicht wegen Gonor-
rhoe intemirten Personen 11, also 91,66 V«, und unter den 23 Ambulanten
8, also 34,787t niit Gonorrhoe behaftet waren. Beim Addiren dieser beiden
Zahlen ergibt sich, dass sich bei 35 mehr als einmal untersuchten Frauen-
zimmern die Anzahl von 19, also 54,28% gonorrhoisch inficirter Prostituirten
ergeben hat. Das ungeheuere Ueberwiegen der Gonorrhoe bei den intemirten
Puellis publicis meint B. vielleicht darauf beziehen zu können, dass die-
selben im Allgemeinen viel jünger waren (Durchschnittsalter 20 Jahre) als
die Ambulanten (Durchschnittsalter 26 Jahre). Die bekannte Thatsache,
dass die venerischen Krankheiten bei den Neulingen unter den Prostituirten
viel häufiger sind als bei den älteren, gilt vielleicht, meint B., auch für
die Gonorrhoe. A. Grünfeld.
(20) Witte bemerkte in seinem Vortrage: Es gelinge im Beeret
der erkrankten Gewebe — nach Neisser und Schwarz — nur in
50% der Fälle die Gonococcen nachzuweisen. Unter 12000 poliklini-
schen Fällen constatirte W. 288mal auf Grund der Anamnese und des.
150 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
anatomischen Befundes Gonorrhoe. In 65 Fällen wurden Gonococcen bak-
teriologisch nachgewiesen, und zwar 16mal in der Vagina, 42mal in der
Urethra, 6mal im Cervix und lOmal im Pyosalpinxeiter (8mal gleichzeitig
in Urethra und Cervix). In 27 weiteren, der Gonorrhoe verdächtigen Fällen
wurden wohl Staphylococcen und Streptococcen, verschiedene Arten von
Diplococcen und Bacillen, aber keine Gonococcen gefunden. Unter 88 Kin-
dern mit Vulvovaginitis, bei denen in 22 Fällen das eitrige Secret der
Scheide untersucht wurde, fanden sich ISmal Gonococcen. Das seltene Vor-
kommen von Vulvovaginitis (68mal unter 288 Fällen von Gonorrhoe) bei
Mädchen und Frauen im Gegensatz zu Kindern erklärt W. aus den vor-
anfgegangenen zu Hause vorgenommenen Umschlägen und Ausspülungen.
Bei der Therapie legt W. grosses Gewicht auf Femhalten von Reizen, die,
wie auch der physiologische Reiz der Menstruation, Gonococcen vermehrend
wirken. Bei der ascendirenden Gonorrhoe empfiehlt er Bettruhe, Blntent-
Ziehung, Eisblase, Regelung von Diät und Stuhl. Ovarialabscess und Pyo-
Salpinx erfordern die Entfernung der erkrankten Theile, deren zurück-
bleibende Stümpfe noch häufig infectiös sind. Erst nach Beseitigung der
Entzündung ist Curettement und Jodinjection erlaubt.
(21) In der sich an diesen Vortrag anschliessenden Discussion meint
Lassar, dass in der Ehe chronische Gonorrhoe aus chronischer, acute
aus acuter entstehe. Hiernach sind auch die acuten Attaquen des Mannes
als ausserehelich erworben anzusehen. Für die Häufigkeit des Vorkommens
der Vulvovaginitis kleiner Mädchen möchte L. namentlich die Mastur-
bation mit gewissem infectiösem Material anschuldigen. Von dem gründ-
lichen Curiren der männlichen Gonorrhoe vor Eintritt in die Ehe, nicht
aber von einer Verschärfung der polizeilichen Controle bei den Puellae
erwartet L. eine Verminderung der weiblichen Gonorrhoe.
Martin hat häufig Vulvovaginitis kleiner Mädchen gesehen, aber
nur einmal einen untrüglichen Fall von Stuprum; auffallend ist ihm die
relative Seltenheit der Weiterverbreitung in die inneren Genitalien bei
diesen Kindergonorrhoen, e b e n s o wie bei denen der Erwachsenen,
soweit die Zusammenstellung von Witte darüber zu ur-
theilen erlaubt. Martin hält das Virus der recidivirten männlichen
Gonorrhoe für die Frauen für deletärer als das Virus der acuten Gonor-
rhoe, insofern mit letzterem die Weiterverbreitung in die Tiefe seltener
erfolg^. Die Wertheimschen Involutionsformen sollen hierbei eine Rolle
spielen.
Veit schlägt vor, bei einem Zweifel an der Infectiosität des Mannes
das Sperma zu untersuchen, da er im Prostatasecret krankhafte Verän-
derungen vermuthet. Auch er hält die Vulvovaginitis für nur selten durch
Stuprum bedingt, dagegen häufig durch das gemeinschaftliche Lager und
den gemeinsamen Gebrauch von Wäschestücken.
Olshausen macht auf die Seltenheit der Blennorrhoe als Beglei-
terin der Vulvovaginitis aufmerksam, im Gegensatz zu der Empfänglichkeit
der Neugeborenen.
der Syphilis. 151
Borchart konnte in allen Fällen im Secret der Männer keine
Gonococcen nachweisen, obwohl das Secret, wie aus der Infection der
Frau erhellt, seine Virulenz bewahrt hatte. Auffallig ist ihm, dass Ehe-
männer trotz ununterbrochenen Verkehrs dauernd geringe gonorrhoische
Erscheinungen behalten können, während ihre Frauen schwere Erkran-
kungen mit stark purulenter Secretion durchmachen.
Gottschalk hat die gonorrhoische Endometritis mit 57« Alumnol-
lösung mittelst der Playfair'schen Sonde oder mit 57f Gelatinestäbchen
behandelt, wonach er eine bedeutende Secretionsbeschränkung eintreten
sah. 1 — 2% Stäbchen wurden bei Urethritis, 10 — 207i Pasten bei spitzen
Condylomen angewandt. Die Gonococcen sollen hiemach verschwinden.
Jaquet macht auf die event. Häufung der forensischen Fälle auf-
merksam, die dann entstehen würde, wenn Broese's Vorschlag, in allen
Fällen von Fluor albus — ohne Gonococcen — gleichzeitig den Ehemann
in Behandlung zu nehmen, acceptirt würde.
Broese bemerkt im Schlusswort, dass er entgegen Lassar 2mal
beobachtet hat, dass sich Männer von ihren Frauen, die sie selbst inficirt
hatten, nachdem sie selbst geheilt waren, wieder einen frischen Tripper
geholt hatten. Für forensische Fälle will Br. neben der mikroskopischen
Untersuchung das Culturverfahren angewandt wissen.
Witte bemerkt im Schlusswort, dass bei negativem Gonococcen-
befund die pathologisch-anatomischen Veränderungen in ihrer Combination
volle Berücksichtigung verdienen. A. Philippson.
(22) Crockett hält es nach den neueren experimentellen Untersuchun-
gen für erwiesen, dass der Gonococcus Neisser der Erreger der Gonorrhoe
ist, und gibt eine kurze Schilderung der Gestalt und Anordnung der Gono-
coccen. Als Ursache der sog. latenten Gonorrhoe betrachtet er das Zurück-
bleiben der Krankheitserreger im Cervix; dort sind dieselben durch Be-
handlung schwer zu beseitigen, andererseits liegt die Gefahr der Aus-
dehnung des Krankheitsprocesses nahe, als deren Resultate Sterilität und
Tubenschwangerschaft hervorgehoben werden. Ob Peritonitis durch Gono-
coccen allein oder durch Mischinfection hervorgerufen wird, hält Crockett
für unentschieden ; jedenfalls kann Pyosalpinx durch erstere allein bewirkt
werden, da Wertheim in 7 Fällen nur Gonococcen im Tubeneiter fand.
Andrerseits handelt es sich jedoch zuweilen bei Pyosalpinx um Misch-
infection; alsdann pflegen die entzündlichen Erscheinungen heftiger zu
sein, auch behält in diesem Falle der Eiter viel länger seine Wirkung,
als der durch Gonococcen hervorgerufene.
Hinsichtlich der Aetiologie der Gonorrhoe der Weiber weist Crockett
auf die Häufigkeit der Infektion durch Ehemänner hin, welche an chroni-
schem Tripper litten; letzterer würde nur allzuoft von Seiten des Arztes
und Patienten zu wenig beachtet, zuweilen sogar vollständig übersehen.
Arzt und Patient sollten bedenken, welche unheilvollen Folgen eine ober-
flächliche Behandlung jener wichtigen Frage herbeiführen könne. Als
Beispiel hierfür berichtet Verfasser einen jener häufigen Fälle, in dem ein
junger Mann, welcher eine Gonorrhoe durchgemacht hatte und vom Arzt
152 Bericht über die LeiBtungen auf dem Gebiete
die Erlaubniss zur Ehe erhalten hatte, seine Frau gonorrhoisch inficirte
und 80 die Ursache ihrer schweren und langdaoemden Erkrankimg wnrde.
Schaffen
(23) Mann schliesst sich der Ansicht T ai t s an, dass beim weiblichen
Geschlechte die Gonorrhoe eine gefahrlichere Eriatmkang als die Syphili»
sei; letztere sei der Behandlung leicht zuganglich, erstere dagegen äusserst
schwierig zu heilen, sobald sie die Tuben erreicht oder sich noch weiter
fortgesetzt hätte. Eine Infection der Blase, der Ureteren sowie der Nieren
von der Harnrohre aus hält Mann für selten, glaubt jedoch einige der-
artige Fälle beobachtet zu haben. Eine gonorrhoische Vulvitis ist nach
seiner Ansicht sehr häufig, während eine specifische Vaginitis nur aus-
nahmsweise vorkommt. Dagegen ist ein sehr gewöhnlicher und besonders
hartnäckiger Sitz der Erkrankung der Cervix, welcher wegen der geringen
Dicke der Epithelschicht und der alkalischen Reaction die Ansiedelung
der Gonococcen begünstigt. Von hier aus verbreiten diese sich leicht nach
dem Uterus und der Tube, und erst wenn letztere durchwandert ist, wird
gewöhnlich dem Fortschreiten des Processes durch peritonitische Ad-
häsionen eine Schranke gesetzt. Gerade die chronische Gonorrhoe soll
häufig zu derartigen Gomplicationen Veranlassung geben. Sterilität in
Folge solcher Verwachsungen oder Abscesse sind häufig der Ausgang
dieser Krankheit. Bei der grossen Gefahr, welche die Gonorrhoe der
Frauen herbeifuhrt, ist es nach Mann's Ansicht die Pflicht des Arztes, den
Männern, welche einen Tripper gehabt haben, nur dann die Ehe zu ge-
statten, wenn sie als sicher geheilt angesehen werden können; oft genug
kann man in der Praxis die traurigen Gonsequenzen beobachten, welche
die Vernachlässigung dieser Regel herbeifahrt. Zum Schluss weist der
Verfasser darauf hin, dass sowohl bei Männern wie bei Weibern der Gono-
coccennachweis allein die Diagnose der Gonorrhoe sichert. Schaff er.
(24) Luczny hat 47 frisch mit Gonorrhoe inficirte Patientinen der
Poliklinik der Berliner kgl. Frauenklinik untersucht und dabei 44mal die
Urethra, 12mal die Vulva, 17mal die Bartholinischen Drusen, 19mal die
Vagina, 34mal den Cervix, 2mal das Rectum erkrankt gesehen. Bei allen
Fällen ergab die Untersuchung auf Gonococcen einen positiven Befund.
Trotzdem hält Verf. die Diagnose auch ohne Mikroskop durch klinische
Kriterien für ebenso sicher. (?) Die Prognose sei bei früher und ener-
gischer Behandlung eine günstige. Die Behandlung bestand bei Urethritis
in Injection von Zinc. sulfo-carbol. 1 : 100, bei der Vulvitis in täglichen
Waschungen mit Sublimat 1 : 1000 — 500, bei der Colpitis in Tampons von
Jodglycerin und später Jodoformgaze. Bei der Uterusbehandlung verwirft
er den Chlorzink der schlechten Erfolge und der häufigen Nebener-
scheinungen, Koliken, Parametritis, Stenosen wegen, empfiehlt dagegen Aus-
spülungen von Sublimat 1 : 5000 — 500 je nach dem Alter der Patientinen,
welche täglich oder jeden 2. Tag vorzunehmen sind. Paul Neisser.
(25) Krönig hat in letzter Zeit an der Leipziger Universitats-
frauenklinik das Lochialsecret aller Wöchnerinen untersucht und dabei
nach dem Wertheim'schen Verfahren in 9 Fielen Gonococcen nachgewiesen.
der Syphilis. 153
In allen diesen 9 Fällen war mit einer Aasnabme ohne andere äussere
YeranlasBongen Fieber vorhanden, welches aber, olme therapeutische
Massnahmen, spontan abfiel ; bei allen waren die Lochien stark vermehrt,
eitrig. Bei einer Patientin stellte sich nach 2 Wochen ein pelveoperi-
tonitisches Exsudat heraus, während bei einer anderen neben Schmerzen im
r. Ellbogengelenk und einem Erguss in die Sehnenscheide der Dorsal-
flexoren der rechten Hand ein hühnereigrosses Exsudat im rechten Para-
metrium nachgewiesen wurde. Andere pyogene Keime wurden in dem
Lochialsecret nie gefunden. Paul Neisser.
(26) Die 25jährige Patientin Wertheim'», welche seit 3 Jahren an
Ausfluss und Schmerzen im Leibe leidet, die sich in der letzten Zeit
bedeutend vermehrt haben, zeigt bei der Untersuchung ausser reichlichem
Eiterausfluss aus Vulva und Urethra eine Verdickung und Schmerzhaftigkeit
der rechten Tube, während auch die linksseitigen Adnexe empfindlich,
aber nur wenig geschwellt sind. Bei der Laparotomie zeigt sich neben
rechtsseitiger Salpingitis — aus dem nirgends angelötheten abdominalen
Ende ergiesst sich weisser, rahmiger Eiter — eine acute Peritonitis, indem
die Serosa des kleinen Beckens und auch der Boden des Douglas'schen
Raumes mit trüber eiterartiger Flüssigkeit bedeckt war, während die
hintere Fläche des Uterus und des Ligamentum latum sinistr. weissliche,
leicht abziehbare Auflagerungen aufwies. Sowohl die frischen Präparate
aus dem Eiter, als auch Schnittpräparate aus den Auflagerungen, ferner
Gulturen auf Agar-Agar ergaben den Befund von massenhaften Gonococcen.
Ebenso wurden im Eiter der rechten Tube Gonococcen in Menge gefunden.
Verf. betont, dass dies der erste Fall einer sichergestellten Gonococcen-
Peritonitis sei, in welchem theils flüssiges, theils der Serosa als Membran
auflagemdes eitriges Exsudat noch vorhanden war. Von den zwei von ihm
festgestellten Infectionsarten des Peritoneums von der Tube aus, durch
das abdominale Ostium oder durch die Wand der Tube hindurch, sei
natürlich die Infection hier, wie ja der Befund beweise, auf die erste Art
entstanden. Paul Neisser.
(27) C hall an hat einen Fall beobachtet, in welchem eine ganz
acute in 8 Tagen ad exitum führende eitrige Peritonitis einen Patienten
eine Stunde nach seiner Entlassung aus dem Hospital befiel, in welchem
er wegen einer uncomplicirten Gonorrhoe behandelt worden war. Da sich
bei der Section eine andere Ursache für die Peritonitis nicht ergab,
hält sie Ghallan für eine gonorrhoische (trotzdem sie sich in ihrem Verlauf
von allen bisher beobachteten gonorrhoischen Peritonitiden unterschied
und kein Mittelglied zwischen der Gonorrhoe und der Peritonitis gefunden
worden ist [Ref.]). Jadassohn.
(28) In der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie demon-
strirte Bröse ein durch Laparotomie gewonnenes Präparat eines gonor-
rhoischen Tuboovarialabscesses. Das abdominale Ende war mit dem Ova-
rium verlöthet und entsprechend der Verklebungsstelle fand sich im
Ovarium eine wallnussgrosse, mit Eiter gefüllte Höhle, in der Gonococcen
nachgewiesen wurden. Paul Neisser.
154 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
(29) Die sehr heruntergekommene Patientin Saulmanns hatte neben
Schmerzhaftigkeit im linken Abdomen eine fluctnirende Geschwuhit links
vom üteruB, welche das linke Scheidegewölbe gans ausfüllte; der ütems
seibat war vergrössert und schmerzhaft. Die mikroskopische Untersuchung
des Gervixsecrets ergab neben reichlichen Gonococcen TuberkelbacciUen.
Nach 8 Tagen waren unter Scheidenausspülungen mit 4% Arg. nitr. und
Stephan^schen Ghlorzink-Sublimat-Antrophoren die Gonococcen verschwun-
den, während die Tuberkelbacillen noch constatirt wurden. Eines
Tages hatte Patientin das Gefühl, als ob etwas in ihrem Leibe geplatzt
sei, und im Speculum zeigte sich, dass eine grosse Quantität Eiter strom-
weise aus dem Orificium abfloss, der reichlich Tuberkelbacillen enthielt.
Ein Abscess hatte sich in der Tube geöffiiet und nach dem Uterus hin
entleert. Die Patientin befindet sich noch in des Vortragenden Behandlung.
Paul Neisser.
(SO) Palm er wurde von einem Patienten consultirt, welcher an
Gonorrhoe litt und seine Frau angesteckt zu haben glaubte ; hierin suchte
er den Grund ihrer Unfruchtbarkeit. Die Untersuchung ergab, dass Patient
an einer gonorrhoischen Strictur litt und dass seine Frau eine Yaginitis,
Endometritis und eine Fixation des Uterus in abnormer Lage hatte. Nach
erfolgreicher Behandlung Beider wurde die Frau gravid. Auch im zweiten
Falle klagte der Patient darüber, dass seine Ehe kinderlos sei. Die Unter-
suchung der Frau ergab durchaus normalen Befund der Genitalorgane;
dagegen stellte sich heraus, dass der E)iemann vor mehreren Jahren eine
Gonorrhoe mit beiderseitiger Epididymitis durchgemacht hatte. Die Unter-
suchung des Samens zeigte das vollständige Fehlen von Spermatozoon.
- Nach Palmers Ansicht ist von 10 Fällen von Sterilität in etwa dreien die
Schuld auf Seiten des Mannes. Schaffen
(31) Cahen-Brach g^bt einen historischen Ueberblick über die
Wandlungen, welche die Ansichten über das Zustandekommen der Uro-
genitalblennorrhoe der kleinen Mädchen erfahren haben. Y. hat sich be-
sonders auf Grund der neueren Arbeiten (Späth, Epstein, Skutsch) die
Ansicht gebildet, dass es sich in fast allen Fällen um eine Gonococcen-
Infection handle, trotz der gegenseitigen Ansichten, die auch in den
neuesten Lehrbüchern der Pädiatrie (Baginski, Henoch) vertreten werden.
Zum Beweise für die Richtigkeit seiner Ansicht folgen seine eigenen Be-
obachtungen, die 26 Fälle umfassen. Die fast regelmässige Mitbetheiligung
der Urethra (unter 25 Fällen 23mal sicher, Imal wahrscheinlich) veranlasst
den y. statt der üblichen Bezeichnung Vulvovaginitis den Namen Uro-
genitalblennorrhoe vorzuschlagen. Brach kommt als Ergebniss seiner Be-
obachtungen zu folgenden Thesen:
1. Die kindliche Leucorrhoe stellt in den meisten Fällen — wenn sie
mit profuser Secretion einhergeht, fast ausnahmslos — eine echte Gonorrhoe dar.
2. Die hierbei öfter als im erwachsenen Alter in Frage kommende
indirecte Infection fasst abgesehen von der Vulva zunächst festen Fuss in
der Urethra und erzeugt daselbst eine für die Gonorrhoe kleiner Mädchen
nahezu pathognomonische Entzündung.
der Syphilis. 155
8. Erst weiterhin wird die Vagina afficirt, deren Empfänglichkeit
für das Trippergift ebenso wie bei der Valva mit zunehmendem Lebens-
alter sich verringert.
4. Ein Uebergreifen des Processes auf die Cervix und weiterhin den
Uteruskörper, Tuben und Peritoneum gehört zu den Seltenheiten.
6. Auch die kindliche Oonorrhoe giebt zuweilen zu Gelenkmetastasen
Veranlassung.
6. Indem das Leiden durchschnittlich in drei Monaten spontan
abheilt, gestaltet sich seine Prognose wesentlich günstiger als bei Er-
wachsenen, wenngleich auch bei Kindern eine jahrelange Dauer mit zeit-
weiliger Latenz vorkommt.
7. Therapeutisch hat sich am besten eine möglichst wenig eingrei-
fende Behandlung bewährt. Prophylaktisch ist es wichtig, bei kleinen
Mädchen die gemeinsame Benutzung von Bett, Waschgeräthen etc. mit
tripperkranken Personen nicht zuzulassen. Lasch.
(32) Nach Berggrün ist die Gonorrhoe die häufigste Ursache
der Vulvovaginitis kleiner Mädchen; bei 11 von 31 Fällen wurden Gono-
coccen mikroskopisch und durch die Cultur (nach Winkler — Eibitzeiweiss
oder Wertheim — Blutserum) nachgewiesen; für eine sichere Diagnose
hält B. die Cultivirung für nothwendig. 7 Fälle gehörten zur eitrigen
Vulvitis, die sehr oft traumatisch ist; bei ihr finden sich Staphylo- oder
Streptococcen. 10 Fälle gehörten zur „katarrhalischen Vulvitis ** — auch
diese hält der Verfasser für infectiös, trotzdem es ihm nicht gelungen ist,
bestimmte Bakterien zu isoliren.
(33) Von einer Besprechung der selteneren Wege der Uebertragung
des Trippers beim weiblichen Geschlecht ausgehend, citirt Gross die Be-
richte verschiedener Autoren über Endemien von Vulvovaginitis kleiner
Mädchen (die grosse Posener Endemie, über welche S kutsch genaue
Untersuchungen angestellt und ausfuhrlich referirt hat, scheint ihm un-
bekannt geblieben zu sein. Ref.) und beschreibt einen Fall von Vulvova-
ginitis gonorrhoica bei einem 10 Jahre alten Mädchen und einen Fall von
Gonorrhoe bei einer 19 Jahre alt«n Virgo. In dem letzteren Falle hat
G. unter Cocain das Speculum eingeführt und die Vaginalschleimhaut
„dunkelroth mit einigen punktförmigen Ekchymosen versehen^, das Ger-
vicalsecret normal, glasig gefunden. (Von einer Untersuchung der Secrete,
speciell der Vaginalsecrete auf Gonococcen ist in diesem Falle keine Rede.
Bei). Zum Schlüsse Beschreibung der auf der Tübinger Klinik üblichen
Behandlung der Vulvovaginitis gonorrhoica. Die Urethra wird mit Cocain
anästhesirt und mit 1 : 1000 Sublimat-Lösung bepinselt. Die Scheide wird
gleichfalls mit Cocain bepinselt, mit Sublimatlösung ausgespült und hierauf
unter langsamem Herausziehen des Speculums mit Alaun ausgepulvert.
Nach einigen Tagen werden die sich abstossenden Schleimhautfetzen mit
„schwacher'' Sublimatlösung weggespült und die Alaunauspulverung widerholt.
Steinschneider.
(34) Balz er und Souplet haben von 424 Fällen von Tripper in
99 Fällen Albuminurie nachgewiesen. 45 Falle davon sind nicht unanfechtbar.
156 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Die restirenden 54 Fälle waren 42mal mit Epididymitis, 6mal mit Or-
chitis und Cystitis, 3mal mit Cystitis allein complicirt. Die Albuminurie war
meist Symptomenlos ; sie dauerte 7 — 8 Tage. In einigen Fällen war Fieber
und Abgeschlagenheit nachweisbar. Dies ist meist bei complicirender Epidi-
dymitis der Fall und wird durch Toxinresorption in die Blutmasse erklärt.
Die Behandlung bestand in Buhe, Milchdiät. Finger.
(85) Balz er und Jacquinet fassen die Erfahrungen zusammen,
welche sie in den letzten Jahren über die renalen Symptome bei der
Gonorrhoe gemacht haben. Da' in diesem Berichte die einzelnen Original-
arbeiten referirt sind oder noch referirt werden, auf welche sich diese
Zusammenfassung bezieht, brauchen hier nur die Hauptpunkte wiedergegeben
zu werden. Die Verf. unterscheiden 2 Formen von Albuminune bei der
acuten Gonorrhoe: die durch locale ascendirende und die durch allge-
meine Infection. lieber die Rolle, welche der Gonococcus bei diesen For-
men spielt, sind B. u. J. noch nicht im Klaren. Von der Nephritis durch
allgemeine Infection unterscheiden sie 8 Grade und glauben auch an eine
Gombination beider Arten der Infection. Die renalen Symptome traten
meist bei Complicationen auf; ihre Prognose ist meist g^ünstig.
Jadassohn.
(36) Unter den verschiedenen Ursachen, welche bei Kindern zur
Pyelitis Anlass geben können, erwähnt Monti auch die Vulvo-Vaginitis
blennorrhoica, bei welcher die Gonococcen durch Blase und Urethra in die
Nierenbecken einwandern können. (Sichere Beobachtungen nach dieser
Richtung sind unseres Wissens noch nicht vorhanden. Ref.) Die Arbeit
enthält eine genaue Symptomatologie der Pyelitis im Kindesalter.
Jadassohn.
Buchanzeigen und Besprechungen.
A. Wolff, Lehrbuch der Haut- und ßesohlechtskrankheiten. Stutt-
gart, Ferdinand Enke 1893.
Besprochen von Prof. Caspary in Königsberg.
DaB eben erschienene Lehrbuch W o 1 f f s ist den Intentionen,
die dem Verfasser vorschwebten, durchaus gerecht geworden. Die
Klarheit in der Beschreibung der Krankheitsbilder, die Anregung
zu eigener Arbeit, die sorgsame Durchführung der therapeutischen
Abschnitte werden dem Studierenden wie dem praktischen Aerzte
gleich willkommen sein. Auf Schritt und Tritt begegnet man dem
erfahrenen Arzte, und oft genug dem selbständigen Forscher,
so dass vielen Abschnitten — gegentlber den Darstellungen anderer
Autoren — ein mehr subjectives, aber darum nicht weniger inter-
esantes Gepräge verliehen wird. Eine grosse Reihe meist ganz vor-
trefflicher Abbildungen erhöht die Brauchbarkeit des gut ausge-
statteten Werkes.
Varia,
P. D i d a y f
1812—1894.
Der Nestor der Syphilidologen P. Diday ist am 8. Januar nach
kurzer Krankheit, 83 Jahre alt, verschieden. Noch wenige Tage vor seinem
Tode beschäftigte er sich mit der Durchsicht der 4. Auflage seines Buches :
Pratique des maladies veneriennes und noch in der letzten Jahresnummer
des Lyon medical erschien ein Artikel aus Diday 's Feder: Sur Poppor-
tunite de mercurialiser une primipare presumee syphilitique, ein spre-
chender Beweis fiir die bis in sein hohes Alter erhaltene Intelligenz und
Arbeitsfreudigkeit. P. Diday widmete seine langjährige Thätigkeit fast
ausschliesslich dem Studium der Syphilis und der venerischen Krankheiten.
Ausserhalb der medicinischen Hierarchie stehend, ohne Beziehung zur
medicinischen Facultät Lyons, verstand er es sich eine eigenartige Stel-
lung zu schaffen. Zahllos sind seine kleineren Publicationen in verschie-
denen medicinischen Zeitungen, vielfach polemischen Charakters, wie man
überhaupt Diday als einen hervorragenden Journalisten und Polemiker
bezeichnen kann.
158 Varia.
Von seinen grösseren Werken fahren wir an: Traite de la Sy-
philis des nouyean-nes et des enfants a la mamelle, 1854.
Exposition critiqne et pratiqne des nonvelles doctrines
snr la syphilis etc. 1858. Histoire naturelle de la Syphilis.
1863. Therapeutique des maladies veneriennes et de mala-
dies c Uta nee s in Gemeinschaft mit Doyon 1876. Le peril venerien
dans les familles. 1881. Les herpes genitanx in Gemeinschaft
mit Doyon. 1886. Le pratiqne des maladies veneriennes 1886
als 3. Auflage seiner Therapentiqne des maladies veneriennes. Diday
war von 1858 an Redacteur der Gazette med. de Lyon bis diese sich
1869 mit dem Jonmal de medecine de Lyon, dem gegenwärtigen Lyon
medical, vereinigte. Diday war ein Gegner des Traitement prolonge
Buccessif, intermittent und Anhänger und nberzeugungsvoUer Yertheidiger
der opportunistischen mercuriellen Therapie, für welche Ansicht er wieder-
holt und scharf eingetreten ist, so am Dermatologen-Gongress 1889 in
Paris und zuletzt bei Gelegenheit des Erscheinens von Fournier's Buch:
Sur le traitment de la syphilis.
Diday war ein edler und unabhängiger Charakter und wie sein
Andenken fort leben wird in den Herzen aUer die ihn kannten, wird die
Erinnerung an ihn eine dauernde sein durch seine Werke. F. J. Pick.
Gomedoiienquetselter aus Glas. Zu diesem Gegenstande er-
halten wir von Hm. Dr. Georg Meyer in Berlin folgenden Brief:
Sehr geehrter Herr Professor! Soeben kommt mir die kurze Notiz
von Dr. Ullmann, Wien: „Comedonenquetscher aus Hartglas^ im 2. Heft
des 26. Bandes des Archivs für Dermatologie und Syphilis zu Gesicht. Ich
würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie die Liebenswürdigkeit hätten, auf
meine Veranlassung darauf hinzuweisen, dass ich bereits im Jännerheft 1893
der therapeutischen Monatshefte p. 46 einen solchen aus Glas — Hartglas
ist nicht nothwendig, wie ich nach etwa anderthalbjähriger Benutzung der
Werkzeuge feststellen kann — gefertigten Gomedonenquetscher angegeben
und durch Abbildung veranschaulicht habe.
Dr. Uiiiia*s dermatologi§che Preisaufl^abe für 1894: „Es soll
untersucht werden, ob und in wie weit die in neuerer Zeit aufgestellten
Behauptungen, dass coUagene, elastische Fasern und sesshafte (pigmentirte)
Bindegewebszellen in die normale Stachelschicht hineinreichen, begründet
sind." — Der Preis beträgt 300 M. Näheres über die Bedingungen der
diesjährigen Preisaufgabe ist zu erfahren von der Verlagsbuchhandlung
Leopold Voss, Hamburg, Hohe Bleichen 34.
Bei der Redaotioii eingelaufene BüGlier:
J essner, Dr.: Casuistische Mittheilungen. Deutsche Medicinal-Zeitung.
1893. Nr. 72.
K eitel, Dr.: Weitere Versuche in der Anwendung des Hydrarg. salicyl.
bei Lues.
Varia. 159
Kromayer, Dr. £.: Die Histogenese der Molluscamkörperchen. Yirchow's
Archiv. Band CXXXH.
Kaiisch, Dr. G. : Sind die durch Kantharidin und Krotonöl hervorgeru-
fenen Entzündungen der Haut Ekzeme? Monatsh. f. prakt. Denn. Bd. XVII.
Kromayer, Dr.: Oberhautpigment der Säugethiere. Archiv für mikroskop.
Anatomie. Band XXXXII.
Lewin, Prof. Dr. G.: üeber das Leukoderma, namentlich über seinen
diagnostischen Werth. Charite-Annalen. XVIII. Jahrg.
duMesnil, Dr. Th.: lieber das Resorptionsvermögen der normalen menschl.
Haut. Deutsches Archiv für klin. Medicin.
Mourek, Dr. H.: Ein Beitrag zur Kenntniss der syphilitischen Erkran-
kungen des Rückenmarks.. Monatshefte für prakt. Derm. XVII. Bd.
— Ein Beitrag zur Differenzirung der Epidermidosen und Ghorioblastosen
auf Grundlage eines neuen Falles von „Acanthosis nigricans^. Monats-
hefte für prakt. Dermatologie. XVII. Band.
Mantegazza, Dr. ü.: Note istologiche sopra Alcuni casi di Psoriasi. Milano
1893. Fratelli Rivara.
Mourek, Dr. H. : üeber Nucleiniiyectionen bei Lupus. Wiener medicin.
Wochenschrift. 1893. Nr. 35 und 36.
Neu mann, Prof. Dr. J.: Das Tätowiren vom medicinischen und anthro-
pologischen Standpunkte. Wiener med. Wochenschr. 1893. Xr. 27 — 30.
— Syphilis und Ehe. Wiener med. Wochenschr. Nr. 23—26. 1892.
Petrini-Galatz, Prof. Dr. Note sur un cas de Syphilide erythemato-
tuberculo-crouteuse de la face, compliquee de sarcome angiolithique ce-
rebral (avec une planche en couleur hors texte). La Roumanie Medicale.
1893. Nr. 6.
Petersen, Dr. W. : Ueber die sogenannten Psorospermien der Darier'schen
Krankheit. Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenkunde. XIV. Bd. Nr. 15.
Pick, Dr. Friedel: Zur Kenntniss der cerebrospinalen Syphilis. Zeitschr.
für Heilkunde. 1892.
Roh ring, Dr.: Ein Fall von umfangreichem behaartem Naevus. Deutsche
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160 Varia.
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ijovaiinini Ichthyosis mit Hypeilrophiu il.Schweissdriisen
Archiv f Dermalologie u Syphilis, Band XXVli .
fiffj.
Jovannini:JchiUyosismtiHypc[1ra[)hi<>dbctiivH.ssi]rüscii
%,?,
Archiv f Darmatologieu-Syphilis.Band XXVIl.
Figr
GiovanniniJdithyoslsmilHypedrophipdSdiweisadrüsen
Archiv l Dermalologieu.Syphilis Bdtid XXVIl.
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Archiv f Dermalologie u Syphilis Band XXVIi,
Mih-.'iKkv H"il:-,it| /iirl\niuiiiiss.lf>rll.-iiiihii
Originalabtiandlungen
ArchiT f. Dermatol. n. Syphil. Band XXVII.
11
Ans der dermatologischen Zlinik des Prof. Kaposi
in Wien.
Ueber die sogenannte Sarkomatosis cutis.
Von
Dr. Eduard Spieglet*,
klin. Ascistent.
(ffierzu Taf. VII u. Vni.)
Die Sarkomotose der Haut ist in den letzten Jahren
Gegenstand vielfacher und eingehender Forschungen gewesen.
Dabei stellt es sich immer mehr heraus, dass dieselbe kein ein-
heitliches Krankheitsbild darstellt, sondern dass es eine Beihe
von histologisch höchst ähnlichen, klinisch und prognostisch
aber sehr verscliiedeuartigen Krankheiten gibt, die vorläufig noch
unter diesem Namen zusammengefasst werden.
Zunächst müssen die Neubildungen der Haut, welche
Metastasen von visceralen und Knochensarkomen darstellen,
ausgeschieden werden. Ebenso muss der Mykosis fimgoides eine
vollständige Sonderstellung eingeräumt werden.
Bei dem reichen Materiale unserer Klinik fand ich nun
Gelegenheit im vorigen Jahre sechs Fälle von „Sarkomatosis
cutis'' zu beobachten und ich glaube, dass die diesbezüglichen
Befunde von Belang für die Klärung dieser Frage sein dürften.
Fall I. P. B., Bedienerin aus Koritschan in Mähren, 76 Jahre alt,
aufgenommen am 30. November 1892, stammt aus gesunder Famüie, war
18 Jahre verheiratet, ist seit 20 Jahren verwitwet. Ihre zwei Kinder
starben in frühen Jahren an unbekannten Krankheiten. Patientin selbst
war bis vor 2 Jahren immer gesund. Damals bemerkte sie an beiden
Schultern und an der Brust das Auftreten von Knoten, die bald Nussgrösse
11*
164 Spicgier.
erreichten. Während die älteren sich noch vergröaserten, traten gleich-
zeitig neue an verschiedenen Körperstellen auf.
Stat. präs. Patientin ist massig kräftig gebaut, Fettpolster gering.
Die inneren Organe vollkommen normal. Hämoglobingehalt 65 7o (Fleischl).
Die Zahl der rothen Blutzellen etwas über 5 Millionen, Zahl der weissen
um ein Geringes vermehrt. Die Hautdecken sind gelblich verfärbt, atro-
phisch. Ueber beiden Schultern, an den Achselfalten und an der angren-
zenden Brustregion, dann am Rücken und über beiden Schnltwblättem
sitzen 40 — 50, grösstentheils haselnuss- aber auch bis über wallnussgrosse,
blassrothe bis dunkelblaurothe mit platter Epidermis bedeckte, theils
flache, theils kugelig hervorragende Knoten von derber teigiger Beschaf-
fenheit, welche nur mit der Cutis über der Fascie beweglich sind. Die-
selben sind auf Druck kaum schmerzhaft. Einzelne sind abgegrenzt, zum
grosseren Theil sind sie aber durch ihre tieferen Partien dicht an einander
gelagert oder gar confluirend. Eine solche nahezu flachhandgrosse, flach-
kuchenformige Geschwulst sitzt auf der linken Schulter. Aehnliche sitzen
über der linken Scapula, central leicht eingesenkt mit zarter Heranziehung
der Oberhaut, während die Randpartie paradiesäpfelähnlich leicht einge-
kerbt sich präsentirt. Nirgends, weder jetzt (noch im ganzen späteren
Verlaufe) Epidermisverlust oder Nässen. Solche und ähnliche Geschwülste
finden sich noch zerstreut über den ganzen Stamm und an den Streckseiten
der Oberschenkel. Gesicht, Hals, Nacken und Gapillitium vollkommen frei,
ebenso die Schleimhäute des Mundes und der Athmungsorgane. Es be-
stehen keinerlei Drüsenschwellungen.
Patientin erhält systematisch Arsen, theils subcutan, theils als asiatische
Pillen. Im weiteren Verlaufe werden in unregelmässiger Folge einzelne
Knoten grosser, während sich andere bis zum Verschwinden involviren.
Dieser Wechsel hält während der ganzen Beobachtungszeit an. Dabei iat
das Befinden der Patientin ein vortreffliches. Dieselbe ist stets heiter, geht viel
herum, der Appetit lässt nichts zu wünschen übrig. In den letzten Wochen
wurde ein grösserer Knoten am linken Oberschenkel gangränös. Patientin
fieberte hiebei einige Tage bis 40* und verfiel von Tag zu Tag mehr. Der
Substanzverlust begann schon sich zu reinigen und zu überhäuten, indess
konnte sich die 76jährige Frau von dieser schweren Attaque nicht mehr
erholen und starb unter Erscheinungen von Marasmus. Während des Fie-
bers waren die Knoten nahezu vollständig geschwunden und Hessen als
einzige Spur einen schwach bläulichen, leicht deprimirten Fleck zurück,
über dem die Epidermis wie atrophisch schien. Dasselbe war bei den ohne
Fieber rückgebildeten Knoten zu beobachten.
Aus dem Sectionsbefunde (Obducent Prof. Kolisko) ergab sich das
vollkommene Fehlen von Metastasen in den übrigen inneren Organen.
Nur im Magen fanden sich offenbar so wie an der Haut rückgebildete
Tumoren, ohne dass während des Lebens mit Ausnahme der allerletzten
Tage, in welchen Patientin vermöge ihres febrilen Zustandes die Nahrungs-
aufnahme verweigerte, irgendwelche Verdauungsstörungen beobachtet worden
wären. Das ObductionsprotokoU besagt über den Magenbefimd:
Ueber die sogenannte Sarkomatosis cutis. I(j5
„Der Magen contrahirt, nur etwas gallig gefärbte Flüssigkeit ent-
haltend, die Schleimhaut fleckig pigmentirt, mit Ausnahme ihres pilorischen
Antheiles. Diese pigmentirten Flecke central etwas einsinkend, wie strah-
lige Narben zeigend, am Schnitte diesen centralen Stellen entsprechend,
die Schleimhaut an die Muscularis fixirt und in ihrer ganzen Dicke
schwärzlich pigmentirt.** Im üebrigen nur senile Veränderungen."
Die liistologische Untersuchung eines in viva excidirten
Tumors ergab Folgendes:
Der Tumor sitzt, wie man übrigens auch schon makro-
skopisch wahrnimmt, im unteren Theile des Corium und stellt
an der Schnittfläche eine weissliche markige Masse dar. Der
obere Theil des Corium zeigt ein sehr starkes fibrilläres Binde-
gewebe, welches zahlreiche, meist runde, aber auch spindel-
förmige Zellkerne enthält. Die zahlreichen Gefässe sind in
nicht sehr reichlichem Masse Ton Rundzellen umgeben und
zum Theile nicht pathologisch verändert. Einzelne von ihnen
hingegen fallen durch ihre besonders dicke Wandung auf-
Die Verdickung gehört zumeist der Media an. Andere Gefässe
wieder fallen durch das in das Lumen des Gefässes zottig
Yorwuchernde Endothel auf. Ziemlich stark kleinzellig infiltrirt
zeigt sich die Umgebung der Talgdrüsen sowie die der Haar-
follikel. Auch das subpapilläre Capillai*netz fällt durch das
umgebende Infiltrat umso deutlicher auf.
Die Papillen sind sehr flach (entsprechend dem Orte,
dem das excidirte Stück entspricht — Thorax) das Rete von
normaler Breite, die Zellen desselben bis in die verhornte Epi-
dermis ragend.
Das dichte kleinzellige Infiltrat, welches die eigentliche
Hauptmasse des Tumors ausmacht, beginnt in der Höhe der
oberflächlichen Schweissdrüsen und zwar sieht man, wie die-
selben vom Rande her in dem kleinzelligen Infiltrate geradezu
aufgehen, so dass in manchen Präparaten nur die Contour der
Knäuel sichtbar ist, aber gleichzeitig die ganze Drüse von dem
Infiltrate ganz und gar durchsetzt ist. Die Zellen sind theils
regellos in dichten Massen in fibrillärer Grundsubstanz an-
geordnet, theils liegen dieselben in einer an Perlenschnüre
erinnernden Regelmässigkeit in einem aus zartem fibrillären
Bindegewebe bestehenden Grundgewebe, welches selbst das
unveränderte Maschenwerk der Cutis darstellt, das in dieser
166 Spiegier.
Weise von den Infiltratzellen durchsetzt und auseinandergedi'ängt
erscheint. In dieser Weise ragt das Infiltrat bis an die Fett-
gewebe heran. In den tieferen Partien ist die Infiltration um
die Gefasse wieder stärker. Die Grösse der Zellkerne selbst
ist im Durchschnitte 7 — 8 ^. Ausserdem fallen in dem Binde-
gewebe des subpapillären Theiles die grossen und zahlreichen
Lymphspalten in dem Tumor selbst die grosse Anzahl von
erweiterten Lymphgefassen auf, die oft zu 4 und 5 in einem
Gesichtsfelde sichtbar sind. Auch fand ich die „Kugelzellen^\
auf die von T o u t o n *) neuerdings aufinerksam gemacht worden
ist, durch Weigert's Fibrinlarbung.
Ein Stück aus einem rückgebildeten Tumor, der sich nur
als schwarzblauer Fleck auf der Haut zeigte, lieferte folgende
Bilder :
Vor allem fällt die spärliche Zahl der Infiltratzellen auf,
die in dem nunmehr allenthalben deutlich hervortretenden
fibrillärem Mascheuwerke der Cutis eingebettet erscheinen.
Ausserdem sind zahlreiche, offenbar in Rückbildung begriffene
Zellen sichtbar, deren Kerne die Kemfärbung fast gar nicht
annehmen und nur in undeutlichem blassen Contouren sichtbar
sind. Ein Theil der Gelasse ist vollends erhalten, andere
wieder sind mit den Infiltratzellen ähnlichen Gebilden durchsetzt
und erscheint ihr Lumen ganz oder theilweise aufgehoben.
Dieser Verschluss ist durch das in das Innere des Gefasses
sich ausfaltende Endothel bedingt, was wohl dadurch zu Stande
konmit, dass durch die Rückbildung des Tumors die Blutzufuhr
in die Gefasse eine geringere wird und sich unter dem unzu-
reichendem Drucke auf die Gefasswand das Endothel in dieser
Weise faltet.
Am auffallendsten von allen Veränderungen ist jedoch der
Umstand, dass im Tumor selbst die unmittelbar subpapillären
Partien von Infiltratzellen nahezu vollkommen frei waren, wäh-
rend diese Zellen im rückgebildeten Tumor auch diesen er-
füllen und in stellenweise sehr dichten Zügen der Richtung
der Lymphspalten folgen. Auffallend ist femer die Form der
Kerne, die zum grössten Theil die Stäbchenform angenommen
haben und vielfach ein granulirtes Aussehen zeigen, das wohl
•) Touton. Virchow's Archiv. 1803.
Ueber die sogenannte Sarkomatosis cutis. 167
auf beginnenden Zerfall hindeutet. Im übrigen hat das Binde-
gewebe ein derberes, festeres und solideres Aussehen.
Ich habe schliesslich noch ein Hauptstück des im Fieber
der letzten Lebenstage rückgebildeten Tumors vom Kücken
untersucht, u. zw. war dasselbe post mortem entnommen. Makro-
skopisch verriethen sich solche Stellen, wie oben erwähnt, bloss
durch ihre Uvid blassblaue Farbe und ihr atrophisches Aus-
sehen. Histologisch erschienen dieselben ähnlich dem zuletzt
beschriebenen Bilde, nur mit dem Unterschiede, dass hier die
Infiltratzellen, welche gleichfalls jene stäbchenförmigen Kerne
zeigen^ noch spärlicher sind, als in dem ohne Fieber rück-
gebildeten Tumor. Nur in der Umgebung der Haarfollikel
und der Drüsen stehen dieselben dichter. Auffallende Ver-
änderungen sind auch an den Gefässen wahrzunehmen, indem
die Wandungen auf das drei- und vierfache des Normalen
verdickt erscheinen. Namentlich ist das Gewebe der Intima
sehr verstärkt und in unregelmässigen wie zerfransten Pro-
minenzen in das Lumen des Gefasses vielfach vorspringend.
Die Epidermis ist entsprechend dem makroskopischen Anblicke
atrophisch, die Zellen des Rete in 2 — 3 Reihen wie über einer
Narbe in fast grader Flucht hinwegstreichend.
Das makroskopische Aussehen der offenbar rückgebildeten
Tumoren des Magens wurde schon früher erwähnt. Mikro-
skopisch handelt es sich auch hier um ein Zellinfiltrat, dessen
Elemente sich von den vorherbeschriebenen im Fieber rück-
gebildeten kaum unterscheiden. Auch hier handelt es sich
zumeist um stäbchenförmige Kerne, die gleichfalls jene Zer-
fallsformen zeigen. Dazwischen sind nur spärliche Rundzellen
sichtbar, die wohl, wie bei den Tumoren der Haut, der ur-
sprünglichen Form des Zellinfiltrates entsprechen. Die Hyalin-
^chichte fehlt vollständig, die Schaltstücke sind sehr ver-
schmälert, stark mit Leukocyten durchsetzt, die Schläuche
selbst durch das Infiltrat auseinandergedrängt, die Hauptstücke
der Drüsenschläuche verschmälert, Protoplasma und Kern der
adelomorphen Zellen stark mit Hämatoxylin gefärbt, die Beleg-
zellen verbreitert, ihr Protoplasma nur mit Eosin gefärbt, die
Kerne gut differenzirt. Die Endstücke sind nur sehr wenig
infiltrirt.
168 Spiegier.
Auch das übrige Gewebe, namentlich auch die glatte
Muskulatur, zeigt sich von Infiltratzellen vielfach durchsetzt.
Die Stücke wurden mit Ausnahme der im Fieber lück-
gebildeten, welche von der Leiche stammten, intra vitam exci-
dirt, in Alkohol, Müller'scher Lösung oder Sublimat Pikrin-
säure gehärtet und nach den gangbaren Methoden — zumeist
Eosin Hämatoxylin oder Carmin Pikrinsäure — gefärbt.
Es handelt sich also um einen in der Tiefe des Coriums
sitzenden, aus kleinzelligem Infiltrat bestehenden Tumor, dessen
Zellen das Cutisgewebe nicht verdrängen, sondern unter Er-
haltung desselben in den Zwischenräumen dieses selbst einge-
lagert erscheinen — ein Umstand, in welchem, abgesehen vom
klinischen Verlaufe, ein principieller Unterschied vom echten
Sarkom besteht. Im unmittelbar subpapillären Gewebe handelt
es sich um Hypertrophie des Bindegewebes neben spärlicher
Infiltration um die Gefässe, Haarfollikel und Talgdrüsen.
Fall II. M. P., 63 Jahre alt, aufgenommen am 22. Nov. 1893 aas
Galizien, stammt aus gesunder Familie, war bisher immer gesund. Seit
3 Jahren ist er mit seinem gegenwärtigen Leiden behaftet. Der Process
begann am linken, ergriff bald darauf den rechten Unterschenkel und nach
kurzer Zeit auch die Oberschenkel. Ueber den Beginn eines Geschwüres
am rechten Knie fehlen bestimmte Angaben.
Stat. präs. Patient gross, sehr kräftig gebaut, Muskulatur und Pani-
culus schwach, die unteren Extremitäten von schmutzig grauer Farbe,
sehr stark verdickt mit folgenden Massen: Links: Mitte des Oberschenkels
57 Cm., über dem Knie 51 Gm., Mitte des Unterschenkels 47 Cm., ober-
halb der Malleoli 33 Cm. Rechts: Mitte des Oberschenkels 46 Cm., Mitte
des Unterschenkels 38 Cm. Diese Yolumszunahme gehört ausschliesslich
der stark verdickten und derben Haut an, die sich von der darunter lie-
genden Muskulatur nur sehr schwer etwas abheben lässt. Linker Fuss.
Oberhalb des inneren Malleolus ein 6 Cm. langes, 3 Cm. breites champignon-
ähnlich gebildetes, an einzelnen Stellen mit der Unterlage verwachsenes
Gebilde, von normaler Haut bedeckt. Die Haut der Zehen trocken, brüchig,
gerunzelt, an der Grenze gegen den Fussrücken durch eine zusammen-
hängende tiefe Furche wie abgeschnürt. Am Fussrücken die Haut vielfach
gefaltet, da dieselbe zu gross ist, um die Unterlage zu bedecken. An der
Aussenseite des Fusses, in der Malleolargegend zahlreiche linsengrosse,
isolirt stehende, derber als die Umgebung anzufühlende Hautstellen, mit
gleicher Hautdecke wie die Umgebung. Rechter Fuss: Die Gegend der
Patella und ihre Umgebung bildet einen zusammenhängenden Krankheits-
herd und ist in der Weise verändert, dass rechts von der Patella ein
halbmondförmiges Geschwür von 6 Cm. Länge und 5 Cm. Breite sitzt,
Ueber die sogenannte Sarkomatosis cutis. 1()9
begrenzt von zackigen Rändern mit theils hie und da zu Granulationen
geneigtem, theils speckig belegtem Grunde. Ein zweites, ähnliches, doch
kleineres Geschwür sitzt am Condyl. intern, femoris. Die Haut des Unter-
schenkels ist fixirt, glänzend, ödematös infiltrirt. Am Oberschenkel sieht man
ca. 16 schwarzblau gefbrbte, über das Hautniveau leicht erhabene, kirsch-
kemgrosse, härtlich sich anfühlende Knoten und ebensolche Flecke. Genau
solche finden sich im oberen Viertel der Streckseite des linken Ober-
schenkels ca. 10 an Zahl. Ebensolche Knoten finden sich an beiden Fuss-
sohlen eingesprengt, wodurch das Gehen wegen der Schmerzhaftigkeit
nahezu nnmöglich wird. In den Schenkelbengen ist die Haut von voll-
kommen normaler Beschaffenheit und lässt sich dort leicht von der Unter-
lage abheben.
Unter Sublimatverband, später Salicylpflaster vernarben die Ge-
schwüre vollständig. Auch das Yolnmen der unteren Extremitäten geht
unter Einwickelang derselben in Flanellbinden stark zurück. Im weiteren
Verlaufe involvirt sich ein Theil der Knoten ganz und gar, andere ver-
kleinem oder vergrössem sich etwas, während nur in sehr spärlicher An-
zahl neue auftreten. In den letzten Monaten entstand eine Metastase in
Form eines wallnnssgrossen Infiltrates in der Gegend des Stemums, das
sich aber in der jüngsten Zeit bis zur Grenze der Wahmehmbarkeit durch
Palpation involvirt hat. Kräftezustand und Allgemeinbefinden des Patienten
Bind sehr befriedigend. Derselbe steht noch in Pflege der Klinik, ohne dass
sich sein Zustand wesentlich verändert hat.
Histologischer Befund
eines excidirten Stückes: Der Tumor zeigt sich beim Quer-
schnitte als ein sclerotisches Gebilde und manifestirt sich
mikroskopisch als aus einem sehr engen, festen hypertrophischen
Bindegewebe bestehend. Nächstdem ist das auffallendste die
ungeheuer reichliche Yascularisation des Tumors und die
massenhafte Ablagerung von Pigmentschollen. Die Gefässe
(Capillaren) ziehen stellenweise zu 5 und 6 nebeneinander meist
parallel durch das Bindegewebe und sind an den meisten Stellen
auch dort, wo sie nicht sofort ins Auge springen, durch die reich-
lich umgebende kleinzellige Infiltration auffallend. Ebenso ver-
halten sich in Bezug auf die Infiltration die Schweiss- und Talg-
drüsen sowie die Haarfollikel. Was das Pigment betrifit, so ist
dessen Massenhaftigkeit aus scholligen Gebilden bestehend her-
vorzuheben und ausserdem der Umstand, dass dasselbe überall
nur extracellulär zu sehen ist. Der Umstand, dass in der
Umgebung der Gefasse stellenweise zahlreiche extravasculäre
170 Spiegier.
rothe Blutkörperchen zu sehen sind, lässt den Schluss als ge-
rechtfertigt erscheinen, dass dieses Pigment jenen entspringe.
Die Bindegewebswucherong reicht einerseits bis an den
im übrigen unyeränderten Papillarkörper, andererseits bis an
die Fettläppchenschichte. Die einzelnen Blutkörperchen sind
in den Capillaren genau sichtbar. Ausser dem kleinzelligen
Infiltrate finden sich auch zahlreiche spindelförmige Zellen.
Fall m. M. R., 73 Jahre alt, Witwe, am 17. Mai 1893 auf die
Klinik aufgenommen, stammt ans gesunder Familie. £ines ihrer beiden
Kinder starb 24 Jahre alt an einer acuten Krankheit, das andere, eine
40jährige Tochter, ist gesund. Patientin bemerkte schon vor zwei Jahren
eine kleine Geschwulst am inneren linken Augenwinkel, die sie auf ein
Trauma zurückführte. Dieselbe ging bald auf und vernarbte spurlos. Vor
Kurzem hat Patientin ein Erysipel überstanden und bemerkte im An-
schluss daran das Auftreten einer zunächst ganz kleinen, dann aber sich
immer melir vergrössemden Geschwulst an der Nasenwurzel. Bald darauf
entstand eine zweite unmittelbar darunter und eine dritte an der linken
Wange.
Stat. präs. Patientin klein, schwächlich gebaut, doch von vorzüg-
lichem Kräftezustand und heiter. Es besteht leichte Arteriosclerose, Herz-
dämpfung etwas verbreitert. Spitzenstoss an normaler Stelle, etwas Emp-
hysema pulmonum. Die Organe im üebrigen nicht nachweisbar pathologisch
verändert. An der Nasenwurzel, dann über dem knöchernen Nasenantheile
finden sich 2 überhaselnussgrosse Tumoren, die durch eine tiefe Furche
von einander getrennt erscheinen. Dieselben sind von derb elastischer
Consistenz, mit dünner, über der Unterlage nicht verschiebbarer rothviolett
verfarbter Haut bedeckt, welche von einigen ectatischen Capillaren durch-
zogen ist. Der Tumor ist über dem Knochen leicht verschiebbar. An ein-
zelnen Stellen Fluctuation. Ueberdies ist noch eine erbsengrosse ebensolche
Geschwulst neben den erwähnten sichtbar. In der Gegend des rechten
Foramen mentale sitzen zwei bohnengrosse, derbe, oberflächlich seicht ein-
gekerbte Geschwülste von derber Consistenz, die Haut darüber wie oben.
Im Verlaufe der zweiten Woche bildet sich auf dem oberen Tumor der
Nase eine stecknadelkopfgrosse Perforation, aus der sich Detritusmassen
entleeren. Patientin erhält Druckverband und Injection von 1 Theilstrich
Liqu. Fowleri in den obersten Tumor jeden anderen Tag. Unter dieser
Behandlung gehe dieser sichtlich zurück. Patientin steht z. Z. noch in
Pflege der Klinik.
Histologischer Befund : Es wurde ein Stück von dem Tumor
der Nase excidirt und in Alkohol gehärtet. Was das histologische
Bild betrifft, so handelt es sich auch hier um eine kleinzellige In-
filtration in das Gewebe der Cutis mit fast intacter Erhaltung der
Grundsubstanz jener selbst. So klinisch verschieden von dem
lieber die sogenannte Sarkomatosifl cutis. 171
Falle I5 so ähnlich ist derselbe in dem mikroskopischen Bilde dem
oben beschriebenen der Patientin P. B., so dass er von diesem
kaum zu unterscheiden ist. Der einzige unterschied liegt in dem
Umstände, dass das Infiltrat an verschiedenen Stellen ver-
schieden hoch an das Rete hinanreicht, ja dasselbe hie und
da sogar erreicht und dass das subpapilläre Bindegewebe nicht
so reichlich entwickelt ist, als bei jenem.
Fall IV, V, VI. Schliesslich habeich noch einen an der Klinik in
Pflege befindlichen Fall von Sarcoma idiopathicum multiplex pigmentosum
Kaposi bei einem 52jährigen Manne untersucht. Das klinische Bild war
auch in diesem Falle das bekannte, die Erkrankung auf beiden Händen
und Füssen localisirt, im weiteren Verlaufe Eruptionen an anderen Haut-
stellen. Der klinische und histologische Typus dieses Krankheitslnldes ist
zu sehr abgeschlossen, als dass es nothwendig wäre, noch näher hierauf
zurückzukommen. Es handelt sich auch hier um localisirte Bindegewebs-
Neubildung und kleinzellige Infiltration in der Umgebung der Gefasse, in
den älteren Knoten ausserdem um Pigmentablagerung. Die Form der
Zellkerne ist zumeist eine spindelförmige. Zwei andere Fälle, die ich noch
an der Klinik zu beobachten Gelegenheit hatte, zeig^ten genau denselben
Typus; der eine bei einem 63jährigen Manne mit 8j ähriger Krankheits-
dauer ist durch den Umstand auffallender, dass die Ausbreitung der Krank-
heit an den Extremitäten sich durchaus flächenhaft darstellt, während die
Bildung von Knoten ganz in den Hintergrund tritt und solche sich nur in
sehr spärlichem Masse vorfanden, ja während eines Erysipels der rechten
Extremität, welches Patient durchmachte, nahezu vollständig schwanden.
Der andere Fall, der gleichfalls in vollkommenster Weise den er-
wähnten Typus zeigte, ist durch das jugendliche Alter des Patienten,
eines 23jährigen Pharmaceuten aus Russland, bemerkenswerth. Patient ist
seit 3 Jahren erkrankt. Nachdem diese Form der Erkrankung bei Perso-
nen unter 40 Jahren bisher noch nicht beobachtet worden war, dürfte die
Erwähnung dieses Falles wohl gerechtfertigt erscheinen.
Da ich einen solchen Fall, wie erwähnt, bereits der histologischen
Untersuchung unterzogen hatte, glaubte ich bei der Gleichartigkeit der
Erscheinungen in diesen letzterwähnten Fällen davon absehen zu können.
Epikrise.
Wie man aus der vorausgegangenen klinischen und histo-
logischen Darstellung sieht, handelt es sich in den erwähnten
Fällen um Aflfectionen, die den derzeitigen Anschauungen zu
Folge als Sarcome der Haut bezeichnet wurden.
Bemerkt sei, dass in keinem einzigen dieser vier Fälle
eine abnorme Veränderung des Blutes und der Blut bereitenden
Organe zu constatiren war.
172 Spiegier.
So verschieden diese Fälle in klinischer, zum Theil auch
in histologischer Beziehung sich verhalten, so stimmen sie doch
in zwei sehr wesentlichen Eigenschaften miteinander überein:
das beschränkte Wachsthum und die Fähigkeit der Rückbildung.
Nach der herrschenden Ansicht über die Sai'come, welche
zu verlassen gar kein Grund vorliegt, stellen diese aus dem
Bindegewebe hervorgegangene, gegen die Umgebung scharf ab-
gegrenzte Geschwülste dar mit unbeschränktem Wachsthum,
denen wohl die Möglichkeit des Zerfalles, nicht aber die der
Rückbildung zukommt.
Auf die vorliegenden Fälle, welche gleichzeitig die Typen
der verschiedenen Fälle der Sarcomatose der Haut darstellen,
angewendet, ergibt sich hieraus in den wichtigsten Punkten ein
Mangel an Uebereinstimmung mit obigen Postulaten. Diese
Tumoren involvirten sich unter unseren Augen häufig spontan.
Besonders auffallend war dies bei der alten Frau F. B., bei
welcher unbeeinflusst durch eine systematische Arsenbehandlung
die Tumoren bis zu Wallnussgrösse binnen wenigen Wochen
gediehen und sich ebenso rasch wieder involvirten. Dasselbe
war, wenn auch weniger auffallend bei den übrigen Fällen zu
constatiren. In keinem einzigen Fall trat aber während der
Omonatlichen bis nahezu 1 Vsjährigen Beobachtung das schranken-
lose Wachsthum ein, wie man dieses sonst bei Sarcomen zu
beobachten gewohnt ist, sondern die Geschwülste erreichten
eine bestimmte Grösse, um dann entweder stationär zu bleiben
oder sich rückzubilden.
Aber nicht nur in klinischer sondern auch in histologischer
Beziehung unterscheiden sich diese Tumoren der beiden Frauen
von echten Sarcomen und zwar von den Rundzellen-Sarcomen,
mit denen die Geschwülste die grösste Aehnlichkeit haben, indem
es sich bei diesen nicht um Verdrängung der benachbarten
Gebilde durch den Tumor handelt, sondern vielmehr um ein
kleinzelliges Infiltrat in das Maschenwerk der Cutis mit
nahezu intacter Erhaltung der Structur dieses letzteren. Die
Möglichkeit der Resorption eines solchen kleinzelligen Infiltrates
erklärt auch die Verkleinerung der Tumoren. Von was für
Bedingungen dies abhängig ist, bleibt allerdings räthselhaft.
') Vide speciell Fall I und III.
üeber die sogenannte Sarkomatosis cutis. 173
Die Tumoren bei den anderen Fällen unterscheiden sich
zwar in histologischer Beziehung in nichts von den Sarcomen,
doch muss hier wieder auf den principiellen klinischen Unter-
schied von diesen aufmerksam gemacht werden, dass dieselben
eine ganz strengcircumscripte, nicht fortschreitende,
wohl aber der Rückbildung fähigen Bindegewebswucherung
mit kleinzelligem Infiltrate darstellen.
Ich glaube umsomehr aus diesem klinischen Verhalten
eine prindpielle Verschiedenheit auch dieser Geschwülste von
den echten Sarcomen deduciren zu müssen, als ja Virchow*)
selbst ausdrücklich betont, denklinischen Verlauf zur Charakteri-
sirung krankhafter Geschwülste heranziehen zu müssen. Hieran
wird nichts geändert durch den Umstand, dass diese Fälle,
durch Metastasenbildung in inneren Organen, gleich den echten
Sarcomen, durch schwere Schädigung der Functionen derselben,
zu schweren Kachexien und schliesslich zum Tode führen.
Sämmtliche geschilderten Fälle entsprechen also nicht den
grundsätzlichen, allgemein anerkannten Forderungen für den
Begriff des Sarcomes, wiewohl dieselben Uebergangsformen von
entzündlicher Wucherung (chronischer Entzündung) zu jenen
darstellen mögen. Trotz vielfacher histologischer Aehnlichkeit
erscheint es daher geboten diese Geschwülste von den Sarcomen
abzuscheiden und denselben eine besondere Stellung einzu-
räumen, wobei man dieselben nach Kaposi's Vorschlag*) ganz
wohl als „Sarkoide" Geschwülste bezeichnen kann. Es sollen
hiedurch in erster Linie diese Geschwülste den echten Sarcomen
entgegen gestellt werden. Die besprochenen Affectionen, die
Mycosis fungoides mit eingeschlossen, zeigen sowohl klinisch
als histologisch untereinander ein so verschiedenes Verhalten,
dass die einzelnen Formen immerhin noch als solche zu dia-
gnosticiren sein werden. Von der besonderen Erörterung der
Mycosis fungoides glaubte ich aus dem Grunde absehen zu
können als deren Stellung von P a 1 1 a u f *'') ohnehin in erschöpfender
Weise behandelt worden ist.
') Virchow. Geschwülste. I. Bd.
') Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten. 4. Aafl., p. 867.
*) üeber lymphatische Neubildtmgen der Haut. Wiener klinische
Wochenschr. 1892, p. 545.
174 Spiegler.
Vom therapeutischen Standpunkte ist schliesslich
noch zu betonen, dass die obenerwähnte schlechte Prognose
dieser Fälle auch nicht absolut giltig ist, da ja Fälle beschrieben
worden sind, ') wo durch consequente Arsenbehandlung Heilung
eingetreten war.
Schliesslich erlaube ich mir noch meinem hochverehrten
Chef, Herrn Prof. Kaposi, fiir die Anregung und Ueberlassung
des Krankenmaterials, Herrn Prof. Pal tauf für die Durchsicht
meiner Präparate meinen besten Dank auszusprechen.
') Yide z. B. Eöbner „Heilung eines Falles von allgem. Sarkoma-
tose der Haut durch subcutane Arseniigectionen. Berl. klin. Wochenschr.
1883, p. 21. — Touton, Ein durch Arsen geheilter Fall von sogen, allge-
meiner Hautsarkomatose. Münch. med. Wochenschr. 1893. Nr. 2.
Erklänmg der Abbildungen auf Tafel VZI nnd VIZI.
Fig. 1. Durchschnitt durch einen Tumor vom Rücken^ von Fall I.
Zeiss Objectiv AA. Ocular 2.
Fig. 2. Derselbe Fall. Von kleinzelligem Infiltrate durchsetzte Knauel-
drüsen. Zeiss Objectiv C, Ocular 2.
Fig. 3. Ein Stuck aus der Hauptmasse des Tumors. In das Maschen-
werk der Cutis eingelagerte Infiltratzellen, dieses auseinander drängend.
Zeiss Objectiv E^ Ocular 4.
Fig. 4. Ein Stück aus dem Tumor von Fall II mit zahlreichen Ge-
lassen, Hämorrhagien und Pigmentschollen. Zeiss Object. C, Ocular 2.
Au der dermatologisclien Abtheiltmg des Primärarzt Dr. Jadas-
söhn im Allerheiligen-Hospital zu Breslaxu
Heber das Verhalten der elastischen Fasern
in Hautnarben und bei Destructions-
processen der Haut.
Von
Dr. A. Cruttentag.
Die elastischen Fasern haben bisher Terhältnissmässig wenig
Beachtung gefunden, obwohl ihre Rolle in den verschiedensten
Organen des Körpers eine wichtige, und ihre Theilnahme an
mannigfachen physiologischen und pathologischen Processen eine
hervorragende ist. Es erklärt sich die Vernachlässigung dieser
Gebilde aus der Unzulänglichkeit der bisher üblichen Methoden
ihrer Untersuchung. Zwar ist eine grosse Reihe von Färbe-
mitteln publicirt worden, seit Balzer*) und nach seinem Vor-
gange modificirend Unna") unter Benutzung der Widerstands-
fähigkeit der elastischen Fasern gegen zerstörende Einflüsse
die ersten, noch primitiven, electiven Färbungen derselben an-
gegeben haben. Aber gerade die grosse Anzahl der Färbe-
methoden und die Thatsache, dass jeder Forscher, den seine
Untersuchungen zum Studium der elastischen Fasern führten,
diese nach eigener Methode zu färben versuchte, dürfte be-
weisen, wie wenig jede derselben zu leisten im Stande war.
So entstanden die beiden älteren Methoden von Unna*) (Färbung
mit Dahlia und die Salpetersäuremetbodej, die Methode von Lustgarten*)
176 Guttentag.
(mit Yictoriablau), von Herxheimer^) (mit Hämatoxylin) und die beiden
Methoden von Martinotti') mit Saf&anin und Argentum nltricum, von
denen die letztere eine Bestätigung der von Blaschko') bei Argyria
cutis gefundenen Affinität des elastischen Gewebes zum Silber brachte.
Kuskow') wandte bei seinen Untersuchungen die eine Methode Unnas
(Dahlia) und die Lustprarten's, sowie ein modificirtes Yerdauungsver-
fahren an.
Im Jahre 1889 gab Koppen*) das Krystallviolett' als Farbstoff für
elastische Fasern an, Mibelli") verwandte Saffranin und Martin B.
Schmidt '') benutzte neben anderen Methoden auch die mitXhionin zur
Darstellung der elastischen Fasern. Aber alle diese Methoden konnten
sich ebensowenig wie die von Pansim,'*) Wolters,'*) Dührssen'*)
und die von Manchot'^) modificirte Ebner 'sehe Methode allgemeine
Geltung verschaffen.
Erst die von Unna '•) empfohlene T a e n z e r'sche Orcein-
färbung hat allgemein Anklang gefunden, und thatsächlich ist
auch seitdem eine Reihe von Arbeiten über die elastischen
Fasern erschienen. Die Schilderung ihrer normalen Verhältnisse
in der Haut wurde von Zenthöfer ^'^j gegeben; ferner haben
Behrens'®) und Secchi *•') ihr^ Kentniss gefördert. Weniger
zalüreich sind die Arbeiten über die elastischen Fasern in patho-
logisch veränderter Haut. Sack'") schildert den mikroskopischen
Befund bei einem Fall von Ulerythema sycosiforme: Die
elastischen Fasern, die sich im normalen Bartboden in ganz
besonders reichlicher Zahl vorfinden, sind aufgezehrt und ver-
drängt, während coUagenes Gewebe oft noch zwischen den
haufenweise liegenden protoplasmatischen Zellen als ein schwach
sich färbendes Netz da zu erkennen ist, wo die elastischen
Elemente gänzlich verschwunden sind. Eine zweite Erkrankung,
deren pathologisch anatomische Veränderungen wesentlich in
einem Schwunde der elastischen Fasern bestehen, ist von Jadas-
söhn**) untersucht, und auf dem HI. Congresse der dermatolo-
gischen Gesellschaft geschildert wordeiL Bei dieser Erkrankung,
dieJadassohn vorläufig Atrophia maculosa cutis nennt, zeigt
das mikroskopische Bild Lücken im elastischen Netze der Haut,
die besonders in der Tiefe an Ausdehnung bedeutend werden,
während über den „leeren Fleck" noch ein Streifen elastischer
Fasern hinzieht, aus dem feinere Aeste in die Papillen aufsteigen.
Die Grenzen des Flecks zeigen sowohl in der Lücke als in
dem wieder beginnenden elastischen Gewebe eine Infiltration,
lieber das Verhalten der elastischen Fasern in Hautnarben. 177
^80 dass man sich dem Eindruck nicht verschliessen kann,
dass überall dem Untergange der elastischen Substanz ein
wenn auch nur sehr leichter chronischer Infiltrationsprocess
Yorausgeht^. Diese Auffassung darf als bewiesen gelten, da
Jadassohn auch in vivo bei der Patientin das Hervorgehen eines
atrophischen eingesunkenen Flecks aus einer prominenten Infil-
ti-ation beobachten konnte. Innerhalb der einzelnen Infiltrate
konnten mikroskopisch nur ganz vereinzelte dünne, matte
elastische Fasern nachgewiesen werden. Degenerationspro du cte
derselben waren aber zahlreich an den verschiedensten Stellen
zu sehen.
Die wichtige Bolle, welche die elastischen Fasern bei dem
Zustandekommen dar Striae spielen, ist in einer älteren Arbeit
vonTroisier und Menetrier^*) eingehend geschildert Ihre
Resultate werden durch die Untersuchungen mittelst der Orcein-
methode durchaus bestätigt. Es wird weiter unten Gelegenheit
sein, genauer auf diese Befunde einzugehen. Ferner haben
S 0 f f i a n t i n i ''^) und du M e s n i 1 ^*) kürzlich eine Beihe patholo-
gischer Producte der Untersuchung auf das Verhalten der elasti-
schen Fasern unterzogen. Endlich hat schon 1890 Unna^^) in
seiner Arbeit über Plasmazellen der elastischen Fasern Erwähnung
gethan. Er äussert an dieser Stelle die Ansicht, dass das von
ihm sogenannte „Lupusfibrom'', welches man bis dahin als
spontan vernarbtes Lupusgewebe angesehen und mit beispiels-
weise durch operative oder chemische Behandlung geheiltem
Lupus für identisch gehalten hatte, sich von indifferenten Narben
erlieblich unterscheide : „. . . die spontane Lupusnarbe ist auch
nicht, wie man bisher meist angenommen, ein einfach indiffe-
rentes Nebengewebe, welches ebenso construirt wäre, wie die
Narbe eines beliebigen ulcerösen Processes. Sie ist zunächst
dadurch charakterisirt, dass sie nie wieder elastisches Gewebe
producirt ..."
Diese Anschauung ging also von der Annahme aus, dass
„einfach indifferentes Narbengewebe" wieder elastisches Gewebe
produciren kann. Da bislang über das Verhalten von elasti-
schen Fasern in Narben, wenigstens in der dermatologischen
Literatur nichts publicirt ist, und Unna selbst nach dieser
Bichtung hin angestellte Untersuchungen nicht erwähnt, schien
ArthlT f. Dermatol. «. Syphll. Band XZVH. 22
178 Qu ttentag.
es von Interesse zu sein, indifferentes Narbengewebe auf elastische
Fasern zu untersuchen.
Hiermit hat mich Herr Dr. Jadassohn beauftragt und
es ist mir eine angenehme Pflicht, ihm an dieser Stelle für diese
Anregung sowie für das Interesse, mit dem er meine Befunde
stets controlirt hat, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Während ich mit den nachfolgenden Untersuchungen be*
schäftigt war, erschien ein Referat über einen Vortrag von
Riehl, **) der ebenfalls das Verhalten der elastischen Fasern
in Narben studiert hat. Da aber seine Untersuchungen, so-
weit nach dem kurzen Referat zu urtheilen erlaubt ist, mit den
meinigen nicht vollständig übereinstimmen, glaubte ich auch
diesen Theil meiner Arbeit veröffentlichen zu sollen.
Da man bei derartigen Untersuchungen natürlich wesent-
' lieh auf Leichenmaterial angewiesen ist, habe ich von ver-
schiedenen Körperstellen Narben verschiedenen Aussehens mit
der angrenzenden normalen Haut excidirt. Es ist selbstver-
ständlich, dass ich nicht angeben kann, von welchem Processe
die Narben herrühren. Es kam ja aber zunächst nur darauf
an, nachzuweisen, ob und in welchem Umfange in Narben-
gewebe verschiedener Provenienz elastische Fasern vorhanden
sind. Ich hebe hier ganz allgemein hervor, dass alle unter-
suchten Stellen den Eindruck alter Narben machten, und dass
man wohl mit Recht voraussetzen kann, dass weitere Verände-
rungen im Sinne einer Reparation an diesen Stellen nicht ein-
getreten wären.
Die Schnitte des in Alkohol gehärteten und in Celloidin
eingebetteten Materials wurden gefärbt mit
Orcein 0,1
Spiritus (95%) 20,0
Aq. dest. 5,0
das zu genau gleichen Theilen mit
Acid. muriat. 0,1
Spirit. (95%) 20,0
Aq. dest. 5,0
verdünnt war. Nach mehrstündigem Aufenthalt in der Färbe-
flüssigkeit wurden die Schnitte in Wasser abgespült und einige
Minuten in dem sauren Alkohol von eben bescliriebener Zu-
üeber das Verhalten der elastischen Fasern in Hautnarbeu. 179
sammensetzung entfärbt. Gegenfärbung mit wässeriger Methylen-
blaulösung.
Präparat I. Alte Narbe vom Knie, etwa pfenniggross. In der Um-
gebung liegen die elastischen Fasern in normaler Menge und Anordnung.
Die Narbe selbst, kenntlich an dem Fehlen des Papillarkörpers und dem
glatt, nur wenig gewellt ausgespannten Bindegewebe enthält bis zur Grenze
des subcutanen Gewebes keine elastischen Fasern. Die Gefässe zeigen
vermehrte Kerne. Am Uebergange vom narbigen zum normalen Gewebe
treten schmale elastische Fasern in spärlicher Anzahl auf, so dass eine
scharfe Grenze nicht gezogen werden kann.
Diese Narbe ist die einzige aus gesunder Umgebung entfernte Narbe,
bei der ich in ihrem grössten Bezirke einen völligen Mangel an elasti*
sehen Fasern constatiren konnte.
Präparat II. Schmale spindelförmige Narbe vom Knie. Die Schnitte
sind quer durchgelegt, so dass auf beiden Seiten normales Gewebe, in
der Mitte die Narbe zu sehen ist. Der Papillarkörper fehlt in ihr ; in der
Umgebung ist er deutlich sichtbar. Das Narbengewebe überall von
spärlichen, gestreckten, schmalen aber glatten elastischen Fasern durch-
zogen, die im Gegensatz zur Norm nicht netzförmig angeordnet sind.
Präparat IIL Tiefe Narbe vom Bein. In der Umgebung sehr viel
elastische Fasern. Die Narbe enthält auch hier elastische Fasern in der
oben geschilderten Weise. Die Grenze der Narbe verläuft ziemlich scharf
und ebenso scharf setzt sich das dichte Netz stärkerer und feinerer
elastischer Fasern in der normalen Umgebung gegen die spärlichen dünnen,
parallel zu einander verlaufenden der Narbe ab. Die Grenzlinie geht
schräg, so dass da, wo unter dem Epithel noch normales Gewebe zu
sehen ist, in der Tiefe schon Narbengewebe sich befindet.
Präparat lY. Narbe bei chronischem Ekzem des Unterschenkels.
Unter dem normalen Epithel ist das Bindegewebe narbig verändert; die
elastischen Fasern sind in einzelnen Gruppen erhalten geblieben und
zeigen mitten im narbenartigen Bindegewebe die Anordnung und das
Aussehen wie im normalen Gewebe. Ausserdem ist die Narbe von sehr
spärlichen, schmalen, elastischen Fasern durchzogen.
Präparat V. Yorderarmnarbe. In der Umgebung beginnen die
elastischen Fasern dicht unter dem Papillarkörper. Dann treten sie auf
einer längeren Strecke von ihm zurück, sind aber in der Tiefe noch voll-
ständig erhalten, und hören dann mit scharfem Rande auf. In der Narbe
sieht man zahlreiche Gruppen stehen gebliebener elastischer Fasern;
ausserdem zahlreiche schmale, kurze und lange, parallel den Bindegewebs*
bündeln ausgespannt.
I^parat VI. Unterschenkelnarbe. Befund ähnlich dem vorher-
gehenden. Die elastischen Fasern treten erst von der Oberfläche zurück
und hören dann mit scharfem Rande auf. Auch hier trifft man ausser
den erhaltenen, rundlich unregelmässigeu Gruppen schmale, län^sverlau-
fende elastische Fasern.
12*
180 Guttentag.
Präparat YII. Oberschenkelnarbe. Der Papillarkörper ist auch in
der Umgebung nur wenig entwickelt. Die Narbe ist sehr flach und nur
zu sehen, dasa die elastischen Fasern eine Strecke weit vom Epithel
zurücktreten.
Aus diesen Befunden geht also hervor, dass in einer An-
zahl beliebig zusammengestellter Narben von meist gewiss schon
sehr langem Bestehen das elastische Netz, wie es in der nor-
malen Haut vorhanden ist, fehlt, dass manchmal (in meinem
ersten Falle) überhaupt keine Spur von mit Orcein färbbaren
elastischen Fasern zu finden ist, dass dagegen in der Mehr-
zahl aller Narben spärliche, oft nur bei starker Vergrösserung
sicher zu constatirende, dünne, langgestreckte, meist parallel
zu einander verlaufende elastische Fasern, in manchen Fällen
auch unregelmässige isolirte Gruppen dickerer und dünnerer
Fasern mitten im Narbengewebe vorhanden sind. Der Umfang
des in den Narben darstellbaren elastischen Gewebes ist im
Allgemeinen augenscheinlich umgekehrt proportional der Tiefe
der Narbe, und somit wohl auch der Intensität des voran-
gegangenen Destructionsprocesses. Auch im einzelnen Präpa-
rate konnte man constatiren, dass, je flacher die Narbe nach
der Peripherie hin wurde, um so unbedeutender auch der Ver-
lust des elastischen Gewebes erschien. So sind denn auch bei
denjenigen entzündlichen Vorgängen, die nicht bis zur Ein-
schmelzung des Grundgewebes vorgeschritten sind, nur geringe
Veränderungen am elastischen Fasemetz zu erkennen. Das
deutlichste Beispiel hiefür bilden die nach der Pockenimpfung
zurückbleibenden Narben, bei denen der Process nur ganz ober-
flächlich verläuft. Die mikroskopische Untersuchung dieser,
die ich in einer Anzahl von Vaccine-Narben normaler Be-
schaffenheit angestellt habe, liess niemals eine irgendwie auf-
fallende Veränderung des elastischen Fasernetzes erkennen.
Die Fasern selbst waren in normaler Ausdehnung und Gestalt
vorhanden und selbst ein Zurücktreten derselben vom Epithel
war nirgends mit Sicherheit zu diagnosticiren.
Während man also nach dem bisher Gesagten mit Be-
stimmtheit die Behauptung aufstellen kann, dass in der Mehr-
zahl aller älteren und tieferen Narben das ela-
stische Gewebe in einem hinter der Norm ganz
ausserordentlich zurückbleibenden Masse vorhan-
Ueber das Verhalten der elastischen Fasern in Hantnarben. 131
den ist, bedarf die Frage, ob man die in der Narbe vorhan-
denen elastischen Fasern als Ueberbleibsel des alten elastischen
Netzes deuten, oder, wie Unna anzunehmen scheint, als
producirt Tom Narbengewebe ansehen soll, einer speciellen
Untersuchung. Am besten kann wohl das Studium der elasti-
schen Fasern während des Entzündungsprocesses, dessen Folge-
erscheinung die nachher auftretende Narbe ist, Aufschluss
gewähren. Und zwar habe ich im Hinblick auf den Unterschied,
den Unna zwischen der indifferenten Narbe und dem Lupus-
fibrom macht, entzündliche Vorgänge verschiedener Art in den
Bj-eis der Untersuchung gezogen und ausser verschiedenen
tuberculösen Erkrankungen der Haut auch das Verhalten der
elastischen P'asern in syphilitischen Infiltrationen studirt.
Von den tuberculösen Erkrankungen sei zuerst ein Lupus-
fall eingehender geschildert, dessen Krankengeschichte ich, wie
auch die folgenden, gütiger Mittheilung des Herrn Dr. Jadas-
sohn verdanke.
£s handelt sich um ein junges Mädchen, das seit frühester Jagend
Lupus am rechten Unterschenkel hatte, der sich allmälig über die untere
Extremität fast vollständig ausgebreitet hatte, und der niemals, ausser
durch indifferente Salben bebandelt war. Er bot das charakteristische
Bild eines serpig^nösen Lupus, d. h. die centralen Partien waren überall
in ein glattes, narbenähnliches Grewebe von weisslicher Farbe verwandelt,
in dem nur hie und da, namentlich in der Nähe des Randes einzelne
hyperämische Stellen, aber kaum typische Lupusknötchen vorhanden waren.
Der Rand selbst war im Durchschnitt 1 — 2 Cm. breit, bald mehr, bald
weniger erhaben und an vielen Stellen deutlich papiUomatös. Das ganze
Bein war sehr stark verdickt. Haut nirgends auf der Unterfläche ver-
schieblich. Die Verdickung betraf zweifellos auch schon den Knochen.
Es handelte sieh also um eine hochgradige Elephantiasis auf lupöser
Basis, wie sie ja von vielen Autoren ausführlich beschrieben worden ist.
Von diesem Falle wurden 3 Präparate untersucht: ein
Stück vom Rande gegen das Gesunde hin, wo das Entstehen
des Processes beobachtet werden konnte, eins vom Rande des
Üoriden Processes gegen das Vernarbte und eins mitten aus
der Narbe. Letzteres bestand vorwiegend aus welligem Binde-
gewebe, das die elephantiastische Verdickung ausmachte und
enthielt nur vereinzelte, nicht als specifisch zu erkennende Infiltra-
tionsherde, die wesentlich aus „Plasmazellen" in Unna 's Sinne
bestanden. Nur in der Tiefe zeigten sich vereinzelte elastische
Fasern.
182 Guttentag.
Also auch hier war eine sehr starke Yermindemng des
elastischen Gewebes vorhanden; aus dem Vergleiche dieses
Befundes mit den oben berichteten von indifferenten Narben
geht hervor, dass eine principielle Differenz zwischen der spon-
tanen Lupusnarbe, dem „Lupusfibrom'' Unnas und Narben
anderer Provenienz in Bezug auf ihren Gehalt an elastischen
Fasern nicht besteht. Ausserdem ist noch in Betracht zu ziehen,
dass das collagene Bindegewebe hier erheblich hypertrophirt
war und in hypertrophischen Bindegewebsneubildungen, wie auch
du Mesnil meint, eine Vermehrung der elastischen Fasern
sicher nicht vorkommt.
In den noch erkrankten Partien zeigten sich scharf abge-
gi'enzte t^-pische Tuberkel
In ihnen sind noch deutliche, schmale, grup-
penweise zusammenliegende elastische Fasern
erhalten.
In einem zweiten Falle von einem isolirten, noch ganz
jungen Lupusherde vom Vorderarm konnte ich ebenfalls in den
tuberculösen Infiltraten noch deuthche elastische Fasern erkennen.
Drittens konnte ich noch einen Fall von Scrophulo-
derma untersuchen.
Es stammt von einem etwa sechsjährigen Kinde, bei dem siuh an
der Streckseite des Vorderarms zwei Herde fanden, von denen der eine
etwa linsengross, braunlich rotb, mäosig erhaben war, und sich albnäligin
der Umgebung verlor. Der andere stellte einen zehnpfennigstückgrossen,
bläulich rothen, stärker erhabenen Knoten dar, der in der Mitte erweicht
war. Acut entzündliche Erscheinungen waren in der Umgebung nicht
vorhanden. Die bakteriologische Untersuchung der Flüssigkeit der er-
weichten Partie ergab die Abwesenheit von auf den gewöhnlichen Nähr-
böden wachsenden Mikroorganismen. Eine intraperitoneale Injection dieser
Flüssigkeit erzeugte bei einem Meerschweinchen eine typische Tuberculose.
Es handelte sich also um einen ganz charakteristischen Fall derjenigen
Aifection, die die Franzosen als „gomme scrophuleuse^, die Deutschen
meist als „Scrophuloderma^ bezeichnen und zwar um einen aussergewöhn-
lieh reinen, ausschliesslich auf die Haut beschränkten Fall dieser Afiection.
Hervorzuheben ist im Hinblick auf die Arbeit von Leistikow*^')
die vollständige Abwesenheit pyogener Mikroorganismen bei einer seh^
vollständigen und wie auch das histologische Bild ergab, ausschliess-
lich auf den tuberculösen Process zurückzuführenden Erweichung* (dicht
^u der durch die Flüssigkeitsansammlung gebildeten Höhle lagen sehr
^chön ausgebildete Langhaus 'sehe Riesenzellen und Epithelioidzellen
lieber das Verhalten der elastischen Fasern in Hautnarben. 183
und von der „secundären Lenkocytose" war in den centralen Partien des
Präparats wenig zu sehen, während eine solche bei einer secundären
pyogenen Infection doch sehr deutlich hätte sein müssen.)
Auch hier habe ich in den ausgebildeten Tuberkeln selbst
elastische Fasern erkennen können. Sie sind schmal, aber noch
in langen, ausgedehnten und auseinander gedrängten Maschen
erhalten. Die Riesenzellen selbst enthielten übrigens in keinem
meiner Fälle elastische Fasern, wie Ssudakewitsch^®) es
beobachtet hat; doch traten die letzteren zwischen den „Epi-
thelioidzellen'' der Tuberkel auch bis dicht an die Riesenzellen
heran, lagen also auch in denjenigen Theilen der Tuberkel, in
welchen nach der geläufigen Anschauung die necrobiotischeu
Vorgänge bereits beginnen.
Von syphilitischen Erkrankungen der Haut schien es
am wichtigsten, Processe der Tertiärperiode zu untersuchen, da
diese eine wirkliche Zerstörung des Grundgewebes veranlassen
und demzufolge auch wirkliche Narben produciren. Untersucht
wurde zunächst ein Gumma, das von einem Patienten stammt,
der neben multiplen charakteristischen tuberösen Syphiliden
einzelne ebenso typische Hautgummata speciell an den Unter-
schenkeln aufwies. Diese Gummata standen im Gegensatz zu
den tuberösen Efflorescenzen isolirt, wölbten sich fast halb-
kugelig hervor und speciell der excidirte Knoten war von livid
braunrother Färbung und in der Mitte bereits deutlich erweicht.
Auch mikroskopisch konnte man nicht blos im Centrum, son-
dern auch in den den Hauptherd umgebenden Infiltraten den
Zerfall schon deutlich nachweisen. Trotzdem fand ich in ihnen
noch Schweissdrüsen erhalten, deren elastische Membran sich
noch gut färbte, selbst wenn ihre Epithelien schon nicht mehr
intact erschienen. Augenscheinlich hat das elastische Stützgerüst
hier die Configuration der Drüsencanäle im Infiltrate gewahrt.
Aber auch in dem schon ganz zerfallenen, nekro-
tischen Centrum der Infiltrate waren noch deut-
lich elastische Fasern zu sehen. Wo noch Binde-
gewebe in den Infiltraten stellenweise erhalten war, waren es
auch die elastischen Fasern, und zwar auch noch in einer Zone,
in der dieses selbst im Infiltrate schon nicht mehr zu erken-
nen war.
184 Gnttentag.
Ein zweiter Fall betraf ein tuberöses Syphilid, das nach
der klinischen Beobachtung schon zur Involution neigte. Ich fand
an ihm die gleichen, wenn auch nicht so deutlich ausgesprochenen
Erscheinungen. Nur spärlidie elastische Fasern waren in den
Infiltraten zu sehen. Zahlreich waren sie dagegen in der Um-
gebung derselben. Da aber tuberöse EfSorescenzen keineswegs
regelmässig mit einer klinisch nachweisbaren Narbe oder narbigen
Atrophie abheilen, dürfte für unsere Zwecke der Befand bei
dem oben geschilderten Gumma der ausschlaggebende sein. —
Der Vollständigkeit wegen habe ich auch einen Primäraffect
untersucht. Derselbe war, wenigstens zur Zeit der Beobachtung,
nicht exulcerirt, sondern von normalem Epithel überzogen und
zeichnete sich dadurch aus, dass er nicht bloss einen ausser-
ordentlich derben, sondern auch sehr weit in die Tiefe rei-
chenden, scharf abgesetzten Knoten darstellte. Mikroskopisch sah
man dicht unter dem Epithel und auch in die Tiefe Yordringend
zahlreiche Infiltrate. In ihnen war das Maschenwerk der
elastischen Fasern ausserordentlich deutlich erhalten, so dass
man z. B. mitten im Infiltrate stellenweise noch die sogenannte
„subepitheliale Guirlande^ nachweisen konnte. In den oberen
Schichten waren sie yerschmälert, in dem massigen Infiltrate
der Tiefe aber sah man neben spärlichem coUagenen Binde-
gewebe noch Tiele, fast unverändert aussehende elastische
Fasern.
Schliesslich habe ich auch ein secundäres Syphilid
untersucht, das in vivo aus flachen, dunkelbraum*othen, vielfach
confluirenden Papeln bestand, die im Nacken eines Patienten
Sassen, der ein universelles papulöses Exanthem hatte. Im
mikroskopischen Bilde war auch das normale Gewebe ann
an elastischen Fasern. Wo sie aber in der Umgebung der
Infiltrate zu finden waren, sah man sie auch in diesen erhalten.
Bei allen von mir untersuchten, entzündlichen, zurNarben-
bildimg führenden Processen hat sich die Widerstandsfähigkeit der
elastischen Fasern als grösser ergeben als die des collagenen
Bindegewebes. Wo von dem letzteren Gewebe nichts mehr zu
sehen war, waren die ersteren oft noch deutlich in dem In-
filtrate erhalten. Nur in dem von Sack beschriebenen Falle von
Ulerythema sycosiforme und dem Jadassoh n'schen von Atrophia
Ueber dui Verhalten der elastischen l'axnii in Hautnarben. 185
maculosa cutis scheint umgekehrt eine grössere Widerstands-
fähigkeit des collageneu Gewebes bestanden zu haben. Es muss
dahingestellt bleiben, ob in diesen, ja auch sonst eigenartigen
Fällen der Process als solcher gleichsam eine specielle ^Virulenz "^
für das elastische Gewebe gehabt hat. Gegen das tuberculöse
und syphilitische Infiltrat aber besitzen die elastischen Fasern
augenscheinlich eine erheblich grössere Resistenz als das collagene
Bindegewebe. Ich kann daher du Mesnil nicht beipflichten, der
die elastischen Fasern für wenig widerstandsfähig gegen che-
mische Einflüsse hält. Er hat die elastischen Faseiii nicht nur
nicht im Tuberkel gefunden, sondern beschreibt auch eine von
elastischen Fasern freie „Mantelzone*' um denselben. In meinen
Präparaten konnte ich eine solche nicht nachweisen. Worauf
diese Differenz zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu sagen;
gewiss können an verschiedenen SteUen des Körpers und bei
Processen, bei denen die Intensität des Fortschreitens eine so
wechselnde ist Differenzen auch in dieser Richtung vorhanden
sein. Aber: wenn wirklich von tuberculösem Material ein
gleichsam verdauender, chemischer Einfluss auf das elastische
Gewebe ausginge, so wären meine, von du Mesnil abweichenden
Befunde nicht erklärbar. ^)
Dieses Ergebniss der grossen Resistenz der elastischen
Fasern gegen die destruirenden Processe glaube ich nun zur
Erklärung des Vorkommens der elastischen Fasern in Narben
benützen zu können. Ich glaube nicht, dass die spärlichen,
schmalen, langgestreckten elastischen Fasern der Narbe von
dieser „producirt" sind, sondern halte sie für Ueberreste des
elastischen Netzes des Grundgewebes, die den Entzündungs-
und Destructionsprocess überstanden haben. Schon die Aehn-
lichkeit der schmalen, in den entzündlichen Infiltraten sich vor-
findenden elastischen Fasern mit denen der Narbe macht ihre
Identität wahrscheinlich. Ich erinnere daran, dass ich sie auch
in den schon erweichten Stellen eines luet. Infiltrats gefunden
habe. Dieses hat hier den Höhepunkt seiner Entwicklung über-
schritten. Die mechanische und chemische Einwirkung auf die ela-
') Vielleicht kann man die Differenzen auch anf eventuelle secun-
d&re Infectionen mit Eitererregem znräckfahren, die in unseren Fällen
nicht vorhanden waren.
186 Guttentagr.
»tischen Fasern geht an Intensität schon zurück. Es erfolgt dann
an diesen Stellen die Bildung der indifferenten Narbe durch
Wachsthum des Granulationsgewebes, das die Reste des elasti-
schen Gewebes umsclüiesst. Nun wandelt sich das Granulations-
gewebe in das Narbengewebe um, und dem gleichmässig wir-
kenden Zug und Druck vermag die elastische Faser nicht zu
widerstehen. Sie muss sich in derselben Richtung wie das sie
umgebende Narbengewebe strecken. So sind die schmalen,
parallel den Bindegewebszügen verlaufenden elastischen Fasern
in der Narbe zu erklären. Dass sie ein Product dieser seien,
dafür ist nirgends ein Anhaltspunkt gegeben. Wir wissen von
der Bildung der elastischen Fasern im embryonalen Leben noch
zu wenig, um daraus Analogieschlüsse auf eine eventuell bei
der Narbenbildung stattfindende Reproduction derselben machen
zu können. Immerhin sind nur zwei Möglichkeiten denkbar:
entweder wäre das Granulationsgewebe bei seiner Umwandlung
in narbiges Bindegewebe, respective dieses selbst im Stande,
elastische Fasern zu produciren, dann wäre aber nicht abzu-
sehen, warum bei der dann vorausgesetzten principiellen Möglich-
keit einer Reproduction diese sich auf einem so geringem Grade
halten sollte, wie er dem Gehalt an elastischen Fasern in allen
meinen Präparaten entspricht, ja warum sie in manchen Fällen
(wie in meinem ersten) bei sonst scheinbar gleicher histologi-
scher Zusammensetzung der Narbe ganz ausbleibt; Rie hl scheint
ja sogar — wieder so weit man aus dem Referat schliesseu
kann — elastische Fasern bei seinen Untersuchungen in den
Narben ganz vermisst zu haben. Die zweite Möglichkeit wäre,
dass von den elastischen Fasern, respective von dem elastische
Fasern enthaltenden Bindegewebe der Umgebung ein Hinein-
wachsen in das von elastischen Fasern zunächst freie Narbeu-
gewebe stattfände. ') Der gegen die Richtigkeit der ersten An-
nahme erhobene Einwand ist auch bei der zweiten berechtigt.
^'or allem aber sprechen gegen eine solche Anschauung die
Befunde bei den Striae, wie sie von den oben erwähnten fran-
zösischen Autoren erhoben worden sind, und wie ich sie in
einem Falle bestätigen konnte. Troisier und Menetrier
*) Vergl. in dieser Beziehung die in dem Nachtrag erwähnte Ar-
beit Goldmann's.
lieber das Verhalten der elastischen Fasern in Hautnarben. 187
fiudeii die elastischen Fasern in den ^»vergetures" — so heisseu
die Striae — tres espacees, allongees dans le meme sens que
les fibres lamineuses ; elles forment quelques faisccaux paralleles
et rectilignes, laissant entre eux de grands espaces, qui en sont
totalement depourvus, ou ne renferment que des fibrilles extre-
mement fines. De chaque cote sur les limites de la vergeture
le tissu elastique parait plus dense que normalement et ren-
ferme un plus grand nombre de fibres ratatinees, contoumees
sur elles-memes en vrille, en tirebouchon et qui sont tres-
vraisemblablement des fibres rompues de la region etiree." Sie
fassen also die Striae auf als Risse in den übermässig ge-
dehnten elastischen Fasern, die sich nun nach beiden Seiten
sich zurückziehend aufrollen. Diesen Untersuchungen pflichten
auch die übrigen französischen Autoren, Leloir und Vi dal,
Besnier und Doyon bei; die letzteren schreiben geradezu:
„les vergetures sont des eraillures du derme avec elongation
ou rupture des fibres elastiques et dissociation lamineuse/
Dass sich die elastischen Faseiii in den Striae regenerirt hätten,
hat Niemand beobachtet. Auch behalten die Striae für immer
die ihnen eigenthümliche weiche Consistenz, welche zweifellos
gerade auf dem Verluste des elastischen Gewebes beruht (cf.
den in dieser Beziehung den Striae ganz analogen Fall von
Jadassohn). Und trotzdem wären gerade in den Striae bei dem
Fehlen jeder tieferen Destruction, jedes narbigen Processes die
Bedingungen für die Reparation der gleichsam nur durch ein
Trauma auseinandergerissenen elastischen Fasern gewiss die
allergünstigsten.
Aus diesen Untersuchungen glaube ich folgende Schluss-
sätze ableiten zu können.
1. In Narben verschiedener Provenienz fehlen die elasti-
schen Fasern entweder vollständig oder sie sind ausserordentlich
viel spärlicher als in der Norm; die vorhandenen sind im
Allgemeinen sehr dünn und bilden theils langgestreckte Züge,
theils isolirt liegende Knäuel.
2. Ceteris paribus scheint der Gehalt der Narben an
elastischen Fasern der Intensität, respective der Tiefe des der
Narbenbildung vorausgehenden Destructionsprocesses umgekehrt
proportional zu sein; in ganz oberflächlichen Narben (Impf-
188 Gnttentag.
narben) sind Veränderungen des elastischen Gewebes nicht
nachgewiesen.
3. Der Vergleich von Narben nach wirklicher Destruction
der Haut und von solchen, bei denen sich ein Granulations-
process subepidermoidal unter „narbiger Atrophie" zurückge-
bildet hat, hat DiflFerenzen in Bezug auf das Verhalten der
elastischen Fasern nicht ergeben. Das „Lupusfibrom'' Unnas
unterscheidet sich in dieser Beziehung nicht von andern Narben.
4. Die Untersuchung einiger, der Narbenbildung voraus-
gehender specifischer Granulationsprocesse (Tuberculose, Spät-
lues) ergibt, dass bei diesen das elastische Gewebe dem Infil-
trationsprocess energischeren Widerstand leistet, als das colla-
gene Bindegewebe, da mitten in specifischen Infiltrationen, ja
auch in nekrotischen Herden noch elastische Fasern vorhanden
sind. Doch darf diese Anschauung nicht verallgemeinert werden,
da in einzelnen Fällen auch eine specifische Einwirkung grade
auf das elastische Gewebe vorzukommen scheint.
5. Der Vergleich der bei Granulationsprocessen noch vor-
handenen elastischen Fasern mit denen in Narben spricht dafür,
dass die letzteren nicht neugebildete Fasern, sondern Reste der
ursprünglich vorhandenen sind.
6. Für die Annahme einer Neubildung von elastischen
Fasern nach Destructionsprocessen in der Haut haben sich
Anhaltspunkte bei der Untersuchung von Narben nicht ergeben ;
das Verhalten der elastischen Fasern bei den Striae und in
analogen Fällen (Atrophia maculosa cutis) weist darauf hin,
dass eine Neubildung der durch tiefergreifende Processe zer-
störten elastischen Fasern gemeinhin nicht stattfindet.
Nach Beendigung dieser Arbeit erfahre ich das interessante
Ergebniss, zu dem Goldmann in seinen Untersuchungen „über
das Schicksal der nacli dem Verfahren von Thiersch verpflanz-
ten Hautstückchen" *) gekonmien ist. Er hat beobachtet, dass die
elastischen Fasern „aus der Tiefe, vielleicht aus der Umgebung
des Defects in die transplantirte Haut hineinwuchem und zwar
als Fortsätze der daselbst befindlichen elastischen Elemente".
') Beiträge zar klinischen Chirurgie. Redigirt von Bruns. 1693.
Ueber das Verhalten der elasli.-chen Fasern in Hautnarben. |g9
Auch Goldmann betont, dass „bei der gewöhnlichen
Narbenbildung, etwa im Anschluss an granulirende Defecte —
elastische Elemente fast vollständig fehlen" ; daher die Unnach-
giebigkeit, die Nichtverschieblichkeit der gewöhnlichen Narben.
(Es geht aus der Darstellung G.^s nicht mit Sicherheit herror,
ob er auch YoUständig ausgebildete Narben auf elastisches
Gewebe untersucht hat.) Als „Hemmniss für das Einwachsen
von elastischen Elementen" sieht er den „vorausgehenden Gra-
nulationsprocess" an.
Diese Auffassung stimmt sehr gut mit den in meiner Arbeit
niedergelegten Resultaten überein ; denn alle die Narben, in denen
ich die elastischen Elemente nicht oder nur spärlich gefunden
habe, sind natürlich durch einen Granulationsprocess entstanden.
Ob freilich die Granulationsbildung als solche allein die
Ursache für das Ausbleiben der Proliferation des restirenden
elastischen Gewebes ist oder ob nicht auch die Schrumpfung
und die dadurch resultirende derbere Consistenz des Binde-
gewebes nach dieser Richtung anzuschuldigen ist, möchte ich
dahingestellt sein lassen. Im ersteren Falle wäre wenigstens
kein Grund abzusehen, warum nicht nach Ablauf der Granu-
lationsbildung das Einwachsen des elastischen Gewebes nach-
geholt wird, während doch thatsächlich auch ganz alte Narben
nur sehr spärlich damit versehen sind.
Goldmann ist mehr geneigt umgekehrt anzunehmen,
dass die Schrumpfung transplantirter Haut im Gegensatz zu
einfach vernarbender ausbleibt, weil die erstere von elastischen
Fasern durchsetzt ist. Auch das ist natürlich möglich. Aber
näher scheint mir der Gedanke zu liegen^ dass die Schrumpfung
bei der Transplantation dadurch vermieden wird, dass eben
die Granulationsbildung möglichst hintangehalten wird — je ge-
ringer diese, um so geringer die Bildung narbigen Bindegewebes,
um so grösser die Möglichkeit desEinwachsens elastischer Fasern.
Wie dem auch sei, die transplantirte Haut bestätigt
durch ihr anatomisches und klinisches Verhalten als Ausnahme
die Regel von der Unfähigkeit gewöhnlicher Narben, elastisches
Gewebe aufzunehmen oder zu produciren. Sie steht aber in
einem noch nicht erklärlichen Gegensatz zu den Striae, in denen
190 üuttentag.
weder Granulationsbildung noch Bindegewebsschi-uinpfung ein-
treten und doch der Wiederersatz des elastischen Gewebes
unseres Wissens ausbleibt.
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Paris 1889.
30. Kaposi. Pathologie et traitement des maladies de la peau.
Traduction avec notes et additions par Besnier et Doyon. 1890. II, p, 248.
lieber die Behandlung der Syphilis mit
Injectionen von Calomel und salicyl-
saurem Quecksilber.
Von
Dr. K. E. Linden,
Diriglrender Arzt des Gamisons •Krankenhauses In Helsingfoni, Finland.
Seit Smirnoff die Calonielinjectionen wieder auf-
genommen und in Brauch gebracht hat, sind beständig neue
unlösliche Quecksilberpräparate empfohlen worden, so: Hydr.
formamid., Hydi*. oxydat. flayum, Lang's Ol. einer., Hydr. salicyl.
und Hydr. thymol. Von allen diesen sind die beiden letzt-
genannten vielleicht allgemeiner zur Anwendung gekommen als
eines der übrigen Präparate und haben Vergleiche mit den
Wirkungen der Calomelinjectionen hervorgerufen.
Die gegen die Anwendung des letzgenannten Präparates
gemachten Einwände beziehen sich hauptsächlich auf dadurch
hervorgerufene starke Allgemeinreaction, die Bildung von Ab-
scessen und schmerzhaften Indurationen, schweren Stomatiten
und Enteriten; auch sind mehrere Todesfälle nach Anwendung
desselben verzeichnet.
Bekanntlich tritt die Syphilis in verschiedenen Altem sehr
ungleich auf und lässt sich verschieden von der Behandlung
beeinflussen. So ist sie z. B. gewöhnlich bei Kindern, ausser
in den ersten Lebensmonaten von leichterem Charakter, wo eben
die Kinder verhältnissmässig leicht auf Quecksilberbehandlung
reagiren. Ein entgegengesetztes Verhältniss tindet sich be-
kanntlich gewöhnlich bei älteren Leuten, wo die Krankheit
192 Linden.
einen langsamen ^'erlauf nimmt und meist in schwereren und
hartnäckigeren Formen auftritt. Ebenso muss man sich vor-
stellen, dass ein durch Krankheit geschädigter Organismus
anders auf das syphilitische Virus wie auch auf eine anti-
syphilitische Behandlung reagiren wird, wie vollkommen gesunde
Personen. Möglicherweise können sich auch die verschiedenen
Geschlechter in genannter Hinsicht ungleich verhalten.
Ich glaube daher, dass das von mir angewendete Material,
welches zum grössten Theile dem Gamisonskrankenhause in
Helsingfors entnommen ist, sich besser für das vorliegende
Studium eignet als solches aus civilen Krankenhäusern indem
es die Forderung der möglichsten Gleichmässigkeit erfüllt, die
für unsere Aufgabe von so grosser Bedeutung ist.
Die Patienten sind alle als zum Kriegsdienst tauglich,
von gesunder Körperconstitution, mit keinem speciellen Leiden
behaftet, von ungefähr gleichem Alter; sie leben alle unter
denselben gleichen hygienischen Verhältnissen; die meisten
haben sich die Krankheit während ihrer Dienstzeit zugezogen
und sind also gleich unter Beobachtung und Behandlung ge-
kommen und können schliesslich mit Hinsicht auf Behandlung
und möglicherweise auftretenden Recidiven besser überwacht
werden als andere Patienten. Von den 106 von mir behandelten
Fällen, welche dem vorliegenden Aufsatze zu Grunde liegen,
befanden sich 84 stationär im Krankenhause, während 22 aus
meiner Privatpraxis stammen, doch waren Letztere ungefähr in
demselben Alter wie die Erstgenannten.
Seit 1885 sind die syphilitischen Affectionen im Kranken-
hause fast ausschliesslich mit Injectionen von Calomel Hydr.
salicyl. oder Hydr. thymol. behandelt worden, und nur, wo diese
aus dem einen oder dem anderen Grunde nicht vertragen wurden,
trat interne oder Innunctionsbehandlung ein.
Es wurden 286 Calomelinjectionen an 43 Patienten ge-
macht, darunter 7 Privaten. Von diesen Injectionen waren
100 doppelte und 86 einfache; sie wurden gewöhnlich mit
Zwischenräumen von l'/a Wochen vorgenommen. Nach Smir-
noffs Anweisung wurde das Calomel Anfangs in Glycerin ver-
schlemmt, später dagegen in Oel. Die gewöhnlichsten Injections-
dosen betrugen 0*05 und 0*10, einige Male auch 0*18 und 0*20
lieber die Behandl. der Syphilis mit Injectionen v. Galomel. 193
und wurden stets subcutan in die Trochanterregion, mitunter
zwischen den Schultern, ausgeführt. Die Injectionen wurden
stets unter Beobachtung möglichst strenger Antisepsis gemacht.
Die Behandlung begann gewöhnlich erst nach dem Erscheinen
secundärer Symptome und wurde, wo solches nöthig erschien,
neben der allgemeinen Behandlung auch solche der localen
Symptome eingeleitet.
Von den 43 mit Galomelinjectionen behandelten Patienten
kamen 27 (4 Privatpatienten) bald nach der Infection in Be-
handlung; bei den übrigen war die Syphilis von älterem Datum
und zwar hatte sie bei diesen Va — 2 Jahre bestanden, in einem
Falle datirte sich das Leiden 13 Jahre zurück.
Bei der ersten Gruppe bestanden die Symptome ausser
der primären Sclerose in Roseola, Papulae mucosae, Derma-
titis papulos. Bei der letzteren fanden sich ausser diesen Symp-
tomen auch Formen ulceröser und gummöser Natur. Aus den
Fällen, wo Notizen über die Reaction nach Galomelinjectionen
vorliegen, geht hervor, dass auf 187, in Dosen von 0*05 — 0*20
im Erankenhause gemachte Injectionen, 46 Mal oder in 24*5
Percent Abscesse folgten. Nach . der Einführung von Oel als
Substituens an Stelle des Glycerins, und besonders seitdem das
Oel gekocht wurde, fiel die Häufigkeit der Abscesse auf 9'7
Percent. Diese traten gewöhnlich nach Icjection von grösseren
Dosen auf.
Ausser den genannten Abscessen traten auch zahlreiche
mehr oder weniger schmerzhafte — bis faustgrosse — Infiltra-
tionen auf, die mehrere Wochen lang fortbestehen konnten und
recht grosse Beschwerden verursachten.
Wenn auch die Schmerzen nur relativ bestimmt werden
können, so sind sie doch in 55 Fällen als sehr schwer be-
zeichnet, in welchen sie bis zu zwei Wochen anhalten konnten und
äusserst quälend waren und die Bewegung sehr behinderten*
Man kann daher sagen, dass nur eine geringe Zahl von In-
jectionen, ungef. 39 oder 20*8 Percent ohne Reaction verliefen
doch sind auch in diesen Fällen Infiltrationen, wenngleich keine
schmerzhaften, verzeichnet. Zieht man also in Betracht, dass
in allen übrigen oder der überwiegenden Mehrzahl der Fälle,
<lie Injectionen von Abscessen, starken Schmerzen oder schmerz-
▲rehiv f. Demuitol. a. STphil. Band XXVII.
194 Linden.
haften und beschwerlichen Infiltrationen begleitet waren, so
haben uns die Calomelinjectionen in dieser Hinsicht keine be-
friedigenden Resultate geliefert. In 3 Fällen ist Stomatitis Ter-
zeichnet, irgend welche Quecksilberintoxication von Bedeutung
ist nicht Torgekommen. In meiner Privatpraxis waren die
Resultate nach 68 Injectionen yerhältnissmässig besser, wahr-
scheinlich weil diese, ausser in 6 Fallen, in kleinen Dosen ge-
macht wurden. Hier war ungefähr die Hälfte der Fälle von
geringen Schmerzen begleitet; 7*3 Percent von schmerzhaften
Infiltrationen, 1*5 Percent von Abscessen.
Wenn auch keine schweren Intoxicationen nach Galomel
auftreten, so waren doch meiner Ansicht nach die localen
Reizerscheinungen und Schmerzen nach den Injectionen recht
bedeutend. Als daher das salicylsaure Quecksilber von Silva
Aranjo in die Syphilisbehandlung eingeführt und von Szadek
sowie Jadassohn und Zeising, ') welche dasselbe zuerst
neben dem Thymolquecksilber einer Nachprüfting unterzogen,
günstige Urtheile darüber mitgetheilt wurden, begann ich das-
selbe bei der Syphilisbehandlung anzuwenden.
Gleich Jadassohn undZeising habe auch ich dasPai-af-
iinum liquidum als Suspensionsmittel für das Sahcyl- und
Thymolquecksilber angewandt und aus 10 Percent Mischung
die Injectionen subcutan in Dosen von 0*10 und 0*05 gemacht.
Mit diesen Präparaten wurden 63 Patienten behandelt,
48 im Krankenhause und 15 in meiner Privatpraxis.
Von den im Erankenhause behandelten wurden 33 mit
primären und seeundären Symptomen aufgenommen (Sclerosis,
Dermatitis papulos., Papl. mucos., Laryngitis syph.) In 15 Fällen
(Papl. mucos., Stomatit. papulos., Ulcera syphilitica und eine Iritis
syphilitica) war die Syphilis älteren Datums, zwischen 1 und 8
Jahren, und hatte der grössere Theil derselben früher in einer
oder der anderen Form eine Quecksilberbehandlung durch-
gemacht.
An den 63 Patienten wurden 935 Injectionen gemacht,
davon 83 mit Hydr. thymol. In keinem Falle traten Abscesse
ein. Nach 46 Injectionen (5 Percent) bildeten sich Infiltra-
'j Arch. f. Denn. u. Syph. 1888, p. 781.
Ueber die Behandl. der Syphilis mit Ii^jectionen v. Calomel. 195
tionen, welche jedoch alle indolent verliefen und wenig Be-
schwerden Yerursachten.
Wo sie sich zeigten, traten sie gewöhnlich am ersten
Tage auf und verschwanden am zweiten oder dritten Tage, nur
in Ausnahmsfallen hielten sie etwas längere Zeit an.
In 9'9 Percent waren die Beschwerden gross, in 13'8
Percent gering, in 19*1 Percent sind geringe oder keine notirt
und in 57*1 Percent gar keine.
Einen wesentlichen Unterschied zwischen dem salicylsauren
Quecksilber und Thymolquecksilber habe ich nicht gefunden,
und waren sowohl Schmerzen wie Infiltrationen die gleichen.
Einige Patienten vertrugen die Injectionen ohne jede Beschwerde,
bei anderen stellten sich solche regelmässig ein.
In Folge der leichten Lösbarkeit des Präparates traten sehr
bald nach den Injectionen eine schnelle Resorption des Queck-
silbers andeutende Symptome auf, doch stellten sich keine
schwereren aUgemeinen Symptome ein, keine einzige Enteritis
und nur selten leichte Stomatitis.
Sehr häufig dagegen trat vermehrter Speichelfluss auf,
der sich am ersten Tage, oft schon einige Stunden nach der
Injection zeigte. Am zweiten oder drittten Tage hörte er schon
auf oder war wenigstens bedeutend geringer. Dieses schnelle
Auftreten und Verschwinden der Salivation fällt zeitlich mit dem
Auftreten und Verschwinden desQuecksilbers im Harne zusammen,
wie aus meinen Untersuchungen über die Resorption und Elimi-
nation des Quecksilbers nach Injection von Hydr. Salicjl. ') her-
vorgeht.
Gewöhnlich wurde der verstärkte Speichelfluss nur durch
die erste Injection hervorgerufen, während die späteren ohne
diese Beschwerde verliefen.
Eine andere Complication, die erst in neuerer Zeit näher
beachtet und discutirt worden ist, ist das Fieber, welches sich
nicht selten nach Injection dieser leicht resorbirbaren Queck-
silbersalze einstellt.
Petersen,') welcher auf dem Dermatologen-Congresse
in Leipzig 1891 zuerst die Rede auf Temperatursteigerung
') Ergänzungshefte z. Arch. f. Derm. und Syph. 1892. Heft 11.
>) Ergänznngshefbe z. Archiv f. Derm. n. Syph. 1892, p. 382.
13*
196 Linden.
nach Injection von Hydr. salicyL brachte, hat dieselbe in 18
Percent der Injectionen gefunden, und trat die Fiebersteigerung
in der überwiegenden Anzahl der Fälle nach der ersten Injec-
tion auf, selten nach den folgenden. Diese Temperatur-
steigerung war bedeutend höher bei Patienten mit frischer
Syphilis als bei solchen mit Recidiven. Das Fieber, welches
in vereinzelten Fällen bis auf 40° C. steigen konnte, überschritt
gewöhnlich nicht 38® C. und währte im Allgemeinen einen halben
Tag, mitunter auch 1 — 4 Tage.
Dieselben auf das Fieber bezüglichen Beobachtungen sind
auch von anderen Beobachtern gemacht worden.
Von mir wurde eine derartige Temperatursteigerung, die
auf einer grösseren, dem Organismus plötzlich zugefuhrten
Quecksilbermenge beruhte, in 15 Fällen beobachtet.
Oleich der Salivation tritt auch diese Complication ge-
wöhnlich nach der ersten Injection und während des ersten
oder zweiten Tages auf, also zu der Zeit, wo der Organismus
die grösste Quecksilbermenge aufnimmt und ausscheidet.
Sie war gewöhnlich von Frost, Kopfschmerzen und all-
gemeinem üebelbefinden begleitet, und stellten sich diese
Symptome stets 6 — 8 Stunden nach der Injection ein, wo auch
das Fieber constatirt wurde. Sowohl das Fieber wie die an-
deren Symptome waren nur von kurzer Dauer ; bisweilen folgte
auf eine Vormittagsinjection nur am Abend eine Steigerung;
meist währte sie jedoch nur 1 Tag, in Ausnahmsfällen ly^ — 2
Tage. In der überwiegenden Anzahl der Fälle trat die Stei-
gerung nach der ersten Injection auf und konnte dann 38"5® C
bis 40® C. betragen, doch wurde mitunter auch nach den
späteren Injectionen Fieber beobachtet, aber es war dann
niedriger, um 38®, und von kürzerer Dauer. In 3 Fällen wurde
bei Patienten mit Syphilisrecidiv Fieber nach den Injectionen
beobachtet, doch war eine Zeit von resp. 1, 3 und 7 Monaten
seit der letzten Injection verflossen, und stieg das Fieber in
diesen Fällen etwas über 39® mit einer Dauer von 1 — 1 V2 Tagen.
Wenn auch die Ansichten über diese Temperatursteigerung
getheilt sind, so stimmen doch aUe darin überein, dass sie
nicht dem gewöhnlichen Fieber gleichzustellen sei. In lieber-
(Jeber die Behandl. der Syphilis mit Injectionen v. Calomel. 197
einstimmung mit Jadassohn wäre ich geneigt, sie dem Fieber
gleichzustellen, das durch solche Stoffe wie Tuberculin hervor-
gerufen wird, denn es findet sich eine gewisse Uebereinstimmung
in der Reaction nach Injectionen von Tuberculin und von
Quecksilber. Ebenso wie es bei dem Tuberculin der Fall ist,
scheint sich der Oiganismus in gewissem Grade auch an die
durch Quecksilberinjectionen hervorgerufenen Nebenwirkungen
gewöhnen zu können; dafür spricht nicht nur der Umstand,
dass eine Verminderung oder ein Aufhören des Fiebers sich
bei den späteren Injectionen constatiren lässt, sondern auch,
dass die allgemeinen Symptome, wie Kopfschmerzen, allgemeines
Uebelbefinden, gesteigerter Speichelfluss und locale Schmerzen,
welche gewöhnlich nach den ersten Injectionen vorkommen,
nach den späteren abnehmen und verschwinden.
Es ist bekannt, dass Syphilis selten in so leichter Form
auftritt, dass sie mit dem Verschwinden der primären und
ersten allgemeinen Symptome erlischt, sondern es tritt gewöhn-
lich nach längerer oder kürzerer Zeit scheinbarer Gesundheit
in einer oder der anderen Form ein Recidiv der Krankheit auf.
Die Angaben über die Frequenz der Recidive sind dagegen
sehr verschieden und stehen gewiss sehr unter dem Einfluss
der verschiedenen Behandlungsmethoden; doch dürften diese
abweichenden Angaben hauptsächlich auf die ungleiche Dauer
der Beobachtungszeit nach abgeschlossener Behandlung beruhen.
Legt man aber ein grösseres, durch längere Zeit beobachtetes
Material (Lewin, Caspary, Welander) der Berechnung der
Recidivfrequenz zu Grunde, so geht daraus hervor, dass äusserst
wenig Fälle ohne Recidiv verlaufen. So hat Caspary*) unter
100 von ihm mit Quecksilber und Jodkali behandelten und in
der langen Zeit von 15 — ^30 Jahren beobachteten Fällen nur
10 gefunden, wo innerhalb 3 Jahren kein Recidiv auftrat. Werden
diese zehn Fälle zu den neunundachtzig, welche aus Casparys
Material für vorliegende Untersuchung anwendbar sind, hinzu-
gezählt, so sind ir27o ohne Recidiv verlaufen. Doch traten
in zweien von diesen, beziehungsweise im 4. und 7. Jahre,
') Ueber chronische Quecksilberbehandlnng der Syphilis. Viertel-
Jahresschrift f. Denn, und Syph. 1887, p. 1.
198 Linden.
bei dem einen ein s}'philiti8ches Gumma, bei dem andern eine
Parese auf.
Ein anderer l'mstand, der beim Auftreten von Recidiven
nicht ausser Acht gelassen werden darf, ist ihre Frequenz in
verschiedenen Zeiträumen.
So traten bei Berechnung nach Casparys Fällen in
49'57o Recidive innerhalb des ersten Jahres auf, in 13*67o ^
zweiten und in 25"87o ^^^^ ^wei oder mehreren Jahren. Sieht
man von den Fällen ab, wo sehr spät (7 — 15 Jahre) Recidive
auftraten, so waren also in 60'77o die Symptome innerhalb des
ersten Jahres abgelaufen und in ld*67o innerhalb des zweiten.
Nach L e w i n M trat eine grössere Zahl von Recidiven
innerhalb des ersten Jahres auf: 83'07o i^^ch mercurieller Be-
handlung und 917o i^ch vegetabilischer-, innerhalb des zweiten
Jahres nach ersterer Behandlungsmethode in 77o9 nsich
letzterer in 127© und in späteren Jahren in resp. 27o ^iid b%.
Finger') hat auch aus den hereditären Verhältnissen die
Abnahme der Intensität des syphilitischen Giftes studirt und
fand, dass ohne Quecksilbergebrauch die Sterblichkeit an here-
ditärer Syphilis im ersten Jahre 507o erreicht und in den zwei
ersten Jahren nahezu auf 707o steigt, nach welcher Zeit sie
stark abnimmt. Nach Gebrauch von Quecksilber dagegen nimmt
das syphilitische Virus stark an Intensität ab, d. h. die here-
ditäre Disposition wird vermindert. So wird z. B. die Eander-
sterblichkeit, wo sich die Vererbung vom Vater nach einer
mittellangen Quecksilbercur herleitet, von 59 7o auf 217o herab-
gesetzt und nach einer energischen Cur auf 37oi ^as nach ihm
nahezu einem Aufhören der Erblichkeit des Leidens gleichzu-
stellen ist.
Bekannt ist, dass das syphilitische Gift, welche Behand-
lungsmethode immer angewandt wird, sehr lange im Organismus
verweilen kann, wie zu ersehen nicht nur aus den mitunter
sehr spät auftretenden Formen, sondern auch aus der Mortali-
tät in Folge von 10 bis 20 Jahre alter hereditärer Syphilis.
Nach dem oben Erwähnten scheinen jedoch derartige Fälle
recht selten zu sein und die Virulenz der Krankheit tritt nur
') Die Behandlung aer Syphilis mit anbeut. Sublimatinj. p. 240.
') Die Vererbung der Syphilis. 1892.
Ueber die Bebandl. der Syphilis mit Injectionen v. Galomel. 199
in den ersten Jahren hervor und müsste durch eine rationelle
Quecksilberbehandlung wenn auch nicht ganz aufgehoben, so
doch so abgeschwächt werden können, dass nach dem zweiten
Jahre nur noch eine verhältnissmässig geringe Zahl vorkäme.
Da also nicht nur die klinischen Beobachtungen, sondern
auch die hereditären Verhältnisse dafür sprechen, dass das
syphilitische Virus auch ohne jede Behandlung innerhalb der
ersten Jahre bedeutend abgeschwächt wird, unter dem Ein-
flüsse von Quecksilberbehandlung also in noch höherem Grade,
so darf dieser Umstand bei einer statistischen Zusammenstellung
von Recidiven nicht übersehen werden. Es dürfen also nicht
Krankheitsfälle von verschiedenem Alter zusammengestellt
werden, besonders wenn ein Vergleich über die Wirkung
verschiedener Behandlungsmethoden angestellt werden soll.
Obgleich nicht alle von mir für eine Recidivstatistik an-
gewandten Fälle durch mehrere Jahre verfolgt werden konnten,
so dürfte doch eine Zusammenstellung derselben nicht ohne
Bedeutung sein, da die überwiegende Anzahl der Recidive
während des ersten und zweiten Jahres abgelaufen war, und
habe ich bei dieser Zusammenstellung nicht nur den Zeiträum
in Betracht gezogen, durch welchen der Fall nach dem Ver-
schwinden der letzten Symptome beobachtet wurde, sondern
auch das Alter der syphilitischen Affection. Femer muss
man sich erinnern, dass bei der Beurtheilung einer Krankheit
wie die Syphilis, nie bestimmte Ziffern aufgestellt werden können,
sondern dass denselben stets nur ein höherer oder geringerer
Grad von Wahrscheinlichkeit zuzumessen ist.
Die von mir behandelten 106 Fälle konnten nicht alle für
eine Recidivstatistik verwendet werden, weil das Alter des
Leidens nicht immer genau bekannt war und ein Theil der
Fälle allzu kurze Zeit beobachtet werden konnte. Angewandt
für vorliegenden Zweck wurden nur 66 Fälle, wo das Alter der
Krankheit 1 Jahr und darüber betrug. 29 von diesen konnten
nach dem Verschwinden der Symptome 1 Jahr und darüber
verfolgt werden (17 Fälle 1—2 Jahre, 9 Fälle 2—3 Jahre,
3 Fälle über 3 Jahre), 15 Fälle wurden 7 — 12 Monate verfolgt;
in 9 Fällen betrug die Beobachtungszeit 4 — 7 Monate und in
200 Linden.
den übrigen war sie noch kürzer oder dieselben konnten gar
nicht verfolgt werden.
Da es indessen von Wichtigkeit ist, auch die Häufigkeit
der Recidive, die nach relativ kurzer Zeit auftreten, zu be-
trachten, so sind ausserdem 9 Fälle mitgenommen, bei welchen
das Alter der Krankheit nur 8 Monate betrug. Bei Berechnung
der mittleren Zeit dagegen, in der die Symptome nach den
verschiedenen Behandlungsmethoden als abgelaufen betrachtet
werden können, sind nur solche Fälle aufgenommen, die wenig-
stens ein Jahr beobachtet waren.
Bei der Zusammenstellung von Recidiven sind die mit
Calomel und hydr. Salicyl. behandelten Fälle von einander ge-
schieden, ausserdem die von Anfang an mit Injectionen behan-
delten von denen, die früher anders behandelt worden waren.
In einem Theil der Fälle wurden neben den Injectionen auch
andere Mittel angewendet, doch war auch in diesen Fällen, mit
wenigen Ausnahmen, die Injectionsbehandlung die überwiegende.
22 Patienten wurden vom Beginn der Krankheit an mit
Calomelinjectionen behandelt. Von diesen traten in 16 Fällen
Recidive auf und 6 verliefen ohne solche ; da aber von letzteren
nur 2 Fälle längere Zeit, beziehungsweise 1 Jahr und 9 Monate
und 2 Jahre und 9 Monate beobachtet werden konnten, so
dürfte nicht mit Wahrscheinlichkeit angegeben werden können,
dass Recidive in mehr als 11 7© ausblieben.
Zieht man die Fälle ab, welche nur kurze Zeit behandelt
wurden und nur einige Monate verfolgt werden konnten, so er-
gibt sich:
5 Fälle = (27-7"'J ll«/« ohne Recidiv
4 „ = 22-27o 1
5 „ = 27-77o 2
3 „ = 16-77o 3
1 , = 5-77o 4
und zwar traten die Recidive auf in
10 Fällen = 55-57o innerhalb 1 Jahre
3 „ = 16-77o „ 1—2 Jahren
5 „ = 27-87o T^ 3 oder mehr Jahren.
An dreien der Fälle wurde £xcision der Sclerose ge-
macht. In einem dieser letzteren waren die Symptome sehr
üeber die Behandl. der Syphilis mit Iigectionen v. Galomel. 201
gelinder Art und verschwanden in relativ kurzer Zeit. Im
zweiten Falle trat erst 2 Jahre nach Abschluss der Behand-
lung ein Recidiv auf und hat sich später kein neues gezeigt,
trotzdem der Fall noch 2 Jahre nach demselben beobachtet
wurde. Im dritten Falle trat in 1 Jahr und 9 Monaten nach
abgeschlossener Behandlung kein Recidiv auf.
Von den gleich anfangs mit Calomel behandelten Fällen
wurden 3 ausserdem einer kürzeren Inunctionscur unterworfen.
Die mittlere Dauer der Calomelbehandlung betrug 6 Wochen
(öVa W.) ^) und die verbrauchte Calomelmenge 0*40 (0-21).
Die Recidive traten auf: das erste im Mittel nach SVa
Monaten, das zweite und dritte nach 37» (8) Monaten und 18 (17)
Monaten, die Behandlungszeit für die resp. Recidive betrug
4 (6) — 5 und 6 (16) Wochen. In einem FaUe trat noch ein 4.
und 5. Recidiv auf. Die mittlere Zeit, in der die Sjrmptome in
den Fällen, welche 1 Jahr und darüber beobachtet werden,
abgelaufen wai-en, betrug 9V2 Monate, doch wurden ausserdem
in 5 Fällen = 22*77^, Symptome noch 27«— 7 Jahre nach der
Behandlung beobachtet.
Dass Recidive nach Injection von geringeren Quantitäten
Calomel schneller auftreten, kann nicht mit Bestimmtheit nach-
gewiesen werden; es traten ja freilich in den Fällen, welche
mehr als die Durchschnittsmenge Calomel erhielten, Recidive
erst nach 5 Monaten auf, und in einem Theil der Fälle, welche
geringere Quantitäten erhielten, schon nach einigen Wochen,
doch fanden sich unter letzteren auch solche, wo erst nach
7 — 8 Monaten und V/^ — 27« Jahren Recidive auftraten.
33 Fat. erhielten von Beginn der Krankheit an Injectionen
von Hydr. salicyL und Thymol. hydr. In 25 Fällen traten
Recidive auf und von den 8 Fällen, wo keine verzeichnet sind,
konnten 5 nach Abschluss der Behandlung nicht weiter verfolgt
werden oder war die Beobachtungszeit so kurz, dass mögliche
Recidive nicht auszuschliessen sind. Nur in 3 Fällen = 13*37o
ist mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Recidive
ausgeblieben sind«
') Die Ziffern in den Klammem betreffen die Fälle, welche neben
den Tnjectionen eine andere Quecksilberbehandlnng erhielten.
202 Linden.
In diesen 3 Fällen hatte die Krankheit resp. 8 Monate,
^/g Jahr und 1 Jahr gedauert, und wurden dieselben nach dem
Verschwinden der Symptome in einem Falle 2 Jahre beobachtet
und in 2 Fällen 2 Jahre und 3 Monate.
Rechnet man als unsicher 9 Fälle ab, die mcht längere
Zeit beobachtet werden konnten, so ergibt sich für 24 Fälle:
4 Fälle = (16-67o) 13-3 kein Recidiv
9 , = 37-57o 1
9 , = 37-57o 2
1 , = 4-2% 3
1 „ ^ 4-27o 5
und traten die Becidive auf:
in 22 Fällen = 91-67o ^ 1 Jahre
„ 1 „ = 4-27o „ 1—2 Jahren
„ 1 „ z=: 4-27o , 2-3 ,
In zwei Fällen wurde Excision der Sclerose gemacht; in
dem einen derselben trat nach 5 y^monatlicher Injectionsbe-
handlung kein Recidiv auf, obgleich der Fall noch 2 — 3 Monate
lang beobachtet wurde; im zweiten Falle traten innerhalb 9
Monate 2 Recidive auf, das zweite mit einem leichten hemi-
plegischen Anfalle; nach Injections- und Inunctionsbehandlung
trat darauf in 8 Monaten kein neues Recidiv auf.
Im Mittel währte die erste Behandlung 8 (11) Wochen
und die angewandte Quecksilbermenge betrug 0*55 (0'57).
Die Recidive traten im Mittel auf; das 1. nach 10 (7)
Wochen, das 2. und 3. nach 10 (11) und 5 Wochen; die Dauer
der Behandlung für die resp. Recidive betrug 5 (5) und 3 (12)
Wochen. In einem Falle trat ein drittes und in einem anderen
Falle 5 Recidive auf.
Im Durchschnitt waren die Symptome in 7V2 Monaten
abgelaufen; 16 der Fälle wurden 1 — 3 Jahre beobachtet, 6 in
8 — 10 Monaten, in 2 Fällen = 67© konnten die Symptome bis
ins zweite Jahr hinein verfolgt werden.
Sowohl in diesen, wie auch in den mit Calomel behan-
delten Fällen debutirte die Krankheit, wo mehrere Recidive auf-
treten, als ulceröse Syphilis oder papulöse Dermatitis.
In üebereinstimmung mit den Calomelinjectionen konnte
»
nicht bestimmt constatirt werden, dass eine grössere Quantität
Ueber die Behandl. der Syphilis mit Injectionen v. Calomel. 203
iDJicirten Quecksilbers für längere Zeit den Ausbruch eines
Recidivs verhindern konnte als eine geringere.
Wenn auch solche Fälle, die früher auf andere Weise
behandelt worden waren, nicht in demselben Grade für den
Vorzug der einen oder anderen Behandlungsmethode sprechen
können, wie die oben angeführten, so ist doch eine Zusammen-
stellung derselben ganz am Platze, da bei der späteren Be-
handlung vorzugsweise die Injectionsmethode zur Anwendung
gekommen ist
Es waren 29 Fälle, die früher Quecksilberbehandlung unter-
worfen gewesen waren; von diesen waren 14 mit Calomel be-
handelt worden und 15 mit Injectionen von salicjlsaurem Queck-
silber. Neben den Injectionen von Hydr. Salicyl. war in den
meisten Fällen auch eine Inunctionscur und innerliche Behand-
lung angeordnet worden; neben den Calomelinjectionen nur in
zwei Fällen.
Das Alter der syphilitischen Affection schwankte im All-
gemeinen zwischen einigen Monaten und 3 — 4 Jahren.
Zieht man von den mit Calomel behandelten Fällen 3 als
unsichere ab, so ergibt sich für die übrigen 11:
in 7 Fällen = 63-67o kein Recidiv
, 4 , =36-47o 1
und zwar traten die Becidive auf:
in 2 Fällen = 18-2% innerhalb 1 Jahre
„ 6 „ =54-57o r 1—2 Jahren
„3 , = 27-ö"/o . 2-3 ,
Zieht man wieder von den mit Hydr. SalicyL und ThymoL
hydr. behandelten Fälle 5 als unsichere ab, so ergibt sich:
in 4 Fällen = 407« kein Recidiv
„ 4 „ =407o ein
„2 j, = 207o '^^©''"^re Recidive
und traten dieselben auf:
in 3 Fällen = 30% innerh. 1 Jahr
, 4 , =40% V 1—2 Jahren
„ 3 „ =: 30% n 2 und mehr Jahren.
In diesen Fällen ist die Dauer der Behandlung bei An-
wendung von Calomel im Durchschnitt etwas kürzer gewesen
(3 Vs Wochen) und die Zeit bis zum Ausbruche des Recidivs etwas
204 Linden.
länger (T'/^ Monate) als bei Anwendung des Hydr. Salicyl., wo
das Gegentheil sich zeigte; die Behandlung dauerte 4 (6)
Wochen und das Recidiv blieb im Mittel 3 (47^) Monate aus.
Zieht man die sehr alten Falle von Syphilis (3-, 4- und
8jährige) ab, so ergibt sich als Mittel für die Zeit, in der die
Recidive abgelaufen waren, bei Calomelbehandlung 20 Monate
und bei Hydr. Salicyl. 17 Monate.
Es war also in den Fällen, wo vor den Injectionen von
Calomel und Hydr. Salicyl. eine andere Behandlung angewandt
worden, der Zeitraum in dem die Recidive auftraten, für die mit
Calomel behandelten Fälle etwas länger als wo Hydr. thymol.
und Hydr. salicyl. zur Anwendung kamen, und för alle zusam-
men bedeutend länger als bei ausschliesslicher Injectionsbe-
handlung. Dieser letztere Umstand dürfte nicht allein der
einen oder anderen Methode zuzuschreiben sein, sondern
Tielleicht eher einer mehr oder weniger regehnässig durch-
geführten früheren Behandlung, wobei ausserdem die Fälle
schwererer Art gewesen sein können.
Was die poliklinisch behandelten Privatpatienten betrifft,
80 können sie nicht in jeder Hinsicht dasselbe Interesse er-
bieten wie die im Krankenhause behandelten, nicht dieselbe
Bedeutung beanspruchen wie die oben mitgetheilten Fälle. Das
Material war viel ungleicher, ein Theil derselben hatte schon
vor der Behandlung Quecksilber in der einen oder anderen
Form erhalten, und die Behandlung konnte nicht mit derselben
Regelmässigkeit durchgeführt werden in Folge des oft langen
Ausbleibens der Patienten. Das Verschwinden der Symptome
und Auftreten von Recidiven konnte in Folge dessen nicht ebenso
sorgfältig überwacht werden, weshalb ich glaube*, dass manches
Recidiv der Aufmerksamkeit entgangen sein kann.
Wenngleich auch bei Behandlimg dieser Privatpatienten
die Injectionsmethode in der überwiegenden Anzahl der Fälle
zur Anwendung kam, so erhielten sie doch in grösserer Aus-
dehnung als die im Krankenhause behandelten, zugleich eine
gemischte Behandlung. Aber wenn sie sich auch in geringerem
Grade für einen Vergleich zwischen den verschiedenen Methoden
eignen, so will ich sie doch in Kürze mittheilen, da ein Theil
derselben recht lange nach Schluss der Behandlung beobachtet
Ueber die Behandl. der Syphilis mit Injectionen v. Galomel. 205
werden konnte und daher mit Rücksicht auf die Recidiye be-
achtenswerth ist.
Von den PriTatpatienten wurden 7 Fälle poliklinisch mit
Calomelinjectionen behandelt, es war bei den meisten die Krank-
heit verhältnissmässig jungen Datums, 1 — 7 Monate, bei einem
aber 15 Jahre und hatten die meisten früher Quecksilber-
behandlung durchgemacht. Bei diesen war die ulceröse und
maculopapulöse Form die yorherrschende.
In einem Falle wurde Excision der Primärsclerose gemacht
und trat nach einjähriger Behandlung im Laufe von 3 Jahren
und 6 Monaten kein Recidiv auf.
Die Behandlungszeit ist für alle diese bedeutend länger
gewesen als für die im Erankenhause behandelten Fälle. Schliesst
man auch einen Fall aus, wo die Behandlung mit kurzen Pausen
2 Jahre lang dauerte, so bleibt doch für die Behandlung der
Uebrigen ein Mittel von 7 Monaten. Während dieser langen
Behandlungszeit dürften wahrscheinlich auch die ersten Recidive
aufgetreten sein, wenn sie auch nicht beobachtet wurden. Die
drei Fälle, in denen kein Recidiv bemerkt wurde, waren resp.
8 Monate, 3 J. 6 M. und 3 J. 10 M. nach Abschluss der Be-
handlung verfolgt worden. In dem Falle, wo sich ein Recidiv
einstellte, geschah dieses nach I4V3 Monate. Die Symptome
waren in 3 Fällen abgelaufen in resp. 473, 6 und 13 Monaten.
Fünfzehn Privatpatienten wurden mit Hydr. Salicyl. und
Thymol. hydr. behandelt.
Von diesen litten 1 1 in überwiegender Anzahl an mucösen
Papeln und maculopapulösen Dermatitiden und erhielt ein
groisser Theil derselben neben den Injectionen auch eine andere
Quecksilberbehandlung. In einem Falle dauerte die Behandlung
fast ununterbrochen 3 Jahre.
Ziehen wir von den 11 Fällen die drei Fälle ab, wo das
Resultat unbekannt ist, und die nur kurze Zeit in Behandlung
waren^ so erhalten wir für die 8 übrigen
1 Fall = 12-57o kein Recidiv
2 Fälle = 25'07o 1
2 „ =r 25-0% 2 Recidive
1 Fall = 12-5% 3
2 Fälle = 25-07o 4
206 Linden.
Diese traten auf
in 4 Fällen = öO'O^o innerhalb 1 Jahre
»3 „ ^ 37'5 /o I» 2 „
„ 1 FaU = 12'b% , 3 ,
Die erste Behandlung dauerte im Mittel öVs Monate und
das erste RecidiY trat nach 2% Monaten auf; das zweite und
dritte Becidiv trat nach 4 und 5 Monaten auf mit einer Be-
handlungsdauer von 8 (11) und 3 Wochen.
4 Fälle hatten früher eine Quecksilbercur durchgemacht.
Nachfolgende Tabelle gibt eine Uebersicht über die Dauer
der Yerschiedenen Behandlungszeiten, die angewandte Queck-
silbermenge und die Zeit für das Auftreten der BeddiTe.
lieber die Behandl. der Syphilis mit Injectionen v. Galomel. 207
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lieber die Behandl. der Syphilis mit Injectionen v. Galomel. 209
1 .'
1 — 2 Jahre n
2 J. und mehr
behandelte FUle.
Von Anfang an mit Injeetionan von Hydrarg. taUcyl. und Thymol bebandelt.
Ansahl Reoldive. Reoidire abgeUnfen.
In (16-67o) 13-37o kein Recid. In 91-6% innerhalb 1 Jahre
V 37'5 /q 1 „ „ 4*2 /„ „
n . 37'5 /q 2 „ „ 4*2 /q „
4-27o 3
4-27« 5 „
die Symptome abgelaufen waren.
In 67o innerhalb des 2. Jahres,
„ 94'07o « 7V2 Monaten.
FrUher mit QueclKOilber behandelt, epftter mit Hydr. ealicyl. und Thymol.
Ansahl ReeidlTe. RMldive abgelaufen.
In 40-07o kein Recidiv. In 30-07o innerhalb 1 Jahre
n 40-07o 1 n . 40-07o r, 1—2 Jahren
„ 20-0% 2 und mehr. „ 30-0% „ 2 J. und mehr.
handelte F&lle.
Aniahl Beoidive.
In 12-57o
kein Becidir.
» 25-07o
1
1)
, 25-07o
2
n
, 12-57o
3
n
, 25-07o
4
n
Reoidive abgelaufen.
In 50'07o innerhalb 1 Jahre
n 37-57o „ 1—2 Jahren
» 12-5%
2 J. und mehr
ArchlT f. Dermatol. n. 8]rphil. Band XXVn.
14
210
Linden.
Fasst man die Resultate obiger Auseinander-
setzungen zusammen, so geht daraus hervor, dass
Excision der primären Sclerose einen bestimmten
Einfluss auf den Verlauf der Krankheit zu haben
scheint.
Von 6 Fällen, in denen Excisionen gemacht
wurden, blieben in 3 := 507o Recidive aus; in den
übrigen trat in einem Falle ein Recidiv erst nach
2 Jahren und 5 Monaten auf und in weiteren zwei
Jahren, in welchen der Fall beobachtet wurde,
keines; von den beiden letzten erhielt der eine
Fall ein Recidiv mit sehr leichtem Verlauf und der
andere zwei Recidive. Die Excision kann daher in
Fällen empfohlen werden, wodieLage derSclerose
derart ist, dass es ohne grössere Ungelegenheiten
geschehen kann.
In Bezug auf die Calomelinjectionen hat sich
gezeigt, dass sie unvergleichlich grössere Lo cal-
reaction hervorrufen als Injectionen von Hg. Sa-
licyl. und Thym. hydrg. So entstanden ausser Ab-
scessen, auch grosse, schmerzhafte, für den Pati-
enten sehr beschwerliche Infiltrationen. Nach den
späteren Injectionen traten nie Abscesse auf, die
Reaction blieb in den meisten Fällen ganz aus
oder war äusserst gering, und wo sich Infiltrati-
onen bildeten, warensie gewöhnlich indolent. Nur
in Ausnahmefällen war die locale und allgemeine
Reaction sogross, dass die Behandlung nicht ohne
Ungelegenheit fortgesetzt werden konnte.
Mit Ausnahme der poliklinischen Patienten
erforderte die ersteBehandlung derKrankheit bei
beiden Injectionsmethoden etwas längere Zeit als
die der darauf folgenden Recidive.
Die Calomelinjectionen zeigten im Allgemei-
nen schnellere Wirkung als Injectionen von Hydr.
salicyl. undThymol. hydr., weshalb di ^Behandlung
mit ersterem Präparate kürzere Zeit in Anspruch
Ueber die Bebandl. der Syphilis mit Injectionen v. Calomel. 211
nahm als die mit letzteren; beiRecidiven dauerte
die Cur mit beiden Präparaten ungefähr gleich
lange. Die angewandte Quecksilbermenge war so-
wohl bei Calomel wie Hydr. salicyl. bei den Reci-
diven etwas geringer als bei der ersten Behand-
lung.
Das Bestehen eines bestimmten Verhältnisses
zwischen der injicirten Quecksilbermenge und
dem Zeitpunkt für das Auftreten von Recidiven,
derartjdass eine grössere Menge Quecksilber einer
längeren Zwischenzeit bedingte und umgekehrt,
habe ich nicht gefunden.
Von allenFällen zusammen sindRecidive aus-
geblieben: Nach Injection von Calomel in 11% und
Inj. von Hydr. salicyl. und Thymol. hydr. in 13*3%.
Die Anzahl der Recidive war im Allgemeinen
nach Calomelinjectionen während des ersten Jah-
res geringer und die Intervalle zwischen den Re-
cidiven länger als bei Anwendung der anderen
Präparate, wogegen bei diesen die Recidive, wenn
auch grösser an Zahl, in kürzerer Zeit verliefen
— ungefähr in9l7o innerhalb einesJahres, während
dagegen nach Calomelinjectionen nur 55% in der-
selben Zeit verliefen; es traten also nach Injec-
tion von Hg. salicyl. eine geringere Anzalil von
Spätrecidiven auf.
Das Ergebniss würde mithin sein, dass das Calomel, trotz-
dem es ein stark wirkendes Präparat ist, welches in kürzerer
Zeit die Symptome zum Verschwinden bringt als Hydrarg. sa-
licyl. und Thymol. hydr., doch diesen beiden nicht absolut vor-
zuziehen ist, da diese nicht nur geringere locale Reizung ver-
ursachen, sondern auch den Verlauf der Krankheit überhaupt
abzukürzen scheinen, sei es nun bei combinirter Behandlung
oder allein mit Injectionen. Da es also scheint, als ob es in
der Syphilistherapie im Allgemeinen vortheilhafter sei ein mild
wirkendes Präparat anzuwenden als ein kräftiges, das die Symp-
tome schnell coupirt, so wäre es von grossem Interesse, dieses
14*
212 Linden.
durch Thatsachen bestätigt zu sehen, die sich auf ein grösseres
als das mir zu Gebote stehende Material stützen. Hiermit sei
aber nicht der Nutzen des Calomels in Abrede gestellt, sondern
wenn mitunter eine schnelle Wirkung erzielt werden soll, dann
kann nach dem Calomel gegriffen werden.
lieber die Häii%keit und Zeit des Auftre-
tens der Urethritis posterior bei der acuten
Gonorrhoe.
Von
Dr. Alfred Lanz,
Ordlnator am Miamnitskyhospiul in MoskAU.
(Vortrag, gehalten auf dem V. russiscben Aerztecongress
zu St. Petersburg.)
M. H.! Die Frage über die Häufigkeit und Zeit des Auf-
tretens der Urethritis posterior beim acuten Tripper wird sehr
verschieden beantwortet: während die Einen die Affection der
hinteren Harnröhre als eine ziemlich seltene Erscheinung, als
Complication der Gonorrhoe betrachten, glauben die Anderen
wiederum, dass die Urethritis posterior eine sehr gewöhnliche,
nur in Ausnahmefällen fehlende Erscheinung sei. Diese
zweite Meinung findet in der letzten Zeit immer mehr Anhän-
ger. Jadassohn^) stellt die Häufigkeit der Urethritis poste-
rior auf Grund von 163 Fällen von Gonorrhoe, in welchen die
Krankheit bis zur Untersuchung nicht weniger als 4 — 6 Wochen
gedauert hatte, auf 81'7% fest. (Von 168 Fällen von Gonor-
rhoe konjxte die Urethritis posterior nur in 20 Fällen nicht
nachgewiesen werden.) Letzel*) untersuchte 53 Falle von
') Jadassohn. Beitrage zur Lehre von der Urethritis posterior.
Verhandlungen der DeutRchen dermat. Gesellschaft. I. Gongress zu Prag,
10—12. Juni 1889, p. 182.
') LetzeL üeber die Häufigkeit der Betheiligung der Urethra post .
am gonorrhoischen Entzündungsprocesse nebst einigen Bemerkungen über
die Behandlung desselben. Internat. Centralbl. f. d. Physiologie und Pa-
thologie der Harn- und Sexualorgane. Bd. II. 1890, p. 284.
214 Lanz.
7 — lOwöchentlicher Dauer und fand einen noch höheren Pro-
centsatz von Urethritis posterior, nämlich 92*57o 0^ diesen
Ö3 Fällen war der hintere Hamröhrenabschnitt nur 4mal ver-
schont geblieben). Rona*) bestimmt die Häufigkeit der Er-
krankung der Urethra posterior in Fällen von 8 — lOwöchent-
heher Ki'ankheitsdauer auf 62 % und in Fällen von über
lOwöchentlicher Erankheitsdauer auf 66%. Nach Philipp-
sohn ^) pflegt die Gonorrhoe die hintere Urethra in 86'6% zu
aflSciren, Finger') fand eine Urethritis posterior in 63%
seiner Privatpraxis und in 82% seines poliklinischen Materials,
und nach Heisler*) wird der hintere Hamröhrenabschnitt in
79-77o ailer Fälle afficirt.
Diese Daten wurden von mir angeführt, um zu zeigen,
wie erheblich die Angaben der verschiedenen Beobachter über
die Häufigkeit der Urethritis posterior diflferiren. Diese be-
deutende Differenz der Angaben in einer, wie man glauben
sollte, so einfachen Frage werden wir uns leicht erklären können,
wenn wir einerseits das Material, welches die verschiedenen
Beobachter benutzten, andererseits aber die Methoden, welche
zur Feststellung der Diagnose angewandt wurden, näher in Be-
tracht ziehen. Während von den Einen, nur die FäUe erstma-
liger Gonorrhoe herangezogen wurden, machten die Anderen
keine derartige Auswahl und schlössen in ihre Beobachtungen
auch Fälle von wiederholter Infection ein; so hatten Letzel
und H e i s 1 e r nur mit Fällen erstmaliger Erkrankung zu thun,
während Jadassohn, Röna, Finger und Andere sich augen-
scheinlich auf Beobachtungen an einem gemischten Material
stützen, denn wenigstens wird nicht ausdrücklich hervor-
*) Rona. Vermafif der Compressor orethrae das Weitewehreiten der
aeuten Gonorrhoe zu verhindern? Refer. in Monatsh. f. prakt, Dermatol.
1891. Bd. n, p. 162.
') PbilippBohn. üeber die Behandlung der chronischen Gk>norrhoe.
Kefer. Centralbl. f. die Physiologie und Pathologie der Harn- u. Sezual-
organe. Bd. III. 1891, p. 308.
•) E. Finger. Die Blennorrhoe der Sexualorgane and ihre Compli-
caiionen. 3. Aufl. 1893, p. 67.
*) Ignatz Heisler. Ueber die Zeit und Ursache des Ueberganges
<ltT Gonorrhoe auf die Pars posterior urethrae. Archiv f. Dermatol. und
Syphilis. 1891, p. 761.
üeber die Häufigkeit u. Zeit d. Auftretetis d. ürethr. poster. 215
gehoben, dass sie nur mit Fällen von erstmaliger Erkrankung
rechnen. Es ist aber gewiss nicht daran zu zweifeln, wie auch
schon Letzel darauf hingewiesen hat, dass in Fällen von
wiederholter Erkrankung es nicht immer leicht sein wird, eine
Affectionen der hinteren Harnröhre, die vielleicht von einer
vorherigen Erkrankung zurückgeblieben, auszuschliessen.
Eine andere Ursache dieser Differenz der gewonneneu
Resultate muss dem Umstände zugeschrieben werden, dass zur
Beobachtung Fälle von verschiedener Krankheitsdauer heran-
gezogen wurden, indem die Einen ihre Beobachtungen nur auf
acuten, die Anderen hingegen auch auf subacuten und chroni-
schen Fällen basiren. So stellte H e i s 1 e r z. B. seine Beobach-
tungen an acuten Gonorrhoen, Letzel an Fällen von 7 — 10-
wöchentlicher Erankheitsdauer an, und in den Fällen von
Jadassohn hatte sich das Leiden grösstentheils schon über
6 Wochen hingezogen.
Was die Diagnose der Urethritis posterior anbetrifiFt, so
ist dieselbe bekanntlich in acuten Fällen mit reichlicher Secre-
tion, mit Hilfe der sogenannten Zweigläserprobe sehr leicht zu
stellen; in denjenigen Fällen aber, wo das Secret gering ist
und daher aus der Pars membranacea und prostatica nicht in die
Blase regurgitirt, werden die geringen Entzündungsproducte
mit dem ersten Urinstrahl fortgespült und erscheinen im ersten
Glase, während die zweite Harnportion gewöhnlich vollkommen
klar bleibt. In diesen letzteren Fällen ist also die Thomp-
so nasche Probe unzulänglich und muss daher eine genauere
Untersuchungsmethode angewandt werden. Diese besteht be-
kanntlich darin, dass man dem Kranken, der einige Stunden
lang nicht urinirt hat, die vordere Harnröhre so lange ausspült
bis die Irrigationsflüssigkeit klar abläuft; erscheint nun der
nach erfolgter Ausspülung entleerte Harn trübe oder enthält,
derselbe Flocken, so gilt das als Beweis für eine Affection der
Pars posterior. Es kommt also Alles auf eine möglichst voll-
ständige Ausspülung der vorderen Harnröhre an. Wie soll nun
aber diese ausgeführt werden? Diese Frage wird von den
Autoren verschieden beantwortet. Jadassohn, M der die Irri-
') 1. c. p. 179.
216 Lanz.
gationsprobe zuerst consequent anwandte, führte dieselbe mit
Hilfe eines dünnen Catheters aus, den er bis zum Compressor
urethrae einführte; Letzel*) begnügte sich mit wiederholtem
Ausspülen mittelst einer 100 Cm. fassenden Handspritze ohne
Catheter, hält es aber fär nothwendig, diese Manipulation noch
dadurch zu yervoUständigen, dass er den Bulbus mit einem
elastischen bougie ä boule auswischt, „um dort etwa noch ver-
bliebenes zäh anhaftendes Secret zu entfernen". Heisler*)
spritzt gleich wie Letzel die Harnröhre ohne Catheter mit
einer Spritze aus, führt aber keine Knopfsonde ein. In einer
seiner letzten Veröffentlichungen gibt Jadassohn^) die An-
wendung auch einer einfacheren Ausspülungsmethode zu, indem
er dieselbe ohne Catheter mit einer gewöhnlichen Tripperspritze
ausführen lässt, wobei der Kranke die Einspritzungen so lange
wiederholt, bis die herauslaufende Flüssigkeit Tollkommen klar
und frei von Flocken erscheint. Kollmann **) kehrt zu der
ursprünglichen Methode von Jadassohn zurück, wobei er
aber besonders hervorhebt, dass die Flüssigkeit nicht unter zu
hohem Drucke eingespritzt werden darf; er benutzt darum
einen dünnen Catheter, damit zwischen demselben und den
Urethralwänden noch genügend Baum zum freien Abfluss des
Spülwassers bleibe, und verwirft die von Jadassohn vorge-
schlagene zeitweilige Compression des Orificium ext. urethrae.
Beim Einspritzen unter hohem Druck kann nach Kollmann
ein Theil des Secretes in die liintere Harnröhre eingetrieben
werden und später im Urin eine Urethritis posterior vortäuschen.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die injicirte Flüssigkeit —
gleichviel, ob die Ausspülung mittelst eines Catheters oder mit
gewöhnlicher Tripperspritze ausgeführt wird — theilweise in die
hintere Harnröhre gelangen kann. Ich habe ein solches Ein-
dringen der eingespritzten Flüssigkeit bei Anwendung von
') 1. c. p. 285.
») 1. c. p. 764.
') Jadassohn. lieber die Behandlung der Gonorrhoe mit Ichthyol.
Deutsche med. Wochenschr. 1892. Nr. 38 und 39.
*) A. Kollmann. Zur Diagnostik und Therapie der männlichen
Gonorrhoe. Deutsche med. Wochenschr. 1893. Nr. 47.
Ueber die Häufigkeit u. Zeit d. Auftretens d. Urethr. i)08ter. 217
Wismuthemulsionen endoskopisch nachweisen können. ^) Es muss
also angenommen werden, dass der Musculus compressor ure-
thrae zeitweilig erschlafft und somit der eingespritzten Flüssig-
keit nicht immer genügenden Widerstand leistet. Auf dieser
Eigenschaft des Compressors beruht ja bekanntlich die Methode
der Blasenausspülung ohne Catheter (Lavaux, Rotte r,
Ziemsse n, Röna u. A.). Wir haben es hier mit derselben
Erscheinung zu thun, die wir täglich bei Einführung Ton In-
strumenten in die Harnröhre beobachten können: wendet man
z. B. eine Ejiopfsonde an, so bleibt dieselbe vor dem contrahirten
Compressor stehen, bis letzterer erschlafft, wobei man deutlich
fühlt, wie das Instrument durch den nachgebenden Compressor
plötzlich hindurchschlüpft, wie der Compressor sich gleich dar-
auf wieder contrahirt und sich fest der Sonde anschmiegt, so-
bald das Ende des Instrumentes in die Pars prostatica einge-
drungen ist. Dasselbe geschieht auch nicht selten bei Ein-
spritzung von Flüssigkeiten in die Harnröhre : sobald ein Theil
der injicirten Flüssigkeit, den erschlafften Compressor passirend,
in die Pars membranacea und prostatica eingedrungen ist, übt
dieselbe sofort einen Reiz auf die Schleimhaut dieses Harn-
röhrenabschnittes aus und löst auf reflectorischem Wege wieder
eine neue Contraction des Compressors aus, wodurch dann ein
weiteres Eindringen von Flüssigkeit in die hintere Harnröhre
verhindert wird. Damit ist der Umstand erklärt, dass in ge-
wissen Fällen, wo scheinbar die ganze injicirte Flüssigkeit wieder
zurückläuft, dennoch ein Theil derselben hinter den Compressor
gelangen konnte. Lohnstein ^) hat nun vor Kurzem experi-
mentell nachgewiesen, dass bei der Ausspülung der Pars an-
terior urethrae mittelst eines Catheters nach Jadassohn
die Flüssigkeit thatsächlich in die Pars posterior gelangen
kann.
') A. Lanz. Zur Therapie der Urethritis anterior. Verhandlungen
des lY. russischen Pirogofif^schen Aerztecongresses. Medic. Obosrenie. 1891.
Nr. 2. (Russisch.)
*) Lohnstein. Zur Diagnostik der Urethritis posterior. Deutsche
med. Wochenschr. 1898. Nr. 44. Ich kann es nicht unterlassen, hier fol-
gende Daten aus Lohnstein 's Arbeit anzufahren: Unter 94 Versuchen
drang die iigicirte Flüssigkeit 87 Mal in die hintere Harnröhre ein, d. b.
der Compressor erwies sich insufficient in 397o'
218 Lanz.
Ich erachte es für nothwendig, M. H., Sie an diese den
Meisten von Ihnen gewiss bekannte Thatsachen zu erinnern, um
zu beweisen, dass wir bis jetzt leider noch nicht über eine Aus-
spülungsmethode verfügen, welche es ermöglicht, in allen Fällen
eine sichere Diagnose der Betheiligung der hinteren Harnröhre
am gonorrhoischen £ntziindungsprocess zu steUen. Sowohl bei
Ausspülungen mittels des Catheters, als auch bei gewöhnlichen
Injectionen mit der Tripperspritze müssen wir mit zwei Um-
ständen, welche unsere Diagnose vollkommen illusorisch machen
kömien, rechnen: 1. entfernt man beider angewandten Methode
nicht alles Secret aus der vorderen Harnröhre und 2. dringt
ein Theil des Secrets gleichzeitig mit der injicirten Flüssigkeit
in die hintere Harnröhre ein. In beiden diesen Fällen stellen
wir die Diagnose Urethritis posterior, obzwar letztere thatsäeh-
lich nicht existirt. Von allen Ausspülungsmethoden ist, soviel
ich einsehen kann, die Lohn stein 'sehe die genaueste, aber
auch diese gestattet uns nicht die Diagnose in allen Fällen auf
Grund einer einmaligen Untersuchung zu stellen. Jedenfalls ist
diese Methode, ebenso wie auch alle anderen, die mit Einführung
von Instrumenten in die Harnröhre verbunden sind, im acuten
Stadium nicht immer zulässig, denn dadurch kann man leicht
eine Steigerung der Entzündungserscheinungen hervorrufen und
gleichzeitig den Uebergang des Processen auf die hintere Harn-
röhre befördern. Diese Methode dürfte daher nur in subacuten
und chronischen Fällen anzuwenden sein, wobei es auch hier
noch fraglich bleibt, ob man nicht dadurch gelegentlich die
Propagation des Processes begünstigt. Aus demselben Grunde
muss auch stets mit diesem Umstände gerechnet werden, wenn
die Ausspülung bei ein und demselben Kranken zur mehrma-
ligen Anwendung gelangt und die Urethritis post. erst bei einer
wiederholten P^xploration constatirt wird.
Wir müssen aus dem bisher Gesagten den Schluss ziehen,
diiss die oben angeführten Resultate nur einen i-elativen Werth
beanspruchen können, indem dieselben nur einen annähernden
Begriff von der Häufigkeit der Mitbetheiligung der hinteren
Harnröhre geben. Unter solchen Umständen ist ja begreiflich,
wenn wir uns folgende Frage vorlegen : in welchem Procentsatz
aller Fälle von acuter Gonorrhoe kann mit der Thompson-
lieber die Häufigkeit u. Zeit d. Auftretens d. Urethr. poster. 219
sehen Probe eine ürethi*itis posterior nachgewiesen werden?
Eine Antwort auf diese Frage suchte ich vergebens in der mir
zugänglichen Literatur ; *) — alle Autoren sprechen nur von der
Uugenauigkeit dieser Methode. Ich habe indessen bereits oben
erwähnt, dass die Zweigläserprobe in acuten Fällen mit reich-
licher Secretion ganz zuverlässige Resultate gibt. Bei Anwen-
dung dieser Methode darf man nur nicht vergessen, dass die
Dauer des acuten Stadiums bei der Urethritis post., wie die
Beobachtungen lehren, grossen Schwankungen unterworfen ist
und Alles eben davon abhängt, ob der Kranke in diesem acuten
Stadium untersucht wird oder nicht. Es ist einleuchtend, dass
bei einer continuirlichen Beobachtung von Kranken mit acuter
Gonorrhoe durch eine längere Zeit es möglich sein muss, eine
exacte Diagnose mit der Zweigläserprobe zu stellen, wenigstens
in denjenigen Fällen, wo die Urethritis posterior mit reichlicher
Secretion einhergeht.
Dieses voraussetzend, sammelte ich alle Fälle von acuter
erstmaliger Gonorrhoe, die ich im Verlaufe der letzten Zeit
in meiner Privatpraxis zu beobachten die Gelegenheit hatte, und
solcher Fälle konnte ich 92 zählen. In 16 von diesen Fällen
war die Beobachtungsdauer zu kurz (einige von diesen Kranken
sah ich nur ein einziges Mal), um dieselben zur Lösung der
von mir gestellten Aufgabe heranzuziehen. Von den übrigen
76 Fällen konnte ich während der ganzen Krankheitsdauer mit
der Zweigläserprobe nur in 15 Fallen eine Urethritis posterior
nicht nachweisen und in 61 Fällen, d. h. in 80*87oi konnte die
Urethritis posterior mittelst der Zweigläserprobe deutlich nach-
gewiesen werden. *) Dieser hohe Procentsatz diflferirt nur unbe-
deutent von der von Hei sie r angegebenen Zahl (79'77o). I^t
') Obzwar schon Guyon (1888) mittelst der Zweiglaserprobe ge-
funden hat, dass unter 100 Fällen von Urethritis acuta die Pars posterior
28 Mal und unter 100 Fällen von Urethritis chron. dieselbe 72 Mal be-
theiligt war, so habe ich aus dem mir vorliegenden Referat nichts Näheres
über die Art, wie diese Versuche angestellt wurden, ermitteln können.
Dasselbe gilt auch von den Angaben Ron a 's (1. c).
') £s braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dass die Bestimmung,
ob die Trübung des Harnes auf vorhandenen Eiter oder auf Baoteriurie,
Phosphaturie etc. zurückzufahren war, auch auf chemischem Wege aus-
geführt wurde.
220 La HZ.
muss hierbei noch ausdrücklich bemerken, dass die von mir
ermittelte Zahl keineswegs zu hoch gegriffen sein kann, eher
ist schon das Gegentheil denkbar, wenn wir — und dagegen
lässt sich kaum etwas einwenden — die Möglichkeit zugeben,
dass unter meinen 15 negativen Fällen auch solche sich befanden^
wo die Urethritis posterior sich schleichend und ohne reichliche
Secretion ausbildete und folglich mittelst der T h o m p s o n'schen
Probe nicht nachzuweisen war. Wenn auch die von mir ermittelte
Procentzahl von der anderer Autoren, welche die Ausspülungs-
methode angewandt haben, nicht auffallend differirt, so halte
ich es doch nicht für überflüssig, zu bemerken, dass ich mir diesen
hohen Procentsatz keineswegs durch die Eigenartigkeit der Fälle,
welche zum Specialisten gelangen, erklären kann, da ich die meisten
der von mir angeführten Kranken nicht mit einer schon aus-
gebildeten Urethritis posterior, sondern noch vor Entwickelung
derselben zu Gesichte bekam.
Ich gehe jetzt zur Beantwortung der zweiten der von mir
aufgestellten Fragen über, und zwar zur Frage der Zeit des
Auftretens der Urethritis posterior im Verlaufe des acuten
Trippers. Diese Frage wurde und wird, gleichwie die erste schon
von mir auseinandergesetzte, verschieden beantwortet. Die
Meisten nehmen an, dass die acute Gonorrhoe ein Leiden mit
typischem Verlaufe darstelle, welches in der Fossa navicularis
beginnt und nicht vor der dritten Woche auf die Pars membra-
nacea und prostatica urethrae überzugehen pflegt (Finger,
Zeissl, Kopp U.A.). Ultzmann') nahm sogar an. dass der
entzündliche Process den Bulbus erst in der vierten Woche
erreicht. Einige wie Finger, Kopp, Zeissl geben zu, dass
in seltenen Fällen die Urethritis posterior sich auch früher
ausbilden könne, dass aber letztere dann durch besondere
Momente (instrumentelle Untersuchung, Excesse in Baccho et
in Venere etc.) hervorgerufen werde. J u 1 1 i e n ') sagt in seinem
Traite pratique des maladies veneriennes, dass die urethrite
prevesicale sich gewöhnlich um die dritte Woche ausbilde. J.
') R. Ultzmann. Vorlesungen über Krankheiten der Hamorgane.
Mitgetheilt und bearbeitet von Dr. J. H. Brik. Wien. 1888^92, p. 60.
^) L. Jullien. Traite pratique des maladies veneriennes. 2-eme
edition. Paris 1880, p. 106.
Ueber die Häufigkeit u. Zeit d. Auftretens d. ürethr. poster. 221
Neumann ^) glaubt, dass die hintere Harnröhre gewöhnlich
nicht vor der dritten Woche afl5cirt werde. Nach Letzel*)
geht die Gonorrhoe auf die Pars posterior in den meisten Fällen
im Laufe der zweiten oder dritten Woche über. Lang') spricht
sich dahin aus, dass der venerische Catarrh auf die Pars mem-
branacea und prostatica ziemlich oft schon in der ersten, in
den meisten Fällen aber im Laufe der zweiten und dritten
Woche übergreüe. Hei sie r*) hat sich am eingehendsten da-
mit beschäftigt, die Zeit des Auftretens der Urethritis posterior
zu bestimmen. Auf Grund von 50 in dieser Richtung unter-
suchten Fällen fand er, dass die Urethritis posterior in der
ersten Woche in 207o
zweiten „ „ 347o
dritten , „ U%
vierten „ „ 207„
der Fälle sich ausgebildet hatte. Diese Statistik von Heikler
lehrt, dass die Urethritis posterior thatsächlich in den meisten
Fällen in einer viel früheren Zeit auftritt, als man anzunehmen
pflegt, und zwar in der Hälfte aller Fälle (ü47o) ™ Laufe der
ersten 2 Wochen.
Es gelang mir in 61 Fällen von acuten erstmaligen
Gonorrhoen die Zeit des Auftretens der Urethritis posterior
zu bestimmen. Diese Fälle sind in der beifolgenden Tabelle
aufgezählt, wo einem jeden Kranken entsprechend die Daten
über Beschäftigung und Alter, die Zeit des Auftretens der Ure-
thritis posterior, die wichtigsten Symptome, ebenfalls auch die
Daten über vorausgegangene Behandlung und über vorhandene
constitutionelle Leiden verzeichnet sind. Ich führe nicht wie
Heisler in seinen FäUen die Licubationszeit an, und zwar,
erstens, weil in vielen Fällen dieselbe nicht genau festgestellt werden
konnte *) und zweitens, weil auch da, wo diese Bestimmung
') J. Neumann. Lehrbuch der venerischen Krankheiten. I. Theil.
Die blennorrhagischen Affectionen. Wien. 1888, p. 80,
') Letzel. Lehrbuch der Geschlechtskrankheiten. 1892, p. 20.
') E. Lang. Der venerische Katarrh. Wiesbaden 1893, p. 48.
*) 1. c. p. 768.
') Auf die Bedingungen, mit welchen bei genauer Feststellung der
Incubationszeit beim Tripper gerechnet werden muss, habe ich bereits in
222 L a n z.
gemacht werden konnte, ich entschieden auch keinen Zusammen-
hang zwischen der Dauer dieser Periode und der Zeit des Auf-
tretens der Urethritis posterior feststellen konnte.
Die Zeit der Affection der hinteren Harnröhre konnte in
der grössten Zahl der Fälle genau bestimmt werden, und zwar
in allen jenen Fällen, wo die Kranken noch vor dem Auftreten
der Urethritis posterior in Behandlung gelangten; diese Fälle,
wie ich schon oben erwähnte, bildeten die Mehrzahl. Hier lenkte
ich schon gleich im Beginne die Aufmerksamkeit der Kranken
auf die Möglichkeit des Auftretens von Erscheinungen, die die
acute Urethritis posterior charakterisiren und, indem ich die
Patienten mit den Hauptsymptomen derselben bekannt gemacht,
veranlasste ich sie, nach etwaigem Auftreten derselben sofort
zu mir zu kommen. Ich verfuhr auf diese Weise nicht nur,
um genauere Daten zu erhalten, sondeiii auch aus therapeutischen
Rücksichten, denn ich betrachte gleich Finger die Anwendung
einer localen Behandlung in Form von Injectionen in vielen
Fällen wenigstens in der ersten Zeit des Bestehens einer acuten
Urethritis posterior für contraindicirt. In denjenigen Fällen, wo
die Kranken mit einer schon ausgebildeten Urethritis posterior
erschienen, verfuhr ich verschieden : wo man auf die Anamnese
hin die Zeit der Affection genau feststellen konnte, hielt ich
auch das Auftreten der charakteristischen Symptome für den An-
fang des Leidens, wo hingegen die Symptome ungenügend aus-
geprägt waren oder ganz fehlten, dort datirte ich die Urethritis
j)osterior von dem Momente an, wo ich dieselbe durch objective
Untersuchung feststellen konnte. Nach diesen vorausgeschickten
Bemerlningen kehre ich zu der von mir zusammengestellten
Tabelle zurück. Aus derselben ist ersichtlich, dass die Ure-
thritis posterior sich entwickelte
am 5. Tage in 4 Fällen
() 4
d. h. in der ersten Woche in 12 Fällen oder in lJ)*7"/o
einem frühem Artikel hingewiesen. Vergl. Alfred Lanz, Ein Beitrag zur
Frage der Incnbationsdauer l>eim Tripper. Archiv fiir Dermatologie und
Syphilis. 1893, p. 481.
lieber die Häutigkeit u. Zeit d. Auftretens d. Urethr. poster. 2*28
am 6. Tage in 4 Fällen
9. „ , 1 Falle
,11. „ „ «Fällen
1i 12. 99 „ 3 „
13, „ n 1 Falle
in der ziireiten Woche (Tag unbestimmt) 1 „
also in der zweiten Woche in 18 Fällen, d. h. in 29'57o
am 15. Tage in 2 Fällen
17. „ „ 1 Falle
n 1^' n n 1 »
20. „ „ 2 Fällen
21, . 1 Falle
also in der dritten Woche in 7 Fällen oder in ITö^/o
in der vierten Woche in 6 Fällen oder in 9.8*yo
„ „ fünften . „ 5 ^ , , 8-27o
^ „ sechsten ^ ^ 7 „ „ „ ll'i>%
„ „ siebenten „ „ 2 „ „ „ HSX
„ ^ achten „ „ 1 FaUe „ „ Vß%
„ „ neunten „ „2 Fällen „ „ :{*3"„
, „ elften „ „ 1 Falle „ „ l-B"/«
Somit entwickelte sich die Urethritis posterior bedeutend
früher, als dies von den Meisten angenommen wird, denn, wie wir
sahen, gebenAlle mit Ausnahme von He isl er an, dass die Urethritis
posterior in der grössten Zahl der Fälle in der zweiten und dritten
Woche auftrete. Nach meinen Beobachtungen hingegen bildet
sich die Urethritis posterior meistentheils und zwar in der
Hälfte aller Fälle im Laufe der ersten und zweiten Woche aus.
Meine Angaben stimmen in dieser Hinsicht vollkommen mit
denen von Hei sie r.
Es ist eine allgemeine verbreitete Ansicht, dass die Ure-
thritis posterior sich nur in jenen Fällen ausbilde, wo entweder
eine gewisse Prädisposition oder irgend ein constitutionelles
Leiden, wie z. B. Syphilis, Tuberculose etc., vorhanden sind,
oder wo gewisse äussere Einflüsse zur Wirkung kommen, z. B.
forcirte Bewegungen, Excesse in Baccho et Venere etc. Wenn
224 L a n z.
wir aber berücksichtigen, dass die Urethritis posterior, wie wir
gesehen haben, sich in 80"/«, entwickelt, so sind alle diese
Erklärungen hinfallig. Wenn von 5 Personen, die eine acute
Gonorrhoe acquiriren, bei Vieren sich eine Urethritis posterior
ausbildet, so ist es klar, dass zufällige Momente, gleichviel ob
äussere oder innere, keine Geltung haben können. — £ine
andere Frage ist die, ob diese Momente nicht im Stande sind,
das Auftreten einer Urethritis posterior zu beschleunigen. Zur
Beantwortung dieser Frage sind meine Beobachtungen zu ge-
ringzählig. Wenn z. B. beim Kranken Nr. 19, der an Syphilis litt,
die Urethritis posterior sich nach 6 Tagen, und beim Kranken
Nr. 26, der an Tuberculosis pulmonum litt, schon nach 4 Tagen
ausbildete, so darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass
einertheils hier auch andere Einflüsse eine Rolle spielen konnten,
und dass andererseits man auch Fälle entgegengesetzter Art
anführen kann, wo ungeachtet des Bestehens eines constitutio-
nellen Leidens, z. B. der Syphilis, die Urethritis posterior gar
nicht zur Ausbildung kam. Ausserdem lehren die Beobachtungen,
dass die Urethritis posterior auch bei Individuen, die an keiner
constitutionellen Krankheit laboriren, ebenso frühzeitig auftreten
kann, was auch durch folgende Fälle unserer Tabelle illustrirt wird
(NN. 30, 32, 35, 37, 40, 43, 60). Was nun einige äussere Ein-
flüsse anbetrifft, so können solche, wie es scheint, das Auftreten
der Urethritis posterior wirklich manchmal beschleunigen, z. B.
beim Kranken Nr. 1 traten die Erscheinungen der Urethritis
posterior post coitum und post abusum spirituosorum auf; beim
Kranken Nr. 5 entwickelt sich die Affection der hinteren Harn-
röhre nach einem Coitus, der am siebenten Tage nach Beginn
des Trippers ausgeübt wurde; dasselbe sehen wir auch im
Falle Nr. 15. Im Krankheitsfalle Nr. 32 geht der Urethritis
posterior eine Pollution voraus, wenn es auch in diesem Falle
dahingestellt bleiben muss, ob nicht vielleicht umgekehrt die
Pollution eine Folge des Reizzustandes war, der durch die be-
ginnende Urethritis posterior veranlasst wurde.
In den Fällen NN. 10 und 37 konnte das Auftreten der
Urethritis posterior vom vielen Gehen und im Falle Nr. 60
vom Arbeiten am Werktische beeinflusst werden. Uebrigens
muss ich es dahingestellt sein lassen, ob diese äusseren Einflüsse
üeber die Häufigkeit u. Zeit d. Auftretens d. Urethr. poster. 225
beschleunigend auf das Auftreten der Urethritis posterior
wirken, da wir auch ein ebenso frühzeitiges Auftreten der Ure-
thritis posterior ohne diese äusseren Momente beobachten.
Meine Tabelle berechtigt mich auch nicht, Schlüsse darüber
zu machen, ob das Alter und die Beschäftigung der Kranken
die Zeit des Auftretens der Urethritis posterior beeinflussen.
Jedenfalls erscheint ein derartiger Einfluss sehr zweifelhaft.
Ich will noch eine Bemerkungen über den Einfluss der
Behandlung auf das Enstehen der Urethritis posterior machen.
Wenn es sich ä priori auch leicht denken liesse, dass die Ein-
spritzungen ein schnelleres Uebergreifen der Entzündung auf
die hintere Harnröhre zur Folge haben sollten, so wird diese
Voraussetzung dennoch durch die Praxis nicht bestätigt. Ab-
gesehen von den selteneren Fällen, wo ein unvorsichtiges Ein-
spritzen wirklich den Uebergang der Entzündung auf die Pars
membranacea und prostatica befördert, muss es anerkannt
werden, dass die Art der Behandlung — gleichviel ob eine
innere oder äussere in Form von Injectionen — auf die Häufig-
keit und Entstehungszeit der Urethritis posterior ohne auf-
fallende Einfluss bleibt. Aus unserer Tabelle scheint im Gegen-
theil hervorzugehen, dass die Injectionen das Auftreten der
Urethritis posterior hinausschieben. So entwickelte sich in den
21 Fällen, wo Injectionen gemacht wurden, die Urethritis poste-
rior in
der ersten Woche in 3 Fällen (Nr. 32, 37 und 46)
„ zweiten „ „ 3 „ (Nr. 5, 31, 41)
„ dritten „ « 3 „ (Nr. 7, 24, 29)
in 21 Fällen also nur 9 Mal im Laufe der ersten drei Wochen.
In den Fällen hingegen, wo keine Injectionen angewandt wurden
(17 Fälle) und nur eine innere Behandlung in Form von Bal-
samum copaivae und Herba chenopodii ordinirt war, trat die
Urethritis posterior auf in
der ersten Woche in 4 Fällen (Nr. 19, 21, 26, 60)
„ zweiten „ . „ 7 „ (Nr. 9, 25, 48, 51, 53, 57,61)
„ dritten „ n 3 „ (Nr. 29, 44, 56)
in 17 Fällen also 14 Mal im Laufe der ersten drei Wochen.
Immerhin scheint es mir unstatthaft, auf Grund dieses geringen
Materials auf den Einfluss der Behandlungsart im angedeuteten
Archiv f. Dermatol. n. Sjphil. Band XXVII.
15
226 Lanz.
Sinne zu schliessen. — Im Falle Nr. 40, wo Jodoformstäbcheu
eingeführt wurden, trat die Urethritis posterior schon nach
5 Tagen auf, so dass der Einfluss dieser Art der Therapie (directer
Transport des blennorrhagischen Eiters in den hinteren Ham-
röhrenabschnitt) auf das schnelle Weiterschreiten des Processes
nicht Ton der Hand zu weisen ist; demgegenüber können aber
Fälle aus unserer TabeDe angeführt werden, wo die Urethritis
posterior sich sehr frühzeitig auch ohne jegliche vorausgegangene
Behandlung entwickelte ; hierher gehören z. B. die Fälle Nr. 35
und 43, wo die Urethritis posterior schon nach 4 resp. 5 Tagen
entstand. Keineswegs aber kann ich Wolff*) beistimmen,
wenn er sagt: „Es wird unsere Aufgabe sein, wenn der Patient
frühzeitig genug zur Behandlung kommt, es zu versuchen, die
Entzündung auf den vorderen Theil (der Harnröhre) zu be-
schränken, was auch in der Mehrzahl der Fälle ge-
lingen wird." Auf Grund meiner eigenen Beobachtungen
muss ich leider das Gegentheil behaupten, denn es gelingt nur
in seltenen Fällen, den Process auf den vorderen Theil der
Harnröhre zu beschränken.
In der überwiegenden Mehrzahl unserer Fälle waren die
subjectiven Symptome, die die acute Urethritis posterior charak-
terisiren, mehr oder weniger deutlich ausgeprägt. ■ Es gibt aber
auch Fälle, wo die subjectiven Symptome vollkommen fehlen,
obgleich die Harnuntersuchung das zweifellose Vorhandensein
einer Urethritis posterior ergibt; hierher gehören unsere Fälle
11, 17, 23, 24, 47 und 48. Diese Fälle beweisen noch einmal
die Nothwendigkeit, das Verhalten des Urins während des Trippers
beständig zu controliren, damit eine Urethritis posterior nicht
übersehen werde.
Auf Grund unserer Beobachtungen kommen wir zu folgen-
den Schlüssen:
1. In Fällen von acuten erstmaligen Gonorrhöen kann die
Mitaffection der hinteren Harnröhre in 807o durch die Thomp-
son'sche Probe nachgewiesen werden.
2. Diese grosse Häufigkeit der Urethritis posterior beweist,
dass letztere nicht als Complication, sondern nur als ein ge-
') A. Wolff. Lehrbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten,
Stuttgart 1893, p. 361.
Ueber die Häufigkeit u. Zeit d. Auftretens d. ürethr. poster. 227
wisses Entwickelungsstadium des Trippers aufgefasst werden
muss.
3. Da von 100 Kranken mit acuter Gonorrhoe bei 80 der
Process unvermeidlich auf die pp. membranacea und prostatica
übergreift, so muss die Lehre von einem nothwendigen Vor-
handensein zufalliger Momente — innerer (Prädisposition, con-
stitutionelle Krankheiten) oder äusserer (forcirte Bewegungen,
Excesse in Baccho et Venere etc.) — zur Entstehung der Ure-
thritis posterior eo ipso fallen. Dieser üebergang der
Entzündung auf die hintere Harnröhre ist der
Krankheit an und für sich eigen und hängt von
keinem zufälligen Momente ab. Immerhin muss aber
zugegeben werden, dass einige äussere Momente (Coitus, Abusus
spirituosorum, forcirte Bewegungen, unzweckmässige Einspritz-
ungen, Einführung von Instrumenten) die Entstehung der Ure-
thritis posterior besclileunigen können.
4. Was die übliche Behandlungsart des Trippers anbetrifft,
80 beeinflusst dieselbe nicht bemerkbar die Entstehung der
Urethritis posterior; letztere entwickelt sich, gleichviel ob die
Behandlung im Gebrauch von nur inneren Mitteln oder in An-
wendung von Einspritzungen besteht.
5. Die Urethritis posterior entsteht bedeutend früher, als
es fast allgemein angenommen wird, und zwar entwickelt sich
dieselbe im Laufe der ersten Woche in 207o (19'77o)i im Laufe
der zweiten in 307© (29'5"/o) und im Laufe der dritten Woche
in 12% (ll'ö7o)i ^^^^ ^° ^^^* Hälfte aller FäUe im Laufe der ersten
zwei Wochen.
6. In seltenen Fällen bildet sich die Urethritis posterior
ohne jegliche subjective Symptome aus. Die rechtzeitige Diag-
nose kann daher in diesen Fällen nur da gestellt werden, wo
der Harn des Kranken diesbezüglich einer continuirlichen Unter-
suchung unterworfen wird.
7. Die Irrigationsprobe, die die weniger vollkommene
Thompson 'sehe ersetzen soll, wird verschieden ausgeführt.
Diese verschiedenen Methoden differiren nicht nur in ihrer
technischen Ausübung, sondern auch sehr bedeutend in ihrer
Genauigkeit. Es bleibt der. Zukunft überlassen, eine sowohl
genaue, als auch praktisch leicht anwendbare Methode aus-
findig zu machen. —
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Anhang.
Die mikroskopische Technik im Dienste
der Dermatologie.
(Ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre.)
Von
Dr. R. Ledermann, tmd Dr. Ratkowski,
Arst fHr Hautkrankheiten prakt. Ant
in Berlin.
II. Specieller Theil.
Anatomie der Haut.
1. Oberhaut.
Mikrophyten der normalen Oberhaut.
Bizozzero') schildert einige Methoden zum Studium der Mikro-
phyten der normalen Oberhaut des Menschen.
Zunächst muss die zu untersuchende Epidermis vom Fett befreit
werden. Diese Massregel ist namentlich unentbehrlich für die Schuppen
der Kopfhaare; sie ist dagegen für die Oberhaut anderer Theile nicht
durchaus nothwendig. Zur Entfettung legt man die Epidermis in absoluten
Weingeist, den man nach einigen Stunden durch Aether ersetzt. Nach
einem oder zwei Tagen ersetzt man den Aether wieder durch Weingeist,
') V. Sehlen empfiehlt gelegentlich seiner Untersuchungen über
Alopecia areata folgendes Tinctionsverfahren für die Coccen der Haare:
1. Yorfarbung in Fuchsincarbolwasser mit nachfolgender Entfärbung in
salzsaurem Alkohol und Abspülen in destillirtem Wasser. 2. Nachfärbung
in Gentianaviolettanilinölwasser, dann Jodjodkalilösung, absoluter Alkohol,
Nelken- oder Terpentinöl — Ganadabalsam. (Zur Aetiologie der Alopecia
areata. Yirch. Arch. Bd. 99, p. 327.)
236 Ledormann und Ratkowski.
in welchem sich alsdann die Epidermis für unbeschrankte Zeit zur Unter-
suchung geeignet erhält.
Zum Studium der Mikrophyten empfiehlt Verf. 3 Methoden, die
sich gegenseitig ergänzen, indem für die einen diese, für die andern jene
Methode besser passt.
Verfahren Ä mit Essigsäure oder mit Aetzkali: Auf
einen Objectträger bringt man einen Tropfen Essigsäure, mit gleicher
Menge Wasser verdünnt, oder einen Tropfen 10 7o Aetzkalilösung. In den
Tropfen trägt man einige entfettete Epidermisschüppchen und lässt sie
einige Minuten aufquellen. Zur Untersuchung legt man ein Deckgläschen
auf die zu untersuchende Masse, die Epidermiszellen erscheinen dann
aufgequollen und blass, Pilze treten scharf hervor. Zur Conservirung von
Essigsäurepräparaten bringt man einen Tropfen Glycerin auf den Rand
des Deckgläschens und lässt ihn langsam einziehen.
Verfahren B. Färbung mit Methylenblau und Aufbe-
wahrung in Glycerin: Auf den Objectträger wird ein Tropfen Gly-
cerin gebracht, der mit Methylenblau leicht geförbt ist, die Epidermis-
schüppchen werden in diesem Glycerintropfen mit der Nadelspitze tüchtig
umgerührt. Nach einigen Minuten bis einer Viertelstunde ist das Präparat
zur Untersuchung geeignet. Die Epidermisplättchen sind ungefärbt, leicht
bläulich, Pilze intensiv gefärbt.
Verfahren C. Auf ein Deckgläschen wird ein kleiner Tropfen
einer 50 7o Essigsäurelösung gebracht, in welche die entfetteten Epidermis-
schüppchen hineinkommen. Nach einer Viertelstunde oder mehr breitet
man die aufgequollenen Schuppen mit der Nadel aus, dampft die Essig-
säure bei gelinder Hitze ab und fuhrt das Gläschen 3 oder 4 Mal langsam
über eine Weingeistflamme, wie bei der Entfettung der Tuberkelbacillen
nach Ehrlich. So erhält man eine Schicht eingetrockneter, säurefreier
Epidermis. Auf diese bringt man einen Tropfen der färbenden Lösung
(wässerige Lösung von Methylviolett, Gentianaviolett, Ve-
suvin oder Methylenblau, alkoholisch- wässerige Lösung
von Fuchsin u. dergl.). Nach 10 Minuten bis einer halben Stande
und darüber Auswaschen in Wasser, Trocknen und Einschluss in Damar-
oder Ganadabalsam. Man erhält schöne und haltbare Präparate, zumal bei
Färbung mit Methylenblau.
In seinem Aufsätze die Färbung der Mikroorganismen im Homge-
webe (Monatsh. für prakt. Dermatolog. Bd. XIII, pag. 225) schildert
Unna eine Reihe von Metlioden, betreffend die tinktorielle Isolirung von
Mikroorganismen im Homgewebe, erwähnt jedoch zuvor die seitherigen
Methoden, die oben ausgeführten von Sehlen, Bizzozero, sowie ganz
besonders die von B o e c k, welche er nach dem Referat aus : „Forhandlinger
i det Norske medicinske Selskab i Chris tiania^, 1887, pag. 119 — 223, ')
folgendermassen angibt:
') Da diese Arbeit in Deutschland wenig bekannt und zugänglich
ist, so geben wir das Unn ansehe Referat ausfuhrlich wieder. Verff.
Die raikroükop. Technik im Dienste der Dermatologie. 2H7
^Die dnrch Alkohol und Aether entfetteten Schuppen werden V, bis
einige Minuten in die genannte Farblösung (16 Tbl. 57«ger Boraxlösung.
20 Tbl. gesättigter, wässriger Methylenblaulösung, 24 Tbl. dest. Wassers)
gebracht, dann V^ — 1 Minute in eine schwache wässrige Resorcinlösung,
darauf einige Minuten bis eine Stunde in Alkohol. Sodann ist beinahe
immer noch eine vorsichtige Entfärbung der Epidermis nöthig, um die
Pilze klar hervortreten zu lassen. Zu diesem Zwecke kann man — mit
grosser Vorsicht — eine schwache Lösung von Wasserstoffsuperoxyd ver-
wenden, in welcher das Präparat nur ganz kurze Zeit, mitunter nur Se-
cunden liegen darf. Es kommt dann ganz kurze Zeit in Alkohol, darauf
in Xylol und Xylolbalsam.**
„Das Resorcin ist nicht absolut nöthig ; da ich aber zufallig entdeckt
hatte, dass es den Farbstoff besser fixirte, habe ich es seitdem immer
verwendet. Eine bestimmte Stärke desselben möchte ich nicht angeben,
da vorräthige Lösungen sich bald verändern. Ich extemporire jedesmal
eine Lösung, indem ich einige Kömchen Resorcin in ein ührschälchen
bringe und dasselbe voll Wasser giesse."
Hierzu fuhrt Unna in einer Anmerkung folgendes Schreiben
Boeck's an: „Man kann mit dieser Methyleublaumethode, die einen
grossen Fortschritt gegenüber der Balz er 'sehen Eosin - Kali - Methode
(dieselbe gibt nach Unna gar keine Differentialfarbung der Pilze) dar-
stellt, die Pilze schon mit schwacher Vergrösserung wahrnehmen. Auch
halten sich die Präparate gut, falls sie vorsichtig entfärbt waren. Ich
habe eine Menge Präparate, die nach 5 Jahren vollständig unverändert
sind. Uebrigens habe ich in meinem damaligen Vortrage bereits bemerkt,
dass sich die Sporen Malassez' (.Saccharomyces ovalis et sphaericus,
Bizzozero) eben so schön mit der Gram'schen Methode färben lassen. Vom
Leptothrix epidermidis, dem Pilz des Erythrasmas habe ich sehr schöne
Präparate vom Jahre 1886, die seitdem vollständig unverändert sind. Vom
Trichophyton habe ich Präparate sowohl aus Schuppen, wie Haaren und
Nägeln, von Menschen, Rindern und sogar vom Schafe. Bei diesem
Thiere kommt Trichophyton selten vor und merkwürdiger Weise ist es
mir nie gelungen, hier den Pilz in den Haaren nachzuweisen, dagegen
prachtvoll in den Schuppen."
In dieser Methode liegt nach U n n a 's Ansicht unstreitig der grösste
Fortschritt, den die Technik im Nachweise von Mikroorganismen in der
Oberhaut bisher gemacht hat und zwar durch die Einführung des Re-
sorcins. Denn dasselbe fixirt nicht nur die Farbe dem Alkohol und
Säuren gegenüber auf den Pilzen, sondern leitet auch eine bessere Ent-
färbung der Hornschicht ein — es differencirt, kurz gesagt, zwischen
Hom und Mikrobie. In der Auffindung weiterer und besserer specifischer
Entfärbungsmittel für die Homsubstanz, die zugleich die Mikroorganismen
weniger oder gar nicht angreifen, in der Auffindung specifischer Diffe-
rencirungsmittel liegt die Zukunft dieser ganzen Technik und insofern
bezeichnet Boeck's Methode einen Wendepunkt. Bis dahin hatte man
238 Leder mann und Hatkownki.
nur die geebneten, aber für das Homgewebe nicht speciell eingerichteten
Wege der allgemeinen Färbetechnik beHchritten.
Was nun ünna's eigene Studien betrifft, so gibt er zunächst
einen übersichtlichen Abriss über den Gang seiner Untersuchungen, bespricht
sodann die bemerkenswerthesten Methoden einzeln ausführlicher und stellt
schliesslich die besten und für den praktischen Gebrauch besonders geeig-
neten formularweise zusammen.
Um die HornHubstanzen zu Augenblicks- und Dauer-
präparaten vorzubereiten, empfiehlt Unna zuvörderst folgendes
Verfahren :
Die betreffende Homschuppe (Kruste, Cumedo etc.) wird mitten auf
einen Objectträger von englischem Format gelegt und mit einem Tropfen
starker Essigsäure befeuchtet. Dann lege man einen zweiten Objectträger
kreuzweise über den ersten und zerreibe unter drehenden und drückenden
Bewegungen beider das im Essig sofort weich werdende Material in einigen
Secunden zu einem Brei, der etwa die 4 — Gfache Ausdehnung der früheren
Hommasse besitzt. Dann werden beide Objectträger von einander gehoben
(nicht über einander hinweg gezogen) und rasch über der Flamme ge-
trocknet Nunmehr nimmt man der Reihe nach die noch warmen (nicht
heissen) Objectträger in Daumen und Zeigefinger der linken Hand, welche
mit einem Handtuch bedeckt ist, klemmt sie zwischen eine Falte des
letzteren, hält die Objectträger etwas schräge aufwärts und giesst auf ihr
oberes freies Ende einige Tropfen Aetheralkohol, deren Menge sich nach
dem Fettgehalt des Materiales richtet und die im Nu alles durch die
Wärme verflüssigte Fett in's Handtuch abwärts spülen. Hierauf tropft
man sofort 2 Tropfen Borax - Methylenblaulösung (Borax, Methylenblau
aa 1, Aqu. dest. 100*0) auf den einen Objectträger, deckt ihn wieder
kreuzweise mit dem andern, wodurch sich die angewandte minimale
Quantität der Farblösung gleichmässig über das ganze Präparat ausbreitet,
und hält die gekreuzten Objectträger 10 — 20 Secunden über die Flamme.
Nach sauberem Abspülen mit Wasser werden die Präparate entweder
gleich weiter entfärbt oder ohne Weiteres über der Flamme getrocknet.
Alle seine einschlägigen Färbungsversuche hat Verf. an genau in
der beschriebenen Weise hergestellten Druckpräparaten durchgeführt«
Controlirt wurden aber alle Versuche an 2 Serien von Schnitten, erstlich
von gewöhnlichen, meist doppelt gefärbten Schnitten verschiedener Der-
matosen (bes. Acne, Ekzem, Furunkel), sodann an speciell hierfür her-
gerichteten Comedonenschnitten, die, nach Unna, ein besonders brauch-
bares Object zum Studium der verschiedensten Hompilze abgeben. Zur
Herstellung derselben verfährt Unna folgendermassen :
Von frisch entnommenen Comedonen werden die grössten und ge-
radesten Exemplare herausgesucht und, unentfettet, wie sie sind, alle mit
den Köpfen nach oben in eine mit warmer Agarlösung ausgegossene
Rinne versenkt. Letztere wird hergestellt durch zwei dicht neben ein-
ander mit einer Harz - Wachs - Mischung auf Glas aufgeklebte , circa
1 (>tm. hohe Glasleiste, deren Zwischenraum e*wa 2 Mm. beträgt und
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 239
an beiden Enden ebenfalls durch vorgeklebte Glasleisten geschlossen
wird. Das Agar erstarrt nach einigen Minuten, wenn man die Glasplatte,
die während des fiinsenkens warm (z. B. auf Dampf) stehen muss, er-
kalten lässt. Nach Wegnahme der Glasleisten hat man ein durchsichtiges
Agarplättchen gewonnen, welches alle Comedonen in derselben Richtung
liegend enthält. Dasselbe wird in kleine, je zwei bis drei Comedonen
enthaltende Stücke zerschnitten, welche in Alkohol, Aether und Gelloidin
kommen, wobei sie zugleich entfettet werden. Mit dem Mikrotom lassen
sich dann feinste Schnitte in Masse durch die Comedonen herstellen.
Bei der Beurtheilung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Metho-
den wurde wesentlich auf 2 Mikroorganismenarten Rücksicht genommen,
welche sich in ihrer Tingibüität möglichst verschieden verhalten und
leicht in grösserer Menge in den Homgebilden der Haut anzutreffen
sind: 1. die Sporen von Malasse z, welche bei jeder Pityriasis ca-
pitis die Hornschicht in reichlicher Zahl durchsetzen, und 2. ein sehr
kleiner, in Glocamasse eingebetteter Bacillus, welcher in
keinem Comedo vermisst wird und auch sonst alle in Zersetzung und
Verfärbung begriffene Hornsubstanzen begleitet. Erstere bezeichnet Unna,
da er die Hefenatur derselben nicht mit Bizzozero anerkennen kann,
sie vielmehr für Bacillensporen hält, als grosse „Flaschenbacillen'',
letztere als kleine „Hornbacillen". Manche sonst gute Methoden stellen
ausschliesBlich erstere dar, nur wenige speciell die letzteren, da ihre
Farbenreactionen derjenigen der Hornschicht selbst allzu nahe kommen;
wieder andere Methoden lassen beide Arten gleich g^t hervortreten.
Die Schwierigkeit einer distincten Färbung der Mikroorganismen
in den Hornsubstanzen beruht darauf, dass letztere eine ähnlich starke
Affinität zu den basischen Anilinfarbstoffen besitzen, wie erstere und
mithin entweder leicht zu stark mitgefarbt oder zu wenig entfärbt werden,
oder aber bei erzwungener Entfärbung nichts mehr von den darin ent-
halten gewesenen Bakterien erkennen lassen, weil diese ebenfalls entfärbt
werden. Es kommt also auf die Auswahl geeigneter Färbungs- und Ent-
färbungs- resp. Umfärbungsmittel an, um die immerhin und zwar zu
Gunsten der Bakterien vorhandene graduelle Differenz in der Afttnität zu
den Anilinfarbstoffen zum Zw^ecke einer isoürten Färbung der Bakterien
in den Homgeweben auszunutzen. Diesen Zweck hat nun Unna, zum
Theile in Anlehnung an die schon bekannten Methoden von v. Schien,
Bizzozero und Boeck, aber unter wesentlicher Erweiterung und Ver-
vollkommnung derselben, in sehr verschiedener Weise erreicht. Er gruppirt
seine bezüglichen Methoden nach der von ihm in seiner bekannten Studie :
„Die Entwicklung der Bakterienfärbung (Jena 1888, G. Fischer) aufge-
stellten Einth eilung, wonach die Färbungen in monochromatische und
polychromatische zerfallen mit folgenden Unterabtheilungen:
1. Monochromatische Färbungen;
a) directe Färbungen,
1. in verdünnten Lösungen,
2. in abgeschwächten Lösungen;
240 Ledermann und Ratkowski.
b) indirecie Färbungen,
1. Entfärbung durch physikal. Mittel (Alkohol, Anilin^
' Oxydationsmittel und Alkohol),
2. Entfärbung durch chemische Mittel (Säuren und
Alkohol, Salze und Alkohol, Jod und Alkohol, Reda*
centia).
2. Polychromatische Färbungen;
a) zwei- oder mehrzeitige Färbung,
1. Contrastfarbung farbloser Gewebsreste,
2. partielle Umfarbung des Gewebes;
b) einseitige Färbung.
Der Weg der directen Färbung mittels verdünnter resp. abge-
schwächter Lösungen ist schon in Bizzozero's Verfahren eingeschlagen.
Unna verbesserte dies Verfahren durch Anwendung verschiedener noch
stärker abgeschwächter Lösungen, als sie der italienische Forscher be-
nutzt hatte, z. B. Mischungen von Glycol und Methylenblaulösung zu
gleichen Theilen oder von Glycerinäther : 1 Tropfen mit 2 Tropfen der
Farblösung. Den Weg der indirecten Färbung hatte bereits Boeck mit
seiner Methode der Entfärbung der, durch Borax — Methylenblau vorge-
farbten Präparate mittels Resorcins betreten. Unna hat auch hier eine
grosse Zahl neuer, auf diesem Darstellungsprincip gegründeter Einzel-
methoden ausfindig gemacht, unter welchen namentlich diejenigen auch
theoretisch von Literesse sind, welche die Entfärbung d. h. die Differen-
cirung zwischen Homgewebe und Mikroorganismen, durch die von Unna
hierbei neu eingeführte Combination chemischer und physikalischer Ent-
färbungsmittel, nämlich der Salze und der Oxydationsmittel, specieller
gesagt, der verschiedensten Salze und des Wasserstoffsuperoxyds, be-
wirkten. — Der Weg der polychromatischen Färbung war durch von
Schien mit seiner hier einschlägigen Methode („Contrastfarbung farb-
loser Reste"), welche sich im Wesentlichen mit der Koch-Ehrlich'schen,
zur Darstellung der Tuberkelbacillen im Gewebe verwandten Doppel-
färbung deckt, inaugurirt worden. Von Schien 's Methode eignet sich
indessen, nach Unna, nur für die Darstellung der ELaarbakterien gut;
andere Homsubstanzen als die Haare halten den ersten Farbstoff, der
Säure gegenüber, nicht genügend fest, so dass sie dann zu leicht in der
zweiten Farbe mitgefarbt werden. Die wenigen Verbesserungen, die
Unna hier seinerseits erzielt hat, betreffen hauptsächlich die Einführung
der Minimalfarbungen als Nachfurbung und den Gebrauch des Glycols und
der Salz-ILjO,-Methode zur zweiten Entfärbung. Noch weniger als
die Contrastfarbungsmethoden haben Unna bisher die Versuche, mittels
der andern polychromatischen Methoden die „Umfärbungen" und die ein-
seitige polychromatische Färbung mittels „Farbengemisches", reine Ge-
genfarbungen von Homsubstanzen und der darin enthaltenen Mikroorga-
nismen herzustellen gelingen lassen.
Ln „speciellen Theile" werden nun von Unna die einzelnen neuen
Methoden — 24 an Zahl — eingehend besprochen und der Technicismus
Die mikroskop. Technik im Dienste <i<T Dermatologie. 241
sowie die Färbnngsreenltate derselben an den oben erwähnten Tastob-
jecten genau angegeben. Wir begnügen uns diesbezüglich, den von
Unna selbst dargebotenen Aoszng wiederzugeben, in welchem er die-
jenigen unter den angeführten Methoden noch einmal genaoer beschreibt
und zusammenstellt, weiche am einfachsten auszuführen sind und für die
gewöhnlich vorkommenden Falle auch wohl immer ausreichen dürften.
Auch bei diesen „Formeln^ g^t Unna von dem regelrecht mit Borax-
Methylenblau in der oben referirten Weise vorgeförbten Schnitt^ oder
Druckpräparate aus. In der folgenden Zusammenstellung bedeutet Bmb.:
Borax-Methylenblau ^Borax, Methylenblau aa 1, Aq. dest. 100).
L Styronmethode.
Druckpräparate : Schnittpräparate :
1. Bmb. 1 Minute. 1. Bmb. 1 Minute.
2. Abspül, in Spiritus 10 Secunden. 2. Spiritus 10 Secunden.
3. Kntfarb. in Styron 2 Min. 3. Styron 2 bis 5 Minuten.
4. Abspfil. in Xylol. 4. Xylol oder Cedernöl.
5. Balsam. 5. Balsam.
IL Glykolmethode.
Druckpräparate : Schnittpräparate :
1. Bmb. 1 Minute. 1. Bmb. '/, Minute.
2. Abspül, in Wasser. 2. Abspül, in Wasser.
3. Entfärb, in Glykol 2—5 Min. 3. Glykol 5 Minuten.
4. Abspül, in Wasser. 4. Abspül, in Wasser.
5. Abspül, in Alkohol. 5. Alkohol absolutus.
6. Trocknen über der Flamme. 6. Oel (Bergamott, Cedem).
7. Balsam.
III. Glycerinäther-Mischungsmethode.
(Die Glyceriiiäthermischung kann bezogen werden von Schuchardt, Görlitz.)
Druckpräparate : Schnittpräparate :
1. Bmb. 2 Minuten. 1. Bmb. 2 Minuten.
2. Abspül, in Wasser. 2. Wasser.
3. Glycerinäther 2 Minuten. 3. Glycerinäther 2 Minuten.
4. Abspül, in Wasser. 4. Wasser.
5. Trocknen über der Flamme. 5. Antrocknung.
6. Balsam. 6. Balsam.
IV. Essigmethode.
Druckpräparate : Schni ttpräparate :
1. Bmb. 2 Minuten. 1. Bmb. 5 Minuten.
2. Abspül, in l7o Essigsäure. 2. 1% Essigsäure 2 Secunden.
3. Abspül, in Wasser. 3. Alkohol absolutus.
4. Abspül, in Alkohol. 4. Oel.
5. Trocknen über der Flamme. 5. Balsam.
6. Balsam.
ArehlT f. DermAtoL u. Syphil. Band XXYII. n^
242
Ledermann und Ratkowski.
Y. Säuremethode für Iprocentige Oxalsäure^ Iprocentige
Gitronensäure oder Iproc. Arsensäure.
Druckpräparate :
1. Bmb. 5 Minuten.
2. Säurelösung 5 Secunden.
3. Abspül, in Wasser, ev. Alkohol.
4. Trocknen über der Flamme.
5. Balsam.
Schnittpräparate :
1. Bmb. 5 Minuten.
2. SäurelÖBung 7, — 1 Minute.
3. Alkohol absolutus.
4. Oel.
5. Balsam.
VT. Hydroxylaminmethode.
Druckpräparate :
1. Bmb. 5 Minuten.
2. Abspül, in Wasser.
3. l'/o Hydroxylaminlösung 5 See.
4. Abspül, in Alkohol.
6. Trocknen über der Flamme.
6. Balsam.
Schnittpräparate :
1. Bmb. 2 Minuten.
2. Wasser.
3. Hydroxylamin V2 Minute.
4. Alkohol absolutus.
5. Oel.
6. Balsam.
VII. Seifenmethode.
Druckpräparate :
1. Bmb. 2 Minuten.
2. 17, neutrale wässerige Seifen-
lösung 5 Secunden.
3. Abspülung in Wasser.
4. Abspül, in Alkohol.
5. Trocknen über der Flamme.
Schnittpräparate :
1. Bmb. 2 Minuten.
2. Seifenlösung '/^ Minute.
3. Wasser 10 Secunden.
4. Alkohol absolutus 1 — 2 Minuten.
5. Oel.
6. Balsam.
6. Balsam.
VIII. Kochsalz- Wasserst off superoxydmethode.
Druckpräparate :
1. Bmb. 5 Minuten.
2. 1% Kochsalzlösung 5 Secunden.
3. Wasser.
4. Abspülung in Alkohol.
6. 37« H, 0-j -Lösung 5 See.
6. Abspül, in Alkohol.
7. Trocknen über der Flamme.
8. BaUam.
IX. Resorcinmethode.
Schnitt Präparate :
1. Bmb. 2 Minuten.
2. Kochsalzlösung V« Minute.
3. H,0, -Lösung 10 Secunden.
4. Alkohol absolutus 10—20 See.
5. Oel.
6. Balsam.
Druckpräparate :
1. Bmb. 5 Minuten.
2. 57« Wässer. Resorcinlös. 10 See.
3. Glycerinäthermischung (oder 17©
Oxalsäurelösung) 10 — 20 See.
4. Abspül, in Wasser.
5. Abspül, in Alkohol.
6. Trocknen über der Flamme.
7. Balsam.
Schnittpräparate :
1. Bmb. 5 Minuten.
2. 57o Wässer. Resorcinlös. 2 Min.
3. Grlycerinäthermischung (oder 17#
Oxalsäurelösung) y« Minute.
4. Wasser.
5. Alkohol absolutus.
6. Oel.
7. Balsam.
Die mikroskopi Technik im Dienste der Dermatologie. 243
X. Hydrochinonmethode.
Druckpraparate : Schnittpraparat e :
1. Bmb. V, Minute. 1. Bmb. '/, Minute.
2. 1% spirituöse Hydrochynonlösung 2. Hydrochinonspiritus V« — V» Min.
'/, Minute. 8. Anilinöl 5 — 10 See.
3. Abspül, in Alkohol. 4. Xylol oder Cedernöl.
4. Anilinöl '/i Minute. 5. Balsam.
5. Abspül, in Alkohol.
6. Trocknen über der Flamme.
7. Balsam.
Isolirung von Epithelzellen.
Zur Isolirung von Epithelzellen empfiehlt Schieferdecker fol-
gende Methode: Er löst Pancreatinum siccum (bezogen von Witte,
Rostock) in einigen Ccm. Wasser, so viel sich in der Kälte löst, auf,
filtrirt und giesst die erhaltene Lösung in ein Schälchen. Da hinein
kommt ein Stückchen frische Haut, worauf das zugedeckte Schälchen in
einen Brutofen oder überhaupt an einen wärmeren Ort, z. B. in die Nähe
eines Ofens gestellt wird, so dass die Flüssigkeit Körpertemperatur oder
eine etwas niedrigere Temperatur annimmt. Nach 3—4 Stunden ist die
Maceration so weit vorgeschritten, dass man die Epithelzellen mit einer
Nadel abschaben kann. Man spült dann das Stückchen Haut in Wasser
ab, legt es in eine Mischung von Glycerin, Wasser, Alkohol aa (von
Merkel früher für Untersuchung der Retina angegeben), worin es sich
Jahre lang hält. Die Epidermiszellen sitzen fest an einander, die Kerne
sind deutlich sichtbar, die Stacheln der Rilfzellen erhalten.
Eine andere Methode zu gleichem Untersuchungszweck schildert
Löwy, ein Schüler BlaschkoV Durch Blaschko wurde eine neue
Methode für die Betrachtung des Baues der Oberhaut eingeführt, indem
er die Unteriläche der Epidermis als Ausgangspunkt der Untersuchung
nahm und die Oberhaut faultodter Fische theils feucht in Glycerin, theils
trocken untersuchte. Dem Mangel dieser Methode, der darin bestand,
dass die Herstellung der Präparate durch Kochen oder Fäulniss unsichere
Resultate lieferte, wurde abgeholfen, als Philippson durch seine Arbeit
über Herstellung von Flächenbildem der Oberhaut und der Lederhaut
(Monatshefte f. prakt. Dermat. Bd. VHI, pag. 389) die Trennung der
Oberhaut und Lederhaut auf chemischem Wege herbeiführte. Er legte
Hautstückchen je nach ihrer Grösse 1 — 3 Tage in '/j — '/^ procentige
Essigsäure, fagte, um Fäulniss zu vermeiden, einige Tropfen Chloroform
hinzu und war, da die verschiedene Quellungsfahigkeit der Epidermis
und Cutis eine Trennung beider bewerkstelligte, im Stande, die Oberhaut
als feinen Schleier von der darunter liegenden Lederhaut abzuziehen.
Im Verfolg dieser Methode und auf Anregung B 1 a s c h k o's erhielt Löwy
gleich gute Resultate durch Maceration mittels einer Gprocentigen
Holzessiglösung, welche er für zartere Gewebe, z. B. die Epidermis
der weiblichen Sexualorgane schwächer, bis zu 1*/, nahm. Dabei setzte
16*
244 Ledermanii und Ratkownky.
er die Haut einer constanten Wärme von 40* aw. Haarreiche Stellen ra-
sirte er vorher und konnte dann nach 24 — 48 Standen die Oberhaut a(»-
ziehen. Annähernd gleiche Resultate wurden mit Citronensäure in
schwacher Lösung erzielt, wie schon Philipsohn angibt, femer mit
Salzsäure. Verf. nimmt an, dass alle organischen und Mineralsäoren in
geeigneter Concentration mehr oder weniger günstige Resultate Hefem
würden.
Verbornung.
Zur Untersuchung der Yorhomung der menschlichen Haut folgt
Behn einer Anregung seitens Unna (Studien über die Homschicht der
menschlichen Oberhaut, speciell über die Bedeutung des Stratum lucidum.
Oehl, Kiel 1887), welcher den Satz aufstellt: „In Zukunft wird man spe-
cifisch gefärbte Gewebe zu verdauen und Reste der verdauten Gewel>e
specifisch zu färben und endlich die isolirten Resultate beider Methoden
sorgfaltig zu vergleichen haben.'' Behn hat von dem Arbeiten mit
Trypsin ganz abgesehen, um vor dem Verschwinden homhaltiger Sub-
stanzen ganz sicher zu sein, und hat dio Pepsin-Salzsäure ganz
allein als Verdauungsflüssigkeit benutzt. Im Anfang stellte er sich die
Lösung nach Hoppe-Seiler aus der thierischen Magenschleimhaut her,
später benutzte er conservirte Pepsinpräparate und empfiehlt namentlich
den Vin. pepsini (Blell), weil das Arbeiten mit dem ein Glycerin-
extract von Pepsin darstellenden Pepsinweine ausserordentlich bequem sei.
Die dazu benutzte Lösung bat folgende Zusammensetzung:
4 Theile Vinum pepsini (Blell).
2 „ Acid. muriat. officinal.
125 „ Aq. dest.
Die Schnitte wurden in dieser Lösung 4 — 10 Stunden auf einer
Temperatur von 87 — 40" C. erhalten, stark ausgewaschen, so dass alle
Säure entfernt war, und dann verschiedenen Färbemethoden unterworfen.
KentMhyafin will
Zur Darstellung der Keratohyalins empfiehlt Mertsching folgende
Methode: Die Hautstücke werden spätestens eine halbe Stunde nach dem
Tode in eine conservirende Flüssigkeit: Chromsäure, Müller'sche
Flüssigkeit, Alkohol gelegt. Dann mit Nelkenöl oder nach Bütscbli
mit Chloroform, Chloroform-Paraffin weiter behandelt. In Paraffin mit
etwas Wachs eingebettet und mit Hilfe eines J ungesehen Mikrotoms
geschnitten. Die zu diesem Zwecke ganz besonders fein herzustellenden
Schnitte wurden mit Eiweiss-Glycerin auf dem Objectträger befestigt, das
Paraffin durch Wasserdämpfe und Abspülen in Terpentin und Beseitigung
des letzteren durch Alkohol entfernt und mit Bismarckbraun, Saf-
franin, Alauncarmin, Carmin-Pikrocarmin, Gentianaviolett
etc. gefärbt.
Ran vieres Untersuchungsmethode über das Eleidin besteht in der
Anwendung von ammoniakaÜschem Pikrocarmin (1 : 1000) auf in Alkobo
Die mikroskop. Technik im Divnsfe der Dermatologie. 245
gehärtete Präparate. Am besten ist eine kurze Einwirkung von 367o Alkohol
wahrend 24 Standen; Untersuchung in Glycerin. — Auch mit Hämato-
xyKn lässt sich das Eleidin in Präparaten von Müller'scher Flüssigkeit
oder doppelt chromsaurem Ammoniak färben. Säuren entfärben daH
Eleidin und daher muss das Glycerin neutral sein.
Mit dem Hyalin, welches eine eoHoide Substanz ist, hat das flüssige
Eleidin nichts Verwandtes.
Unter den Arbeiten über Keratohyalin und Eleidin haben besonders
aufklarend und instructiv gewirkt die Untersuchungen von B u z z i. Er hat
bekanntlich die Widerspruche über die Katur der Körner und Tropfen,
welche in der Uebergangszone zwischen Stachel- und Homschicht vor-
kommen, und welche Ranvier für eine Huile essencielle hält, die
VTaldeyer und Unna aber nach der älteren Anschauung für solide, dem
Hyalin nahe stehende Ausscheidungen des Zellprotoplasmas erklären, in
der Weise geklärt, dass er jene Gebilde als zwei ganz verschiedene Sub-
stanzen unterschieden hat. Die eine erscheint beim Aufschneiden von
irischen Schnitten frei auf der Schnittfläche der basalen Homschicht in
Form von Tropfen eines flüssigen Fettes, welche sich leicht verwischen
lassen und ausser der rothen Tingirung mit dem rothen Pikrocarmin
Ranvier *s noch folgende Reactionen besitzen: sie färben sich mit Al-
kanna, Osmiumsänre, Spritlöslichem Nigrosin, sulfosaurem
Nigrosin und einer Reihe von ätherischen Farbextracten, dagegen
nicht mit Hämatoxylin. Die andere Substanz tritt in Form von
Körnern innerhalb der Zellen der Kömerschicht auf, lässt sich selbst beim
Anschneiden der Zellen der Kömerschicht nicht wegwischen und färbt
sich ausser mit dem Pikrocarmin Ranvier 's in speeifischer Weise
mit Hämatoxylin, mit der Pararosanilin-Jod-Methode und mit
Rothkohlextracten, ist dagegen nicht farbbar durch Alkanna, Nigrosin
und die anderen Fett färbenden Substanzen. Die zuerst beschriebene
Substanz entspricht dem Eleidin Ranvier 's, die zuletzt beschriebene
dem Keratohyalin Waldeyer's.
Einen eigenartigen Befbnd in den tieferen Schichten der Epidermis,
von dem es zweifelhaft ist, ob es sich um eine Fettsubstanz oder um
einen an dem Aufbau des Pigments betheiligten Körper bündelt, beschreibt
Ledermann in seinen Arbeiten: „Der Fettgehalt der normalen Haut
und „Ueber die Osmirung der normalen Haut". Es gelang ihm mittels
Ueberosmiumaäure in den tieferen Schichten des Epithels kleine, schwarz
gefiirbte Kömchen nachzuweisen, welche sich ausserdem in geringer Menge
im P^pillartheil der Cutis, stets in massiger Menge in den Knäueln der
Schweissdrüsen , nie in den geraden Theilen der Schweissdrnsenausfnh-
mngsgänge vorfanden. Die Herstellung der Präparate geschah in der Art,
dass die dem Lebenden oder der Leiche entnommenen Hautstückchen
zunächst 24 Stunden im Dunkeln in 1, besser 27« Ueberosmiumsäure
fixirt, dann 12 — 24 Stunden in fliessendem Wasser ausgewaschen und
entweder tSar mehrere Tage (je länger, desto besser) in absolutem Alkohol
Hpriiirtet oder sofort mit dem Gefriermikrotom geschnitten wurden. Die
246 Lederniann und Ratkowski.
in Alkohol gehärteten Stückchen kamen direet aus dem Alkohol in dünne^
später dickere Celloidinlösung, nicht erst, wie sonst bei Celloidin-Einbettong
üblich, in Alkohol und Aether, da diese Mischung Fett und auch osmirtes
P>tt auflöst. Nach genügend langer Celloidindurchtrankung wurden sie auf
einem Korken oder Holzplättchen befestigt und in einer Lösung von Chlore-
form-Glycerin-Alkohol bis zum Schneiden aufbewahrt. Für die Conser-
virung der Celloidinschnitte ist zu beachten, dass die zur Aufhellung ge-
wöhnlich benutzten ätherischen Oele mehr oder minder eine Auflösung
und Entfärbung der Osmiumniederschläge bewirken. Als einzig brauchbar
bewährte sich Kelkenöl, das gleichzeitig zum Entcelloidiniren diente, da
die Anwendung von Alkohol und Aether ausgeschlossen werden muss.
Bergamottöl und Terpentinöl sind nicht zu verwerthen. Letzteres
leistet sehr gute Dienste, wenn man die Osmiumniederschlage sehr schnell
entfärben will, um bei dunklem Pigment, welches eine Unterscheidung von
den Osmiumkömehen erschwert, schnell einen Ueberblick über die Anzahl
der letzteren zu gewinnen. Je länger die Stücke in Alkohol nachgehärtet
sind, um so schwerer erfolgt die Auflösung der Niederschläge. Nächst
Nelkenöl lässt sich zum Aufhellen noch Xylol mit einigem Yortheil ver-
wenden. Die durch Nelkenöl oder Xylol aufgehellten Schnitte werden am
besten in reinen Canadabalsam eingeschlossen. Die Erwärmung des reinen
Balsams muss vorsichtig geschehen, da höhere Temperaturen die Osmium-
Niederschläge gleichfalls zerstören. Der Paraffin-Eiuschluss, der sich
übrigens nur für fötale Haut gut eignet, geschah so, dass die gehärteten
Stücke zuerst in Nelkenöl, dann in Nelkenöl-Paraffin und zuletzt in reinem
Paraffin bei der Schmelzpunkt-Temperatur im Brutofen präparirt wurden.
Die Paraffin-Schnitte kamen dann wieder in Nelkenöl und zuletzt in Ca-
nadabalsam. Für Gefrier- und auch für Celloidinschnitte wurde der Ein-
schluss in Canadabalsam durch Benutzung des Glycerin-Einschlusses zu
ersetzen gesucht. Jedoch erfolgt nach kürzerer oder längerer Zeit oft
bei sorgfaltigem Lackverschluss eine diffuse Bräunung der Schnitte und
des umgebenden Glycerins, so dass die Erfahrungen nicht für eine Ver-
wendung dieser vielfach empfohlenen Einschlussmethode sprechen. Das-
selbe gilt für den Einschluss in Glycerin-Leim oder Farrantscher Lösung.
Die Reduction der Ueberosmiumsäure lässt sich verstärken, wenn man os-
mirte Schnitte für einige Zeit in rohen oder verdünnten Holzessig bringt,
die dadurch gewonnenen sehr schönen Bilder sehen wie Holzschnitte aus.
Zur Contrastfärbung von Celloidin- oder Gefrierschnitten eignen sich am
besten Canninfarben, besonders das Pikrocarmin, andere Farben nehmen
osmirte Schnitte nur schwer an. Will man sie aus irgend welchem Grunde
mit Hämatoxylin färben, so empfiehlt es sich, die Schnitte für einige Zeit
in Mülle r'scher Flüssigkeit bei Brutofentemperatur zu halten, dann
gründlich auszuwaschen und zu färben.
Herxheimer's Fasern und Nachweis des Fibrins in den Geweben.
Herxheimer beschrieb in dem 5. Heft des Archivs für Dermato-
logie und Syphilis, Jahrgang 1889 p. 645, gewundene, in der menschlichen
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 247
Oberhaut verlaufende Fasern, über deren Bedeutung er nicht zu einer defi-
nitiven Entscheidung kam. Bevor wir jedoch auf die dazu verwendete
Färbung eingehen, müssen wir auf zwei Arbeiten recurriren, welche sich
auf den Nachweis des Fibrins in den Geweben beziehen.
Die von Weigert veröffentlichte neue Färbungsmethode des
Fibrins stellt sich als eine Modiücation der Gram 'sehen Färbung dar.
Die Schnitte werden aus dem Alkohol in eine farbstoffgesättigte Gen-
tiana- oder Methylviolett-Anilinwasserlösung übertragen, ver-
bleiben in derselben wie bei der Gram'schen Färbung einige Minuten
oder auch längere Zeit, werden in Cblomatriumlösung abgespült und
dann 1 — 2 Minuten in die Jod-Jodkalilösung (Jod 1 : Jodkali 2 : Aq.
dest. 300) eingelegt. Aus dieser Lösung bringt man sie mit dem Spatel
auf den Objectträger, trocknet mit Fliesspapier sorgfaltig ab und setzt
einige Tropfen Anilinöl hinzu. Dasselbe färbt sich sogleich dunkel und
wird je nach Bedarf ein oder mehrere Male erneuert, bis die Schnitte
makroskopisch ganz farblos und durchsichtig erscheinen. Das Anilin
entfärbt nicht nur die Objecto, sondern entwässert sie auch, da es unter
den bisher in der mikroskopischen Technik verwendeten öligen Substanzen
diejenige ist, welche am meisten Wasser zu absorbiren vermag. Man
kann beobachten, wie die so behandelten Schnitte, die ursprünglich ganz
opak sind, im Verlaufe der Einwirkung des Anilins sich vom Rande her
allmälig aufhellen, bis sie schliesslich ganz durchsichtig sind. Zum
Schluss wird das Anilin sorgfaltig mit Hilfe von Xylol entfernt, das Prä-
parat sodann in Xylol-Canadabalsam eingeschlossen. Gefärbt bleiben bei
der Anwendung dieser Methode nur Fibrin und dessen hyaline Derivate,
viele Mikroorganismen, wie Tuberkel- und Leprabacillen, Pneumoniecoccen,
Fadenpilze ; entfärbt dagegen werden unter Anderem auch Typhusbacillen.
Doppelfarbungen erzielt man, wenn man vor der Methylviolett-Färbung
irgend eine Carminfarbung vornimmt. In Celloidin eingebettete Präparate
brauchen nicht vor der Färbung vom Celloidin befreit zu werden.
Dieser W e i g e r t'schen Färbung, welche Unna als J o d-P a r a r o s a-
nilin-Anilin-Xylol-Methode bezeichnet, stellt derselbe in Anbetracht
der Vielseitigkeit der Reaction, der verschieden starken Färbung der
einzelnen Formen und Arten des Fibrins und drittens wegen der compli-
cirten Art der Methode eine neue, einfachere Methode entgegen, welche
er Tanninmethode nennt. — Sie beruht darauf, dass die basischen
Anilinfarben eine doppelte Reihe von Salzen bilden, von denen die mit
weniger Tannin in Wasser unlöslich, die mit mehr Tannin löslich sind,
und dass man das Tannin in concentrirter Lösung zur Entfärbung von
basisch gefärbten Schnitten verwenden kann. Unna verwendet stets ein
polychromes. Methylenviolett und Methylenroth enthaltendes Methylenblau.
Das fadige Fibrin ist schwarzblau gefärbt und so scharf gezeichnet wie
bei der Weigert'schen Methode. Das kömige Fibrin jedoch scheint
durch Unna'a Methode besser gefärbt zu sein, welche ausserdem noch
eine grosse Anzahl anderer Stoffe hervorhebt, vor Allem Keratin, Hyalin,
die HerxheimerVhen Spiralen und den Inhalt der Kerne. Die
248 Ledermann und Ratkowski.
Kerne werden nach 2 Kategorien entweder hauptsftehlieh vom Methylen-
blau oder vom Methylenviolett tingirt. Das Methylenroth wird wie ge-
wöhnlich auf den Mastzellen fixirt, aber aueb aal gewissen Baeillenarten.
Bas Protoplasma der Plasmazellen tritt blau, aber ab gani homogene
Masse hervor.
Die Schnitte aus in Alkohol gehärtetem Grewebe müssen möglichst
fein sein. Die Zeit des Tanninanfenthalts richtet sich nach der der Methylen-
blaubehandlung. Besser ist es, die Methylenblaufarbung auf 20 Minuten
und mehr auszudehnen. Am besten ist es dann, nach 2 — S Misnien der
Tannineinwirkung den Schnitt in Wasser abzuspülen.
Eine Gege'niarbung z. B. der Kerne oder des CoUagens, ist nicht
leicht und im Allgemeinen zu widerrathen. Ist eine Färbung des Collagens
in Contrastfarbe durchaus wünschenswerth, so ist es noch am zweck-
massigsten, die aus dem Tannin kommenden Schnitte in eine Lösung von
einigen Kömchen reinen Sänrefuchsins in concentrirter Tanninlösang zu
bringen. (Nebenbei eine prachtvolle Methode für hyalin-degene-
rirende Bindegewebszellen, die das Hyalin blauviolett in
rothem Protoplasma zeigen.) Also:
1. Polychrome Methylenblaulöfung 10 — 20 Minuten.
2. Rasche Abspülung in Wasser.
3. Goncentrirte wässerige Tanninlösung (1 : 2) 2 — 5 Minuten.
4. Sorgfältige Abspülung in Wasser.
5. Absoluter Alkohol, Bergamottöl, Balsam.
Zu gleicher Zeit gibt Unna eine einfach zu handhabende Modifi-
caticm der W e i g e r tischen Fibrinfarbungsmelhode, wie sie sich in seinem
Laboratorium als praktischste herausgebildet hat, und welche er als modi-
ficirte Jodmethode bezeichnet. Da nämlich durch die Weigert'sche
Methode Keratin ebenso electiv gefärbt wird wie Fibrin, so erhalt man
über die Fibrincoag^la der Homsehicht nur Auskunft, wenn das Keratin
gleichzeitig durch eine saure Farbe sowohl praoccupirt, wie später noch
einmal umgefärbt wird. (Das Gleiche gilt für die Bakterienfarbung.) Als
erstere figunrt am zweckmässigsten die Pikrinsäure, deshalb zieht Unna
eine Yorfärbung mit Pikrocochenille oder Pikrocarmin dem
gebräuchlichen Alauncarmin für die Haut vor. — Die Schnitte kommen
alsdann statt in die gebräuchliche Anilin - Gentianalösung in folgende
Mischung :
Gentianaviolett 1*5
Alaun lO'O
Wasser 100*0
Dieselbe hat verschiedene Yortheile: sie bildet keine theerigen
H&utchen, haftet nicht am Glase, lässt sich leicht wieder abspülen und
hält sich unbegrenzt klar, so dass gebrauchte Lösungen sich zuroekfil-
triren und wieder benutzen lassen. — Als Jodlösung verwendet er aus-
schliesslich die 1886 von ihm angegebene Mischung von KJ und H^O,
aus den damals erörterten Gründen. Man improvisirt die Lösung stets,
indem man in ein kleines Schälchen mit Wasser einen Grystall JK und
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 249
einige Tropfen der käuflieben HtO^-Lösung hineingibt. — Am meisten
modificirt ist die nun folgende Entfärbung. Sie wird mit einer Anilin-
mischung ausgeführt, welche Xylol und ausserdem eine entfärbende
saure Farbe: Goldorange, enthält (von Dr. Grübler, Leipzig) und
kaum 2 Minuten dauert. Man stellt sich zuerst durch Verreiben des
Anilins mit Goldorange eine gesättigte Lösung des Farbstoffes dar, filtrirt
und Termischt sie mit dem halben Volumen Xylol. Durch mehrfaches
Filtriren verschwindet die Trübung und die klare, haltbare Lösung kann
sogar nach dem Gebrauche wieder zurückfiltrirt werden, so dass sie lange
als KntfarbuDgsfiüssigkeit dienen kann. Diese Methode hat nach Unna
mannigfache Vorzüge, und wenn er sie auch der Originalvorschrift nicht
als vollkommen gleichwertig gegenüberstellt, so hält er sie doch fiir die
Untersuchung der Haut far sehr werthvoll. Das Verfahren ist also:
1. Starke Vorfarbung mit Pikrocochenille oder Pikrocarmin.
2. Gen tianaviolett- Alaunlösung (1*5 : 10 : 100) 10 Minuten. Abspülung
in Wasser.
3. Lösung von KJ und H^O, 1 Minute, Abtrocknen.
4. Anilin-Xylol-Goldorange (2 : 1 bis zur Sättigung) 2 Minuten.
6. Xylol, Balsam.
Endlich erwähnt Unna noch eine von Sabouraud in den Annales
de rinstitut Paste ur, VI, 1892 angegebene Methode, eine modificirte
Jodmethode, welche der W e i g e r tischen sehr nahesteht und das Jod
als Differencirungsmittel, das Tannin als Fixirungsmittel
anwendet, und welche Unna als Tannin-Jod -Methode bezeichnet.
Ein 1 Cm. langes und 3 Mm. dickes Stück beispielsweise eines Schankers,
welches man in Müller^scher Flüssigkeit fixirt hat, lässt man 15 — 20
Stunden in einer Tanninlösung von 1 : 200, w^elche leicht alkoholisirt ist
(10 Gem. Alkohol auf 200 Wasser), liegen. Man nimmt dann die Ehr*
lich'sche Färbung mit Anilinviolett vor und lässt die Färbung nach
Gram-Weigert folgen, wobei man in der Entfärbung das Amlinöl durch
Nelkenöl ersetzt, und sieht alsdann auf der ulcerirten Oberfläche des
Schankers einen fibrinösen Filz, von welchem ein ausserordentlich fein
und klar gezeichnetes intercelluläres Netzwerk ausgeht, das bis an die
Grenzen der Neubildung heranreicht und sich hier verliert, indem es
aussieht, als ob es eine Menge feiner abgeschnittener Haare wäre. — Die
Election des Fibrins ist stark genug, um eine Doppelfarbung mit Eosin
oder Safifranin auszuhalten. Man kann auf diese Weise Präparate von
grosser Klarheit und interessantem Aussehen erbalten.
Unna findet es ausserordentlich werthvoll, dass eine Controle der
einen Methode durch die andere möglich ist, während die Zukunft es
lehren wird, welche von diesen Methoden an sich die brauchbarste ist.
Herxheimer bemerkte^ dass bei Behandlung tob Schnitten der
menschlichen Haut nach der Gram'schen Methode die ZeUmembranen in
der basalen Epidermisschicbt zuweilen den Anilinfarbstoff zurückhalten.
Noch deutlicher werde diese Reaction, wenn man die Gram*sche Methode
durch die Weigert'sche Fibrinfsrbungsmethode substituire. Man findet
250 Ledermaiiii und Ratkowski.
dann sehr hänfig die Zellmembranen in der basalen Cylinderzellen,
sowie in der ganzen Stachelzellenschicht nicht blos difitis, sondern ge-
radezu electi V gefärbt, ferner die schon erwähnten, nachihmbenannten
spiraligenFasern. Für die Anwendung der W e i g e r t'schen Methode
für seine Zwecke stellt er folgende Regeln auf:
1. Härtung in Alkohol.
2. Entcelloidiniren durch Einlegen der Schnitte in Aether, Al-
kohol aa.
3. Einlegen der Schnitte auf mindestens 2 Stunden in absoluten
Alkohol.
Die Färbung wird am besten auf dem Objectträger vorgenommen,
die Schnitte kommen:
a) 5 — 10 Minuten in eine gesättigte Lösung von Gentiana violett,
b) auf eine Minute in Lugol'sche Lösung, werden dann
c) in einer Mischung von Xylol und Anilinöl entfärbt (bis eine
deutliche tiefblaue Färbung beobachtet wird),
d) in Xylol ausgewaschen und in Canadabalsam montirt.
E d d o w e 8 wich in zwei Punkten von Herxheimer's Vorschriften
ab. Er entfärbte, indem er für die Xylol- Anilinlösung mehr Xylol brauchte,
die Schnitte weit länger und trocknete zwischen den einzelnen Entfar-
bungRphasen Object und Objectträger mit Filtrirpapier gut ab. Er
lies» ferner die L u g o Psche Lösung länger, als esHerxheimer that, auf
das Präparat einwirken. Auf diese Weise erhielt er sehr charakteristische
Bilder. Die mit destillirtem Wasser hergestellte, zur Färbung benutzte
Gentianaviolett-Lösung kann, nachd.'m ein Tropfen Chloroform hinzu-
gefügt ist, stets vorräthig gehalten worden. Eine solche Lösung ist
mindestens eben so gut, wie eine frisch angefertigte. Wünscht man einen
Schnitt länger als 5 Minuten in der Farblösung liegen zu lassen, so ver-
meidet man die leicht eintretenden Niederschläge dadurch, dass man den
Objectträger mit einem Glasnäpfchen bedeckt und vor dem Zutritt der
äusseren Luft abschliesst. In dieser feuchten Kammer kann man, ohne
Niederschläge befürchten zu müssen, die Schnitte bis 24 Stunden in der
Farblösung liegen lassen.
Kromayer gibt in seiner Arbeit: „Die Protoplasmafaserung der
Epithelzellen" eine bis ins Einzelne genaue Beschreibung seines Verfahrens
mit der Weigert'schen Fibrinfarbung, wie er sie nach vielen Versuchen
als die beste gefunden hat, während im üebrigen diese Arbeit nur mit der
Deutung der Herxheimer'schen Fasern sich beschäftigt. Als erste
Bedingung für die Herstellung der Präparate stellt er möglichst dünne
Schnitte hin. Er ist deshalb von der Celloideinbettung zur Paraffin-
methode übergegangen. Das Messer muss haarscharf sein und halb
schräg, nicht senkrecht zum Messerschlitten gestellt werden. Bei der
menschlichen Haut muss man das Präparat so einstellen, dass zuerst die
Epidermis getroffen wird. Das Messer gleitet alsdann, nachdem es die
Epidermis und den Papillartheil der Cutis in feinsten Schnitten abgehobelt,
an der derben Cutis ab; bei der umgekehrten Einstellung kann man nur
Die mikroskop. TecLnik im Dienste der Dermatologie. 251
dicke Schnitte erhalten. Die feinsten Schnitte bedürfen auch einer überaus
zarten weiteren Behandlung. Sie werden in Xylol gebracht, um das
Paraffin zu lösen. Nach 5 Minuten wird dasselbe durch neues Xylol
ersetzt und dieses wiederum durch einmal zu wechselnden absoluten
Alkohol. Vom absoluten Alkohol dürfen nun die Schnitte nicht direct
ins Wasser kommen, da sie durch die energische Diffusion des Alkohols
im Wasser einfach zerrissen würden. Man setzt vielmehr Wasser allmalig
zu, bis der Alkohol nur wenig Procente der Mischung beträgt; hierbei
rollen sich die Schnitte auf und schwimmen glatt auf der Oberfläche.
Nun werden sie vorsichtig auf einen Objectträger gebracht und durch
sanften Druck mittels vierfach gefalteten Fliesspapiers fixirt. Die Färbung
geschieht auf dem Objectträger. Als Anilinfarbe dient Methylviolett
6B, welche Lösung jedes Mal frisch aus gleichen Theilen concentrirten
Anilinwassers und absolut concentrirter wässeriger Lösung von Methyl-
violett hergestellt wird. Einige Tropfen werden auf den Objectträger
gebracht und nach 5 Minuten wieder abgespült. Bei sehr dünnen
Schnitten braucht die folgende Jod-Jodkalilösung nur 1 Secunde zu
wirken; bei dickeren ist die Wirkung durch die Lupe zu controliren,
um den Schnitt blauschwarz zu färben. Von grösster Bedeutung ist das
Mischungsverhältniss von Anilin und Xylol. Zu viel Xylol lässt den
Schnitt zu dunkel, zu wenig entfärbt die feine Protoplasmafaserung. Für
viele Fälle empfiehlt sich das Mischungsverhältniss: Anilin 1 : Xylol 2.
Je dünner der Schnitt, um so energischer zieht das Anilin die Farbe
aus. Bei den dünnsten Schnitten ist daher eine starke Verdünnung mit
Xylol erforderlich. Den Entfarbungsprocess verfolgt man mit schwacher
Vergrösserung, um ihn im richtigen Momente durch üebergi essen der
Schnitte mit Xylol unterbrechen zu können, nämlich dann, wenn frisch
auf den Schnitt gebrachtes Anilin-Xylol keine makroskopisch sichtbaren
Farbwolken mehr auszieht. Zur Vorfärbung der Kerne empfiehlt Ver-
fasser Alauncarmin. Bei misslungenen Präparaten kann man den ganzen
Färbungsprocess wiederholen, nachdem man allen Farbstoff durch Salz-
säurealkohol ausgezogen hat. Kromayer hat Präparate 4mal gefärbt.
Für die Härtung und Fixirnng hat er den absoluten Alkohol am brauch-
barsten gefunden.
Ehr mann hat die Objecte mittels der Fibrinmethode von Weigert
untersucht und ebenfalls eine ziemlich grosse Mannigfaltigkeit von Gebilden
angetroffen. Seine Untersuchungsobjecte waren:
1. Die Haut eines wegen Phimose circumcidirten Xegepräputiums,
2. die breiten Condylome und
3. die spitzen Condylome.
Wenn die mit irgend einer Methode dargestellten Bildungen mit ein-
ander nur das gemein haben, dass sie sich mit derselben Methode intensiv
färben, so kann man sie, seiner Meinung nach, nicht ohne weiteres alle
für identisch erklären, es sei denn, man wäre berechtigt, die Färbungs-
methode als eine chemische Reaction anzusehen.
252 Leder mann und Katkowski.
Seinen speciellen Fall betreffend, fuhrt er über die Vorgänge bei
der Färbung Folgendes aus. Nachdem bereits Kromayer berrorgehoben,
dast der grössere oder geringere Wassergehalt des Präparates massgebend
i»t für das Gelingen der Färbung der Fasern, förben sieh dieselben nach
seinen Erfahrungen um so sicherer, je weniger die Qewebsbestandtheile
Gelegenheit hatten, vor dem Einlegen in Gentianaviolett ra schrumpfen
und je mehr sie während der Entfärbung durch Anilinxylol schmmpfen
können. Präparate, welche behufs Paraffineinbettung schon vor der
Färbung in Xylol oder Chloroform waren, färben rieh schlecht, indem sie
nachher bei der Entfärbung mit Anilinxylol allen ihren Farbstoff ab-
geben, wenn sie nicht vorher in Wasser oder verdünntem Alkohol gelegen
hatten. Die Entfärbung des Bindegewebes geht am langsamsten vor sich,
weil es mehr Wasser enthält und folglich auch während der Entfitfbung
mehr Wasser abgibt und schrumpfen kann. Verf. halt deshalb die Färbung
für einen mechanischen, physikalischen Vorgang, vermöge dessen der
Farbstoff in den Gebilden, während sie schrumpfen, festgehalten wird,
und zwar durch den Vorgang beim Schrumpfen selbst, während er nicht
schrumpfende oder bereits geschrumpfte Gebilde verlässt. Es muss anch
auffallen, dass in der Regel das Mischnngsverhältniss von 1 Anilin : 2 Xylol
genügend int, um die Färbung so lu gestalten, dass die Herxheimer^'
sehen Fasern gefärbt bleiben ; bei solchen Präparaten aber, die, wie oben
erwähnt, schon in Xylol oder Chloroform gelegen hatten und dadurch
schrumpften, ist es nothwendig, 1 Theil Anilin zu 3, selbst 4 Theilen Xylol
zuzusetzen. Das Xylol ist nicht nur als Verdünnungsmittel für das Anilin
wirksam, sondern es wirkt selbst beim Zurückhalten des Farbstofies in
einzelnen Gebilden, also bei der Election, mit, indem es sie schrumpfen
macht. Möglicher WVise ist die spiralige Form mancher dieser Gebilde
durch diesen Vorgang selbst künstlich erzeugt. Dem entsprechend findet
man auch, dass sich mittels der W ei ger tischen Methode eine Anzahl von
Gebilden färbt, welche morphologisch von einander sehr verschieden aind.
Beim breiten Condylom fand er, dass sich zweifellos Protoplasmen färben.
IHese Gebilde nun färben sich bei Anwendung der WeigerVschen
Methode schön blau und ihr Kern bleibt hell; die Kemkörperehen aber
färben sich ebenfalls dunkel. Bei Anwendung der Doppelfarbung mit Zu-
hilfenahme von Alauncarmin färben sich die Kerne schön roth und der
i^brige Zellleib violett.
Pigment vnd opitMtal» AwMme.
Zur Untersuchung des Oberhaut- und Haarpigments bediente sieb
J arisch der braunen Flecke der Coivfunctiva bnlbi des Ochsen. Die
noch warmen Coivjunctivalstücke wurden theils in R a b Tsche Flüssigkeit,
theils in ansteigenden, theils in absoluten Alkohol gebracht. Die
er^teren wurden nach 2 Tagen in TOprocentigen Alkohol, der während
einer Woche häufig gewechselt wurde, von der Pikrinsäure befreit und
in Alkohol absolutus aufbewahrt. Von diesen Präparaten wurden Stücke
in toto in Borax car min gefärbt, dann in Wasser flüchtig abgespült,
Die mikroKku]). Tecbiiik im Dienste tler Dermatologie. 203
dann in häufig gewediselten Salzsäore-Alkohol (6 Tropfen auf 100 Ccm.
eines TG*/« Alkohols) for mehrere Stunden eingelegt, bis sie hellroth
geworden waren und keine Farbe mehr abgaben. Dann Alkohol absolutus,
Tolaol (ca. 2 Standen), Paraffinbad« Die Mikrotomschnitte (Serien) wui'den
mittels sehwacher Gummilösung (1 Tropfen des offioin^len Mucilago
gummi arabici auf eine kleine Dose von Aq. dest.) in Beihen auf den
Objecttrager fixirt und nach vollständiger Antrocknung in Terpentin von
dem Paraffin befreit und dann in Damarlack eingeschlossen. — Zur Fixi-
rung der Haut- und Haarpraparate vom Menschen benutzte Verf. anstei-
genden Alkohol, absoluten Alkohol und Sublimat; sonst das gleiche
Verfahren. Eine andere, von Benda zuerst angegebene Methode fand
Joseph zur mikroskopischen Untersuchung des Hautpigments als sehr
geeignet. Die aus einem grossen Naevus excidirten Hautstücke werden
aufs — 4 Stunden in lOprocentige Salpetersäure, darauf in Mülle r'sche
Flüssigkeit gelegt und nach 24 Stunden zur gründlichen Ausspülung auf
mehrere Tage in Wasser gebracht. Die Nachhänung (Alkohol) und
Einbettung (Celloidin) geschieht in der üblichen Weise. Die so eonser-
virten Stücke werden nun in folgender Weise gefärbt: Nach Einlegen
der Schnitte auf 24 Stunden in eine Lösung von Liq. ferri sulfur. oxydat
aa mit Wasser und Abspülen mit destillirtem und gewöhnlichem Wasser
bringt man sie in eine alkoholische Hämatoxylinlösung. Von hier kommen
sie in 30procentige Essigsäure und nach der Entiarlning werden sie in der
üblichen Weise conservirt. —
Bei den Untersuchungen, welche Mor. Cohn über die Ephelideu,
Lentigines und Kaevi pigmentose anstellte, wurden die Präparate sämmt-
lich in Alkohol gehartet und in Celloidin eingebettet. Als Färbemethoden
erwiesen sich unter einer ganzen Reihe von Farbstofien das Hämatoxylin
und Picrokannin am brauchbarsten. Um die Zellnatur der z. Tb. recht
dunkel pigmentirten Präparate zu erweisen, benutzte er die von Unna
in seinen Monatsheften: 1889, Bd. VIII, p. 374 ang^^bene Methode „der
Depigmentation und der nachträglichen Färbung**. Sie besteht darin, dass
man das stark mit Hämatoxylin gefärbte Präparat mit Wasserstoffsuper-
oxyd langsam entfärbt. Man lässt die Präparate 24 Stunden in einer nicht
zu starken Hämatoxylinlösung liegen, dann bringt man das Präparat unter
das Mikroskop, sucht sich eine nicht zu dunkelpigmentirte Stelle aiii«,
an welcher das Pigment die Zellf<H*m darbietet. Es kommt jetzt darauf
an, genau zu beobachten, ob während der Entfärbung die Zelle unver-
ändert ihre Oestalt beibehält und der Kern hervortritt. Da die Entfärbung
häufig mehrere Tage in Anspruch nimmt, so ist es rathsam, sich die
Stelle vor der Einwirkung von EL, 0, geuau aufzuzeichnen« An der Uaud
dieser Figur wird das Präparat anfangs alle paar Stunden, später 2 — 3
mal am Tage eontrolirt. Ist es fast vollständig entfärbt, so dass die Uiu-
lisse der Zellen eben noch zu erkennen sind, so zeichne man die Figur
abermals. Dann förbe man das Präparat mit Hämatoxylin, falls Doppel -
farbung erwünscht, auch mit Picrokannin nach, um nun den Nachweis
zu erbringen, ob sich an der Stelle wirklich eine Zelle befunden habe.
254 Lodermann und Katkowsky.
Caspary hat bei seinen Untersuchungen über die Herkunft des
Pigments der Epithelien die Hautstücke unmittelbar nach der Ex-
cision in Flemming'sche Lösung eingelegt, sie in absolutem Alkohol ge-
härtet, in Paraffin eingebettet und die durch das Mikrotom gewonnenen
Schnitte mittels Dahlia oder Saifranin gefärbt. Diese von Grünhagen
angegebene Methode, die sich sehr bewährt hat, vervollkommnet er noch
in folgender Weise (Archiv f. Dermat. u. Sjrphil. 1891). Kleine, ihres Fett-
polsters beraubte Hautstücke wurden unmittelbar nach der Ezcisio in
vivo auf 2V2 — 3 Stunden in frisch bereitete Flemming'sche Lösung einge-
legt, sodann 24 St. in häufig gewechseltem Wasser ausgewässert, hierauf
24 Stunden in Alcohol absolutus nacbgehärtet und schliesslich nach Ein-
legen in Paraffin auf dem Mikrotom in feine Schnitte zerleget. Diese werden
— nach Entfernung des ParafBns in Chloroform und nach Entfernung des
Chloroforms durch Alcohol absolutus — mehrere Stunden in verdünnte
wässerige Dahlia- oder Saffiraninlösung, dann zu ausreichender Entfärbung
in Alkohol absolutus, endlich nach Aufhellung durch Chloroform oder
Nelkenöl zur dauernden Einschliessung unter dem Deckgläschen in Canada-
baisam gebracht.
Haare.
Zur Untersuchung der Haare bedient sich Unna des Wasser-
st o f f s uperoxyds, welches sich durch grosse Ausfallungskraft auszeichnet.
Sämmtliche in den Homstofifen vorkommenden Pigmente lösen sich dann
zu farblosen Sauerstoffverbindungen, auch sämmtliche Pigmente der
übrigen Gewebe nur mit verschiedenem Grade der Leichtigkeit. (Unna
empfiehlt Wasserstoffsuperoxyd gleichfalls zum Studium der Pilzkrank-
heiten, ferner als Entfärbungsmittel für Osmium- und Chromsäure-Prä-
parate, für Hämatoxylinprä])arate, ferner zur Klärung alter Gold- und
Sil ber-Präparate.)
Zur Tinction der inneren Wurzelscheide des Haares empfiehlt Unna
das Jod-Methyl -Anilin (Archiv für mikr. Anat. Bd. XII, p. 735), das,
an Alkoholpräparaten angewendet, beim Auszieben durch Alkohol an den
verhornten Zellen der Wurzelscheide in tief blauer Farbe haften bleibt
und nach Pikrocarminfärbung schöne Doppeltinction zeigt.
Für Flemmings Färbung eignen sich Präparate, die in Kali bi-
chromicum vorgehärtet und in Alkohol nachgehärtet sind, doch auch reine
Alkoholpräparate, nur dass an letzteren die Färbung der inneren Wurzel-
scheide weniger hell und leuchtend, mehr stahl- oder violett-blau aus-
fallt. Die Schnitte werden einige Stunden bis einen Tag lang in mittel-
starkem Pikrocarmin, dann einige Stunden in mittelstarkem Grenache ra-
schen Hämatoxylin (Bereitung s. in Flemming, Zellsubstanz, Kern and
Zelltheilung, 1882, p. 383) geförbt und nach Waschung in Wasser nach
Belieben in Balsam oder Glycerin eingelegt. Die Bindegewebsfibrillen
erscheinen rosa, bis roth, die Muskeln gelb-röthlich, alle Zellkörper
ähnlich, Zellkerne dunkel-purpurn bis violett. Die Hornsubstanz des
Haares pikringelb (in allen Chrompräparaten grünlich), die eben verhör-
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 255
nenden Zellen der Haarmatrix bräunlich, die innere Warzeischeide, soweit
sie verhornt ist, von einem brillanten Lichtblau. Die Doppelfarbung
gelingt an Präparaten, die längere Zeit in Kali bichromicum gelegen
haben, nicht mehr so gut.
Nägel.
Guldberg macht darauf aufmerksam, dass, wenn man Schnitte
von Nagel und Nagelmatrix mit verschiedenen Anilinfarben behandelt,
z. B. mit Safranin, Methylenblau und Gentianaviolett, und nachher in
salzsaurem Alkohol (Alkohol mit einigen Tropfen Salzsäure) entfärbt, die
Nagelsubstanz eine grössere Affinität zu den Farbstoffen zeigt, ja, noch
intensiver gefärbt wird als die Kerne der Matrix-Zellen. Dasselbe
geschieht an Schnitten von Präparaten, die vorher mit Kali bichromicum
oder Chromsäure oder mit einem Gemisch von Chromsäure, Osmiumsäure
und Essigsäure behandelt werden und nachher in Alkohol gehärtet sind.
Die Nagelsubstanz färbt sich immer stark braun, wenn sie längere Zeit
in einer dünnen Lösung (1 — 27©) von Kali bichromicum oder Chromsäure
C/jVo) gelegen hat. — Die üebergangszone erscheint bei frischen, in
Alkohol gehärteten, mit Eisessig behandelten, wie bei den in Kali bichro-
micum (1 — 2%) oder in Chromsäure ( 'A"/o) und sodann in Alkohol gehär-
teten und in Glycerin aufgehellten Schnitten als eine bräunliche oder
graubräunliche mehrschichtige Zellenlage.
Bei der Untersuchung des sogenannten primären Nagelgrundes hat
Zander für die Unterscheidung der Zellschichten charakteristische Farben-
reactionen erhalten. Zu diesem Zwecke lässt er eine wässerige l7o Lösung
von Methylorange (von Trommsdorff in Erfurt) eine halbe Stunde oder
zweckmässig noch länger auf einen Schnitt einwirken. Dieser wird durch-
weg gelb gefärbt, besonders intensiv aber die von ihm so genannte „Begren-
zungsschicht''. Absoluter Alkohol entfärbt den Schnitt allmälig vollkommen.
Am längsten wird die Farbe von der „Begrenzungsschicht" zurückgehalten.
Combinirt man mit dieser Tinction noch eine reine KemRrbung durch
Alauncarmin, so erhält man bei rechtzeitigem Abschluss der Extraction
durch Alkohol sehr instructive Bilder. Während die Epidermiszellen un-
gefärbt bleiben und die violette Alauncarminfarbe annehmen, zeigen sich
die Begrenzungsschicht mehr oder weniger intensiv gelb und die in ihr
liegenden Kernre«?te bismarckbraun. Bequemer iat folgende Methode: Eine
17q wässerige Lösung von Methyleosin (Trommsdorff) färbt in wenigen
Augenblicken dünne Schnitte prächtig roth. Die Zellkerne, in höherem
Grade aber noch die Begrenzuugsschicht, nehmen einen dunkleren Ton
an. Ohne Schaden kann man die Präparate selbst Tage lang in der Lösung
belassen ; starker Alkohol extrahirt immer die Farbe bis zu einem gewissen
Grade. Es besitzen die Körper der Epidermiszellen alsdann einen schwach
röthlichen Hauch, die Kerne zeigen ein mattes, etwas ins Bläuliche spie-
lendes Roth, die Begrenzungsschicht aber ist glänzend purpurroth gefärbt.
Die schönsten und lehrreichsten Bilder lieferte das von Weigert für die
Untersuchung des Centralnervensysteras (Centralbl. f. d. medicin. Wissen-
25() Leder mann und Uatkowski.
Schäften 1882, p. 753, 772 619) und vonMicheUon, för dermatologisehe
Zwecke empfohlene Säarefuchsin (Monatsh. £ inrakt. Denn. 1883. Nr. 12).
In der concentrirten wÄBserigen Lösung des Farbstoffes blieben die
Schnitte mehrere Stunden, wurden darauf in Brunnenwasser ond, wenn
keine Farbenwolken sich mehr bildeten, in die vorgeschriebene alkoholische
Kalihydratlosung gebracht. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, den
Moment abzupassen, wenn die entfurbten Schnitte, wiederum in Brunnen-
wasser gebracht, sich nicht von Neuem roth färben. Solehe Präparate
müssen nochmals zuerst mit Wasser und dann mit Kalialkohol extrahirt
werden. Gelungene Präparate worden in destillirtem Wasser abgespült
und dann in gewöhnlicher Weise in Balsam eingebettet. Wirkt das Wasser
oder der Kalialkohol zu lange auf die Schnitte ein, so wird schliesslich das
Säurefnchsin vollständig ausgezogen.
(Fort««tfaBC folgt)
BericM illier die Leistunpn
auf dem
Gebiete der Dermatologie uüd Syphilis,
Archlr f. Dennatol. u. Sjphll. Bftnd ZXVn. ^7
Hautkrankheiten.
(Redigirt von Prof. Kaposi in Wien.)
Bildnngsanomalien.
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Medizinskoje Obosrenje. Moskau 1892. Bd. 37, p. 1001.
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Brit. Med. Joum. 8. April 1893.
17*
260 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
17. Dee ShaplMld. The treatment of myxoedema by feeding witb the
thyroid gland of the sheep. The Brit. Med. Joum. 6. April 1893.
(1) Verf. kommt in dieser Arbeit zu folgenden Schlüssen:
1. Das einzige radicale Mittel zur Epilation ist die Elektrolyse.
.2. Die Spuren, welche nach der Operation zurückbleiben, sind bei An-
wendung schwacher Strome und bei richtiger Einfuhrung der Nadel gering.
3. Die Stromstarke soll im Allgemeinen nur 2—3 M.-A. betragen
und darf jedenfalls nicht 4 M.-A. überschreiten.
4. In einer Sitzung soll man nicht nahe bei einander stehende Haare
entfernen. Die Gesammtzahl der während einer Sitzung zu entfernenden
Haare soll im Allgemeinen nicht über 20—30 betragen.
5. Die Operation ruft nur unbedeutende Schmerzen hervor, so dass
eine locale Anästhesie unnütz ist. Selbst empfindliche Personen, welche
während der ersten Sitzung über bedeutende Schmerzen klagten, vertragen
später die Operation gut.
6. Am besten eignet sich zur Epilation die feinste Nr. der Näh-
nadeln (Nr. 12), wobei jeder Patient seine eigene Nadel haben mnss.
7. Beim Einfuhren der Nadel in den Follikel des zu entfernenden
Haares mnss man zwar versuchen, die Haarpapille zu treffen, da unter
solchen umständen die Zerstörung des Haares schneller und sicherer vor
sich geht. Es ist dies aber keine unumgängliche Bedingung, da die Wir-
kung der Elektrolyse nicht an der Spitze der Nadel ihre Grenze findet,
sondern auch auf die nächste Umgebung sich erstreckt.
8. Die Ausführung dieses Heilverfahrens erfordert nicht nur Geduld
von Seiten des Pat., sondern auch von Seiten des Arztes. Letzterer muas
ausserdem gut sehen können, eine feste Hand und grosse Uebung besitzen.
9. Die Zerstörung der Haarpapille geht hauptsächlich durch die
ehem. Wirkung des Stromes vor sich. Alfred Lanz.
(3) Zum Yerständniss des folgenden Referates ist eine kurze Beca-
pitulation des Inhaltes der ersten Arbeit G. Lew ins über Morbus Addi-
sonii erforderlich. L. gibt zunächst systematisch geordnet 277 der Lite-
ratur entnommene und 4 eigene Krankengeschichten. Sodann geht er auf
die Bedeutung der Nervi splanchnici und ihrer Ganglien, speciell des Gang-
lion coeliacum ein. Nach einer genauen Beschreibung der Anatomie des
N. splanchnicus, der zu % seiner Fasern von den Rüekenmarksnerven und
nur zu y, von dem Sympathicus abstammt, gibt er die Resultate der
Pflüger 'sehen Untersuchungen über die Physiologie des N. splanchnicns
wieder. Das Hauptergebniss derselben ist die Thatsache, dass Reizung des
Nerven Stillstand der peristaltischen Bewegungen des Dünndarms bewirkt,
für die Bewegung des Dickdarms jedoch indifferent ist. Nachdem nun L.
die Anschauungen Pflüger^s durch Besprechung aller einschlägigen Ar-
beiten und Versuche kritisirt hat, stellt er die Theorie auf, dass der
Splanchnicus einmal ein musculo-motorischer Nerv sei, durch seine Reizung
also befördernd, durch seine Lähmung hemmend auf die Darmmusculatur
und damit auf die Peristaltik wirkt, sodann als vasomotonscher Nerv bei
Reizung Contraction der Gefasse, also Anämie, bei Lähmung Hyperämie
der Dermatologie. 261
der Unterleibsorgane hervorruft. Da nun bei einer Erkrankung Reizung
und partielle Lähmung nebeneinander und nacheinander wirken können,
ergibt sich ein beim Morbus Addisonii in der That vorhandenes wechsel-
volles Symptomenbild. Es traten z. B. bei 33 Fällen Verstopfung, bei 74
Diarrhoen ein. üebelkeit und Erbrechen als Zeichen der gestörten Inner-
vation der von dem Sympathicus versorgten Digestionsapparate sind ziemlich
constant. Experimentell constatirte L. beim Hunde, beim
Hammel und beim Kaninchen nach Exstirpation derGanglia
coeliaca Meteorismus des Darms und Anfüllung desselben
mit harten Kothmassen. Bei den Kaninchen wurde erst Ver-
stopfung, dann Durchfall beobachtet; es würde dies einer
vorübergehenden Lähmung und dann erst eintretenden Rei-
zung des Splanchnicus entsprechen. Das in dem klinischen Bilde
des Morbus Addisonii eine hervorragende Rolle spielende Erbrechen ist
auf Reizungserscheinxmgen xmd vielleicht auch auf Lähmungen der sympa-
thischen Nerven zu schieben. Dass nicht etwa die veränderte Blutmischung
beim M. A. ähnlich wie bei der Urämie das Erbrechen erzeugt, ergibt
sich aus dem Umstände, dass Erbrechen auftritt, bevor von einer Alte-
ration der Blutmischung die Rede sein kann.
Die Hyperämie und Hypertrophie der Leber und deren häufige Folge,
die Verfettung, können wohl aus den Stauungsverhältnissen in dem Ffort-
adersystem erklärt werden, welche eben in Folge der Lähmung der
Splanchnici eintreten. Folgen der Hyperämie der Unterleibsorgane sind
auch wahrscheinlich die Erkrankungen der drüsigen Gebilde des Darms,
namentlich der Brunner^schen, Peyer'schen und solitären Drüsen. Gegen
eine Betheiligung des Splanchnicus an einem der häufigsten Symptome des
M. A., den epigastrischen Schmerzen spricht der Sitz derselben sowie ihre
specielle Eigenart. Die Kranken haben ein dumpfes, unbestimmtes Gefühl
in der Gegend des Magens, während die von den spinalen Nerven aus-
gehenden Schmerzen — der N. splanchnicus ist zu V^ seiner Fasern ein
Rückenmarksnerv — stets blitzartig wie z. B. bei der Tabes sind. Auch
die Nervengeflechte der Nebennieren sind entgegen der Anschauung ein-
zelner Autoren nicht für die epigastrischen Schmerzen verantwortlich zu
machen. L. fand bei seinen Versuchen an Hunden und Kaninchen eine
relativ geringe Schmerzhaftigkeit der Nebennieren. Dazu
kommt, dass in einer nicht kleinen Anzahl von Fällen die Neuralgien be-
standen, trotzdem die Section gesunde Nebennieren nachwies. Dagegen
sprechen eine Reihe von Momenten, insbesondere die von L. nachgewiesene
starke Empfindlichkeit bei experimenteller Reizung dafür,
dass die epigastrischen Schmerzen von dem Plexus solaris
ausgehen, also eine Hyperästhesie des Plexus darstellen. Im weiteren Ver-
lauf der Arbeit sucht L. den Nachweis zu fuhren, dass ein grosser Theil
der mannigfachen, beim M. A. beschriebenen Symptome direct und in-
direct von der Erkrankung des N. splachnicus abhängt. Während die
Verhältnisse der Lunge wegen der ungemein häufig vorhandenen compli-
cirenden Tuberculose von geringerem Interesse sind, ist die Anämie und
262 Bericht über die Leistungen aof dem Gebiete
Atrophie des Herzens von der durch die Splanchnicns-Lähmung bedingten
Hyperämie der Unterleibsorgane abhängig. So eridaren sich manche Er-
scheinungen, insbesondere der kleine Puls. Die häufig beschriebene Puls-
beschleunig^g ist von der Verminderung des Tonus der Yaguswurzeln
und diese wieder von der Anämie des Gehirns abhängig. Die Blutleere
des Gehirns ist ebenso wie die Blutleere des Herzens zu erklären. £& ist
ohneweiters klar, dass bei einem Krampf der vasomotorischen Nerven
des Unterleibs Anämie der Unterleibsorgane und damit gerade das Ge-
gentheil der eben geschilderten Symptome eintreten muss. Die wichtigste
Frage in der Pathogenese des M. A., die Beziehungen der Nebennieren
zur Hautfarbung, ist noch nicht einwandsfrei zu lösen. Es mehren sich
eigentlich dauernd die Fälle, in den Bronzefarbnng bei gesunden Neben-
nieren und kranke Nebennieren ohne Bronzefilrbung gefunden werden.
Besteht aber eine Beziehung zwischen dem Morbus Addisonii und den
Nebennieren, so fragt sich, welcher Theil der Nebennieren diesen Effect
bewirkt. Nach den Krankengeschichten lässt sich nicht entscheiden, ob
Rinde oder Mark der Sitz der Erkrankung ist. Ob die Nebennieren einen
Einfluss auf die Blutbereitung und Pigmenterzeugung haben, suchte L.
experimentell festzustellen. Das Blut von Kaninchen und Hunden, denen
beide Nebennieren exstirpirt waren, zeigte 2 Tage und 1 Monat nach
der Operation keine Spur von Pigment. Auch die Häminkrystalle des
Blutes dieser Thiere unterschieden sich nicht von denen gesunder. Für
die Hypothese, dass das Pigment beim M. A. aus dem Blut stamme und
Indican ist, sprechen Versuche L.'s. Im Blut von 7 Kaninchen (von 20),
denen die Nebennieren exstirpirt waren, konnte Indican gefunden werden.
Die Thiere hatten Durchfalle gehabt und wenig gefressen, es lag aber
keine Retention von Danninhalt vor. Ein grosser Theil der ausserordent-
lich interessanten Gedanken der Arbeit konnte naturgemäss nicht im
Referat berücksichtigt werden. Heller.
(4) In einer 12 Bogen umfassenden Arbeit hat L. von einem ganz
andern Gesichtspunkt, als den in der vorhergehend referirten Studie die
Lehre vom Morbus Addisonii zu behandeln unternommen. Zu den früher
veröffentlichten 300 Krankengeschichten wurden durch Revision der älte-
ren und Berücksichtigung der neuesten Literatur circa 500 weitere Fälle
gesammelt. Indem nun L. diese 800 zum grössten Theil gut beobachteten
Krankengeschichten — nur solche werden ja im Allgemeinen veröffentlicht
— gewissermassen statistisch verarbeitet, gibt er ein objectives Krank-
heitsbild, dessen einzelne Züge nicht der Phantasie entnommen sind,
«ondem auf realen, in Zahlen ausgedrückten Beobachtungen beruhen. An-
Btatt der in der klinischen Darstellnng beliebten allgemeinen Bezeichnungen,
wie: „viel, selten", tritt die Zahl, die Procentziffer. Die meisten dieser An-
gaben werden dadurch doch einmal controlirt, dass die gesammelten 800
Fälle för 8 Statistiken verwerthet werden, von denen die eine die ersten
300, die zweite die letzten öOO, die dritte 684 theils der ersten, theils
der zweiten Kategorie angehörende Fälle umfasst.
der Dermatologie. 2fö
Aetiologie. An Morbus Addisonii erkranken etwa 60V« Männer und
407« Frauen, von denen eine grossere Zahl unverheiratet oder kinderlos
gewesen ist, woraus hervorgeht, dass eine Beziehung der Addison'schen
Krankheit zur Gravidität nieht besteht, obwohl gerade sonst Pigmentver-
änderungen während der Schwangerschaft regelmässig eintreten. 557« der
Kranken befanden sich im Alter von 20 — 50 Jahren. Aber auch bei einem
Sjähiigen Kinde und 81jährigen Greise vnirde die Krankheit constatirt.
Stand, Beruf, Beschäftigung der Kranken ergeben kein ätiologisch
verwerthbares Moment; von dem Morbus Addisonii werden sowohl im
Haus beschäftigte, als im Freien arbeitende, sowohl vorwiegend geistig
thätige als auch von ihrer Hände Arbeit lebende Individuen befallen. Dies
steht im Gegensatz zu der Erfahrung, dass Vermehrung des Hautpigmentes
bei Menschen, die den Einflüssen der Temperatur ohne genügenden Schutz
ausgesetzt sind, eine regelmässige Erscheinung ist. Die Addison'sche Krank-
heit kommt nicht nur bei den pigmentarmen hellen Bässen vor, sie wurde
auch bei einem Hindu und einem Mulatten beobachtet. Auch Heredität
und vorangegangene Krankheiten spielen in der Aetiologie des M. A. keine
Bolle. Nur in drei Fällen wurde die Krankheit auch in der directen As-
cendenz beobachtet. Bei 10 Kranken wurde chronischer Alkoholmissbrauch,
bei 9 Syphilis, bei 7 hereditäre Belastung mit Tuberculose constatirt. Auf
die Beziehungen des M. A. zur Tuberculose überhaupt wird später einge-
gangen werden. Von den übrigen Krankheiten und äusseren Schädlich-
keiten wird in der Anamnese der 800 Patienten keine so häufig erwähnt,
dass man ihr ätiologische Bedeutung beimessen könnte. Köi-perliche Ueber-
anstrengung wird nur bei 29, übermässige geistige Arbeit nur bei 18 Pa-
tienten angegeben. Die von einigen Autoren als ätiologisch wichtig be-
trachtete Malaria überstanden im Ganzen 657« der Kranken. Das Ergebniss
der ätiologischen Untersuchungen ist also negativ ; auch für die Annahme
eines infertiven thierischen oder pflanzlichen Virus geben die objectiven
Krankengeschichten keinen Anhalt.
Symptomatologie. Die Krankeit pflegt mit Störungen des Di-
gestionsapparates zu beginnen. Bei 13 7o der Kranken kommt es zu Durch-
fallen, bei llVo zu dauernder Verstopfung, ohne dass eine Gesetzmässig-
keit, etwa beginnende Verstopfung, folgende Durchfalle zu constatiren
wären. Zuweilen tritt Wechsel von Diarrhoe und Durchfall ein. Auch
unstillbarer Durchfall, Tenesmus, Incontinentia alvi wurde von den Autoren
beobachtet. In einem Drittel aller Fälle wurde üebelkeit und Erbrechen,
meist Anorexia, häufig Aufstossen, Gefühl des Vollseins, Flatulenz con-
statirt. Ein Theil der Kranken klagte über Schmerzen im Unterleib, die
auf Druck nur in wenigen *) Fällen sich steigerten. Die Schmerzen sind
in 157, der Fälle im Epigastrium localisirt. Die reissenden und bohrenden
Schmerzen sind meist vorübergehend, waren nur in einem Falle constant.
Eine Folge der subjectiven und objectiven gastrischen Störungen ist eine
') Für alle allgemeinen Quantitäts-Bezeichnungen des Referates gibt
das Original ezacte Zahlen und Belege an.
264 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Yerschlechterung des Allgemeinbefindens, die sich in Gewichtsabnahme
und zunehmender Anämie äussert. Indirect wird anch das Gentrainerven-
System in Mitleidenschaft gezogen. Ohrensausen, Schwindelempfindungen,
Kopfschmerzen treten auf, ja es kommt zu Convulsionen und epileptischen
Anfallen. Auch directe Geisteskrankheiten, Delirien, Manien, Melancholien,
Idiotie, Blödsinn u. s. w. wurden beobachtet. Dagegen scheinen AiTecti-
onen des Rückenmarks nur verhältnissmässig selten vorzukommen. Gering
sind auch die am Herzen beobachteten Veränderungen: der Puls ist meist
klein und weich, die Frequenz im Anfang der Krankheit vermindert, im
späteren Verlauf erhöht. Herzerkrankungen kamen nur bei etwa öV« der
Kranken vor. Wenig erforscht ist die Pathologie des Blutes; die angege-
benen Untersuchungen sind nicht auf die Hilfsmittel der modernen Technik
basirt. Nicht allzu häufig sind Nierenerkrankungen. Bei einigen Kranken
wurde Albuminurie, Hämatozie, Acetonurie, Indicanurie constatirt, andere
litten an Symptomen von Bright'scher Krankheit und Diabetes insipidus.
Zu Symptomencomplex spielen Erkrankungen von Leber und Milz keine
wesentliche Rolle, wenn auch zuweilen Vergrösserungen und Verkleine-
rungen klinisch diagnosticirt werden. Dagegen beherrschen in vielen Fällen
die Symptome der Lungenerkrankung das klinische Bild, da in 257« aller
Fälle bei der Section Lungentuberculose nachgewiesen wurde.
Das für die Diagnose Morbus Addisonii Ausschlag gebende Symptom
ist die Veränderung der Hautfarbung. Dieselbe kann in den einzelnen
Fällen ganz verschieden sein, bei demselben Individuum eine ganze Scala
von Farbentönen und Nuancen durchlaufen. Die Hautfarbung wird von den
Autoren blassgrau, grau, bleifarben, orangeblass, gelbbraun, wachagelb,
olivengrün, grünlichbraun, kupferfarbig, bronzeähnlich, rauchbraun, choco-
ladenbraun, sepiaartig, schwarz genannt. Häufig werden zur Bezeichnung
der Farben Vergleichsobjecte wie „leberfleckähnlich^, negerartig**, „wallnuss-
braun ** u. a. herangezogen. Am häufigsten ist die Färbung bronzeähnlich
(54 Fälle), dunkelbraun (21 Fälle), schwarz (20 Fälle). In etwa TO*/, aller
Fälle war die Färbung eine diffuse, grössere Hautpartien überziehende;
in dem Rest trat sie in grösseren oder kleineren Flecken auf. Hautnarben
waren in 10 Fällen gefärbt, in 8 Fällen Schwund des Pigmentes. Leuko-
dermie fand sich bei 5 Kranken. Bei 3 bestand abnorme Trockenheit der
Haut, bei 5 Hyperidrosis. Die einmal aufgetretene Hautfarbung macht nicht
nur im Verlauf der Krankheit Veränderungen, sondern verschwindet auch
zuweilen eine Zeit lang (3 Fälle) oder auch gänzlich (2 Fälle).
In einem Drittel der Fälle war die Haut des Kopfes gefärbt; be-
sonders häufig sind Hände, Genitalien, Hals befallen. In 227« aller Be-
obachtungen kamen Pigmentveränderungen der Schleimhäute vor. Von
den Anhangsgebilden der Haut sind die Nägel meist abstechend weiss,
trotzdem wird in 9 Fällen die dunklere Färbung besonders hervoi^gehoben.
Auch die Haare nahmen bei 3 Kranken eine dunklere Farbennuance an.
Irgend eine Beziehung der Färbung der Haut zur Intensität, zur Dauer
der Krankheit, zu hinzutretenden Gomplicationen und accessorischen Krank-
heiten konnte nicht nachgewiesen werden.
der Dermatologie. 265
Die pathologische Anatomie ist in der Arbeit L e w i n s unter Zugrunde-
legung von 311 Sectionsprotokollen sehr ausfuhrlich behandelt Es ergab
sich, dass in den typischen, mit Bronzefarbung der Haut verlaufenden Fällen
die einzelnen Organe sich mit folgenden Procentzahlen an den patholo-
gischen Veränderungen betbeiligen: Nebennieren 887o) Lunge 36 Vo» Leber
18Vt, Milz 13Vp, Nieren 137,, I>arm 8%, Magen 7%, Centralnervensystem
7%, Sympathicus und seine Ganglien 57o- Aus den pathologischen Angaben
folgt eine grosse Zahl meist kritisch-negativer Schlüsse. Vor Allem ergab
sich über den Zusammenhang der Braunfarbung der Haut mit der Erkran-
kung der Nebennieren:
Typische Fälle von M. A. mit kranker Nebenniere zz 88Vo
n » r, y, y> n gesunder „ = 12%
Erkrankung der Nebennieren mit Bronzefarbung . . zz 227«
» » » ohne „ =: 287.
In einer nicht kleinen Zahl von Fällen sind also die Nebennieren
bei dem typischen Symptomenbild des M. A. gesund und in einer über
doppelt so grossen die Nebennieren erkrankt, ohne dass während des Lebens
das Krankheitsbild des M. A. beobachtet worden wäre. Alle Versuche aus
der Art der Nebennierenerkrankung, aus der Aifection, beziehungsweise
dem Mangel einer oder beider Nebennieren irgend welche Schlüsse zu
ziehen, muss als aussichtslos bezeichnet werden. In neuer Zeit hat man
zur Erklärung der Pathogenese des M. A. die Erkrankung des Bauch-
sympathicus und seiner Ganglien herangezogen. Auch Lewin (vgl. das
vorangehende Referat) hat experimentelle Stützen für diese Theorie gegeben.
In 69 Fällen wurde der Nerv 52 Mal erkrankt, 17 Mal gesund gefunden.
Häufig unterblieb eine Untersuchung des Sympathicus; der normale Be-
fund ist wohl meist nicht erwähnt. Ausserordentlich wichtig ist eine
Beobachtung Virchow's, nach welcher in einem typischen Falle von
M. A. Nebennieren, Ganglien, Sympathicus gesund waren.
Die Diagnose ist meist nicht schwierig, wenn Hautfärbung, Allge-
meinerscheinungen, Schwäche, Verdauungsstörungen, epigastrische Schmer-
zen vorhanden sind, jedoch gibt es Fälle, in denen alle Erscheinungen bis
auf die Bronze selten fehlen und bei denen dennoch die Section Neben-
nieren-Erkrankung nachweist.
Die Prognose ist ernst. In 707, der Fälle erfolgte der Tod während
der Beobachtungszeit, 17*570 waren nicht abgelaufen, in 8'67o wurde Bes-
serung, in 3*57o Heilung constatirt. Wenn auch die letztgenannte Zahl
bei strenger Kritik sich verringert, so existiren doch 4 anscheinend wirk-
liche Heilungen (0.57o)- Bei einem Kranken wurde noch 24 Jahre nach
Ablauf der Krankheit völliges Wohlbefinden constatirt. Berücksichtigt man
für die Dauer der Krankheit nur die letal geendeten Fälle, so ist das
Mittel 27, Jahre; bei einem Kranken verlief jedoch die Krankheit in einem
Monat, während sie bei einem andern 10 Jahre dauerte.
Die Therapie ist zur Zeit symptomatisch. In den geheilten und
gebesserten Fällen hatte man neben roborirenden Diät Eisen, Wismuth,
Arsen, Chinin, Jodkali gegeben. Zu wenig angewandt ist entschieden die
266 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Elektricität (nur 2 Besserungen). Da der Symptomeneomplez des M. A.
in einer nicht kleinen Zahl von Fällen bei gesunden Nebennieren und
intacten Sympathicus-Ganglien beobachtet wurde, so muss auch die Hoff-
nung aufgegeben werden, die Chirurgie könne durch Exstirpation jener
Organe sich ein neues therapeutisches Gebiet erobern. Eine rationelle
Therapie ist erst ron einem besseren Yerstandniss des Erankheitswesens
zu erwarten. Heller.
(5) Es handelte sich um einen sehr exquisiten Fall von Morbus
Addisonii bei einem 41 a. n. Reisenden, der vor 20 Jahren Lue« durch-
gemacht hat. Es bestand zugleich ein hochgradiger angeborener Wolfs-
rachen und ein seltenes Yorkommniss — Yitiligo. Es befand^i sich an
der rechten Hals- und Nackengegend mehrere stecknadelkopfgrosse und
ein handtellergrosser, absolut pigmentloser, rein weisser Fleck, der nur
durch spärliche braune Flecke gesprenkelt war. Keine Zeichen weder von
Tuberculose der Lungen, noch von Carcinom irgend eines Org^ans nach-
weisbar. Yon Seiten der Nebennieren oder Nieren Hessen sich ebenfalls
keine Abnormitäten nachweisen. A. Grünfeld.
(7) Hoffa hatte die Gelegenheit in einem Falle von beginnendem
Skleroderma (34 a. n. Manne) des rechten Oberschenkels die erkrankte
Hautstelle — 21 Cm. lang, an der breitesten Stelle 5 Cm. breit — zu
entfernen. Durch die Naht wurden nur die Enden der Wunden vereinigt,
Jodoformgase aufgelegt und nach 8 Tagen die granulirenden Partien mit
vom Oberschenkel genommenen Thiersch'schen Transplantationen bedeckt.
Die Heilung erfolgte anstandslos. Bei der genau vorgenommenen mikro-
skopischen Untersuchung eonstatirte H. eine zellige Infiltration in den
Scheiden der Drüsen und der Fettträubchen und hauptsächlich eine Yer-
änderung der Arterien in Form von Peri-, Mesa- und Endarteritis fibrosa.
Somit meint H., dass das Wesen der sklerodermischen Processe im We-
sentlichen in der Erkrankung der Hautarterien zu suchen ist.
A. Grünfeld.
(8) Rossi kommt nach der histologischen Untersuchung der Haut
eines Falles von Elephantiasis acquisita zu dem Schlüsse, dass es sich
bei dieser Krankheit um eine Folge langdauemder Entzündung handle,
von welcher sie das Stadium der Neubildung reprasentire, nicht aber um
die Folgen einer Lymphstauung. Er fand neben Hyperplasien in den
verschiedenen Schichten der Epidermis Erweiterung der Lymphräume in
der Zona papillaris, im Unterhautzellgewebe weite Strecken eines com-
pacten Gewebes, in welchem nicht mehr einzelne Bindegewebsfasern er-
kennbar sind, ferner eine reichliche, zellige Infiltration, bestehend aus
dreierlei Elementen: Leukocyten des Blutes, Fibroblasten und Mastzellen
nach Ehrlich. Spietschka.
(9) Corkhill's Patientin, eine verheiratete Frau von 32 Jahren,
erkrankte nach einer Ueberanstrengung des Nervensystems innerhalb 48
Stunden an Myxödem und einer kolossal vergrösserten Gland. thyreoidea.
Die Schwellung war so stark, dass sie ein Gefühl von Suffocation hervor-
rief. Yerf. glaubt, dass die Schwellung, die eine rein vasculäre war,
der Dermatologie. 267
den wahren Zustand der Drüse selbst maskirte und keinerlei Beziehong
zum Myxödem hatte. Durch Injectionen mit Extract aus der Gland.
thyreoidea wurde die Kranke geheilt. Die Druse war etwa noch halb so
gross als vorher. Sternthal.
(10) Gibsen wendet sich zunächst gegen die Ansicht Horsley's,
dass die Gland. thyreoidea ein blntbereitendes Organ in Bezug auf corpus-
culäre Elemente, gewissermassen ein compensatorisches Organ der Milz
sei. Durch Versuche an Hunden hat er erwiesen, dass bei einem Hunde,
dessen Milz excidirt ist, die Zahl der rothen Blutkörperchen sinkt und
dass dies Sinken zwei Monate nach der Excision seinen Höhepunkt er-
reicht. Damit ist die Annahme der compensatorischen Function der beiden
Organe widerlegt. Als nun Gibsen dem Hunde, dem er die Milz entfernt
hatte, zuerst einen Lappen der Thyreoidea herausschnitt, hatte dies auf
das Thier keinen schlechten Einfluss und trotz der Excision erreichten
die rothen Blutkörperchen in einem weiteren Monat die Zahl wieder, die
vor der Excision der Milz bestanden hatte. Der zurückgebliebene Lappen
der Th3rreoidea wurde dann ebenfalls entfernt, worauf das Thier in 14
Tagen zugrunde ging; die Zahl der rothen Blutkörperchen war aber
2 Tage vor dem Tode genau so gross wie vor der Excision des ersten
Lappens. Dieses Thier lebte ohne Milz und ohne Thyreoidea genau so
lange wie andere Hunde, denen nur die Thyreoidea excidirt war. Eine
andere Frage ist es indessen, ob nicht die Thyreoidea eine Substanz ab-
sondert, welche die chemische Zusammensetzung des Blutplasma ver-
ändert. Verf. bekennt sich zu der Schiff'schen Theorie, wonach die
Drüse eine Substanz absondert, deren Absorption in das Blut eine Lebens-
bedingung ist, und zu der Erweiterung dieser Hypothese von Sanguirico
und Caualis, dass die Drüse ein Material absondere, dass für die Er-
nährung des Centralnervensystems nöthig sei.
Verf. gibt dann die Krankengeschichte eines Kindes, das er zuerst
sah, als es im Alter von 2 Jahren an Myxödem erkrankt war. Abbil-
dungen zeigen das Kind in diesem Alter und mit der vorgeschrittenen
Krankheit im Alter von 4 und 6 Jahren. Es bot zu dieser Zeit alle ty-
pischen Erscheinungen des Myxödems. Am 20. Juli 1891 wurden dem
Kinde, die gleichzeitig im Opei^tionsraume entfernten beiden Lappen
einer Lammsthyreoidea in die Scheide des rechten Pectoralis major
unterhalb der Brustwarze eingepflanzt, nachdem jeder Lappen zuvor ge-
spalten war. Am folgenden Tage schon besserte sich der Geisteszustand
des Kindes und fuhr fort sich zu bessern bis Mai 1892. Zu dieser Zeit
begann die Haut wieder die Tendenz zu zeigen trocken zu werden, ob-
wohl kein Anzeichen für eine Rückkehr des Oedems da war. Es wurden
deswegen am 20. Mai die Lappen einer Lammsthyreoidea in das Abdomen
des Kindes gebracht, nachdem jeder Lappen wieder erst gespalten war.
Ein Lappen wurde durch eine Silkwormnaht an die Knke vordere Bauch-
wand befestigt, der andere frei in die rechte Seite der Bauchhöhle gelegt.
Die Incision war in der Linea alba gemacht; die Wunde heilte per
primam und es traten keine Zeichen peritonealer Reizung, noch Aus-
268 Bericht über die Leistongen aof dem Grebiete
dehnang des Abdomen auf. Trotz intercurrirender, dreiwöchentlicher £r-
krankmig an Dysenterie besserte sich das Kind bis September 1892 kör-
perlich und geistig bedeutend. Die Drüse links konnte länger als 2 Monate
deutlich gefühlt werden, später wurde sie weniger deutlich, vrar aber doch
noch nachweisbar. Die unbefestigte Drüse konnte ebenfalls mehrere Wochen
deutlich gefühlt werden.
Das erste Lamm (das zweite g^ng in der Narkose zugrunde) zeigte
nach Entfernung der Thyreoidea keinerlei Symptome. Es wurde 7 Monate
nach der Excision getödtet. Eine accessorische Thyreoidea wurde nicht
gefunden. Dagegen entdeckte man bei genauester Untersuchung der Tra-
chealgegend vom an der Trachea, zwischen dieser und der Narbe, ein
etwa bohnengrosses Stück der Drüse. Es war zweifellos ein aus einem
kleinen Stückchen der Drüse, das bei der Operation zufällig zurückgelassen
war, hypertrophirtes Drüsengewebe. Dieses hatte die Functionen der Drüse
übernommen. Sternthal.
(11) Hol mann heilte einen sehr schweren und alten Fall von
Myxödems durch interne Darreichung von Gland« thyreoidea. Er macht
darauf aufinerksam, dass man nur kleine Dosen geben darf, da grosse
stürmische Herzaction und Nausea verursachen. In seinem Falle genügte
ein halber Drüsenlappen einen um den anderen Tag gegeben. Er wurde
mit Scheren in demselben Glase fein zerschnitten, aus dem die Patientin
ihn nachher mit etwas Brandy und Wasser trank. Sternthal.
(12) Mackenzie gibt noch einmal ausfuhrlich die Symptome des
Myxoedem und dessen Pathologie, bespricht dann die Behandlungsmethoden
desselben mit Injectionen und erwähnt darauf die von ihm gleichzeitig
mit und unabhängig von Fox (Plymouth) gemachte Entdeckung, dass
auch das Extract der Drüse oder diese selbst per os gegeben, denselben
Effect erzielt wie die Injectionen. Er stellt dann eine Patientin vor, an
der er die Erfolge dieser Behandlung nachweist. Mackenzie gab zuerst
die Drüse in fein zerschnittenem Zustande mit etwas Brandy und Beeftea.
Später Hess er die zerkleinerte Drüse mit etlichen Theelöffeln Wasser eine
halbe Stunde stehen, dazm wurde das Gkinze ausgepresst und der Saft
durch ein Stück Linnen oder Monselin durchgegeben. Der ausgepresste
Saft wurde mit Beeftea gereicht. Kochen zerstört die Wirkung der Drüse.
Man braucht von der Drüse nicht viel zu geben; eine oder eine halbe
Drüse oder deren Extract zweimal wöchentlich genügen im Anfang;
später einmal wöchentlich. Mackenzie theilt mit, dass Mr. White,
der Apotheker des St. Thomashospitals, ein Pulver aus der Drüse hergestellt
hat, das geschmacklos ist, sich gut hält und g^at anschlägt. Sollte dieses
Pulver sich weiter bewähren, so wäre ein grosser Fortschritt in der Be-
handlung des Myxödems erzielt. Sternthal.
(18) Lundie besserte eine seit 14 Jahren an Myxödem erkrankte
54jährige Frau zuerst mit Injectionen von Extract der Gland. thyreoidea.
Da aber Schmerzen und Abscesse nach den Injectionen auftraten, mussten
diese ausgesetzt werden, worauf schon 5 Wochen später wieder eine
Verschlechterung zu constatiren war. Verf. entschloss sich darauf, das
der Dermatologie. 269
Extract per os zu geben und zwar zweimal wöchentlich Extract von V,
Schafsthyreoidea. Das Resnltat war ausgezeichnet. Innerhalb 14 Tagen
trat deutliche Besserung ein, die weiter fortschritt. Verf. warnt besonders
vor übermässiger Körperanstrengung während der frühen Stadien der Be-
handlung, da nach einer solchen Anstrengung seine Patientin livide und
athemlos wurde und nur durch Stimulantien und ruhige Rückenlage dem
Tode entging, der zwei Patienten Murray's aus ähnlichem Anlasse
betroffen hat. Sternthal.
(14) Creswell Babes behandelte nach dem Vorgang^ Hector
Mackenzie^s eine 53jährige Frau, die schon seit 6 Jahren an Myxödem
litt, mit irischer Schafsthyreoidea. Er reichte die zerkleinerte Drüse mit
Anchpyypaste gemischt auf geröstetem Weissbrot. Sie wurde mit einem
kleinen Brandy und Selterswasser hinuntergespült. Unter dieser Behand-
lung trat entschiedene Besserung ein. Nach Darreichung einer ganzen
Drüse trat 36 Stunden später Kopfschmerz und intensiver Rücken- und
Gliederschmerz auf, was Verf. darauf zurückfuhrt, dass die Producte des
festen Oedems im Blute circulirten. Denn bei Inactivität der Drüse bildeten
sich krankhafte Producte, die bei künstlicher Einführung des Saftes der
Gland. thyreoidea, sei es nun subcutan (nach G. R. Murray) oder per os
(nach H. Mackenzie und E. L. Fox) einer raschen Absorption anheim-
fielen. Gibt man nun sehr grosse Mengen der Drüse, so werden auch
grössere Mengen jener Producte absorbirt, und es treten dann leichte un-
angenehme Nebenwirkungen auf. Sternthal.
(16) Eine 44jährige Frau, seit 14 Jahren an Myxödem erkrankt,
wurde von Henry nach Murray's Methode durch Injection mit dem
Extract der Gland. thyreoidea bedeutend gebessert. Als man darauf zur
Darreichung roher Drüse überging, so erwies sich in diesem Falle die
Methode entschieden nicht gleich werthig den lujeotionen. Zwar kehrten
die Oedeme nicht wieder, doch wurden Menses und Stuhlgang, die unter
den Injectionen regelmässig gewesen waren, wieder unregelmässig und der
Einfluss auf die Temperatur war nur vorübergehend. Sternthal.
(17) Dee Shapland behandelte eine 52jährige, seit 10 Jahren an
Myxödem leidende Frau mit frischer Schafsthyreoidea. Die Patientin
wurde wesentlich gebessert Sternthal.
Parasitäre Dermatosen.
1. Eddowes, Alfred. Treatment of ringworm. (With Discussion.) The
Brit. Med. Joum. 15. April 1893.
2. ]IIa8§azza, Guiglielmo. A proposito del nuovo melodo Peroni per la
cura della Tigna. Giom. ital. delle malattie ven. e della pelle.
XXVm. Fase. I.
3. Mibelll, Y. Sul Favo (conte fine). Giomale Italiano delle Bialattie
Veneree e della Pelle. Anno XXVUI. Fase. 3.
(1) Eddowes empfiehlt zur Behandlung des Herpes tonsurans der
Kopthaut eine Methode, die im Wesentlichen mit der von Unna ange-
270 Bericht über die Leistungen anf dem Gebiete
gebenen identisch ist. In der ersten Woche werden die Haare möglichst
kurz geschnitten und eine Schwefelsalbe (3J ^^ 3J Vaseline) eingerieben.
Darüber wird Tag und Xacht eine Kappe getragen. Die Kopfhant wird
in dieser Woche 2 — ^dmal gewaschen. In der zweiten und den folgenden
Wochen wird eine zusammengesetzte Chrjrsarobinsalbe (25 Grs. Gfarysa-
robin auf 3J Vaseiiae, 26 Grs. Iditiiyol, 10 Grs. acid. salicyl.) auf einen
kleinen Bezirk der Kopfhaut eingerieben (nicht so viel, dass sie auf
Gesicht, Nacken oder Ohren laufen kann), der Best der Kopfhaut wird
mit Schwefelsalbe bedeckt. Darüber kommt ein Stück Guttaperehapapier
oder WachstafTet und zum Schluss eine festliegende Kappe. Die Salbe
wird täglich erneuert Wird die Haut empfindlich, so wischt man die
Chrysarobinsalbe mit Werg oder Watte ab und reibt die Schwefetealbe
allein ein. Wird die Chrysarobinsalbe gut vertragen, so wird sie allmälig
in immer ausgedehnterem Umkreise angewandt, bis die ganze Kopfhaut
damit bedeckt ist. Man wendet sie aber nie langer hintereinander an als
4 Tage. Dazm wird jedenfalls die Schweielsalbe benutzt. Am letzten Abend
der Woche wird der Kopf gut mit Olivenöl abgerieben und Morgens mit
weicher Seife oder Sodawasser abgewaschen, abgetrocknet und dann
eingeölt. — Da imter den ärmtt'en Classen in den Sdiulen der Herp. tons.
capillitii häufig verln^tet wird, so schlägt Eddowes vor, dass das Haar
der Kinder kurz geschoren werden soll, die Kopfhaut einmal wöchentlich
mit warmem Wasser und Seife gewaschen wird und dass dann Oel oder
Vaseline angewandt wird. Am Ende jedes Lehrganges, besonders im
Sommer, sollten die Köpfe untersucht und die Vormünder der Kinder
sollten von dem Vorhandensein der Kranklieit benachrichtigt werden.
Die Kinder dürften beim Wiederbeginn der Schule nur zugelassen werden,
wenn sie geheilt oder so gekleidet waren, dass sie nicht für die anderen
eine Quelle der Contagion wurden. Um sieher zu wissen, ob die Affection
geheilt sei, müsse man verlangen, dass nach Aussetzen der B^andlung
für mehrere Wochen der Kopf gesund bleibe. Am besten sei es von aus-
gezogenen Haaren Gulturen in der von Unna gelehrten Weise an-
zulegen.
Mercurialpraparate dürfe man nur mit Vorsicht anwenden, da bei
Herp. tons. die Homschicht der Haut vielfach defect sei und so Resorption
stattfinden könne.
In der Discussion bemerkt Abraham, dass er folgende Einreibung
abends und morgens brauchen lasse: Mit W]fe einer steifen Bärste wird
eine Pomade eingerieben, bestehend aus Lanolin und Vaseline aa 3>*7 a<^<^-
carbol. und acid. salicyl. aa J^sn bis j. Die Kopfhait wird von Zeit zu
Zeit rasirt, das Haar kurz geschoren und immer fettig gehalten. Eine
Kappe wird beständig getragen, aber täglich gewechselt and &ils aus
Leinen, täglich gekocht. Der Kopf wird einmal wöchentlich mit einer
antieeptischen Seife gewaschen. Abraham betraditet «inen Fall erst
dann als geheilt, wenn nach mehreren Untersuchungen keine kurzen
Stümpfe mehr zu sehen sind, keine kranken oder irregulär wachsenden
Haare, kein Schorf und bei mikroskopischer Untersuchung keine Sporen.
der Dermatologie. 271
— Normaun Walker benutzt zur Züchtung der Pilze oft eine einfache,
schwach sauer gemachte Dextroselösung. Sternthal.
(2) Massazza berichtet über die Erfolge, die an der derm.-syph.
Klinik zu Pavia mit der 1691 von Peroni angegebenen Methode zur
Heilung des Favus erzielt wurden. Bei drei Kranken wurde genau in an-
gegebener Weise durch lange Zeit hindurch (vom lO^II. bis 4^YL, ld./lV.
bis 21./yil., 5./yi. bis October) die Behandlung durchgeführt, jedoch
wurde bei keinem eine Heilung erzielt, so dass die Methode gegenwärtig
als unbrauchbar bei Seite gelassen werden muss. Spietschka.
(3) Mibelli bespricht in dieser Fortsetzung zu seiner Arbeit
über den Favus im Fase. II zunächst die histologische Zusammensetzung
und Entwickelung des Scutulum, welches in der Regel bei allen Favus-
Erkraukungen, wenn nicht makroskopisch, so doch mikroskopisch vor-
handen ist, und nur bei den rasch verlaufenden erythematösen Formen
nicht zur Entwickelung kommt. Somit bildet das Scutulum ein wesent-
liches klinisches Unterscheidungsmerkmal des Favus gegenüber anderen
Mycosen. Der Pilz entwickelt sich nicht in den tiefsten Lagen der Hom-
schicht, sondern immer in den mittleren. Darauf folgt eine ausföhrliche
Schilderung der concentrischen Structur und der Dellenbildung am
Scutulum, welche nicht durch die dasselbe durchbohrenden Haare bedingt
sei, sondern durch die Art des Wachsthums des Pilzes und die Reaction
der Haut. Diejenigen Scutuli, welche die Grösse einer Linse überschreiten,
seien aus mehreren ursprünglich getrennten Pilzcolonien durch Confluenz
entstanden. Nur an der vertrockneten Oberfläche des Scutulum kommen
anderweitige Mikroben vor, in der Mitte und den tieferen Theilen bestehe
es nur aus Sporen und H3rphen. Anfuhrung von Fällen, wo die Pilzmassen
grosse, den Kopf bedeckende Krusten bilden. In Bezug auf die Topo-
graphie des Pilzes in der Haut ist zu bemerken, dass sich der Pilz
sowohl im Haarsohaft, als auch in den Scheiden des Haares entwickelt,
und zwar am reichlichsten in der Höhe des Infundibulum. Die Pilz-
vegetationen lassen sich oft im Inneren des Haarschaftes mehrere Cm.
weit im freien Theile desselben nachweisen. Dass ein ein Scutulum durch-
setzendes Haar frei von Pilzen ist, kommt an der Haut des Kopfes häu-
tiger vor als am Körper. In der Höhe des Infundibulum dringt der
Pilz direct in das Innere des Haares ein. Nach Aussen hin durchdringt
er jedoch nie das Stratum spinosum.
In den tiefsten Thdlen des Follikels breitet sich der Pilz in jenen
Theilen der inneren Wurzelscheiden aus, welche noch nicht ganz verhornt
sind, und wo noch Spuren von Karyokinesen vorhanden sind, jedoch ist
nie eine Spur des Pilzes in jenen Schichten zu £nden, welche noch deutlich
tingible Zellkerne zeigen.
Im nächsten Abschnitte behandelt Mibelli die Histologie der an
Favus erkrankten Haut. Zunächst die erythematösen und squamösen
Formen, wo noch kein Scutulum vorhanden ist, mit ihrer Infiltration um
die Gefässe und den Veränderungen in der Hornschicht. Das Scutulum
entwickelt sich nur in der Hornschichte und dringt nie zum Papillär-
272 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
körper. Unter der Mitte desselben ist die Hant verdünnt, an den Rändern
wallartig erhoben« Dann werden die in Folge der Scutulum-Entwicklnng
im Haarfollikel stattfindenden Verandemngen aasfohrlich beschrieben.
Nur die oberste und ein Theil der mittleren Homschichte erheben sich
wie ein Dach über das Scutulam. Wenn dadorch der Haarfollikel Ter-
schlossen wird, kommt es zur Bildung von Cysten, die ein verkrümmtes
Haar enthalten.
Bei sehr acuter Infiltration, des Follikels auch im tiefsten Theile
desselben and bei einer wahren Perifolliculitis kann man das Haar mit
den inneren Wnrzelscheiden herausziehen, die äusseren bleiben dabei stets
an ihrer Stelle. Femer wird die Atrophie der Haut nach lange be-
stehendem Favus beschrieben. Dabei kommt es zu vollständigem Schwunde
der elastischen Fasern, welche, sobald die Entzündung beginnt, die
Fähigkeit der Orcinfarbung verlieren. An jenen Theilen, wo das Sca-
tulum keinen Druck ausübt, findet sich reichliche Proliferation im Hai-
pighischen Stratum.
Beim Favus handelt es sich um einen Entzfindungspiocess, von
welchem, namentlich der Papillarkörper getroffen wird; dieser Process
erscheint oft als eine katarrhalische Entzündung, mit reichlicher klein-
zelliger Infiltration und Exsudation morphologischer Elemente. Zur
Eiterung kommt es nicht, oder nur selten, secundär, in kleineren Herden.
Der Favus hat also nicht die Charaktere eines destructiven Processes,
sondern es kann vollständige Restitutio ad integrum eintreten. Der
schlimmste Ausgang ist narbenähnliche Atrophie der Haut in Folge des
Druckes, den die Scutuli und die favösen Krusten auf die Haut ausüben,
die aber nicht durch Eiterung oder dadurch bedingt ist, dass der Pilz
bis in das Derma eindringe (Balz er, Malassez). Das Haar selbst dient
dem Pilze nicht zur Nahrung, sondern die Exsudate aus der Nachbarschaft
ernähren ihn.
In Bezug auf die Untersuchungen des Favus am Nagel konmit
Mi belli zu folgenden Resultaten:
Derma und Epidermis des Nagelbettes zeigen die gleichen Ent-
zündungsersoheinungen wie die Haut anderer Körpertheile. 2. Der Nagel
selbst bewahrt seine normale Dicke; die scheinbare Verdickung am freien
Rande und an den Seiten des Nagels ist durch eine hornige Substanz
bedingt, die zwischen Bett und Nagel eingeschoben ist. 3. Diese Substanz
ist ein Lieblingssitz der Pilzentwicklung. 4. Ein anderer Sitz der Pilz-
entwicklung ist die Lamina des Nagels selbst, aber nur in ihren ober-
flächlichsten Schichten (entgegen der Annahme Fabry's). 5. Der Pilz
dringt auch hier gleich wie bei der Haut, nie in das Corpus Malpighi
des Nagelbettes. 6. Der Umstand, dass sich der Pilz wohl in den ober-
flächlichsten Schichten des Nagels vorfindet, den Nagel selbst jedoch nie
durchdringt, als ob etwa diese oberflächlichen Pilzentwickelungen mit den
Wucherungen unter dem Nagel in Verbindung stünden, könnte der Meinung
Pelizzari's Recht geben, dass der Pilz auch primär die Lamina des
Nagels selbst befallen kann. Spietschka.
Venerische Krankheiten.
iRedigirt toxi Prof. Neinser und Primararzt Jadassohn in Breslau.)
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(1) Feis berichtet über einen Fall, bei welchem das erst 54 Stan-
den nach dem Blasensprung geborene Kind einer Multipara sofort nach
der Gebart alle Zeichen einer acuten Ophthalmoblennorrhoe mit positivem
Gonococcenbefund aufwies. Zum Schluss erwähnt Verf., dass unter den
letzten 452 Geburten der Göttinger Frauenklinik nur 4 Fälle von Blennor-
rhoe beobachtet worden seien, der oben beschriebene Fall, femer ein
schon krank eingeliefertes, ausserhalb der Anstalt geborenes Kind, ein
Fall, wo die Grede'sche Einträufelung vergessen worden war, und ein
Fall, wo versuchsweise an Stelle des Arg. nitr. Aq. chlori eingeträufelt
worden war, so dass also die Morbidität bei der Anwendung der Grede-
schen Prophylaxe 0% betrage.. Paul Neisser.
{2) Den bisher publicirten Fällen von bei der Geburt schon zu
constatirender Blennorrhoe (Magnus, Galczowski, Feis, Kranenberg und
Hirschberg) fagt Paryschew einen Fall aus L e b e d e v's Klinik hinzu. Ab-
gang des Wassers 3 Tage vor Beginn der Wehen. Drittgebärende. Sofort
278 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
nach dem Durchschneiden des Kopfes typische Blennorrhoe; zahh*eicbe
Gonococcen. Am 2. Tage ausgedehnte Hohihauttrübungen. Prophylaktisch
empfiehlt Verf. nach Abgang des Fruchtwassers Irrigation mit Sublimat
1 : 2—8000.
(3) Es 8 ad hat in 5 Fällen von gonorrhoischer Conjunctivitis mit
typischem Gonococcenbefund mit einer Ausnahme — es war zu einem
Durchbruch der Cornea schon vor der Aufnahme der Patientin gekommen
— mit 8 ~4mal täglich vorgenommenen Argentum-Aetzungen sehr gute Re-
sultate erzielt.
(4) Im Anschluss an einen Tripper und eine Gonitis beobachtete
Eliasberg bei einem 22jährigen Mann 4 Monate nach der Infectiou
eine Keratitis parenchymatosa, erst der einen, dann der anderen Seite,
die durch ihren günstigen Verlauf ausgezeichnet war und welche der
Verfasser mit grösster Bestimmtheit auf die Gonorrhoe zurückfuhrt.
(5) Kembe bespricht die Symptome der Conjunctivalblennorrhoe,
die anatomischen Veränderungen der inficirten Conjunctivae und berichtet,
dass der Procentsatz der an Blennorrhoe erkrankten Neugeborenen von
8,567t ^™ Jahre 1878 mit Anwendung des Cr ed ersehen Verfahrens auf
1,71% im Jahre 1891 in der kgl. Universitäts-Klinik in Berlin gesunken sei.
Die Behandlung besteht neben häufigen, alle 1-2 Minuten zu wechselnden
Eisumschlägen in Aetzung der Bindehaut mit Arg. nitr. Lösung 7i — 1 — 37i-
(6) C o z z o 1 i n o unterscheidet 2 Arten der Blennorrhoe der Nase :
die metastatische, von Forcarde beschriebene, welche entsteht, nach-
dem plötzlich durch eine caustische Injection der Urethralausflnss aufge-
hört hat, und die unmittelbar durch Contagion entstehende ; Edwards hat
einen Fall beschrieben, in welchem sich eine alte Frau an dem Suspenso-
rium ihres Sohnes inficirte, Sigmund hat eine directe sexuelle An-
steckung beobachtet; Renzone hat ein Kind mit Ozaena durch eine
Tripperspritze inficiert werden sehen. Mit Ziem glaubt Cozzolino daran,
dass die purulente Rhinitis der Neugeborenen durch eine Gonorrhoe der Mutter
zustande kommt, und empfiehlt, prophylaktisch Jodoform in die Nase zu
stäuben. Diese blennorrhoische Rhinitis entsteht einen Tag nach der Ge-
burt, die syphilitische erst in der 3. oder 4. Woche. Das klinische Bild
ist noch nicht genau umschrieben: Schwellung der Nase und Oberlippe,
starker Ausfluss. Die Behandlung besteht am besten in Ausspülungen mit
l—l,5*/to Sublimat, später Zinc. sulfo-carbol. */,,, Arg. nitr. Vg, und in der
Anwendung antiseptischer Puder (Ac. bor. 6, Aristol 3, Dermatol 2j.
Jadassohn.
(7) Krönig demonstrirt in der gynäkologischen Gesellschaft zu
Leipzig ein 8 Wochen altes Kind, welches 3 Tage post partum an Ophthal-
moblennorrhoe, 10 Tage später an gonorrhoischer Rhinitis und 8 Tage
später an Otitis media mit Perforation des Trommelfells erkrankte. In
Allen Secreten wurden Gonococcen nachgewiesen. Vortragender erklärt
<lii' Infection so, dass von den bei der Geburt inficirten Augen aus die
der Syphilis. 279
Gonococcen znnächBt durch den Ductus nasolacrimalis in die Nase und
von da durch die Tuba Eustachii in das Mittelohr übergewandert seien.
Paul Neisser.
(8) Stern berichtet über einen Fall (35 a. n. Mann), der mit allen
Zeichen eines virulenten Hamröhrentrippers 3 Tage nach der Infection
sich behandeln Hess. 3 Tage darauf stellten sich Fieber (5 Tage lang ;
höchste T. 38,7^) und Schmerzen am linken Fussgelenk ein. Jodpinselun-
gen und innerliche Darreichung hoher Salicyldosen hatten nicht den ge-
ringsten Erfolg. 7 Tage später deutliche Flnctuation. Die Function des
Gelenkes ergab nur ca. '/« Spritze einer hellgelben Flüssigkeit, deren mi-
kroskopische Untersuchung ausser vereinzelten Eiterkörperchen nichts Be-
sonderes ergab. Bei der Function nach weiteren 7 Tagen bekam S. eine
weissgelbliche, schleimige Flüssigkeit. Bei der mikroskopischen Untersu-
chung und Färbung mit Löftler's Lösung zeigten sich unter einer Anzahl
von Präparaten in zweien derselben einige vielkernige Zellen, deren Proto-
plasma mit Diplococcen (in Form und Lagerung ganz gleich den Gono-
coccen) in massiger Menge angefüllt war. Die Behandlung bestand zuerst
in Massage (8 Tage lang), welche einen Rückgang der Schwellung brachte.
Darauf Fusssoolbäder einen Tag um den anderen abwechselnd mit Ichthyol-
vaselineinreibung und Einhüllung des Fussgelenkes in eine Tricotbinde.
A. Griinfeld.
(9) Horwitz erwähnt die verschiedenen Theorien des Zustande-
kommens von Trippermetastasen, wie sie bisher von den verschiedenen
Forschern angenommen wurden und gibt als Beweis für die Richtigkeit
der Ansicht Deutschmann ^s und Anderer, die die Einwanderung des
Gonococcus Neissers im Wege der Blutbahn als Ursache der Metastasen
ansehen, folgenden Fall ans der Klinik Prof. E. Langes in Wien.
Bei einem 27jährigen kräftigen Manne besteht bereits seit einem Jahre
ein wechselnd starker schleimig-eitriger Ausfluss aus der Harnröhre, ohne
dass irgend welche Therapie angewendet worden war. Es finden
sich nach der Aufnahme des Patienten spärliche Gonococcen im reichli-
chen Urethralsecret. Am Dorsum metacarpi sinistri, entsprechend der
Sehne des Mittelfingers, ein entzündliches Infiltrat mit acut gerötheter
Haut. Es besteht grosse Empfindlichkeit bei Bewegungen. Nach 12tägi-
gem Bestehen wird der nun deutlich fluctuirende Abscess mittelst sterili-
sirter Nadel punktirt. Es entleeren sich einige Tröpfchen blutig seröser
Flüssigkeit, deren Untersuchung keine Gonococcen ergibt. Vier Tage später
Spaltung des Abscesses, Auskratzung der mit krümligem Eiter gefüllten
Höhle mit dem scharfen Löffel. In dem zähen, schleimigen Eiter fand
R. Pal tauf reichlich Gonococcen, deren Cultivirung weder auf Gela-
tine oder Agar noch auf Blutserum allein, wohl aber auf dem von
Wertheim angegebenen Gemisch von Agar und menschlichem Blutserum
gelingt. K. Uli mann.
(10) Stanziale berichtet nach ausfahrlicher Wiedergabe der Lite-
ratur über einen Fall von gonorrhoischer Arthritis des linken Kniegelenks,
deren Exsudat er bakteriologisch genau untersucht hat. In der gelblichen.
280 Bericht über die LeiBtnngen auf dem Gebiete
fadenziehenden, leicht entarrenden Flüssigkeit fanden sich Lencocyten,
Fibrinfasem, einige rothe Blutkörperchen und spärliche Endothelien. Anf
peptonisirter Brühe mit und ohne Glycerin, Fleischgelatine, Agar-Agar,
Glycerinagar, erstarrtem Pferdeblntsemm (auf Petri'schen Schalen) wuchs
nichts; mikroskopisch wurden ebenfalls Bakterien nicht gefunden. Zwei
junge Männer, deren Urethrae mit dem Exsudat geimpft wurden, blieben
gesund; ebenso fielen Thierversuche und Blutuntersuchungen aus der Ge-
lenkgegend (mikroskopische und bakteriologische) negativ ans. I>as Harn-
röhrensecret enthielt typische Gonococcen. Stanziale schliesst aus
diesen Versuchen: 1. Das Exsudat der Arthritis gonorrhoica war in dem
besprochenen Falle sero-fibrinös, nicht purulent; 2. es fanden sich keine
Mikroorganismen, speciell keine Gonococcen darin; 3. es war nicht pa-
thogen; 4. auch im Blut der Gelenkgegend fehlten die Gonococcen. In
seinen epikritischen Erwägungen bespricht Verf. die verschiedenen Möglich-
keiten und scheint am meisten geneigt, der Annahme zuzustimmen, dass
ein von den Gk>nococcen gebildetes Toxin, wie es Eraud und H u gön-
nen q aus ihren Gulturen des „Diplocoque urethral'' isolirt und auch bei
einer vereiterten Epididymitis gefunden, bei einer Arthritis gonorrhoica
aber vermisst haben, die Arthritis erzenge.
(Es sei Ref. gestattet, an dieser Stelle zwei Irrthümer zu corrigiren,
die in Stanziale 's Arbeit sich finden: 1. schreibt er, dass der Referent
in sehr vielen Fällen (moltissimi oasi) im Exsudat der Arthritis gonor-
rhoica vergeblich nach Gonococcen gesucht habe; er bezieht sich dabei
auf eine Notiz, welche ich gelegentlich in dem Baum gar ten'schen
Jahresbericht 1890, p. 139 geschrieben habe : „in dem fast zellfreien, serösen
Exsudat einer solchen Arthritis fand sich in einer grossen Anzahl von
Präparaten kein Bakterium — Gulturen blieben steril**; ich kann noch
hinzufügen, dass auch ein Impfversuch auf die menschliche Harnröhre
kein Resultat gab. Der Fall stimmt also ganz mit dem Stanziale 's
überein; aber es war eben nur ein Fall. Auf Grund dieser und anderer
negativer Befunde im Gegensatz zu dem bis dahin allein dastehenden
Deutschmann 's mit dem sicheren Nachweis von Gonococcen im Gelenk-
inhalt glaubte ich die Hypothese aufstellen zu können, dass die Gonococcen
in der Synodialmembran vegetiren und zum mindesten nicht in allen Fällen,
vielleicht sogar in ihrer Minderzahl erst bei reichlicherer entzündlicher
Eruption aus dieser in die Grelenkhöhle gelangen — ähnlich wie bei den
Entzündungen seröser Häute (Pleuritis etc.) die pathogenen Mikroorga-
nismen im Exsudat fehlen können.
Stanziale erwähnt diese Hypothese und polemisirt gegen dieselbe,
weil bei Pleuritis etc. der Nachweis der Bakterien, z. B. der Tuberkel-
bacillen wegen der grösseren Menge der Flüssigkeit schwerer sein könne
und weil auch der Impfversuch bei ihm (und wie ich jetzt hinzufüge auch
bei uns) negativ ausgefallen sei (was doch aber nur dafür spricht, dass
eben in dem Exsudat gar keine Mikroorganismen vorhanden waren), end-
lich aber und wohl vor Allem, weil — und das ist der zweite Punkt, in
welchem es sich am einen thatsächlichen Irrthum Stanziale's handelt
der Syphilis. 281
— St. einen Passus in der Arbeit Deutschmann 's (oder in meinem
Referat derselben) missverstanden hat; er meint, die von Deuts chmann
gefundenen Gonoeoccen seien auf Gelatine gewachsen; Deutschmann
aber betont besonders, dass das Ausbleiben des Wachsthums auf Gelatine
ihm charakteristisch für die Gonococcennatur der fraglichen Mikroorga-
nismen erschienen sei.
Seither sind noch weitere Fälle von Arthritis u. a. sicher gonor-
rhoischer Metastasen publicirt worden, welche Stanziale's Anschauung
widerlegen, mit meiner Hypothese aber gat übereinstimmen.)
Jadassohn.
(11) Der Patient Thibierge's, welcher kurze Zeit vorher einen
acuten Gelenkrheumatismus durchgemacht hatte, wurde in der 7. Woche
einer Gk>norrhoe von einer Entzündung des Stemo-Claviculargelenks be-
fallen. Paul Neisser.
(12) Bei einem 2 '/Jährigen Mädchen mit Vulvo-Vaginitis gonor-
rhoica fand Guinon eine Entzündung der Mittelfussgelenke und Sehnen-
scheiden. Der Verf. stellt dann die Erfahrungen über Arthritis gonorrhoica
bei Kindern zusammen: Meist ist nur ein Gelenk ergriffen, öfter aber
werden auch mehrere nach einander befallen; vage Schmerzen in den
Gliedern gehen oft voraus; Fieber fehlt. Die Gelenkaffection tritt meist
sehr früh auf. Die Prognose ist gut — therapeutisch ist nur Immobili-
sirung zu empfehlen.
(13) Bichardiere hat bei einem Kinde nach einer gonorrhoischen
Vulvitis eine gonorrhoische Arthritis des Tibio-Tarsalgelenkes beobachtet.
Salicyl war erfolglos. Nach B. unterscheidet sich die gonorrhoische Arth-
ritis der Kinder von der der Erwachsenen nur durch ihre schnellere
Entwicklung und ihre geringere Dauer. Jadassohn.
(14) Hock demonstrirt ein 2 Monate altes Kind, welches 8 Tage
nach der Geburt an Ophthalmoblennorrhoe erkrankte. Ein Monat später
trat unter Fieber eine Schwellung des linken Kniegelenks ein; durch
Probepunktion gewonnener Eiter enthielt Gonoeoccen. In der Discussion
bemerkt Wertheim, dass nach seiner Ansicht die Fälle von gonorrho-
ischer Arthritis, welche einen negativen Gonococcenbefund darbieten, nur
zu spät zur Untersuchung kämen; er selbst habe auf des Lang'schen
Abtheilung auch in einem 2 Tage alten Falle Gonoeoccen nachweisen
können. Paul Neisser.
(15) Die S^ähr., vorher gesunde Patientin Lop's erkrankte am 9. Tage
einer gonorrhoischen Vulvovaginitis (mit G.-C. Befund) an Schwellung
und Schmerzhaftigkeit des rechten Carpo-Badialgelenks mit völliger Func-
tionsstörung. Nach etwa IV, Monaten war die Gonorrhoe unter Sublimat-
waschungen und 57« Höllensteinsalbe verschwunden und die Gelenkaffection
bis auf geringe Steifigkeit ausgeheilt. Paul Neisser.
(16) Karewski's Fall bietet insofern Interesse, als es sich um
eine Spontanluxation in Folge einer gonorrhoischen Monarthritis handelt.
Die Therapie bestand, da eine Beposition in Narkose unmöglich war, in
der Besectio coxae nach Langenbeck.
282 Bericht über die Leistungen aaf dem Gebiete
(17) Bei secnndären gonorrhoischen Affectionen der Gelenke, des
Peri- und Endocardiums , der regionären Lymphdrusen etc. hat nach
Councilman eine Anzahl Forscher den Gonoeoccns als Krankheits-
erreger gefunden. 80 Petrone und Kramer beim gonorrhoischen Gelenk-
rheumatismus, Glusinski in den Vegetationen der Aortenklappen in
einem Falle gonorrhoischer Endocarditis. Andere Autoren dagegen be-
trachten die genannten Affectionen als durch Mischinfection hervorge-
rufen. Mit Rücksicht auf diese Controverse theilt C. folgenden genauer
untersuchten Fall mit. Ein Gonorrhoiker wurde 10 Tage nach Beginn
seiner Gonorrhoe von einer links-, 3 Tage später von einer rechts-
seitigen Knie- und später von J^^nger-, Schulter- und Fuss-Gelenksaffecti-
onen befallen. Darauf stellten sieh Athemnoth und Brustschmerzen ein,
während die Untersuchung nur eine leichte Yergrösserung der Herzdämpf-
ung ohne pericardiale Reibegeräusche ergab. Kein Fieber. 5 Wochen nach
Beginn der Gonorrhoe trat plötzlich unter Suffocationserscheinungen der
Tod ein.
Von dem sehr ausführlich mitgetheilten Obductionsbefunde sei
folgendes hervorgehoben. Schwellung beider Kniegelenke, besonders des
rechten, das ca. 100 Gem. schleimig eitriger Flüssigkeit enthält. Die Syno-
vialis geschwellt und intensiv congestionirt, mit Granulationsgewebe bedeckt,
das Tuberkelgranulationen ähnlich sieht. Pericardialer hämorrhagischer
Erguss von ca. 8(X) Ccm. Beide Pericardialsackwände mit dicken Membranen
belegt. Das Myocard bes. des linken Yentrikels und Herzohra stellenweise
von wachs- oder amyloidartigem Aussehen, stellenweise hämorrhagisch
infiltrirt. Die Urethralscli leim haut verdickt und geschwellt, ebenso das
Periurethralgewebe. Ca. 4 Cm. von Meatus ext. eine leicht« Ulceration der
Urethralschleimbaut. Aus den Ausfuhrungsgängen der Samenbläschen und
der Prostata kann Eiter ausgedrückt werden. Letztere sowie das peripm-
statisclie (iewebe eitrig infiltrirt ; links von der Prostata ein umschriebener
Abscess.
Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich in den in Alkoho
gehärteten Schnitten der Urethralschleimbaut die Epithelschicht stellen-
weise von intensiver bis in das submucöse Gewebe reichender Rundzellen-
infiltration unterbrochen. Zwischen den Epithelzellen eine beträchtliche
Anzahl polynucleärer Leukocyt«n. G.-C. finden sich in einer rel. geringen
Zahl im Epithel, theils in, theils zwischen den Epithelzellen, der grössere
Theil in den Eiterzellen auf der Oberfläche und zwar sowohl in Haufen
als in einzelnen Paaren. In den tieffsten Epithellagen sowie in dem sub-
epithelialen Gewebe keine G.-C. Mit der Intensität der purulenten Schleim-
hautinfiltration wächst auch die Zahl der G.-C, letztere zeigen sich auch
in den Urethralkrypten und den Morgagnischen Taschen, doch weniger
zahlreich als an der Oberfläche. Die Ausfühmngsgänge der Prostata stark
purulent infiltrirt, mit wenig G.-C. Im Prostataabscess weder G.-C. mtch
andere Organismen. Die einzigen anderen Organismen, die sich in der
Urethra fanden, waren kurze Bacillen auf der Schleimhautoberfläohe, die
augenscheinlich mit der Entzündung in keiner Beziehung standen. Die
der Syphilis. 28H
gleichfalls in Alkohol gehärteten Schnitte aus dem Herzen zeigten am
Pericard lose anhängendes Fibrin, aber nirgends eine fibrinöse Exsudat ion.
In dem stark verdickten Pericard zahlreiche erweiterte Blutgefässe mit
verdünnten Wänden, deren Berstnng wohl die Hämorrhagie herbeigeführt
hatte. Die Herzmuskelfasem sind theils nekrotisch, theils purulent infiltrirt.
Da, wo sie weniger verändert sind, zeigen sie sich leicht geschwellt,
diifus gefärbt ohne Kerne und enthalten häufig Vacuolen. Wenig oder
kein Granulationsgewebe. In einzelnen nekrotischen Herden ausgedehnte
Hämorrhagien. G.-C. fanden sich in den Schnitten in beträchtlicher Zahl,
ganz besonders in einzelnen Schnitten des linken Herzohrs, wo stellen-
weise jede Eiterzelle solche enthielt, aber auch im Ventrikel selbst; sehr
wenige lagen im Pericard. Im Gewebe ausserhalb der Eiterzellen wurden
sie nicht gefunden. Die Schnitte aus beiden Kniegelenken zeigten da,
wo schon makroskopisch Trübung bemerkt war, purulente Infiltration, die
sich nicht über einen Mm. in das Gewebe erstreckte, die Blutgefässe
daselbst erweitert, zahlreiche Eiterzellen enthaltend. In dem darunter
liegenden Gewebe wenig Eiterzellen. Die meisten der Zellen waren ge-
schwollen und entsprachen dem allgemeinen Typus epitheloider. Zellen,
die häufig grosse Vacuolen enthielten. G.-C. wurden in nur kleiner
Zahl und nur entweder unmittelbar auf der Oberfläche oder in den ober-
flächlichsten Lagen und nur in den Zellen gefunden. Am zahlreichsten
waren sie da, wo der entzündliche Process am intensivsten ausgesprochen war.
In der Epikrise bemerkt C, dass die beschriebene Afi'ection mit
einer durch Eiter- oder andere Organismen hervorgerufenen keine Aehnlich-
keit hat.
Bei den peri- und myocardialen Veränderungen sei der Mangel
fibrinösen Exsudates auflallig. Der pathologische Vorgang bestehe in Her-
vorrufung mannigfacher Gewebsdegeneration und Nekrose mit purulenter
Infiltration und geringer Bildung von Granulationsgewebe. Eigeuthümlich
sei der Process in den Kniegelenken, wo neben geringer purulenter Infilt-
ration hauptsächlich eine Bildung von Granulat ionsgewebe mit schleimiger
Entartung der Zellen bestand, daher auch der vi-.cide und gelatinöse
Charakter der Kniegelenksergüsse. C. bedauert, während der Obduction
keine Culturen angelegt zu haben und glaubt, dass man die in Eiterzelleu
gefundenen Organismen nicht absolut von anderen durch die Morpho-
logie allein unterscheiden könne. Auch die Streptococcen landen sich
öfters paarweise in Eiterzellen, doch würden sie nicht mehr als zu vieren
(wie die G.-C.) gefunden. Die Mikroorganismen des vorliegenden Falles
seien übrigens im Gegensatz zu den Eitererregern Rämmtlich durch das
Gram^sche Verfahren entfärbt worden. Endlich spräche noch das Fehlen
von Fieber, das fast alle Beobachter als charakteristisch für die gonor-
rhoischen Affectionen bezeichneten, zu Gunsten einer gonorrhoischen und
gegen eine purulente Infection. Loeser.
(18) In zwei Fällen vonH i s hatte sich im Gefolge eines acuten Trippers
ein pyämischer Zustand eingestellt mit besonderer Localisation des septischen
Processes auf den Aortenklappen. Im ersten Falle waren Thrombosen der
284 Bericht über die Leistniigen auf dem Gebiete
Prostatavenen, septische Localprocesse vorhanden, während sie im zweiten
fehlten. Welche Mikroorganismen die Metastasen vemrsacht hatten, konnte
nicht sicher eruirt werden, da im ersten Fall Mikroskop und Gnltorvei^
fahren vollkommen im Stich Hessen, im zweiten der Befund von Diplo-
coccen in der einen Aortenklappe wegen der Härtang in Müller'scher
Flüssigkeit werthlos war. Zweifellos kommen Herzaffectionen beim Tripper
auch ohne Gelenkrheumatismus vor. Bei bestehendem Klappenfehler scheint
das Auftreten eines Trippers eine Verschlimmerung des Herzleidens her-
beiführen zu können, wie aus einer weiteren Beobachtung des Yerfiusers
hervorgeht. « Karl Uerxheimer.
(19) Coats berichtet über einen Sectionsbefund von ausgedehnter
am jloider Entartung der Nieren (mit Venenthrombose) und des Dünndarms
und leichterer Amyloiddegeneration der Milz. Die Leber war frei, doch
fanden sich Gallensteine und in der Blase eiterhaltiger Urin, mit reichlichen
Coccen, die Coats für Gk>noooccen hielt. — Aus der von Carlslaw mit-
getheilten interessanten Krankengeschichte dieses Falles ist hervorzuheben,
dass der Patient mit 17 Jahren Gonorrhoe erwarb, der eine heftige Poly-
arthritis folgte. Mit 19, 21, 25 und 27 Jahren erneute Attaquen der Go-
norrhoe und der Arthritis mit vorwiegender Betheiligung des rechten
Knies. Seit dem 21. Jahre litt der Kranke zeitweilig an Kopfschmerz,
Dyspnoe und Oedemen; schliesslich fand sich reichlich Eiweiss im Urin,
in dem weisse Blutkörperchen, kein Blut und keine Cylinder enthalten
waren. Die Diagnose wurde auf chronische Nephritis, nicht auf Amyloid
gestellt, da Diarrhoe fehlte und Leber- und Milzschwellung nicht nach-
gewiesen werden konnten. Mit 28 Jahren erneute Gonorrhoe und Arthritis;
wieder ist das rechte Knie am meisten ergriffen. Tod nach Hinzutritt
einer schweren dysenterischen Diarrhoe. — ('oats glaubt die Amyloid-
entartung nicht auf die unbedeutende Eit-erung, sondern direct auf das
im Blute kreisende Trippergift zurückfuhren zu müssen. KocL
(20) Dnrdufi glaubt auf Grund literarischer Studien, dass die
Allgemeininfection mit Trippervirus auch zu Neuritiden oder Myelitiden
(besonders Meningo-Myelitiden) führen könne. Er möchte alle diese Fälle
„Blennorrhagismus^ oder „Morbus blennorrhagicus'' nennen.
In der Discussion verhält sich Minor gegenüber den Localisationen
des gonorrhoischen Processes im Nervensystem sehr skeptisch; Muratow
glaubt, dass alle Fälle (auch der Leyden'sche) auf Neuritiden oder arthro-
pathische Amyotrophien zurückzuführen seien. Jadassohn.
(21) Trapezniko ff berichtet über einen Patienten, welcher in der
Woche einer Gonorrhoe plötzlich neben einer Epididymitis eine
Parese der unteren Extremitäten mit Lähmung der Blase und völliger
Urin- und Stuhl verhaltung bekam. Nach einer Woche verschwanden anf
energische Behandlung die Symptome und es folgte eine 3 Wochen
dauernde Cystitis mit Polyurie. Nach seiner Entlassung erkrankte Pat.
sehr bald wieder an Incontinentia urinae et faecium welche eine nene
Behandlung nöthig machte. Vortragender erwähnt noch drei ähnliche
Krankengeschichten und steht nicht an, die Rückenmarkserscheinungen
der Syphilis. 285
auf eine directe Einwirkung des gonorrhoischen Virus zurückzufuhreu.
Moev gUubt mehr an eine durch die Epididymitis verurdachte Reizung
des Sympathicus und an eine Reflexwirkung auf den Dorsaltheil des Rücken-
marks. Auch Tchistiakoff undOussass sehen nicht ein, wie man die
meningitischen S3rmptome mit der Gonorrhoe in Zusammenhang bringen
könne. Paul Neisser.
(22) Raynauld berichtet 2 Krankengeschichten von Gonorrhoikem,
welche neben Arthritis spinale Affectionen darboten. In dem ersten Falle
handelte es sich um einen jungen Mann, welcher, seit vier Monaten an
Gonorrhoe erkrankt, mit einer linksseitigen Gonarthritis und in sehr
kachektischem Zustand das Spital aufsuchte. Bei Untersuchung zeigte
sich allgemeine Muskelatrophie, starke Abmagerung, reichliche Diarrhoen,
betrachliche ödematöse Schwellung des linken Knies und Unter-
schenkels , Decubitus. 8 Tage später Exitus. Die Section ergab nichts ;
eine histologische Untersuchung des Rückenmarkes wurde leider versäumt.
In dem zweiten Falle handelte es sich um einen Patienten, welcher,
beinahe ein Jahr krank, ausser seiner Arthritis alle Zeichen einer Meningo-
Myelitis, Lähmung der unteren Extremitäten, Aufhebung der Sehnenreflexe,
blitzartige Schmerzen und Kribbeln in den Beinen, Decubitus darbot. R.
fuhrt dann noch einen Fall an, in dem ein junger Soldat im Verlauf
seiner Gonorrhoe plötzlich an Hysterie mit Delirien, charakteristischen
Convulsionen, Weinkrämpfen und Harnverhaltung erkrankte. Verf. hält
sich für berechtigt, alle diese Erscheinungen von Seiten des Nerven-
systems auf eine directe Einwirkung des gonorrhoischen Virus durch eine
Allgemeinintoxication zu beziehen. Paul Neii^ser.
(23) Raymond bespricht die häufigsten Complicationen der Gronor-
rhoe von Seiten des Nervensystems. Er nennt 1. die Ischias, 2. die Tripper-
Meningitis und Myelitis, 3. den blennorrhoischen Muskelschwund, 4. die
blennorrhoischen Erkrankungen der Sinnesorgane :1 Fall von Neuroreti-
nitis und 1 Fall von nervöser Taubheit), 5. blennorrhoische Gehirnerschei-
nungen. 6. Tripperneurosen, wie sie von Anderen beschrieben, erkennt
Raymond nicht an. 7. Hauterkrankungen, die beim Tripper vorkommen
und vielleicht mit nervösen Veränderungen zusammenhängen (Erythema
nervosum).
(24) Ungefähr in der 6. Woche einer mit Polyathritis und Conjunctiv.
cat. verbundenen Gonorrhoe entwickeln sich bei 24j. nervös-rheumatidch
belasteten Pat. Vidal's Homkrusten über dem rechtem Knie, und von da
ziemlich symmetrisch über den ganzen Körper hin. Sie sind hart, trocken ;
am Kopfe klein und zerstreut, werden sie gegen abwärts immer grösser.
Zu dicken Homschichten vereinigt heben sie die Nägel empor. Stellenweise
bilden sie fürmliche Hauthömer, an den Sohlenflächen zusammenhängende
Homschichten. Nur ausnahmsweise entwickeln sich die Krusten auf vor-
angehenden Bläschen. Hebt man sie ab, so erscheint ein etwas papillomatöser,
trockener oder nur wenig feuchter Grund. Der grösste Theil der Nngel
ging verloren. Nachdem die ganze Afiection bei Abheilung der Gonorrhoe
286 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
allmälig normalen Verhältnissen Platz genoacht hatte — nur die Ns^rol-
bildung wurde eine difforme, — trat sie in derselben Weise und Starke
während eines neuerlichen mit Polyathritis and catarrhalisoher Conjunctivitis
verbundenen Trippers auf. V. reiht die Aflfection an die bisher bekannten
Hantlocalisationen der Blennorhoe, die rubeoliformen Ausschläge, die poly-
moq)hen Erytheme n. a. an. Winternitz.
(25) Christian hat von 300 Gonorrhoeen, die Hälfte von vornherein
mit Injectionen (Silber und Wismuth), die andere Hälfte zunächst nur
innerlich behandelt (Copaiva und Sandelholz). In der ersten Reihe der
Fälle trat eine Posterior d2mal, eine £pididymiti8 13mal auf, in der zwei-
ten eine Posterior 12mal, eine Epididymitis 4mal. Erst im chronischen
Stadium des „moming drop** ist er bei der zweiten Serie der Fälle zu
Adstringentien übergegangen.
(26) Audry empfiehlt ausser den allgemein bekannten diätetischen
Massregeln ganz besonders die Janet'sche Methode, welche er fnr ge-
radezu specifisch hält. Als Coutraindicationen stellt er auf: Das Bestehen
von Cystitis oder endourethralen Folliculitiden ; bei Epididymitiden aber
wendet er die Irrigationen unbesorgt an. Von 100 Patienten hat er O.j
auf diese Weise geheilt Injectionen widerräth A. im AUgemeinen.Vom Ichthyol
(er spricht dab«i von forcirten Injectionen in die Ur. posterior, wie sie Re-
ferent empfohlen habe ; davon ist dem Letzteren nichts bekannt) hat er bei
wenigen Versuchen keine Erfolge gesehen. Er wendet zur Behandlung der
postgonorrhoischen Urethritis mit Injectionen 1>esouders gern das Resorciu
(Resorcin 1,0; Zinc. sulf. 1,0; Aq. dest. 100,0) an. Die Balsamica gibt er
nur combiuirt mit Injectionen. Von der abortiven Methode mit Arg. nitr.
hat er (wohl nur vereinzelte) Erfolge gesehen und berichtet einen solchen
Fall (Beginn 7 Tage post infectionem, 3 Iiyectionen von '/^j Arg. mit
gutem Resultat). Jadassohn.
(27) G e b e r t gibt eine Schilderung der in der B 1 a s c h k o'schen Poli-
klinik geübten Gonorrhoebehandlung, die wohl mehr für den praktischen
Arzt als für den Fachmann geschriel)en ist. Als bemerkenswerth wollen
wir hervorheben, dass die acuten Gonorrhoen im Beginn mit Balsamicis
(hauptsächlich Ol. Santal.) und nur dann mit Einspritzungen behandelt
werden, wenn die ersteren nicht vertragen werden. Da die Neisser'sche
Forderung, dass die Inject.-Flüssigkeit gonococcentodtend wirirt, dem Verf.
von nicht grossem Werth erscheint, wird eine warme Lösung von schwefel-
saurem Zink oder Kai. permangan. üijicirt. Die Diätmassregeln der B.'schen
Poliklinik sind die üblichen, ebenso ist die Behandlung der Gomplicationen
eine dem Fachmann geläufige. Um den Sitz der chronischen Go-
norrhoe zu ergründen, bedient sich Verf. der Untersuchung des Urins
durch Dreigläserprobe und der Harnröhre mittelst der Sonde exploratrice
von Guyon. Diese Explorationen machen das Urethroskop ganz entbehrlich.
Zur Behandlung sind ausser Injectionen der bekannten Lösungen von Arg.
nitric. und Zinc. sulfuric. erforderlich tiefe Injectionen mit dem G u y on'schen
Catheter oder die Salbensonde. Um die letztere herzustellen, wird ein elasti-
sches ßougie mit Olive mit Salbe )}estrichen und dann noch in Paraffin.
der Syphilis. 287
liquid, getaucht, wodurch das leichte Abstreifen der Salbe verhindert wirl.
Stricturen werden durch mehrere immer stärkere Bougies in derselben
Sitzung gedehnt. Aufgehört wird mit der Behandlung, wenn die grosseren
Fäden aus dem Urin verschwunden sind, und in den kleineren bei öfterer
Untersuchung keine Gonococcen mehr gefunden werden können.
Karl Herxheimer.
(28) Leudesdorf glaubt, dass bei der Injectionsbehandlung der
Qonorrhoe durch die Pression der Glans an das Ansatzstück der Spritze
die Fossa navicularis lädirt wird und empfiehlt deshalb Bespülungen der
vorderen Harnröhre jnittels Irrigators (von 20 — 80 Ccm. Inhalt), welcher
in ein dünnes und stumpfes Glasrohr endet. Das letztere sei leicht
einzuführen und ermögliche ausgiebige Berieselung der Harnröhre. In der
Discussion empfiehlt Unna 28tündig Injectionen von */,*/• Zincum sulfo-
carbol.- oder Resorcinlösung am Tage, resp. 2 Mal Nachts. Auf letz-
tere legt er besonderes Gewicht. Philippson empfiehlt die Höllenstein-
lösnngen und bemerkt, dass durch geeignete Itgectionsspritzen die von
L e u d e B d o r f geschilderten Nachtheile aufgehoben werden. Unna be-
hauptet, mit seiner Methode frische Gonorrhoen in 14 Tagen heilen zu
können, eine Möglichkeit die Philippson leugnet. G a 1 e w s k y.
(29) G an na day empfiehlt die Gonorrhoe im ersten acuten Stadium
nur mit innerlichen Mitteln, besonders Diureticis zu behandeln.
Paul Neisser.
(80) 1. Die abortive Behandlung der Gonorrhoe mit Injection einer
10% Höllensteinlösung in die Fossa navicularis ist nach Martin zulässig,
wenn sich die Krankheit im allerersten Stadium befindet, d. h. wenn ent-
zündliche Erscheinungen fehlen, lediglich ein geringer weisslicher Aus-
fiuss und massiges Brennen beim Urinlassen besteht und der Ausfluss
wesentlich Schleim und Epithelien und wenig Eiter enthält. Die abortive
Behandlung ist in einem unbestimmbaren Procentsatz von Fällen von Nutzen.
Wo sie im Stich lässt, wird der weitere Verlauf der Gonorrhoe nicht
dadurch beeinflusst.
2. Ist die Gonorrhoe schon im floriden Stadium, dann empfiehlt
Verf. neben leichter Diät, regelmässiger Stuhlentleerung, reichlichem Genuss
von reinem Wasser, alcalisohen Diureticis protrahirte heisse Bäder und
Balsamica in grossen Dosen, und milde antiseptische Irrigationen oder
Injectionen. Die wiiksamsten Balsamica sind Sandelholz und Copaivabalsani,
welche bei Magenstörungen ausgesetzt werden müssen.
8. Die Irrigation mit heissen antiseptischen Lösungen gibt bessere
Resultate als jede andere Behandlung. Diese Irrigationen müssen ein- bis
zweimal täglich gemacht werden, bis die Gonococcen aus dem Ausfluss
verschwinden ; dann sollen sie durch adstringirende Injectionen ersetzt werden.
4. Wo Irrigationen nicht gemacht werden können, da empfiehlt
Verf. während des floriden Stadiums Sublimateinspritzungen 1 : 2(KKK) oder
Höllensteineinspritznngen 1 : 10000 bezw. 1 : 15000. Er verstärkt dieselben
allmälig je nach der Toleranz der Urethra.
288 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
5. IHe Injectionen von Höllenstein 1 : 8000 oder 1 : 6000, oder Su-
blimat 1 : 3000, oder die . Injection Broa'' im floriden Stadium der Gonor-
rhoe geben eine Pradisposition für die Entwicklung der hyperacaten oder
hinteren Urethritis, für Epididymitis und andere Complicationen der Go-
norrhoe und können die Harnröhrenentzündung verschlimmem and hin-
ziehen. In gleicher Weise sind in diesem Stadium Adstringentien schädlich.
6. Die Behandlung mit interner Medication veranlasst in einer kleinen
Anzahl von Fällen Epididymitis und Urethritis posterior. Die wirksamste
Behandlung besteht in der Combination von balsamischen Mitteln mit lo-
caler antiseptischer Behandlung.
In der Discussion stimmt Taylor den Anschauungen des Redners
zu. Er hält das Sandelholzöl und den Copaivabalsam für die besten in-
ternen Medicationen. Für Hamröhrenirrigationen hält er Zinksulfatsolu-
tionen 1 : 5000 bis 1 : 10000 für ebenso nützlich wie Sublimatirrigationen.
Der abortiven Behandlung misst er einen geringeren Werth bei. Er be-
trachtet für die abortive Behandlung Ealiumpermanganatlösungen 1 : 1500
bis 1 : 2000 für ebenso gut und für weniger gefahrlich als starke HöUen-
steinlösungen . Ledermann.
(81) Jonathan Hutchinson behandelt die Gonorrhoe ohne Bück-
sicht auf Stadium und Heftigkeit der entzündlichen Erscheinungen nnd
hält die Abortivbehandlung für die geeignetste. Er lässt folgende 3 Mittel
gleichzeitig anwenden: 3- bis 4malige Injectionen von Chlorzink, Abführ-
mittel und Sandelholzölkapseln. H. glaubt, dass bei frühzeitiger Behand-
lung weniger Complicationen beobachtet werden, als in denjenigen Fällen,
bei welchen das Höhestadium der entzündlichen Erscheinungen abgewartet
würde. Schaffen
(32) Jullien bespricht die Folgen der Gonorrhoe, speciell die der
chronischen, die Cystitis, Epididymitis, Impotenz und die Hambeschwer-
den etc. Er empfiehlt bei chron. Gonorrhoe Instillationen (20—30) jeden
zweiten Tag von Arg. nitr. 1 : 150—20, Sublimat 1 : 1000—100 und Kreolin
1:100 — 10 in steigender Concentration. Galewsky.
(3:3) Carvallo empfiehlt gegen Blennorrhoe Injectionen von Lysol
sowohl in acuten als in chronischen Fällen. Die Schmerzen sollen nach we-
nigen Tagen, der Ausfluss gewöhnlich nach Verlauf einer Woche ver-
schwunden sein. Empfohlen werden folgende Lösungen:
Solut. lysol. (1%) 100,0
Landanum Sydenham. 3,0.
Solut. lysol. (1%) 100,0
Cocain, hydrochlor. 0,5.
Die Flüssigkeit soll dreimal täglich injicirt werden und etwa 4 bis
5 Minuten in der Harnröhre bleiben.
(34) von Wedekind empfiehlt zur Abortivbehandlung der
Gonorrhoe eine unverdünnte Lösung von Wasserstoffsuperoxyd. (Die mit-
getheilten Fälle, in denen das Mittel angeblich gewirkt haben soll, sind
aber durchaus nicht beweisend. Ref.) SternthaL
der Syphilis. 289
(35) Glenn behandelt Gronorrhoen mit Injectionen von Chlor- und
Jodzinklösungen — V, Gran des Chlorides und 1 Gran des Jodides auf
1 Unze Wasser. Von 24 Fällen mit positivem Gonococcenbefund wurden
zwei in drei Tagen(!), einer in acht^ einer in neun, einer in zehn, einer
in zwölf, einer in dreizehn, zwei in fünfzehn, zwei in siebenzehn, einer
in achtzehn, einer in zwanzig, einer in dreissig, einer in sechsunddreissig,
zwei in vierzig und einer in fünfund vierzig Tagen geheilt. In den letzten
Fällen lagen Complicationen vor. Ledermann.
(36; Hill er bespricht im Anschluss an die antibakteriellen und
desinficirenden Vorzüge des Solveol seine Wirksamkeit bei Cystitis. Ein
Fall von fauliger Cystitis (calculosa) war nach 3 Ausspülungen mit '/«*/•
warmer Solveollösnng geheilt. Galewsky.
(37) Costa empfiehlt bei (ronorrhoe auf Grund seiner an 40
Fällen gesammelten Erfahrungen die Anwendung des Zimmtöl. Er gibt 1 — 3
Tropfön auf eine Unze Benzoinol, nach Urinentleerung und vorheriger
Ausspülung der Harnröhre. In 6 Fällenhörte der Aasfluss nach 2 Tagen auf, in
12 nach 5, in 6 nach 9 — 10, in 10 nach 10 — 15 Tagen; in zwei Fällen war
die Behandlung ohne Erfolg. Angaben über Gonococcenbefund und Be-
tlieiligung der posterior fehlen. Koch.
(38) Boinet und Trintignan haben in 5 Fällen acuter und
chronischer Gonorrhoe durch Methylenblau-Injectionen schnelle Heilung
erzielt (in 2 frischen Fällen nach 8, resp. 10 Tagen).
(39) Die Resultate der Alumnolbehandlung bei 12 unbehandelt ju Fällen
frischer Gonorrhoe, die Samt er auf die Chotzen'sche Publication hin
vornahm, sind nicht geeignet, das Mittel als Specificum gegen die in Rede
stehende Erkrankung erscheinen zu lassen. Es blieb nicht nur der eiterige
Ausfluss in den meisten Fällen nach 6tägiger Behandlung, dessen Ver-
schwinden C hetzen betont hatte, sondern in 2 Fällen zeigte sich sogar
Vermehrung der Gonococcen. Das Mittel leistet jedenfalls nicht mehr als
andere Antigonorrhoica. Karl Herxheimer.
(40) Von C hetzen ist das Alumnol geradezu als wirkliches Heil-
mittel gegen Gonorrhoe gepriesen worden. Casper stellte daraufhin Unter-
suchungen bei 40 Gonorrboikem an, wobei er zu wesentlich anderen Re-
sultaten gelangte. Bei acuter Gonorrhoe erwies sich das Alumnol zwar
als secretionsbeschränkend, jedoch nicht in erheblicherem Masse als andere
längst bekannte Mittel. Dagegen zeigte es keine gonococcentödtende
Wirkung, wie Ch. hervorgehoben hatte. Bei der Behandlung der chroni-
schen Gonorrhoe mittelst Guyon^scher Instillationen stand das Alumnol
in seiner Wirkung dem Argentum nitricum nach, indem es eine nur
oberflächlich abhäutende Wirkung geltend machte. Bei gonorrhoischer
Epididymitis hatte die Behandlung mit AlumnolpflastermuU, bei inguinaler
Lymphadenitis diejenige mit Injectionen des Mittels in die Nachbarschaft
der afficirten Drüsen keine besonderen Vorzüge. Nur in 2 Fällen von
Ulcus molle erzielte C, ebenso wie Ch., schnelle Heilung. (Ref. war duieh
die Farbwerke in Höchst a./M. frühzeitig ein grösseres Quantum Alumnol
zur Verfugung gestellt worden. Zur Zeit der C. 'sehen Publication hatte
ArehiT f. Derm«toI. a. Syphil. Band XXVII. X9
290 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Ref. dasselbe in 30 Fällen meist frischer Gonorrhoe versucht und kam zu
ähnlichen Resultaten wie C.) EarlHerxheimer.
(41) Das von Cazeneuve angewandte Gallobromol, Acid. dibro-
mogallic, enthält Brom und 3 Phenylgnippen ; es besteht aus kleinen,
weissen, durch Zersetzung ev. grau werdenden Nadeln ; es ist in 10 Theilen
warmen Wassers löslich, ätzt in dieser Lösung und als reines Pulver. In
1% Lösung injicirt, brennt es gar nicht; in 2'/» massig. Es wurde theils
in Einspritzungen, theils in Ausspülungen verwendet. Es wirkt calmmirend
auf Schmerzen und Erectionen; der Ausfluss wird grau oder braun und
nimmt schnell ab. Viele Patienten wurden nach 6 — 8 Tagen geheilt; bei
anderen wurde in der zweiten Woche neben dem Grallobromol Tannin
oder Zinc. sulfur. angewandt. Auch Instillationen in die Urethra poster.
wurden mit Erfolg verwendet. Jadassohn.
(42) Dowd behauptet, dass man nicht eher die Behandlung einer
chroniachen Gonorrhoe beginnen dürfe, bis man nicht die specielle Ur-
sache derselben kenne. In erster Reihe sind es granulirende Wucherungen
der Urethra, welche lange Zeit Ausfluss verursachen. Nach sorgfaltiger
Untersuchung des Urins, mit Hilfe von Bougies und Endoskop kann man
leicht die Diagnose stellen und die Localisation des Processes genau be-
stimmen. Grössere Bedeutung als bei der Diagnosenstellung hat nach
Dowd's Ansicht das P^ndoskop bei der Therapie der chronischen Go-
norrhoe, da es die Application von Medicamenten genau auf die erkrankten
Stellen gestattet; am empfehlenswerthesten sind hiebei starke Silber-
lösungen.
Als zweite, sehr gewöhnliche Ursache der chronischen Urethritis
werden die Stricturen angefahrt, die sich durch Bougies oder Otis'Ure-
thrometer leicht constatiren lassen. In diesen Fällen ist die Behandlung
der Verengerung die erste Bedingung für die Heilung; Spaltung des Ori-
ficium extemum ist oft erforderlich.
Einen anderen Grund sucht Verfasser in den mechanischen Läsionen,
denen das Glied bei der Anwendung von Instrumenten imd zuweilen anch
beim Uriniren ausgesetzt ist. Die Hamröhrenschleimhaut sei ebenso em-
pfindlich wie die Conjunctiva und werde durch Reiben und Quetschen
nicht weniger gereizt, als diese.
Viertens wird als Ursache chronischen Ausflusses genannt die Ent-
zündung von Falten und Taschen der Harnröhre; sie wird dadurch er-
kannt, dass bei der Sondenuntersuchung das Secret aus den Falten heraus-
gepresst wird und dem Instrument folgt.
In fünfter Reihe wird die Entzündung der Cowper'schen Drüsen
oder der Prostata mit Urethritis posterior angeschuldigt. Erstere wird
durch Incision geheilt, letztere ist weder leicht zu diagnosticiren, noch
zu behandeln. Schmerzen beim Einfuhren der Sonde in die tieferen
Theile der Harnröhre oder bei der Ejaculation , Empfindlichkeit der
Prostatagegend bei der Palpation deuten auf die Betheiligung der Drüse
hin. Die Behandlung besteht in der Anwendung entzündungswidnge'^
der Syphilis. 291
Mittel auf die Dammgegend, in Sondeneinführung und Application von
Adstringentien auf die Schleimhaut der Urethra posterior.
£ndlich darf man auch den Allgemeinzustand des Patienten nicht
vernachlässigen; nicht selten findet man hochgradige Schwäche nach un-
zweckmässigem Gebrauch von Copaiva und Cubeben; mit der Besserung
des Allgemeinbefindens schwindet in solchen Fällen auch die chronische
Gonorrhoe.
Zum Schluss erwähnt Dowd, dass er in 2 Fällen das Fortbestehen
des Ausflusses auf unbefriedigte Begierde zurückfuhren zu können glaubte«
Nach Wiederaufnahme des geschlechtlichen Verkehrs erfolgte die Heilung.
Schaff er.
(43) Im Lancet (27. Februar 1892) wurde folgende Behandlungs-
methode der acuten Gonorrhoe von Cot es und Slater empfohlni. Nach
dem üriniren wird ein ürethroskop so weit in die Harnröhre eingeführt,
als die Schleimhaut entzündet ist; hierauf wird ein gestielter, in lO*/©
Argentum nitricum-Lösung getauchter Tampon bis ans Ende des Tubus
vorgeschoben und zugleich mit diesem herausgezogen; etwa 2 Zoll vor
dem Orificium extemum wird ein frischer Tampon applicirt. Gleichzeitig
werden täglich einige gewöhnliche Injectionen in die Harnröhre gemacht
und innerlich alkalische Wässer oder Copaiva gegeben. Etwa 40 Fälle
sollen durchschnittlich innerhalb 12 Tagen geheilt worden sein. Christian
hat keine günstigen Resultate mit der angegebenen Methode erzielt. Von
7 Fällen, deren Krankengeschichten mitgetheilt werden, wurden 2 inner-
halb 4 Wochen geheilt; 4 Fälle gingen in das chronische Stadium über.
Christian glaubt demnach die Methode nicht empfehlen zu können,
zumal da dieselbe heftige Schmerzen verursacht. Seh äff er.
(44) Pitts empfiehlt bei acuter Gonorrhoe die Tamponade der
Urethra mit Sublimattampons. Nach Entleerung des Urins und Ausspülung
der Harnröhre, eventueller Cocaineinspritzung in dieselbe, führt er einen
möglichst weiten Metallcatheter ein und schiebt in diesem einen mit
Sublimat (1 : 20.000) getränkten Tampon vor, an dem ein Seidenfaden
befestigt ist; dann spritzt er Sublimat gegen den Tampon, führt einen
zweiten ein, spritzt wieder, und so fort, bis die Hamröhrenmündung er-
reicht ist. Die Tampons bleiben möglichst lange liegen ; in der Zwischen-
zeit spritzt er mit einer Lösung von Plumb. acet. und Morphin. 11 Fälle
waren nach im Durchschnitt 25tägiger Behandlung ohne nachtheilige
Folgen geheilt. Koch.
(45) Rockley empfiehlt bei chron. Gonorrhoe die Anwendung einer
von ihm construirten Urethralcurette. Nach Cocainisirung wird ausge-
kratzt und dann werden mehrere Tage antisept. Flüssigkeiten injicirt.
Die Curette ist länglich geformt, etwas gebogen und mit 14 Löchern ver-
sehen, deren obere Ecken scharf sind. Rockley hat einen Fall behandelt
und geheilt. Galewsky.
(46) Williams empfiehlt für die Behandlung der chronischen Ure-
thritis ein Instrument, das zugleich zur Dilatation und Ausspülung dient.
Das Instrument ist ein G Zoll langes starkes Rohr (Nr. 14 Charr.), an dessen
19*
292 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
eines Ende eine Spritze durch einen Gummischlauch befestigt wird,
^während das andere eine Schraubenmutter tr>, auf welche IV« Zoll
lange Ansätze (zwischen 18 und 29 Charr.) geschraubt werden; diese sind
coniseh geformt und an der Basis ron 4 Lochern durchbohrt, durch
welche die zum Ausspülen benutzte Flüssigkeit ausströmt; als solche be-
nutzt der Verf. Kai. hypermanganic. (1 : 10.000), Salzwasser etc. Für die
tieferen Theile der Harnröhre verwendet er einen weichen Katheter. Die
Resultate, die mit diesem Instrumente erzielt worden sind, sollen sehr
gute sein. Jadassohiu
(47) Nach Daggets Ansicht ist jede Behandlungsmethode der
acuten Gonorrhoe verwerflich, welche den entzündlichen Process steigert;
aus diesem Grunde ist die Anwendung des Katheters, besonders aber
chirurgisches Eingreifen im acuten Stadium zu vermeiden. Als besonders
zweckmässig empfiehlt Dagget Irrigationen der Urethra und Blase mit
heissem Wasser; zu diesem Zwecke hat er einen Ganülenansatz con-
struirt, der von einem aufblähbaren Gummiballon umgeben ist. Dagget
machte mit seinem Apparate zahlreiche Ausspülungen der Harnröhre und
Blase, wobei die Patienten in Rückenlage sich befanden und die Beine
angezogen hatten; zuweilen musste zum Gelingen der Manipulationen die
Aufmerksamkeit des Patienten abgelenkt werden. Dagget glaubt, dass
durch die Irrigationen sich Verengerungen und sonstige Complicationen
leichter vermeiden lassen würden. Schäffer.
(48) Grünfeld empfiehlt nach Winternitz's Vorgange gegen
die bisher jeder Medication trotzenden, in Form von sehnenartig glän-
zenden Plaques auftretenden Epithelialauflagerungen bei chron. Urethritis
zur Injection ein Decoct von 100-0 Heidelbeeren auf 300-0 Gr. Colatur.
Gr. will damit in wenigen Tagen eine wesentliche Besserung erzielt haben,
die sich durch endoskop. Untersuchung und Abnahme der subjectiven Be-
schwerden erkennen Hess. — Gr. macht hierbei auf die grosse Aehnlichkeit,
die zwischen diesen Epithelialauflagerungen und der Leucoplakia buccalis
besteht, aufmerksam. Galewsky.
(49) Bacon hat Versuche mit einem trockenen und einem Hüssigen
Extract vonKava-Kava gemacht; das erstere bringt mit, das andere ohne
Schmerz eine Anaesthesie der Mundschleimhaut hervor. Das Fluid-Extract
vermehrt ('/, — 1 Drachme 48tündlich) den Urin, macht ihn dünner und
alkalisch. Bei der Gonorrhoe (Verf. hat 82 Fälle beobachtet) vermindert
es die Beschwerden und heilt in 15 — 30 Tagen den Ausfluss; nur in
6 Fällen versagte es, wie Bacon meint, weil es in diesen nicht gelang,
den Urin alkalisch zu machen. Jadassohn.
(50) Pichi ist ein in Südamerika vorkommender Strauch, dessen
Abkochung namentlich von den Chilenen schon lange gepen Erkrankungen
der Hamorgane verwendet wird. Von E. Merck in Darmstadt wird ein
Fluidextract des Mittels hergestellt, eine dunkelbraune Flüssigkeit, deren
sich F r i e d 1 ä n d er bei seinen Versuchen bediente. Die Dosis, 3 Mal täglich
1 Theelöffel, hatte keine üblen Nebenwirkungen, verbesserte sogar den
Appetit und war von nicht unangenehmem Geschmack. 6 Kranken-
der Syphilis. 293
geschichten (die allerdings sehr cursoriech sind insofern, als sowohl über
den Weiterverlanf als den Gonococcenbefund nur mangelhafte oder gar
keine Angaben gemacht werden. Ref.) von nervöser Reizbarkeit der Blase,
acuter Gonorrhoe mit Cystitis, Hypertrophie der Prostata mit chronischer
Cystitis, chronischer Prostatitis, acuter Gonorrhoe und subacuter Gonorrhoe
mit rechtsseitiger Epididymitis iUustriren die günstige Einwirkung des
Mittels vornehmlich auf die subjectiven Beschwerden. Die Wirksamkeit
desselben beruht zweifellos auf dem starken Gehalte an Harzsäure und
Tannin. Karl Herx heimer.
(51) Falkson hat ein Suspensorium anfertigen lassen, dessen Gurt
das Beckengerüst als Stützpunkt hat. Er besteht aus einem Mittelstück,
das auf die Symphyse zu liegen kommt, und Seitentheilen und ist mit
Wildleder gefuttert. Unterhalb des Gurtmittelstücks befindet sich das
Penisloch am Ansatz des aus grauem Leinen bestehenden Beutels. Am
hinteren freien Rande des Beutels befindet sich je ein Band, welches
durch eine Schnalle geführt wird, die am äusseren Rand des Symphysen-
theils des Gurtes sitzt. Die Schenkelbänder sind die üblichen. F. bestreicht
das Scrotum mit Vaselin, legt darüber Gummipapier, polstert mit Watte
aus und legt darüber das Suspensorium an. Der Verband wird jeden
vierten Tag emeueK. Bezugsquelle des Suspensoriums ist Hobe's Apotheke,
Berlin S., Dresdener Strasse 81. Karl Herx heimer.
(52) In Anbetracht der Thatsache, dass der Sitz der Gonorrhoe bei
Frauen hauptsächlich die urethrale Schleimhaut ist, und dass diese im
Gegensatz zu der Gonorrhoe bei Männern nicht häufig genug von dem
Heilmittel getroffen wird, hat Alien einen Irrigator angegeben mit
einer ca. 8 Cm. langen Hartgummispitze, die entsprechend der Urethra
leicht gekrümmt ist, und einer Vorrichtung, dass das Instrument nicht
zu tief eindringen kann. A. glaubt, dass mit diesem Irrigator die Kranken
selbst die verordneten Ausspülungen ausfahren können. Loeser.
(58) Rollet räth dringend, bei der Behandlung der weiblichen
Gonorrhoe nie die Urethra zu vernachlässigen. Es käme oft genug vor,
dass Uterus und Adnexa behandelt werden und die vernachlässigte
Urethra immer wieder die Quelle der Infection würde. R. unterscheidfit
eine acute schmerzhafte, eine chronische schmerzlose und eine latente
Form der Urethritis. In allen diesen Fällen empfiehlt er die locale Be-
handlung der Harnröhre, sei es mit Stiften von Kupfersulfat, Sublimat,
Jodoform, Ichthyol, sei es mit Lösungen. (Hier empfiehlt er starke Lösungen
von Arg. nitr. (l*57t), Ichthyol (37«), Resorcin (5%) u. s. f.) Zur Berie-
selung der Urethra verwendet Verf. einen kurzen Gatheter mit Olive und
grossem Fenster. Stein.
(54) Bei Gelegenheit der Demonstration einiger Präparate, die bei
Laporotomien wegen Salpingitis gewonnen worden waren, spricht Mnrray
über die Therapie der gonorrhoischen Vaginitis. Er empfiehlt im acuten Sta-
dium Ausspülungen mit Sublimat (1 : 10000), später Behandlung der Cervix
mit Sublimat und Carbolsänre, Ausspülungen der Soheide mit 5 Vt Aigentnm-
nitricumlösungen mit folgender Jodoformgazetamponade. In der Discussioa
294 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
empfiehlt Polk sofort Behandlung des stets (?) miterkrankten Endo-
metriums durch Ausspülungen, Einfuhren von Jodoformgaze, eventuell
Curettement ; Golec wendet Yaginalkugeln mit lOV^ Salicylsäure an.
Paul Neisser.
(55) Nach Ausspülung und Reinigung der Vagina mit Sublimat-
lösung wird dieselbe mit Watte austamponirt, die in eine Lösung von
Methylenblau lO'O, Alcoh. 15-0, Kai. carbon. 0*2, aqu. dest. 200-0 getaucht
wurde. Die Tampons bleiben 2 Tage liegen, dann wieder Ausspülung der
Vagina und neue Tamponade. Augenblickliche Schmerzlinderung und
schnelle Heilung.
(56) Die Vaginitis gonorrhoica, welche Frederick für sehr selten
halt, behandelt er mit Ausspülungen von heissem Wasser, 10% Zinklösnng
und endlich mit 10% Argentnm nitricum-Lösung. Bei der Behandlung
der Gervicalgonorrhoe wird die Dilatation des Muttermundes mit Lanü-
nariastäbchen vorgenommen und hierauf mit lOV« Argentum nitricnm die
Schleimhaut ausgewischt. Die Therapie der gonorrhoischen Entzündung
der weiblichen Beckenorgane unterscheidet sich nicht von derjenigen der
übrigen Entzündungen dieser Theile. Insbesondere werden angewandt
Bettruhe, heisse Umschläge und Opium; letzteres jedoch sollte nicht
in zu grossen Dosen gegeben werden, da hierdurch vielleicht die Ent-
stehung von Adhäsionen durch völliges Aufhören der Peristaltik be-
günstigt wird. Kommt es zur Bildung von Eiter, so kann man entweder
von der Vagina aus punctiren oder die Laparotomie machen. Letz-
teres ist in den meisten Fällen vorzuziehen, da die Abscesse gewöhn-
lich multipel sind undbeider l^mction von der Scheide aus nicht sämmtliche
Eiterherde entleert werden können. Am empfehlenswerthesten ist jedoch
in solchen Fällen die radicale Entfernung der erkrankten Adnexe, welcher
später ein Curettement des Uterus angeschlossen werden kann. Dass oft
auch nach der Radicaloperation vollständige Gesundheit nicht erlangt
wird, liegt nach Frederic k's Ansicht daran, dass die Kranken durch
die vorangegangenen Leiden und das langjährige Siechthum zu sehr ge-
schwächt waren, als dass sie ihre ehemaligen Kräfte wiedererlangen
könnten. Es wäre daher wünschenswerth, dass die Radicaloperation nicht
zu weit hinausgeschoben und nicht erst dann unternommen ¥rürde, wenn die
Gesundheit der Frauen bereits vollständig untergraben ist. Schaffen
(98) Die 22jährige Patientin Dumont's, welche einmal geboren
hatte, wurde später von ihrem Manne gonorrhoisch infioirt. Diagnose:
linksseitige Salpingitis. Bei der Laporotomie wrurde der linksseitige, an
einer Dünndarmschlinge adhärente salpingitische Tumor entfernt; das
Ovarium war nicht zu finden. Rechte Adnexe normal. Glatte Heilung.
Völliges Verschwinden aller Beschwerden. Paul Neisser.
(94) M o n o d in Bordeaux behandelt die Vulvo-Vaginitis kleiner
Mädchen mit Kai. hypermang. Er fuhrt täglich durch die Hymenalöffiiuiig
einen weichen Catheter ein und spült die Vagina mit 1 bis iVt L. einer
Lösung (1 : 4000) aus. Die Lösung fliesst aus einem hochgehängten Gefass
zu. Heilung binnen 14 Tagren. — Bei Erwachsenen mit gleichzeitiger
der Syphilis. 295
£ndometritiB cervicalis fuhrt M. einen Tampon in die Vagina resp. den
Cerricalcanal ein, der mit Kali hypermang. (1 : 1000) getrankt ist.
Raff.
(69) Kirstein. Die 3 bisher geübten Methoden zur Prophylaxe der
Blennorrh. neonator. haben ziemli ch gleich glänzendeErfolge zu verzoichnen.
Es sind
1. Die Cr ed ersehe Methode: Einträufeln eines Tröpfchens 27o Arg.
nitr. Lösung; 2. Die Kaltenbach'sche Methode: Desinfection den Scheide
erst mit Sublimat '/,O0«, dann V^Vo (Vergiftungsgefahr für die Mutter!);
3. Die Schirmer-Korn'sche Methode, bestehend in sorgfaltiger Reinigung
der Augenlider sofort nach dem Durchschneiden des Kopfes und zweite
Reinigung des Gesichtes und Kopfes vor der Abnabelung.
Von den der Arbeit zum Schlüsse beigefügten Thesen sind be-
sonders folgende hervorzuheben:
1. Die Blennorrh. neonat, entsteht in den meisten Fällen durch
manuelle Ueberimpfung virulenten Scheidensecrets bald nach der Geburt.
2. Die Hebammen müssen wie zur Verhütung der puerperalen Sepsis, so
auch behufs Verhütung der Blennorrh. neonat, zur peinlichsten Reinlichkeit
erzogen werden. 3. Den Hebammen ist die Bedeutung des Grede'schen
Verfahrens einzuschärfen und die Anwendung desselben zu gestatten.
(60) Bei Gelegenheit der Vorstellung zweier Patienten Morel-
Lavallee's, welche von einer gonorrhoischen Arthritis durch innerlichen
Gebrauch von Hg. geheilt worden waren (übrigens waren beide Patienten
alte Syphilitiker), spricht JuUien seine Ansicht dahin aus, dass das Hg.
nicht nur antiluetisch, sondern überhaupt antibakteriell wirke. Er selbst
habe 1888 schon solche FäUe publicirt, bei denen er subcutane Injectionen
von Sublimat angewendet habe, von dem Gedanken ausgehend, dass das-
selbe direct auf die Gonococcen oder sonstige pyogenen Substanzen in
den Gelenken deletär wirken würde; es sei diese Methode nicht mit der
localen Application von grauer Salbe zu verwechseln, welche doch nur
antiphlogistisch wirke. Paul Neisser.
(61)Fovrau de Courmelles berücksichtigt besonders beginnende
Stricturen. Dieselben werden mittelst eines complicirten Apparates dia-
gnosticirt. Ein mit Quecksilber gefülltes Bongie wird in die Blase einge-
führt; kurz vor dem Ende des Bougies befindet sich ein dünnwandiger
Kautschukballon, communicirend mit dem Hohlraum der Sonde. Der Druck
den die Harnröhrenwände beim Zurückziehen des Bougies aus der
Blase auf dasselbe ausüben, wird vermittelst complicirten Hebelapparats
auf einem Registrircylinder graphisch dargestellt. — Es soll nach Angabe
des Verf. dadurch möglich sein, Stricturen in ihren ersten Anfangen zu
erkennen. Stein.
(62) Reliquet und Guepin weisen an der Hand einer ganzen
Reihe von Krankengeschichten nach, dass es nicht gar so selten vorkommt,
dass anamnestische Daten und die klinische Untersuchung zur An-
nahme des Bestehens einer Strictur drängen, und trotzdem in Wahrheit
keine Strictur besteht. Die Urinentleerung' kann in derartigen Fällen stark
296 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
behindert sein; es kann zu vollstindiger Retentio urinae kommen, die
untersuchende Sonde ist an irgend einer Stelle der Harnröhre fest enga-
girt und doch beruht das Hindemiss einzig auf einem Spasmas, der als
Keflexact einer peripheren, bisweilen auch einer centralen Anomalie zu
Stande kommt.
In den meisten Fällen handelt es sich um Verengerungen des Prä*
pntinms, resp. um eine £nge im Orificium ext. der Urethra. Eine Anzahl
von Krankengeschichten illustriren aufs Deutlichste, wie nach der einfachen
Spaltung einer solchen Phimose, nach der blutigen Erweiterung eines
solchen verengten Orificiums die Symptome der Strictur schwanden. —
£rwihnt sei hierbei, dass auch eine in Wirklichkeit bestehende Strictur
durch einen solchen Spasmus einen abnormen Grad von Enge vor-
täuschen kann.
Neben den oben genannten Anomalien können eine weitere Ursache
iur den reflectorischen Spasmus abgeben: Entzündung der TysonVhen
Drüsen, Entzündungen im Gebiete der Prostata und der ihr zagehörigen
Drüsen, femer Entzündungen der Cooper'schen Drüsen, sodann abnorme
Füllnngszustände im Rectum. Femer wird ein Fall erwähnt, in dem nach
Beseitigung eines Excemaad anum die beängstigenden Symptome d^ Ae*
tention schwanden. Schliesslich kommt es auch vor, dass bei beginnenden
Myelitiden derselbe Reflexact ausgelöst wird. Stein.
(63) Glenowuille weist darauf hin, dass man bei einerVerengernng
der weiblichen Urethra zuerst an comprimirende Tumoren und an Steine
denken müsse. Die meisten Stricturen finden sich im vorderen Drittel der
Harnröhre; die beste Behandlung ist im allgemeinen die allmälige Dila-
tation, obgleich man bisweilen die Urethrotomia interna nicht umgehen
kann.
(64) Meisels findet das Vorkommen von Stricturen in der weib-
lichen Urethra häufiger, als dies gemeiniglich in Lehrbüchern und von
Fachleuten angegeben wird. Ihm scheint die Möglichkeit ihrer Enstehnng
bei den vielen Schädlichkeiten (Coitus, Blennorrhoe, Geburtstrauma etc.),
die in Betracht kommen, jedenfalls sehr gross und er glaubt, dass gewiss
manche irradiirte Erscheinungen, Blasenspasmen, Nervenkiämpfe, Hysterie
auch dadurch zu erklären seien. M. selbst hatte zwei ziemlich hochgradige
Stricturen in Beobachtung, von denen die eine durch hamsaure Diathese,
Passiren der Calculi durch die Harnröhre, die andere durch Blennorrhoe
bedingt war. Aufmerksam gemacht wurde M. auch hier durch Inradiations-
erscheinangen, Krämpfe etc. Die Therapie gestaltet sich analog derStric-
turbehandlung bei Männern, natürlich nur viel einfacher.
K. UUmann.
(65) Sontham behandelte während der letzten 3 Jahre imkönigl.
Hospitale zu Manchester 60 Fälle von Strictur, von denen 12 mit Retentio
urinae, 8 mit Urinextravatation aufgenommen wurden. Bei 6 von den 12 an
Retentio Leidenden wurde die Pnnctio vesicae mit befriedigendem Erfolge
vorgenommen, bei den anderen 7 wurde die Rentention durch Opium und
heisse Bäder behoben. Bei der Behandlung der Strictur selbst, fidls sie
dei* Syphilis. 297
für Instrumente durchgangig war, wurde erst die graduelle Dilatation
versucht. Genügte diese nicht oder war sie unmöglich, so wurde zur in-
neren Urethrotomie geschritten ; zur äusseren nur bei Unpassirbarkeit der
Strictur. Die graduelle Dilatation wurde 29mal erfolgreich ausgeführt.
Die innere Urethrotomie wurde 16mal bei resilienten oder irritablen
Stricturen angewandt, jedesmal mit sehr gutem Resultat. Es wurde das
Teevan'sche Urethrotom benutzt, das an ein filiformes, als Leitsonde
dienendes Bougie angeschraubt war. Die Strictur wurde an ihrer oberen
Wand von vorn nach hinten durchtrennt. Vor der Operation erhielt der
Patient, um den Urin zu sterilisiren, jedesmal Salol oder Borsäure und
musste, um die bei schweren Stricturen meist vorhandene Cystitis zu bessern,
Bettruhe halten, auch morgens und abends ein warmes Bad nehmen. Für
leichten Stuhlgang wurde durch Magnesia sulf. gesorgt. Peinliche Anti-
sepsis war selbstverständlich. Nach Durchtrennung der Strictur und Dila-
tation derselben mit Lister-Sonde bis Nr. 15 (£ngl. Massstab) wurde der
Urin abgelassen und Blase und Harnröhre mit Borsänrelösung ausgewaschen
und ein Jodoformbougie eingeführt. Ein Verweilcatheter wurde nicht
benutzt und erst am 3. oder 4. Tage eine Sonde Nr. 9 — 12 bis zur Blase
eingeführte Dies wurde jeden Morgen wiederholt, bis der Patient (gewöhn-
lich nach 8 Tagen) das Spital verliess. Complicationen wurden nicht be-
obachtet. Die Urethrotomia externa wurde lömal ausgeführt, Smal bei
Urinextra vasation. Der Versuch nach Wheelhouse, die Urethra vor
der Strictur zu öffnen, eine dünne Sonde durch die Verengerung zu schie-
ben und dieselbe dann von der Perinealwunde aus zu durchtrennen, wurde
jedesmal unternommen, doch gelang es nur schwer, bisweilen gar nicht,
die Oeffhung der Strictur zu entdecken. In letzterem Falle wurde die
Harnröhre hinter der Strictur geöffnet. In 3 Fällen trat der Tod ein in
Folge schon bestehender Nierenerkrankung, in einem 4. Falle durch Becken-
zellgewebseiterung, die von der Perinealwunde ausging. Es wurde allen
Strictur-Kranken empfohlen, von Zeit zu Zeit eine Sonde durch die Harn-
röhre zu fnhren. Sternthal.
(66) Morris bespricht neben der Behandlung anderer Affectionen,
die hier nicht von Interesse sind, auch die Behandlung der Urethralstric-
toren. Alle Stricturen, die mit einlacher Dilatation behandelt werden kön-
nen, sollen auch so behandelt wurden. Die äussere Urethrotomie oder
der Perinealschnitt ist die geeignete Operation bei impermeablen Stricturen
mit Urinretention, bei Stricturen, die mit Urinfisteln, Urinabscess oder
Extravasation complicirt sind. Für Stricturen, die der gewöhnlichen Dila-
tation nicht weichen, die sehr reizbar oder sehr resilienten Charakters sind,
kann man zwischen innerer Urethrotomie oder gewaltsamer Dilatation
unter Chloroform wählen. Was die Elektrolyse anbetrifft, so kann mau
mit dieser zwar auch Erfolge erzielen, doch nur bei sehr lange fortge-
setzter Behandlang. Von der gewaltsamen Dilatation hat man sich eine
zn ungänstige Ansicht gebildet. So gnt die innere Urethrotomie bei Fällen
einfacher Strictur ist, die nahe dem Bulbus oder dem Meatus sitzt,
besonders, wenn sie ringförmig ist oder an der unteren Seite der Harnröhre
298 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
liegt, so dass sie selbst und nicht die gesunde Schleimhaut von der Klinge
durchschnitten wird, so sehr ist der Dilatator vorzuziehen bei multiplen
Stricturen der Pars spongiosa urethrae und da, wo das Strictnrgewebe be-
grenzt und so gelegen ist, dass es der Incision ausweicht. Bei dieser Methode
werden sehr oft, auch wenn weiter keine instmmentelle Behandlung mehr
stattfindet, dauernde Erfolge erzielt. Sternthal.
(67) Martinez del Campo empfiehlt auf Grund seiner Erfah-
rungen bei multiplen Hamröhrenstricturen die combinirte innere und
äussere Urethrotomie mit nachfolgender Drainage der Urethra und Blase;
die Resultate sind wegen der Dauererfolge sehr befriedigend. Koch.
(68) Coignet beschreibt ausfuhrlich (mit Krankengeschichten) die
Methode der perinealen ürethrostomie, welche Poncet empfohlen hat;
14 so operirte sind geheilt. Die Gohabitationsfahigkeit ist erhalten; die
Impotentia generandi, welche resultirt, ist bei diesen Kranken nicht za
beklagen gewesen. Die Operation ist indicirt: bei immer wieder nach den
verschiedensten Behandlungmethoden recidivirenden Stricturen, bei weitaus-
gedehnter narbiger Destruction der Urethra, bei Pyelitis etc., bei Intoleranz
des Catheterismus. bei manchen Fremdkörpern, bei Tuberculose der
Urethra, bei gewissen Prostatikern. Jadassohn.
(69) Miller benützt zur Dehnung schwieriger Stricturen ein
dickes, schweres Metall-Bougie mit leichter Krümmung, dessen Schaft sich
in der Gegend der letzteren verjungt, während das dünne periphere Ende
in ein Knöpfchen ausläuft. Es vereinigt so in sich die Vorzüge von ähn-
lichen, früher von Syme, Spence und L i s t e r angegebenen Instrumenten
und soll sich vorzüglich bewähren. Koch.
(70) Tuffier hat auf gesunde Harnröhren von Hunden Ströme
von 8 und 20 Milliamperes einwirken lassen und in 2 Fällen nach zwei
Monaten eine Strictur an der behandelten Stelle constatiren können.
Ferner hat er bei einem Hunde traumatisch eine Strictur erzeugt, die
unmittelbar nach der Elektrolyse verschwunden zu sein schien, sich aber
allmälig wieder ausbildete. Auch auf Grund seiner klinischen Erfahrungen
(25 Fälle) glaubt Tuffier, dass Recidivenach derElectrolysedie Kegel sind.
Koch.
(71) Auf Grund von 51 Fällen, die Fort selbst behandelt, stellt
er in Bezug auf Stricturen die Thesen auf: Es gibt zweierlei Arten von
Stricturen — weiche und harte. Die ersteren sind die selteneren und
betragen ein Drittel aller Stricturen. Sie zeigen sich für die elektrolytische
Behandlung sehr leicht zugänglich* Lasch.
(72) Guelliot hat 15 Stricturen elektrolytisch behandelt, ohne je
Fieber zu beobachten. Er hält die Methode nur bei nicht zu engen, nicht
zu hai*teu und nicht zu langen Stricturen für anwendbar. Ueber die Re-
cidive nach Elektrolyse vermag G. noch nichts definitives zu sagen.
Jadassohn.
(73) Reynier hat acht Stricturen mit Elektrolyse behandelt» In
den leichteren Fällen genügte eine Sitzung, in den schwereren mussten drei
bis vier vorgenommen werden mit bis zu 40 Milliamperes steigenden
der Syphilis. 299
Strömen. Die Sitzungen sind sehr schmerzhaft. In zwei Fällen musste
R. zur Urethrotomia interna greifen; in dem einen waren auf eine
Sitzung Schüttelfrost und Fieber, im anderen auf drei Sitzungen lymphan-
gitische Erscheinungen gefolgt. Reynier ist der Ansicht, dass die elek-
trolytische Behandlung der Stricturen keine besonderen Yortheile bietet
und dass man die urethrotomia interna nicht entbehren kann. Koch.
(74) Im Anschluss an die Arbeit Desnos' berichtet Bazy, dass
er mit der circulären Elektrolyse (nach der Methode von Boisseau du
Roch er) bei sehr harten und engen Stricturen dauernde Erfolge nicht er-
zielt hat Auch die lineare Elektrolyse (mit 30—40 Milliamperes) ist iu
manchen Fällen ganz unwirksam, auch in solchen, in denen die Urethro-
tomia interna zu völliger Heilung fährte.
DemSalol rühmt Bazy antifebrile Wirkungen nach und meint, dass
es, bei suspectem Gathet«rismus in genügenden Dosen prophylactisch ge-
geben, die Zersetzung des Urins verhindern kann. Jadassohn.
(75) Mansell Moullin ist der Ansicht, dass der constante elek-
Irische Strom bei der Behandlung von Stricturen da von einigem Werthe
ist, wo eine schwielige Masse die Harnröhre umgibt und sie zu einem
engen und vielleicht gewundenen Ganal geworden ist. Der Strom unter-
stützt die Erweichung des dichten Gewebes und erleichtert so die An-
wendung wirksamerer Methoden. Bis zu einem gewissen Grade beseitigt
er auch Muskelspasmen. Mehr leistet er aber nicht. Sternthal.
(76) Blackwood, welcher sich seit 25 J. bei der Behandlung der
Hamröhrenstricturen mit Erfolg der Elektrolyse bedient, hebt ihre Vor-
züge gegenüber den anderen Behandlungsmethoden hervor. Bei ihrer An-
wendung ist darauf zu achten, dass die Instrumente aseptisch sind, dass
femer keine Gonococcen in der Harnröhre sich befinden. Die anzuwendende
elektrische Sonde sei um eine Nummer stärker als diejenige, welche, ohne
Schmerzen zu verursachen, die Strictur passirt. Der negative Pol entspricht
der Sonde, während die indifferente, also positive Elektrode am Perineum
oder oberhalb des Schambeins angesetzt wird. Man dränge das Bougie
sanft gegen die verengte Stelle, welche meist schon nach einer Minute
überwunden ist; ist dies nach wenigen Minuten noch nicht geschehen, so
beginne man die Procedur mit einer schwächeren Nummer von neuem.
Blutungen dürfen bei der elektrolytischen Behandlung nicht eintreten. Die
Batterie muss einen gleichmässigen Strom liefern und leicht controlirbar
sein; ein Galvanometer ist unentbehrlich. Schaffe r.
(77) Green e hält die elektrolytische Behandlung der Hamröhren-
stricturen fiir besser als alle anderen Methoden; die zahlreichen Miss-
erfolge anderer fuhrt er auf Fehler in der Anwendungsweise zurück.
Verfasser hält einen Strommesser für durchaus nothwendig; als positive
Elektrode empfiehlt er einen grossen feuchten Schwamm. Unt«r üai 200
Fällen von Urethralstricturen, die mit Elektrolyse behandelt wurden, hatte
Greene nur einen Misserfolg. Von 2 mitgetheilten Krankengeschichten
bezieht sich die eine auf einen Patienten, der von einer gonorrhoischen
Strictur und Urethralfistel mittelst des elektrolyiischen Verfahrens geheilt
300 Bericht über die Leistungfii auf dem Gebiete
wurde ; im zweiten Falle handelt es sich um eine Strictur, die blutig operirt
wurde, sich jedoch bald wieder einstellte und erst durch elektrolytische
Behandlung zur völligen Heilung gebracht wurde. Schiffer.
(78) Die elektrolytische Behandlung der Hamröhrenstrictuien hält
W a 1 1 a c e für vortheilhaft, weil durch sie eingreifende Operationen ▼ermieden
werden, weil die Patienten ihrer Beschäftigung nachgehen können, ferner
wegen der Schmerzlosigkeit des Verfahrens, wegen des Ausbleibens von
Fieber und schliesslich, weil der Ansfluss aus der Harnröhre grfuutig be-
einilusst wird. — Wallace warnt davor, die Curen beschleunigen zu
wollen und einerseits zu grosse Stromstärken zu verwenden, andererseits
die Sitzungen zu oft zu wiederholen. Die besten Resultate glaubt er erzielt
zu haben, wenn er die elektrolytische Behandlung in Zwischenräumen von
10 — 14 Tagen vornahm. Schaff er.
(79) P h 0 1 b 8 fuhrt 5 Fälle von Hamröhrenstrictur nach Gononhoe
an, welche er nach Newman^s Methode mit Elektrolyse behandelte. Bei
einem der Patienten handelte es sich um ein Rectdiv, welches nach einer
brüsken Dilatation aufgetreten war. Im allen Fällen w^urde in kurzer Zeit
dauernde Heilung erzielt. Seh äff er.
(80) Einen sicheren Fall von sogenannter spastischer Hamröhren-
strictur hat G a n n a d y nie gesehen ; die organischen Verengerungen
der Urethra hält er für viel häufiger als allgemein angenommen wird.
Die Behandlung derselben mit Bougies oder Stahldilatatoren erscheint ihm
unzweckmässig, vielmehr wendet er. seit mehreren Jahren nur die Elektro-
lyse an. Er verfährt im Allgemeinen nach den Vorschriften Newman's;
beim Zurückziehen des Bougies benutzt er den faradischen Strom.
Scfa äffer.
(81 ) K e w m a n fügt zu den bereits verött'entlichten 200 Fällen noch 100
neue hinzu, welche wiederum bestätigen, dass die elektroijrtische Behandlang
der Hamröhrenstricturen fast stets von Erfolg begleitet ist. Mitserfblge
könnten nur bedingt sein durch unvorhergesehene Gomplicationen, durch
schlechte Instrumente, durch die Nachlässigkeit des Operateurs oder in
Folge von Fehldiagnosen. Als besonders zu beobachtende Vorschriften
werden angeführt: stets nur den constanten galvanischen Strom in einer
Stärke von 8 — 5 Milliamperes anzuwenden, den negativen Pol auf die
verengte Stelle zu appliciren, die Sitzung nicht iSnger als 6 — 10 Minuten
auszudehnen, höchstens einmal in der Woche zu operiren und nur dann,
wenn die Schleimhaut sich nicht im Zustande der Entzündung befindet.
Nach Newman's Ansicht ist die richtig angewandte Elektrolyse jeder
anderen Behandlung der Urethralstrictnren durchaus überlegen.
Die Resultate, welche in den 100 angefoihrten Fällen erzielt wurden, sind
in der That sehr gute. Es werden in der Statistik u. A. angegeben : Sitz und
Weite der Strictur, Behandlungsdauer, das Oaliber detf Instrumentes,
welches nach der Behandlung die Strictur passirte und die Beobaohtongs-
daner. Unter den 100 Fällen finden sich nur 2 Mitserfolge, welche durch
die besonders ungünstigen Verhältnisse erklärt werden. Dagegen sind
unter den erfolgreich behandelten Fällen mehrere, bei denen nach Fehl-
der Syphilis. 301
schlagen aller anderen Mittel die Boutonniere bereits in Aussicht ge-
nommen war.
Im Allgemeinen betrug die Zahl der einzelnen Sitzungen 5 bis 6
im einzelnen Fall, die durchschnittliche Behandlungsdauer war etwa 2
bis 3 Monate; Recidive wurden nicht constatirt, obwohl die Patienten
im Durchschnitt 2'/« Jahr lang beobachtet wurden.
In der sich anschliessenden Discussion wird hervorgehoben, dass
auch für traumatische Hamröhrenstricturen die elektrolytische Behandlung
geeignet sei. Es wird femer über einen Fall von Oesophagusstrictur be-
richtet, welcher vermittelst Elektrolyse geheilt wurde. Seh äffe r.
(82) Die Behandlungsmethode der Oesophagus-, Nasengang-, Rectum-
stricturen mittelst Elektrolyse wird kurz geschildert. Man applicire stets
den negativen Pol des constanten Stroms auf die Stricturstelle, wende
nicht zu starke Ströme an (im Oesophagus und im Rectum bis 25 Milliam-
peres, in der Harnröhre bis 10 Milliamperes); immer soll man langsam
vorgehen und grössere Gewalt vermeiden, insbesondere wenn es sich um
ausgedehntere Stricturen handelt, wobei es sich empfiehlt, die Behandlung
auf mehrere Sitzungen zu vertheilen. — Für die Dehnung der Hamröhren-
stricturen empfiehlt Verfasser Elektroden mit kugligem Ansatz, welche
er denjenigen mit scharfer Schneide bei weitem vorzieht.
Seh äff er.
Verhandlungen der Berliner dermatologischen
Vereinigung.
Sitzung vom 5. December 1893.
Vorsitzender: Lew in. Schriftführer: Rosenthal.
L a 8 s a r. Krankenvorstellnng.
Haslund hat vor einiger Zeit in den Annales de Dermatologie auf
eine eigenthümliche Form der Alopecia aufmerksam gemacht, welche herd-
weise auftritt und sich mit einem Leucoderma specificum vergesellschaftet.
L. hat wiederholt dieselbe Beobachtung gemacht und besonders in letzter
Zeit zwei Fälle gesehen, bei denen diese Erscheinung der fleck artigen
Alopecie mit Leucoderma vereint war. (L. demonstrirt die betreff.
Photographien.) Der Pat., den er jetzt vorstellt, zeigt genau dieselbe Form
der von Haslund beschriebenen Alopecie, ohne sonst irgend eine Spur
von Syphilis zu haben. Es ist dies auch ein Beweis dafür, dass umge-
kehrte Schlüsse oft unzureichend sind.
Femer stellt Lassar einen Mann vor, der seit längerer Zeit au
einem pustulösen Hautausschlag mit reichlicher Narbenbildung leidet. Die
Affection begann an den Unterextr emitäten und erstreckte sich von da
aus auf die oberen. Jetzt bestehen neben zahlreichen Narben frische
Eruptionen in Form von kleinen Knötchen. Der Ausschlag hat mit einem
specifischen Exanthem grosse Aehnlichkeit und ist auch mehrfach dafür
gehalten worden. Lassar betrachtet den Fall als eine Art von Acne
pustulosa.
L i 1 i e n t h a 1 stellt einen Pat. vor, der vor kurzer Zeit einen Tripper
hatte, den er mit Copaivbalsam beseitig^. Bald zeigte sich erneuter Au«-
ÜuBs, in dem sich bei der Untersuchung keine Gonococcen fanden. Zu-
gleich trat eine Schwellung des Präputiums und der Inguinaldrüsen auf.
Seit 14 Tagen besteht ein syphilitisches Exanthem und Plaques auf den
Tonsillen. Bei genauerer Untersuchung zeigte es sich, dass der Pat eine
Sklerose der Harnröhre hat.
Lewin macht darauf aufmerksam, dass bei Sklerosen in der Urethra
«gewöhnlich keine starke Härte, sondern nur eine mittelweiche Schwellung
vorhanden ist.
Saalfeld stellt einen 43jährigen Pat. vor, der im Mai d. J. an
Gelbsucht und Hautjucken erkrankte und längere Zeit im Moabiter Kran-
kenhaus behandelt worden war. Als S. ihn zum ersten Male sah, bestand
J
der Berliner dermatologischen Vereinigung. 303
neben beträchtlicher Magerkeit ein hochgradiger Icterus; in der Gegend
der Gallenblase befanden sich mehrere Tumoren, von denen einer als der
Gallenblase angehörig betrachtet werden konnte. Andere von Erbseu-
bis WallnnssgrÖBse sassen in der Haut; der linke Leberlappen war sehr
resistent. Hansemann, dereinen exstirpirten Tumor untersuchte, stellte
die Diagnose auf Carcinom. Der primär erkrankte Theil ist wahr-
scheinlich die Vesica fellea. Jucken bestand während der ganzen Zeit,
war aber in der letzten Zeit am intensivsten.
Rosenthal: Beitrag zur Behandlung der Unterscheu-
kelge schwüre.
B. beabsichtigt nicht, über die Behandlung der Unterschenkel-
geschwüre eingehend zu sprechen, sondern nur auf ein Unterstützungs-
mittel zur Behandlung dieser Affection näher einzugehen. Die Majorität
der Unterschenkelgeschwüre beruht auf varicöser Basis. Es kommt dadurch
zu Staunngsödemen und zu Sklerosirungen der Ränder. Diese Zustände
tragen neben den anderen bekannten Ursachen dazu bei, die Behandlung
der Unters chenkelgeschwüre so schwierig zu gestalten. Von jeher ist
deshalb auf die Beseitigung dieser Complicationen hauptsächlich geachtet
worden. R. erinnert an die Theden'schen Einwicklungen, die Heft-
pflasterverbände, die Martin'schen Gummibinden etc. Der von Unna
i. J. 1882 zu demselben Zwecke eingeführte Zinkleim verband hat alle
früheren Methoden aus dem Felde geschlagen. Derselbe hat nach R. den
Nachtheil, dass das Secret durch denselben verhalten wird, daas in Folge
dessen die ekzematösen Randpartien gereizt werden, dass der Verband
schnell durchtränkt wird und dass man denselben deshalb oft wechseln
muss, was grosse Ansprüche an die Zeit des Arztes und an die Tasche
des Patienten stellt. R. hat zur Vermeidung dieser üebelstände seit
Jahren in seiner Klinik gefensterte Zinkleimverbände eingeführt. Wenn-
gleich diese Methode schon hier und] da in der Literatur Erwähnung
gefunden hat, so hat dieselbe jedoch so wenig Eingang ffefunden, dass
es sich lohnt des ^'äheren darauf einzugehen. Für diese Art der Verbände
eignen sich natürlich nur Unterschenkelgeschwüre von nicht zu grosser
Ausdehnung; circuläre Geschwüre können damit nicht behandelt werden,
weil bei grösserem Umfang der Ulcera der Hauptzweck, den Unterschenkel
gleichmässig zu comprimiren, illusorisch gemacht wird. Das Geschwür
darf kaum über handflächengross sein. Auch sind Ulcera mit stark
ekzematöser Umgebung für diese Behandlung noch nicht geeignet, sondern
muss zuerst das Ekzem in geeigneter Weise durch Puder, Umschläge
von essigsaurer Thonerde u, s. w. beseitigt werden. Um den Verband
anzulegen, wird zuvörderst das Geschwür mit irgend einem hohlen Gegen-
stande bedeckt. K. nimmt dazu mit Vorliebe Uhrgläser von entsprechender
Grösse, die die Pat. selbst oder ein Assistent fixirt. Dann wird der ganze
Unterschenkel mit Zinkleim bestrichen und mit einer ungestärkten
Gazebinde, worauf R. Gewicht legt, eingewickelt. Einer zweiten Lage
Zinkleim folgt dann eine zweite Gazebinde, die wieder in derselben
Weise bestrichen wird. In der Umgebung des Geschwüres bleibt nach
304 VerhäDdluD^en
Entfernung des Uhrglases noch eine kleine imbedeckte Partie öbrig
Dieselbe wird mit in Zinkleim eingetauchten Wattastreifen belegt, so daas
nur noch das Geschwür frei bleibt und auf diese Weise auf das genaueite
isolirt ist. Um zu verhüten, dass das über den Rand des Verbandes her-
überlaufende Beeret denselben beschmutzt und dnrchnisst, wird dieser
Theil mit Photoxylin bepinselt Das Geschwür kann nun mit Pulver, feaefa-
ten Umschlägen und Salben, je nach Bedarf, behandelt werden. B. stellt
S jetzt in Behandlung befindliche Pat. vor, bei denen die Geschwüre too
verschiedener Ausdehnung sind und die Heilung bereits verschieden weit
vorgeschritten ist.
Karewski hat die Zinkleimverbände seit der Publication Unna's
in Anwendung gezogen und glaubt, dass es nicht möglich ist, grosse Ge-
schwüre damit zur Heilung zu bringen. Der Werth dieses Verbandes
scheint ihm erst dann hervorzutreten, wenn das Geschwür bereits geheih
ist. Der eine Fall Rosen thal's ist in der Heilung w^eit vorgeschritten
und dürfte durch den Zinkleimverband geheilt werden. Bei dem zweiten
Fall erlaubt sich K. einige Bedenken zu äussern. Dieser Verband stellt
nur eine gleichmftssige Compression her, er ist eine verbesserte Gommi-
binde. Die Behandlung des Geschwürs erfordert immer antiseptische oder
besser aseptische Mittel. Ob es möglich ist, bei einem Verbände, der H
bis 8 Wochen liegt, in gleicher Weise vorzugehen, bezweifelt K. Er bat
deshalb in allen Fällen die Pat. taglich zu sich kommen lassen and
sie täglich selbst aseptisch verbunden. Es ist das eine kolossale Arbeit,
aber doch die einzige Methode, um an's Ziel zu kommen. Ist das Geschwür
geheilt, dann soll mau einen Zinkleimverband anlegen und ihn 2 — ^3 Mo-
nate liegen lassen, um Reeidive zu verhüten. Man kann aber solche Pat.
auch in kurzer Zeit gesund machen, indem man sie etwa 3 Wochen lang
stationär behandelt. Die Behandlung besteht in der Exstirpation der
Varicen und der sich daran anschliessenden Transplantation von nor-
maler Haut. K. hat öfter in einer einzigen Sitzung diese beiden Opera-
tionsacte ausgeführt. Die Exstirpation der Varicen stellt keine grösseren
Anforderungen an die Technik, hat keine Gefahren für die Patienten und
fesselt diese eben auch nicht lange an das Bett. Man kann event. znr
Verhütung von Reeidiven noch die V. saphena magna unterbinden. Dieser
Eingriff ist so gering, dass man denselben auch ambulant ausfahren
könnte, was K. freilich bisher nicht gethan hat. K. möchte wissen, ob es
Rosenthal wirklich gelungen ist, Geschwüre von Handtellergrösse unter
dem Zinkleimverband zur Heilung zu bringen.
Rosenthal erwidert, dass er bereits in den einleitenden Worten
hervorgehoben hat, dass die gefensterten Zinkleim verbände nur ein
Unters tut zunj^s- und Hilfsmittel abgeben, und nicht die eigentliche Be-
handlung bilden. Ausserdem darf natürlich ein Zinkleimverband nicht
6 — 8 Wochen lieg-en, sondern inusa in der ersten Zeit schon nach 6 — 8
Ta<ren erneuert werden; erst später darf derselbe einige Wochen liegen
bleiben. Die Frajre, ob es R. gelungen sei, handtellei^grosse Geschwüre
unter dem Zinkleimverband zu heilen, kann R. nur bejahen, da er mit
der Berliner dermatologischen Vereinigung. 305
oder ohne Hilfe des Zinkleimverbandes derartige Geschwüre znr Heilung
gebracht hat. Was die Behauptung betrifft, dass man die Geschwüre nur
unter antiseptischen oder aseptischen Mitteln heilen kann, so kann nach
B.'s Ueberzeugung hievon keine Bede sein, da alle derartig wirkende
Mittel starke Schmerzen hervorrufen und ev. geeignet sind, den Zustand
der Pat. zu verschlimmem. Ueber die chirurgische Behandlung hat R.
keine Erfahrungen.
Heller demonstrirt einen Tumor, der vom linken Hoden eines
34jährigen Mannes stammt. Der Vater des Pat. hatte sich ausserhalb der
Ehe syphilitisch inficirt und seine Frau angesteckt Er selbst hat in seiner
Jugend an einem hartnäckigen Ausschlag gelitten, war aber sonst stets
gesund. Seit 8 Jahren ist er verheirathet ; das erste Kind starb, das zweite
ist gesund, dann folgten mehrere Aborte. Vor 1'/, Jahren begann der
linke Testis anzuschwellen, ein Jahr später erlitt der Pat. ein Trauma,
und fand H., als er gerufen wurde, eine Geschwulst von Zweifaustgrösse.
Bei der von einem GoUegen beabsichtigten Radicaloperation erwies sich
der Testis als vollkommen gesund; nur der Nebenhoden, der aus einer
mächtigen bindegewebigen Masse bestand, welche den Hoden umgab, war
erkrankt. Es wurde infolgedessen zuerst eine Inunctionscur eingeleitet,
die aber ohne Resultat blieb. Da eine Eiterung hinzutrat, musste zur
Castration geschritten werden. Bemerkenswerth erscheint noch, dass gleich-
zeitig mit der Entwicklung des Tumors sich eine Paranoia ausbildete,
deren Hanptidee sich auf die geschlechtliche Sphäre bezog. Trotzdem der
Mann an seine Frau ausserordentlich hohe geschlechtliche Anforderungen
stellte, beschuldigte er sie, die Ehe gebrochen zu haben. Er betrachtete
Beine eigene Krankheit als die Folge der Unzucht, die seine Frau mit
seinem Bruder getrieben hätte. Als der Hodentumor seine grösste Aus-
dehnung erreicht hatte, Hessen die Wahnideen etwas nach. Der Tumor
selbst ging vom Corpus Highmori aus und bestand aus einer starken
Wucherung sehr harter bindegewebiger Massen, bei deren Durchschnitt
eine Anzahl Cysten sichtbar wurde. Dieselben enthielten Cholestearin und
Detritusmassen. Es handelte sich um ein alveoläres Sarcom.
Lassar beobachtete während seiner Assistentenzeit in der psychia-
trischen Klinik zu Breslau einen ähnlichen Fall von Paranoia, ohne dass
eine Hodenaffection vorlag.
Ledermann stellt einen Fall von ausgebreitetem Eczema
marginatum vor, der mit starkem Juckreiz verbunden war und jetzt
in Heilung begriffen ist.
Peter hat in letzter Zeit eine grossere Anzahl solcher Fälle, die
er für Pityriasis rosea hält, gesehen und bei der Untersuchung der
Schuppen regelmässig Pilze gefunden. Hauptsächlich an den Rändern der
einzelnen Epithelzellen war grosse Mengen kleinster Sporen in allen seinen
Fällen sichtbar.
Lewin stellt einen Fall von Vitiligo oder Albinismus partialis vor.
Li letzter Zeit ist eine Arbeit erschienen, die nachweist, d^s das Zoraath
der Bibel Vitiligo und nicht Lepra gewesen ist, eine Meinung, die sich
ArchiT f. Demutol. u. Sjphil. Band XX VIT. 20
306 Verhandlangeu
z. Tb. mit den Ansichten von Celans deckt. Wenn behauptet wird, dass
derartige Kranke weniger intelligent sind, so kann L. das nicht zugeben.
Sachs, der selbst mit Vitiligo behaftet war and das beste Buch über
Albinismus geschrieben hat, macht zuerst darauf aufmerksam, dass das
von der Affection befallene Haar eisenfrei ist Diese Beobachtung ist später
bestätigt worden. Für die Heredität sind bisher wenig Beispiele vor-
handen. Es sind sogar an Kaninchen Versuche gemacht worden, um diese
Behauptung zu widerlegen. Eigenthümlich ist auch, dass diese Flecke
sich yergrössem, aber sich nie verkleinern. Der Behauptung, dass solcLe
Personen nervös sind, liegt nach L. eine gewisse Berechtigung zu Grande.
Die vorgestellte Pat. stammt von gesunden Eltern und kam wegen Fluor
vaginalis in die Charite.
Saal fei d hat ein junges Mädchen beobachtet, das die gleiche
Affection nach einer äusserst starken Gemuthsaffection acquirirte, die
von der grössten Wichtigkeit für ihr ganzes Leben war. S. hat dieser
Angabe ein gewisses Vertrauen entgegengebracht.
Mankiewicz weist bez. der Heredität auf eine ihm bekannte
Familie hin. Die Mutter ist blond, der Vater ein Mann mit ziemlich
dunklen Haaren. An Haut und Augen ist nichts zu merken. Drei Kinder
sind Albinisten.
Lilienthal kennt eine Familie, in der der Vater einen typischen
Fall von Albinismus darstellt, während ein Kind tiefschwarz ist, so
dass man eher geneigt sein könnte, es für einen Neger zu halten.
Lewin kann für die Heredität 4 — 5 Beispiele anfahren.
Femer stellt Lewin eine Pat. vor, die an spastischer Spinalpara-
lyse leidet. Es zeigte sich ein gesteigerter Patellarr^ez, eine beginnende
Parese der Füsse mit Spitzengang und ein stark ausgesprochener Fuss-
clonus. Die Kranke kam mit Rupia auf die Abtheilung. Auf der hinteren
Pharynzwand war ein Geschwür vorhanden. Nach sechs Injectioneu von
Hydrarg. oxycyanat. musste wegen zunehmender Schwäche der Pat.
mit der Behandlung aufgehört werden. Nachher wurde durch Jodkali
eine bedeutende Besserung erzielt. Erb, der L J. 1875 zuerst diesen
Symptomencomplex zusammengestellt hat, hat später eine Unterart dieser
Affection beschrieben, die transversale Myelitis, bei der es sich um eine
Erkrankung der Seitenstränge, vorzüglich der Pyramidenbahn handelt,
und als Aetiologie Syphilis angegeben. Der Fall ist insofern interessant,
als er durch die Therapie geheilt wurde, was L. in anderen, ähnlichen
Fällen nicht gelungen ist. So hat er vor einigen Tagen einen anderen
Fall, den er im vorigen Jahre behandelt hat, wiedergesehen. Derselbe hat
mehrfach Schmier- und Schwitze aren ohne Erfolg durchgemacht. Ebenso-
wenig kann L. die Erfolge des Quecksilbers bei Tabes bestätigen.
Rosenthal erinnert an den Fall, den er zu Anfang d. J. vorge-
stellt hat, bei dem es sich um eine Affection der Seiten- und Hinterstrange,
also um eine spastische Spinalparalyse zugleich mit tabischen Erschei-
nungen handelte. Während der Gang zuerst schleudernd war, bildete sich
später der bekannte Spitzengang aus. Zu gleicher Zeit war erhöhter Pa-
der Berliner dermaiologischen Vereinigong. 307
tellarreflex, Fussklonus und eine Lähmung der Sphinkteren vorhanden. Die
Fat. wurde durch die Medication zwar nicht geheilt, fühlte sich aber so
viel besser, dass sie Europa verliess, um sich eine neue Existenz in Ame-
rika zu verschaffen.
Saalfeld fragt, ob irgendwelche Erscheinungen von Seiten der
Sprache vorhanden waren, resp. ob die Fat. einen Nystagmus der Kehl-
kopfrnuBculatur gehabt hat.
Lewin hat nichts Abnormes gefunden.
Femer stellt Lewin einen Fat vor, der an einem syphilitischen
Exanthem leidet, das einen ausgesprochenen liohenartigen Charakter hat.
Dasselbe besteht aus kleinen, scheinbaren Acneknötchen, die lichenartigen
Charakter haben; die Farbe ist eine eigenthümlich rothe, wie sie syphi-
litischen Ausschlagen nicht eigenthümlich ist; auch der Sitz ist ein eigen-
thümlicher, so dass leicht ein Zweifel entstehen kann, ob ein syphilitisches
Exanthem vorliegt oder nicht.
Lassar hält den Fall deshalb für werthvoU, weil Lewin zum
ersten Male ausgesprochen hat, dass es eine Form kleinpapnlöser Syphi-
lide gibt, welche eine weitgehende Aehnlichkeit mit Liehen ruber besitzen,
eine Beobachtung, die L. bereits seit längerer Zeit gemacht hat.
I s a a c hat früher einen Fall vorgestellt, ' bei dem die Diagnose
zwischen Liehen ruber und Liehen syphiliticus schwankte. Der vorgestellte
Fall scheint ein Liehen syphiliticus zu sein, wofür auch die Anordnung
in Gruppen spricht.
Lewin. Der vorgestellte Fall zeigt noch ausserdem Clavi syphilitici.
L. möchte aber vor Allem darauf aufrnerksam machen, dass der specifische
Liehen nie juckt, während beim gewöhnlichen Liehen ein intensiver
Juckreiz besteht.
Lewin: lieber Leucoderma. 0. Simon gebührt das Haupt-
verdienst, die Aufmerksamkeit auf diese Affection gelenkt zu haben ; nach
ihm haben besonders Neisser und Lesser darüber geschrieben. L. hat
daraufhin 8000 Kranke untersucht, die er in vier Kategorien theilt: 1.
Solche, die nicht syphilitisch waren, 2. Solche, die zum ersten Male
syphilitische Erscheinungen haben, 3. Kranke mit recidivirender Syphilis,
4. Kranke, die früher syphilitiscü waren, aber jetzt keine Zeichen von
Syphilis zeigten. — Was die Behauptung Neisser's anbetrifft, dass das
Leucoderma ein sicheres Zeichen von Syphilis sei, so hat L. folgende
Besultate : Von 4800 Kranken, die keine Zeichen von Syphilis hatten und
auch früher nie syphilitisch waren, hatten 227, also 47«, Lencoderma,
u. zw. war dasselbe stark ausgeprägt in l'AVt» schwächer in lV4Vt <uid
nur in Spuren in 1%. L. kann also die Behauptung Neisser's nicht för
richtig anerkennen. Uebrigens sprechen sich auch Lesser, Riehl,
Fournier und Kaposi ähnlich aus. Von 2190 KranknUy die den ersten
Ausbruch der Syphilis zeigen, hatten 778, d. i. SOVt Leucoderma, 1362
d. i. 637«) ^^^ Leucoderma. Die Abwesenheit desselben spricht also nicht
gegen Lues, und man darf deshalb nicht, wie Neisser, von einem
positiven und negativen Werthe dieser Affection sprechen. — Von 2600
20*
308 Verhandlaogen
Kranken mit recidivirender Syphilifi hatten 65*/, Leacoderma, also ein
grösserer Procentsats als bei frischer Syphilis, u. zw. hatten dieselben
verschiedene Guren durchgemacht, 34*8% kein Lenooderma. Ton Kranken.
die früher syphilitisch waren und bei denen die Untersuchung keine
Symptome von Syphilis mehr darbot, hatten 597« Leueoderma. Diese
Kategorie lässt am dentlichsten die schwerwiegenden Folgen der über-
triebenen Werthschätsung des Leacoderma erkennen, denn alle die«e
Kranken müssten einer erneuten Cur unterworfen werden. — Ne isser
gibt femer an, dass er das Leueoderma vorzugsweise bei Brünetten ge-
funden habe. L. hat kein absolut sicheres Resultat feststellen können
aber ihm schienen im Gegentheil die Blondhaarigen häufiger Leueoderma
zu haben, etwa im Verhältnis von 67'5 : 40. Auch bei Frauen, die schwanger
waren oder sind, konnte ein stärkeres Auftreten von Leacoderma nicht
constatirt werden. Neisser behauptet femer, dass die Affection sieb im
4. bis 6. Monat nach der Infection entwickelt. Auch diesem Aussprach
kann L. nicht beistimmen, da er schon Leueoderma bei Kranken mit
primärem Ulcus fand. Dass das Leueoderma ein paar Jahre anhält nnd
später nicht mehr zu finden ist, ist im Allgemeinen richtig. L. hat das-
selbe aber bei 6 Personen mit Hautgummata, bei 2 Personen mit Peri-
ostitis und bei einer mit lobulärer Pneumonie gesehen.
lieber die histologische Entwicklung sind die Ansichten der Autoren
ebenfaUs getheilt. Neisser behauptet, dass es sich aus einer voransre-
gangenen Roseola entwickelt; auch dem kann L. nicht beipflichten, denn
er hat Fälle gesehen, wo keine Roseola, wohl aber schon Leueoderma
bestand. Femer befallt die Roseola nicht häufig Hals und Nacken, und es
tritt da Leueoderma bei Recidiven häufiger auf,- wo eine Roseola sich
nur ausnahmsweise zeigt. Darin kann aber L. Neisser beistimmen, dass
in einzelnen Fällen von papulösen Exanthemen am Halse sich ans den-
selben das Leueoderma entwickeln kann. Von merkwürdigem Einflu^s ii^t
die Therapie: Etwa in 6— lO'/o nimmt das Leueoderma ab, in 30— 70',,
bleibt es bestehen, und in 20Vo nimmt es zu.
Was die Pathogenese anbetrifft, so stammt nach L. das Pigment
aus dem Blute und wird durch Ghromatophoren auf die Haut geführt.
Diese unterstehen dem motorischen Nervensystem. Werden nun die be-
treffenden Centren afQcirt und ein Theil der Ghromatophoren dadurch
gelähmt, so ist eine Pigmentverarmung der Haut, d. h. Leueoderma, die
Folge. Es handelt sich hier also um eine functionelle Störung. Die Mo-
mente, die auf das Nervensystem wirken, können verschiedenster Natur
sein, vor Allem aber psychische Einflüsse. Auch vom (Gehirn aus kann
das vasomotorische Gentrum, das zugleich das Centrum der Pigmentirung
ist, erregt werden. Auch bei Affectionen des Rückenmarks und der peri-
pherischen Nerven sind Pig^entanomalien mitgetheilt worden. L. glaubt
also, dass das Leueoderma auf einer Lähmung der Ghromatophoren beruht.
O. Rosenthal.
Verhandlungen der Wiener dermatologisclien
Gesellscliaft.
Sitzung vom 10. Jänner 1894.
Vorsitzender: Lang. Schriftführer: Nobl.
Kaposi: Ich will Ihnen einen Fall von Liehen ruber acumi-
natns vorstellen, einen Fall, der durch gewisse Details für Sie aUe sehr
interessant sein wird. Ohne mich hier auf den Streit einzulassen, ob man
nicht auch die Diagnose Pityriasis rubra pilaris, wie sie von den
Franzosen aufgestellt wurde, hier machen kann, will ich nur hervor-
beben, dass, so wie bei Liehen ruber planus die Intensitätssteigerung der
entzündlichen Vorgänge zur Blasenbildung und acuten di£fusen Dermatitis
führt, dieselbe auch bei Liehen ruber acuminatus dadurch solche
contrastirende Formen, wie sie der folgende Fall zeigt, hervorrufen kann«
Der Fat. war im Jahre 1867 als 12jähriger Bursche an der Klinik
Hebra's. Ein von Letzterem ausgestelltes Zeugniss weist die Diagnose
Liehen exsudativus ruber auf.
Nach den Angaben des intelligenten Fat. traten im Jahre 1869
leichte Recidiven an der Hand, im Jahre 1872 und 1876 grössere Knötchen
auf, welche aber bald unter dem Gebrauch von Arsenik verschwanden.
Vorige Woche nun schrieb mir der Patient, welcher Geistlicher in
Ungarn ist, dass er seit 19. November, an welchem Tage er auch stark
fieberte, abermals von einer Erkrankung befallen worden sei, die seiner
genauen Selbstbeobachtung nach der früheren Hautaffection vollständig
entspreche. Im Interesse der Wissenschaft hat sich Patient zu De-
monstration in der dermatologischen Gesellschaft freiwillig hieherbegeben.
Sie sehen nun, genau so, wie es dieses alte Bildniss zeigt, die Ge-
sichtshaut glatt und straff gespannt, von braunrother Farbe, die Augen-
lider ectropionirt ; in der Halsgegend sind etwas flache Knötchen, in der
Analregion sind dieselben zu Plaques zusammengesetzt. An der linken
Hand sehen wir einzelne Knötchen hervorragen, ebenso wie an der Flach-
hand und auch an den Sohlen. Dem Beckenkamm entsprechend ziehen
gürtelförmige Streifen und auch der behaarte Theil des Kopfes ist von
der Affection befallen. Pat. ninmit seit 3 Monaten Arsenik, aber in un-
rationeller Weise ein.
310 Verhandlungen
In Bezug auf Recidiven bei Liehen ruber haben wir nur wenig
Erfahrung.
Durch die Arsenikcur und locale Behandlung geht die Erkrankung
stets zurück, wenn auch die vollständige Heilung manchmal mehrere Mo-
nate bis zu einem Jahr braucht. Ich habe einen Fall beobachtet, wo ich
eine letale Prognose stellte, der aber bei rationellem Arsenikgebrauch
davonkam. Ein zweiter FaU, bei welchem die Behandlung vorzeitig aus-
gesetzt wurde, endete letal. Zum Schlüsse nun hebe ich noch einmal
hervor, dass die interessante Seite des eben vorgestellten Falles darin
liegt, dass durch volle 20 Jahre sich an dem Körper des Patienten keine
Spur dieser Erkrankung gezeigt hatte.
Hebra bemerkt, dass er sich gewissermassen in Verlegenheit be-
finde, da er eine Diagnose weiland seines Vaters umstossen müsse, um
die von Letzterem begründete Lehre über den Liehen ruber rein zu er-
halten. An dem vorgestellten Kranken fehlen alle Symptome des Liehen
exsudativus ruber, welcher Form und Abart immer; es ist kein von Pa-
pillarkörper ausgehendes Infiltrat da, vielmehr liege ein Bild vor, welches
viel eher einer Psoriasis ähnlich sehe, da an manchen Stellen die Erhöhung
über das normale Niveau blos aus angehäuften Epidermismassen bestehe,
welche leicht abgehoben werden können. Auch die Erscheinung, dass in
Streifen gestellte Elfflorescenzen vorhanden sind, genüge nicht zur Dia-
gnose Liehen ruber, weil dieses Symptom gleichfalls bei der Psoriasis
auftrete. Redner erinnert sich noch sehr gut der schleppenden Verlaufs-
weise und schwerer Heilbarkeit des vorgestellten Falles bei dem ersten
Ausbruche der Krankheit, die mit der Verlaufsweise eines Liehen ruber
nicht übereinstimmte. Er negirt daher die Berechtigung, den Fall als
Liehen ruber acuminatus zu diagnosticiren, der vielmehr ein Paradigma
von Pityriasis rubra pilaris von Devergie darstelle.
Neumann erklärt diesen Fall unbedingt für Liehen ruber acumi-
natus und sagt, dass sich dieser vor Allem dadurch von Pityriasis rubra
pilaris unterscheide, weil die Knötchen grauer sind und die Haut sich
derber anfühlt.
Lang constatirt, dass in dem Falle thatsächlich Infiltration nicht
vorliegt.
Hebra hebt noch hervor, dass bei Liehen ruber die Efflorescenzen
an der Oberfläche straff sind und einen wachsartigen Glanz zeigen; wenn
man eine solche Efflorescenz abkratzt, wird es bluten.
In dem eben demonstrirten Falle aber kann man dieselbe wie eine
Kappe abheben, ohne dass es blutet; ebenso wie es bei einer Psoriasis
möglich sei; auch von dem wachsartigen Glänze ist bei diesem Falle
keine Spur zu bemerken. Redner kann also nichts finden, wonach die
Diagnose Liehen ruber acuminatus berechtigt wäre.
Neu mann zeigt:
1. einen 55 Jahre alten Kranken mit Lymphosarkom der linken
Inguinal gegend und der Gegend des linken Schenkeldreieckes. In Inguine
links ein mehr als faustgrosses Convolut vergrösserter ausserordentlich
der Wiener dermatologiscben Gesellschaft. 311
harter Lymphdrüsen, über welchen die Haut vorgewölbt tmd an einer
flachhandgrossen Stelle livid bis schieferg^au verfärbt und den zerfallenen
Oeschwulstpartien entsprechend teigig weich erscheint.
Dauer der Afifection drei bis vier Monate. Damals waren die Drüsen
schon vergrössert, aber nicht so derb. Im Jahre 1891 stand der Kranke
auf der Klinik mit syph. PrimäraflTect und Exanthem in Behandlung und
erhielt 20 Einreibungen. Derselbe hat noch derzeit an den Ellbogen Efßo-
reszencen von Psoriasis syphilitica.
2. Einen Kranken mit an Stamm und Extremitäten localisirten,
halbkreuzergrossen, über das Hautniveau elevirten, mit dichten silber-
glänzenden Schuppen belegten Efflorescenzen — squamoses Syphilid,
das der Psoriasis vulgaris ähnlich sieht. Vor Kurzem bestand noch eine
ausgebreitete gruppirte Roseola am Stamme, welche, jetzt abgelaufen, an
einer damals angefertigten Moulage demonstrirt wird. Patient war bereits
im Vorjahre mit dem Primäraffect auf N.'s Klinik und wurde mit Ein-
reibungen behandelt.
3. Eine 31jährige Kranke mit silbergroschengrossen im Centrum
geheilten hellrothen Efflorescenzen, deren Rand infiltrirt und schuppend
erscheint. — Herpes tonsurans vesiculosus und squamosus.
Femer zeigt dieselbe an der Innenfläche der Oberschenkel gegen
die Genitocrural<en hin symmetrische, über flachhandgrosse, hell- bis
braunrothe , scharf begrenzte , mit elevirtem Rand versehene Stellen ;
neben denselben einzelne thalergrosse, den am Hals befindlichen conforme
Efflorescenzen. Demnach Ekzema marginatum und Herpes tonsurans. Die
Infection dürfte durch einen Hund erfolgt sein.
4. Den bereits vorgestellten Patienten mit Cavernitis. Das früher
über thalergrosse Geschwür an der Dorsalseite des Penis ist nun zur
Hälfte übemarbt, die übrige Partie granulirend.
5. Einen Mann mit seit mehr als Jahresfrist bestehenden, derben,
bohnengrossen Wucherungen am Präputialrest und der Scrotalhaut. Die-
selben sind als hypertrophisches chronisches Ekzem, wie dies sonst an
anderen Hautpartien erscheint, anzusehen.
Lang bemerkt zu diesem Falle, dass die Wucherungen am Scrotum
jenen Zustand darstellen, welchen er als dauernd organisirte Papeln
bezeichnet, während Neumann die Diagnose Ekzema chronicum aufrecht-
erhält, für welche ausser anderen Symptomen auch die Localisation am
Penis spricht, woselbst niemals derartig cheloidartige Papeln vorkommen.
6. Die Moulage eines Peniscarcinoms.
Nobl demonstrirt aus der Abtheilung Langes:
1. Einen vieijährigen Knaben mit acuter gonorrhoischer
Urethritis. Von der Mutter mit der Klage ins Ambulatorium gebracht,
dass das Kind seit mehreren Tagen nur unter heftigen Schmerzen uri-
niren könne, Hess sich bei dem Knaben eine entzündliche Phimose mit
profuser Eitersecretion aus dem phimotischen Präputium feststellen. Nach
operativer Behebung der Phimose präsentirte sich das Orificium urethrae
geröthet und stark ödematös geschwellt; aus der Urethra Hess sich Eiter
312 Vei'handlungen
in grosser Menge exprimiren, der sich bei der mikroskopischen Unter-
suchung reich an Gonococcen erwies.
Die Herkunft der Gonorrhoe Hess sich in diesem Falle nicht schwer
feststellen ; bei der Untersuchung der Mutter zeigte sich, dass sie an einer
linksseitigen eitrigen Bartholinitis leidet, deren Secret reichlich Gonococcen
nachweisen lässt. Da nun der Knabe mit der Mutter im selben Bette
schläft, so ist es als sehr wahrscheinlich hinzustellen, dass sich das Kind
mit dem bartholinischen Secrete der Mutter inficirt hat.
2. Einen 23jährigen Schankgehilfen, mit einer selteneren Loca-
lisation eines extragenitalen luetischen Primäraffectea.
Patient gelangte mit bereits dicht entwickeltem papulösem Exanthene,
Palmar- und Plantarsyphilide und mächtiger Sklerodenitis der rechten
Unterkieferdrüsen zur Aufnahme. Die regionäre Adenopathie in der
Suburaxillargegend deutete von selbst auf die Mundhöhle, als den Sitz
der Initialmanifestation hin. Entsprechend dem letzten rechten
Schneide-, dem Eck- und ersten Backenzahne des Oberkiefers
sieht man das Zahnfleisch an der buccalen und oralen, sowie die Inter-
dentalpapillen — diese an der buccalen Seite — in eine über die Umgebung
erhabene, über kronengrosse, am Rande mehr dnnkelrothe, im centralen
Theile eitrig belegte, derbe Geschwürsflächen umgewandelt, die ent-
sprechenden Zähne stark gelockert.
Patient bezeichnet nun auch die Geschwürsbildung am Zahnfleisch
als den Beginn seiner zehnwöchentlichen Erkrankung ; an diese scbloss
sich erst nach 14 Tagen die Intumescenz der rechten Unterkieferdrüsen an,
welch letztere sich bis zu einem über maunsfaustgrossen Tumor vergrösserten.
Wegen der Drüsenschwellung suchte Pat.- ein chirurgisches Ambula-
torium auf, wo die Diagnose „Beinhautentzündung'' gestellt und einige Zähne
des Unterkiefers extrahirt wurden j wenige Tage später trat das Exanthem
auf; am Genitale ist keinerlei Läsion zu constatiren.
3. Einen 20jähngen Tapeziergehilfen, bei welchem Lang die £x-
cision eines Lupusherdes vornahm. Der über thalergrosse, ander
linken Wange, nahe dem Kieferwinkel sitzende Plaque wurde in Narkose
tief excidirt, die Wundränder durch Naht vereinigt und 2 Cm. nach aussen
vom lateralen Wundrande parallel zu diesem ein circa 4 Cm. langer Ent-
spannungsschnitt gemacht.
Die Wunde ist per primam geheilt und der Sitz des firüher ent-
stellenden Krankheitsherdes durch eine feine blasse, lineare Narbe kaum
mehr als angedeutet.
4. Einen mit Scabies und Syphilis behafteten, 21 Jahre alten
Arbeiter, bei welchem eine Reihe von Scabiesefflorescenzen sich in grosse
luetische exulcerirte Inflltrate umgewandelt haben.
Sitzung vom 24. Januar 1894.
Vorsitzender: Lang. Schriftführer: Nobl.
I. Hebra: Ich demonstrire einen Fall von Liehen exsudativus
ruber. Das Bild ist nicht mehr frisch, was ich jedoch zeigen will, ist
der Wiener dermatologiscben Qesellscbaft. 3 13
noch in ganz genügender Menge vorhanden. Die einzelnen kleinen, rothen
Infiltrate und Knötchen sind hier bereits theilweise zorückgebildet, die
centralen Partien meist schon in Heilang begriffen, die Oberfläche der
Efflorescenzen ist gleichmassig roth. Der angeführte Name ist vollkommen
gerechtfertigt, denn Sie finden keinerlei Schuppong, wiewohl der Zustand
bereits seit 4 Monaten besteht, und gar keinerlei Erkrankung in der Nähe
der Haare. Sie sehen, dass die Yertheilung der Krankheit hier eine ganz
andere ist, als in dem kürzlich vorgeführten Falle, denn hier ist gar
keine Miterkrankung der Haarfollikel. Es ist vielmehr eine Yertheilung,
welche von jener gerade entgegengesetzt ist. Was dort ergriffen war, ist
hier frei und umgekehrt. Die Herren werden gewiss nicht daran zweifeln,
dass wir es demnach mit 2 verschiedenen Erkrankungen zu thun haben.
Ich bin mir bewusst, keinen besonders entzückenden Fall vorgestellt zu
haben, glaube jedoch damit dem Wunsche des Prof. Lang nachgekommen
zu sein, indem ich diesen Fall demonstrirte.
Neumann bemerkt zu dem obigen Falle, dass es sich um einen
Liehen planus handelt.
n. Schiff: Ein Kind, 1'/, Jahre alt, das mir vor 14 Tagen vor-
gestellt wurde. Zu constatiren sind beträchtliche Verdickungen beider
Unterschenkel (an der Tibia). Es sind ostitische Auflagerungen, femer sind
zu bemerken einzelne Narben an den Mundwinkeln. Obwohl weder
Anamnese der Eltern noch sonstige Befunde positive Daten geben, sehe
ich mich aus der Form veranlasst, die Erkrankung für hereditär lue-
tisch zu halten.
Neumann: Es ist diese Form nicht mit Bestimmtheit als hereditär
luetische Periostitis zu bezeichnen. Man kommt bei Erwachsenen namentlich
schwer zu einem ganz bestimmten Resultate. Kürzlich erst wurde von mir
ein Mädchen entlassen, an dem ich bei vorhandener Periostitis nicht mit
Sicherheit Lues constatiren konnte. Auch bei Kindern kommt Periostitis
vor, die nicht Lues haben.
Schiff: Anknüpfend an die Bemerkung des Vorredners muss ich
einen Fall erwähnen, den ich seit einigen Wochen gemeinschaftlich mit
Finger beobachte. Es handelt sich um einen Einjährig-Freiwilligen, der
ebenfalls eine leicht empfindliche Verdickung beider Tibiae hat.
Auch in diesem Falle waren wir lediglich per exclusionem gezwungen, die
Diagnose auf Lues hereditaria tarda zu stellen.
in. Schiff stellt ferner ein Kind vor (Alter 5 Jahre) mit einem kreis-
förmig angeordneten Ekzema marginatum um den Mund herum, in der
Breite von ca. 8 Cm. Im vorigen Jahre hatte er Gelegenheit, einen
ähnlichen Fall bei einem 14jährigen Burschen , bei dem jede Ekzem-
behandlung fruchtlos blieb und erst auf energische Anwendung antipa-
rasitischer Mittel (Chrysarobin) zum Schwinden gebracht wurde.
Kaposi zum Fall 2: Es ist vielleicht ein Fehler der Sprache,
dass man nicht den rechten Ausdruck findet, um obigen Begriff genau
abzugrenzen. Er ist nur anwendbar für den Fall, dass begrenzte, mit
314 Verhandlungen
Knötchen besetzte Erhebungen vorhanden sind. Denn auch souBt gibt es
bei jugendlichen Individuen auBBerordentlieh haafig scharf begrenzte
Ekzeme. Ebenso kommt dies bei weiblichen Individuen recht oft vor.
Die scharf begrenzten Ekzeme, die ich meine, sind gleichmässig in der
ganzen Area vetheilte, sehr blasse Ekzeme. Ein ganz exquisites Ekzemi
marginatum aber trägt ganz den Charakter, wie ihn Hebra seinerzeit
dargestellt hat.
Ich würde den vorliegenden Fall als Eczema areatnm bezeich-
nen. Denn jeder Versuch, hier einen Pilz nachzuweisen, wird ganz umsonst
sein. Wenn Sie dagegen das Bild eines wahren Ekzema marginatum be-
trachten, so finden Sie gewiss die genannte Hebräische Form markant
ausgebildet.
Hebra: Solche Ekzeme heilen nur auf antimycotische Behandlung.
Wenn man in diesen Fällen einzig und allein Chrysarobin-Salbe oder
1 : 1000 Sublimatlösung anwendet, so heilt es ausserordentlich rasch. Ich
sah schon viele solche circumscripte Ekzeme, die im Verlaufe von ganz
kurzer Zeit auf diese Behandlung hin ganz geschwunden sind. Es wurde
ja in neuerer Zeit eine ganze Flora der Haut gezüchtet, aber noch
ist man nicht im Stande, den zugehörigen Pilz genau anzugeben.
Nichtsdestoweniger hat mich die neueste Forschung zur sicheren
Diagnose geführt und ich bin von dem mycotischen Charakter des Falles,
der hier vorliegt, ganz überzeugt. Daher ist auch — meiner Erfahrung
nach — der Effect nicht derselbe, als wenn man Pyrogallol etwa in ge-
eigneter Concentration verwendet.
Schiff. Ich muss zugeben, dass ich mich im Ausdruck geirrt habe
und indem ich die Affection Ekzema marginatum benannt habe, lediglich
damit nur betonen wollte, dass es sich um ein marginirtes d. h. scharf
abgegrenztes Ekzema handelt, wie wir es überhaupt bei den mycotischen
Formen beobachten. Wenn es uns auch bisher nicht gelungen ist, in
solchen Fällen bestimmte pathogene Organismen nachzuweisen, so spricht
doch das inselformige klinische Bild, der Verlauf und die Therapie fnr
das ätiologische Moment dieser Ekzeme.
Neu mann: Wenn man über den Gegenstand näher sprechen will
so müsste man vor Allem den Pilz nachweisen. Wenn man bis nnnzu
eine ganze Reihe von Parasiten an der Haut gefunden hat, so überrascht
mich das gar nicht. Nehmen Sie blos einige Schuppen, so finden Sie bei der
Untersuchung die verschiedensten Dinge. Wenn ich demnach eine Diagnose
stellen will, so möchte ich zuerst den Pilz gefunden haben. Aus Erfahrung
kann ich Folgendes sagen: Diese Ekzeme, welche symmetrisch um den
Mund gelegt sind und concentrisch um die Oberlippe und so weiter sich
verbreiten — das sind Erkrankungen, die vorzüglich bei anämischen
Individuen vorkommen und da muss man oft jahrelang arbeiten, bis
man sie ganz wegbringt. — Einen Pilz aber hat bei diesen Erkrankungen
noch Niemand nachgewiesen, und erst bis dies geschehen ist, kann man
vielleicht darüber weiter discutiren.
der Wiener dermatolog^schen Gesellschaft. 315
IV. Schiff stellt ein Kind (10 Monate) mit einem difins aufge-
tretenen, papnlösen Erythem vor. Die Affection, welche ganz acut
aufgetreten ist, wurde beobachtet unmittelbar nach Darreichung von
1 — 5 Gr. Antipyrin wegen Pertussis und ich glaube daher annehmen zu
dürfen, dass es sich hier um ein in diesem Alter wohl sehr selten
beobachtetes toxisches Exanthem handelt.
y. Schiff stellt ein 5 Jahre altes M&dchen mit absolut kahler*
spiegelglatter, fettglänzender Schädeldecke vor, ans der nur hie und da
kurz abgebrochene, dünne atrophische pigmentlose Härchen hervorspriessen.
Augenbrauen sind erhalten. Die Untersuchung der Haare ergab eine
beträchtliche Atrophie und Anwesenheit von nicht näher zu charakterisi-
renden Pilzelementen zwischen innerer und äusserer Wurzelscheide.
Culturversuche sollen noch unternommen werden. In Anbetracht, dass
diese Formen von Alopecien in Frankreich und England sehr häufig
sind und bei uns zu den grössten Raritäten gehören, und bei dem umstände,
dass ich in den letzten Wochen noch 2 gleiche Fälle beobachtet habe
(der eine betraf einen Officier, der von den Manövern kam und der andere
einen Beamten, der eine Fussreise unternommen hatte), könnte man daran
denken, dass diese Affection auch nunmehr bei uns eingeschleppt worden ist.
Ehr mann bemerkt dazu: Ich glaube nicht, dass sich diese Fälle
häufen werden. Ich glaube vielmehr annehmen zu dürfen, dass es Alopecia
areata ist, die das Fortschreiten des Ausfallens der Haare verschuldet hat.
Ich glaube nicht, dass dabei die Haare anfangen ganz gleichmässig aus-
zufallen, sondern es bleiben Ringe, die vollständig behaart sind. Ich will
mich nicht weiter einlassen auf den physiologischen Grund, aber solange
nicht charakteristische Pilze mit Hilfe von Gulturen nachgewiesen sind,
so lange kann die mycotische Art nicht nachgewiesen werden.
Kaposi: Ich muss bemerken, dass man mit Bezug auf die
klinische Verlaufsweise in der Regel das Auffallende der Symptome über-
treibt. Ich möchte darauf hindeuten, dass die Herren, die es in Frankreich
gesehen haben, selber keinen Unterschied gemacht haben bezüglich der
klinischen Form. Sie fühlten sich blos mit Rücksicht auf das Auftreten
in Endemien veranlasst, auf das Ansteckende hinzuweisen, doch ist man
nicht im Stande dies zu beweisen. Was die Behauptung der Häufung
der Fälle betrifft, so darf man nicht vergessen, dass dies zufallig sein
kann. Man müsste nachweisen, dass dies zu gewissen Zeiten in Pensionaten
oder sonstigen Anstalten vorkommt, was allerdings überzeugender wäre.
Ich sah Fälle in einer Familie, bei denen ich mich aufs Entschiedenste
entschliesscn musste, sie für nicht ansteckend zu erklären.
N e u m a n n : Bei Alop. areata schwindet auch zugleich das Pigment und
man kann infolge dessen dies mit gewissen Pilzen unmöglich in Zusammen-
hang bringen. Was aber speciell die Prognose in solchen Fällen betrifft,
so muss man sich nach dem Alter des Patienten richten. Wenn das
Individuum jung ist, 12 — 14 Jahre, und der Kopf kahl ist, so muss man
eine Renovirung des Haares bestimmt annehmen. So kannte ich ein
Mädchen aus Amerika, das vollständig kahl war und sich sogar vor den
316 Verhandlungen
eigenen Geschwistern schämte. Das Mädchen war 24 Jahre alt. Bei ihr
bildeten sich zwar hie und da Wollhaare, aber diese blieben nicht, sie
fielen nach kurzem Bestände aus. — Solange nicht Sprossenbildungen da
sind, bleibt die mycotische Natur noch zweifelhaft und wir sind genöthigt,
das mit Nerven in Zusammenhang zu bringen.
YI. Schiff. Ein 12jähriges Mädchen mit einer Nagelaffection, die
mir Anfangs als mycotisch imponirte. Erst nach längerer Zeit entdeckte
ich an der allgemeinen Decke einige Psoriasisplaques und da ich bei
genauester mikroskopischer Untersuchung nicht im Stande war in den
angehäuften Massen unter dem Nagel ein charakteristisches Pilzelement
zu finden, so fand ich mich veranlasst, die Affection der Nägel (sie
betraf nur die beiden Daumen und den linken Mittelfinger) ebenfalls für
eine nicht gewöhnliehe Form von Psoriasis der Nägel zu halten.
Energische mechanische Behandlang sowie Einpinselung von Chrysarobin
haben den Process zum Stillstand gebracht und man sieht die normaJen
Nägel nachwachsen.
Vn. Neumann zeigt: 1. Einen 27 J. alten Schlosseigehilfen, der im
Juni v. J. mit einer extragenitalen, an der Wange unterhalb des unteren
Augenhöhlenrandes localisiriten Sclerose, die er angeblich bei
einer Rauferei durch Biss acquirirt haben soll, mit consecutivem macolo-
papulos. Exanthem auf seiner Klbiik in Behandlung gestanden hatte.
Derselbe zeigt jetzt an der bezüglichen Stelle der Wange eine
kreuzergrosse, derbe, strahlige Narbe, femer an der Streck- und Beugeseitc
beider Unterschenkel linsengrosse, lividrothe Efflorescenzen eines tuber-
culösen Syphilides, sowie zerfallene Papeln am After, Papeln der Mund-
schleimhaut und Leucoderma am Halse.
Bei seinem ersten Spitalsaufenthalte erhielt er 35 Einreibungen.
2. Einen 60 Jahre alten Drechslergehilfen mit einem polymorphen,
die ganze Hautoberflache betreffenden Syphilide, linsen- und lOkreozer-
grossen braunrothen, elevirten, theils schuppenden, theils mit gerunzelten
Epidermislagen überdeckten Efflorescenzen.
Einzelne derselben, namentlich am Rücken, sehr dunkel gefirbt,
fast schwarz. An den Extremitäten mehr punkt- und hirsekomgrosse,
an Liehen planus erinnernde Efflorescenzen. Zahlreiche solche Efflores-
cenzen in der Nähe der Handgelenke localisirt; sie fehlen jedoch in der
Lendengegend.
Am inneren Präputialblatte die Reste nässender Papeln.
Der Kranke von anämisch-kachektischem Aussehen ; dem entsprechend
die eigenthümliche Pigmentirung des Syphilides. Krankheitsdauerzeit der
Infection 4'/3 — 5 Monate. Therapie: Einreibungen.
3. Einen 48jähr. Maurergehilfen mit oberhalb dem Corpus iterni
looalisirten, confluirten, halblinsengrossen, dunkelrothen, abschuppenden,
cutanen Gunmiaknoten und einer Psoriasis muc oris specifica des Zangen-
randes.
Dauer der Lues seit der Infection beträgt 29 Jahre und wurde der
Kranke seither vielfach und ausschliesslich mit Jodkalium behandelt.
er matologiscben Gesellscliaft. 317
Znsammen 751 Gr., mehrfach anch auf der Klinik des Vortragenden,
zuerst 1884 mit Hautgummen, zuletzt 1891 mit einem gummösen Zungen-
geschwüre.
Bei dieser Gelegenheit will ich noch auf einen Kranken aufmerksam
machen, der seit 14 Jahren bereits Jodkalium einnimmt. Er hat ausge-
rechnet, dass er bereits 10 Kilo verbraucht hat. Jetzt nimmt er seit etwa
9 Monaten 7 6r. täglich.
4. Einen 56 Jahre alten Maurergehilfen, von sehr blassem, kachek-
tischem Aussehen, erdfahlem Colorit der Hautdecken.
Derselbe zeigt am rechten Unterschenkel eine flachhandgrosse,
pigmentirte, in Form Yon Schlangenlinien begrenzte Narbe. Reste eines
gummösen Geschwüres. Links der weiche Gaumen an einer fast
guldenstückgrossen Stelle perforirt, im Bereich der Mundhöhle der
Knochen des harten Gaumens freiliegend, Wandung und Ränder des
Deffectes mit zersetzten, übelriechenden Exsudatmassen belegt, das
Gaumensegel dieser Seite unbeweglich. Quatem. Syphilis.
Der Kranke wurde niemals antiluetisch behandelt.
5. Den bereits 2 Mal demonstrirten Kranken mit gummöser
Syphilis und sich daran anschliessender amyloider Deg e-
neration von Leber, Milz und Nieren.
Das Abdomen erscheint nunmehr noch stärker vorgewölbt, der
Lebertumor noch umfangreicher, bis fast zur Symphyse sich erstreckend.
Hauptsächlich ist der rechte Leberlappen vergrössert, während der linke
blos 4 Querfinger unterhalb des Process. xyphoideus palpirt werden kann.
Man tastet deutlich den Einschnitt, sowie einzelne, sich nicht hart
anfühlende, schmerzlose Protuberanzen, lieber der Leber, unter dem
Rippenbogen ein Reibegeräusch, keine Schmerzen daselbst; kein Ascites.
Tastbarer Milztumor ; im Harn viel Albumen, kein Zucker, kein ürobilin ;
hyaline Cy linder, Hämoglobingehalt 35 "/o des Normalen.
6. Einen 31jährigen Kranken, mit einer theilweise acuten Erup-
tion von Psoriasis vulgaris. Erste Erkrankung im Jahre 1680.
Am Stamm recente, linsen- und hirsekomgrosse, hellrothe, elevirte
Efflorescenzen. An mehreren, mit dem kratzenden Nagel vor 6 Tagen
irritirten Hautpartien Eruption ganz frischer EfQorescenzen.
7. Einen 29|j&hr. Schuhmachergehilfen mit universeller Psoriasis
vulgaris.
Derselbe wurde bereits mehrfach mit Pyrogallol behandelt, und
zeigt ausser «einzelnstehenden Efflorescenzen am Stamme und ausgebreiteten
infiltrirten Psoriasisplaques an den bekannten Prädilectionsstellen noch
zahlreiche, meist einzeln stehende, schuppende Efflorescenzen auf Palma
und Planta.
8. Einen 34;j ährigen, äusserst kachektischen Patienten mit ma-
ligner Syphilis. Derselbe zeigt an der Hautoberfläche äusserst zahlreiche,
regelmässige, am Rande pigmentirte Narben nach ulcerösen Hautgummen,
daneben neue, schuppende, im Laufe der Behandlung aufgetretene tuber-
318 Yerhandlnngen
calöse Effloreflcenzen von braunrother Farbe, stark abschuppend, auf
Fingerdmck schmerzhaft.
Der rechte Nasenflügel zerstört; in der Umgebung Narben nach
Gammen. Es besteht femer hochgradige Anämie, amyloide Entartung der
Nieren. Uvula zerstört, hintere Gaamenbögen mit der hinteren Pharynx-
wand verwachsen.
Dauer der Syphilis seit der Infection 5 Jahre. Der Kranke wurde
bereits vielfach specifisch behandelt.
9. Ein Mädchen mit singulären, flach papulösen Effloreacenzen
zwischen den Schulterblättern und am Rücken ; durch die stärkere
Desquamation sind die Efflorescenzen einer Psoriasis vulgaris nicht
unähnlich.
Schliesslich demonstrirt Neumann Abbildungen von Aphthen an
den Labien.
ym. Spiegier zeigt einen Mann, der seit drei Jahren an Rhino-
sclerom leidet. Die zur Zeit sichtbaren Veränderungen beziehen sich auf die
äussere Nase und auf den weichen Gkumen, sowie den Nasenrachenraum.
Der Larynx ist frei. Gleichzeitig demonstrirt der Vortragende mikro-
skopische Präparate, sowie Reinculturen von Rhinosclerombacillen, die von
dem vorgestellten Falle gewonnen worden waren und erwähnt die diffe-
rentiellen Momente vom Pneumoniebacillus Friedländer.
IX. Lang demonstrirt eine 33 J. alte Patientin, welche die seltene
Combination von Carcinom und Syphilis aufweist, an der
Mitte des Saumes der Unterlippe sitzt ein Epitheliom, in dessen un-
mittelbarer Nachbarschaft, an der Schleimhaut der Unterlippe, Plaques
muceuses. Das äussere Genitale ist dicht besetzt mit beetartig gewucherten,
mächtigen, nässenden Papeln. Die Wucherung an der Lippe entwickelt
sich seit zwei Jahren, die Lues soll seit mehreren Monaten bestehen.
X. Nobl zeigt (aus der Abtheilung Lang's):
1. Eine Kranke mit Taches bleues an den Unterschenkeln
in dichter Anordnung, die Schenkel sind nur sehr wenig behaart und
konnten an den feinen Lanugo-Härchen Risse nachgewiesen werden.
2. Einen 22jährigen Hausknecht mit perforirtem Präputium
in Folge einer rasch zerfallenden gangränösen Sclerose am inneren
Präputialblatte.
Der Präputialsaum ist hochgradig phimotisch, und fiihlt sich gleich-
wie der erhaltene Rest des Präputiums derb-infiltrirt an, dies letztere
zeigt an seiner linken Hälfte einen über thalergrossen längsovalen Defect,
durch welchen die Glans penis in ihrer ganzen Ausbreitung zu sehen ist.
Die Ränder des Substanzverhistes glatt, speckig belegt, leicht erhaben.
Der Process besteht seit 11 Tagen, als dessen Beginn Patient die Ge-
schwürsbildung am inneren Vorhautblatte bezeichnet.
Buchanzeigen und Besprechungen.
Die augenärzflichen Operationen von Dr. Wilhelm Gzermak. Wien
Gerold 1893.
Angezeigt von Dr. Hago Pereies in Frag.
Bisher sind 4 Hefte dieses prachtvoll ausgestatteten Werkes
erschienen, in welchen in einem allgemeinen Theile die Instrumente,
Narkose, Antiseptik etc. besprochen werden. Dieser Theil enthalt
viele brauchbare Winke für den Operateur auf jedem Gebiete. Der
specielle Theil behandelt bisher die Operationen an den Lidern
und bietet dem Dermatologen ein specielles Interesse in dem Capitel
über die Blepharoplastiken, welches in besonders lichtvoller Weise
abgehandelt ist. Wir sehen der Vollendung des umfangreich ange-
legten Werkes, das durch ausgezeichnete Illustrationen in grosser
Zahl geziert ist, mit Vergnttgen entgegen, und können es jedermann,
der sich für diesen Zweig operativer Technik interessirt, wegen
der Anschaulichkeit und der leichten, messenden Art der Darstel-
lung auf das wärmste empfehlen.
Varia.
Deutsche DermatologiBChe Ge»ellschaft. Zu dem vom 14.— 16.
Mai 1. J. in Breslau stattfindenden IV. Gongress der Deutschen
Dermatologischen Gesellschaft sind bisher folgende Referate,
Vorträge imd Demonstrationen angemeldet:
Hauptthemata: 1. Die modernen Systematisirungsversuche in der
Dermatologrie. Referent: Kaposi (Wien). Discussion: Schwimmer (Pest).
2. Der angenblickliche Stand der Dermatomycosenlehre. Ref. : Piek (Prag).
320 Varia.
Femer Bind angemeldet:
Dofflonttration ¥«ii Culturen: Wintemitz, Kroesing.
Vorträge und Defflonttrttionen Ober Gonerriioe, Endoskopie etc. von
Grünfeld, Jacobi, Jadassohn, Koch, Kollmann, Loewen-
hardt, Lohnstein, A. Neisser, Putzler, Schäffer, Steinschnei-
der etc.
DermatologiocheVortrlge: Caspary (Erythema exsudativum). Dout-
relepont (Die Hanttuberculose), Friedheim (Einwirkung von Säuren
auf die Haut), van Hoorn (Thema vorbehalten), Joseph (Üngewöhnl.
Ichthyosisformen), Lasch (Urticaria factitia). Ledermann (Resorbin),
Lesser (Herpes zoster), Mracek (Aetiologie der toxischen Erytheme).
Neuberger (Liehen ruber), B i e h 1 (HauttubercuL), Rosenthal (Blasen-
bildende AfTect. der Mundschleimhaut), Saalfeld (Phaneroskopie und
Glasdruck), Schwimmer (Hysterische Hautgangran), vonSehlen (Ekzem
und Schleimhanterkrankung), Staub (Erythromelalgie, Therapie der Haut-
actinomycose), Winternitz (Allgemeinwirkung hautreizender Stoffe).
Syphilidologisehe Vorträge und Oemonotrationen: Block (Bubonenbe-
handlung), Lues und Tuberculose (Hochsinger, Jadassohn, A. Neie«-
ser), Marschalko (Spätlues), J. Neumann (Syphilis der Speicheldrüsen).
Dermatologiocbe Vortrfige mit Demonstrationen: Arning (visc. Lepra),
Dreysel und Oppler (Eleidin), Ehr mann (Lymphgefasse der männl.
Genitalien), Fabry (Urticaria pigmentosa), Galewski (Lepröse Tropbo-
neurose), Halle (Hautmodelle), Kroesing (Zur Lupusbehandlung), Mi-
kulicz (Angiombehandlung), Münchheimer (Herpes zoster), A. Neisser
(Molluscum contagiosum), Buffer (Carcinom-Psorospermien) , Touton
(Molluscum contagiosum).
Krankendemonstrationen von Ghotzen, Jadassohn, A. Neisser.
Der Coiigre§§ amerikanischer Aerzte und Chirurgen wird zu
Washington vom 29. Mai bis 1. Juni 1694 abgehalten werden. Präsident
der dermatologischen Section ist Robert Morison, Baltimore.
Die von der dermatologischen Section zur Discnssion gestellten
Themata lauten: Ausbreitung und Controlle der Lepra in den Vereinigten
Staaten. 1. Die Ausbreitung. Befer.: Prof. Dr. J. N. Hyde, Chicago.
Correferenten: Prof. Dr. W. A. Hardaway, St Louis und Dr. J. E.
Graham. 2. Prophylaxe und Behandlung. Beferent: Prof. Dr.
J. C. White, Boston. Correferenten: Prof. Dr. G. H. Fox, New York,
W. C. Wyman und Prof. Dr. Joseph D. Bryant.
Arthiv ( Oprtri.3riilüqie u Svptiil.'. Band XÖ'Il.
^p} &",;■
Archiv f Dermaioloaie u Svohilis Band XWIl
Siiiogler'Vbflrd. sogen. Sa mrnimnsistulis.
Originalabhandlungei] .
ArchlT f. Dermatol. n. Syphll. Band XXVll. 21
lieber die Behandlung der Psoriasis mit
grossen Dosen von Jodkalimn, nebst Be-
merkungen über die Jod Wirkung.
Von
Dr. Seifert,
PrivAidocent In WUrzborg.
Die Psoriasis gehört zu jenen Krankheiten der Haut, über
deren Wesen wir trotz sorgfaltiger Untersuchungen noch wenig
Sicheres wissen. So lange wir eine Einsicht in das Wesen
dieses Erankheitsprocesses nicht gewinnen, wird uuser therapeu-
tisches Handeln noch kein zielbewusstes sein können und auch
noch die eine Hauptfrage unerledigt bleiben, ob wir mehr Ton
einer externen oder mehr von einer internen Behandlung
erwarten können. Es steht ja ausser Zweifel, dass durch eine
ganze Beihe von externen Behandlungsmethoden: Chrysarobin,
Pyrogallussäure, Naphthol, Anthrarobin, Hydra cetin, Hydro-
xylamin, Aristol, Europhen, Gallanol, Gallactophenin etc. Psoriasis
geheilt werden kann, aber eine solche Heilung stellt immer
nur eine temporäre dar, früher oder später kommen Becidive,
ohne dass wir die Macht besitzen, sie hintanzuhalten. Einzelne
dieser stärker wirkenden Medicamente wie Chrysarobin, Pyro-
gallussäure, Hydroxylamin zeichnen sich auch noch unvortheil-
haft aus durch ihre unangenehmen und nicht immer ungefähr-
lichen Nebenwirkungen. Unter solchen Umständen ist es nicht
zu verwundern, dass ausser der externen Behandlungsmethode
auch inmier wieder das eine oder andere Mittel für den internen
Gebrauch empfohlen wird. Zu jenen Mitteln, welche sich am
21*
324 Seifert.
längsten behauptet haben, gehört der Arsenik und das Jod-
kalium. Wir haben auf unserer Abtheilung früher Tielfach Ge-
brauch gemacht vom Arsenik mit wechselndem Erfolge ; zu der
Zeit, als ich die Syphilido-Klinik übernahm (1887), waren die-
selben so wenig befriedigend, dass ich mit Freuden die Empfeh-
lung des Jodkaliums durch Haslund^) begrüsste und sogleich
eine Reihe Ton Psoriasisfallen nach der von ihm Torgeschlagenen
Methode behandelte. Aus der Arbeit von Haslund geht herror,
dass die erste Empfehlung des Jodkaliums bei Psoriasis zurück-
führen ist auf Greves'), der sowohl bei Erwachsenen als bei
Kindern gute Erfolge von dessen Anwendung sah, wenn es in
allmälig steigender Dosis gegeben wurde. Wenn der Patient
bis zu 4 Gr. in täglicher Dosis gelangt war, fing das Mittel an,
seine günstige Wirkung auf die Hautkrankheit zu zeigen, aber
erst bei täglicher Dosis von 10 Gr. ging es rapid besser. Er
hat beobachtet, dass zuerst Kopf und Hals, dann Truncus und
zuletzt die Extremitäten glatt werden. Eine schädliche Wirkung
der grösseren Dosen Jodkaliums will er nie beobachtet haben.
Boeck') fugt dem Referate über diesen Artikel einen Fall aus
seiner eigenen Praxis hinzu, ein 5j ähriges Mädchen betreffend, das an
einer fast universellen Psoriasis litt ; nach Gebrauch von 79 Gr. Jodkalinm
war die Krankheit in gutem Rückgange.
Haslund*) berichtet nun über eine stattliche Anzahl von Fällen,
welche mit Jodkalium in steigender Dosis behandelt wurden. Unter 50
Fällen wurde in 46 Fällen völlige Genesung durch die Cur erreicht,
während 4 Fälle bedeutende Besserung zeigten, in 6 Fällen ist kein
Resultat erzielt worden, indem die Psoriasis bei dem Abschluss der Cur
ganz unverändert geblieben ist, oder sich reichliche neue Efflorescenzen
zeigten zur selben Zeit, wo die alten fast verschwunden waren. Die
Dauer der Behandlung war sehr verschieden, im Durchschnitt wenig mehr
als 7 Wochen. Dem entsprechend war die g^nze Menge von Jodkaliom,
welche gebraucht wurde, um die Krankheit zu heilen, sehr verschieden
gross. Was die Männer betrifft, so variirte sie von 160—1390 Gr., was
die Frauen angeht, von 526—1828 Gr. und für die Kinder von 277 bis
1520 Gr. In den meisten Fällen sah man, dass, wenn die Krankeit ein-
mal zu schwinden angefangen hatte, es dann nur kurze Zeit dauerte, bis
die Haut glatt war; in einzelnen Fällen fand dieser Rückgang, wenn er
') Vierteljahrsschrift f. Dermat. u. Syph. 1887.
») Tidsskrift for prakt. Medic. 16. 1881.
') Vierteljahrsschrift f. Dermat. 1882. 3.
*) 1. c.
Ueber die Behandl. der PBoriasis mit grossen Dosen von JK. 325
begonnen, so rapid statt, dass eine sehr aasgebreitete Efflorescenz im
Laufe einer Woche oder in noch kürzerer Zeit fast ganzlich ver-
schwnnden war.
Das Jodkali wurde in der Weise yerabreicht, dass mit einer LÖsong
von 10 Gr. Jodkali auf 200 Gr. Wasser angefangen wurde, wovon der
Patient 1 Esslöffel voll 4mal täglich bekam. Bei kleinen Kindern wurde
mit 5 Gr. auf 100 Gr. angefangen. Nach 2—3 Tagen wurden 6 Essloffel
täglich genommen, nach weiteren 2 Tagen 8 Löffel und so fort, bis der
Patient 12 Löffel erreichte, was also die ganze Portion ausmachte. Hatte
der Patient ein paar Tage hindurch die ganze Portion eingenommen, so
wurde die folgende Portion zu 12 : 200 verschrieben und so fort, alle
2 — 8 Tage die Auflösung 2 Gr. stärker als die frühere genommen. Für
reichliche Wasserzufuhr besonders nach den stärkeren Dosen wurde gesorgt.
Haslund hat einem seiner Patienten bis zu 50 Gr. p. die gegeben.
Es ist Haslund aufgefallen, dass die Patienten so grosse Dosen
gut vertragen konnten, nur in dem einen Fall, der bis zu 50 Gr. täglich
gestiegen war, handelte sich um ernstlichere Erscheinungen von Jodismus,
bestehend in einer gewissen Abgestumpftheit, der Unfähigkeit die Gedanken
zu sammeln, Verwirrtheit, Kopfweh, Ohrensausen, Herzklopfen. Am fol-
genden Morgen war der Herzschlag ziemlich tumultuarisch und die Töne
unrein, aber bei der Untersuchung wurde sonst nichts Abnormes beobachtet,
kein Steigen noch Fallen der Temperatur. Diese Erscheinungen von Herz-
parese gingen bald vorüber.
Absolute Idiosynkrasie gegen Jodkalium hat Haslund nur einige
Male beobachtet.
Die meisten der Patienten hatten nach überstandener Krankheit an
Gewicht zugenommen und für mehrere, welche an Gewicht abgenommen
hatten, waren besondere Verhältnisse geltend zu machen, die einen solchen
Verlust erklären konnten.
Aus seinen Beobachtungen zieht Haslund den Schluss, dass wir
im Jodkalium in grossen Dosen gegeben, ein Mittel besitzen, das mit
ziemlicher Sicherheit vermag, einen Ausbruch der Psoriasis zu heilen, femer,
dass wir gegenwärtig kein Mittel kennen, das, innerlich gebraucht, in so
kurzer Zeit, wie dieses heilend wirkt. Ueber das Auftreten von Becidiven
konnten bestimmte Angaben nicht gemacht werden, weil über das weitere
Schicksal des grösseren Theiles der Fälle jede Nachricht fehlt. Ueber die
Weise, wie das Jodkalium wirkt und heilend wirkt, haben die Versuche
von Haslund nicht Licht schaffen können.
Von Interesse sind noch die Beobachtungen, welche Haslund
über das Verhalten des Pulses gemacht hat. Nur einige Male zeigte sich
ganz vorübergehend eine leichte Unregelmässigkeit des Pulses. Die
Schnelligkeit des Pulses wurde stets durch die grossen Dosen von Jod-
kalium vermehrt. In den ersten 10— 14 Tagen stieg der Puls gewöhnlich
bis 100, ging dann langsam hinauf bis auf 130, bei Einzelnen sogar bis
140 Schläge in der Minute. Von einer Einwirkung auf die Körpertempe-
ratur ist in dem Aufsatze nirgends die Rede.
326 Seifert.
Molesnei*) hat Jodkalinm bei Psoriasis ebenfalls angewandt, anm
Theil in noch grosseren Dosen als Haslund.
Auf der dermatologischen Klinik in Breslau sind eine ganze Reihe
Ton Psoriasisfallen mit Jodkalinm behandelt worden (s. Bienstock')
Es hat sich ergeben, dass Dosen von 27 Gr. Jodkalinm pro die mit
reichlich Milch gegeben, ohne Nachtheil yertragen worden, daas aber
eine wirkliche Heilwirkung in keinem einzigen der Fälle eonstatärt
werden konnte.
Doatrelepont*) stellte in der niederriieinischen Gresellschaft in
Bonn eine Patientin vor, die von ihrer universellen Psoriasis dorch Jod-
kalinm geheilt worden war. Die Patientin hatte in 102 Tagen allmälig
1920 Gr. Jodkalinm eingenommen, die grösste Tagesdosis betrog 28 Gr.
Die Patientin hat diese grosse Dosen sehr got vertragen ond sich während
des Aofenthaltes in der Klinik sehr gekräftigt. Aosser diesem Falle sind
in der Poliklinik noch 2 mit Psoriasis behaftete Patienten mit grossen
Dosen Jodkali behandelt ond geheilt worden.
Barduzzi*) sah in 3 Fällen von inveterirter Psoriasis vom in-
neren Gebrauch des Jodkali sehr g^ten Erfolg. Er liess die Cur mit
1*0 pro die beginnen und jeden 5. Tag um 1 Gr. steigen, bis die tägliche
Dosis von 7 Gr. erreicht war. Zu so heroischen Dosen, wie Haslund
sie anwendet, stieg Barduzzi nie, er hält solche auch nicht für noth-
wendig, da er bereits mit der Maximaldosis von 7 Gr. eine auffallende
und andauernde Besserung der Psoriasis erzielte.
Gutteling') berichtet über 22 Fälle von Psoriasis, welche in der
Klinik und Poliklinik von van Haren Koman zu Amsterdam mit Jod-
kali behandelt wurden. Von diesen Fällen wurden 5 völlig geheilt (1 mal
nachdem einRecidiv eingetreten), 5 zeigten nur noch spärliche Reste, als
sie sich der Behandlung entzogen, 5 sind fast ganz geheilt und 7 sind
gebessert, doch konnte Heilung nicht erzielt werden, zum Theil wegen
beträchtlichem Jodismus. Im Allgemeinen wurde Jodkali auch in grosseren
Dosen gut ertragen. Die Patienten nahmen an Körpergewicht zu. Albu-
minurie wurde nicht beobachtet. Die Pulsfirequenz war bis 100 und 120
erhöht. Es wurde das Jodkalium bis zu Tagesdosen von 30—40 ja 57 Gr.
und in Totaldosen von 2*3 und 3*7 Kg. gegeben. Die Erfolge haben dem-
nach den Verfasser nicht befriedigt, es scheinen ihm nur die recenten
Fälle für das Jodkalium geeignet zu sein.
Fabry') theilt in seinem Aufsatz „zur Behandlung der Psoriasis,
insbesondere mit Hydroxylaminum muriaticum'' mit, dass in der Klinik
') VircL-Hirsch. 1889.
^) Zur Therapie der Psoriasis. Dissert. Breslau. 1888.
*) Beri. klin. Wochenschr. 14. 1888.
*) Gazz. degli ospitali. 17. 1889.
*) Nederl. Tijdschr. v. Geneeskunde. 17. 1889.
*) Vierteljahrschr. f. Dermat. u. Syphil. 1889. 2.
deber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 327
von Doutrelepont bei einer Reihe von Psoriasiskranken Jodkalium in
kleinen Dosen (von einer ö*/» Lösnng zwei bis sechs Esslöffel pro die) als
die örtliche Medication unterstützendes Heilmittel verabreicht wurde.
S ho maoker*) empfiehlt auser versehiedenen anderen Mitteln auch
Jodkali, doch ist ans dem Referat über diesen Auisats nicht ersichtlich,
nach welcher Vorschrift und mit welchem Erfolg das Mittel gegeben
wurde.
Luciani^) behandelte einen ÖSj&hrigen Mann, der schon seit seinem
17. Lebensjahre an Psoriasis litt, welche aUen Heüungsversuchen wider-
standen hatte, mit Jodkali in steigenden Dosen von 8 bis 16 Gr. pro die.
Schon nach 20 Tagen war eine wesentliche Besserong erzielt worden.
Erscheinungen Ton Jodismns wurden nicht beobachtet, ebensowenig
gastrische Störungen. Da neben dem innerlichen Gebrauche des Jod-
kalium auch eine örtliche Behandlung (Creolin- und Ichthyolsalbe) einge*
leitet wurde, dürfte im vorliegenden Falle die Involution der Psoriasis
nur zum Theil auf Rechnung des Jodkali zu setzen sein.
In einem Aufsatze von Nielsen') über Herpes zoster findet sich
als gelegentliche Bemerkung, dass in dem Gommunehospital in Kopenhagen
eine grosse Anzahl von Psoriasisfallen mit JodkaHum in grossen Dosen
behandelt worden sei.
Polotebnoff) hat nur in einem Falle von Psoriasis grosse Dosen
Jodkali gegeben, allerdings ohne Erfolg.
Gamberini^) sah vom Jodkali in grossen Dosen keine Wirkung.
Kaposi*) kann dem Jodkali, wenn es consequent gegeben wird,
eine Wirksamkeit auf die Psoriasis nicht absprechen.
Mapother^ empfiehlt ausser Quecksilber äusserlich auch Protojodid
innerlich.
Kor ton*) gibt von seiner JodwasserstofiiBäure-Miztur 1 — 2 Thee-
löffel voll 3 Mal taglich bei Psoriasis. 1 Theelöffel voU des Syrups ent«
spricht 0*3 JodkalL Der Aufsatz von de Mol^nes') über die Wirkung
des Jodkalium in grossen Dosen auf den Organismus und seine Anwendung
bei Psoriasis ist mir nicht zugänglich gewesen.
') The med. Register. Philadelphia. 10. Nov. 1888.
') Contrib. alla cura della psoriasi con forti dosi di joduro di po-
tassio. Lo speriment. 4. 1889.
*) lieber das Auftreten von Herpes zoster während Arsenikbehand*
lung. Monatsh. f. prakt. Dermatol. XL 1890.
*) Monatsh. f. prakt. Dermat. Ergänzungsheft L 1891.
') Giom. ital. d. mal. vener. e d. pelle. IV. 1892.
•) Lehrb. 11. Aufl.
^ The brit. med. Joum. 1891.
*) The med. and surg. Report. 20. 1890.
*) Arch. gener. de med. Juin 1889.
328 Seifert.
Dnbois-Habenitli *) ist der Ansicht, dass ebensowenig wie
Arsenik so anch Jodkalium ein Specificnm gegen Psoriasis sei.
Auch Wolff) scheint in einzebien Fällen von Psoriasis grosse
Dosen Jodkalinm zu geben, wie man aus einer Bemerkung in seinem
Vortrag über Syphilis hereditaria tarda schliessen kann.
In Betreff der JodkaHumtherapie macht Hillebrand*) dsnuif
aufmerksam, dass bei Kindern und alten Leuten in Bezug auf die Dosis
etwas grössere Vorsicht erforderlich sei als bei Erwachsenen.
Lang*) hat einem Psoriasis-Eranken grosse Dosen Jodkalinm ge-
geben, doch ündet sich in der im Archiv mitgetheilten Notiz nichts über
die Wirkung dieses Mittels auf die Psoriasis angegeben, der Patient hatte
ausser der Psoriasis eine Geschwulst im linken Hoden, die anfsrngs für
Syphilis gehalten werden musste, nach der Exstirpation sich aber als
Sarkom erwies.
Nach Crocker') beeinflusst JE in sehr grossen Dosen günstig
die Psoriasis.
Aus dieser ZusammenstelluDg geht hervor, dass im All-
gemeinen die Jodtherapie der Psoriasis wenig Anhänger gefunden
hat, 60 dass es von Interesse sein wird, von den Erfahrungen
Mittheilnng zu machen, die wir mit der Jodtherapie auf der
Abtheilung für Hautkrankheiten im Juliusspital gemacht haben.
Meine Beobachtungen datiren aus dem Jahre 1888. Es
wurden im Ganzen 13 Fälle von Psoriasis mit Jodkali be-
handelt, deren Krankengeschichten im Folgenden mitgetheilt
werden:
L Gruppe.
1. S. Rosine, 17 Jahre alt, Dienstmädchen. Heredität nicht nach-
weisbar. Patientin war schon vom 11. /IX. 1886 bis lO^UI. 1887 wegen
Psoriasis universalis in Spitalbehandlung und mit den verschiedensten
inneren nnd äusseren Mitteln behandelt worden, bis sie schliesslich als
temporar geheilt entlassen werden konnte. Schon 2 Monate nach der
Entlassung traten an den Streckseiten der Extremitäten wieder Psoriasis-
Flecke auf, welche die Patientin zu abermaligem Eintritt in das Spital
veranlassten. Status B^IV, 1888. Patientin gross, kräftig gebaut, wohl-
genährt.
Psoriasis guttata et numularis am Rumpfe und an den Extremitäten;
Handteller, Fusssohlen und Gesicht frei.
Körpertemperatur normal, Puls 80.
') La policlinique. 6. 1892.
») Volkm. Vorträge. Nr. 93.
') Arch. f. Dermat. 1892.
*) Archiv f. Dermat. u. Syphil. XXIV. 2. 1892 p. 341.
^) Brit. med. Joum. 28. Oct. 1893.
Ueber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 329
Ordination: Eal. jodat. 10*0, Aq. destil. 200*0 4 Mal taglich 1 Ess-
löfiel voll.
19./IY. Die Hant der Extremitäten durch Abfall des grössten Theiles
der Schuppen und Blasser- und Flacherwerden der Plaqnes glatter ge-
worden. Da Patientin über Magenbeschwerden klagt, muss Jodkali für
einen Tag ausgesetzt werden. Die Temperatur ist in diesen Tagen normal
geblieben, die Pulsfrequenz hie und da auf 10€ — 112 gestiegen.'
207IV. Von heute ab wieder Jodkali 4 Mal 3 Esslöffel voll obiger
Mixtur.
25./iy. Von heute an 15*0 Jodkali : 200*0 Aqua destill. 10 £s$löffel
taglich.
8^y. Patientin ist zu 20 Esslöffel der genannten Mixtur gestiegen,
klagt wieder über Magenschmerzen, so dass abermals ausgesetzt
werden muss.
Temperatur normal geblieben, Puls ebenfalls im Allgemeinen normal,
nur an einzelnen Tagen hat sich eine Erhöhung auf 100 — 104 gezeigt,
ohne Herzklopfen und ohne Enrzathmigkeit. Allgemeinbefinden war bis
heute sehr gut, Körpergewicht hat zugenommen.
Die Psoriasisplaques sind bedeutend abgeblasst, Schuppung nur
noch sehr gering, nur am rechten Oberarm sind einige frische Plaques
aufgetreten.
Patientin hat im Ganzen 370 6r. Jodkali genommen. Ausser einem
wöchentlichen Reinigungsbad war eine weitere Behandlung nicht vor-
genommen worden. Therapie von jetzt an Ghrysarobin-Traumatioin.
14./V. Die Wirkung des Chrysarobins ist im Vergleich zur Wirkung
bei früherem Spitalaufenthalt eine überraschend gute.
Ueber den weiteren Verlauf ist nichts mitzutheilen, da Jodkali
spater nicht mehr gegeben wurde.
2. Ziegler Margarethe 18 Jahre alt, aufgenommen am l4./in 1888.
In der Familie eine gleiche Erkrankung nicht beobachtet. Vor einem
halben Jahre wurden die ersten Krankheitserscheinungen an den Armen
und im Gesicht beobachtet. Vor 3 Wochen breitete sich der zuerst
geringfügige Ausschlag rasch über den ganzen Körper aus.
Status. 14./III. 1888. Patientin von mittlerer Grösse, kraftig gebaut,
wohlgenährt. Der ganze Körper mit Ausnahme der Hohlhand und der
Fusssohlen mit Psoriasis plaques besetzt (Psoriasis numularis), am Rumpf
und im Gesicht confluiren die Plaques stellenweise. Ordination 2*0 Jod-
kali pro die.
2SJJ11, Die Dosis Jodkali ist pro die auf 4*0 gesteigert, ohne dass irgend
welche Störungen des AUgemeinbetindens aufgetreten wären, Temperatur
und Puls sind normal geblieben, die Schuppung im Gesicht und am Hals
hat bedeutend abgenommen, die Plaques sind am ganzen Körper blasser
geworden.
28./III. Patientin hat in den letzten Tagen je 6*0 Jodkali pro die
genommen. Störungen des Allgemeinbefindens haben sich nicht bemerk-
bar gemacht. Temperatur stets normal. Pulsfrequenz einige Male stark
330 Seifert.
erhöht, einmal bis zu 128 ohne Herzklopfen, ohne Störungen des Allgemein-
befindens, die Psoriasis bedeutend vermindert. Körpergewichtszunahme
1 Pfund. Patientin hat bisher 45 Gr. Jodkali genommen, die Entlassimg
erfolgte auf dringenden Wunsch der Patientin.
In diesen beiden Fällen hat die innerliche Darreichung
von Jodkali einen entschieden günstigen Einfluss auf die Psori-
asis ausgeübt, leider konnte in dem ersten Falle die Medication
wegen Magenschmerzen, in dem zweiten Falle wegen vorzeitigem
Austritt aus dem Spital nicht genügend lange fortgesetzt werden.
In Fall 1 zeigte sich nach Aussetzen des Jodkali eine im
Gegensatze zur früheren Spitalbehandlung auffallend rasche
und günstige Wirkung der Localbehandlung mit Chrysarobin,
entsprechend den Beobachtungen Fahr y^s. Abgesehen Ton den
Magenbeschwerden in Fall 1 haben die yerhältnissmässig grossen
Dosen Jodkali das Allgemeinbefinden nicht gestört, das Körper-
gewicht hat in beiden Fällen unter dieser Behandlung zuge-
nommen. Die Körpertemperatur blieb stets normal, dagegen
wies die Pulsfrequenz eine zum Theil recht beträchtb'che Stei-
gerung auf, einmal bis zu 128. Ich werde auf diesen lezteren
Punkt später noch zurückkommen.
II. Gruppe.
8. Weinert August, 89 Jahre alt« In der Familie ist die ghiche
Erkrankung noch nicht beobachtet worden. Vor 12 Jahren Beginn der
Erkrankung. Patient war schon mehrfach in Spitalbehandlung, hier zum
1. Male vom 8./VI.— 27./Vin. 1887, er wurde damals mit Chryaarobin und
Pyrogallussäure behandelt und als gebessert entlassen. Anfangs Januar
1888 bemerkte Patient wieder Ausschlag an den Oberarmen, in den fol-
genden Wochen verbreitete sich die Erkrankung ziemlich rasch über den
ganzen Körper.
Status 8./yi. 1888: Patient mitfelgross, sehr kraftig gebaut, wohl-
genährt. Psoriasis numularis et gyrata verbreitet über Extremitäten,
Rumpf, behaarten Kopf, Gresicht frei. An den volae man. und an den
Plantae pedum einzelne Plaques.
Ordination : Von einer Jodkalimixtur 10 : 200 nimmt Patient täglich
4 Esslöffel voll.
5./yi. Patient hat massig starken Jodschnupfen. Körpertemperatur
morgens auf 38*0 gestiegen, Puls auf 120. Jodkali ausgesetzt.
7./VI. Jodschnupfen beseitigt, Temperatur und Puls normal.
15./ VT. Die Dosis Jodkali war auf 12*0 gesteigert worden, die Tem-
peratur normal geblieben, die Pulsfrequenz einige Male bis auf 100 ge-
stiegen. Die Schuppen fangen an abzufallen und die Psoriasisplaqnes
üebep die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 331
blasser zn werden, neue sind nur wenige hinzugekommen. Aussetzen der
Medication wegen Magenbeschwerden vom 15. — 19.
27./yi. Die Dosis des Jodkali war in diesen Tagen von 12*0 auf
16*0 gesteigert worden, hatte nur an einem Tage geringe Magenbeschwerden
verursacht, so dass nicht ausgesetzt werden musste, Temperatur normal
geblieben, Pulsfrequenz mehrmals auf 108 gestiegen. Die Psoriasisplaques
an der Innenfläche und am grössten Theile des Bumpfes fast vollständig
zurückgegangen.
ll./yil. Die tägliche Dosis des Jodkali hat jetzt die Höhe von
32*0 erreicht. Temperatur und Pulsfrequenz normal geblieben. Am be-
haarten Kopfe, an den Streckseiten der Extremitäten noch eine Anzahl
von Plaques, die von jetzt an einer localen Behandlung mit Ghrysarobin
unterzogen werden (am Kopfe Praecipi tatsalbe). Daneben bekommt Pat.
Jodkali weiter.
81. /MI. Tägliche Dosis Jodkali 34*0. Die Psoriasisplaques sämmtlich
beseitigt, aber nicht mit Hilfe des Chrysarobius, sondern mit Hilfe von
Anthrarobin, da ersteres schon am ersten Tage eine heftige Dermatitis
hervorgerufen hatte.
9./Vni. Pat. als temporär gebeilt entlassen. Das Allgemeinbefinden
war diese ganze letzte Zeit über ein vortreftliches, das Körpergewicht
hatte eine Zunahme von 4'Ö Ko. erfahren (von 65-5 auf 69*0). Anthrarobin
hatte einen raschen und vollständigen Heileffect bedingt. Gesammtdosis
des genommenen Jodkali 872 6r.
4. Schlereth Bruno, 42 Jahre alt. Im Alter von 18 Jahren zum ersten
Male an Psoriasis erkrankt, zum letzten Male vor 2 Jahren, damals mit
Ghrysarobin behandelt. Heredität nicht nachweisbar.
Status 1 l./V. 1888 : Patient gross, kräftig gebaut, ziemlich gut genährt.
An der Streckseite der Extremitäten Psoriasis numularis, am Rumpf und
im Gesicht vereinzelte Plaques von verschiedener Grösse.
Ordination: Jodkali 3*0 pro die.
13./Y. Schon gestern Abend ist die Pulsfrequenz auf 108 angestiegen,
die Temperatur auf 37*7. Heute ebenfalls erhöhte Temperatur und Puls-
frequenz.
14./y. Fieber, Kopfschmerzen, Acne jodica. Jodkali ausgesetzt.
18./V. Temperaturabfall. Die Jodacne im Gesicht sehr ausgebreitet.
19./V, Von Neuem Jodkali zu 4'Ö pro die.
24W. Massiger Jodschnupfen. Temperatur normal geblieben, aber
die Pulsfrequenz häufig über 100 erhöht. Jodkali 7*0 pro die. Die Schuppen
im Gesicht und am Rumpf abgefallen, die Plaques ganz blass, an den
Extremitäten noch wenig Wirkung vom Jodkali zu bemerken.
30./y. Die Tagesdosis Jodkalium beträgt 11*0. Gesicht und Rumpf
ganz frei von Psoriasis, an den Extremitäten sind die Schuppen abgefallen
und die Plaques blass geworden. Jodkali ausgesetzt.
liyVI. Die letzten Reste der Psoriasis gingen ganz rasch weg auf
Chrysarobin-Traumaticinanwendung. Obgleich in den letzten Wochen das
Allgemeinbefinden ganz gut, Körpertemperatur normal geblieben war, ist
332
Seifert.
Temperatur
Pulsfrequenr
dennoch das Körpergewicht von 58*5 Kilo auf 55*0 Kilo heruntiergegangen.
Gesammtdosis des Jodkaliums 220 6r.
5. Kuhn Pauline, 28 Jahre alt, Hereditat nicht nachweisbar. Erstes
Auftreten der Hautkrankheit im 18. Lebensjahre, seit dieser Zeit zahlreiche
Bückfalle, mehrfache Spitalbehandlung.
Status 11. /XL 1888: Patientin kraftig gebaut, wohlgenährt, Psoriasis
guttata an den Streckseiten der Extremitäten, Psoriasis numularis in der
Glutaalgegend, der übrige Rumpf und der Kopf frei.
Ordination: Kai. jodat. 3*0 pro die.
19./XI. Tagesdosis des Jodkali auf 7*5 gesteigert. Die Schuppenbildung
entschieden geringer, die Plaques wesentlich blasser geworden, neue Nach-
schübe nicht beobachtet. Jodkali wurde bisher sehr gut vertragen, an ein-
zelnen Tagen nur geringer Jodschnupfen und massige Erhöhung der Puls-
frequenz bis auf 100 beobachtet, ohne Herzklopfen oder anderweitige
Störungen des Allgemeinbefindens.
8./Xn. In der letzten Zeit auch Jodkali weniger gut vertragen, der
Schnupfen machte sich in unangenehmerer Weise bemerkbar, dazu kamen
auch öfters heftige Kopfschmerzen, so dass das Mittel einige Male aus-
gesetzt werden musste. Die Pulsfrequenz stieg manchmal bis zu 116 an,
Ueber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 333
die Körpertemperatur bis auf 37*8. Die Besserung der Psoriasis hat in der
letzten Zeit keine wesentlichen Fortschritte gemacht. Jodkali wird nun
ganz ausgesetzt und die Reste der Psoriasis sollen mit Chrysarobin-Trau-
maticin beseitigt werden.
7./I. 1889. Patientin als temporär geheilt entlassen. Chrysarobin-
Wirkung war eine sehr rasche und vollständige. Körpergewicht um 1 Kilo
gestiegen (von 62*6 auf 68*5). Gesammtdosis des verabreichten Jodkalium
270 Gr.
6. Beck Greorg, 16 Jahre alt, Heredität nicht nachweisbar. Patient
will die Hautkrankheit schon in frühem Kindesalter bekommen haben.
Status 21. /n. 1889: Patient kräftig gebaut, wohlgenährt. Psoriasis
punctata et numularis der Extremitäten, des Rumpfes und des behaarten
Kopfes; Gesicht und Hals frei.
Ordination: Kalijodat 1*5
pro die.
24./n. Kali jod. 30 pro die.
26./II. Gestern Abend Stei-
gerung der Pulsfrequenz auf 106,
Temperatur war normal. Heute
Morgen 96 Puls, Temperatur 36*6.
Pat. klagt über Kopfschmerzen.
Abends plötzliche Temperatur-
steigerung auf 89*4, Puls 100.
Patient hatte seine Tagesdosis
schon genommen. Keine Störung
des Allgemeinbefindens.
27yn. Heute Temperatur-
abfall, Allgemeinbefinden besser,
da Patient seit gestern kein Jod-
kali mehr genommen hat.
28./n. Da wieder ganz
normale Verhältnisse bestehen, so
nimmt Patient von Keuem Jod-
kali 3*0 pro die.
19./ni. Patient hat dieses
Mittel seither regelmässig genom-
men, ohne dass eine erneute Stö-
rung des Befindens eingetreten
wäre, nur die Pulsfrequenz hat
an einzelnen Tagen eine Steige-
rung bis zu 116 erfahren. Die Psoriasisefflorescenzen ganz abgeblasst,
Schuppenbildung nur noch sehr gering. Um den Rest der Psoriasis rascher
zu beseitigen, wird Ghrysarobin-Traumaticin appUcirt, Jodk. weitergegeben.
237III. Patient vollkommen geheilt. Eine Störung des Allgemein-
befindens ausgeblieben. Patient hat im Ganzen 136 Gr. Jodkalium ge-
nommen. Körpergewicht ist um 4 Kilo gestiegen (von 40 auf 44).
-.. Temperatur
•^... hilsfrequenz
334 Seifert.
7. Höppel Joseph, 28 Jahre »It, Beginn der Erkrankung vor V, Jahr«.
Heredität nicht nachweisbar.
Status 12./IX. 1888: Patient schwächlich gebaut Psoriasis numii-
laris et figurata an den Extremitäten und am Rumpfe, am Kopfe nur die
Stime befallen.
Ordination: Kali jodat 8*0 pro die.
lO./X. 1888. Die tägliche Dosis des Jodkali auf 16*0 gesteigert,
Allgemeinbefinden, abgesehen von leichtem Jodschnupfen, nicht gestört.
Temperatur bis heute normal geblieben, heute Abend (Patient nimmt heute
zum 1. Male 16*0) eine massige Temperatursteigerung auf 38^, Pulsfrequenz
hat sich in den letzten 6 Tagen ständig zwischen 108 und 124 bewegt,
heute Abend aber 132 erreicht. Allgemeinbefinden Yollkommen normal.
11./X. Jodkali ausgesetzt. Temperatur normal, Puls auf 120 herunter-
gegangen. Die Psoriasiseffioresoenzen wesentlich abgeblasst, die Schuppung
geringer. Die Beste der Psoriasis sollen mit Chrysarobin behandelt werden.
157X. Psoriasis fast ganz geheilt, Patient wird auf seinen dringenden
Wunseh entlassen. Allgemeinbefinden in den letzten Tagen sehr gut.
Patient hat im Ganzen 210 Gr. Jodkali genommen. Körpergewicht um 4 Kilo
gestiegen (von 45 auf 49).
8. Biehwar Michael, 21 Jahre. Erstmalige Erkrankung vor 1 Jahre.
Heredität nicht nachweisbar.
Status 27./XII. 1887. Patient ziemlich kräftig gebaut, gut genährt.
Psoriasis punctata et guttata über den ganzen Körper ausgebreitet.
Vom 10./I. 1888 an nimmt Patient 3*0 KaH jod. pro die.
1971. In der ersten Zeit musste einige Male wegen heftigen Jod-
schnupfens die Medication ausgesetzt werden. Temperatur und Pulsfrequenz
bisher normal. Heute zum 1. Male Temperatursteigerung auf 38*6 und
Erhöhung der Pulsfrequenz auf 112. Jodkali ausgesetzt ohne Störung des
Allgemeinbefindens.
28yn. Die tägliche Dosis Jodkali ist allmälig auf 27 Gr. gesteigert
worden. Im Allgemeinen hat Patient dieses Mittel gut vertragen, jedoch
bei jeder Steigerung der Tagesdosis eine Erhöhung der Körpertemperatur
auf 37*9 — 38*7 und der Pulsfrequenz auf 100—120 erfahren, ohne dass sich
irgend welche Störungen des Allgemeinbefindens bemerkbar gemacht hatten.
Da diese Erscheinungen ganz regelmässig eintraten, und am 2. Tage ohne
Aussetzen der Medication wieder zurückgingen, so wurde eine Unter-
brechung der Cur nicht für nöthig gehalten, zumal die Wirkung des Jod-
kali auf die Psoriasis unverkennbar war. Die Effiorescenzen sind im Gesicht
und am Bumpfe vollkommen zurückgegangen, so dass hier die Haut ganz
glatt erscheint. An den Extremitäten findet sich noch eine Anzahl schup-
pender Plaques, die zu rascherer Beseitigung mit Chrysarobin- Traumaticin
behandelt werden sollen.
11. /in. 1888. Chrysarobin hat sehr rasch und gründlich gewirkt.
Patient heute geheilt entlassen. Gesammtdosis des verabfolgten Jodkali:
414 Gr. Körpergewicht war bis zum 27yll. von 51 auf ö2'6 Kilo gestiegen
Ueber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 335
und ist znletzt bis auf 61*6 zurückgegangen, so dass Patient immerhin
noch mit einer Zunahme Ton 0*6 Kilo das Spital verlasst.
9. Weber Karl, 38 Jahre. Heredität nicht nachweisbar. Elrate Er-
krazJnmg im 20. Lebensjahre. Patient schon mehrfach in Spitalbehandlang
gewesen. Vor 16 Wochen Recidiv.
Status : 26VIX. 1888. An den Extremitäten und am Rumpf Psoriasis
guttata et numularis in geringer Ausdehnung, an der Stime Psoriasis gyrata.
Ordination: Kali jodat. 2*0 pro die.
11. /X. Die tägliche Dosis bereits gesteigert auf 14*0. Während
bisher Jodkali sehr gut vertragen wurde, weder Temperatursteigerung
Name : Weber €arl .
Datum:
Oktober 1888
— Temperatur
...... ^Isfrequenz
noch Erhöhung der Pulsfrequenz sich zeigte, klagt Pat. heute über all-
gemeines Unbehagen, Kopfschmerzen. Temper. 38*3, Puls 100. Jodkali
ausgesetzt. 12./X. Temp. und Puls wieder normal, Allgemeinbefinden gut.
14./X. Von heute ab wieder 14*0 Kai. jodat. 17^X. Gestern Abend
und heute Morgen Fieber. Patient bekommt heute noch die halbe Dosis
Jodkali. Trotz der hohen Abendtemperatur keine Störung des Allgemein-
befindens, ausser dem Gefühl grosser Müdigkeit. 18./X. Wohlbefinden,
normale Temperatur, Pulsfrequenz noch etwas hoch. Vom 21 /X. an wieder
Jodkali 12*0 pro die.
336
Seifert.
27X1. Mit der täglichen Jodkali-Dosis war bis zu 16'0 gestiegen
worden, ohne dass mehr störende Nebenwirkungen zur Beobachtung ge-
langten. Pat. hat im Ganzen 268 Gr. Jodkali genommen. Körpergewicht
trotz der zweimaligen Fieberanfalle um 2 Kilo gestiegen (von 60 auf 62).
Die Psoriasisplaques am Rumpfe und an den Extremitäten vollkommen
beseitig^, nur an der Stirne noch etwas Böthnng und Schuppung.
Therapie: Anthrarobin.
15/XI. Patient geheilt entlassen.
in. Gruppe.
10. Deubert Katharine, 26 Jahre. Die Mutter der Patientin soll an
derselben Hautkrankheit gelitten haben. Im 20. Lebensjahre erstmaliger
Ausbruch der Erkrankung, seither war Pat. schon mehrmals in Spital-
behandlung. Vor 3 Wochen Auftreten neuer Erscheinungen.
a
! Name : Deubert.
Datum:
Januar 1888
Februar 1888
Temperatur
Pulsfrequenz
Status 27./XII. 1887. Am Rumpf und an den Extremitäten Psoriasis
punctata. Gesicht und Kopf frei.
Ordination: Kai. jodat. 8 0 pro die.
Ueber die Bebandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 337
l/l. Die t&gliohe Dosis des Jodkali gesteigert auf 4*0. Abgesehen
von einem leichten Jodschnnpfen traten bisher unangenehme Störungen
nicht auf, auffallig war nur, dass gestern Abend die Pulsfrequenz über
126 gestiegen war. Heute Abend plötzliche Temperatnrsteigerung und
bedeutendere Erhöhung der Pulsfrequenz. Patientin klagt über allgemeine
Müdigkeit und starke Schlingbeschwerden, als deren Ursache eine ery-
thematöse Röthung der Gaumen- und Rachenschleimhaut mit ödematöser
Anschwellung der Uvula anzusehen ist. Abends Jodkali ausgesetzt.
8./I. Oedem der Uvula zurückgegangen, Erythem etwas geringer.
Schlingbeschwerden vermindert. Allgemeinbefinden besser.
9./I. Schleimhaut der Mund- und Rachenhöhle wieder nahezu nor-
mal. Jodkali fortgesetzt.
ll.yn. 1888. Die tägliche Dosis des Jodkali auf 20*0 gesteigert. All-
gemeinbefinden seither nicht mehr gestört. Auffällig ist, dass seither die
Pulsfrequenz bei normalem Verhalten der Temperatur eine häufige Stei-
gerung auf 100 — 128 erfuhr. Heute Abend Temperatursteigerung und be-
deutende Erhöhung der Pulsfrequenz ohne irgend welche locale Störungen,
nur Gefühl von grosser Müdigkeit, Jodkali ausgesetzt.
12Vn. Allgemeinbefinden ganz gut.
14./n. Die Schuppen überall abgefallen, die Plaques vollkommen
verschwunden. Patientin geheilt entlassen.
Patientin hat im Ganzen 422 Gr. Jodkali genommen. Das Körper-
gewicht war bis Mitte Februar um 1*5 Kilo gestiegen, ist aber in den
letzten Tagen des Spitalaufenthaltes auf das Anfangsgewicht zurück-
gegangen.
11. Höfling Margarethe, 28 Jahre. Hereditär nicht nachweisbar.
Die ersten Krankheitserscheinungen traten vor '/, Jahre an den Knien
und Ellenbogen auf.
Status 9./I. 1888. Pat. kräftig gebaut, wohlgenährt. Psoriasis guttata
«t numularis. Sitz : Rumpf und Extremitäten. Kopf und Gesicht frei.
Ordination: Kai. jodat. 3*0 pro die.
12./n. Steigerung der täglichen Dosis Jodkali auf 19*0. Bisher war
das Allgemeinbefinden ein gutes, hie und da machten sich Magenbe-
schwerden bemerkbar, welche rasch wieder vorübergingen. Einige
Male massige Erhöhung der Pulsfrequenz bei durchweg normaler Tem-
peratur.
21^. In den letzten Tagen ganz auffällige Steigerung der Puls-
frequenz bei ganz normaler Temperatur. Allgemeinbefinden dabei nicht
gestört.
10./in. In den letzten Tagen massige Erhöhung der Temperatur bis
auf 38*4 und der Pulsfrequenz auf 100 — 120 ohne Störungen des Allgemein-
befindens. Die Patientin befindet sich ganz wohl, die Schuppen und somit
auch die Plaques vollkommen beseitigt, so dass Pat. als geheilt bezeichnet
werden kann. In Summa hat Pat. 850 Gr. Jodkali genommen. Körper-
gewicht hat um 2 Kilo zugenommen (57*7 auf 59*7).
ArehlT f. Dermatol. n. Syphll. Band XXVn. 22
340 Seifert.
anlangt, so hatte dieselbe in ihrer Localisation, mit Ausnahme
eines Falles, nichts, was sie von den gewöhnlich zu beobachten-
den Formen der Psoriasis Tulgaris unterschied.
Bei einem Falle (Nr. 13) handelte es sich um einen acuten
Ausbruch der Erkrankung unter Störungen des Allgemeinbefindens,
ein Fall (Nr. 2) kann als Psoriasis universalis bezeichnet werden,
in welchem nur Handfläche und Fusssohle frei blieben, ein Fall
(Nr. 10) wird als Psoriasis punctata aufgeführt, ein Fall (Nr. 8)
als Psoriasis punctata et guttata, ein Fall als Psoriasis punctata
et numularis (Fall Nr. 6), ein Fall (Nr. 4) als Psoriaris numu-
laris, 3 Fälle als Psoriasis guttata et numularis (Nr. 5, 9
und 11), 3 Fälle als Psoriasis numularis et gyrata (Nr. 1, 7
und 12). Der Fall 3 zeichnet sich dadurch aus, dass bei ihm
nicht nur der ganze Körper in Form der Psoriasis numularis
et gyrata befallen war, sondern dass sich auch an den Hand-
flächen und an den Fusssohlen einige typische Plaques fanden.
Es ist das bekanntermassen eine bei der Psoriasis vulgaris sehr
selten zu beobachtende Localisation. (Nobl.) ')
Heredität war nur in 2 Fällen (Nr. 10 und Nr. 13) nach-
weisbar, in einem FaUe hatte die Mutter, in dem zweiten Falle der
Vater an der gleichen Hautkrankheit gelitten. (In dem Falle 10
begann die Erkrankung im 20., bei Nr. 1 3 im 30. Lebensjahre.)
Die Mehrzahl der Fälle hatte schon eine grössere Anzahl von
Attaquen durchgemacht und sich wegen solcher theils in Privat-,
theils in Spitalbehandlung befunden, in einem Falle kam das
erste Recidiv hier zur Behandlung, und 5 Fälle wurden behufs
erstmaliger Behandlung in die Klinik angenommen.
Die ersten Krankheitserscheinungen sollen bei Nr. 6 schon
in den ersten Lebensjahren, bei Nr. 12 im 13. Lebensjahre
beobachtet worden sein, bei den 11 anderen Fallen traten sie
erst nach der Pubertät auf und zwar in 6 Fallen zwischen 15. und
20. Lebensjahr, in 5 Fällen zwischen 20. und 30. Lebensjahr.
Von diesen 13 Fällen betrafen 7 männliche Individuen,
die alle wohlgenährt und kräftig gebaut waren, und 6 weibliche
Individuen, von denen nur eines schwächlich gebaut war und
schlechten Ernährungszustand aufvdes, während die übrigen 5
*) Wien, dermat. Gesellsch. 22. Nov. 1893.
Ueber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 341
ebenso wie die Männer als kräftig und wohlgenährt zu be-
zeichnen waren.
Die Eintheilung der ersten 9 Fälle in 11 Gruppen bezieht
sich weniger auf die Wirkung des Jodkalium auf die Psoriasis,
als auf gewisse Nebenwirkungen des genannten Mittels, welche
nachher zur Besprechung kommen sollen. In Bezug auf den
ersteren Punkt verhalten sich Gruppe I und 11 gleich, insofern
bei diesen Fällen eine vollständige Heilung der Psoriasis durch
Jodkali nicht erreicht worden war. Eine vollkommene Heilung
der Psoriasis durch Jodkalium konnte nur in den 4 Fällen der
n. Gruppe erzielt werden, welche in Bezug auf die Neben-
wirkungen zusammen mit den Fällen der H. Gruppe besprochen
werden sollen.
Unter den 9 Fallen der L und H. Gruppe konnte in Nr. 2
nur eine Besserung der Psoriasis verzeichnet werden, die Patientin
verliess, nachdem sie eine Gesammtdosis von 45 Gr. JodkaU
genommen hatte, fiühzeitig das Spital. Im ersten Falle musste
wegen Magenschmerzen mehrfach das Jodkalium ausgesetzt und
schliesslich, nachdem Patientin die Gesammtdosis von 370 Gr. ge-
nommen hatte, das Mittel vollkommen von der Tagesordnung
abgesetzt werden, weil die Patientin sich andauernd über die
genannten Beschwerden beklagte. Es war das gerade in diesem
Falle um so beklagenswerther, weil es sich nach den Erfah-
rungen von einem firüheren Spitalaufenthalt her um eine sehr
schwere Form der Psoriasis handelte und weil gerade hier Jod-
kali auf die Hauterkrankung einen entschieden günstigen Ein-
fluss geäussert hatte, so dass wir hätten erwarten können, bei
consequenter Fortsetzung der Jodkalibehandlung eine voll-
kommene Heilung zu erzielen.
Wie bei diesem Falle, so zeigte sich auch bei den übrigen
7 Fällen der I. resp. H. Gruppe nach dem Aussetzen des Jod-
kali eine auffallig rasche Wirkung der localen Application von
Chrysarobin resp. Anthrarobin und zwar in einer solchen Weise,
dass man zu der Annahme gelangen, musste, dass, wenn auch
Jodkalium in einer Anzahl von Fällen nicht im Stande ist,
Psoriasis zu heilen, dieses Mittel doch die Krankheitserschei-
nungen in einer solchen Weise verändert, dass die locale Be-
handlung zu einer sehr raschen Heilung führen kann. Ob zur
342 Seifert.
definitiYen Heilung sich nur die genannten Mittel (Chrjsarobin
und event. Anthrarobin) oder auch andere, wie Theer eignen,
darüber kann ich mir ein Urtheil nicht erlauben, weil wir nur
vom Chrysarobin und Anthrarobin Gebrauch machten. Sehe
ich ab von dem Fall 2, in welchem nur 45 Gr. Jodkali zur
Verwendung kamen, so wurden in den 8 Fällen der I. und
IL Gruppe Gesammtdosen Jodkalium von 136—872 Gr. gegeben.
Unter den 4 Fällen Ton ToUkonmiener Heilung der
PBoriasis waren 3 weiblichen, 1 männlichen Greschlechtes. In
dem letzteren Falle handelte es sich um einen unter Stö-
rungen des Allgemeinbefindens aufgetretenen acuten Nachschub,
der innerhalb 5 Wochen durch Jodkalium (223 Gr.) geheilt
wurde.
Von den weiblichen Individuen war^eine (Nr. II) noch
nicht behandelt worden, bei den anderen lagen chronische
Formen Tor, welche schon mehrfachen Heilungsversuchen getrotzt
hatten. Die Heilung war auch bei diesen 3 eine vollkommene
ausschliesslich der Wirkung des Jodkali zuzuschreibende. Die
Behandlungsdauer betrug im Durchschnitt 7 Wochen, also
ebenso viel, als Haslund in seinen durch Jodkali geheQten
Fällen gefunden hat.
Die verbrauchten Dosen JodkaUum bezi£Pem sich auf
344—850 Gr.
Leider ist in meinen Fällen nicht genügend darauf ge-
achtet worden, zu welchem Zeitpunkte die retrograde Meta-
morphose der einzelnen Efflorescenzen sich zu zeigen begann,
im Allgemeinen glaube ich mit Haslund constatiren zu können,
dass 4 — 5 Wochen der Zeitpunkt zu sein scheint, wo der Rück-
gang gewöhnlich anfangt. Auch darüber vermag ich nichts
Sicheres anzugeben, an welchen Körperstellen sich dieser Bück-
gang zuerst bemerkbar macht, nach Greve und Haslund
sollen die Effloreseenzen zuerst am Kopf und am Hals, dann
am Rumpf von oben nach unten und zuletzt an den Extremi-
täten verschwinden. Das Eine habe ich mit grosser Regelmässig-
keit beobachtet, dass die EfSorescenzen an den Extremitäten
am hartnäckigsten sind.
Bei so grossen, für eine Reihe von Wochen in gleich-
massiger Steigerung fortgesetzten Dosen Jodkali wird man sich
üeber die Bebandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 343
die Frage vorlegen müssen, welche unangenehmen Nebenerschei-
nungen bei solchen, man kann wohl sagen, heroischen Guren
zu beobachten sind. In Uebereinstimmung mit den Beobachtungen
der Eingangs genannten Autoren zeigen auch meine Beobachtungen
das auffallige Resultat, dass im Allgemeinen die hohen Tages^
dosen Jodkali erstaunlich gut vertragen werden.
Derartige Beobachtungen sind gewiss nicht neu, verdienen
aber immer wieder besonders hervorgehoben zu werden. Die
Syphilidologen haben ja Gelegenheit, Aehnliches zu sehen. So
fuhrt Kopp ^) an, dass manche Individuen 20 — 30 Gr. Jodkalium
im Tage ohne irgend welche belästigende Symptome zu sich
nehmen konnten. Garnett ^) hat bei einem Falle von syphili^
tischer Spinalerkrankung 30 — 60 Gr. Jodkali pro die und im
Ganzen 12 Eg. Jodkali gegeben. Auch Segnin^ ist ein An-
hänger von grossen Dosen Jodkalium (10 — 40 Gr. pro die) und
scheut auch bei Kindern grosse Dosen nicht. Ueber einen Fall
von Jodtoleranz berichtet Neumann. ^) Ein Füselier hatte eine
ihm in der Dosis von 3 Mal täglich 1 Esslöffel zu nehmende
Lösung von 20 Gr. Jodkali auf 400 Gr. Wasser in nicht ganz
24 Stunden getrunken, ohne dass sich irgend welche unange-
nehme Erscheinungen gezeigt hätten. Wolf f ^) hatte Gelegenheit
bei 4 Fällen von schwerer tertiärer Syphilis Toleranz gegen
grosse Dosen Jodkalium zu beobachten. In einem Falle wurden
schliesslich 50 Gr. pro die diei Monate laug (im Ganzen 5 Kilo
Jodkali) gegeben, ohne dass unangenehme Nebenwirkungen auf-
traten, das Körpergewicht war schliesslich um 28 Pfd. gestiegen.
Im 2. Falle kamen 30 Gr. pro die 2 Monate lang zur Verwen-
dung, das Körpergewicht hatte am Ende der Cur um 21 Pfd.
zugenommen. Im 3. Falle wurden 16 Gr. pro die, im 4. Falle 32 Gr.
Jodkali pro die vertragen. Die Erscheinungen des Jodismus
glaubt W. dadurch vermieden zu haben, dass er Jodkalium nicht
in Wasser, sondern in Amylum verabreichte. Graydon*) war
') Leijrbuch der vener. Erkrankungen p. 517.
') Ref. Deutsche Mediz. Zeitung. 1888.
*) Arch. d. med. XII. p. 114.
*) Deutsche Med. Zeitung. 1889. 89 p. 458.
*) 62. Naturforscher- Vers. Heidelberg 1889.
®) Med. and surg. report. Vol. 61. Nr. 11.
344 Seifert.
bei einem Pat. mit Chorioiditis syphilitica schUesslich auf 30*0
Jodkali pro die gestiegen, ohne dass sich ausser Acne faciei
unangenehme Nebenerscheinungen eingestellt hatten«
Montgommery ^) ist in einem Falle, wo die Diagnose
Syphilis zweifelhaft war, bis zu 120 Gramm Jodkali pro die ge-
stiegen.
Zur Erklärung dieses eigenthämlichenVerhaltens des mensch-
lichen Organismus gegenüber einem so differenten Mittel wie
dem Jod muss an Terschiedene Möglichkeiten gedacht werden.
Einmal liesse sich denken, dass grosse Dosen Jodkaüum diu-
retisch wirken und deshalb rascher ausgeschieden werden als
kleine Dosen, die nicht diuretisch wirken. Für diese Annahme
würde auch die schon mehrfach gemachte Beobachtung spre-
chen, dass gerade bei kleinen Dosen häufiger die Erscheinun-
gen des Jodismus auftreten als bei den grossen Dosen, wie sie
z. B. auf einmal in dem Falle von Neumann') genommen
wurden. Bringier^ hat schon nach 0*32 Gr. Jodkali (3mal
täglich genommen) acuten Jodismus auftreten sehen undBrunt-
haven^) konnte die gleiche Beobachtung machen. De la Bar-
cerie^) sah bei einem Falle von Angina pectoris schon nach
0*5 Gr. Jodkali die Erscheinungen des acuten Jodismus. In einem
von Bussel^) mitgetheilten Fall trat nach 3tägigem Gebrauch
von Jodkali in kleinster Dosis acuter Jodismus auf, der unter
Inauction und leichter Pneumonie zum Exitus führte. Möglicher-
weise handelte es sich hier um das Eintreten von Lungenödem,
dessen Entstehung Zeissl^ experimentell an Hunden nach-
gewiesen hat in Uebereinstinmiung mit den älteren Versuchen
Yon Böhm und Berg^). Diesen Thierexperimenten gegenüber
erscheint die klinische Beobachtung sehr auffallend, dass Jod-
kali zur richtigen Zeit angewandt zur Abortivcur bei Pneumonie
') St. Louis Med. and sarg. Joom. 1893.
») 1. c.
*) Med. News. JoU 1892.
*) Med. News. Sept. 1892.
') Revue gen. d. clin. et de therap. 27. 1892.
*) New York med. record. Aug. 1893.
') Intern, klin. Rundschau. 4. 1894.
•) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. V. 4. u. 5. 1876.
üeber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 345
dienen könne. Veiten*) gibt an, dass in jenen Fällen von
Pneumonie, in welchen 12—22 Stunden nach dem Schüttel-
frost mit dem Einnehmen des Mittels begonnen wurde, die
Temperatur bis zur Norm sank, am Mittag oder Abend des
zweiten Tages sich wieder erhob, aber gewöhnlich nur wenig
über 38'0® und dass eine zweite Gabe erforderlich war, um
das Fieber dauernd zu beseitigen. Später als 24 Stunden nach
dem Beginn der Erkrankung werde Tom Jod kein Erfolg mehr
gesehen. Unangenehme Folgen der Einführung von Jodkali
(6 Gr. in wenig Stunden) sah Veiten nur in einem Falle
(Oedem der Augenlider, der Oberlippe und des rechten Gau-
menbogens, Halsschmerzen, Heiserkeit).
Die von Bresgen*) beobachteten Falle von acutem Jo-
dismus traten nach verhältnissmässig kleinen Dosen von
Jodkali auf, so dass er an eine Verunreinigung des Präpa-
rates gedacht hatte. Nach der Untersuchung desselben von
Binz^) ei*gab sich, dass diese Annahme nicht stichhaltig war, da
das in Anwendung gezogene Jodkali durchaus chemisch rein war.
Für die Anschauung, dass die Zeichen des Jodismus haupt-
sächlich dann auftreten, wenn Jod im Körper zurückgehalten
wird, sprechen die Untersuchungen von Ehlers.^)
In einem längeren Aufsatz besprechen Röhmann und
Malachowski^) die Entstehung und Therapie des acuten
Jodismus, sie konnten einen Unterschied zwischen kleinen und
grossen Dosen von Jodkali auf die Häufigkeit des Auftretens
von Jodismus nicht finden.
Ebenfalls für die Annahme, dass der Jodismus hauptsäch-
lich dann hervorgerufen werde, wenn Jod im Körper zurück-
gehalten werde, sprechen die Beobachtungen von Gerson.*)
Bei einem Manne mit latenter Nephritis traten schon nach
2 Gr. Jodkali schwere Intozicationserscheinungen auf. Dass in
diesem Falle durch die kranken Nieren Jod nicht ausgeschieden
•) Berl. klin. Wochenschr. 11. 1893.
') Centralbl. f. kUn. Med. 9. 1886.
*) Centralbl. f. klin. Med. 9. 1886.
*) Hosp. Tid. Vn. 1. 1889.
*) Therap. Monatsh. VII. 1889.
«) Münch. med. Wochenschr. 28. 1889.
846 Seifert.
werden konnte, stellte sich durch die Untersuchung des eiweiss-
haltigen Urins heraus, in welchem Jod nicht nachzuweisen
war. Derartige Beobachtungen sind Ton grosser praktischer Be-
deutung gerade für die Behandlung der Psoriasis, man wird
bei jedem solchen Falle, bevor man ihn einer Jodcur unterzieht,
genau und mehrmals den Urin auf etwaigen Eiweissgehalt
prüfen müssen und den Patienten nur bei Tollkommenem Frei-
sein des Urins von Albumen einer Jodcur unterwerfen dürfen.
Fälle, wie die von Dujardin-Beaumetz, ') in welchen auf
6*0 Jodkali Intoxicationserscheinungen auftreten, werden sicher
nicht zu den besonders bemerkenswerthen Fällen gerechnet werden
können. Wenn nun eine Anzahl von Autoren, die ich oben auf-
geführt habe, auch bei unverhältnissmässig grossen Dosen Jodkaii
(30—60 Gr. pro die) keine Intoxicationserscheinungen auftreten
sahen, so kann man doch nicht annehmen, dass diese Tag iur
Tag gegebenen Mengen ebenso rasch wieder ausgeschieden werden,
als die mittleren, welche ja vielleicht diuretisch wirken könnten
im Sinne der obigen Ausführung. Zur Erklärung des auflalljgen
Umstandes, dass diese grossen Dosen nicht toxisch wirken,
können wir nicht umhin, nach einem anderen Moment zu suchen,
den wir freilich nicht näher definiren können, es ist das die
individuelle Toleranz.
Oppenheimer') hat ganze Familien kennen gelernt,
bei welchen eine Intoleranz gegen Jodkali hereditär ist
Ward man aus irgend einem Grunde veranlasst, Jodkali zn
verabreichen, so konnte man schon nach 3 Centigramm die
stürmischen Erscheinungen einer gestörten Blutcirculation, Herz-
klopfen, kleinen Puls, Klopfen der Carotiden, das Gefühl als ob
der Schädel bersten müsse, bei ihnen beobachten.
Wenn bei ganz gesunden Individuen so kleine Dosen
schon toxisch wirken, so kann man kaum annehmen, dass sie
durch Retention im Organismus diese Wirkung entfalten, hier
kann es wohl nur das Jod als solches sein, welches bei seinem
Durchgang durch den Organismus diesen in einzelnen seiner
Theile entweder Schleimhäute oder Nervensystem in der Weise
irritirt, dass die Intoxicationserscheinungen als Symptome dieser
') Bull, gener. de ther. T. CXm.
') Therap. Monatsh. 12. 1889.
Ueber die Behnndl. der Paoriasis mit grossen Dosen von JK. 347
fast specifischen Irritation auftreten. Worauf diese Eigenthüm-
lichkeit einzelner Organismen beruht, entzieht sich vollkommen
der Beurtheilung.
Keinenfalls möchte ich die Anschauung W 0 0 d's *) zu der
meinigen machen, dass Personen, welche tolerant gegen grosse
Joddosen sind, leichter an Syphilis erkranken als andere, bei
denen diese Widerstandsfähigkeit fehlt, geht er ja doch so
weit, bei Toleranz gegen Jod allein aus diesem Symptome
syphilitische Infection für wahrscheinlich zu halten. Würde
man sich, auf diesen Standpunkt stellen, so hätte man eine
einfache Erklärung für die Aetiologie vieler Fälle von Psoriasis,
sie würden eben dann syphilitischer Natur sein, eventuell ab-
geschwächte Formen hereditärer Spätsyphilis. Dass dem nicht
80 ist, wenigstens nicht für die von mir beobachteten Fälle,
vermag ich mit Sicherheit zu behaupten.
Es erübrigt mir nun noch, die einzelnen Erscheinungen
des Jodismus zu besprechen. Die leichtesten Formen des
Jodismus, bestehend in Schnupfen, reichlicher Thränensecretion,
Kopfschmerzen fehlten fast in keinem meiner Fälle, wenn auch
darüber nicht in allen Krankengeschichten eigene Vormer-
kungen zu finden sind. So lange diese Erscheinungen nicht
heftig waren, sah ich mich nicht veranlasst, den Gebrauch von
Jodkalium zu unterbrechen, ich habe ebenso wie Haslund
gesehen, dass diese geringfügigen Symptome bei langsamem
Fortgebrauch des Mittels offenbar in Folge von Gewöhnung an
den durch abgespaltenes Jod entstehenden Reizzustand der
Schleimhäute bald vollkommen verschwanden. Im ersten Falle
musste wegen heftiger Störungen von Seite des Digestions-
tractus vor vollendeter Cur Jodkalium ganz ausgesetzt und
eine locale Behandlung der Psoriasis substituirt werden. So
eigenartige nervöse Störungen, wie sie von einzelnen Autoren
berichtet werden, sah ich in keinem meiner Fälle. Kopp')
beobachtete das Auftreten von eigenthümlichen Schmerzen in
den Fusssohlen, Dujardin-Beaumetz*) Schmerzen in den
*) Brit. med. joum. 1890.
«) Münch. med. W. 1887.
«) 1. c.
348 Seifert.
Extremitäten, Hutchinson') mitunter dauernde depressive
Störung des Nervensystems, Heller^ ausser Aufregung und
Unruhe, Benommenheit des Sensoriums, Schmerzen in den
Fingern. Von Andern sind noch schwerere Erscheinungen von
Seite des Nervensystems beobachtet worden, SchwindelanfaJle,
Gedankenflucht, Schlafsucht, Goma und Delirien s. Lewin ^)
und Finger^) (der acute Jodismus und seine Gefahr in der
Syphilisbehandlung) und Haslund^) Abgestumpftheit, Ver-
wirrtheit, Schwindel. Husemann^) stellt die ivresse jodique
von Lugol, hauptsächlich durch Schwindel und Kopfschmerz
charakterisirt, als nervöses Symptom in Frage.
In den letzten Jahren haben von selteneren Intoxications-
erscheinungen die Oedeme des Kehlkopfes Interesse erregt.
Derartige Beobachtungen sind an Zahl sehr geling, ich ver-
weise zur näheren Einsichtnahme derselben auf die Zusammen-
stellungen von Grönouw^ und von Avellis*) und fiihre nur
ganz kurz die hieher gehörigen Literaturangaben auf mit Er-
gänzung aus der neuesten Literatur. Der erste gut beobachtete
Fall stammt von Fenwich') aus dem Jahre 1875. In 2 Fällen
von Fournier*®) kam ärztliche Hilfe zu spät, in 4 weiteren
Fällen konnte der Luftröhrenschnitt rechtzeitig ausgeführt
werden. Binz'^) führt Kehlkopfödem bei Jodgebrauch an als
aus beim Vorhandensein von Kehlkopfgeschvniren entstehend.
Kosenberg*") veröffentlichte einen Fall von subglottischem
Oedem und Grönouw") berichtet über 4 hieher gehörige
Fälle. Weitere 2 Fälle finden sich in dem Lehrbuche von Solis-
*) The practit. Jone 1891.
») Wien, med. Presse. 29. 1887.
'} Lehrb. d. Toxikologie.
*) Wien. med. Wochenschr. 1892.
») 1. c. p. 711.
•) Specielle Arzneimittellehre p. 788.
^) Therap. Monatsh. DI. 1890.
•) Wien. med. Wochenschr. 46—48. 1892.
») Lancet. 18. 1875.
'<') Gaz. d. höpit. 21. 1889.
") Vorlesungen über Pharmakologie. 1886 p. 206.
•') Deutsche med. Wochenschr. 1890.
»») 1. c.
Ueber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 349
Cohen') mitgetheilt, den Ton B anmgarten') als Jodödem
au^eführten Fall will Avellis nicht recht als solches gelten
lassen. In dem Aufsatz von Ayellis^) findet sich ein von ihm
selbst und ein aus der Clientel von Fischenich in Wiesbaden
stammender Fall aufgeführt. In dem Falle Ton Kessler (Pe-
tersb. med. Wochenschr., 27. 1891) handelte es sich wahrschein-
lich auch um Glottisödem.
Die neueste Publication hierüber haben wir Schmiege-
1 0 w ^) zu verdanken, der zwei Fälle von Jodödem mittheilt, in
dem ersten seiner Fälle trat die Larynxstenose ungemein rasch
auf, so dass die Tracheotomie möglichst rasch mittels eines
gewöhnlichen Bistouri ausgeführt werden musste. In dem zweiten
Falle gingen die stürmischen Erscheinungen Torüber, ohne
dass ein operativer Eingrijff nöthig gewesen wäre.
In keinem der von mir beobachteten Fälle wurde ein
Oedem des Kehlkopfes beobachtet, dagegen stellte sich in
Fall 10 ein intensives Erythem des weichen Gaumens mit öde-
matöser Anschwellung der Uvula auf, nachdem die tägliche
Dosis auf 4*0 gesteigert worden war. Bei der eigenthümlichen
Form des Erythems ohne jede Betheiligung der Tonsillen und
bei dem raschen Rückgang der Erscheinungen ist die Annahme,
dass es sich um eine toxische (Angina jodica) und nicht um
•eine infectiöse Form der Angina gehandelt habe, voll berechtigt,
wogegen auch nicht das die Angina begleitende Fieber spricht.
Während derartige Erytheme der Mundrachenschleimhaut
weniger häufig vorzukommen scheinen, s. Rose's^) ersten FalU
sind Erytheme sowohl ohne als mit Ezsudationsvorgängen auf
der äusseren Haut als ein nicht ungewöhnliches Vorkommen
zu bezeichnen. O'Beilly*) beschrieb zuerst eine bullöse Form
des Jodexanthems, Pellizari^ einen papulösen und rupia-
förmigen Hautausschlag, dessen Ausbruch Frost und Fieber
') Diseases of the throat. etc. p. 442.
') Deutsche med. Wochenschr. 9. 1892 und Pest. med. chir. Presse.
78. 1892.
») 1. c.
*) Arch. f. Laryngol. I. 1.
*) Virch. Arch. 35, p. 17.
') New York med. 6az. Jan. 1854.
') Lo sperünent. 1884.
350 Seifert.
vorausging. Nach Ricord soll eine blntigseröse Infiltration des
Bindegewebes vorkommen (s. Hasemann, Arzneimittellehre).
In einem Falle von Elliot^) traten nach 2 Dosen Jodkaüimi
ä 0*25 rothe Flecken im Gesicht auf, welche sich nachher zu
variolaähnlichen Knötchen umwandelten. Ducrey^ sah iwd
FäUe von Jodexanthem, in dem einen handelte es sich um
anthraxähnliche Pusteln, in dem anderen um eine hämorrha-
gische Urticaria, während ein Fall von Wolf) ein dem Pem-
phigus ähnliches Exanthem darbot und in dem Falle ^n
Taylor^) sich discrete Tumoren an Stirn, Wange, Augenhdem
und Hals entwickelten.
Balkänyi^) beobachtete ein bläschenförmiges Exanthem
im Gesicht und Erythem am Rumpf und an den unteren Ei-
tremitäten; Duhring*) eine local umschriebene phlegmonöse,
durch Jod bedingte Dermatitis, der Fall von Anderson,^ in
welchem es sich um Purpura handelte, endete letal. Mor-
row, ^ welcher ein bullöses Exanthem sah, weist darauf
hin, dass manchmal schon kleine Mengen Jodkali (0*3 p. die)
genfigen, um solche Exantheme zu erzeugen. Zu den oben ge-
nannten schweren Erscheinungen von Seiten des Nervensystems
kamen in den Fällen von Heller*) und Janovsky") Pete-
chien an den Händen. Bradley") berichtet über ein dem
Erythema nodosum entsprechendes Exanthem, Haslund'*)
über ein gleiches Exanthem sowie über eines mit Blasenemp-
tionen und über ein hämorrhagisches pnrpuraähnliches Exan-
them. Ein bullöses Exanthem wird von Guire**) nach dem
Einnehmen von Jodammonium, ein pustulöser Aasschlag von
') Med. record. 1885.
') Riv. internaz. di Med. e Chirurg. Nov. 1683.
») Berl. klin. Wochenschr. 86. 1886.
*) Joum. of eilt, and genito-ur. diseas. 1886.
*) Pest, med.-chir. Presse. 30. 1887.
*) Med. and surgery reporter. 1887.
^) Treat. on diseas. of the Skin. London 1887.
•) Monatsh. f. prakt. Dermat, 1887 p. 537.
•) 1. c.
") Monatsh. f. prakt. Derm. 1886 p. 445.
*') Th^se de Paris. 1887.
") Hospit. tidende. 7. 1889.
*') Joom. of cut. and genito-orin. diseases. Vol. VI. 5. 1866.
Ueber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 351
de AiDicis/) Pemphigus Yon üallopeau,^) Erythema nodo-
sum von L e 8 8 e r ^) berichtet und zwar traten diese Eruptionen
nach Jodnatrium schwächer auf als nach Jodkali. In einem
Falle von Grerson^) trat ein masemähnliches Exanthem ohne
Temperaturerhöhung und ohne Steigerung der Pulsfrequenz
auf, Besnier^) beobachtete Purpura an den Extremitäten und
auch Hutchinson^) berichtet über Jodexanthem. In einem
Falle von Cutler^ und in 2 Fällen von Giovannini®)
handelte es sich um eine Dermatitis tuberosa. Ein Fall von
Mackenzie, *) der ein öjähriges Kind betraf, endete unter
den Erscheinungen einer Purpura hämorrhagica letal. Der von
Kämpfer*®) beobachtete sowie der von ihm citirte Fall von
Talamon und der von Taylor'') mitgetheilte betrafen die
tuberöse Form des Exanthems, das letztgenannte besass die
grösste Aehnlichkeit mit einem papulösen Syphilid. Brocq'^)
zählt neunerlei Arten von Hautausschlägen, welche durch
Jod bedingt sein können, auf: 1. diffuses Erythem, 2. Papeln
mit Urticaria, 3. Bläschen und Ekzem, 4. Pemphigusblasen, 5.
Papeln und Pusteln, 6. Anthraxformen, 7. Petechien, 8. Knötchen
und Knotenformen, 9. polymorphes Exanthem. Fischer'^) be-
schreibt unter anderen Ausschlägen auch ein knötchenförmiges
Exanthem. Eine eigenthümliche Beobachtung konnte T e m p 1 e '^)
machen bei einem 60jährigen Manne, dessen weisse Kopf- und
Barthaare sich nach Stägigem Einnehmen von 3mal täglich
0*6 Jodkalium rosenroth färbten. Gemy'*) berichtet über je
') Ref. Monatsh. f. prakt. Dermat. 1888 p. 34.
*) L'union med. 1888.
') Deutsche med. Wochenschr. 14. 1888.
*) Münch. med. Wochenschr. 25. 1889.
') Annal. d. dermat. 1889.
•) Arch. of Surgery. 1889.
^ Jonm. of ontan. and genit.-urin. diseases. Febr. 1889.
*) Lo sperim. 1889 u. Giom. ital. dell. mal. ven. • della pelle. 1889.
') s. Peltesohn. Berl. klin. Wochenschr. 43. 1889.
^•) Centralbl. f. klin. Medic. 6. 1890.
>') Med. News. 18. Juli 1891.
**) Malad, de la peau. Paris 1890.
") Wiener med. Wochenschr. 1891.
'') Monatsh. f. prakt. Dermat. XIII. 11.
'^ Annal. d. dermat 1891. 8—9.
352 Seifert.
einen Fall von Erythema articatum und von ekzemähnlicher
Eruption und über 2 Fälle von pustulo-ulceröser Dermatitis
mit Ausgang in Narbenbildung. In je einem Falle von Feu-
lard*) und Kalb^ handelte es sich um Pemphigus-Erup-
tionen^ in 2 Fällen von Hyde*) um ein bullöses Exanthem.
Höning^) beobachtete ein hämorrhagisches quaddelartiges
Exanthem der Haut und Gaumenschleimhaut, Walker^) und
H eisten*) einen tuberösen, beziehungsweise papulösen Aus-
schlag, der letztere führte schliesslich zu tie%ehenden Zer-
störungen der Cutis. Legrand') berichtet ebenfalls über eine
Dermatitis tuberosa nach Jodgebrauch. Welche Art von Ex-
anthem sich in dem von Buzzi und Valerie^ mit JodkaU
behandelten Fall von Actinomykosis zeigte, konnte ich aus dem
mir vorliegenden Referat nicht ersehen. Trapesnikow') be-
richtet über einen Fall von Pemphigus vegetans jodicus.
Robinson*®) und Rüssel") beobachteten ein hämor-
rhagisches purpuraähnliches Exanthem, in dem letzteren Fall
erfolgte der Exitus unter den Erscheinungen der Inanition.
Caspary") sah ein inpetiginöses Ekzem im Gesicht und
an den Vorderarmen nach Jodkaligebrauch. Eigenthümlicb
ist die Form und Ausbreitung eines Jodexanthems in einem
von Feibes*') mitgetheilten Fall, in welchem sich das Exan-
them nahezu ausschliesslich auf die gelähmte Körperhälfte loca-
lisirte. Von derartigen Nebenwirkungen des Jodkali habe ich
bei meinen Fällen nur einmal ein urticariaähnb'ches Exanthem
beobachtet, das im Ganzen 6 Mal während der Jodeur auftrat,
') Annal. d. dermat. 1891.
^) Münch. med. Wochenschr. 11. 1889 p. 190.
') Jonm. of cutan. and vener. diseas. Vol. IT. Heft 12.
*) Monatsh. f. prakt. Dermat. XIY. 8.
^) Monatsh. f. prakt. Dermat. XIY. 7.
•) New- York. med. Joum. 23. April 1892.
^) Annal. d. Dermat. 8. 1893.
•) Rif. Med. JuU 1893.
*) Therap. Blätter. 2. 1893.
'•) The Lancet. 4. ÜI. 1893.
") New- York. med. record. Aug. 1898.
•*) Arch. f. Dermat. XXYI. 1. p. 20.
*') Dermatol. Zeitschrift. I. 8.
üeber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 353
jedesmal unter Temperatursteigerung und beträchtlicher Erhöhung
der Pulsfrequenz (Fall 12). Ich habe die ganze Literatur
über Jodexanthem aus dem Grunde zusammengestellt, um eine
Uebersicht iiber die verschiedenen Formen der Jodexantheme
zu bekommen. Lasse ich die am häufigsten zur Beobachtung
gelangende Acne jodica ausser Acht und lege der Uebersicht
über die Literatur die Eintheilung von Brocq zu Grunde, so
ergeben sich folgende Zahlen:
1. Diffuses Erythem : 5 Mal (GersonjLesseryB^ftdley,
Haslund, Elliot),
2. Papeln mit Urticaria: 2 Mal (Gemy, Seifert),
3. Bläschen und Ekzem: 3 Mal (Gemy, Balkanyi,
Caspary),
4. Pemphigusblaseu : 1 1 Mal (Wolff,Taylor,Hallopeau,
Guire, Haslund, Morrow, Reilly, Kalb, Feulard,
Hyde, Tropesnikow),
5. Papeln und Pusteln: 5 Mal (Holsten, Gemy 2. F.,
de Amicis, Pellizari),
6. Anthraxformen : 1 Mal (Ducrey),
7. Petechien: 9 Mal (Robinson, Rüssel, Honig,
Mackenzie, Besnier, Haslund, Heller, Andersen,
Janovsky),
8. Knötchen und Knotenformen: 9 Mal (Fischer, Ta-
lamon, Giovannini, Taylor, Kämpfer, Gutler, Le-
grand, Walter),
9. Polymorphes-Exanthem (Brocq).
Aus dieser kurzen Zusammenstellung geht hervor, dass
gerade die schwersten Exanthemformen wie Pemphigus und
Petechien zu den häufigsten nach Jodgebrauch entstehenden
Hautausschlägen gehören, während die leichteren Formen sel-
tener zur Beobachtung gelangen.
Die Angabe Morro^s, dass oft schon kleine Dosen Jodkali
(0*3 pro die) genügen, um derartige Veränderungen auf der
Haut hervorzurufen, habe ich weniger an den von mir be-
obachteten Fällen als in der Mehrzahl der in der Literatur
mitgetheilten Fälle bestätigt gefunden, bei den kurzen Literatur-
notizen kommt allerdings dieses Moment nicht genügend zum
Ausdruck.
ArchW f. Dermatol. n. Syphil. Band XXVII. 23
354 Seifert.
£8 findet dieses eigenthümliche Verhalten der Haut yiel-
leicht seine Erklärung in dem Verhalten des ßefässsjstems
gegen Jod. Die Einwirkung des Jod auf das Gefässsystem geht
sowohl aus dem Thierexperiment als aus klinischen Beobach-
tungen herror. Wenn auch Böhm und Berg*) weder Contraction
der Capillaren noch Aenderungen des Blutdruckes nach Jod- oder
Jo^jodnatrium-Injectionen constatiren konnten, so stehen diesen
negativen Besultaten doch eine Reihe von älteren und neueren
Beobachtungen gegenüber, nach denen dem Jod ein wesentlicher
Einfluss auf das Gefässsystem zukommt. So gibt Rose-) an,
dass es, in grossen Mengen dem Körper einverleibt, einen Gre-
fasski'ampf hervorrufe. Aus den Untersuchungen von Bogo-
lepoff^) an Hunden geht hervor, dass Jodkalium (zu 18 Cgr.)
in die Venen gebracht, rasch eine Dilatation der peripheren
Getässe, constantes Abfallen des Blutdruckes bei gesteigerter
Pulsfrequenz veursacht. Von besonderem Interesse sind die
experimentellen Studien G. See's*) über die Wirkungsweise
des Jodkalium auf das Herz. G. S e e trennt genau die Wirkung
des Kalisalzes auf das Herz, auf die Vasoconstriktoren und auf
den Blutdruck von der des Jod. Er unterscheidet bei der Jod-
kaliwirkung auf das Thier (Hund) zwei Phasen in der Wirkung.
Die erste entspricht der Wirkung des Alkali, es wird während
diese die Herzaction beschleunigt, der Blutdruck in Kurzem um
einige Centimeter erhöht, und es bleibt diese Erhöhung für
längere Zeit bestehen, nach längerer Zeit — etwa eine Stunde
nach der Einspritzung — beginnt die zweite Phase der Wirkung,
welche für Jodkalium und Jodnatrium identisch und wohl als
Ausdruck der Jodwirkung anzusehen ist. Der Blutdruck sinkt,
die Herzation wird frequenter. Das Abfallen des Blutdruckes
dauert mehrere Stunden und sinkt auf ein Minimum, um ganz
allmähg wieder emporzusteigen. Die Wirkung auf den Blut-
druck erklärt sich aus der Verengerung (Ealiwirkung) resp.
Erweiterung der Gefässe (Jodwirkung), Ob man mit Hilfe dieser
Thatsachen in der Lage sein wird, die Wirkungen des Mittels
') Arcb. f. exper. Patb. V.
*) 1. c.
») Schmidt's Jahrb. 1877. 1. p. U.
*) Wiener med. Wocbenscbr. 47. 1889.
üeber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 355
bei Psoriasis und Urticaria^) zu erklären, ist noch fragUcb. Es
ruft demnach das Jod überall nicht nur auf den Schleim-
häuten, sondern auch auf der äusseren Haut Hyperämien herror,
welche nach grösseren Dosen sogar zu Hämorrhagien (s. oben)
Veranlassung geben können. Diese Gefässdilafation kömmt
aber nicht durch Lähmung des yasomotorischen Centrums zu
Stande» wie nach Chloral oder Amylnitrit, sondern durch Ein-»
Wirkung auf die Gefasse der Organe oder der oberflächlichen
Gewebsschichten.
Die Untersuchungen Trasbots*) über die Wirkungs-
weise des Jodkalium bei Thieren weichen wenig Ton den Er-
gebnissen G. See's ab, während PreTo st und Binet^) keinen
besonderen Einfluss des Jods auf den arteriellen Blutdruck
und auf die Circulation gefunden haben. Ob bei ihnen die
Beobachtungszeit zu kurz war, vermag ich nicht zu entscheiden,
die eigentliche Jodwirkung beginnt ja nach G. S e e nicht sofort
nach der Einverleibung des Jod, sondern erst längere Zeit
nachher.
Klinische Beobachtungen über das Verhalten der Circu-
lation gegen Jod sind sehr spärlich, und soweit es sich um
die Darreichung von Jodkalium handelt, durchaus nicht ein-
wandfrei, weil hier die Wirkung des Kalisalzes von der des
Jod nicht zu unterscheiden ist. Haslund beobachtete nur
bei einem seiner Fälle neben nervösen Erscheinungen Herz-
klopfen, starke Beschleunigung der Herzaction (tumultuarischen
Herzschlag) ohne Steigerung der Temperatur. Ob die von
Bieder^) beobachtete Herzschwäche dem Jod zuzuschreiben
ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Bradley^) fand als
constantes Symptom des Jodismus Pulsbeschleunigung ohne
Erhöhung der Temparatur, manchmal eher eine Erniedrigung
derselben. Dass für das Zustandekommen einer derartigen
Jodwirkung auch individuelle Verhältnisse massgebend sind,
hebt Oppenheimer^) hervor, der Kenntniss hat von ganzen
') Stern. Münch. med. Wocbenschr. 1890.
*) Acad. de Medic. Paris 15. Oct. 1889.
') Revue med. d. la Soisse rom. 1890. 8.
*) Manch, med. Woohenscbr. 6. 1887.
*) These de Paris. 1887.
^ Therap. Monatsh. XII. 1889.
23*
356 Seifert
Familien, bei welchen eine Disposition zu solcher Jodwirkung
besteht. Wird man aus irgend einem Grunde yeranlasst, Jod-
kalium zu verabreichen, so konnte man schon nach 0*03 die
stürmischsten Erscheinungen einer gestörten Blutcirculation,
Herzklopfen, kleinen Puls, Klopfen der Criotiden, das (jefühl
als ob der Schädel bersten müsse, bei ihnen beobachten. Eine
Hypothese für diese FäUe vermag Oppenheimer nicht zu geben.
Man könnte nur vermuthen, dass bei einer gewissen Disposition des
Gefässnervensystems die chemische Zusammensetzung desselben
der Art sei, dass Jodkalium eine Veränderung hervorbringen
könne und dass beim Mangel dieser eigenthümlichen Beschaff
fenheit das Jodkalium nur die Wirkung eines Ealiumsalzes ver-
ursache.
Wenn ich nach dieser Betrachtung über die Jod- resp.
Jodkaliwirkung meine Fälle durchsehe, so komme ich zu dem
Schlüsse, dass bei genauer Beobachtung solcher Fälle, bei
denen Jodkali in steigender Dosis längere Zeit gegeben wird,
nahezu regelmässig ein Einäuss auf die Circulation sich be-
merkbar macht, den ich nicht ohne Weiteres als Kaliwirkung
auffassen kann. Wenn ich auch nicht überall in den kurzen
Krankengeschichten das Verhalten des Pulses hervorgehoben
habe, so fehlte doch in keinem der Fälle eine an einzelnen
Tagen zu beobachtende Steigerung der Pulsfrequenz. Am
lehrreichsten ist der FallHöfling, bei welchem ohne Erhöhung
der Temperatur anfallsweise ausserordentliche Erhöhungen
der Pulsfrequenz bis zu 170 zur Beobachtung gelangten (s. d.
Curve). Was mir gerade in diesem Falle für eine vorwiegende
Jodwirkung zu sprechen scheint, ist der Umstand, dass die
jedesmalige Steigerung der Pulsfrequenz erst am Tage nach
jedesmaliger Erhöhung der Jodgabe auftrat. Würden solche
Steigerungen der Pulsfrequenz als Kaliwirkung anzusehen sein,
so müsste nach den Untersuchungen von G. See diese Er-
scheinung kurz nach der erhöhten Jodkalidose, also an dem
gleichen Tage zur Erscheinung gekommen sein. Es hatten im
Uebrigen diese immerhin recht auffälligen Störungen der
Circulation so wenig Einfluss auf das Allgemeinbefinden, dass
uns ein Aussetzen des Mittels nicht nöthig erschien. In wie
weit bei den Psoriatikem eine Disposition zu solchen Circu-
lieber die Behandl. der Psoriasis mit grossen Dosen von JK. 357
latfonsstörongen vorliegt, vermag ich noch nicht zu entscheiden,
da ich erst in letzter Zeit einen meiner Zuhörer, Herrn De hnike
beauftragt habe, die von Polotebnoff^) gemachten Angaben
über die Erregbarkeit des Herzens bei Psoriatikern zu prüfen.
Bei Individuen mit so leicht erregbarem Herzen und hohem
Erethismus des (jefässsystems, wie in den von Oppenheimer
erwähnten Fällen möchte freilich der Fortgebrauch so hoher
Dosen (20 — 22 Gr.) Jodkalium nicht rathsam erscheinen.
Einer anderen ebenfalls interessanten Wirkung des Jod-
kalium habe ich noch zu gedenken, nämlich der Erzeugung von
Fieber,
Schon bei Husemann') findet sich eine Notiz, aus der
hervorgeht, dass Jod ausser Pulsbeschleunigung auch Temperatur-
erhöhung hervorrufen kann, die hinsichtlich ihrer Intensität
und Dauer zur localen Einwirkung in keinem Verhältnisse steht.
Auch Rose beobachtete Steigerung der Körpertemperatur.
Bogolopeff) fand bei seinen Thierversuchen , dass die
Temperatur öfter um einige Grade ansteigt, was ebenso wie die
Abnahme des Blutdruckes mit Erweiterung der peripheren
Gefässe zusammenfällt. Beobachtungen, wie die von Janowsky,^)
von Kämpfer*) und Seifert (Fall 12), wonach das Auftreten
von Exanthemen von Temperaturerhöhungen begleitet, resp. mit
solchen eingeleitet werden kann, können nicht als reines Jod-
fieber bezeichnet werden.
Malachowski*) bezeichnet die beiden von ihm beob-
achteten Fälle als die ersten in der Literatur mitgetheilten,
in welchen ohne Zweifel das Fieber als eine reine Jodwirkung
anzusehen war. Malachowski schliesst dies daraus, weil
1. das Fieber kürze Zeit nach Beginn der Jodtherapie bei vor-
her fieberlos erkrankten Individuen auftrat, weil 2. das Fieber
in kurzer Zeit nach Aussetzen des Mittels verschwand und weil
3. trotz sorgfältiger Untersuchung nirgends am ganzen Körper
') Dermat. Stadien. 1890.
^) Handbuch d. Fonikologie. 1862.
») 1. c.
*) Monatsh. f. prakt. Dermat. 1886 p. 445.
*) 1. c.
•) Therap. Monatsh. IV. 1889.
358 Seifert.
aich ein Anhaltspunkt für das Fieber bot und auch keinerlei
subjective Beschwerden auf eine Fieberquelle hinwiesen. Der
Puls hatte in beiden Fällen eine dem Fieber entsprechende
Vermehrung gehabt.
Eine Erklärung für das Fieber Termag Malachowski
nicht zu geben, er weist nur hin auf die Möglichkeit einer
eyentuellen Beeinflussung thermischer Centren im Gehirn.
Diesen Beobachtungen von Malachowsky lassen sich
meine 11 Fälle der IL und IIL Gruppe anreihen. Während in
den ersten beiden Fällen die Körpertemperatur während der
ganzen Dauer der Behandlung normal geblieben war, zeigte
nur die Pulsfrequenz an einzelnen Tagen eine massige Erhöhung
zwischen 100 und 128 ohne Herzklopfen und ohne Störung
des Allgemeinbefindens, so dass mit der Jodmedication aus-
zusetzen unnöthig erschien.
Von den Fällen der IL und Gruppe IIL muss ich von
vorneherein, um etwaigen Einwänden zu entgehen, Fall 3,
4 und 5 sowie Fall 10 und 12 ausscheiden, weil es sich hier
nicht ' um reines Jodfieber, sondern um anderweitige Intozi-
cationserscheinungen handelte, in deren Begleitung das Fieber
zur Beobachtung kam.
In Fall 4 trat schon am 3. Tage nach der ersten Dosis
eine ziemlich starke Jodacne auf und in deren Begleitung eine
mehrere Tage lang dauernde Temperatursteigerung mit massiger
Pulsbeschleunigung (s. Gurve). Die verhältnissmässig lange
Dauer des Fiebers und die geringe Beschleunigung der Puls-
frequenz würden auch abgesehen von der Jodacne gegen die
Bedeutung dieses Fiebers als Jodfieber sprechen können.
Auch die Erscheinungen in Fall 3 und 5 möchte ich
nicht ohne Weiteres als Jodfieber auffassen, da sich leichte
Temperaturerhöhimgen (37*8 — 38*0) im Anschluss an Jod-
schnupfen und heftige Kopfschmerzen bemerkbar machten. Auf-
fallend ist allerdings die im Verhältniss zur Körpertemperatur
erhebliche Beschleunigung der Pulsfrequenz (11 6 — 120), welche in
dem vorher bezeichneten Falle bei einer Temperatur von 39'0
nur 96 betragen hatte.
Trotzdem will ich, um scharfe Kritik zu üben, auch
diesen Fall nicht unter die reinen Jodfieber rubriciren, sondern
Ueber die Behandl. der PBoriasis mit grossen Dosen von JE. 359
annehmen, dass der starke Schnupfen zu der Temperatur-
steigerung Veranlassung gegeben hat.
Bei Fall 12 erklärt das über den ganzen Körper
sich ausbreitende urticariaähnliche Exanthem das Auftreten
der Temperatursteigerung, doch zeigte sich auch hier wieder
wie in Fall 5 eine mit der Temperatursteigerung in keinem
Yerhältniss stehende Beschleunigung der Herzaction.
Der Fall 10 ist nur zum Theil aus der Betrachtung aus-
zuschliessen, indem sich in den ersten Tagen der Jodbehandlung
Fieber an ein Erythem des Rachens mit ödemalöser Anschwellung
der Uvula anschloss, resp. diese Erscheinungen begleitete.
Dagegen kann die in der zweiten Hälfte der Behandlungs-
zeit zur Beobachtung gelangte Erhöhung der Körpertemperatur
und der Pulsfrequenz als Jodfieber bezeichnet werden aus
gleich zu besprechenden Gründen.
In den übrigen 6 Fällen handelte es sich unzweifelhaft
um Fiebererscheinungen, welche direct auf die Jodeinwirkung
zu beziehen sind. Für dieses Jodfieber möchte ich als Para*
digma die in Fall 10 während der zweiten Hälfte der Behand-
lungszeit auftretenden Erscheinungen bezeichnen. Es findet
sich hier auf der zweiten Hälfte der Curve eine plötzUche
Steigerung der Temperatur und Beschleunigung der Pulsfrequenz
angegeben, letztere der Temperatursteigerung um nahezu
24 Stunden vorausgehend. Nach 12 Stunden Abfall der Tem-
peratur auf resp. etwas unter die Norm, während die Puls-
frequenz noch Tage lang unverhältnissmässig hoch bleibt. Am
zweiten Tage nochmals geringe Temperatursteigerung bei
gleichbleibender Pulsfrequenz.
Ein ähnliches Verhalten weist auch Fall 6 auf, doch
zeigte sich bei diesem die Beschleunigung der Pulsfrequenz bei
Weitem nicht so auffällig wie bei Fall 10.
Wenn man die Krankengeschichten und die Curven genauer
betrachtet, so findet man, dass solche Anfälle von Jodfieber
sowohl bei grossen als bei kleinen Dosen auftreten können.
Von besonderem Interesse scheint mir noch der Fall 8 zu sein,
bei welchem jede Erhöhimg der Tagesdosis Jodkali von einer
Erhöhung der Temperatur und der Pulsfrequenz gefolgt war.
Ich bin der Ansicht, dass gerade solche Beobachtungen am
360 Seifert.
besten geeignet sind, um die Abhängigkeit des Fiebers Yon
der Jodwirkung klar zu stellen.
Zur Charakteristik des Jodfiebers, die uns Malachowski
gibt, hätte ich nach meinen Beobachtungen nur wenig hinzu-
zufügen, nur einige Bemerkungen glaube ich noch anschliessen
zu sollen.
Malachowski gibt an, dass der Puls in seinen beiden
Fällen eine dem Fieber entsprechende Vermehrung gehabt habe.
Aus meinen Beobachtungen darf ich wohl den Schluss ziehen,
dass gerade das Missverhältniss zwischen Temperatursteigemng
und Erhöhung der Pulsfrequenz dazu beiträgt, um ausser den
von Malachowski genannten Momenten das Jodfieber als
solches zu charakterisiren, es braucht dieses MissTerhältniss
nicht regelmässig vorhanden zu sein, dürfte aber doch in der
Mehrzahl der Fälle zur Beobachtung gelangen und gerade jene
Fälle scheinen mir besonders bemerkenswerth, in welchen die
Erhöhung der Pulsfrequenz nicht mit dem Eintritt der Tem-
peratursteigerung zusammenfallt, sondern dieser um 12 — 24
Stunden yorausgeht.
Femer hat Malachowski angegeben, dass das Jodfieber
in kurzer Zeit nach Aussetzen des Mittels yerschwindet, Fall 8
liefert den Beweis, dass das Fieber auch zurückgeht, wenn der
Organismus sich an jene Höhe der Jodkalidosis gewöhnt, welche
die Fiebererscheinui^en hervorgerufen hat, so dass man also
bei leichtem Jodfieber nicht gezwungen ist, mit dem Medica-
ment auszusetzen.
Und zum Schluss möchte ich nur noch eine Bemerkung
erlauben. Man wird in der Hospitalbehandlung bei fortgesetzter
Jodmedication in steigender Dosis, sobald man nur ganz regel-
mässige exacte Temperaturbestimmungen und Zählungen der
Pulsfrequenz vornimmt, leichtere Grade von Jodfieber öfters
beobachten. Die leichteren Grade des Jodfiebers werden sicher
ohne solche fortlaufende Untersuchungen übersehen, da sie
keinerlei Störungen des Allgemeinbefindens bedingen.
Wenn auch meine Untersuchungen und Beobachtungen
nicht viel Neues gebracht haben, so schienen sie mir doch der
Mittheilung werth.
Ans der k. k. böhm. UniYenitäta-Elinik fär Hautkrankheiten
des Prof. Dr. V. JaaoTsk;^.
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosis
Darier's.
Von
Dr. Heinrich Mourek,
klln. ÄBfistenten.
(Hierzu Taf. IX, X, XI.)
Die überaus seltene, unter dem Namen „Psorospermose
folliculaire vegetante" vonThibault*) undDarier") beschrie-
bene Erankheitsform scheint ganz besonders in Oesterreich
äusserst selten Torzukommen. Soweit wenigstens mir bekannt
ist, gelangte kein einziger in Oesterreich beobachteter Fall
von Psorospermose zur Veröffentlichung. Dies ist allerdings
nicht der einzige Grund, weshalb wir den Fall aus der Klinik
des Prof. Dr. JanoTsky publiciren. Die Frage des ätiologischen
Verhältnisses der Parasiten aus der Classe „Protozoa" zu den
verschiedenen menschlichen Erkrankungen steht heute im Vorder-
grunde der am häufigsten erörterten Zeit- und Streitfragen
und obzwar die letzten drei Jahre einige gründliche neben dieser
Frage auch das Wesen der D arier'schen Dermatose zunächst
') Observations cliniques pour servir ä l'histoire de la Psorosper-
mosa follieulaire v^getante de Darier. Paris 1889.
') De la Psorospermose follieulaire vegetante. Annales de Derma-
tologie. 1889.
362 Mourek.
behandelnde Studien brachten, wird es immer noch neuer Stadien
und Controlarbeiten in dieser Frage bedürfen. Ausserdem
aber ist unser Fall der einzige in der Literatur, der nach ver-
hältnissmässig kurzer Dauer letal verlief und in welchem eine
Section gemacht wurde.
Unser Fall betrifft einen 54 Jahre alten Taglöhner J. E. aus Lang-
dorf in Böhmen, welcher am 22. April 1892 aub Prot.-Nr. 5718 anf die
Klinik aufgenommen wurde.
Aus der Anamnese heben wir hervor: In der Familie des Patienten
sind keine hereditären oder infectiösen Krankheiten vorgekommen. Der
Kranke weiss sich nicht zu erinnern, dass irgend ein Mitglied seiner
Familie mit irgend einer Hautkrankheit behaftet gewesen wäre.^ Seine
Eltern starben an Altersschwäche, seine Geschwister leben und sind ge-
sund. Er hat drei gesunde Kinder, auch sein Weib war stets gesund nnd
hat nie abortirt. Desgleichen hat Fat. selbst bisher nie irgend eine bedeu-
tendere Krankheit überstanden und stellt jede Infection entschieden in
Abrede. Vor fünf Jahren acquirirte er einen rechtsseitigen Bruch, vor drei
viertel Jahren einen solchen linkerseits. Sofort nach Wahrnehmung des
Bruches trug er ein Bruchband. Die jetzige Hautkrankheit soll angeblich
erst seit October 1891 bestehen. Ihre Entwicklung bemerkte der Kranke
zuerst am Schamhügel. Insoweit er sich zu erinnern vermag, bildeten sich
hier zerstreut stehende bräunliche Flecke und Knötchen. Bald hierauf trat
an einzelnen Stellen Nässen ein. Vom Anfange an war die Affection von
ziemlich starkem Jucken begleitet und verhältnissmässig rasch verbreitete
sie sich über die übrige Haut. Eine zeitweilige Besserung hat Patient
niemals beobachtet.
Wann und in welcher Weise die Fisteln am Scrotum entstanden
sind, weiss Patient nicht anzugeben, wie er überhaupt auch keine an-
nähernde Ursache für die Entwicklung der Hautaffection zu bezeichnen
vermag. Alkoholiker ist derselbe nicht. Nähere verlässliche anamnestisehe
Details sind von dem Kranken schwer zu erlangen.
Status präsens. Patient ist von hoher Statur, kräftigem Knochen-
bau, Musculatur gut entwickelt. Seine Temperatur ist normaL Der Thorax
ist gut gewölbt, die Percussion der Lungen voll und etwas gedämpft, durch
die Auscultation kann man zahlreiche Rasselgeräusche und Pfeifen an
beiden Lungen constatiren. Das Herz liegt in geringerer Dimension der
vorderen Wand des Brustkorbes an. Die Tone sind rein, klappend, jedoch
schwach hörbar. In dem bedeutend grossen Scrotum — dessen rechte
Hälfte insbesondere vergrössert zu sein scheint — finden wir auf der
rechten Seite eine Geschwulst, die in den Leistencanal hineinragt. Dia
Geschwulst ist glatt, faustgross, die Percussion oberhalb derselben tympa-
nitisch, bei gesteigertem Bauchdrucke vergrössert sie sich und lässt sich
leicht in die Bauchhöhle zurückbringen. Schmerzempfindung ist nicht
vorhanden. Eine ganz ähnliche Geschwulst findet sich an der linken
Hälfte des Scrotums, doch ist sie nur halb so gross. Die übrigen Organe
Ein Beitrag znr Lehre von der Dermatosis Darier's. 363
der Bauchhöhle haben, insoweit dies durch die physikalische Untersuchung
constatirt werden kann, eine normale Lage und sind normaL
Der chemisch und mikroskopisch untersuchte Harn bietet keinen
pathologischen Befund dar. — * Die Haut am behaarten Theile des Kopfes
ist erheblich verdickt, uneben, mit zahlreichen kleinen Knötchen besäet,
von bräunlicher Farbe und mit beträchtlichen Homkegeln bedeckt.
Bei einzelnen dieser EfHorescenzen tritt mitten durch ein Haar heraus,
bei anderen beobachten wir dies nicht. Stellenweise verschmelzen diese
Knötchen zu grösseren, mit zusammenhängenden gelblichen Krusten be-
deckten Infiltraten, stellenweise zeigen sich wieder nach Abfallen der
Krusten nässende, unebene röthliche Stellen, die oberflächlicher oder tiefer
in die Malpighischen Schichten hineinragen. Die Krusten haften fest an
ihrer Unterlage. Zwischen den einzelnen Efflorescenzen zeigt sich die
Haut normal. Die Haare sind dunkelbraun, trocken, brüchig und sehr
dicht gestellt.
An der Stimhaut finden wir zahlreiche primäre Knötchen von
eigenthümlichem Charakter, die sich übrigens theilweise in Gruppen, theil-
weise als isolirte Efflorescenzen an verschiedenen Körperstellen zeigen.
Diese Knötchen haben die Grösse eines Stecknadelkopfs bis eines Hanf-
koms, sind trocken, fest, streng abgegrenzt, sitzen in den oberen Schichten
der Lederhaut und Epidermis, zeigen durchwegs eine intensiv röthliche,
bräunliche oder gelbliche Farbe. Sie sind bedeckt mit einer bedeutend
verdickten Homschichte, nach deren Ablösung sich die nässende, stellen-
weise mit gelblichem Detritus bedeckte Malpigbi'sche Schichte zeigt.
Das hornige Hübelchen ist in der Mitte am stärksten und lässt sich
ziemlich schwer von der Basis ablösen. Der übrige Boden bildet gewöhn-
lich eine trichterförmige Höhle mit ungleichen Bändern. Durch das Ver-
schmelzen einzelner solcher primärer Knötchen entstehen grössere ge-
röthete Flächen, in deren Umgebung stets sehr deutliche primäre Efflo-
rescenzen hervortreten. An der Haut des Rumpfes kommen haufenw^eise
Gmppen der beschriebenen Knötchen zum Vorschein und bewirken stellen-
weise eine beträchtliche Verdickung der Haut. Nach gewaltsamer Ent-
femnng der einzelnen Efflorescenzen an der Stirn entsteht stellenweise
eine leichte Blutung. Die Haut der Ohrmuscheln, der Nase und der Partie
der Wangen zwischen der unteren Falte des Augenlides und der Naso-
labialfurche hat im Ganzen ein normales Aussehen. Dagegen zeigen sich im
Barte an den Wangen und am Kiim ähzüiche Veränderungen an der Haut,
wie sie bezüglich des behaarten Theiles des Kopfes beschrieben sind.
An der Haut des Halses fliessen die Gruppen der primären Knöt-
chen in sehr umfangreiche, dunkelbraune Infiltrate zusammen, so dass
diese Gegend wie eine schmutzigbraune, ungleiche, warzenförmige Fläche
aussieht.
An der Haut der Supra- und Infraclaviculargegend sind zahlreiche
primäre, schön entwickelte, vereinzelt oder dicht gruppirt stehende, gut
abgegrenzte Efflorescenzen verstreut, welche sich als Stecknadelkopf- bia
hanfkorn- und darüber grosse, feste, trockene, schmutzig braune, in der
364 Mourek.
Mitte häufig mehr als an der Peripherie dnnkle Knötchen präsentiren.
An einigen Efflorescenzen kann man leicht — besonders mit der Loape
— in der Mitte einen schwarzen Punkt wahrnehmen. Die homartige Er-
höhung lässt sich hier etwas leichter abkratzen als am behaarten Theüe
des Kopfes. Es bleibt sodann eine nässende Fläche zurück, die gewöhnlich
nicht blntet. Die Haut der Umgebung ist nicht pig^entirt, die Haut
zwischen den einzelnen Efflorescenzen erseheint dankler als die Umgebung,
die eine erdige Verfärbung haben.
Die Verhältnisse der Haut der Stemalgegend sind analog denen
am Halse, nur dass die Verfärbung hier noch weit intensiver und dunkler
ist. An den Seiten längs der ganzen Peripherie sind die beschriebenen
primären Papeln verstreut.
An der vorderen Seite des Thorax bis etwa zwei Finger unter der
Brustwarze ist die Haut von normalem Aussehen u. zw. sowohl rechts
wie links vollständig symmetrisch. Die symmetrische Localisation verdient
überhaupt besonders hervorgehoben zu werden, zumal die Efflorescenzen
an beiden Körperhälften fast in bewundemswerther Weise gleichroässig
angeordnet sind. Hie und da finden wir allerdings an der Haut der vor-
deren Thoraxwand eine vereinzelte charakteristische Efflorescenz oder
eine Gruppe derselben aus einigen jedoch wenigen Exemplaren bestehend.
Die Haut der seitlichen Partien des Brustkorbs wie auch die Haut des
Rückens und Bauches ist mit einer ungeheueren Menge einzelner Knötchen
besäet, die der Mehrzahl nach in ausgebreitete Flächen von dunkelbrauner
Färbung und fettigem Aussehen verschmolzen sind. Die Infiltrate sind
mit Krusten, Rissen und Excoriationen bedeckt. Zwischen den verschmol-
zenen grossen Infiltraten sieht man hie und da Stellen, —- zuweilen aller-
dings von unbedeutender Ausdehnung, — wo die Haut bräunlich oder
röthlich gefärbt, aber von besonderen Efflorescenzen frei ist.
Die Symmetrie der Localisation der Efflorescenzen ist auch an den
Extremitäten schön zu sehen. Die oberen Extremitäten sind von der
Affection nur wenig betroffen. In der Achselhöhle finden wir die grössten
Gruppen von Efflorescenzen. Hier kam es in Folge von Maceration zur
Ablösung der Malpighi'schen Schichte und das ganze Bild der Affection
ist dadurch verändert. In den Ellenbogenbeugen dafür finden sieh in
Gruppen feste, trockene, braune, papulöse Efflorescenzen, wie sie oben
beschrieben worden sind. Die charakteristischen Knötchen sind an der
inneren Seite des Vorderarmes nur spärlich vertheilt. Am Handrücken
sind gleichfalls kleine, trockene, dunkelbraune Papeln, die auch stellen-
weise zusammenfliessen, gruppenförmig angeordnet Das Gleiche ist der
Fall bezüglich der Haut aller Finger, insbesondere über der 2. und 8.
Phalanx. Die Haut der Handfläche ist rauh, aber die Efflorescenzen, die
wir hier bei der Berührung als harte in Gruppen vorkommende Papeln
fühlen, unterscheiden sich bezüglich der Pigmentation nicht auffallend
von der Umgebung. Die Nägel zeigen auffallende längliche Rinnen. Der
Nagel des linken Daumens ist blos zur Hälfte braun verfärbt, die übrigen
Nägel sind normal.
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosis Darier's. 365
Die Haut der unteren Extremitäten ist gleichfalls wie die Haut der
oberen Extremitäten in nicht erheblichem Grade von der Affection heim-
gesucht. Bios die an der Schamgegend eng angrenzende Hautpartie der
Oberschenkel ist sehr bedeutend verändert. Einzelne Efflorescenzen, die
schon an der Haut des Hypogastriums grosse Dimensionen erreicht haben,
erlangen in der Leiste eine sehr bedeutende Grösse, indem sie eine halb-
kugelförmige Gestalt vom Umfange einer halben Erbse erreichen und
erheblich über das Niveau hervorragen. Auf ihrer Oberfläche fehlen hier
die Krusten, einige zeigen in Wirklichkeit, wie dies Darier beschreibt,
am Gipfel eine trichterförmige Oeffhung, aus welcher man eine eitrige
nnd talgartige Masse ausdrücken kann. Die Efflorescenzen in Inguine
fliessen zusammen und bilden weichere und rothe Knötchen, deren Ober-
fläche mit einer talgartigen, stark riechenden, stets von neuem von der
ganzen Oberfläche des von der Epidermis entblössten Knötchens abge-
sonderten Flüssigkeit bedeckt ist. Das Secret sammelt sich insbesondere
in tiefere Furchen an, welche die einzelnen Knötchen streifenartig von
einander trennen und zersetzt sich hier. Solche Verhältnisse sind auch an
der Haut des Scrotums mit Ausnahme von dessen vorderer Partie. Hier
finden wir auch einige ganz oberflächliche Fisteln, aus welchen ein ähn-
liches, eitrig talgartiges Secret ausfliesst, welches wiederholt auf Tuberkel-
bacillen untersucht, ein negatives Kesultat ergeben hat.
Die erdfarbig pigmentirte Fläche, die durch das Zusammenfliessen
der primären Efflorescenzen am Rücken entsteht, unterscheidet sich scharf
von der nur wenig aflicirten Haut der Glutealgegend. Die Grenze bildet
der Bogen, der von der Spina ossis ilei anterior superior zur Endigung
der Glutaealfalte verläuft. Die Symmetrie ist auch hier streng auf beiden
Seiten gewahrt. In der Glutealgegend wie auch an der Haut der Ober-
schenkel und Waden sind nur spärlich kleine Gruppen grauer harter
Papeln zu sehen. Dafür ist die Haut in der Kniekehle von der Affection
in hohem Grade ergriffen und zwar im Umfange einer männlichen Hand-
fläche. Die Verhältnisse der Haut sind hier nicht unähnlich jenen in der
Leistengegend. Auch hier finden wir durch Rinnen von einander abgetheilte,
braun gefärbte von Epidermis entblösste und mit übelriechendem Secret
bedeckte Infiltrate.
Am Do7sum pedis sieht mau mehrere Gruppen fester, primärer,
dimkelbrauner Efflorescenzen, die nicht verschmelzen. Die Planta pedis
ist von Efflorescenzen vollständig frei. Die Nägel der Zehen zeigen weit
mehr Veränderungen als die der Finger. An den Rändern sind sie zumeist
gefranst, insgesammt convex gekrümmt und gerippt. Besonders auffallende
Veränderungen sind nicht vorhanden und die quantitative Stufe der Ver-
änderungen ist an den Nägeln der verschiedenen Zehen eine verschiedene.
Am auffallendsten ist der Nagel der grossen Zehe des rechten Fusses
verändert.
Alle sichtbaren Schleimhäute sind normal — Patient klagt aber
massiges Jucken. Sämmtliche physiologischen Functionen desselben sind
normal. Der Kranke wurde an der Klinik vom 22. April 1892 bis
366 Mourek.
24. April 1893, seinem Todestage beobachtet. Die Hautaffection bat sich
während dieses ganzen Jahres nur sehr wenig geändert. Trotz des ein-
geleiteten Heilverfahrens, zu welchem alle möglichen geeigneten Mittel
aus dem dermatologischen Armamentarium abwechselnd herangezogen
wurden, konnten wir keinerlei erhebliche regressive Veränderungen be*
obachten. Die therapeutischen Verfahren wurden bei unserem Patienten
verhaltnissmässig rasch gewechselt und zwar aus doppelten Gründen :
Erstens erzielten wir nie mit irgend einem bestimmten Medicamente
ein günstiges Resultat, zweitens versuchten wir selbst eine Reihe von
Mitteln, von deren einem wir irgend einen Effect zu erlangen hoCflen.
Eine nähere Beschreibung dieser Experimente wäre zwecklos. Ich bemerke
nur kurz, dass nach kürzerer oder längerer Frist verschiedene Salben,
Gelatine, Pflaster, Pasten, Bäder, Einwicklungen in mit verschiedenen
Lösungen befeuchtete Compressen zur Anwendung kamen.
Dagegen konnten wir eine gewisse Progression des Processes Ter-
folgen, darin bestehend, dass die kleinen Gruppen von Efflorescenzen,
bei welchen man früher auch ohne Lonpe die Einzelexemplare isoliien
konnte, jetzt vollständig verschmolzen waren und dass an der Peripherie
der älteren Efflorescenzen sich hie und da neue Papeln entwickeln. Aber
diese Progression war im Ganzen so langsam, dass sie dem täglichen
Beobachter fast entging und nur bei Vergleichung der Photographien,
Bilder und Typen, die in verschiedenen Zwischenräumen angefertigt
worden sind, sich gut beobachten Hess.
Dem gegenüber veränderte sich das Allgemeinbefinden des Patienten
im Verlaufe der Behandlung an der Klinik in bedeutendem Grade. Schon
im Laufe des ersten Monates seines Aufenthaltes an der Klinik klagte der
Kranke über Verdauungsbeschwerden. Wir fanden zu dieser Zeit durch
die physikalische Untersuchung keinerlei erhebliche Veränderungen ausser
den im Status bereits angegebenen. Der filtrirte Magensaft reagirte
schwach sauer. Im Harn wurden zu dieser Zeit zuerst Spuren von Eiweiss
gefunden. Die Quantität des Harns in dieser Zeit war verhaltnissmässig
normal. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes zeigte genug auf-
fallende Veränderungen. Neben deutlicher Abnahme des Hämoglobins
(nach Fieischels Methode untersucht) waren sehr deutliche Veränderungen
der Form und Grösse der rothen Blutkörperchen zu finden. Von Mikro-
cythämie war aber dazumal keine Spur, diese zeigte sich erst nach vier
Monaten. Ihre Entstehung vermochten wir uns nicht recht deutlich zu
erklären.
Seit Ende Juni 1892 litt der Kranke an hartnäckigem Durchfall,
der allerdings sich zeitweilig besserte, im Ganzen jedoch stetig schlimmer
wurde, indem er anfangs seltener, später aber sehr häufig sich einstellte.
Bis zu diesem Zeitpunkte erhielt der Kranke in Intervallen Arsen, welches
nunmehr aus der Therapie vollständig ausgeschlossen wurde, wie man
auch unsererseits streng darauf achtete, dass der Patient keinerlei den
Darm oder die Nieren reizende Mittel erhielt. Seit dieser Zeit trat auch
beim Patienten ein Gewichtsverlust ein. Bis zum Ende des Jahies ver-
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368 Mourek.
Ueam correspondirenden Partie verdickt, von fester, fast harter Consisteiu.
Eine ähnliche diffuse Verdickung findet sich am Mesocolon transversum,
welches verkürst und dessen Serosa ii^icirt ist. Das Peritoneum ist stark
mit Fett durchwachsen. Die Schleimhaut des Dickdarms ist verdickt,
besonders im Colon descendens ist sie auffallend stark, durchwegs blass;
die Zotten sind an der Spitze dunkelbraun pigmentirt. Die Payer'schen
Plaques sind gleichfalls pigmentirt. Die Schleimh&ute des Magens wie auch
des Duodenums sind blass. Die Milz ist vergi'össert (15*5, lO'O, 4*0). Die
Kapsel verdickt, stellenweise fast knorpelig. Beide Nieren sind entsprechend
gross, an der Oberfläche graublass, die Pyramiden an der Peripherie sind
blassviolett, das Gewebe morsch, brüchig. Die Leber massig vergrössert,
die Kapsel an der convexen Seite verdickt, am Rande in der Serosa findet
sich eine gestielte, haselnussgrosse Geschwulst von fester und derber Gon*
sistenz. Das Gewebe ist massig blutreich, die Contour deutlich, die Farbe
hellgrau, die Consistenz brüchig. Die Harnblase ist massig dilatirt, ihre
Wandungen verdickt, die Schleimhaut blass.
Der pathologisch- anatomische Befund lautet: Nephritis subacuta,
catarrhus intestinornm chronicus, Thrombosis arteria pulmonalis ; Oedema
pulmonum acutum. Morbus DarierL
Vergleichen wir diesen unseren Fall vom klinischen Stand-
punkte mit jenen von Darier und anderen Autoren beschrie-
benen, so sehen wir, dass wir zu den gelieferten klinischen
Beschreibungen nichts Wesentliches beizutragen vermögen. Nur
einige unbedeutende Einzelheiten zeichnen unseren Fall aus, die
wir in den bisher bekannten Fällen nicht wahrgenommen haben
und zwar: Die Krankheit trat in einem späteren Lebensalter
ein, während sie bekanntlich in den jüngeren Jahren sich zu
entwickeln pflegt, — sie war weiters viel bedeutender ausge-
breitet als in anderen Fällen, obzwar sie eine verhältnissmässig
kurze Zeit andauerte und war von Jucken begleitet, was ander-
weitig nicht beobachtet wurde.
Wiewohl die beschriebene Erkrankung klinisch hoch
interessant sich gestaltet, so erweckt doch deren pathologische
Histologie ein höheres Interesse. Zum Zwecke der mikrosko-
pischen Untersuchung habe ich Schnitte aus verschiedenen
Hautpartien angefertigt, auf welchen primäre Efflorescenzen
sich befanden. Die Verarbeitung der Präparate erfolgte auf
verschiedenartigste Weise. Es wäre überflüssig, die einzelnen
Methoden anzuführen, zumal wir im weiteren Verlaufe ohnehin
die wesentlichsten berühren werden.
Die anatomischen Verhältnisse, wie sich selbe an meinen
so viel als möglich senkrecht aus den beschriebenen charakteri-
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosis Darier's.
stischen Papeln angefertigten Schnittpräparaten darstellen
die ich, so weit die Umstände dies gestatten, abgebildet
sind folgende: Auf den ersten Blick erkennen wir unter
Mikroskope, dass die Epidermis yergrössert ist und das
Hauptantheil daran auf die vergrösserte Hamschichte er
dass aber auch abwechselnd das Stratum granulosum um
Stratum Malpighii daran Theil nehmen. Die Cutis propi:
zwar verändert, jedoch bei weitem nicht in dem Masse w
Cutis parenchymatosa (Eromayer). Die Anordnung
Bindegewebselemente und der elastischen Fasern in den ti !
Schichten zeigt keine erheblichen Abweichungen. Die
drüsen sind Ton normalem Aussehen und deren Umgebur |
auch die Umgebung der tiefen Follikeln und der Schweisst i
ist fast vollständig ohne Veränderung.
Die Cutis vasculosa (die oberflächlichsten Schichte i
Cutis mit dem Papillarkörper) zeigt eine kleinzellige Infilt i
die bei weitem charakteristischer ist als diejenige in de:
propria. Rings um das subpapillare Gefässnetz ist das
trat verhältnissmässig am grössten. Hier ist auch das i
liehe Pigment in formlosen Klumpen angehäuft. Am En 1
wie auch an den Wänden der Gefässe ist durchaus i
pathologisches zu finden. Diffuse Infiltrate der Papille]
keines der Präparate. Die Gefasse der Papillen sind d i
dilatirt und in ihrer Umgebung findet man am häufigst i
kleinzelliges Infiltrat. Die Papillen sind stellenweise verl :
die Verlängerung ist zwar ziemlich bedeutend, jedoch i :
enorm. Die Papillen zeigen sehr verschiedene ForuM •
indem sie ein- auch mehrmal gespalten, manchmal vei i
«ind. Anderwärts sind sie wieder kolbenförmig, währei !
Durchmesser an verschiedenen Stellen sich verschieden g€ i
Hiedurch kommen stellenweise auch bizarre Formen der I :
?u Stande.
Die correspondirenden interpapillaren Zapfen besitz
sich dies von selbst versteht, gleichfalls eine solche u <
massige Form. Die Schichte der Basalzellen weist, i i
dies die Form der Zellen betrifft, die wenigsten Abwei< i
vom normalen Bilde auf. Die Zellen haben eine cylin
ausgezogene Form und stehen stellenweise in zwei Beihe 1
ArehlT f. DemBatol. a. Sjrphil. Basd XXVII. g
370 Mourek.
einander. Sie färben sich durchwegs gut und überaus Tiele
zeigen Mitosen. Diese Schichte stellt sich auch an nicht ge-
tärbten Präparaten sehr deutlich dar, zumal zahlreiche Zellen
ein granuliiles, braunschwarzes Pigment enthalten. Alle übrigen
Schichten der Epidermis sind erheblicher verändert und zwar
so, dass fast regelmässig die Veränderungen um so auffallender
und charakteristischer werden, je mehr wir uns der Ober-
fläche nähern. Die Stachelzellen sind insbesondere in ihrer
Anordnung und in ihrer Zahl verändert, sodann aber auch in
ihrer Form. Die Formunterschiede an verschiedenen Zellen
zeigen sich in verschiedenem Grade und in verschiedener Weise,
auffallend verändert ist nur die Minderheit der Zellen. Es ist
wahr, dass viele von ihnen nicht jene polygonale Form, wie
selbe normal ist, aufweisen, dass sie in mehr abgerundete
Zellen sich verändern und dass die Stacheln sich sehr schwer
auffinden oder nachweisen lassen ; dies gilt jedoch entschieden
nicht von allen Zellen dieses Stratums oder von den Zellen
der grossen Mehrheit dieser Schichte, wie man nach der Be>
Schreibung der verschiedenen Autoren dies annehmen könnte.
So verhält es sich auch bezüglich der Veränderungen an
den Kernen, welche zwar sehr viele Zellen hier zeigen, nie je-
doch die Mehrzahl. Zahlreiche Zellen fesseln die Aufmerk-
samkeit durch die über das Normale hinausgehende Grösse
mit homogenem glänzenden Protplasma und granulirtem ge-
wöhnlich peripherer liegendem Kerne. Zwischen den in dieser
Weise mehr oder weniger veränderten Zellen kommen wir im
Stratum Malpighii auf vereinzelt stehende Zellenformationen von
eigenartigem Charakter. Solche Zellen kommen in dieser
Schichte nur sporadisch vor, während wir in den höheren
Schichten ähnliche Elemente in grossen Mengen finden, lieber
die näheren Charaktere dieser auffallenden und auf den ersten
Anblick gegen die übrigen Zellen differirenden Elemente werden,
wir sofort ausfuhrlich berichten, sobald wir ihre Ausbreitung
auch in den übrigen Schichten der Epidermis besprochen haben
werden. — Die Zahl der Zellen der Stachelschicht differirt in
bedeutendem Masse an verschiedenen Stellen.
Im Ganzen ist das Zahlenverhältniss der auf den Prä-
paraten dargestellten Zellen und derselben Zellen an den
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosis Darier's. 37 1
Präparaten der noimalen Haut derselben Körperpartie grösser.
Dies beobachten wir freilich nur steUenweise und hier sei es
gleich gesagt, eher an den peripheren Partien der Papel als im
centralen Theile. Stellenweise sind die Zellen des Stratums Mal-
pighii auf zwei bis drei Schichten reducirt Dies ist besonders der
Fall an Stellen, wo die Epidermis mit der Cutis vasculosa
nicht Yollständig zusammenhängt, indem sie von ihm durch
einen Zwischenraum yon mehr oder minder bedeutenderen
Dimensionen getrennt wird. Solche Zwischenräume, welche die
Epidermis streng von der Cutis vasculosa markant trennen,
finden wir besonders zahlreich in Präparaten aus grösseren
Papeln und insbesondere in ihren centralen Partien.
In diesen Lacunen haben wir, wie weiter unten betont
wird, Leucocyten oder Reste ihres Zerfalles, auch Fibrin
gefunden. Auf Conglomerate von Blutpigment, wie Darier solche
beschreibt, bin ich nicht gekommen. Es muss bemerkt werden,
dass rings um solche geschilderte lacunenförmige Zwischen-
räume sehr häufig zwischen epithelialen Zellen Leucocyten
gefunden werden, deren Kerne sich sehr gut färben. Aber auch
anderweitig zeigt sich in der Structur der Malpighüschen
Schichte eine Differenz.
Die Zellen sind nur stellenweise in Reihen über einander
angeordnet, sehr oft zeigt sich in der Schichte überhaupt nicht
die normale Regelmässigkeit Noch grössere Veränderungen
beobachten wir im Stratum granulosum und das nicht allein
im Glänzen sondern hauptsächlich an seinen einzelnen Zellen.
Das Stratum granulosum hat eine ungleiche, verschieden ge-
wundene Richtung. An Stellen, die tiefer, näher an den Papillen
liegen, pflegt es gewöhnlich dichter aus mehreren Zellenreihen
zusammengesetzt zu sein. Das sind gewöhnlich Stellen, über
welchen auch die Homschicht reichlicher entwickelt ist. Aber
dass das Yerhältniss der Mächtigkeit der Homschichte und der
Kömerschichte ein stetiges, regelrechtes wäre, wie einige diese
seltene Hautaffection beschreibende Autoren angeben, und dies
hätte allerdings eine weitreichende Bedeutung, — dies lässt sich
auf Grundlage unserer Präparate nicht behaupten.
Wir sehen, dass stellenweise unter der mächtigen Hom-
schichte sich nur ein zartes Stratum granulosum hinzieht, ja
24*
372 Mourek.
dasB es unter derselben yoUständig schwindet und wir finden
Terhomte ZeUen direct über den Zellen des Stratum Malpighü,
ohne dass wir ii^end welche UebergangszeUen wahrnehmen
könnten. So yerhält es sich zunächst über den Lacunen,
wovon wir Yoranstehend Erwähnung gethan haben.
Die Anzahl der Zellen des Stratum granulosum ist im
Ganzen weit grösser als in normalen Verhältnissen. Die grösste
Verschiedenheit zeigt sich aber in der Form der das Stratum
zusammensetzenden einzelnen Elemente. Von den einzelnen
Zellen fesseln auf den ersten Blick die grossen Zellen Ton
besonderem Charakter die Aufmerksamkeit.
Während jedoch im Stratum der Malpighii^schen Zellen
ähnliche Elemente, wie schon früher erwähnt worden, nur yer-
einzelt und sporadisch vorkommen, so finden wir solcher hier
verhältnissmässig sehr viele zumeist in grösseren Gruppen. Im
weiteren Verlaufe werden wir ihres Charakters im Zusammen-
hange mit den ähnlichen und identischen Elementen des Mal-
pighischen Stratums und des Stratums der Homzellen Erwähnung
thun. Auch die übrigen Zellen des Stratum granulosum zeigen
jedoch der Mehrzahl nach Abweichungen in der Form von
normalen Verhältnissen. Solche Zellen sind hier mehr rund,
manchmal polygonal, im Ganzen grösser als sie normal zu sein
pflegen, zuweilen sehr gross, wie dies bei anderen Dermatosen
nicht zu sehen ist.
Die Homschichte ist, wie bereits erwähnt, mächtig fEtöt
an der ganzen Oberfläche der Papel, an einigen Stellen m
enormem Grade. An diesen Stellen, welche gerade so oft den
Mündungen der Follikel und Drüsen entsprechen, als sie häufig
an anderen Stellen zu Tage treten, dringt die Homschichte in
die Tiefe gegen die Cutis vasculosa und propria in der Form
eines mehr minder starken Zapfens von trichterförmiger Gestalt
mit der Basis nach oben ein.
Die mächtige Homschichte erhebt sich im Ganzen be-
deutend über das Niveau der Umgebung. Ihre Structur ist
überaus eigenthümlich. Die Homlamellen reihen sich in bedeu-
tender Zahl über einander und gewöhnlich kann man die
Schichtung sehr gut unterscheiden, obzwar stellenweise die
Lamellen wieder so eng an einander liegen, dass sie das Bfld
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosis Darier's. 373
homogener Schichten darbieten, die mittelst Pikrokarmin sich
intensiv gelb färben.
An anderen Stellen stehen wieder die Lamellen von
einander weit ab. Die Kerne der Homzellen färben sich an
einigen Stellen in grosser Menge sehr gut. Die untersten
Schichten pflegen öfter von Gruppen nicht vollständig ver-
hornter Zellen durchbrochen zu sein.
Zur Uebersicht der kurz angedeuteten groben anatomischen
Veränderungen der charakteristischen Efflorescenz verweise ich
auf Fig. 1.
Eine ganz andere Structur der Homschichte sehen wir
an anderen Stellen und dies zunächst dort, wo wir die erwähnten
Zapfen hauptsächlich aus Hornzellen gebildet finden. (Siehe
Fig. 3, 4, 5.) Hier stehen die einzelnen Lamellen vollständig
und zwar in bedeutendem Maasse von einander ab und reihen
sich nicht am häufigsten an- und übereinander, sondern ver-
biegen sich und bilden gleichsam ein Netz. In den Zwischen-
räumen dieses Netzes nehmen wir bei aufinerksamer Unter-
suchung das Licht stark brechende, glänzende, schwach con-
tourirte Formationen wahr. Sie besitzen eine verschiedene,
zumeist der Form des Zwischenraumes im Netze entsprechende,
zuweilen aber auch abgerundete Gestalt Solche an der Peri-
pherie gelegene Formationen scheinen vollständig homogen zu
sein, sie zeigen selbst bei der stärksten Vergrösserung keine
feinere Structur.
Dagegen zeigen jene, welche tiefer und im Zapfen mehr
central liegen, deutlich eine interessante Structur. Stellenweise,
insbesondere am Boden des Zapfens, scheint die Hornmasse
wie eine homogene, compacte Substanz zu sein, hier nehmen
wir die Lamellenbildung auch nur bei grosser Aufmerksamkeit
wahr. In solchen mächtig verhornten Partien, die mit Pikro-
carmin gelb und mit HämatoxyUn blassblau sich färben, finden
wir stellenweise eine Menge sich stark färbender runder, ovaler
und verschieden geformter Kerne. Bei sorgfältiger Unter-
suchung und leichter Umdrehung der Mikrometerschraube
kommen wir zum Urtheile, dass sie zu den übrigens fast ganz
verhornten einzelnen Zellen gehört. (Siehe Fig. 4.)
374 Mourek.
An anderen, gewöhnlich etwas tieferen Stellen, insbesondere
an der Grenze des Stratum granulosiun und zwischen seinen
Zellen zeigen sich die interessantesten auch und auffallendsten
Elemente. Auf den ersten Blick sehen wir, dass es sich uin
Zellenelemente handelt, die mit einer Membran, einem Proto-
plasma, einem Kejn und Nucleolus versehen sind. In bedeu-
tender Anzahl verrathen sie sich schon durch ihre in die
Augen springende Grösse, woraus ihre Verschiedenheit durch
ihi*e sehr leichte Unterscheidung von anderen Zellen selbst bei
geringer Yergrösserung resultirt. (Siehe Fig. 1.)
Sie stehen zwar hie und da isolirt — und dies nur in
tieferen Schichten, insbesondere wenn sie sich im Stratum der
der Malpiglü'schen Zellen entwickeln., — gewöhnlich jedoch in
grösseren oder kleineren Gruppen. (Siehe Fig. 2 und 3.)
Gruppen finden sich insbesondere in den oben bezeichneten
Seitenwänden der Lacunen. (Fig. 1.) Einzelne Exemplare sind
oft umschlossen von den erwähnten mehr oder minder yer-
grösserten und zusammengedrängten Zellen, wodurch sich ihre
Formation sehr mannigfaltig gestaltet. Derart zusammenge-
drängt bilden sie sehr oft gleichsam einen Mantel rings um das
für uns charakteristische Zellengebilde. (Fig. 6.)
Dieses hat gewöhnlich eine breite Membran, Die Breite
ist an verschiedenen Stellen der Peripherie zumeist eine un-
gleichmässige, so dass die inneren Elemente oft excentriseli
gelagert zu sein scheinen. Indem sie an einigen Stellen enger,
an anderen breiter sind, unterscheiden sie sich auffallend Ton
der Umgebung, insbesondere an gefärbten Präparaten dadurch,
dass sie sich nicht färben. Die Membran bricht stark das
Licht.
Der Saum dieser Membran ist die Ursache, dass es
scheint, als würden die innen liegenden Elemente sich in einer
Vertiefung (Höhle) befinden. Die glänzenden und sich nicht
färbenden Halone der mehr neben einander gelegenen Zellen
verschmelzen zuweilen, woraus dann allerdings auf den ersten
Anblick überaus seltsame Gebilde resultiren. (Fig. 9.)
Das mit einem solchen Halo umgebene Protoplasma ist
gewöhnlich hell und feinkörnig. Es färbt sich weniger intensiv
insbesondere an jenen Formationen, die sich sporadisch zwischen
Ein Beitrag zur Lehre Ton der Dermatosis Darier's. 375
den Zellen im rete Malpighii Torfinden. Dagegen aber färbt
sich zahlreich — jenes Protoplasma vorerst im Stratum granu-
losum — genau wie Keratohyalin.
Zwar bedingen diese Gebilde theilweise die Formation der
Zellen in der Umgebung, aber sie ändern auch ihre runde und
OYale Gestalt unter der Einwirkung des Druckes der benach-
barten Zellen und werden yerschiedenartig auf einander
gedrückt u. s. w. (Fig 7.)
Hieraus resultiren allerdings wieder ganz eigenthümliche
Gebilde, die wir nur durch das Studium an verschiedenen
optischen Durchschnitten, andere wieder nur bei sehr starker
Vergrösserung ermitteln. (Fig. 8, 9, 10.) Zuweilen aber stellen
sie sich so dar, als ob eine Zelle in den Einschnitt der anderen
hineinfallen würde.
Das Protoplasma der beschriebenen Gebilde weist an
einigen Stellen leere Räume auf. Diese kleinen Räume zeigen
sich auch an Zellen von Präparaten, die nicht in Alkohol
gehärtet wurden, welcher Präparation so vielfache Aenderungen
im Aussehen der Präparate zuzuschreiben sind. In solchen Va-
cuolen, die am häufigsten vollkommen leer zu sein scheinen,
bemerken wir öfter verschieden gestaltete Körnchen, deren
Aetiologie ziemlich räthselhaft ist. Das Verhalten der Leuko-
cythen, die wir in der Umgebung der Lagerstätte solcher
Gebilde in Menge vorfinden, gegenüber den beschriebenen
Elementen, die Fig. 1 1 darstellt, wirft neben anderen Momenten,
die wir gleich erwähnen werden, etwas Licht auf dieses
Problem.
Die Mehrzahl der beschriebenen *Körpercheü enthält einen
schön und deutlich röthlichen grossen Kern. Nur selten färbt
sich der Kern so, dass er homogen zu sein scheint. Gewöhnlich
ist er hellkörnig und meistens färbt er sich stark, am stärksten
gewöhnlich an der Peripherie. Der Form nach pflegt er
länglich, oval, öfter unregelmässig zu sein. Zumeist ist seine
Lage concentrisch, seltener excentrisch. Sehr zahlreiche Kerne
finden sich in den Mitosen. In einzelnen bemerken wir eine
oder mehrere Vacuolen, die gewöhnlich an der Peripherie
liegen. Zuweilen scheint es, als ob die Vacuola im Protoplasma
den Kern herausdrücken würde, bis sie zu einem bizarren
376 Mourek.
Aussehen der Organismen gerade so beiträgt, wie eine grossere
Yacuole, die im Kern selbst peripher gelegen ist. Fast immer
enthalten die Kerne mehrere NucleolL Oft findet sich rings
um den Kern ein heller, nicht gefärbter Saum, gerade so wie
rings um die Kemchen.
In einer grossen Zahl von Zellen yerliert der Kern an
Deutlichkeit, indem er sich zart färbt. Meistens ist dies bei
Gebilden, die im Stratum granulosum liegen, der Fall. Die
Kemchen pflegen gleichfalls vergrösseii; und entweder rund
oder verschieden gestaltet zu sein. Einige brechen stark das
Licht. Oft sind sie durch die Vacuola im Kern excentrisch an-
gedrückt, einzelne schliesslich enthalten die Vacuole allein.
Demgemäss ist das Aussehen der Zellen, je nachdem sich
diese oder jene Veränderungen im Protoplasma, der Membran,
im Kern oder Körperchen zeigen, und überaus yerschieden
combiniren, allerdings sehr mannigfaltig.
Nebenbei finden wir — und dies behaupten
wir direct gegenüber den Angaben Darier^s anf
Grund unserer z ah IreichenPräparate — zahlreiche
üeb ergang sformen vonZellen gewöhnlicher Gestalt
zu Zellen mit den beschriebenen Veränderungen.
Es würde gar zu weit führen, wollten wir uns in eine
detaillirte Beschreidung der mannigfachen Gestaltung der Zellen-
Veränderungen einlassen. Wir glauben, dass das Angeführte zur
Beleuchtung des Standpunktes ausreicht, den wir bezüglich der
Pathologie der beschriebenen Erkrankung eingenommen haben.
Nur eines erlauben wir uns noch an dieser Stelle zu betonen.
Neben den beschriebenen eigenthümlichen Gebilden, die in erster
Reihe das Interesse des Histologen fesseln, finden wir zwischen den
übrigen Zellen — insbesondere in den derMalpighi'schen Schichte,
seltener auch zwischen den Zellen des Stratum granulosum — Ter-
streute Zellen mit farblosem, glänzendem, homogenem Protoplasma
(wie wir oben bereits erwähnt haben), ohne mit Stacheln Ter-
sehenen Bändern, mit granulösem, peripher liegendem, gleichfalls
schlecht sich färbendem Kern. Dies ist zunächst in der Um-
gebung der erwähnten grossen und kleinen Lacunen der Fall.
Ein Beitrag zur Lehre von der DermatoBis Darier's.
B 0 e c k ^) erklärt die Entstehung der Lacunen mit dem
zeitigen Eintritte des Verhomungsprocesses, wodurch eine St
der Cohärenz der einzehien Zellen yerschuldet wird, I:
und Miethke^ erklären sie als Folge eines exsudative!
cesses, indem sie auf den Befund von Fibrinfasern, lyni
de Zellen und Conglomeraten, Blutpigment in den Lai
hinweisen. Nach Pawloff*) verursachen beiderlei Procesf;
Entwicklung der erwähnten Bäume. Auf Grund unserei
parate können wir nicht leugnen, dass auch die F
einer colliquativen Nekrose hiebei eine ge i
Rolle spielen kann. Zellen, die — den mikroskop
Bildern gemäss — der Nekrose verfallen und eingegangei
können, wofern dies bei einer grösseren Zahl benacli I
Zellen erfolgt, die Entwicklung von Lacunen verursachen
Befund chromatischer Kerne und Leukocyten oder ihrer
in den Lacunen können wir uns dabei sehr gut erklärei
In Summa haben wir bei der beschriebenen Der
mit dem Mikroskop wie in der Cutis propria Spuren vc i
sudation und iritative Erscheinungen, so in der Cutis i
chymatosa (Cutis vasculosa und Epidermis) einen exsu< i
und hyperplastischen Process gefunden, nur hier in
höheren Grade. Der Process in der Cutis parenchj
charakterisirt sich weiters einerseits durch Anomalien d i
homungsprocesses, andererseits durch einen abnormen ] i
des Wachsthums der nicht verhornten Elemente der Epi i
weiters auch durch Anomalien der Pigmentirung, voi
jedoch durch die Anwesenheit von Zellenelementen, i
eigentlich der ganzen Affection in histologischer Bezieh i
specifisch charakteristisches Gepräge verleihen, und vo:
Bedeutung die Classification der ganzen Erki'ankung £ I
Diese Elemente sind von Einigen als parasitäre i \
von Anderen als epitheloide degenerirte Zellen be: i
') Vier Fälle von Darier'scher Krankheit. Archiv für Deri
imd Syphilis. 189L
') Ueber die Darier'sche Dermatose. Monatshefte für prak
tologie. 1891.
*) Zur Frage der sogenannten Psorospermose folliculaire
Darier. Ergänzungshefte z. Archiv f. Dermatol. und Syphilis. 1(
378 Mourek.
worden. — Die erstere Ansicht vertrat zuerst Darier auf
Grundlage des morphologischen Aussehens dieser Gebilde und
wurde hiebei vom Zoologen Balbiani und von Prof. Malassez
unterstützt Wir haben unsere Präparate Zoologen voii Fach
vorgelegt und erhielten die Bestätigung, dass wirklich die er-
wähnten Gebilde gewisse Zeichen der Kokcidien darbieten.
Wenn nicht unnöthig, so wäre es sicher überflüssig, an
dieser Stelle eine Uebersicht der Kokcidien zu geben, in welche
Darier und andere Autoren die bei der oben beschriebenen
Krankheitsform sich entwickelnden Organismen einreihen. Es
genügt uns indessen das Factum, dass Darier, wie er selbst
anführt, sein Ui'theil zunächst auf Grund der morphologischen
Gestaltungen abgab. Wir gestehen zu, dass diese Verhältnisse
geeignet sind, uns an eine gewisse Gattung Kokcidien zu erin-
nern — und es haben dies auch bekanntlich selbst versirte
Zoologen anerkannt. Weil aber keinerlei mikrochemische Methode
existirt, welche eine verschiedene Reaction bei Gegenwart von
Zooparasiten und Epithelialzeüen zeigen würde, war es noth-
wendig, zu eingehenderen histologischen und bakteriologischen
Studien Zuflucht zu nehmen. — Es handelte sich ofiFenbar zu-
nächst darum, ob sich nicht verschiedene Gebilde, die den
Kokcidien in einem gewissen Stadium ähnlich sind, nachweisen
lassen. Es war allerdings zunächst klar, dass ein mögliches
negatives Resultat in dieser Sache den Werth eines positiven
Beweises in Abwesenheit von Kokcidien entbehrt, weil bekannt
ist, dass nur bestimmte Stadien derselben in gegebenem Ver-
hältnisse sich entwickeln, während die Entwicklung späterer
Stadien nothwendig andere Bedingungen erfordert. — In Wirk-
lichkeit sind auch unsere unter freundlicher Mitwirkung von
Zoologen in dieser Sache erzielten histologischen Befunde nicht
positiv ausgefallen. Die Structurverhältnisse der räthselhaften
Elemente liessen sich, wie begreiflich, am besten an Präparaten
Studiren, die aus abgekratzten Hautschichten angefertigt und
entsprechend präparirt waren.
Wir haben die durch Zupfen gewonnenen und nach den
verschiedenen von Darier, *) Miethke undBuzzi, *) Boeck*)
') 1. c.
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosis Darier'a. 379
und Anderen angegebenen Methoden angefertigten Präparate
untersucht. Unsere Befunde decken sich mit jenen von Darier,
Buzziund Miethke und anderen Autoren und es wäre über-
flüssig sie zu wiederholen und durch Abbildungen zu veran-
schaulichen.
Wir haben, wie nicht zu bemerken nöthig ist, sowohl
„grains** als „corps ronds" gefanden. Hiedurch sind wir aber
auch nicht mit einem Schritte der Entscheidung der interessanten
Frage näher gerückt. Es war nothwendig, bakteriologische
Untersuchungen vorzunehmen. Mittelst keiner der zahlreichen
üblichen Methoden ist es gelungen, irgend einen specifischen
Parasiten zu ermitteln, den wir hätten züchten und ausserhalb
des menschlichen Körpers studiren können. Selbst unsere Ver-
suche, die wir unter Mitwirkung des Zoologen Herrn Dr. Stolz,
dem wir für seine freundliche Unterstützung unseren Dank
aussprechen, unternommen haben, um durch Vergleichung die
erwähnten Gebilde sicher und ohne Zwang in die Kategorie
der niedrigsten beschriebenen und studirten zoologischen Orga-
nismen einzureihen, sind uns nicht gelungen. — Schliesslich
blieben auch die Experimente ohne Resultat, die wir mit der
Ueberimpfung unter den strengsten Cautelen und mit sorgfältiger
Berücksichtigung aller möglichen Umstände nach dem freund-
lichen Rath des Vorstandes des bakteriologischen Instituts
Herrn Prof. Dr. Hlava an Tauben, Mäusen und Kaninchen
und später mit Einwilligung der Patienten selbst an diesen
vorgenommen haben, und bei welchen uns nebst dem Chef der
Klinik Herrn Prof. Dr. Janowsky theilweise auch Herr
Prof. Dr. Hlava und dessen Assistenten unterstützt haben,
wofür ich an dieser Stelle ihnen meinen Dank ausspreche.
Wir haben zum Zwecke einer vollkommenen Sicherheit die
Versuche wiederholt, in welcher Weise die zweifelhaften Orga-
nismen sich bei Einleitung des künstlichen Verdauungsprocesses
verhalten, die bereits Buzzi und Miethke angestellt haben.
Die in einer feuchten Kammer bei 38" im Theimostat gezüchteten
Präparate, auf welche eine halbprocentige wässerige, mit etwas
Salzsäure versetzte Pepsinlösung geträufelt wurde, zeigten nach
mehreren Tagen keine Varänderungen, die auf Verdauung
hinweisen könnten und wir können daher die Angaben von
380 Monrek.
Biizzi und Miethke in dieser Angelegenheit yollständig
beBtätigen.
Das Resultat unserer Experimente war daher, dass wir
nicht im Stande waren, künstlich irgend ein Stadium der Para-
siten zu ermitteln, welches bei der Untersuchui^ der mikro-
skopischen Präparate der beschriebenen Dermatose supponirt
werden könnte, dass die Versuche einer künstlichen Ueber-
impfung erfolglos waren und dass die Experimente bezüglich
der künstlichen Verdauung gleichfialls fehlschlugen.
Da wir nun nicht yermochten, die blosse Gestaltung der
Elemente ohne sonstige Kennzeichen als Grundlage der Unter-
scheidung anzunehmen, waren wir im weiteren Verlaufe aller-
dings genöthigt, in erster Beihe die Resultate der Stadien
Darier 's zu verfolgen, wie er selbe im yorigen Jahre neuer-
dings wiederholt hat.')
Eine wichtige Einwendung Darier 's, mittelst welcher er
seine Anschauung betre£fs der Anwesenheit von Parasiten zu
stützen sucht, ist die, dass keine Uebergangs- Elemente z^Fischen
Epithelien und Psorospermosen bestehen.
Wir gestehen zu, dass in der That das Aussehen der be-
treffenden Elemente auf den ersten Blick von Epitheliahellen
sich unterscheidet Dass jedoch das blosse Fehlen der Stacheh,
weiters eine das Licht stark brechende Membran und die be-
schriebenen und abgebildeten Eigenthümlichkeiten des Kerns
genügen sollten, um, wie Darier behauptet, a limine den
Gedanken an eine Degeneration abzuweisen, das konnten wir
allerdings nicht bestätigen, dies müsste yielmehr den Antrieb
für weitere Untersuchungen bieten. Die einfach mit Haemato-
xylin und Pikrocarmin gefärbten Präparate lehrten uns, dass
in Wirklichkeit üebergänge zwischen Darier's Psorosper-
mosen und epithelialen Zellen existiren. Wir glauben, dass
die beiliegende Abbildung diese Behauptung genügend bestätigt.
Bei Besichtigung der einzelnen Präparate finden wir Zellen Ton
der Beschaffenheit der Epithelialzellen, nur etwas yergrössert;
weiters Zellen, die an der Peripherie mit einem ganz unansehn-
lichen, das Licht brechenden sich nicht färbenden Halo, der
*) Psorospermose foUiculaire yegetante. Atlas international des ma-
ladies rares de la peau. YIII.
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosifl Darier's. 381
bei anderen Zellen noch breiter ist, umgeben sind. Wir glauben,
dass wir diese Zellen für die gesuchten Uebei^änge halten
können. Aber nicht dies allein. Wir haben in zahl-
reichen Zellen der Stachelschicht, die sonst unverändert
waren, bestimmte Veränderungen im Kerne gefanden. Bei den
meisten veränderten Zellen sodann spielen grössere oder kleinere
Veränderungen des Kerns eine gewisse Rolle. Es ist bekannt,
dass in Theilung befindliche Epithelialzellen durch Vergrösserung
und durch ihre gewöhnlich abgerundete Form auffallend sind.
Das Zellenprotoplasma differencirt sich vom Kern augenschein-
licher als unter normalen Verhältnissen. Die umgebenden Zellen
sind zusammengedrückt, bilden rings um solche Zellen gleichsam
einen Mantel. Dies alles finden wir an unseren Zellen in ge-
steigertem Masse, Vergrösserung, rundliche oder ovale Form,
insofern auf dieselbe nicht der Druck der umgebenden verän-
derten Zellen einwirkt, rings um den Kern gewöhnlich ein Saum,
am Kern] Veränderungen. Demzufolge dürfen wir vielleicht
diese Zellengebilde den epithelialen Zellen eher als den Psoro-
spermien beizählen.
Uebrigens zeigen sich diese zweifelhaften Elemente, wie
bereits früher darauf hingewiesen wurde, deutlich als Zellen-
elemente, welche ein Protoplasma, eine Membram und einen
Kern besitzen. Da wir in der Homschicht gleichmässig
wie vollständig oder theilweise verhornte Epithelialzellen gefunden
haben, da wir uns auf Grund der mikrochemischen Reaction
weiter zu dem Urt heile berechtigt glaubten, da weil sie Kera-
tohjalin und Eleidin enthalten — Buzzi und Miethke. wie
auch andere Autoren haben übrigens darauf deutlich hinge-
wiesen, — haben wir noch weitere Untersuchungen in der
Richtung angestellt, ob nicht die betreffenden Elemente ander-
weitig veränderte Epithelien sind. In erster Reihe mussten
wir uns fireilich von der Kromayer'schen*) Methode der
specifischen Färbung der Epithelien Erfolg versprechen.
Leider gelang es mir nicht Präparate anzufertigen, an
welchen sich das Protoplasmagewebe leicht und schön färben
liesse, wie dies z. B. bei Molluscum contagiosum erzielt worden
') Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 89.
382 Mourek.
war. Die iiach Kromayer gefärbten Epithelialfaden sind an
den Präparaten nicht sichtbar. Es scheint, dass sie theilweise
verschmelzen, theilweise zerfedlen. Aber deutlich nachzu-
weisen, dass der granulirte Inhalt, wie wir ihn bei den be-
schriebenen und in den beiliegenden Tabellen abgebildeten
Zellen sehen, einzig das Product des Zerfalles wäre, ist uns
trotz der grössten Bemühung bei unseren Präparaten nicht
gelungen.
Es scheint uns hier am Platze zu sein, die Behauptung
T ö r ö k's ^) anzuführen, der zu Folge bei einem hydropischen Pro-
cesse und beim Verhomungsprocesse carcinomatöser Zellen der
Nucleolus wächst und eine bedeutende Grösse erreicht. Hiebei
verliert die chromatische Substanz des Kerns ihre Färbbarkeit
vollständig und schwindet. Der veränderte Nucleolus befindet
sich in dem in einem klaren Hohlraum veränderten Kerne.
Nur die Membran des Kernes behält ihre Färbbarkeit und
zeigt sich als ein Saum der Höhlung. Auf ähnliche Processe
an vielen Stellen bei unseren Präparaten zu schliessen, liegt
bei weitem näher, als eine zweifelhafte Aehnlichkeit mit „Psoro-
spermien"^ zu suchen.
Ein theilweise wenigstens positives Resultat erzielten wir
bei der näheren Forschung nach degenerativen Veränderungen.
Wiewohl die auf verschiedenartige Weise gefärbten Präparate
zeigten, dass wir es thatsächlich mit einem gewissen Grade
hyaliner Degeneration an den studirten Gebilden zu thun haben,
so haben uns .doch die nach Unna's^) Angabe mit einer
Ipercentigen wässerigen Fuchsinlösung und mit einer Ipro-
centigen alkoholischen Lösung von Pikrinsäure angestellten Fär-
bungen die besten Bilder in dieser Frage geliefert
Nach Unna tingiren sich neben hyalinen deponirten
Gebilden ähnlich (roth) auch die Homschichte und die Kem-
körperchen und sodann die im Beginn der Degeneration befind-
lichen Epithelien. An ähnlich gefärbten Präparaten fand ich im
Ganzen Folgendes:
*) Die protozoenartigen Gebilde des Garcinom. Monatshefte für
prakt. Dermatologie. 1893.
') Zur KenntnisB der hyalinen Degeneration der Garcinomepithelien.
Dermatologische Zeitschrift. 1894.
Ein Beitrag zur Lehre von der Dermatosis Darier's. 333
Hyaline Körperchen, frei zwischen Zellen liegend und
ohne Zusammenhang mit denselben im InterceUularraume habe
ich nicht gesehen. Auch eine difiPuse Infiltration der Epi-
thelien ist mir zu constatiren trotz aller Sorgfalt in der Technik
nicht gelungen. Oefter habe ich dafür — nach den Forschungs-
resultaten Unna's urtheilend — abgegrenzte diffuse Infiltration
der perimulearen Substanz des Zellkörpers gefunden, wie ich
auch aus dem Protoplasma epithelialer Zellen entstandene
geformte Gebilde in verschiedenen Gestalten hie und da erblickte.
Im Ganzen fanden wir daher an den besprochenen Gebilden
partielle hyaline Infiltration. Aber irgend welche elementare
Typen hyalinentarteter Elemente ähnlich jenen Unna's haben
wir nicht constatirt.
Eine weitere Einwendung Darier's und ein Stützpunkt
für den zooparasitären Ursprung der Krankheit durch Berufung
auf gewisse angeblich von ähnlichen Parasiten bedingte mensch-
liche Erkrankungen (Molluscum contagiosum, Paget's Ki*ank-
heit, Carcinom) ist bei dem heutigen Stande der Dinge mehr
als zweifelhaft. Auch die Behauptung, dass die „Psorospermie"
einmal isolirt, das anderemal gruppenförmig an verschiedenen
Stellen zu Tage tritt, scheint nach dem Vorangehenden nicht
gerechtfertigt zu sein.
Wichtig ist dafür der Einwand der intercellularen Locali-
sation der „Psorospermie.'' Wir gestehen zu, dass wir bei einer
rascheren Uebersicht der Präparate uns von der Anschauung
des Bestehens einer intercellularen Localisation nicht frei
machen konnten. Wir weisen auf unsere Abbildungen hin. Ea
war aber nur nöthig, etwas dickere Schnitte, bei welchen keine
übermässige Anhäufung von „Psorospermen^ vorhanden war,
zu untersuchen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass ein-
zelne Zellen, die dem Drucke der Umgebung unterliegen, eine
gleichsam im Ausschnitte der anderen liegen, dass die theilweise
oder ganz verhornten Zellen der Umgebung einen Mantel um
sie bilden u. s. w., wie dies bereits angeführt wurde. Das.
Studium der verschiedenen Durchmesser desselben Schnittes
lehrt uns aber am besten, wie leicht wir bei einer flüchtigen
Besichtigung der Präparate uns täuschen konnten. Die Fig.
11 und 12 illustriren theilweise neben Anderen die Verhältnisse.
384 Mourek.
Die einzelnen „eingekapselten^ Formen erklären wir uns dann
weit besser nax^h Ribbert^) und viel natürlicher als nach
Darrier.
Zum Schlüsse bemerke ich, dass nach Unna — wie
Buzzi und Miethke") anführen, sich bei Comu cutaneum
und bei Onjchogryphosis, wie auch bei Hyperkeratosis überhaupt
ähnliche Elemente Torfinden.
Auf einer Seite wurde also eine gewisse Aehnlichkeit mit
Zooparasiten gefunden, die sich nicht cultiviren oder isoliren
Hessen und an welchen wir yerschiedene Entwicklungsstadien
nicht beobachtet haben, auf der anderen Seite nahm mau ver-
änderte Epithelialzellen als Grund der Erscheinung an.
Die weitere Frage, ob nicht Wucherung des Epithels,
Hyper- oder Parakeratose eine Folge des Einflusses der in den
tieferen Schichten sitzenden „rundlichen Körperchen" ist, wie
selbe Darier stellt, dürfen wir erst dann beantworten, bis
wir den Zweifel an die Angelegenheit der „Psorospermien" ver-
lieren, deren verschiedene Stadien — und das ist doch fxLr den
Nachweis von Parasiten sehr nothwendig — selbst Darier
an seinen Präparaten nicht gesehen hat.
Aus unseren Präparaten dürfen wir nur so viel folgern,
dass die Darier^sche Dermatose eine Krankheit ist, die in
die Kategorie der Epidermidosen gehört, gegen deren von
Darier dargelegten parasitären Ursprung wir sehr gewichtige
Bedenken vorbringen können. Es wäre daher heutzutage eine
sehr grosse Goncession gegenüber dem bezeichneten Autor die
Erkrankung mit „Psorospermosis folliculaire vegetante** zu
benennen.
Für die freundliche Ueberlassung des Arbeitsmateriales,
wie auch für liebenswürdige Unterstützung und die vielfachen
werthvoUen und von mir stets befolgten Rathschläge im Ver-
laufe der Arbeit spreche ich dem hochgeehrten Herrn Professor
Dr. V. Janovsky meinen wärmsten Dank aus.
Die Erklärung der Abbildungen ist dem Texte zu entnehmen.
') Ueber Einsoblüsse im Epithel bei Carcinom.
») L. c. p. 69.
Ans der k. Üniyersitäts-Klinik für Hautkrankheiten des Prof.
Dr. A. Wolff in Strassbnrg.
lieber das Vorkommen von Nerven in
spitzen Condylomen.
Von
A. Reisner,
ÄMiatent der Klinik.
(ffierzu Taf. Xü, Xm.)
Die spitzen Condylome sind zu wiederholten Malen
mikroskopisch genau untersucht worden, von Eraemer,')
Zeissl,*)Bären8prung,*)Martin,*)Ca8tilhon,*)Kaposi,*)
u. A. Es sind auch specielle Untersuchungen in Betreff des
Vorhandenseins von Nerven in ihnen vorgenommen worden,
besonders von L e 1 o i r, '') aber stets mit negativem Erfolg. Man
nahm daher an, dass überhaupt keine Nerven in den spitzen
Condylomen vorhanden seien und kam so zu der Definition:
„Besteht an irgend einer Stelle der Haut ein chronischer
Reizzustand, so kann sich eine locale Hypertrophie des Papillär-
körpers ausbilden, wobei die entzündlich infiltrirten Papillen
mit ihren Gefässen auswachsen und sich häufig auch in Zweige
theilen. Das Epithel ninunt meistens an der Hypertrophie
theil und wird dadurch dicker als normal. Es entstehen dar-
nach Bildungen, welche man als entzündlich fibröse Papillome
bezeichnen kann. Meist werden sie spitze Condylome od^r
Condylomata acuminata genannt. Ziegler. '*)^
Von meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Doctor
Wolff, dazu aufgefordert, unternahm ich es, die spitzen Con-
dylome auf das Vorhandensein, resp. Nichtvorhandensein von
Nerven zu untersuchen.
ArehiT f. Dermfttol. n. Sjphil. Baad XXVII. 25
386 Reisner.
Vor der Darlegung und Beschreibung der Ergebnisse, zu
denen diese Untersuchungen führten, scheint es angemessen,
eine Uebersicht über die bisherige Entwicklung dieser Frage
zu geben. Doch ist hier von vorneherein zu bemerken, dass
sich in der Literatur wenig Positives darüber findet. Meist
handelt es sich, wenn die Frage erörtert wird, um kurze Sätze,
wie z. B. „Nerven sind in spitzen Condylomen noch nicht
nachgewiesen** u. a., ohne nähere Angaben über die Art und
Weise der Untersuchung. Der Erste, welcher ausführlichere
Mittheilungen über diesen Theil der Mikroskopie der spitzen
Condylome macht, ist Kraemer,') im Jahre 1847. Vor seiner
Ai*beit waren in Berlin, Erlangen und Kiel Dissertationen von
Wernher,') Scherdel,*'')undLindenau") über die spitzen
Condylome geschrieben worden. Sie enthielten aber über die
Histologie dieser Gebilde so gut wie nichts. Rokitansky hatte
in der ersten Auflage seines Lehrbuches zwar eine Histologie
der spitzen Condylome gegeben, der Nerven aber nicht darin
erwähnt. Kraemer beschreibt nun in dem diesbezüglicheu
Werke die histologischen Verhältnisse der spitzen Condylome
hinsichtlich des Epithels, des Bindegewebes und der Gefasse
sehr eingehend und fährt dann fort: „Obwohl es aus mehreren
Gründen annehmbar erscheint, dass die Papillargefasse (sc. der
spitzen Condylome) von Nerven der Cutis umgeben seien, so ist
es mir doch nur einigemal so vorgekommen, als ob das Gefäss
bis zu einer geringen Höhe von Fasern umgeben sei ; jedoch
waren sie zu undeutlich, als dass ich mich mit Bestimmtheit
von ihrer Existenz hätte überzeugen können." Kraemer
schon glaubte aus diesem Befunde schliessen zu müssen, dass
in den spitzen Condylomen keine Nerven vorhanden seien und
erklärte demnach, dass die spitzen Condylome nicht eine Hyper-
trophie des ganzen Papillarkörpers, sondern nur des Gefäss-
apparates seien. Einer besonderen Methode zum Nachweise der
Nerven scheint sich Kraemer nicht bedient zu haben, wenig-
stens erwähnt er keine. Seine histologischen Präparate fertigte
er mit Natronlauge und Essigsäure an.
So wenig dieses ist, so ist es doch das Meiste, was bis in
die neueste Zeit darüber geschrieben worden ist Die über die
spitzen Condylome erschienenen Monographien von Kranz,
üeber das Yorkoinmen yon Nerven in spitzen Condylomen. 387
Kaposi, Auspitz, Kühn, Le wy, Thibierge u. A. haadeln
meistens von der Therapie, und wenn die Histologie besprochen
wird, so findet sich doch nichts über Nerven. Ebensowenig in
den Lehrbüchern der Haut- und Geschlechtskrankheiten von
Neumann, Kaposi, Gibert, Mauriac, Devergie, Robert,
während einige Autoren, wie Hebra, Behrend und Lesser
durch den kurzen Satz : „Nerven sind in spitzen Condylomen noch
nicht nachgewiesen*^, darauf hindeuten, das3 sie dieses Capitel
noch nicht für abgeschlossen halten. Nirgends finden sich
Angaben darüber, dass, geschweige denn, wie die Untersuchungen
gemacht wurden.
Dieser Mangel an Angaben über den Nachweis von Nerven
in spitzen Condylomen, während man gleichzeitig annehmen zu
dürfen glaubte, es seien keine darin vorhanden, veranlasste
im Jahre 1878 Leloir^) zu genauen Forschungen, die in der
Gazette des höpitaux veröffentlicht wurden. Es lieisst dort:
„Les nerfs des vegetations sont inconnus. D'ailleurs il
faut avouer qu'ils n'nont jamais ete l'objet des recherches
bien minutieuses — si toutefois ils Tont ete, comme nous disait
Mr. Cornil."
Da die Ausführungen sehr kurz und knapp sind, sowie
um Wiederholungen zu vermeiden, scheint es uns am passend-
sten die Beschreibung Leloirs mit seinen eigenen Worten wieder-
zugeben: ,,La recherche, fährt er fort, a porte sur un grand
nombre de vegetations, la plupart vulvaires. Nous avons d'abord
examine ces vegetations, apres les avoir injectees, aussitot apres
leur ablation, avec de l'acide osmique au centieme, pur ou
melange d'un volume egal d^alcool au tiers; les coupes ont
ete ensuite pratiquees soit ä l'etat frais, soit apres durcisse-
ment dans Talcool. Nous n'avons pu trouver la moindre trace de
fibre nerveuse, comme nous pouvions d'ailleurs nous y attendre
en employant ce procede, les nerfs etant depourvus de myeline
dans les tissus enfiammes. II parait donc probable qu'il
n'existe pas de tubes nerveux ä myeline, dans les vegetations.
Mais si elles ne contiennent pas de tubes nerveux ä myeline,
«lies peuvent contenir des cylindre-axis. — Nous avons d^ahord
employe le procede de Loewin qui consiste ä faii*e passer le
tissu ä examiner successivement dans Tacide formique au 3
25*
388 Reisner.
ou an 4 centieme pendant douze an Tingt-quatre henres, pois
dans le cfalomre d'or an centieme pendant 10 — 20 minntes,
pnis de noQTeaa dans Tadde formiqne ä 3 on au 4 centieme
pendant, 6 ä 24 henres. Les conpes des vegetations, aassi pre-
parees ne nous ont pas montre le moindre vestige de cylindre-am
Aassi arons nons emploje le procede qne Ranvier ä
expose recemment ä Tacademie des sciences. H consiste, comme
on le sait, ä placer la piece a examiner dans da jus de citron
pendant 10 — 20 minates, ä la mettre ensoite pendant 10 — 25
minates dans ane solation de chlorare d^or ä l7o ^t a la
passer enfin rapidement dans de Teaa additionnee de quelques
gouttes d'acide acetique. Malgre Fezamen attentif de nombreuses
Tegetations que nous a^ons ainsi etudiees nous n^avons pu
rencontrer de filet nenreux. La dilaceration ne nous a pas
donne de meilleurs resultats. L'existence de nerfs dans les Tege-
tations est donc tres problematique/
Es schien in der That nach diesen eingehenden Unter-
suchungen sehr vieler spitzer Condylome mehr als wahrscheinlich,
dass in ihnen keine Nerven vorhanden seien. Und doch wollte
Leloir selbst keine absolute Folgerung daraus machen, weil
er zugeben musste, dass die spitzen Condylome schmerz-
haft sind.
Mit Rücksicht besonders auf das letztere Factum ver-
suchten wir es nun, auf dem Wege der methodischen Unter-
suchung den Nachweis von Nerven in spitzen Condylomen zu
führen. Da wir nach den Angaben Leloirs nicht der mangel-
haften Untersuchung die Schuld geben konnten, vielmehr an-
nehmen mussten, dass die angewandten Methoden für diese
Fälle ungeeignet seien, so benutzten wir zunächst keines der
angegebenen Verfahren, sondern das Golgische. Und zwar
wandten wir ausschliesslich das von RamonyCajal sogenannte
schnelle Verfahren und die Doppelfarbung an. Da beide Ver-
fahren in ihren Ergebnissen keinen Unterschied erkennen liessen»
so wandten wir schliesslich nur noch das „schnelle Verfahren"
an. Dies geschah so, dass die operativ, mit Messer, Schere
oder galvanokaustischer Schlinge entfernten Condylome rasch
in destiUirtem Wasser abgewaschen wurden und dann in eine
Lösung von 1 Theil 1% Osmiumsäure und 4 Theilen 3'57<^
Ueber das Vorkommen von Nerven in spitzen Condylomen
Kalium bichromatum kamen. Die Stücke wurden nicht {
wie höchstens 7 — 8 Gmm. genommen, auf ein Stückchen i
10 Gem. Flüssigkeit gerechnet. Grössere Condylome i
vor dem Abwaschen so weit zerkleinert. In der angeg
Mischung blieben die Stückchen 5 — 7 Tage im Dunki
einer Temperatur von 25® — 35°. Dann kamen sie nai
Spülung in 0*257o Arg. nitr.-Lösung in eine 0*757o Arf
Lösung, in welcher sie bei Zimmertemperatur 24 Stund<i
dem Lichte ausgesetzt wurden. Dann wurden sofort S
gemacht. Diejenigen Stücke, welche wegen Zeitmang!
ersten Tage nicht geschnitten werden konnten, wurden
0*757o Silbemitratlösung im Dunkeln weiter aufbewah
hielten sich so gut, dass nach 4 Wochen angefertigte i
keinen Unterschied gegen die vom ersten Tage zeigte)
musste darauf geachtet werden, dass die Flüssigkeit ni( :
dunstete. Dagegen war eine Partie spitzer Condylome,
längere Zeit dem Lichte ausgesetzt war, von Eristal *
doppeltchromsaurem Silber so durchsetzt, dass von S i
Verhältnissen nichts mehr zu erkennen war. Dasselbe i
bei völliger Verdunstung der Flüssigkeit.
Das von uns nur einmal benutzte Doppelverfahren :
darin, dass die Stücke zuerst in eine Mischung von
1 Theil 1% Osmiumsäure und
4 Theilen 3-57o Kai. bichrom.
24 Stunden lang im Dunkeln, darauf, nach Abspülung, i
Arg. nitr.-Lösung 24 Stunden im Lichte kommen. Dann i
nach Abspülung, Einlegen in eine Mischung von 1 T i
Osmiumsäure und 10 Theilen 2*57o K&l- bichrom. auf 24 ! i
darauf endlich Einlegen in 0'757o Arg. nitr.-Lösung. 1
letzteren werden die Stücke dem Lichte ausgesetzt, !
Mischung dagegen im Dunkeln aufbewahrt. Bei dies i
bei dem „schnellen" Verfahren werden die Stückchen
dass sie ohne Weiteres geschnitten werden können. KöV <.
und van Gebuchten'^ geben an, dass die Stücke,
noch nicht ganz schnittfahig sind, nicht zu lange in
liegen dürfen, da sie leicht Schaden leiden. Wir ftil
nur beiläufig an, denn für die spitzen Condylome h
nach unseren Erfahrungen nicht in Betracht; dieselbe
390 Reisner,
stets genügend gehärtet Dagegen bedurften Stückchen nor*
malen Präputiums fast stets einer Nachhärtung. Beide Ver-
fahren waren in ihren Ergebnissen ganz gleich, und wenn wir
später ausschliesslich das ^schnelle ^ anwandten, so geschah es
nur deswegen, weil es schneller zum Ziele führt und einfacher
ist. Denn es kommen bei diesem Verfahren nur 2 Lösungen,
bei jenem dagegen 4 verschiedene zur Anwendung.
Zum Schneiden wurden die Stückchen einfach mittels
CeUo'idin auf einem Korkpfropfen befestigt. Die Schnitte wurden
mit einem Schlittenmikrotom angefertigt und sind durchschnitt-
lich 0-075— 0-1 Mm. dick. Kölliker") räth, sie möglichst
dick zu machen, um die Fasern auf möglichst lange Strecken
hin verfolgen zu können. Die Schnitte kommen in Nelkenöl,
Xylol und Canadabalsam. Sie werden nach den Angaben aller
Autoren auf diesem Gebiete ohne Deckgläschen aufbewahrt.
Einige Schnitte, die wir versuchsweise bedeckten, sind voll-
ständig trüb, undurchsichtig und schwarz geworden, während
die ohne Deckgläschen einfach in Canadabalsam eingeschlossenen
Schnitte derselben Serie noch keine Veränderung erkennen
lassen. Wodurch dieses Verhalten bedingt sei, darüber schwan-
ken die Ansichten noch.
Soviel über die Technik. Wir kommen nunmehr zur Be-
schreibung der Ergebnisse, zu denen unsere Untersuchungen
geführt haben. Sie sind denen der vorangegangenen Unter-
suchungen geradezu entgegengesetzt, denn wir haben in allen
von uns untei*suchten spitzen Condylomen einen grossen Reich-
tfaum an Nervenfasern angetroffen. Die Mehrzahl derselben
liegt im Rete Malpighi; in den Papillen sind stets nur wenige
vorhanden. Die&e theilen sich auf dem Wege zum Rete Mal-
pighi wiederholt dichotomisch in kurzen Zwischenräumen. Sie
erscheinen bis auf geringe Varicositäten überall gleich dick
und besitzen auch an den Theilungsstellen keine VerdiekuBgeo,
welche auf Kerneinlagerungen schliessen liessen. Zwischen die
Zellen des Bete Malpighi eingetreten, verzweigen sich nan die
Fasern noch häufiger und zeigen sowohl in ihrem Verlauf wie
an den Theilungsstellen Anschwellungen, welche nach dem Vor-
gänge von Tomsa und Langerhans nur als Kemeinlage-
i'ungen gedeutet werden können. Die Dichtigkeit des Netz-
Ueber das Vorkommen von Nerven in spitzen Condylomen. $91
Werkes, welches durch die wiederholte Theüung der Fasern
entsteht, ist bei den einzelnen Papillen sehr verschieden.
Während manche auf dem Querschnitt wie von einem dichten
Kranze umgeben erscheinen, sind bei anderen nur wenige
Fasern vorhanden, bei einigen auch gar keine. Die Erklärung
hiefiir ist eine zweifache. Einmal kann es ein Fehler der Me-
thode sein, indem die Färbung der Präparate eine ungleich-
massige ist. Die Autoren geben aUe an, dass kaum ein Schnitt
gleichmässig gefärbt ist. Oft ist ein Theil des Schnittes gut
gefärbt, während ein anderer Theü von der Färbung gar nicht
betroffen worden ist. Es kommt sogar vor, dass eine einzelne
Faser stellenweise gefärbt ist und stellenweise nicht. Sodann
könnte die Erscheinung aber auch durch eine ungleichmässige
Vertheilung der Nerven bedingt sein. Für die letztere Auf-
fassung spricht der Umstand, dass manche Condylome sehr
schmerzhaft sind, manche fast gar nicht. Diesen würden dann
die nervenarmen, jenen die nervenreichen Papillen entsprechen.
Auch ist hier zu bemerken, dass der Nervenreichthum bei
Condylomen verschiedener Personen im ganzen ein sehr ver-
schiedener ist. So waren bei einem zwanzigjährigen Mädchen
die Nerven viel zahlreicher wie bei einem fiinfundzwanzigjäh-
rigen Manne. Die Condylome jenes Mädchens, von deren Nerven-
reichthum die Abbildung Taf. XU einen Begriff gibt, waren auch
viel schmerzhafter wie die des Mannes.
Je weiter der Homschicht zu, desto weitmaschiger wird
das Netzwerk. Die letzten Ausläufer lassen sich bis nahe an
die Hornhaut hinan verfolgen ; ob sie aber in dieselbe eintreten,
vermögen wir nicht zu entscheiden, da einestheils die Hom-
schicht sehr dunkel gefärbt ist trnd anderntheils reichliche
Niederschläge von Arg. bichrom. in ihr vorkonmien, welche die
Durchsichtigkeit dieser Hautschicht sehr vermindern.
Nachdem wir den Ort des Vorkonmiens der Nerven an-
gegeben haben, gehen wir zur Beschreibung der speciellen
histologischen Verhältnisse über. Die beiden Tafeln mögen
dabei zur Erläuterung dienen. Sie sind von Herrn Dr. Kuz-
nitzky mit Hilfe des Abbe'schen Apparates sorgfältig ge-
zeichnet und geben das mikroskopische Bild getreu wieder.
Um jedem Vorwurfe der ungetreuen Wiedergabe der Präpa-
392 Reisner.
rate zu begegnen, sollten Mikrophotographien angefertigt
werden. Aber alle Versuche, welche Herr Dr. Kuznitzky
immer wieder anstellte, blieben wegen der ungünstigen Für-
bungsverhältnisse — schwarz, resp. dunkelbraun auf gelbem
Grunde — erfolglos, so dass schliesslich von der photographi-
schen Wiedergabe Abstand genommen werden musste. Die Ab-
bildung auf Taf. XU entspricht einer Vergrösserung von Leitz,
Ocular Nr. 3, ObjectiT 3, die auf Tafel XTTT einer solchen von
Ocular 3, Objectiv 6. Bei schwacher Vergrösserung und Toller
Beleuchtung (Taf. XII) sieht man die Papillen und das Bete
Malpighi zart gelb gefärbt, von der dunkeln Hornhaut begrenzt.
Von dem Bete sind keine feineren Structurverhältnisse zu er-
kennen, in den Papillen fallen die etwas dunkler nuancirten
Gefassschlingen auf. Auf diesem hellen Grunde sieht man nun,
hauptsächlich in den Schichten des Bete, welche der Papille
zunächst liegen, aber auch in den Papillen selbst und in den
mehr nach der Hornhaut zu gelegenen Beteschichten schwarze
Fädchen mit kolbenförmigen Anschwellungen. Betrachtet man nun
eine Stelle bei stärkerer Vergrösserung (Taf. XH bis Ta£ Xm b)
und voller Beleuchtung, so erscheinen die Fädchen varicös,
die Anschwellungen als Kugeln, EUipsoide, spindelförmig oder
von unregelmässiger Gestalt. An diesen Gebilden kann man
einen helleren Kern von einer dunkleren Aussenschicht unter-
scheiden. Sie sind theils in den Verlauf der Fädchen einge-
schaltet, theils liegen sie an den Stellen, wo mehrere Fädchen
zusammentreffen, theils bilden sie das Ende der Fädchen. Ob
in Beziehung auf die letztere Erscheinimg das optische Bild
der Wirklichkeit entspricht, d. h. ob die Anschwellungen that-
sächlich das Ende der Faser bilden, lässt sich mit Sicherheit
nicht nachweisen, denn es wäre möglich, dass der weitere
Verlauf der Faser gerade nach oben oder nach unten ginge
und so durch die Anschwellung nur verdeckt würde. Indessen
wiederholt sich das Bild so häufig, dass die Annahme der En-
digung der Faser in der Anschwellung wohl gerechtifertigt er-
scheint Eine besondere Structur lässt sich an den Anschwel-
lungen nicht erkennen; nur bei einer gelang es mir durch
Benutzung directen Sonnenlichtes festzustellen, dass sie aus
zwei Hälften bestand, indem sich mitten durch den hellen
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394 Reisner.
Silbei* in den peiicellaläi*en Lymphräumen niederschlage. Für
uns, die nur den Nachweis Yon Nerven in Condylomen liefern
wollten, ist das zunächst gleichgiltig. Denn wenn Lymphräume
um NeryenfasQirn da sind, müssen auch die Nervenfasern selbst
da sein. Für genaue Messungen aber wäre der Umstand von
der gi'össten Bedeutung. Eölliker und die anderen Autoren
halten übrigens an der Meinung fest, dass die Nervenelemente
selbst gefärbt werden. KöUiker^') fasst seine Ansicht dahin
zusammen: „Mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der durch
Silber gefärbten Elemente bemerke ich, dass die marklosen
Nervenfasern fast ohne Ausnahme von untadeliger Zartheit und
vollkommen glattrandig sind, so dass nicht daran zu denken
ist, dass dieselben Auflagerungen von Silber ihre Färbung ver-
danken/Kam on yCajal'^) sagt gegen Rossbach und Sehr-
wal dt: „Nous ignorons, si ces espaces lymphatiques existent,
car il pourrait se faire, comme Ta suppose Frommann, qu'ils
fdssent des produits artificiels ; mais en ce qui conceme Tendroit,
oü se depose le Chromate d'argent, le doute est impossible:
C'est daus Tepaisseur meme du protoplasma nerveux et ses
nombreuses expansions. Ce qui le prouve c'est que lorsque la
reaction est tres fine, le volume des elements nerveux n'est
pas sensiblement augmente comme Ton peut en juger par com-
paraison avec ceux prepares par dissociation.**
Den Vorgang der Färbung hat man sich nach Len-
h o s s e k *^) so zu denken, dass zunächst das Kalium bichro-
matnm die Osmiumsäure längs der Fasern begleitet und die
Fasern imprägnirt In der Silberlösung dringt dann das Silber
nach und nach in die Nervenfaser ein und ersetzt immer ein
Atom Kalium nach dem anderen, bis die ganze Faser statt
KaUum bichromatum Argentum bichromatum enthält. Dabei
muss man noch eine moleculare Wirkung der Nervensubstanz
annehmen, wodurch es sich erklärt, dass die Umsetzung niebt
auch in den übrigen Gewebsbestandtheilen so vor sich gebt.
Ueber das Vorkommen von Nerven im Rete Malpighi
schrieb zuerst Langerhans. ^^) Nach ihm sind sie dort am
zahlreichsten, wo die meisten Tastkörperchen vorkommen. Sie
enthalten noch mehr oder weniger Fasern mit Myelinscheide.
In den oberen Schichten des Stratum retis werden alle Fasern
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396 Keisner.
Faser, wie zwei Kirschen an einem Stiele, sondern sie kommen
stets von zwei verschiedenen Fasern. Jede Faser versorgt also
auch zwei verschiedene Zellen mit Nervenendigungen. Pfitz-
ner'^ hatte zuerst diese Endigungsart an dem Epithel der
Froschhaut beobachtet. In unseren Präparaten war etwas Aehn-
liches nicht zu sehen.
C a 8 u i 8 1 i k.
Die von uns untersuchten spitzen Condylome stammen
1. Ton einem 21jährigen Madchen. Sie bildeten bei ihr einen faast-
grossen Tumor der linken grossen Labie und bestanden über 6 Monate
Gonorrhoe soll das Mädchen angeblich nicht gehabt haben.
2. Von dem Praeputinm eines 32 Jahre alten Mannes mit Gonorrhoe.
Die Condylome bestanden seit ca. 4 Wochen.
3. Von einem 29 Jahre alten Mann. Sie sassen auf Eichel xmd
Praeputium, waren nach Gonorrhoe entstanden und 3 — 4 Wochen alt.
4. Von einem 23jährigen Mädchen. Gonorrhoe. Condylome, zerstreut
an den grossen Labien seit 3 — 4 Wochen.
5. Von einem 25 Jahre alten Mädchen. Gonorrhoe. Condylome an
der rechten grossen Labie seit 14 Tagen.
6. Von einem 25jährigen Manne. Gonorrhoe. Condylome auf Eichel
und Praeputium bemerkt seit 8 Tagen.
7. Von einem 28jährigen Manne. Gonorrhoea chronica. Condylome
seit länger als 2 Monaten.
8. Von einem 2^ährigen Manne. Gonorrhoe. Condylome seit 3
Wochen.
Litteratur.
1. Kraemer, Ueber spitze Condylome und Warzen; ein Beitrag
zur Naturgeschichte dieser Geoilde. Göttinger Studien 1 847. 2. Z e i s s 1,
H. Ueber Condylome. Zeitschr. der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien
1853. 3. Baerensprung. Ueber die sogenannten spitzen Condylome.
Allgem. med. Centralzeitung. Berlin 1855. 4. Martin, Aime. Stades sur
les vegetations. Annales de dermatologie etc. Paris 1873. 5. Castilhon.
Contribution ä Petude des vegetations. These de Paris. 6. Kaposi. Pathol.
und Ther. der Hautkrankheiten. 7. L e 1 o i r. Nerfs des vegetations. Gasette
med. de Paris 1878. L 8. Ziegler. Lehrbuch der speciellen pathol. Ana-
tomie. 1890. p. 448. 9. Wer nh er. De condylomatibus. Dissert. inaug.
Berol. 1825. lO. Scherdel. Ueber Condylome. Inauguraldissertation.
Erlangen 1841. 11. Lindenau. De verrucis venereis et condylomatibus.
Kiliae 1843. 12. A. v. Kölliker. Zeitschr. für Wissenschaft!. Zoologie.
1891. IT. 13. A. van Gebuchten. La Cellule 1891. Tome YIL 14. Cent-
ralblatt für das medicinische Wissen. 1888, Heft. 4 f. 15. Yirchow's
Archiv. Bd. 130. 16. Fortschr. der Medicin 1892. 17. Virchow's Archiv.
Bd. 44. 18. Wiener medicinische Wochenschrift 1865. 19. Monatshefte für
praktische Dermatologie 1882. 20. Nervenendigungen im Epithel. Morpho-
logische Jahrbücher. Bd. VII. 21. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie.
Bd. 49. 22. Anatomischer Anzeiger 1890.
lieber den Pleomorphismus pathoge
Hyphomyceten.
Von
Franz Kräl in Prag.
Der wahre Pleomorphismus der Pilze im botanischei
nämlich die von T u 1 a s n e entdeckte Pleomorphie der l
cationsorgane und der damit nicht selten verbundenen (
tions- und Wirthswechsel, hat durch die Beobachtungei
Forscher, de Bary an der Spitze, namentlich aber du
fundamentalen Untersuchungen von Brefeld eine wesc
Erweiterung erfahren und steht nunmehr auf sicherei
Brefeld hat auf den einzuschlagenden Weg hingewies
die Zugehörigkeit eines Sprosspilzes oder eines o'idienbi)
Fadenpilzes in den Entwicklungskreis eines höheren
festgestellt werden soU. Nicht von diesem oder jenem
lingt es, in künstlichen Culturen einen Pilz mit höhere]
tificationsformen hervorzubringen, wohl aber umgekehrt,
feld hat dies unter anderen an CoUybia conigena (Pe:
der Untergattung Collybia der Agaricinen schön gezeigl
So weit sind wir bei jenen pathogenen Hyphoi
die uns vorwiegend interessiren, nämlich den für den M
pathogenen Hautfadenpilzen, vielleicht den Soorpilz ausgei
noch nicht gelangt Vorläufig haben wir von den
Entwickelungsformen, also von dem eigentlichen Pleomor
des Achorion Schoenleinii, Trichophyton tonsurans, Mici
398 K r a 1.
furfnr und minutissimum keine Eenntniss. Selbst jenem „cultu-
rellen" Pleomorphismus der Hautfadenpilze, welcher Gegenstand
der vorliegenden Mittheilung ist und den wir richtiger als Wuchs-
und Formvariationen bezeichnen möchten, ist erst in jüngster
Zeit seit der allgemeineren Anwendung meiner Isolirungsmethode
der Fadenpilze aus pathologischem Materiale, insbesondere
durch Mibelli, Plaut, Sabrazes und Marianelli, eine
grössere Aufinerksamkeit zugewendet worden. Die unmittelbare
Veranlassung hierzu gab die von mehreren Autoren auf Grund
cultureller und morphologischer, auf natürlichen oder künst-
lichen Substraten beobachteten Differenzen erfolgte Aufstellung
einer Reihe neuer Arten des Achorion Schoenleinii und des
Trichophyton tonsurans.
Achorion Schoenleinii weist häufig schon in den
behufs Isolirung des Pilzes angelegten Platten ein makro- und
miki'oskopisch verscliiedenes Verhalten auf, weshalb ich bereits
1890 empfohlen hatte, zur weiteren Uebertragung mikroskopisch
möglichst differirende Mycelien auszuwählen. Diese Beobachtung
wurde seither auch mehrseitig bestätigt. Die durch die sapro-
phytische Anpassung bewirkten culturellen und morphologischen
Verschiedenheiten des Pilzes sind ebenso zahllos, wie die mög-
liehe Variabilität der saprophytischen Lebensbedingungen, unter
welche man die Entwickelung des Pilzes zu setzen im Stande
ist. Wir werden auf solche Form- und Wuchsvariationen bei
dem sich analog verhaltenden Trichophyton tonsurans etwas
näher eingehen. Hier bei Achorion muss es der knapp zuge-
messenen Zeit halber versagt bleiben, und es sollen nur die
Variationen in's Auge gefasst werden, die mitunter schon bei
der ersten saprophytischen Generation des Pilzes spontan sich
einstellen können.
Diese Agardauerplattencultur von Achorion Schoenleinii.
welche ich mir zu demonstriren erlaube, wurde vor 13 Monaten
neben anderen derart angelegt, dass direct aus einer Scutulum-
agarplatte im Doppelschälchen ein aus einem Keime hervorge*
gangenes Mycelchen, das mit den übrigen auf der beiareffenden
Platte vorhandenen identisch war, auf die Daueiplatte übertrugen
wurde. Man hätte erwarten können, dass aus dem Mycelcliea,
wie es in der Regel geschieht, ein einheitlicher Raeen, hervor-
Ueber den Pleomorphismus pathogener Hyphomyceten. 399
gehen würde. Das war nicht der Fall. Vielmehr bildeten sich
in allen gleichzeitig angelegten Platten nach und nach eine
Anzahl von Ra«en, die mit Bezug auf die Verschiedenheit des
makro- und mikroskopischen Verhaltens nach den bisherigen
Anschauungen mancher Autoren als Terschiedenen Pilzarten
zugehörig betrachtet werden müssten. Allein aus einem Keime
kann weder in der Natur noch in der Cultur mehr als eine
Art hervorgehen. Der primäre central situirte Rasen hatte zu
Beginn der Entwicklung mit seinen kurzen moosartigeu Ansläufem
fast das normale Aussehen. Letztere sistirten bald das weitere
periphere Wachsthum im vegetationsfreien Substrat, wogegen im
centralen Theile des Rasens die Conidienbildung in so üppiger
und andauernder Weise stattfand, dass sich der Rasen schliesshch
von der Glaswandung loslöste, in Wülsten und Falten einige
Millimeter hoch unter mehrfacher Zerreissung emporgedrängt
wurde und nur noch durch die kurzen moosartigen Emissionen
mit dem Nährsubstrat in Zusammenhang blieb. Dieser undurch-
sichtige gelbbraune nackte Rasen besteht ausschliesslich aus
enormen Anhäufungen sehr kleiner Conidien, nur an der Peri-
pherie sind noch vereinzelte sehr kurze Conidienfaden sichtbar.
Von diesem Rasen aus durchsetzen moosartige Ausläufer das
Nährsubstrat bis an dessen äussersten Rand, stehen aber für
das unbewaffnete Auge an der Grenze der Wahmehmbarkeit.
Das bereits degenerirte, kömig zerfallene Mycel trägt einige
wenige Conidien von dem vierfachen Durchmesser jener des
primären Rasens. Rechts und unmittelbar von dem letzteren
ausgehend, hat sich ein mit spärlichem Luftmycel bedeckter,
flacher halbmondförmiger Rasen etablirt^ der nicht durch moos-
artige Ausläufer begrenzt wird, sondern sich allmälig im Sub-
strat verliert. Auch dessen Mycel ist degeneriii;, dagegen sind sehr
zahlreiche Conidien von der doppelten bis vierfa^chen Grösse
der ersterwähnten Conidien vorhanden, die im Gegensatze zu
diesen keine Anhäufungen bilden, sondern mehr weniger dicht
nebeneinander gelagert vorkommen. Im erhalb dieses Rasens
sieht man mehrere dunkle Punkte, die an der Oberfläche wegen
des dichteren sich bedeckenden Luftmycels als weisshche Flecke
hervortreten, gewissermassen secundäre Vegetationscentren.
Innerhalb der Zone der makroskopisch kaum sichtbaren Aus-
400 KraL
läufer sind im durchfaUenden lichte zwei kreissegmentartige
Rasen von etwa 12 Mm. grosstem Durchmesser wahmehmbai*,
die ans kurzen, vielfach verästelten und gevrundenen Hyphen
ohne Involutionsanzeichen bestehen, an welchen die Conidien-
bildung erst hier und da begonnen hat Ausserdem finden sich
in derselben Zone, gleichfalls im durchfisdlenden Lichte be-
trachtet, vier kleine schneekrystallahnliche Rasen vor, deren
Mycel im centralen Theile bereits zerfallen ist. An den dicken
peripheren Hyphen finden sich die grössten Conidien bis zmn
sechsfachen Durchmesser jener des primären Rasens ver-
einzelt vor.
Aus einer Achorionconidie ist demnach eine
Reihe verschiedener Rasen hervorgegangen, die
nach jeder Richtung hin wesentlich von einander
differiren. Man kann diese Wuchs- und Formvariationen
sogar durch Uebertragung auf frische Nährböden einige Gene-
rationen constant erhalten, wodurch uns, wie ich an anderem
Orte angeführt habe, ein Mittel an die Hand gegeben ist, so-
genannte „Arten^ in beliebiger Anzahl zu produciren.
Im März 1891 erhielt ich durch die Liebenswürdigkeit
des Herrn Prof. Giuseppe Mazza in Cagliari, damals in Genua,
pathologisches Materiale von 10 Fällen von einer in einem
Genueser Waisenhause zu jener Zeit herrschenden Trichophyüe-
epidemie übersandt. Es handelte sich um Knaben von 8 bis
12 Jahren mit Trichophytie des behaarten Kopfes von klinisch
verschiedener Form. Das Materiale bestand aus Haarfragmenten
von 0*5 bis höchstens 2*0 Mm. Länge und aus Schüppchen.
Die Rindensubstanz der Haarstümpfe war mit Conidien und
perlschnurartigen Conidienketten dicht erfüllt, hingegen auf der
Cuticula Pilzelemente nicht au^dbar. Die Haarfragmente
waren so spröde und leicht zerbrechlich, dass sie sich mit
Kieselsäure vollständig bis zum makroskopischen Verschwinden
verreiben liessen. Somit gelang es wie aus einem Favuascu-
tulum auch aus trichophytischenHaaren zum ersten-
mal e, mittels meiner Trennungsmethode und dem Plattenver-
fahren einwandfrei und nachweislich aus einem
Keime hervorgegangene Mycelchen zur weiteren Unter-
suchung zu gewinnen. Aus dem derartig behandelten Mate-
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402 Kral.
Auf die mehrfach am Menschen geprüften pathogenen
Eigenschaften dieses Pilzes und auf seine etwaige Identität mit
den Yon anderen Autoren bei Trichophytie gezüchteten Pibcen
soll hier nicht eingegangen werden. Die biologischen und mor-
phologischen Eigenschaften finden nur insoweit Berücksichtigung
als sie zu den an diesem Pilze beobachteten Wuchs- und
FormTariationen in Beziehung stehen.
Dass der Trichophyton auf verschiedenen Nährböden unt^
sonst gleichen Bedingungen in Form, Farbe und Grösse seiner
Basen yariirt, ist eine bekannte Thatsache. Allein auch auf
demselben Nährboden verhält sich derselbe Pilz,
wenn er früher unter verschiedenen Ernährungs-
bedingungen gestanden ist, culturell und, wie wir
sehen werden, auch morphologisch verschieden. Säetman
gleichzeitig von 50 Tage alten bei 37° C. gehaltenen Bouilloa-
culturen und von ebenso alten bei derselben Temperatur ge-
haltenen Agarculturen unseres Trichophytonpilzes auf Eartofifel-
scheiben aus, so entstehen auf diesem Nährboden im ersteren
Falle goldbraune, im letzteren Falle dunkelcarminrothe Basen.
Auf Eokosscheiben werden schwarzbraune oder aber mörtel-
artige grauweissliche Auflagerungen gebildet, je nachdem die
Impfspur von einer Zuckerrübecultur oder von einer gleich-
alterigen Agarcultur herrührt.
Das Alter der zur Aussaat benutzten Gultur
hat ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf das
neue Culturbild. Bei Aussaat von einer 50 oder 75 Tage
alten bei 37° G. gehaltenen Agarcultur auf Eartoffelscheiben
erhält man die erwähnten dunkelcarminrothen Basen; von
Fragmenten eioer 14 Tage alten auch bei 37° C. gehaltenen
Agarcultur hingegen einen lichtgelben Basen von der Farbe
des Nährbodens.
Es treten indessen Wuchsvariationen des Trichophyton in
demselben Nährboden auf, ohne dass wir solche vorläufig mit
bestimmenden Einflüssen in Verbindung zu bringen vermögen.
In Agarplattenculturen, wenn sie in Form von Dauerculturen,
also gegen Eintrocknen geschützt, eine unbestimmt lange Zeit
erhalten und beobachtet werden können, entwickeln sich, wie
wir es bei Achorien gesehen haben, häufig früher oder später,
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lieber den PleomorphismnB pathogener Hyphomyceten.
an einzelnen Stellen innerhalb des normalen Rasens o
der Peripherie desselben aus, neue Vegetationen vo
selten bizarrem Aussehen, einer Verunreinigung durc
fremden Pilz ähnlich und dennoch bloss Morphen det
säeten Pilzes. Eine derartige Agarplattendauercultur des
phyton erlaube ich mir vorzulegen. Sie ist am 1. Ju
angelegt worden und bietet heute noch dasselbe mak
mikroskopische Aussehen dar wie vor 32 Monaten. Im
fallenden Lichte sind zunächst an mehreren SteUen io
und ausserhalb des normalen Rasens mehrere secundäi
tationscentren (Tochtercolonien) als undurchsichtige, 1 bi
breite Knoten wahrnehmbar. Im unteren Theile des Ra
«in Bündel dicker radiärer Strahlen sichtbar, währen
eine Protuberanz die Peripherie des Rasens segmentartij
setzt und sich in der freien Agarfläche nach allen Se
moosartig ausbreitet und fast einen grösseren Raum de
Substrats occupirt hat als der primäre Rasen. Es sini
nach aus einem Keime unter Entwickelungsbedii
die, soweit sie unter unserer Controle stehen, als absolut
gelten müssen, vier verschiedene Wuchsforme
selben Pilzes hervorgegangen. Noch mannigfal
das Wachsthum des Pilzes auf der Zuckerrübe. Auf
demselben Rübenkeile können schwarzrothe, schwarzbrai
isabellengelbe Rasen entstehen, die sich früher oder sp
braunem, mausgrauem gelblichweissem oder schnee
Luftmycel bedecken oder auch nackt bleiben.
Indessen sind diese Variationen nicht die einzij
auch nicht die wichtigsten. Noch wichtiger sind die
logischen Verschiedenheiten, die zumeist mit den cu
Hand in Hand gehen. An der demonstrirten Agardaue:
<^ltur sieht man bei schwacher Vergrösserung, dass das
Randmjcel des primären Rasens von normalem Aussc
langen, ziemlich gerade verlaufenden Hyphen besteht,
eben nur hie und da eine Gonidie — kaum eine oder
Gesichtsfeld — aufgefunden werden kann, wogegen
kurzen, vielfach gekrümmten und verworrenen Hyf
stehende flockenartige Mycel eines der secondären Rf
404 Kral.
Protuberanz, mit Conidien — hunderttausende pro Gesichtsfeld
— förmlich besäet ist.
Die Grösse der Gonidien schwankt innerhalb
derselbenGultur nach demAlter der ersterenund
der letzteren. Die am frühesten gebildeten Conidien in
der oberen Schichte des centralen Theiles einer Agarcultur
sind die grössten, die in der tieferen Schichte Torkonunenden
jüngeren Conidien sind namhaft kleiner. In Culturen anf
verschiedenen Nährböden ist auch die Grösse der
Conidien eine Terschiedene. In Agarculturen bildet
unser Trichophyton die grössten Gonidien ; sie haben einen mitt-
leren Durchmesser von 12 /i, können aber unter gewissen Be*
dingungen auch einen solchen von 20 fi erreichen. Untersucht
man die oberste centrale Schichte einer 15 Tage alten, bei
37^ G. gehaltenen Agar dauerplatte, so finden sich blos Coni-
dien Yon 3 bis 4 /u Durchmesser vor; dieselbe Schichte der-
selben Gultur besteht nach 35 Tagen bei 37® G. aus Conidien
von 10 und mehr fi Durchmesser. Die unter sonst gleichen
Bedingungen in Kartoffelculturen gebildeten Gonidien sind im
Allgemeinen kleiner als jene in Agarculturen, noch kleiner sind
sie in Eokosscheibenculturen. Die kleinsten Gonidien entstehen
in Blutserumculturen. Ihr Durchmesser übersteigt auch in
älteren Culturen selten 4 ju.
Was von und seit Gruby über das Vorkommen von
kleinen und grossen Sporen des Trichophytonpilzes bei ver-
schiedenen klinischen Formen oder Localisationen der Tricho-
phytie beobachtet worden ist, hat in jüngster Zeit durch die
von Maiocchi und von Marianelli festgestellte Thatsache,
dass sich der Trichophyton gigas und der Tr. gracilis an einem
und demselben Individuum, an derselben oder an verschiedenen
erkrankten Stellen entweder gleichzeitig oder aufeinanderfolgend
vorfinden können, eine dankenswerthe Beleuchtung erfahren.
Sabouraud glaubte auf Grund cultureller und morphologischer
Differenzen zwei verschiedene Pilzgruppen : Trichophyton mega-
losporon und microsporon mit zahlreichen Unterarten aufstellen
zu müssen. Marianelli weist hingegen auf die von ihm
beobachtete culturelle und morphologische Inconstanz des Tricho-
phytonpilzes und ihre wahrscheinlichen Ursachen hin und hält
Ueber den Pleomorphismus pathogener Hyphomyceten. 405
m
die Multiplicität des Trichophytoa, wenigstens insoweit es die
menschliche Trichophytie betrifft, für nicht erwiesen. Die von
mir angeführten Untersuchungsergebnisse stehen im vollen
Einklänge mit den Beobachtungen der italienischen Forscher.
Wir können aus einem einwandfrei isolirtenTricho-
phytonpilze Culturen mit kleinen oder mit grossen
Sporen, Culturen von verschiedenster Farbe und
Gestalt auf demselben Nährboden erzeugen. Es
steht in dem Belieben des Experimentators, aus einer Tricho-
phytouconidie die beiden Gruppen von Tr. megalosporon und
von microsporon niit einer endlosen Zahl von Unterarten her-
vorgehen zu lassen.
Hiermit sind die variablen biologischen Eigenschaften
unseres Trichophytonpilzes nicht erschöpft. Es sei gestattet,
noch eine derselben kurz zu berühren. Wie wir schon aus
dem makroskopischen Befunde der verschiedenen Culturen
entnehmen konnten, bewegt sich die Pigmentproduction der
Trichophytonzelle je nach dem Alter der Cultur, je nach dem
Nährboden, auf welchen wir aussäen und je nach dem Nähr-
medium, von welchem die Aussaat stammt, innerhalb weiter
Grenzen. Dasselbe gilt für das chemische Verhalten des
Farbstoffes.
Bei der Untersuchung mittelst Immersion einer 12 Tage
alten Kartoffelcultur, die von einer 57 Tage alten Bouilloncultur
aus angelegt worden war, erscheint der geformte Inhalt der
Conidien- und der Hyphenzelle topasgelb, von derselben
30 Tage alten Cultur dunkelbraun, von derselben 50 Tage
alten Cultur rosen- bis dunkelcarminroth. Bringen wir, ohne
das Auge vomOcular zu entfernen, ein Tröpfchen einer lOproc.
Kalilauge an den Band des Deckgläschens, so verändert sich
die topasgelbe Farbe der 12 Tage alten Kartoffelcultur plötzlich
in dunkelcarminroth, um nach einigen Augenblicken in ein
blasses schmutzigroth überzugehen, in welchem Farbenton die
Membranen eine längere Zeit verharren. Die Granula hingegen
treten in dunkelblauer Farbe scharf hervor, so dass deren
Zahl, Grösse und Gestalt in den Conidien und in den Hyphen-
gliedem genau festgestellt werden kann. Noch ausgeprägter
tritt diese Reaction an den dunkelbraun gefärbten Pilzelementen
406 Kr&l.
der 30 Tage alten EartoffelcuHur auf, wohingegen bei den
50 Tage alten Kartoffelculturen, die jetzt zumeist farblosen
Conidienmembranen und deren rosen- bis dunkelcanninrotlier
g ekömter Inhalt eine fieaction auf Kalilauge überhaupt nidit
mehr geben. Der geformte Inhalt der Conidien und Hyphen
einer Eartoffelcultur, die von einer 75 Tage alten Agarcultar
aus angelegt wurde, besitzt eine bräunlichgelbe Farbe, die sich
auf Kalilaugezusatz in Garminroth verwandelt; jedoch nehmen
die Granula später bloss einen bläulichen Ton an. In manchen
gleichalterigen Eartoffelculturen, die aber aus einer 50 Tage
alten Agarcultur hervorgegangen sind, haben die Conidien einen
intensiv carminrothen Inhalt, der keine Reaction gibt, in an-
deren hat der Conidieninhalt eine bräunlich gelbe Farbe, die
durch Kalilauge noch in rosa verwandelt wird. Gleichalterige
Kartoffelculturen, aus 14 Tage alter Agarcultur hervoigegangen,
verhalten sich völlig indifferent gegen Kalilauge. Der farb-
lose feingranulirte Inhalt der kleinen Conidien in den trockenen
mörtelartigen grauweisslichen Auflagerungen, welche durch
Aussaat von Agarculturen auf Kokosscheiben gebildet werden,
färben sich durch Kalilauge indigblau.
Die gewonnenen Resultate können mit wenigen Worten
präcisirt werden :
Wuchs-, Form-, Pigment- und Reactionsvaria-
tionen berechtigen an und für sich, ein identisches
pathogenes Verhalten innerhalb gewisser klini-
sch er Grenzen vor au sgesetzt,nicht zur Auf Stellung
von neuen Arten der pathogenen Hautfadenpilze.
Anhang.
Die mikroskopische Technik im Dienste
der Dermatologie.
(Ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre.)
Von
Dr. R. Ledermann, und ^r. Ratkowski,
Arst fHr Hantkrtakhefton pnkt. Arit
in Berlin.
2. Cutis und Subentis.
Elastische Fasern.
Zum Stadiam der Histologie und Chemie der elaBtischen Fasern
und des Bindegewebes verwendete A. Ewald die von ihm und Kühne
ausgearbeitete und bereits mehrfach auch von andern benutste Methode,
Gewebselemente der Trypsin und Pepsinverdauung auszusetzen, den Gang
des Yerdauungsprocesses mikroskopisch zu verfolgen und hieraus Schlüsse
auf die Zusammensetzung, sowie die nähere Structur der Präparate zu
ziehen. Theilweise wurden die Präparate vor der Verdauung mit ver-
schiedenen Beagentien behandelt oder erwärmt, um zu sehen, in welcher
Weise ihre Lösung durch dergleichen Vorbehandlung modificirt wird.
Balz er empfiehlt, um elastische Fasern zur Anschauung zu bringen,
eine gründliche Zerstörung der übrigen Hautelemente durch Eali- und
Natronlauge und nachfolgende starke Färbung des übrig bleibenden,
elastischen Gewebes durch Eosin (weniger gut Chinolin). Die Schnitte
werden auf dem Objeetträger in alkoholischer Eosinlösung überfarbt, mit
40procentigem Alkali zur Entfernung des überschüssigen Eosins gewaschen
und dann in dieselbe Kali- oder Natronlösung eingelegt. Dieselbe fixirt
das Eosin anf den elastischen Fasern mit violett-röthlicher Farbe und
lässt die feinen elastischen Fasern scharf hervortreten. Alle übrigen
Gewebe werden stark aufgehellt, ohne in der Form zerstört zu werden.
Will man letztere ganz entfernen, so bringt man auf das Präparat lOpro-
centige Kalilösung und wäscht abwechselnd mit Kalilauge und Wasser.
Die Conservirung der Schnitte geschieht in 40procentiger Kalilauge oder
408 Leder mann und Ratkowski.
concentiirtem Kali aceticum mit nachfolgendem Wachs- beziehungsweise
Paraffin-Einschlass.
Lustgarten legt nach voraufgegangener Fizirung des frisch ein-
gelegten Materials in Flemming's Gemisch die Schnitte in eine Lösung
▼on Victoriablau (1 — 2 Theile einer alkoholischen Yictonablaulösung auf 4
Theile Wasser), spült dann rasch (5 — 10 Secunden) in absolutem Alkohol
ab und entwässert. Einschluss in Bergamottöl und Xylol-Canadabalsam. Es
empfiehlt sich die Farbstofflösung für den jedesmaligen Gebrauch durch
Zutropfen einer alkoholischen Yictonablaulösung in ein Uhrschälchen
Wasser frisch zu bereiten.
Bei der Entwässerung ist Vorsicht nöthig. Die Präparate sind
unter Lichtabschluss mindestens ein halbes Jahr haltbar. Bindegewebe
und Zellen sind schwach grünlich, die Kerne dunkler grün, die elastischen
Fasern blassgrün und dunkler gefärbt. — Wahrscheinlich handelt es sich
bei dieser Färbnngsmethode um eine Lnprägnirung des elastischen Gewebes
mit Chrom oder Osmium oder beider zugleich, wodurch ein festeres Haften
des Farbstoffes erreicht wird.
Dieselbe Methode eignet sich auch zur Darstellung der Kerne und
Kemfiguren.
Unna 's Methode besteht in der successiven Anwendung einer
starken Osmiumhärtung, resp. Färbung und Nach&bung mit sauren,
violetten Anilinfarbstoffen. Die in Osmiumsäure fixirten, geschwärzten
Hautstücke werden in Alkohol nachgehärtet und dann geschnitten. Man
gibt dann von einer gesättigten Jodviolettlösung einige Gem. in ein Schälchen,
tropft von einer verdünnten Salpetersäurelösung (1 : 9 Wasser) einige
Tropfen hinzu, bis der grüne kömige Niederschlag permanent bleibt und
fügt dann so viel Alkohol tropfenweise zu, bis die blaue Lösung ganz
klar ist. Yorräthig könnte man die folgende Lösung halten:
DahHa 0*2, Aq. dest., Spirit (95%) aa 10-0, M. Solve, Acid. nitr. 2-0,
Aq. dest. 18-0, Spirit. (95%) lOU
Der Hergang bei der Färbung ist folgender: Die Osmiumschnitte
kommen für 24 Stunden in die blaue Lösung, bis sie stark blauschwarz
überfarbt sind. Es folgt dann Entfärbung mit Eisessig, beziehungsweise
wenn die Schnitte nur massig gefärbt werden, in mit Eisessig angesäuertem
Wasser. Zuletzt abspülen im Wasser. — Die Unn ansehe Färbung ist zu
bezeichnen als die Methode der Färbung der elastischen Fasern
mittels saurer Bosanilinsalze.
Tänzer bezeichnet die Unna'sche Färbung als die Salpeter-
säure-Methode. Er härtet die excidirte Haut in absolutem Alkohol
(oder fizirt sie in Salpetersäure, Osmiumsäure, Flemming) und härtet
in absolutem Alkohol nach. Die Schnitte werden in Yesuvin oder Wasser-
blau oder Alkaliblau vorgefarbt und kommen dann in:
Fuchsin 0*5, Aq. dest., Alkohol aa 25*0, Mise, adde, Acid. nitr.
(25V,) 10*0, Solv. in Aq. dest. q. s.
Darin verbleiben sie 24 Stunden, kommen dann für 2 — 8 Secanden
in 25% Salpetersäure und zur Entfärbung des coUagenen (Gewebes in
Bchwacl
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Alkoho
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Lösang
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410 Ledermann und Ratkowski.
Derselbe empfiehlt auch, frische Gewebe von 2 — 3 Ccm. Grrösse in
27f Arsensänrelösnng auf 24 Stunden zn legen (Knochentheile, wie Sehnen,
Periost besser in 4*/,, anf 50* erwärmte Lösung); dann kommen die Stöcke
in Müll er 's Flüssigkeit und dann in folgende Silber-Glycerinlösnng: ')
2 6r. Argent. nitr. werden in 8 Gem. Aq. dest. gelöst, dazu kommen 15
bis 20 Ccm. Glycerin. pnr. ; darin bleiben die Stücke 24 — 18 Stunden, dann
Auswaschen in Aq. dest. und üebertragen in Alkohol, um die Licht-
wirkung auf die Schnitte abzuschw&chen, legt man sie for 24 Stunden in
'/«Vi Salzlösung und dann zur Entwässerung in Alkohol. Aufhellung in
Creotot und Einlegen in Balsam.
In dem von Herxheimer angegebenen Verfahren erfolgt dieFixi-
rung der elastischen Fasern durch die Bildung eines Metalllackes und
zwar des Hämatoxylin-Eisenlackes. Die Yerwerthung der Metall-
lacke haben uns zuerst Heidenhain und (siehe Weigert, Fortschr. d.
Medicin, 1885, Nr. 8 und Archiv f. mikrosk. Anat., Bd. XXXVII, p. 888)
Weigert kennen gelehrt. Eine intensive Bildung des Eisenlackes, welcher
die elastischen Fasern fixirt und eine genügrende Entfärbung des Zwischen-
gewebes gestattet, erfolgt nicht (wie bei der Weigert 'sehen Nervenmark-
scheidefarbung), wenn die Präparate vor ihrer Einlegung in das Hämato-
xylin mit der Met«lllösung gebeizt werden, sondern sie müssen umgekehrt
zuerst mit der FarbstofHösung durchtränkt und dann in die Eisenlösnng
gebracht werden. Diese Reihenfolge ist noth wendig. Die Behandlung mit
dem Eisensalze darf keine langdauemde sein; Stücke in toto zu färben
gelingt nicht. Zur Härtung zieht Verf. die Mull er 'sehe Flüssigkeit den
andern Mitteln vor, weil darin die Structur der Gewebe weniger leidet und
namentlich die Entfärbung besser von statten geht. Fixirung in Celloidin.
Die Schnitte sollen die Dicke von 0'02 Mm. nicht übersteigen.
Zur Färbung gebraucht er eine Lösung von: 1 Ccm. E[ämatoxylin
(Grübler, Leipzig) in 20 Ccm. Alkohol absol., 20 Ccm. Aq. dest., 1 Ccm.
Lithion carbon. in kalt gesättigter Lösung. Auch andere alaunfreie Häma-
toxylinlösungen könnten in Anwendung kommen. Wässerige Lösungen z.fi.
die y,7t Heidenhain'sche, eignen sich nicht so gut, als die alkoholischen.
Färbnngsprocedur : Die Schnitte kommen 8 — 5 Minuten in die
Losung, dann 6 — ^20 Secunden in die officielle Eisenohloridlösung. Ab-
Spülung in Wasser. Entwässerung in AlkohoL Nelkenöl (Kreosot, Xylol).
Xylol-Canadabalsam. — Die elastischen Fasern erscheinen blauschwarz, bis
') An dieser Stelle verdienen die Angaben Lewin's (BerL klin.
Wchschr. 1886, Nr. 26, 27) und Blaschko's (Monatsh. f. prakt. Denn. V,
1886 und Arch. f. mikr. Anat. XXVII, l686) Erwähnung, welche bei der
^Gewerbeargyrie*' an den dunkel verfärbten Hantpartien sämmtliche ela-
sti sehen Fasern imd andere elastische Substanzen durch Niederschläge von
metallischem Silber schwarz gefärbt fanden, so dass Blaschko nicht an-
steht, zumal sich ähnliche Bilder auch bei der medicamentösen Aiigyrie
finden, der lebenden elastischen Substanz als solcher das Vermögen, Silber-
salzlösungen zu reduciren, zuzuschreiben.
Die mikroBkop. Technik im Dienste der Dermatologie. 411
•tiefschwarz, das umliegende Gewebe hellgrau. — Bei längerer Einwirkung
des Eisenchlorids erhält man oft eine Tollständigere Entfärbung des
Zwisehengewebes, wobei jedoch zugleich die . feinsten Fäserchen in den
Papillen entfärbt werden.
Auch nach Torheriger Tinction in Anilinwasser-Gentianaviolett sind
die elastischen Fasern mit Eisend: loridentfarbung darstellbar. Die Schnitte
müssen in Glycerin eingelegt werden.
Manchots Verfahren besteht darin, dass er in Fuchsin gefärbte
Schnitte (nach vooi Ebener) in angesäuerter 2uckerlösung entfärbt. Er
bringt die Schnitte auf eine halbe Stunde in eine concentrirte wässerige
Fuchsinlösung, spült in Wasser ab und überträgt sie in eine wässerige
Zuckerlosung von der Consistenz und dem Flüssigkeitsgrade des Glycerins,
der auf 10 Gem. S — 4 Tropfen gewöhnlicher Schwefelsäure zugesetzt wird,
worin sie längere Zeit verweilen können. Alsdann sind die Schnitte
völlig entfärbt mit Ausnahme der elastischen Fasern (und des Hyalins),
welche einen intensiven dunkelrothen oder rothvioletten Ton behalten,
der sie scharf hervorhebt. Die Präparate sind dauerhaft. Verwendbar ist
sowohl frisches, wie (in Alkohol oder Mull er'scher Flüssigkeit) gehärtetes
Material, Gegenfarbungen sind einfach, aber nicht vortheilhaft.
Gegenüber allen vorangegangenen Methoden der Färbung elastischer
Fasern hat sich in neuerer Zeit als einfachste und beste die von Tänzer
angegebene Orceinfarbung eingeführt, welche auf dem Princip der durch
Säure abgeschwächten Farblösung beruht, demselben, welches in Unna's
Methode sich geltend macht.
Die Farblösung hat folgende Zusammensetzimg : Orceini 0*5, Aq. 20*0,
Spirit. 40*0, Acid. nitr. gtt. XX.
In dieser bleiben die in Alkohol gehärteten Schnitte 12 — ^24 Stunden
und werden dann einige Minuten in Alkohol entfärbt. Dann sind alle
Theile der Cutis: protoplasmatische und collagene, Kerne und Kemkör-
perchen schwach, aber deutlich tingirt, die elastische und die Homsubstanz
dagegen stark, electiv, erstere braunroth, letztere mehr leuchtend,
rein roth.
Wesentliche Veränderungen dieses so einfachen Verfahrens haben
sich nicht eingebürgert. Nur kann statt der Salpetersäure ebenso gut
Salzsäure (Török) angewandt werden; auch kann man die Farblösung
mit Spiritus und Säure noch weiter verdünnen, ohne der Färbung Eintrag
EU thun. — Gegenfarbungen mit Böhmer'scher Hämatoxylinlösung oder mit
Methylenblau und Kreosolentfarbung sind leicht herzustellen (Müller)
und geben einen wirkungsvollen Farbencontrast.
Für die praktische Anwendung dieser Methode wichtige Fingerzeige
gibt Unna, indem er besonders auf 2 Punkte aufmerksam macht: 1. dass
die als Orcein gelieferten Farbstoffe sich sehr ungleich verhalten, 2. dass
das betreffende Gewebe in seinem Beichthum an Elastin, seiner Vorbe-
handlung, Härtung etc. für die genauere Formel der Farbflotte von
Wichtigkeit ist. Und wenn daher auch mittels der sauren Oreeinlösung
in sämmtlichen Organen und bei allen pathologischen Geweben das Elastin
412 Ledermann und Ratkowski.
auf das schönste und einfachste isolirt werden kann, so erscheint es ihm
doch nicht für rathsam, eine bestimmte unveränderliche Formel für diese
Methode aufzustellen. — Für das Färbeyermögen des Orceins ist nämlich
nicht nur der Säuregrad von Wichtigkeit, sondern auch das Yerhältniss
der Säure zu dem gemischten wässerig-spirituösen LösnngsmitteL Findet
man z. B. bei einer Ausförbung das filastin relativ zu schwach, Proto-
plasma und CoUagen zu stark hervortreten, so bedarf man eines höheren
Säurezusatzes, darf aber nicht zugleich den Bestand der Lösung an Spiritus
und Wasser alteriren. Aus diesem Grunde benutzt Unna folgende zwei
Lösungen :
Farblösung: Säuremischung:
Orcein 0*1 Acid. mur. concentr. ©"l
Spiritus (95%) 20-0 Spiritus (957,) 20-0
Aq. dest. 5*0 Aq. dest. 6*0
M. D. im Tropfglase. M. D. im Tropfglase.
In diesen beiden Lösungen ist das Yerhältniss von Wasser und
Spiritus vollkommen gleich (der Spiritusgehalt ist allerdings hier mit
Yortheil höher genommen, wie früher), so dass sich dasselbe auch in jeder
Mischung gleich bleiben muss. Um nun dieses definitive Mischungsver-
hältniss für das gegebene Orcein und das gegebene Gewebe kennen zu
lernen, giesst man in 6 — 10 Uhrschälchen je 10 Tropfen der Farblösung
und dazu, von einem Schälchen zum andern um einen Tropfen steigend,
je 5 — 10 — 14 Tropfen der Säuremischung. In jedes Uhrschälchen kommen
1 — 2 Schnitte und werden gut zugedeckt. Nach 12 Stunden untersucht
man in einem Tropfen Glycerin und bestimmt als definitives Mischungs-
verhältniss diejenige Mischung, in welcher die elastischen Fasern sich
gesättigt, glänzend dunkelbraun gegen das weit schwächer gefärbte Gewebe
abheben. Unna nimmt lieber eine etwas geringere Quantität der Säure-
mischung als eine zu grosse, da eine relativ zu starke Mitfarbung des
übrigen Gewebes leicht durch Entfärben zu corrigiren ist, ein zu schwaches
Hervortreten auch der elastischen Fasern jedoch eine Wiederholung der
Färbung nothwendig macht. Die Entfärbung geschieht durch dieselbe
Säuremischung. Als Cemtrastfarbung empfieht Verf. Hämatoxylin für Kem-
farbung und Methylenblau und nachfolgende Kregolentfarbung für Proto-
plasmafarbung. ')
') Zenthoefer (Topographie des elastischen Gewebes innerhalb
der Haut des Erwachsenen. 1892. Derm. Studien) schlägt an SteUe des
eben angegebenen Verfahrens Unna^s lieber die ursprüngliche Formel
Taenzers vor (Orcein 0'5, Alkohol abs. 40*0, Aq. dest. 200, Acid. h3rdro-
chlor, gtt. XX). Als Doppelfarbung empfiehlt er Vorfarbung mit Borax-
carmin, als Fixations- und Härtungsmittel den absoluten Alkohol, weil bei
Fixation in Müll er 'scher Flüssigkeit auch Bindesubstanzen und nament-
lich Epithelialgebilde eine viel grössere Neigung haben, den Farbstoff des
Orceins in sieh aufzunehmen, so dass dann eine genügende Entfärbung nur
schwer gelingen will.
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 413
Mitosen.
Bei der von P. Baumgarten angegebenen Färbnngsmethode der
Kemtheilungsfiguren liegen die Schnitte 24 Standen in verdünnter alko-
holischer Fnchsinlösnng (8 — 10 Tropfen d. concentrirt. alkohol. Lösnng
aaf ein kleines ührschälchen mit Wasser) und werden dann in Alcohol
absolutas flüchtig abgespült. Alsdann:
Nachfarbung in concentrirter wässeriger Methylenblaolösnng : 4 bis
5 Minuten.
Entwässerung in Alcohol absolut.: 5 — 10 Min. Will man bei der
Untersuchung tuberculösen Oewebes neben den Tuberkelzellen gleichzeitig
die Tuberkelbacillen beobachten, so tingirt man zunächst die Schnitte
(24 Stunden) in einer verdünnten alkoholischen Methylviolettlösung mit
oder ohne Anilinölzusatz (cf. Zeitschrift für wissehschaftl. Mikroskopie Bd.
I. 1884 p. 51), schliesst hieran das Fuchsin Methylenblautinotionsverfahren
entweder unmittelbar oder besser nach vorheriger Säureentfarbung : Die
Bacillen sind blau, die Zellkerne bezw. Mitosen intensiv roth. Mehr em-
pfiehlt sich jedoch die Schnellfarbungsmethode (5 — 10 Minuten in concen-
trirter alkohol. Fuchsinlösung, 5—10 Secunden in Methylenblaulösung),
hierbei anzuwenden, weil durch längeres Liegen in der Fuchsinsolution
die Bacillen allmälig ihre blaue Farbe verlieren.
Nach Unna sind die lebenden Gewebe in Ghromsäure 0'23%, Os-
miumsäure 0*10, Eisessig 0*10 in Aqua destill, oder Pikrinsäure kalt
gesättigt, Osmiumsäure 0*1 Yg, Eisessig 0*1 7, in Aqua destillata
zu bringen, '/, Stunde darin zu lassen, auszuwaschen und in Wasser zu
untersuchen. Die so fixirten Earyomitosen erhalten sich eine Zeit lang in
Glycerin und Garbolwasser. Wo es sich um scharfe Tinctionen handelt,
ist Ghromsäure '/^ — VaVo ^^^^ vorzuziehen und das obige Ghromsäurege-
misch besser als das Pikrinsäurehaltige. Die achromatische Kemspindel
wird am deutlichsten durch Ghromsäure 0*2— 0*35%, Eisessig: 0*1 % in
Wasser mit nachfolgender Hämatoxylinfarbung. Zu Tinctionen empfehlen
sich neben Hämatoxylin auch Safranin und Rose de Naphtaline.
Auf die anderen, zahlreichen, namentlich von P'lemming ange-
regten Mitosentinctionen hier näher einzugehen, verzichten wir mit dem
Hinweis, dass darüber jedes Lehrbuch der Histologie ausreichend Bescheid
gibt.
Nerven.
So zahlreich die Gold-, Silber^ und Osmiummethoden auch sind,
welche zur Färbung der markhaltigen und marklosen Nervenfasern em-
pfohlen werden, so müssen wir uns doch in dieser kleinen Arbeit begnü-
gen, einige Modificationen anzugeben, welche sich bei Untersuchungen
über die Nerven der Haut als besonders geeignet erwiesen und in derma-
tologischen Studien praktische Anwendung gefunden haben, während wir
im Uebrigen auch hier auf die einschlägigen Lehrbücher der Mikroskopie
verweisen, welche die gebräuchlichen Methoden angeben.
Zur Untersuchung der Tastkörperchen empfiehlt W. Wolff
statt der nach seiner Meinung zu eingreifenden Yergoldungs-Methode
414 Ledermann und Ratkowski.
Banvier's 248tünd. Einwirkung einer V,, — '/«^V« mit Essigsäure schwach
angesäuerten Goldcbloridlösung. Das Tastkörperchen erscheint dann unge-
färbt, sein Nerv tie£roth. Nachfolgende Färbung mit Bismarckbraun gibt
besonders schöne Bilder. Die Querstreifung der eigenen Kapsel des Tast-
körpers ist nicht durch Fasern, sondern durch Falten erzeugt, die man
durch Quellung zum Verschwinden bringen kann. Beiläufig sei bemerkt,
dass Verf. epitheliale Nervenenden im Epithel der Hornhaut und der all-
gemeinen Bedeckung leugnet und die als solche von Goldpräparaten be-
schriebenen Gebilde als Goldniederschläge zwischen Epithelzellen aufEasst.
Zur Demonstration von Präparaten, betreffend die Endigungen der
Temperatur- und Druoknerven in der menschlichen Haut bediente
sich Goldscheider des von B e n d a modificirten May s'schen Verfahrens.
Das von Mays selber bereits modificirte Verfahren, durch welches die
Nervenfasern bis zu ihrem Ende (allerdings in den Muskeln) gefärbt werden,
besteht bekanntlich in folgendem :
I . Man lässt den Muskel in 0*5 Vt Arsensäure vollkommen aufquellen.
3. und bringt ihn auf 20 Minuten in ein firisch bereitetes Gemisch von:
GoldchloridkaUum (17,) 40, Osmiumsäure (2%) 10, Arsensäure (0-57.) 20rO.
3. Hierauf wird der Muskel abgespült, 4. und in einer 17, Arsensäure-
lösung auf dem Wasserbade bei 45' bis 3 Stunden lang der Sonne expo-
nirt. 5. Aufhellen in dem Salzsäure-Glycerin-Gemisch : Glycerin 40*0,
Wasser 20*0, Salzsäure (257,), 1*0.
Goldscheider exstirpirte sich selbst Hautstückchen von kegel-
förmiger Gestalt derart, dass die Basis des Kegels die Oberhaut bildete,
während die Spitze tief in die Cutis hineinragte. Dieselben wurden in
destillirtem Wasser abgespült und sodann in 0'57o Arsensäure eingele^
wo sie ca. 5 — 10 Minuten verblieben, bis sie etwas durchscheinend ge-
worden waren. Hierauf wurden sie in 0*1 — 0*27« Goldchloridlösung über-
geführt, in welcher sie, die Epidermisfläche nach unten, 2 — 3 Stunden
verblieben, bis sie einen gelben Farbenton angenommen hatten: während
dieser Zeit wurden sie im Dunklen gehalten. Dann kamen sie wieder
nach vorherigem Abspülen mit destillirtem Wasser in I7t Arsensäure
und wurden in dieser am Licht reducirt. War die Reduction vollendet,
was ungefUir innerhalb eines Tages eintritt und sich durch den bekann*
ten violett schwärzlichen Farbenton kennzeichnet, so ¥rurde zur Einbet-
tung geschritten. Dieselbe geschah in Paraffin.
Bei seinen Studien über die Nervenendigungen im Epithel
verwendet S. Frenkel verdünnte Goldlösungen ( '/, — 1 7f ). Concentrirtere
sowohl als verdünntere erwiesen sich als unvortheilhaft. Folgende ver-
schiedene Verfahren kamen zur Anwendung:
I. Sehr kleine, möglichst frische Hautstückchen, welche durch flache
Scheerenschnitte von dem ünterhautfettgewebe befreit waren, wurden
direct in die Goldlösung gebracht, in derselben y« — 1 Stunde an dunklem
Ort gelassen, darauf in destillirtem Wasser sorgfaltig abgespült und in
geräumigen Gefässen mit destillirtem, mit einigen Tropfen Ameisensäure
angesäuertem Wasser für 24 Stunden dem Lichte ausgesetzt. Waren dann
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie.
die Stückchen gleichmässig dnnkel violett gefärbt, so wurden sie f
Stunden in 70*/e) darauf für 24 Standen in absoluten Alkohol, c
Nelkenöl gebracht und in Paraffin eingebettet. Hatten die Hai
nachdem sie 24 Stunden in dem Wasser gelegen, noch ihren urspru
graugelben Ton, so tmrden sie als unbrauchbar bei Seite gelegt,
das Goldsalz sich zuweilen nicht reduciren lässt, hat Yerf. nichl
können. Diese Methode hat einige Male brauchbare Resultate
Die besten Ergebnisse erlangte er mit folgender, von Ranvier
benen Methode (Traite d'histologie pag. 100):
n. 4 Vol. einer l'/o Groldchloridlösung werden mit 1 Vol. j
s&ure vermischt, das Gemisch bis zum Sieden erhitzt und durch Ei
des Gefasses in eine Schale kalten Wassers schnell zum Erkalten ^
In die kalte Flüssigkeit werden die Hautstücke gebracht und ^
behandelt.
in. Einzelne der nach diesen Methoden behandelten, gescl
und auf dem Objectträger nachCanini oder vielmehr Gaule (L
gungen der Nerven in der Haut des Froschlarvensehwanzes. A:
Physiologie 1883 p. 149) angeklebten Stücke wurden in einer
Cyankaliumlösung während mehrerer Minuten ausgewaschen. S
erwähnt hierbei, dass einzelne Beobachter bessere Erfolge hattei
die Objecte nicht ganz frisch waren. Nach Eberth ist die frisc
warme Haut weniger geeignet, als die seit etwa einer Stunde <
Nach Drasch eignen sich zum Studium der Nerven im Dünndam
welche 12 — 24 Stunden nach dem Tode des Thieres demselben enl
sind, am besten.
Auch die Ueberosmiumsäure wurde von Frenkel in
düng gezogen : Einer frischen Leiche entnommene Stücke aus der
werden durch successive Anwendung des Aethersprays, dann des
und Alkohols entfettet. Darauf einige Stunden in 7,7« ^^^
belassen; Härtung in Alkohol, Aufhellung in Nelkenöl, Einbe
Paraffin, Zerlegung in feine Schnitte. Ein Theil wurde in dies
untersucht, ein Theil nach Unna auf dem Objectträger mit Häi
gefärbt und mit Eisessig aufgehellt. Letzteres auch bei einfachen
Präparaten. Die Osmiumsäure färbt nur die Markscheide der Ner^
den Axencylinder. Da dio Schwärzung der Markscheide durch Ifa
gehalt bedingt ist, so können an Präparaten, die in so ausgiebig
mit Aether behandelt wurden, selbst die etwa vorhandenen mal
Fasern sich nicht markiren und muss daher die Osmiumsänre zun
der Nerven in entfetteten Objecten als unbrauchbar bezeichne
Bei dem Interesse, welches die immer -noch strittige Fi
die Endigungsweise der Nerven im Epithel erregt, bringen
eine kleine Zusammenstellung der am Froschlarvenschwi
gestellten P'ärbungsversuche. An diesem Objecte hat Pfitzner
combinirte Anwendung von Chromsäure und Goldchlorid c
ein Verfahren, das bald A. Ganini befolgte, der sehr feine Sc^
EGlfa von Alkohol auf dem Objectträger anklebte, sie dann 1
416 Ledermann und Ratkowski.
mit Gold behandelte. Die Thatsaohe, dass man mehr als anderswo an
dem Froschlarvenschwanze sich hüten mass, auf die Goldreaction hin
die nervöse Natur eines Fadens zu behaupten, worauf schon Ganini
aufmerksam macht, führte dann Paulus Mitrophanow dazu, die yor-
hergehende Erhärtung in V4*/o Chromsäure zu verwerfen, weil dadurch
Kunstprodncte entständen; er empfahl die Methode der Bearbeitung des
Gewebes mit Goldchlorid in frischem Zustande. Die Unbeständigkeit
der dabei gewonnenen Resultate fahrt er zurück: a) auf Unsauberkeit
der Manipulation ; b) auf Verschiedenheit der reducirenden Medien ; die
selben seien für verschiedene Gewebe verschieden ; e) endlich auf Ver-
schiedenheit der Lösung und der Zeit, während welcher das Object im
Reagens verbleibt. Am besten bedient man sich nach diesem Autor einer
'/)*/• (wie auch 7« und 17«) Goldchloridlösung; zum Reduciren nehme
man eine 7« — '/, procentige Essigsäure und 5 — 16*/» Ameisensänrelösung.
Bei mehr compacten Geweben ist eine vorhergehende Säuerung empfehlens-
werth. — Nach dieser Methode bearbeitet, wird das Object im Ganzen
violett -röthlich gefärbt. Die Nerven, die sich mehr als alle anderen
Gewebe intensiv violett gefärbt haben, treten sehr scharf hervor.
Bei einer Nachprüfung der Angaben Mitrophanow's vermochte
S. Frenkel weder die Vorzüge der Methodik desselben, nur ganz
frisches Gewebe zu untersuchen, noch auch seine Resultate als richtig
anzuerkennen; vielmehr wandte er sich wiederum zur vorhergebenden
Härtung in '/«percentiger Chromsäure und verfuhr folgendermassen : Die
Thiere wurden lebend in die Flüssigkeit gebracht, nach einigen Stunden
in Wasser ausgewaschen und in Alkohol eingelegt. Ein Theil der benutzten
Objecte hatte längere Zeit in Alkohol gelegen.
Die dem Alkohol entnommenen Larven wurden nach Auswaschung
in destillirtem Wasser in ein Fläschchen gewöhnlicher Alaun-Hämato-
xylinlösung 2 — 3 Stunden der Temperatur des Brütofens ausgesetzt, darauf
in Wasser ausgewaschen und mit der grössten Sorgfalt in Paraffin ein-
gebettet. Auf diese Weise gelang es äusserst feine Schnitte von ein^
oder nur wenigen Zelllagen zu erhalten. Die Schnitte wurden nach der
in Gaule's Laboratorium üblichen Methode auf dem Obj ectträger
mit Alkohol angeklebt, mit Eosin, Safranin oder Säurefuchsin gefärbt und
in Canadabalsam eingeschlossen. Die erwähnte Procedur mit dem Hämato-
xylin erwies sich deshalb als nothwendig, weil die in Chromsäure ge-
härteten Objecte sich nur sehr schwer mit Hämatoxylin förben. Bei An-
wendung erhöhter Temperatur gelingt die Tinction sehr gut und zwar
bedeutend gleichmässiger und schöner, wenn in toto gefärbt wird, als
in Schnitten, wobei Niederschläge und allzustarke Erwärmung schwer zu
vermeiden sind.
Um die bereits vorhandenen Angaben über die Nervenendigungen
in Tastkörperchen zu prüfen, versuchte A. S. Dogiel zur Färbung der-
selben nach Ehrlich (Deutsche Medicinische Wochenschrift, 1886 Nr. 4,
siehe auch B. Feist: Beiträge zur Kenntniss der vitalen Methylenblau-
färbung des Nervengewebes, Archiv f. Physiol. 1890, p. 117) Methylen-
Die xnikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 4X7
blau anzuwenden. Zu diesem Zwecke wurde von ihm eine Injection der
Blutgefässe am Kopfe der Gkins und der Ente mit 4procentiger, zuvor bis
zu 40* C. erwärmter Methylenblaulösnng vorgenommen. Sofort nach der
Injection wurde ein Theil der Schnabelhaut ausgeschnitten, in HoUunder
eingebettet und zur Anfertigung von Schnitten verwerthet, die er darauf
auf dem Objecttrager mit Humor aqueus oder mit der Flüssigkeit des
Glaskörpers desselben Thieres betupfte« Um die Tinction der Nerven zu
steigern, ist es zweckmassig, zu den eben erwähnten Flüssigkeiten einige
Tropfen 16procentiger Methylenblaulös'ing hinzuzufügen.
Das Präparat blieb unbedeckt und wurde von Zeit zu Zeit ver«
mittels schwacher Objective untersucht. Gewöhnlich schon nach 10 — 30
Minuten konnte man auf den Schnitten eine prächtige Blauförbung der
Axencylinder von Nervenfasern, Tastscheiben und knopfartigen Verdickungen,
mit welchen die Axencylinder in Innenkolben der Herbstchen - Körper
endigen, wahrnehmen.
Sobald die nöthige Intensität der Nerventinction festgestellt wurde,
wurden die Schnitte auf 24 Stunden in eine gesättigte Ammonium-Pikrat *
lösung oder in eine Ammonium-Pikrat-Osmiumsäure-Mischung übergeführt •
Nachdem die angegebene Zeit verflossen, wurden die Schnitte mit Glycerin
behandelt oder zunächst mit Pikrocarmin gefärbt, wobei sie nach Verlauf
von 24 Stunden vollständig durchsichtig und zur Untersuchung ge-
eignet waren. Die besten und am meisten demonstrativen Präparate
erhielt man nach Fixirung der Farbe vermittels der oben erwähnten
Mischung.
Fett.
Für die Färbung des Fettgewebes hat sich bisher fast ausschliesslich
die Behandlung mit Ueberosmiumsäure bewährt. Die Färbung
frischen Gewebes mit Alkanna -Tinctur gibt keine constanten Resultate.
Am eingehendsten hat sich bisher Flemming mit der Färbung des
Fettes beschäftigt. Das Princip bei der Osmiumsäure-Fettfarbung be-
ruht darauf, dass die farblose Ueberosmiumsäure durch das Fett zu
metallischer Osmiumsäure reducirt wird. Ueber die Entfärbung des Fettes
zu differentiell diagnostischen Zwecken sind die Ansichten früher getheilt
gewesen, in neuerer Zeit acceptirt man die modificirte Anschauung
Flemming 's, welche er in der Zeitschrift für wissenschafbL Mikroskopie
1889, p. 178 ausgesprochen hat. Osmirtes Fett löst sich nach seiner
Ansicht sowohl in Terpentinöl, als in Xylol, und zwar nicht bloss nach
Vorbehandlung mit Ghromessigosmiumsäure, sondern auch nach solcher
mit reiner Osmiumsäure und Alkoholnachhärtung. Die Löslichkeit ist
jedoch bei Präparaten letzterer Art geringer, als bei Chromessigosmium-
Objecten und scheint auch durch längeres Verweilen in Alkohol noch
vermindert zu werden. Osmirtes Fett löst sich femer in Aether, ebenso
in Kreosot (P. Meyer), es löst sich weiter in Xylol, rascher im Brätofen
bei 50* C, in Terpentin-Xylol-Canadabalsam und in Terpentin-Chloroform-
Damarharz (langsamer und nur in geringem Grade unter dem Deckglase).
In Xylol-Canadabalsam, in Nelkenöl, sowie in Chloroform wird es nicht
ArchlT f. DormAtol. a. Sjphll. Bnnd XXVU. 27
418 Ledermann und Ratkowski.
gelöst. Für Paraffin-Einbettung ist statt Xylol Nelkenöl oder Chloroform
zu verwenden.
Pollitzer, welcher gelegentlich seiner Untervaehnngen über
seborrhoische Warzen Bsut osmirt hat, fand jedoch, dass das Fett
im Epithel von Enäneldrüsen, sowie im Epithel der Epidermis, wo es
anter pathologischen Verhältnissen (Unna: „seborrhoisches Ekzem*') vor-
kommt, nach 488tündiger Behandlung mit reiner üeberosmiumsäare,
12standigem Auswaschen in fliessendem Wasser and kurzer Nachhartong
in Alkohol sich selbst nach 24stündigem Verweilen in reinem Terpentinöl
bei Besonnung nicht entfärbte. Das Myelin war in solchen Schnitten etwas
blasser geworden, aber noch deutlich geschwärzt. Dagegen war das sub-
cutane Fett vollkommen verschwunden.
Bezüglich der Osmirung der Haut müssen wir aach aof die oben
bereits ausföhrlich referirte Arbeit von Ledermann') verweisen, dessen
Untersuchungen in einigen Punkten abweichende Resultate von denen
Flemming's ergeben haben.
Ueber das Vorkommen specifisch farbbarer Körner im menschlichen
Fettgewebe berichtet W. Ger lach: In den Fettzellen finden sich nmden
Kern herum etwa bei der Hälfte der Menschen mehrfache, ooccenähnliche,
stets gleicbgrosse Kömchen, die nach Extraction des Fett-es, noch besser
durch Färbung mit Garbol-Fuchsin mit nachfolgender Alkoholauswaschung
oder Weiterbehandlung nach der Tuberkelbacillen-Methode, sowie durch
Weigert *s Markscheidenfarbung mit Hämatoxylin deutlich werden. BCt
Alaun-Carmin und Alaun-Hämatozylin erfolgt fast gar keine Färbung,
ebenso wenig mit dem Gram -Kühn e'schen Verfahren. Verf. meint, dass
es sich um harmlose oder nach einer Infection zurückgebliebene Parasiten
vielleicht handelt. (?)
Plasma und MattzsHeii.
Um eine gute Färbung für protoplasmatische Substanzen überhaupt
zu finden, versuchte Unna die kemfarbenden Methoden auf vier ver-
schiedenen Wegen zu modificiren:
1. Durch Vorbehandlung der Gewebe mittels Gkrbung und Beizung;
2. durch Anwendung der Farbstoffe, welche eine schlechte Kem-
f&rbung geben, namentlich der Azo- und Tetrazofarbstoffe ;
3. durch Prüfung möglichst vieler bis dahin unbenutzter Stoffe auf
ihre Beizwirkung;
4. durch Vornahme der Entfärbung in anderer als bisher ver-
suchter Weise.
Der zuletzt genannte Weg, die Entfärbung mit schonenderen
Lösungsmitteln, führte denn auch zum Ziele. Der erste brauchbare Stoff
war das C r e o s o t , noch brauchbarer ein Bestandtheil desselben,
das C r e o 8 o 1. Die Färbung geschah mit einer stark alkalischen
'J Ledermann 's Untersuchungen wurden von Heller in allen
wesentlichen Punkten bestätigt (Sitzgsber. d. Denn. Vereinigung zu Berlin^
Sitzung 2. Dec. 1891).
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 419
Methylenblanlösnng : Methylenblau 1, Kali canstic. 0,05, Aqua 100,
und zwar entweder rasch, wie ja in den meisten Fällen, in stärkeren
Lösungen, in der Wärme und mit Zuhilfenahme von Beizen oder langsam
in schwachen Lösungen in der Kälte. Da das Creosol nicht zugleich ent-
wässert, so müssen die Schnitte auf dem Objectträger entweder mit
Löschpapier oder durch eine kurze Behandlung in Alkohol oder Anilinöl
gut entwässert werden. Für die Entwässerung in absolutem Alkohol muss
man die Schnitte etwas stärker färben und darf sie nur so lange in Alkohol
lassen, bis die Oberhaut sich von subepithelialen Grenzstreifen der Cutis
als dunkles Band abzuheben beginnt, da sonst die protoplasmatischen
Substanzen zu stark entfärbt werden. Immer aber muss man sie eine ge-
raume Zeit in Creosol der Entfärbung und Differenzirung überlassen, die
je nach dem Object und der Stärke der Färbung von einigen Minuten
bis zu mehreren Stunden variiren kann. Fixirung in Xylol. Einbettung
Die auf diese Weise leicht erreichbare, feinere Kuancirung betrifft
alle protoplasmatischen Theile des (jewebes und deren Einschlüsse. Diese
Methode gibt daher nach Unna auch zugleich eine der besten und ein-
fachsten Darstellungen der Mastzellen. Unna hat an keinen Präparaten
die Mastzellen sich so schön in kirschrother Farbe von den übrigen blauen
Bindegewebszellen abheben sehen, wie bei der Färbung mit seinem roth-
stichigen Methylenblau (alte alkalische Lösungen, in welchen Methylen-
violett reichlich gebildet ist) und einfacher Creosolentfärbung. Im Gegensatz
zu den andern Darstellungen der Mastzellen (Entfärbung durch Säuren,
durch Anilinöl) erscheint an diesen Präparaten der Kern gefärbt und zwar
blau gefärbt inmitten des rothkömigen Protoplasmas.
Dieselbe Methode ist aber auch die beste, welche Unna zur Dar-
stellung der Mitosen an alkoholgehärteten Geweben kennt.
Bei der Bedeutung der Plasmazellen ') unternahmen vanderSpeek
und Unna den Versuch, die Darstellungsarten derselben, trotz der Brauch-
barkeit der oben ausfuhrlich erklärten Färbung in alkalischer Methylen-
blaulösung und Entfärbung in Creosol und Styron, möglichst zu ver-
mehren und prüften zu diesem Zwecke das Verhalten derselben gegenüber
sämmtlichen bis dahin bekannt gewordenen Entfarbungsarten, während die
Färbung stets mit derselben schon erwähnten Methylenblaulösung geschah.
Sie richteten sich hierbei nach dem in Unna's Abhandlung über die Ent-
wicklung der Bakterienfarbung aufgestellten Schema (Centralbl. f. Bakte-
riolog. und Parasitenk. 1888 Bd. III. p. 846) :
') Nach Unna sind die „Plasmazellen" beim Lupus identisch mit
den epitheloiden Zellen ; sie entsprechen auch den „Plasmazellen*' Wald-
eyers, sind aber ganz verschieden von den grobkörnigen, mit Methylen-
blau sich metachromatis ch förbenden Mastzellen Ehrlich 's. Jadassohn
leugnet die Identität der Plasmazellen und der Zellen, die man bisher
beim Lupus als epitheloide Zellen bezeichnet hat, da es nach seinen
Untersuchungen leicht gelingt, nebeneinander die bisher als epitheloide
beschriebenen und die Plasmazellen zu demonstriren.
27*
420
Ledermann und Ratkowski.
Entfärbung durch
physikalische Agentien
Entfärbung durch
chemische Agentien
1. durch Alkohol,
2. durch Anilin,
8. durch Oxydationsmittel und Alkohol.
4. durch Säuren und Alkohol,
5. durch Salze und Alkohol,
6. durch Jod und Alkohol,
7. durch Reducentien.
Nachdem sie nun die brauchbaren Entfärber in diesem Schema
untergebracht hatten, gestaltete sich dasselbe folgendermassen :
1. durch Glycol,
2. durch Creosol,
8. durch Styron,
4. durch H 0, (neutral) und Alkohol.
a) Resorcin,
5. durch (4) Reducentien
und Alkohol
Entfärbung durch
physikal. Agentien
Entfärbung
durch
chemische
Agentien
6. durch (2) Säuren
und Alkohol
7. durch (6) Salze
und Alkohol
b) flydrochinon,
e) Phenylhydrazin,
d) Anilin,
a) Arsenige Säure,
b) Osmiumsäure,
a) Kochsalz,
b) Seife,
e) Hydroxylamin,
d) Ichthyol,
e) Kali arsenicosum.
Diese für die Darstellung der Plasmazellen geeignetsten Entfärbungs-
mittel, unter denen sie dem Glycol den ersten Platz anweisen, geben
gleichzeitig eine gute Darstellung der Ehrlich'schen Mastzellen, für welche
allerdings noch eine ganze Reihe anderer Stoffe Verwendung finden.
Guprum sulfuricum, Katr. carbonic, Natr. hypochloros.. Arsensaure, Anthra-
robin, Chrysarobin und fast alle Arten von Säuren, welche für die Dar-
stellung von Plasmazellen nicht für gut befunden wurden. Sollten daher
in einem Präparate Zweifel auftauchen über die Natur von Zellen, welche
beiden Arten ähnlich sehen, so empfiehlt sich, die fertigen Präparate noch
nachträgUch der Wirkung einer verdünnten Mineralsäure auszusetzen,
wodurch die PlasmazeUen sofort als solche verschwinden, während die
Mastzellenfarbung eine längere Zeit Widerstand leistet. Von vielen Combi-
nationen der Entfarbungsmethoden erwiesen sich nur zwei als vortheühaft
gegenüber den einfachen, nämlich: Kali arsenicosum, Resorcin,
Alkohol und Resorcin, Goldchlorid (0,05Vo)) AlkohoL
Gelegentlich seiner Demonstration von Unna 's „Plasmazellen*^ und
von eosinophilen Zellen im Lupus und in anderen Geweben auf dem 2.
Oongress der Deutschen dermatolog. Gesellschaft (1891) theilte auch Ja-
das söhn seine Erfahrungen betreffs der Technik der Färbung dieser
Zellen mit. Nach seinen Beobachtungen gelingt der Nachweis von Unna^s
Plasmazellen mittels der von demselben vorgeschlagenen Färbemethode
oft in einer geradezu electiven Weise, — dabei entfärbt sich das andere
Die mikroskop. Technik im Dienste der Dermatologie. 421
«
Gewebe leicht so sehr, dass seine Untersuchung schwierig ist. Wenn man
aber statt des Methylenblaus (altes, rothstichiges steht nicht immer zur
Verfügung und ist nach seiner Meinung darum nicht sehr zu empfehlen,
weil es der prinoipiellen Forderung chemischer Reinheit am allerwenigsten
entspricht) das neuerdings von Hoyer empfohlene, durch seine meta-
chromatische Wirksamkeit ausgezeichnete Thionin in stark alkalischer
(1 :200<i) oder Boraxlösung verwendet, so tritt leicht eine so starke Ueber-
flrbung ein, dass die Greosolentfärbung nur sehr langrgam oder überhaupt
kaum gelingt; dagegen erhält man gute Präparate, wenn man in den
letzterwähnten Lösungen unbedenklich überfarbt und mit schwach saurem
Wasser vorsichtig entfärbt, doch ist die Tinctionsfrage bei den Plasma-
zellen überhaupt nicht liesonders wichtig, weil man, wenn man die Zellen,
die Unna meint, einmal gesehen hat, sie auch in anders gefärbten Prä*,
paraten (Safranin, Hämatoxylin) ohne Weiteres wiedererkennt.
Der Vollständigkeit halber geben wir ein Verfahren zur Färbung
der Mastzellen wieder, welches Unna bereits vor seinen umfassenderen
Studien über die Färbung der Plasmazellen empfohlen hat : Alkoholschnitte
werden in irgend einer basischen Anilinfarbe gefärbt und in Eisessig und
Alkohol entfärbt. Am besten solche Anilinfarben, welche die Zellen meta-
chromatisch förben: Methylenblau und Safranin in alkalischer Lösung
(Borax, Anilin Wasser etc.). Bei Methylenblau werden die Mastzellen dunkel-
blau, violett, bei Safranin orange.
Canon empfiehlt zur Färbung der eosinophilen Zellen und Mast-
zellen im Blute : Färbung mit Chenzynski 'scher, von P 1 e h n zur Färbung
der Malariaplasmodien modificirter Farbstofiflösung (concentrirtes, wässe-
riges Methylenblau 40 Gr., V,Ve Eosinlösung in 70*, Alkohol 20 Gr., Aq.
dest. 40 Gr.).
Die in der Farbstoff lösung befindlichen Deckgläsohen kommen auf
3 — 6 Stunden bei 37* G. in den Brutschrank, werden dann in Wasser
abgespült, getrocknet und in Ganadabalsam eingebettet. Die rothen Blut-
körperchen erscheinen roth, die weissen blau. (Zur Untersuchung diente
ein verschiebbarer Objecttisch, so dass niemals die gleiche Stelle des
Präparats wiederholt ins Gesichtsfeld kam. Gewöhnlich wurden so 500 bis
1000, ja auch 2000 farblose Blutkörperchen gezählt und ihr Verhältnis zu
den eosinophilen Zellen bestimmt.)
In der weiteren Ausbildung der Methode Unna 's (Färbung der
Alkoholpräparate mit altem Methylenviolett- und Methylenroth haltigem,
basischem Methylenblau und Entfärbung in milden, entfärbenden Stoffen)
hat die von ihm angegebene Glycerinäthermischung (bei Schuchardt,
Görlitz vorräthig) alle anderen (das Styron vielleicht ausgenommen) bei
seinen Forschungen verdrängt Sie stellt nach seiner Angabe nicht nur
Plasmazellen und Mastzellen aufs schönste polychromatisch dar, sondern
auch Mitosen, Hombakterien, die Organismen der necrotischen Partien
und ist äusserst bequem in der Anwendung. Man überfärbt den Schnitt
in Methylenblau ('/< Stunde bis eine Nacht), bringt ihn nach Abspülung
in Wasser direct in die Glycerinäthermischung bis zur Differenzimng,
422 Ledermann und Ratkowski.
was dnrchBchnittlich in '/« Minute vollendet ist, spült dann wieder sehr
sorgfaltig in Wasser ab, entwässert in absolutem Alkohol, hellt in Berga-
mottöl auf und montirt in Balsam.
GleicluBeitig betont Unna, dass, wenn das Protoplasma schön tinc-
toriell zur Anschauung kommen soll, man die Schnitte vorher nicht an
Metallsalse und Gerbstoffe binden, sondern nur durch Wasserentziehung
und zwar nur vermittels absoluten Alkohols schnittfahig machen darf.
Müller 'sehe Flüssigkeit, Ghromsäure, chromsaure Salze, F l e m m i n g'sche
Losung sind für den Zweck der Protoplasmafarbung ganz unbrauchbar.
Das Material darf nur mit reinem Alkohol in Berührung kommen, denn
die Reaction des Methylenblaus ist so empfindlich, dass Spuren von Gerb-
saure im Alkohol, die z. B. vom Korken ausgehen, welche man vielleicht
zum Aufkleben der Gelloidinstücke gebraucht hat, die Färbung illusorisch
machen. Man klebe deshalb nur auf neue Holzstückchen auf u. s. f.
Wünscht man das collagene Gewebe neben dem Protoplasma in
Contrastfurbe zu haben, so empfiehlt Unna folgende einfitche Doppel-
farbung: Alkohol hartung, Ueberfarbung der Schnitte in alkaUschem Me-
thylenblau (4—6 Stunden) und Einlegen in eine spirituöse, neutrale, stark
verdünnte (etwa 1*/«) Orceinlösung wahrend einer Nacht. Man halt eine
Iproc. Lösung vorräthig und verdünnt sie zum Gebrauch mit der zehn-
fachen Menge absoluten Alkohols. Am Morgen kurze Abspülung in abso-
lutem Alkohol, Einlegen in Bergamottöl und Balsam. Die Plasmazellen
sind prachtvoll blau, die Mastzellen kirschroth, das Collagen ist in einem
besondem Orceinroth gefärbt.
Die Güte einer Protoplasma&rbung ist nach Unna zu erkennen an
der geringen Färbung des Kemchromatins ; je mehr dieses hervortritt,
desto schlechter ist sie ausgefallen. Nur das Chromatin der Mitosen macht
eine Ausnahme und deshalb eignen sich die Protoplasmafarbungsmethoden
auch zugleich zur Darstellung der Mitosen.
Ein gewisses Interesse für die Eenntniss des lupösen Gewebes,
zumal des „Plasmoms^ des Lupus und andrerseits von der Wirkung der
Koch 'sehen Behandlungsweise beanspruchen die Experimente, welche
Unna an excidirten Hautstücken angestellt hat, indem er sie in der Zeit
vor ihrem Absterben der Wirkung des Tuberculins aussetzte. Von einem
excidirten Hautcarcinom, bei dessen reich- und grosszelligem (^webe die
Verhältnisse klarer liegen als anderswo, versenkte er theils Carcinom-
Stückchen, theils gesunde Hautstückchen : 1. in unverdünntes Tuberculin,
2. in eine wässerige Controlflüssigkeit mit 407t Glycerin und '/«V« Carbol-
säure, 3. direct in Alkohol.
Nach 248tündigem Verweilen im Brutofen waren die glycerinisirten
Stücke weich und aufgequollen, die tuberculinisirten härter und verklei-
nert. Nach Alkoholhartung wurden alsdann die Schnitte mit Methylenblau
gefärbt und mit Creosol entfärbt. Nach der Alkoholhärtung war die
Schrumpfung der ad 1. behandelten Schnitte, ebenso wie die tiefere Fär-
bung derselben im Gegensatz zu den ad 2. und 3. behandelten noch auf-
fallender. Schon bei schwacher Vergrösserung ergab sich eine erstaunliche
Die mikrosjkop. Technik im Dienste der Dermatologie. 423
Differenz. In den tubercuünisirten Präparaten erscheinen die Kerne tief
gefärbt nnd an einander gerückt, so dass die Schnitte nur aus Kernen
zu bestehen scheinen, während die Zellgrenzen verschwunden sind und
swisohen den Kernen eine k^nige nnd f&dige, stark tingible neue Substanz
auftritt, welche auch alles Bindegewebe infiltrirt und durchsetzt. Die
Kerne zeigen deutlicher als je die Netzstmctur und weisen alle ohne Aus-
nahme ein tief gefärbtes, sehr regelmässig gebautes Chromatinnetz auf.
Dassdbe Verfahren übertrug er dann auch auf frisch exstirpirtes
Lnpnsgewebe und fand zunächst makroskopisch dieselben Differenzen wie
vorher mikroskopisch, dass an den tuberkulinisirten Schnitten das
Knötchen viel tiefer gefärbt war als an den normalen, was wiederum
durch eine prachtvoll gleichmässige, tiefe Tinction des netzförmigen
Ohromatins und dichtes Zusammentreten der Kerne bedingt ist. Die
Leiber der Plasmazellen sind wie alles umgrenzte Protoplasma ver-
schwunden und mit der IntereeUularsubstanz zu einer gleiehmässigen,
fast ungefärbten, von tief tingirten Fäden und Körnern durchsetzten Masse
zusammengeschrumpft. Die Mastzellenkömung dagegen ist erhalten, ebenso
der Contour der grossen Riesenzellen. — In gleicher Weise untersuchte
er die Wirkung des Tuberculins in 17« und lOproc. Verdünnung und
erhielt (ohne wesentlichen unterschied zwischen diesen beiden Verdünnungs-
graden) nahezu entgegengesetzte Resultate. Während das concentrirte
Tuberculin höchstens Protoplasma und IntereeUularsubstanz homogenisirte
imd zu einer Art Gerinnung brachte, in den Kernen aber zu einer voll-
kommenen Ghromatinausscheidung führte, kann man dem verdünnten
Tuberculin eine alle Substanzen homogenisirende Wirkung zuschreiben.
Man erhält hier eine verschwommen gefärbte Masse, in welcher auch die
oben erwähnten tief gefärbten Körner und Fäden fehlen. Von Plasma-
zellen ist nichts zu sehen. Im Lupus haben wir also im Allgemeinen die
einfach homogenisirende Wirkung des verdünnten Tuberkulins vor uns
und nur in nächster Kähe des Tuberkelbacillus, dort wo sieh die sog.
Biesenzellen bilden, kommt es zu einer stärkeren Einwirkung des Giftes,
desgleichen bei der Chirurg. Tuberkulose und meist auch deijenigen in-
nerer Organe.
GeschwOlste.
Specifische Färbungsverfahren für Geschwülste sind naturgemäss
in der Literatur nicht angefahrt. Wir haben uns demgemäss beschränkt,
in diesem Capitel einige von den Autoren befolgten Präparations- und
Färbemethoden von Geschwülsten der Haut wiederzugeben. — Die in den
letzten Jahren erschienenen Arbeiten über die parasitäre Natur gewisser
Geschwülste, die zum Theil auf neuen Färbemethoden beruhen, werden wir
an anderer Stelle zusammenfassen.
Lehzen und Knauss haben (cf. Virchow Archiv, Bd. 116 p. 98)
bei der Untersuchung von Xanthoma multiplex, planum, tuberosum,
mollusciforme die Bilder, welche Zupfpräparate der entarteten Hauptstücke
ergaben, durch Fett extrahirende Flüssigkeiten geklärt. Am besten hat
424 Ledermann und Ratkowski.
sicli die CbromoPminmsänreldsTing nach Flemming mit nachfolgender
Saffraninfarbung bewährt, welche, insbesondere mit einer zarten Indiilin-
färbung combinirt, schönere Bilder ergab als die mit Alkohol oder Maller
behandelten nnd nachher yerschiedentlich, namentlich mit der schönen
von Ton ton empfohlenen combinirten Indulin- Vesuvin- oderlndnlin-Borax*
carminfarbung dargestellten Präparate.
Znr üntersnehung von Xanthomen hat A. R. Robinson (New-Tork)
acht Efflorescenzen ans verschiedenen Theilen entnommen nnd in Alkohol,
Mulle rascher Flüssigkeit, Osminmsänre und Goldchloridlösnng eingelegt
Die in Oold eingelegten Präparate waren misslnngen, die besten ergahen
sich ans der Hüller^schen Lösung. Die meisten Schnitte wurden vorerst
in Glycerin untersucht nnd dann mit verschiedenen Reagentien, Indalin,
Yesuvin, Boraxcarmin, Gentianaviolett, H&matoxylin und Eosin, Methylen-
blau gefärbt. Die doppelte Färbung mit Boraxcarmin und Hämatoxylin nnd
Eosin, Indulin und Yesuvin wurde häufig angewendet und auf diese
Weise vorzugliche Präparate erzielt. Nachträglich wurden sie in Gly-
cerin oder Canadabalsam auf die gewöhnliche Art eingebettet und anf-
bewahrt.
J. A. Fordyce erhielt bei seinen Untersuchungen multipler
Figmentsarkome der Haut die besten Resultate mit der Combination ?on
Hämatoxylin und Pikrocarmin. Die Kerne werden durch das Hämatoxylin,
die Zwischensubstanz durch verdünntes Pikrocarmin gefärbt.
In seinen Studien über Mycosis fungoides macht M. Philipp-
son darauf aufmerksam, dass die Histologie dieser Neubildungen, speciell
was das \ on den Autoren angegebene adenoide Gewebe betrifft, auf ihren
pathologischen Werth hin noch nicht genügend geklärt ist, nnd fuhrt die
Schuld auf die mangelhafte Methode des Auspinselns zurück, welche er
durch dio feineren modernen Methoden ersetzt haben will (sehr dünne
Schnitte! und Differentialfarbung der Gewebselemente 1).
Seine Methode, die er sowohl bei Efflorescenzen des Anfangs-, wie
des End Stadiums anwandte, besteht in Folgendem:
Die Stücke wurden in absolutem Alkohol und in Flemming^scher
Lösung gehärtet, darauf in Celloidin eingebettet und in Schnitte von 10 m
Dicke zerlegt. Die Färbung geschah mit Hämatoxylin und Eosin, mit
Safranin und Methylenblau.
(Fortietzung folgt.)
Bericht üter die LeisluDgen
auf dem
Gebiete der Dermatologie urid Syphilis
Verhandlungen der Wiener dermatologischen
Gesellscliaft.
Sitzung vom 7. Februar 1894.
Vorsitzender: Lang. Schriftführer: Nobl.
Ehr mann demonstrirt 1. einen Kranken mit Herpes zoster collaris.
Die Bläschengrappen befinden sich im Gebiete des Occipitalis minor und
der Nervi cervicales. Ausserdem hat der Kranke Schmerzen im Ohre, die
bei heftigen Gehörseindrucken sich verstärken. 2. Einen Patienten, der
im Juni dieses Jahres breite Condylome am Genitale und ein gruppirtes
maculöses Syphilid hatte. Jetzt zeigt sich im Mittelstück des Oberschenkels
eine spindelförmige Verdickung des Knochens, welche die Muskeln gleich-
massig vorwölbt und an der Linea aspera, wo der Knochen selbst fühlbar
ist, eine knochenharte, ein wenig schmerzhafte Vorwölbung. Dieser
geringen Schmerzhaftigkeit auf Druck entspricht aber nur wenig der
ganz intensive spontane reissende Schmerz, welcher bis vor wenigen
Tagen alle Kachmittage sich einstellte und nach Mittemacht aufhörte.
Mit Rücksicht auf die Anamnese, sowie den letzterwähnten Umstand stellte
Ehr mann die Diagnose auf centrales Knochengununa mit Periostitis
ossificans, trotzdem man von chirurgischer Seite geneigt war, den Fall
für ein Osteosarkom zu halten. Die eingeleitete antiluetische Therapie
und Jodeinpinselungen bestätigten bald die Diagnose, indem die Schmerzen
gänzlich sistirten und sogar eine leichte Geschwulstabnahme sich bemerk-
bar machte. Der Kranke ist bisher 10 Tage in Behandlung.
3. Einen Fall von Ophthalmoplegie, 12 Jahre nach einer luetischen
Infection. Der Patient zeigt folgenden Status: Im rechten Auge Pupillen-
erweiterung, sonst keine Lähmungserscheinungen. Am linken eine etwas
geringere Mydriasis, dafür aber Lähmung des Rectus internus, die früher
nahezu vollständig war, jetzt aber zurückgegangen ist. Auch eine leichte
Ptosis, die früher stärker war. Augenhint^rgrund und Sehschärfe (nach
einem Befunde von Topolansky) ganz normal. Bei sonstigem Fehlen
von Grosshimerscheinungen kann man schon wegen des beiderseitigen
428 i Verhandlungen
Sitzes, der nur durch eine grosse Ausdehnung der Lasion sich erklären
liesse, eine Erkrankung der Rinde, der Stabkranzfaserung und der inneren
Kapsel ausschlicssen, ebenso die der Stammganglien. Wegen des Fehlens
von Facialis- und Hypoglossussymptomen, sowie auch jeder anderen Erschei-
nung, die uns veranlassen würde, eine ausgedehntere Erkrankung in d^
Nervenkemen der Medula oblongata anzunehmen, kann man schliesslich
nur eine Erkrankung beider Nervenstämme an der Basis supponiren. Da
wir nun wissen, dass die Pachymeningitis luetica an der Gehimbasis sehr
häufig auftritt und sich als Neuritis auf die Nervenstamme fortsetzt, so
handelt es sich also hier offenbar um eine Pachymeningitis, an der Stelle,
wo die beiden Oculomotoriusstämme dicht beisammen liegend, zwischen
den Himschenkeln hervorkommen. Das ungleichmässige Befallensein Ton
pupillomotorischen und oculomotorischen Fasern lässt sich durch eine un-
gleiche Vertheilung des Infiltrats zwischen den Nervenfasern leicht erklären.
Wappner stellt einen Kranken vor von der Abtheilung des Doc.
Dr. Grünfeld. Es handelt sich in dem Falle um eine serpiginöse Sy-
philis. Im Jahre 1891 hatte der Patient das erste Exanthem durchgemacht.
Die Efflorescenzen sehen denen eines Herpes tonsurans ähnlich und könn-
ten mit diesen verwechselt werden.
Hebra. Lymphadenitisbehandlung. Dieser Patient kam vor ca. 8
Tagen zu mir mit einem fast faustgrossen Bubo, aus dem bei leisem Drucke
Eiter floss. Seitdem habe ich ihm nach der Methode von Lang In-
jectionen mit 2% Salpeters. Silber gemacht und es ist leicht die auf-
fallende Besserung zu constatiren. Um bei diesen Injectionen gewiss in
alle Vertiefungen hineinzukommen, habe ich ein Drainage-Rohr eingelegt
und mit Hilfe desselben Alles injicirt. Sie sehen, dass heute gar kein
Eiter mehr herauskommt und die Wände des Abscesses überall angelegt
sind, was nach 8 Tagen einen ausserordentlich g^ünstigen Erfolg bedeutet
Ein zweiter Fall von Adenitis, der leider nicht erschienen ist, ist
noch schöner, beiderseitig und verläuft ebenso günstig, so dass ich mit
den Erfolgen ganz zufrieden bin.
Hebra demonstrirt femer einen Fall von Liehen ruber. Derselbe
ist interessant durch seine Localisation. Sie finden die Effiorescenzen hier
nur am Handrücken und einzelne am linken Schienbein ausgebildet. Ich
glaube, schon vor einigen Jahren Gelegenheit gehabt zu haben einen
ähnlichen Fall zu demonstriren, der nur am Rucken circomBcript vor-
handen war.
Lang stellt die bereits in der Sitzung vom 7. Februar demonstrirte
Patientin mit Syphilis und Carcinom vor. Seither haben sich die
an der Schleimhaut der Unterlippe in der Nähe des Carcinoms befindlichen
Plaques unter der antiluetischen Behandlung vollständig involvirt, während
das Neoplasma eine deutliche Wachsthumsznnahme und Ausbreitung g^en
die linke Hälfte des Unterlippensroths erkennen lässt.
Neumann stellt vor:
1. Einen 27 Jahre alten Patienten mit einem maculösen Sj^phihde
und einem am Vorhautrande gelegenen, über linsengroesen, flachen Knoten,
der Wiener dermatologischen GeseUschaft. 429
dem Rest eines Primarafifecies ; daneben multiple Drüsenschwellung in In'
guine und Schwellung der übrigen periph. Lymphdrüsen. Der Kranke
stand bereits im Jahre 1884 auf der Klinik des Vortragenden mit syphili-
tischem Primäraffect im Sulc. coron. rechterseits in Behandlung und erhielt
damals von der fünften Krankheitswoche ab 50 Präventiveinreibungen mit
Ung. cinerenm. Es liegt somit ein wohlbeobachteter Fall von Reinfec-
tio syphilitica vor. Es ist dies derjenige Fall, bei dem ich überhaupt
^m ersten Male die Praventivcur in Anwendung brachte.
2. Ein 16jähriges Mädchen, Yirgo, noch nicht menstruirt, mit aus-
gebreiteten gummösen Geschwüren an der Innen- und Beugeseite
beider Unterschenkel, daneben deutliche Narben nach vor 1*/« Jahren be-
standenen gomm. Geschwüren. Die Kranke war damals auf der Klinik für
Syphilis in Behandlung und erhielt 62 Gr. Jodkalium und Sublimatbäder.
3. Einen Fall, welcher ein 24jähriges Mädchen betrifft, bei dem
neben nässenden Papeln am Genitale und einer gruppirten Roseola am
Stamme an jenen Partien des Gesichtes, wo sich grosse Talgfollikel be-
finden, also: in den Nasolabialfurchen und in der Kinnfurche sich jene
Affection zeigt, die von Ricord als Herpes syphiliticus bezeichnet
wurde, als miliare Bläschen und Pusteln auf einem flachen, braunrothen,
papulösen Infiltrate aufsitzend.
4. und 5. Zwei Fälle von Psoriasis vulgaris, von denen der eine in
sehr ausgeprägter Weise die seltene Localisation an den Handtellern und
Fusssohlen zeigt, der 2. an der Kopfhaut localisirt ist.
Spiegier stellt einen Burschen vor, der vor 2 Jahren zum ersten
Male Psoriasis gehabt hat und bei dem sie sich gegenwärtig erneuert hat.
Sie trat schon damals zuerst in den Achselhöhlen auf, dann in der
Schenkelbeuge und im weiteren Verlaufe an den Beugeseiten und auch am
Penis. Es ist dies gewiss eine höchst seltene Localisation. Bei einer
solchen Psoriasis bleibt trotz umsichtigster Therapie ein kleiner Rest
zurück, der allen Heilversuchen widersteht und von dem aus sich das Leiden
erneuert.
Neu mann. Das sind jene Fälle, wo durch Reibung oder Tem-
peraturreize bei dazu disponirten Individuen sich Psoriasis bildet,
namentlich an den Achselfalten, Penis u. s. w. Nun kommt es vor, dass,
während ein Individuum ein Ekzem hat z. B. an der Kopfhaut, welches
regelmässig auf die Nachbartheile übergreift, intercurrirend sich eine
Psoriasis hinzugesellt. Diese hat aber dann die Eigenthümlichkeit, dass
sie sich im weiteren Verlaufe in Form von Schlangenwindungen ausbreitet.
Lang. Ich will bemerken, dass ich schon vor einer Reihe von
Jahren auf diese Localisationsverhältnisse aufmerksam gemacht habe. Es
handelt sich um einen Localisationstypus an Prädilectionsstellen chroni-
scher Ekzeme, z. B. an der Afterkerbe, den Knie- Schenkelbeugen u. s. w.
Neumann. An den Achselfalten zählen diese Localisationen doch
zu den Seltenheiten.
Ehr mann. Ich muss hervorheben, dass bei Weibern diese Er-
scheinungen viel öfter als bei Männern beobachtet werden.
430 Verhandlungen
Nenmann. Es verhält sich die Sache eigentlich umgekehrt Bei
Männern viel häufiger, da bei diesen Ekzeme überhaupt häufiger vor-
kommen.
Nobl zeig^ aus der Abtheilung Lang's:
1. Einen 85 Jahre alten Schriftsetzer mit beginnender Paralysis
progressiva. Der Fall bietet insofeme einiges Interesse, als sich die apo-
plectiform einsetzende Erkrankung im Anschlüsse an Lnes entwickelte.
Der Beginn der Lues datirt in das Jahr 1869 zurück, zu welcher Zeit
Fat. an der Poliklinik gegen ein papulöses Exanthem mit Sablimat-In-
jectionen behandelt wurde. Eine Recidive in Form von Plaques im Monde,
Papeln an den Stimmbändern und papulösem Exanthem führte Patienten
anfangs Mai 1890 der Abtheilung Lang's zu, woselbst die Erscheinungen
diesmal, wie auch im September desselben Jahres, zu welcher Zeit sie
sich als Plaques an der Zunge und Wangenschleimhaut sowie als Papeln
ad anum manifestirten, mit Injectionen von Ol. cinereum zur Rückbildung
gebracht wurden. Im Jahre 1891 neuerliches Recidiv — als papnlöser
Ausschlag — der sich auf 8 Injectionen Ol. einer, involvirte. Seither
gesund, stellte sich Pat. erst wieder im Sommer verflossenen Jahres mit
serpiginös gruppirten Papeln am Stamme im Ambulatorium vor, woselbst
ihm Jodkali und local. Empl. Hg. verordnet wurden; die Erscheinungen
schwanden nach wenigen Wochen. Vor vier Wochen sollen angeblich
nach vorher bestem Wohlbefinden die gegenwärtigen Erscheinungen über
Nacht eingesetzt haben. Es besteht bei dem Patienten ausgesprochene
Parese des Facialis rechts, leichte Parese der oberen und unteren Ex-
tremität derselben Sorte. Die Sprache ist verlangsamt, gedehnt ; es besteht
Silbenstolpem. Pat. macht grobe Rechenfehler und schreibt die Schrift
der Paralytiker.
Ehr mann bemerkt zu dem Falle, ob es sich hier erwiesenermassen
um eine Paralysis progressiva auf luetischer Grundlage handle.
Ijang. Ob eine Paralysis eine luetische Grundlage hat, lässt sich
mit absoluter Sicherheit allerdings nicht feststellen. Ich habe darüber
Krafft-Ebing befragt. Derselbe sprach sich dahin aus, dass nach seinen
Erfahrungen die progressive Paralyse in 75% L«es als Grundlage hat.
Freilich hat man bis nunzn in keinem Falle genaue syphilitische Herde
gefunden, aber immerhin müssen doch die Erfahrungen der Psy-
chiatren auf Grund ihrer ätiologischen Forschungen in Rücksicht ge-
zogen werden.
Ehr mann. Ich bin Lang für seine Erklärung sehr dankbar. Auch
ich bin der Ansicht, dass sich ein directer Zusammenhang zwischen
Paralyse und Lues keineswegs nachweisen lässt. Uebrigens möchte ich
viel lieber die nähere Forschung in dieser Hinsicht den Syphilidologen
übertragen wissen, denn die Neurologen finden eben sehr leicht bei den
verschiedensten Anlässen Lues heraus.
Königstein. Die obige Frage ist vielfach, namentlich auch in der
Gesellschaft der Aerzte ventilirt worden. Es gibt eine grosse Zahl von
Aerzten, die sich der Anschauung einer luetischen Grundlage der Paralyse
der Wiener dermatolog^schen Gesellschaft. 431
fernhalten, daför aher auch eine recht grosse Zahl solcher, die nicht nur
Paralysis, sondern auch Tabes als von Lues herrührend beseichnen. Ja,
es gibt recht TieleVertreter, die überhaupt nie einen Fall von Tabes ohne
vorherige Syphilis gesehen haben wollen. Ich glaube, dass nach der
jetzigen Anschauung nicht nur 75*/«, sondern weit mehr, bis 90Ve als
luetische berechnet werden u. zw. von Aerzten, die sehr gewissenhafte
Statistiken führen und die Zählungen mit Vorsicht betreiben.
Lang. Die Torausgegangene Lues bei dem vorgestellten Kranken
ist nicht zu bezweifeln, da er zu wiederholten Malen, darunter auch bei
uns an manifesten Symptomen von Lues behandelt worden ist. Das We-
sentliche der Frage in solchen Fällen ist immer die Natur des Znsammen-
hanges mit Lues, unzweideutig^ Verändemngen , die auf Syphilis zu
beziehen wären, haben die pathologischen Anatomen nicht nachgewiesen,
die in Rede stehenden Erkrankungen können somit, strenge genommen,
nicht als luetisch betrachtet werden. Der Zusammenhang mit Syphilis
wäre nur zu erklären, dass StofiFwechselproducte des supponirten Con-
tagiums die Nervenapparate alteriren oder dass die Lues zu Erkrankun-
gen der Nervencentren leichter disponirt. Es ist wichtig sich über die
Vorfrage klar zu sein, sonst bekommt vielleicht der Kranke zuweilen
eine Mercurialcur, die in den meisten Fällen nachtheilig wirkt.
Neumann bemerkt, dass eine endgiltige Entscheidung dieser
Frage noch lange nicht gelingen wird. Ab und zu kämen schon directe
Erkrankungen des Centralnervensystems zur Beobachtung. Er verweist
auf ein schönes Präparat im Musenm mit einem Gumma in der Ganda
equina. Viel häufiger seien dagegen Fälle von Erkrankungen peripherer
Nerven nach Syphilis. Gerade die letzten Jahre hätten bewiesen, wie oft
Neuritis nach Lues und infolge derselben auftrete.
2. Einen 80 J. alten Kanchfangkehrer mit zwei extragenitalen
Sklerosen in der Bauchhaut links entsprechend dem Hypochondrium.
Dieselben begannen sich gleichzeitig vor 6 Wochen zu entwickeln. Am
Stamme ist ein beginnendes papulöses Exanthem zu sehen.
Sitzung vom 21. Februar 1894.
Vorsitzender: Lang. Schriftführer: Nobl.
Neu mann stellt einen 22jährigen Kranken vor mit ausgebreiteten,
am Perineum und um den After localisirten Wucherungen. Dieselben sind
von hellrother Farbe, hahnenkammartig, bürstenformig geordnet und von
einem scharf umschriebenen Hof umgeben. Die Diagnose ist insofern eine
schwierige, als sich daneben linsengrosse nässende, elevirte, derbe, aber
platt gedrückte Knoten befinden, ganz ähnlich nässenden Papeln, eben
solche auch zwischen Scrotum und der inneren Schenkelfiäche, ohne
speckigen Belag. Auch die Inguinal- und die übrigen peripheren Drüsen
sind vergrössert, doch ist dies auf eine früher bestandene Variola zu
beziehen. Da auch weiter keinerlei Erscheinungen von Syphilis vorliegen,
die Wucherungen femer deutlich streifenförmig angeordnet sind und die
432 YerhandluDgen
umgebende Haut Intertrigo und Pigmentirangen nach solcher zeigt, lo
sind diese Wncherungen mit Sicherheit als spitze Condylome in Folge
von Intertrigo anzusprechen. Nichtsdestoweniger werde ich in diesem
Falle Inunctionen machen lassen, um die Diagnose zu sichern.
Lang. Ich möchte mir doch erlauben, zu dem Falle eine Bemerknng
zu machen. Zwar muss ich zugeben, dass die Papillenspitzen ziemlich
bedeutend grewuchert sind, aber ich muss sagen, dass ich doch die Wa-
cherungen als auf dem Boden nässender Papeln entstanden betrachte,
üebrigens ist es auch nichts Ungewöhnliches, dass man nässende Papehi
nur am Anus oder am Scrotum beschränkt findet Ich möchte daher den
Fall für Syphilis ansehen.
Neumann. Es kommt nach meiner Ansicht immer auf die objectiTe
Beobachtung an. Hier in diesem Falle handelt es sich um eine Erkrankung
seit kaum Jahresfrist. Da überdies jedes andere S3rmptom für Lues voll-
kommen auszuschliessen ist, so muss man doch vorsichtig sein in der
Beurtheilung , umsomehr, da die gestellte Diagnose für den Kranken
nicht gleichzeitig sein kann.
Mraöek. Ich sehe den Fall als den Ausdruck von Tripperwarsen
an. Der mechanische Druck mag hier wesentlich dazu beigetragen haben,
dass die Wucherungen nicht so bedeutend zum Ausdruck gekommen sind.
Man sieht bei genauerer Beobachtung, dass der Rand etwas unterminirt,
also keineswegs so gestaltet ist, wie es ein syphilitisches Infiltrat ge-
wöhnlich zu sein pflegt. Ueberdies sind noch Residuen der ehemaligen
freien Stellen zu sehen. Die Wucherungen selbst tragen ganz und gar
nicht den Charakter von syphilitischen Papeln, wir finden vielmehr überall
Andeutungen von hypertrophischen Papillen« Die Form ist geradetu
exquisit, so dass man sich doch der Ansicht Neuro ann 's anschliessen mof».
Lang. Zur Bemerkung MraÖek's muss ich hervorheben, dass man
ebensolche Papeln auch anderwärts beobachtet. An den Nasolabialfalten
z. B. und vielen anderen Stellen findet man nicht selten so gestaltete
nässende Papeln. Sie bieten dann papillomätöse Auswüchse auf syphilitucher
Basis. Wenn man die rechts von der Grena ani isolirt stehende linsen-
grosse Effiorescenz betrachtet, so ist der Charakter der syphilitischen
Papel nicht anzuzweifeln. Ich leugne daher den papillomatösen Charakter
nicht, behaupte aber, dass die Wucherungen auf syphilitischer Grundlage
entstanden sind.
V. Z eis sei. Wir müssen zunächst frtigen, wie lange der Kranke
eigentlich auf der Klinik sich befindet. Wenn dies bereits lange der Fall
ist, so müsste man ja auch den syphilitischen Primäraffect beobachtet
haben. Ich glaube nicht, dass es sich hier um nässende Papeln handelt
Auch ist die Drüsenschwellung in der Leistenbeuge eine derart geringe,
dass wir sie unmöglich auf Syphilis zurückfuhren können. Die Fälle von
Syphilis, die Lang meint, sind sehr selten, so dass man hier nicht ohne
Weiteres zu dieser Annahme berechtigt ist. Ueberdies könnte es leicht
möglich sein, dass eine Gronococcen-Invasion des Rectum stattgefunden
hat, und der Mastdarmtripper die venerischen Papillome veranlasst hat.
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 433
Neumann. Es freut mich, dass dieser Fall eine so lebhafte
Debatte hervorgerufen hat Schon dieser Umstand zeigt ja die Schwierigkeit
der Diagnose. — Es handelt sich uns hier hauptsächlich um die Eni*
Scheidung, ob das, was wir vor uns haben, Syphilis ist oder nicht Für Lues
könnte blos die einzige Stelle am Scrotum sprechen. Ich bin überzeugt,
dass es spitze Condylome sind, werde den Kranken jedoch mit Inunctionen
behandeln und ihn nach 14 Tagen wieder Torstellen. leh werde übrigens
auch einige solche EfQorescenzen untersuchen und die anatomische Untere
suchung wird gewiss das Entscheidende ergeben.
y. Hebra: Neumann hat auf die Efflorescenzen am Scrotum auf"
merksam gemacht Ich finde jedoch, dass hier gerade die Maceration nicht
so stark eingewirkt hat. Zweifellos ist aber am Penis eine Sclerose vor^
banden. Es ist ja übrigens noch heute nicht aufgeklart, wodurch spitze
Condylome sich bilden, wenn und unter welchen Bedingungen sie ent-
stehen. Die Art und Weise ist eine ausserordentlich wechselnde. Ich habe
z. B. ein Mädchen gekannt, die spitze Condylome nach einem einfachen
Nadelstich acquirirt hat Es müssen bestimmte Momente im Individuum
selbst vorhanden sein, wodurch die Entwicklung der spitzen Condylome
veranlasst wird. Dass nicht gerade nur Tripper Bedingung für die Ent^
stehung derselben ist, geht ja aus dem erwähnten Falle hervor. Von diesem
Gesichtspunkte aus wäre es ja nicht unmöglich, dass in einem Falle
einmal der Eiter einer wirklichen Syphilis-Efflorescenz Anlass geben
könnte zur Entstehung solcher Condylome. Die Localisation in diesem
Falle spricht ja gerade für diese Annahme. Ich halte daher diesen Fall
für syphilitisch. Dass blos an diesen Stellen ausschliesslich syphilitische
Efflorescenzen vorkommen können, davon habe ich mich neuerdings vor
wenigen Tagen überzeugt. Die Seltenheit dieser Fälle darf man daher
nicht mit zur Beurtheilung derselben heranziehen.
Grünfeld: Neumann hat direct die Frage gestellt: Ist es Sy-
philis oder nicht? Wir beantworten diese Frage am leichtesten, wenn wir
den Fall gründlich besichtigen. Wenn Sie eine Stelle ganz rückwärts
ansehen, dann werden Sie zugeben, dass wir es hier nicht blos mit spitzen
Condylomen zu thun haben. Das sind Infiltrate, wie man sie nur bei
Syphilis zu sehen bekommt. Ebenso wäre ich geneigt, viele andere Stellen,
die das gleiche eigenthümliohe Aussehen zeigen, als auf Lues hinweisend
zu bezeichnen. Ich schliesse mich daher der Ansicht an, dass es sich
thatsächlich um Syphilis handelt. Uebrigens schliesse ich mich der Ansicht
Neumann' s, den Fall negativ zu behandeln, nicht an, sondern bin überdies
für eine locale Behandlung.
Neu mann. Ich betone nochmals, dass man bei der Beurtheilung
solcher Fälle sich nicht blos auf die Besichtigung des Afters und Scrotums
beschränken darf, ohne sich um das Individuum im Uebrigen zu kümmern.
Man muss doch immer bei der Diagnose gewisse Anhaltspunkte heranziehen.
Hier fehlen sie vollständig, es liegt gar kein Zeichen von Syphilis vor.
Reste einer Sclerose habe ich nicht gefunden. Der Kranke ist früher nur
mit Balanoposthitis hereingekommen.
ArehlT f. DermatoL u. Syphil. Band XXVIT. og
434 Verhandlungen
Schiff. Die Frau, die ich Ihnen hier yorstelle, steht seit 6 Jahren
in meiner Behandlung. Als dieselbe zu mir kam, constatirte ich einen
Lupus erythematosus, der sich aber beide Wangen, Nase, den grösst^n
Theil der Stime, Lippen (mit einem grossen Theile des Lippenroths) beide
Ohren und einen grossen Theil des behaarten Kopfes ausbreitete und
angeblich seit einem halben Jahre bestand. Wie Sie sich überzeugen
können, ist Patientin heute als nahezu vollkommen geheilt zu betrachten
und der Grund weshalb ich dieselbe vorstelle ist, dass ich einen Rückblick
auf die hier vorgenommene Behandlung anstellen wilL Es wurden bei
dieser Patientin die verschiedensten Methoden angewendet. Es wurden
einerseits chemische (Salicylpflaster, Quecksilberpflaster, Pyrogallussalben),
andererseits mechanische Eingriffe (Excochleation mit und ohne nach-
trägliche Gauterisation mit bis zu 10% Sublimatlösung), Stichelung, Sca-
rification etc. vorgenommen. Nach den an diesem Falle gewonnenen Er^
fahrungen muss ich bemerken, dass ich die beste Wirkung immer in der
Weise erzielte, dass ich starkpercentige Salicylpflaster (bis zu 40*/«) behufs
Abschälung und sodann Empl. hydrargyr. zur Ausheilung anwendete.
Neu mann stellt zweitens eine 48jährige Kranke mit diffusen Narben
an der Gesichtshaut und der rechten Ohrmuschel, an deren Rand sowie
in denselben eingesprengt sich linsengrosse, lenticuläre, braunrothe Ef-
florescenzen — cutane Gummen — befinden. Sowohl die Beschaffenheit
der Narben als die Farbe der Efflorescenzen zeigen grosse Aehnlichkeit
mit Lupus vulgaris. Die Stellung der Diagnose Syphilis wird ermöglicht
durch ein den Knochen biossiegendes, Überkreuzergrosses kraterformiges
grummöses Geschwür rechts an der Stimhaut, femer durch vollkommen
charakteristische, scharf umschriebene, weiche, weisse, an der Peripherie
pigmentirte Narben nach uicerirten Gummen am rechten Ober- und
Unterschenkel.
Lang. Solche Erkrankungen bei Syphilitischen, wie hier an der
Wange, die in der That an Lupus erinnern, sind mir nicht neu und ich
bin schon seit lange darauf aufmerksam geworden. Ich habe bei jahrelang
bestehenden luetischen Infiltraten nach der Rückbildung einen Rest zu-
rückbleiben sehen, der an Lupus erinnert hat und ich habe sie als lupoid
bezeichnet und dies in meinem Buche hervorgehoben. Man kommt gar
nicht selten in die Lage, einen solchen lupoiden Rest nach Jahren wahr-
zunehmen. Diesen kann man aber dann antiluetisch behandeln, soviel man
will, es hilft weder locale noch allgemeine antisyphilitische Behandlung;
nur energisches Verfahren wie bei Lupus führt zum Ziele.
Ehr mann. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es sich in
diesen Fällen darum handelt, dass eine käsige Masse in einem derben
Narbengewebe eingeschlossen ist. Ich möchte daher auf rein anatomischen
Verhältnissen die mangelhafte Resorption dieser angehäuften käsigen Massen
erklären.
Kohn bemerkt, dass nach älteren Autoren solche Narben sich noch
auf Decoctum Zittmanni (Decoct. Sarsaparillae compositum mitius) zurück-
bilden können.
der Wiener dermatologischen Gesellschaft.
Neumann zeigt eine 44jälirige Kranke mit gummösen Üi
im Rachen, Defect der Uvula, Gaumenbögen und der Tonsil
eines Theiles des Gaumensegels. Die Kranke wurde bisher noc
cifisch behandelt.
4. einen Fall von Erythema multiforme. Dieser ist besonde
bemerkenswerth, dass sich während der ganzen Krankheitsdai
Wochen) anhaltendes hochgradiges Fieber 88*9* — ^39' eingestel
Zustand, der höchst selten ist, wenn nicht andere intercurri
krankungen: Pericarditis u. s. w. vorliegen.. Die Untersuchung d
Organe ergab ein vollständig negatives Resultat.
Neu mann erwähnt endlich einen Fall von Vagina duplex
die Versammlung ein, denselben anzusehen.
Nobl demonstrirt aus der Abtheilung Langes folgende
1. Einen 70jährigen Thorwächter mit serpiginös grt
Pemphigus. Das Leiden begann sich bei dem vorher stets
namentlich aber nie von einer ähnlichen Blaseneruption befallen
Manne im November v. J. zu entwickeln, seither traten in unreg
Intervallen unter heftig juckenden und brennenden £mpfin(
Schlangenlinien aneinander gestellte Bläschen- und Blasengrupp«
nach kurzem Bestände wieder abheilten. Seit wenigen Wochen
sich die Nachschübe in beträchtlicher Anzahl, ohne eine besonde i
zur Involution zu zeigen ; seither bemerkt Patient eine fortschre
nähme seiner Kräfte, leidet an Appetitlosigkeit und verbringt <
schlaflos.
Bei dem sehr herabgekommenen kachectischen Patienten
die allgemeine Decke dicht besetzt mit serpiginös gestellten Bla
verschiedenen Stadien der Entwicklung und Ruckbildung, die in
die vordere Halsregion, die Achselhöhlen, Thorax und Innen
Oberschenkel occupiren und vielfach auf weite Strecken hin
blössung des nässenden Coriums fuhren. Zerstreut zwischen d
gruppen, ferner an den Armen, bis an die Handteller heran, t
und Rücken stehen solitäre bis nussgrosse Blasen. Die jetzt i
Mundschleimhaut zeigte sich zur Zeit der Aufnahme an dei
exfoliirt, die exfoliirte Stelle von Blasenresten umsäumt. Die
suchung ergibt eine nur massige Leucocytose, welche sich bei
analytischen Exploration, hauptsächlich auf eine Vermehrung
philen Zellen beziehen lässt. Im Harne sind keine abnorm«
theile nachweisbar.
2. Einen 20 Jahre alten Mann, bei welchem Lang voi
die tiefe Excision eines theils verrucösen, theils skh
Lupusherdes am rechten Fussrücken vornahm und dei
Defect mittelst Thiersch'scher Transplantation zur U
brachte. Da bei der mächtigen Derbheit des Krankheitsherdes
werden konnte, inwieweit auch das unterliegende Gewebe i
scheiden, Sehnen etc. von dem Processe mit befallen sind, sc
der Operation für den Fall einer Durchwuoherung der genani
436 VerhandluDgen
auch auf eine eventuelle Resection der Sehnen und Sehnennaht Bedacht
genommen werden. Da es sich jedoch nach der Excision zeigte, dass das
ganze kranke Gewebe mit dem Hautlappen entfernt worden war, so konnte
sogleich zur Deckung des 8 Gm. langen, 4 Gm. breiten Defectes, an dessen
Grunde die blossgelegten Sehnen des Streckers zu sehen waren, geschritten
werden. Die Lappen wurden der Streckseite desselben Oberschenkels
entnommen und um zu vermeiden, dass die Epidermislappen durch die
Bewegung der Sehnen abgehoben werden, wurde ein Fixations - Ver-
band angelegt Bei dem ersten, 8 Tage nach der Operation erfolgten
Verbandwechsel, zeigte sich, dass die transplantirten Epidermislappen,
mit Ausnahme an 2 — 8 linsen- bis fingerspitzgrossen Stellen angeheilt waren.
Nachträglich wurden noch einzelne in der Umgebung des Lupusherdes im
gesunden Hautgewebe eingestreut sitzende, für Lupusknötchen suspecte
Stellen theils mit dem Thermocauter, theils mit Nadelelektrode zerstört.
Seit 14 Tagen geht Patient herum und hat die Plastik bisher in
keiner Weise Schaden gelitten.
Neumann. Ich glaube, dass dieser Fall geeignet wäre, den
Ghirurgen verschiedene Aufschlüsse zu geben, die bei solchen Fällen
Rhinoplastik anwenden.
Lang. Zur anregenden Bemerkung Neumann^s möchte ich Einiges
hinzufugen:
Es handelt sich in jedem Falle darum, den gesammten Erankheits*
herd herauszunehmen. Ich gehe in jedem Falle, wenn ich Lupus ex-
stirpire, so vor, dass ich jedesmal das Stück nach der Operation durch-
schneide, um zu sehen, ob ich in der Tiefe über die Grenze des Lupus,
hinausgelangt bin. Ich habe vor Jahren an einem Techniker die Ex-
stirpation eines Lupus der Wange vorgenommen. Nach der Operation
zeigte sich noch immer lupöses Gewebe, so dass ich tiefer ging und
Läppchen der Parotis noch entfernen musste. Nach erfolgter Trans-
plantation zeigte sich auch noch mitten in der transplantirten Stelle eine
kleine Fistel, aus der wenig Speichel austrat Nach etlichen Tagen hat
sich aber die Fistel von selbst geschlossen und als ich dann den Mann
nach einigen Monaten wieder sah, stand die Sache ganz gut. Dann habe
ich ihn freilich aus der Beobachtung verloren. Worauf es also bei der
Operation ankommt, ist: Ob man bei radiealem Vorgehen Aussicht hat
alles Kranke zu exstirpiren, ohne dass Recidive eintritt. Weinlechner
hat mir selbst erklärt, dass er neuerdings den Lupus in gleicher Weise
behandeln und trachten wird, durch Radicaloperation immer das Ganze zu
entfernen. Ist es wirklich gelungen. Alles herauszubekommen, dann hat
man auch entschieden Aussieht, dass keine Kecidive eintreten wird.
V. Zeissl. Ich erinnere mich an einen Fall von der Klinik D um-
reich er's. Er betraf ein Mädchen, bei dem der grrösste Theil der Nase
zerstört war, nur die Nasenflügel waren erhalten. Wir schritten zur
Rhinoplastik aus der Stimhaut. Trotzdem mit grosser Sorgfalt operirt
wurde, bekam sie nach 2 Jahren wieder Lupus im transplantirten Lappen.
Ob er dann wieder geheilt wurde, weiss ich nicht.
der Wiener dermatologisclieii Gesellschaft. 437
Neumann. Wenn Jemand einen (^esichtslupus hat, dann hängt es
hanptsächlich davon ab, ob er nur in der Haut oder schon tiefer, im Unter-
hantzellgewebe oder gar in den Muskeln, Fascien u. s. w. steckt. Wenn
man solche Kranke von der Mundhöhle aus untersucht, so findet man be
Kecidire das Grewebe in der Tiefe noch immer infiltrirt. Es mnss also der
darüber gelegte Hautlappen- recidiv lupös werden. Freilich ist es bekannt,
dass das lupöse Gewebe sehr langsam proliferirt. Daher kommt es, dass
die Recidive lange auf sich warten lässt. Wenn man demnach solche
Exstirpationen vornimmt, so muss man ordentlich in die Tiefe gehen. Ich
kann Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass ich Fälle kenne,
die vor Jahren auf der Klinik Billroth's in der Weise operirt wurden
und die bis heute sehr gut sind.
Lang. Gestatten Sie mir noch eine kurze Bemerkung. Wir müssen
doch die Exstirpationen und Transplantationen von einst wohl von heute
unterscheiden. Wir haben heute eine ganz andere Vorstellung vom Lupus
und gehen daher von Vornherein anders darauf los. Es scheint in der That,
dass jetzt eben das Ausgehen von anderen Gesichtspunkten auch andere
Resultate erzielen lässt. Was das Recidiviren betrifit, so steht Folgendes
fest. Wenn man die früher üblichen ätzenden Mittel und Pyrogallol und
dergl. anwendet, so ist der Mensch, wie ja auch Neumann hervorgehoben
hat, nach spätestens 3 Monaten wieder mit Recidive da. Das operative
Vorgehen ist jetzt ein ganz anderes geworden. Wir transplantiren jetzt
nur eine papierdünne Schichte, die eigentlich nur die Papillenspitzen
enthält. Würden also noch die Bedingungen zur Recidive vorhanden sein,
so müsste dies sehr bald eintreten und würde nicht zum Dnrchbruch
Jahre nöthig haben, wie nach einer Transplantation dicker Hautlappen»
wo der Lupus durch die ganze Hautschichte vorzudringen hat. Ich glaube
daher, dass, wenn man nach unserem jetzigen Verfahren nach 6 Monaten
in loco keinen erneuerten Lupus beobachtet, die Operation als gründlich
gemacht angesehen werden kann.
Nobl zeigt noch:
8. Eine 45jährige verheiratete Frau aus Galizien mit einer fast
die ganze rechte Gesässbacke einnehmenden gummösen Ge-
schwulst. Der über zweifaustgrosse Tumor ist von höckeriger, knolliger
Oberfläche und durch vielfache in die Tiefe ziehende, narbige Stränge
segmentirt, die Haut über demselben theils livid, theils sehnigweiss
glänzend, narbig verändert. Nach unten zu ist das stark halbkugelig
prominente Gumma von einer breiten und tief reichenden, offenbar aus
dem Zerfall von Infiltraten entstandenen Geschwürs - Rinne umgrenzt.
Von dieser Rinne ans lassen sich Buchten und Gänge in das Infiltrat hin
verfolgen und füllt sich dieselbe bei stärkerem Drucke auf den massig
derben Tumor reichlich mit Eiter. Narbenresiduen früherer Infiltrate
sind an der linken Sitzbacke und über dem rechten Unterschenkel zu
sehn. Für das Leiden gibt Patientin eine Smonatliche Dauer an, während
welcher Zeit keinerlei antiluetische Therapie versucht worden war. Die
Frau hat siebenmal geboren, von den Kindern starben 4 im Alter
438 Yerhandlungen
zwischen 10 — 15 Jahren, suletzt abortirte sie vor 6 Jahren im dritten
Monat der Gravidität, aber eine venerische Erkrankung weiss sie nicht
anzugeben.
Ehrmann. Ich habe diese Fälle immer für Syphilis angesehen
und habe sie seinerzeit in der Kraus'schen Zeitung beschrieben. Ein
Gegner meiner Ansicht war der verstorbene Prof. Kundrat, der be-
hauptet hat, dass es sich in diesen Fällen um Tuberculose handelt
Nobl. Das Secret ist in diesem Falle oft untersucht worden und
es sind keine Tuberkelbacillen gefunden worden.
Spiegier stellt vor
1. Ein Mädchen von 18 Jahren mit einer Sclerose an der Oberlippe.
2. Eine 44jährige Frau mit multiplen erbsengrossen Geschwülsten
am Kopfe, im Gesichte und am Stamme, die seit 1 Jahre bestehen.
Ihr 72jähriger Vater, der mit billardballengrossen Tumoren am
Capillitium und Rucken behaftet war, wurde im vorigen Jahre in der Ge-
sellschaft vorgestellt. Die Geschwülste erwiesen sich als Peritheliome. Die
histologische Untersuchung ist noch nicht vorgenommen, da Patientin T&gs
vorher aufgenommen worden war. Es wird hierüber noch näher berichtet
werden.
3. Eine 48jährige Frau mit Lupus vulgaris faciei, auf dessen Basis
sich ein Garcinom entwickelt hat und erörtert hiebei die einschlägigen
histologischen Verhältnisse.
Schliesslich demonstrirt Spiegier eine Reincultur von Gono-
coccen, die nach dem von Ghon und Schiagenhaufen mitge-
1 heilten Verfahren dargestellt war (Aufstreichen eines Bluttropfens aof
eine Agarplatte).
Verliandlungen der Berliner dermatologischen
Vereinigung.
Sitzung vom 9. Janaar 1894.
Vorsitzender: Las aar. Schriftführer: Saalfeld.
I. Schütte stellt einen Fat. vor, der vorher kräftig und gesund, Weih-
nachten 1892 mit Schmerzen in den Gelenken, Ellbeugen und Kniekehlen,
erkrankte. Es bildeten sich daselbst rothe Flecke, die stark schmerzten
und zeitweise aufsprangen. Als er in die Klinik Lassar^s kam, bot er
das Bild einer typischen Sklerodermie. Der Fat. konnte die Beine nur
schwer bewegen, als ob die Kniegelenke ankylosirt wären. Die Behandlung
bestand in langdauemden Salzbädern und Massage mit Salicylvaseline
zuerst 2*/tige, später 5, 8, bis lO'/oige Salben. Es machte sich bald eine
erst subjective, später auch objective fortschreitende Besserung bemerkbar.
Fat. ist jetzt im Stande, sich wieder frei zu bewegen und seiner Arbeit
als Umlader auf der Bahn nachzugehen. Während der Behandlung zeigte
sich im Urin, der täglich untersucht wurde, kein Albumen, dagegen bei
Anwendung der stärkeren Salben eine geringe Menge Salicylsäure. —
Vor einem Jahre wurde ebenfalls aus der Las s arischen Klinik eine Dame
vorgestellt, die in gleicher Weise behandelt wurde, und bei der die
Heilung seit dieser Zeit anhält. Auch von Bouget in Lausanne ist
unabhängig die ähnliche Behandlungsmethode eingeschlagen worden und
derselbe Erfolg mit der Salicylsäure erzielt worden. Man muss also an-
nehmen, dass die Salicylsäure einen gewissen Einfluss auf die Sklerodermie
ausübt.
Lassar fügt hinzu, dass, als der erste Fall s. Z. in der Gesellschaft
vorgestellt wurde, an der Wirkung der Therapie Zweifel gehegt wurden.
Dieser Fall beweist, dass die Salicylsäure zur Resorption gelangt,
und bestätigt die damals ausgesprochene Yermuthung der Wirkung
derselben.
Lewin macht darauf aufmerksam, dass in einer Anzahl von Fällen
die Sklerodermie sich häufig verändert und nachher ein Recidiv eintritt.
So beabsichtigte er heute einen Kranken vorzustellen, der ein SklOTO-
derma an der linken Wade zeigte, und bei dem bei der heutigen Unter-
suchung eine bedeutende Besserung eingetreten war. L. fragt, ob in dem
440 Verhandlungen
vorgestellten Falle ein Einfluss der Nerven beobachtet worden ist, da
Kaposi nachgewiesen hat, dass das Skleroderma in einzelnen Fällen vom
Verlauf der Nerven abhangt und auch Westphal die nervöse Natur
der Affection in zwei Fällen durch anatomische Befunde erhärtet hat
Schütte stellt femer ein Kind vor, welches in geringerem Grade
dieselben Erscheinungen im Gesicht aufwies und durch dieselbe Be-
handlung gebessert wurde. Das Kind leidet zugleich an einer Hemi-
atrophia facialis und steht noch in anderweitiger Behandlung mittelst
Elektricität
Lassar glaubt, dass natürliche Schwankungen im Verlauf des
Skleroderma im Auge behalten, gleich lautende Erfolge bei gleich ve^
laufenden Fällen der Erwägung werth sind. Es soll keineswegs die
Behandlungsmethode verallgemeinert werden, aber in den beiden Fällen
ist der Erfolg nicht wegzuleugnen.
n. Peter: Der 5jährge Knabe Erich Schulz wurde am 5. October
V. Jahres der Klinik L a s s a r's überwiesen. Er zeig^ auf Gesicht, Armen
und Brust ein pustulöses Exanthem, welches für Variola hätte gehalten
werden können, wenn nicht das günstige Allgemeinbefinden und die Tem-
peratur dagegen gesprochen hätten. Der Knabe war wegen eines von
frühester Kindheit an bestehenden Ekzems niemals geimpft worden. Die
mit animaler Lymphe geimpfte, zwei Jahre alte Schwester des Patienten
wurde mit dem Knaben in derselben Wanne gebadet. Hier muss sich die
Vaccine suspendirt und auf die von Epidermis entblössten Stellen ein-
geimpft haben : so entstand eine generalisirte Vaccine. Der Process heilte
innerhalb dreier Wochen ab und zeigt noch heute sichtbare Narben. Der
günstige Einfluss auf das Ekzem war nur ein vorübergehender. Die in
der Literatur erwähnten Fälle betreffen meistens Autoinoculationen, nur
in 4 Fällen ist eine Uebertragung durch andere Personen bekannt. Drei
von diesen sind erst vor kurzer Zeit aus der Kinderklinik zu München
veröffentlicht worden und ist der Autor der Ansicht, dass die Generali-
sation durch eine Art Metastase auf dem Wege der Lymph- resp. Blut-
bahnen zu Stande kommt. Einfacher erscheint die Annahme, dass es sich
in allen diesen Fällen um eine mechanische Verbreitung handelt. Dafür
sprechen der gleichzeitige Ausbruch an den verschiedensten Stellen des
Körpers und der Umstand, dass nur die von Epidermis beraubten Stellen
befallen werden und die Eruption auf diese allein beschränkt bleibt.
Ledermann hat vor einigen Wochen einen Knaben mit grenera-
lisirter Vaccine behandelt, bei dem sich die Affection an die Impfung
ansohloBS. In diesem Fall waren aber auch diejenigen Stellen befallen,
die der Knabe mit dem Finger nicht berühren konnte, z. B, die Haut
zwischen den Schulterblättern. Wenn man also nicht annimmt, dass durch
die Kleider der Pustelinhalt übertragen wurde, so muss man doch zu der
Ansicht zurückgreifen, dass der Lymphstrom die Krankheit verschlep-
pen kann.
in. Lewin stellt einen Pat vor, der wegen Syphilis mit Quecksilber-
oxycyanid behandelt wurde. Derselbe zeigte nebenbei auf dem Rücken
der Berliner (iermatologischen Vereinigung.
der ersten Phalanx beider Daumen zwei callöse Tumoren und i
Haut zwischen erstem und zweitem Finger ein pustulöses 6es
Es handelt sich dabei um eine noch nicht beschriebene Gewerbei
heit. Patient ist Melker in der Yictoria-Melkerei und erklärt dii
stehung der Tumoren in der Weise, dass er beim Melken auf dei
Seite des Euters die vier Finger und auf der anderen Seite den
flectirten Daumen andrückt. Durch diese täglich hervorgerufene In
soll die Verdickung hervorgerufen sein. Was die Entstehung des Ges i
betrifit, so ist dieselbe nicht ganz klar.* Es zeigt ein eitrig serö;
sudat und waren in der Wunde selbst eine Anzahl Haare vorband
nach Entfernung derselben das Geschwür heilte, so kann man
eine mechanische Verletzung denken. Von Syphilis war keine Re
auch für Tuberculose fand sich kein Anhalt. Es wäre interessant,
stellen, ob solche Erkrankungen auch anderweitig beobachtet sind
Lassar hat früher häufig Gelegenheit gehabt, Leichentube '.
sehen und findet, dass eine gewisse Aehnlichkeit dieser Tumoren i i
sogenannten Leichentuberkel vorbanden ist. Auch könnte der E
ein weicher Gegenstand eine solche Irritation kaum ausüben.
Lewin ist der Ansicht, dass für einen Leichentuberkel de)
Tumor zu weich ist. Zweitens ist derselbe stets trocken, während I
berkel sehr häufig nässen, und ausserdem erzählt der Pat., da \
seiner Gollegen dieselbe Affection haben.
rV. Ledermann. Der vorgestellte Pat. wurde im J. 1890 i
und bekam eine grosse Anzahl Einspritzungen. 1891 bekam er ein i
1892 erkrankte er an einer Iritis, die aber nicht für specifisch ] i
und daher nicht antiluetisch behandelt wurde. Im April vor. Ja
krankte er an einem Ulcus gummosum des Unterschenkels, das
behandelt wurde und später im October wieder recidivirte. Am
bemerkte der Kranke plötzlich, als er aufstehen wollte, dass
linke Bein eingeschlafen war. Er hatte in demselben ein Kä! i
und konnte nicht mehr, ohne zu schwanken, gehen. Als L. ihn am :
Tage sah, musste er sich auf einen Stock stützen. Der Pate! i
zeigte sich erhöht, besonders links, es bestand starker Fussclo i
Nerven der oberen Extremitäten, des Gesichts und der Augei i
waren normal ; femer bestand ein deutlich spastischer (rang und S
und Schmerzen im linken Bein. Auch von Seiten der Blase und c
darms waren leichte Störungen vorhanden. Es kann sich also
einen Process handeln, der in der Gegend des letzten Dorsalnerve
Sitz hat. Der Fall ist ein prägnantes Beispiel für die Spinalstöru i
Lues. Die Kranken werden meist plötzlich befallen. Der Pat. hat
Jodkali bekommen und eine Schmiercur durchgemacht, täglic
Besorbinquecksilber. Die Erscheinungen sind jetzt im Rückga
Pat. ist im Stande, ohne Stock zu laufen, das Gürtelgefühl ist g
den, das Kältegefühl geringer, die Patellarreflexe nicht mehr
Nebenbei bemerkt L., dass Pat. augenblicklich eine Stomatitis ui I
vitis nach Hesorbin hat.
442 Verhandlungen
Casper fragt, ob die Blasenstörungen zurückgegangen sind.
Ledermann bejaht die Frage.
Isaac fragt, ob der Sitz der Erkrankung genauer zu präcisiren ist
und ob man annehmen muss, dass mehrere Herde vorhanden sind, oder
ob es sich nur um die Erkrankung einer Stelle im Rückenmark handelt.
Ledermann stellt sich vor, dass durch gummöse Wucherungen
in den Rückenmarkshäuten eine Gompressionsmyelitis in der Gegend des
letzten Dorsalwirbels entstanden ist.
Isaac weist darauf hin, ob in derartigen Fällen nicht von vorn-
herein die Anwendung grosser Dosen von Mercur vorzuziehen sei.
Ledermann glaubt, da Pat. jetzt schon eine Gingivitis zeigt, bd
grösseren Dosen die Cur noch schneller hätte unterbrochen werden müssen.
Y. Heller stellt eine junge Dame vor, die als Beleg für den Vortrag
Lewin 's über Leucoderma dienen soll. Es handelt sich um einen Fall
von Leucoderma non specificum. Ob die Patientin augenblicklich specifisch
erkrankt ist, bleibt dahingestellt, jedenfalls ist in der Charite eine der-
artige Erkrankung nicht festgestellt worden. Anamnestisch gibt die Kranke
an, dass sie von Kindheit auf an Drüsen gelitten habe und dass in Folge
eines Thees Geschwüre in der Halsgegend aufgetreten seien, von denen
die jetzigen Flecke stammen sollen. H. glaubt, dass,, wer von der Ansicht
ausgeht, dass jedes Leucoderma far Lues spricht, auch in diesem Falle
ohne Weiteres die Diagnose auf Lues stellen würde. Es ist das ein Pa-
rallelfall zu dem von Lewin in seiner Arbeit angeführten Fall, bei dem
eine Amme leucodermatische Flecke zeigte und ein Arzt bestätigte, dass
dieselben von Jugend an bestanden haben.
Lew in hat in den letzten Tagen die Schwester eines Collegen
gesehen, die ebenfalls ein ausgebreitetes Leucoderma non specificnm
zeigte. Der College weiss, dass die Affection bei seiner Schwester seit
dem 8. Lebensjahre besteht.
VL Immerwahr demonstrirt einen Diplococcus, der in der männ-
lichen Urethra bei dem Versuch, Gonococcen zu züchten, gefunden wurde.
Immerwahr stellte in der Klinik von Dr. Rosenthal zuerst Züchtnngs-
Versuohe mit menschlichem Blutserum, das aus der Placenta gewonnen
war, an. Es gelang ihm mehrfach, auf den Serum- Agar-Platten gono-
coccenähnliche Colonien zu sehen. Dieselben aber zu isoliren und rein
zu züchten, gelang nicht, da Blutserum kaum jemals keimfrei zu erhalten
ist. Die weiteren Versuche wurden nach der Angabe von Menge angestellt
mit steril aufgefangener Flüssigkeit eines Ovarialcystoms. Auch hier sind
die Erfolge bis jetzt negativ, was vielleicht an dem starken Macingehalt
der Cystomflüssigkeit liegt. Die Untersuchungen werden fortgesetzt
Dagegen fand sich auf den Platten ein Diplococcus, welcher in Form und
Farbe seiner Colonien als aucn in seiner Gestalt mit dem Gonococcos
grosse Aehnlichkeit hat.
Im mikroskopischen Präparat des Urethralsecrets zeigten sich zahl-
reiche Anhäufungen, welche wie die Gonococcen um den Zellkern der
Rundzellen lagen. Dieser Diplococcus entfärbt sich ebenfalls nach Gram,
der Berliner dermatologischen Vereinigung. 443
aber er wächst auch auf den gewöhnlichen Nährböden und erhält seine
Lebensfähigkeit länger als jener. Die isolirten Coccen sind meist etwas
grösser als der Gonococcas, ungefähr 1 ft. Dieser Diplococcus lässt sich
also vom Gonococcus Neisser sowie von den bisher beschriebenen Diplo-
coccen von Mannaberg , Steinschneider, Petit u. A. leicht
differenziren. Seine (Kolonien auf Agar sind von grauer Farbe, Gelatine
verflüssigt er nicht und wächst auf ihr langsam. Derselbe scheint mit
einem von Hugouneng und Eraud im Februar 1893 beschriebenen
Diplococcus , den dieselben Orchiococcus nannten , identisch zu sein.
Diese Autoren behaupten, dass dieser Goccus stets zu finden sei, wenn
später Epididymitis zur Gonorrhoe hinzutritt; nothwendig sei aber das
Eintreten derselben nicht. Experimentell konnten sie durch Einspritzen
einer Reincultur in den Hoden eines Hundes Orchitis erzengen. Auch
das Toxalbnmin des Goccus haben sie dargestellt und mit demselben noch
stärkere Wirkungen als mit der Reincultur erzielt. I. hat in zwei Fällen
von Epididymitis den sog. Orchiococcus im Urethralsecret ebenfalls
gefunden. Ob sich bei dem Pat., von dem die demonstrirten Goccen
stammen, eine Epididymitis eingestellt hat, kann I. nicht angeben.
Casper kann sich nicht davon überzeugen, dass es sich um einen
neuen Diplococcus handelt. Dass gelegentlich ein Paar Goccen neben
einander liegen und einen Diplococcus bilden, kommt häufig vor, das
Charakteristische des Diplococcus ist aber, dass er sich immer und immer
wieder zu zweien zeigt. Auf ihn machen die demonstrirten Coccen den
Eindruck von Staphylococcen. Gram hat ebenfalls einen Diplococcus
beschrieben, der sich nach seiner (Gram's) Methode entfärbt, soweit
C. bekannt ist. Mit der Farbe hat es überhaupt eine eigenthümliche
Bewcmdtnis, da es sehr viel darauf ankommt, was für Licht auf das betr.
Object fallt. Er glaubt, derartige Diplococcen schon sehr häufig gesehen
zu haben.
Rosenthal erwähnt, dass der Diplococcus, wenn er in Haufen
liegt, nicht zu erkennen ist ; erst durch Zusatz von einem Tropfen Wasser
gelingt es häufig, erst die Haufen zu trennen und die Anordnung zu
zweien zu erkennen.
Heller fragt, wie Immerwahr nachgewiesen hat, dass die
Goccen, die in den Zellen lagen, die Orchiococcen seien.
Immerwahr glaubt in der Grösse und der Form den Unterschied
erkannt zu haben.
Casper meint, dass die Diplococcen immer als solche zu differen-
ziren sein müssten. In dem demonstrirten Präparat scheinen dieselben
aber stets in Haufen bei einander zu liegen.
Immerwahr betont, dass man höchstens daran denken könnte,
dass in dem Präparat noch ausserdem Staphylococcen vorhanden seien,
aber von diesen sieht ein Goccus ans wie der andere; dieselben sind
traubenformig zusammengeballt, während hier die Goccen isolirt sind.
Vn. Discussion über den Vortrag von L e w i n : Ueber Leucoderma.
444 Verhandlungen
Isaac betont, dass in der That Fälle vorkommen, wo das Leaco-
derma sich zeigen kann, ohne dass die betreff. Person vorher Syphilis
gehabt hat, dass aber ein nicht syphilitisches Leacoderma einen grund-
verschiedenen Charakter von dem syphilitischen Leacoderma zeigt. Zu-
nächst zeigt letzteres stets, wie alle syphilitischen Hauterkrankungen eine
bilaterale Sjrmmetrie und eine bestimmte kreisförmige Anordnung. Er
erinnert' sich an Fälle, die man sofort als Yitiligo erkennen konnte: Die
Schattirung war eine andere, die weissen Flecke zeigten keine Ringform.
Als diagnostisches Hilfsmittel kann aber das Leucoderma nicht entbehrt
werden, und die Form desselben differential-diagnostisch verwerthet werden.
Rosenthal erwähnt, dass der Vortrag von Lewin in gewisser
Beziehung neue Gesichtspunkte eröffnete und Veranlassung gibt, die Unter-
suchungen auf diesem Gebiete fortzusetzen. Aber das steht fest, dass man,
sobald ein Leucoderma vorhanden ist, an Syphilis denken moss und eine
genauere Untersuchung des betreff. Patienten vorzunehmen hat. Was aber
den vorgestellten Fall Hei 1er 's betrifft, so kann derselbe nicht als ein
beweiskräftiges Paradigma für ein nicht specifisches Leucoderma angesehen
werden. Hier sind deutlich Narben sichtbar, also ist es kein reines Leuco-
derma und ist der Fall in dem besprochenen Sinne daher nicht zu ver-
werthen.
Heiler hat selbst hervorgehoben, dass an einzelnen Stellen kleine
Karben vorhanden sind. £r hat den Fall nur vorgestellt, weil von niclit-
specialistischer Seite auf das Leucoderma aussergewöhnlicher Werth ge-
legt worden ist und auf dieses Symptom allein die Diagnose gestellt
wurde. Femer erwähnt H. ein 8j ähriges Mädchen aus seiner Praxis, welches
durch ein Stuprum mit schwerer Lues inficirt wurde und am Halse ein
ausgesprochenes Leucoderma zeigte, das drei deutliche Zonen unterscheiden
Hess. In der Mitte war ein kleiner, rother Fleck, daran schloss sich ein
pigmentarmer Kranz und um diesen herum war erst die normale Haut
sichtbar.
Ledermann fuhrt zum Beweise, dass man jeden Fall mit Leuco-
derma genau untersuchen muss, einen Fall aus Breslau an, bei dem ein
junges Mädchen ein ausgeprägtes Leucoderma ohne sonstige Erscheinungen
zeigrte. Erst bei der Untersuchung per vaginam fand sich eine Plaque
muqueuse an der Portio.
Rosenthal glaubt, dass Farbennuancen, wie sie Heller erwähnt
hat, an denjenigen Stellen sichtbar sind» wo das Leucoderma sich ans
speciffschen Exanthemen entwickelt.
Heller hat darauf geachtet und am Hals des betreft Kindes kein
specifisches Fleckchen entdecken können.
Lewin betont nochmals die absolute Genauigkeit seiner Unter^
suchungen und bestreitet die Ansicht Isaac^s über das bilateral symme-
trische Auftreten syphilitischer Exantheme. Femer stimmt aach die Be-
schreibung Isaac's vom Leucoderma nicht mit derjenigen aberein, die
sich in der Literatur vorfindet. Die von ihm als mit nicht syphylitischem
Leucoderma bezeichneten Patienten sind auch von vielen anderen Collegen
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Vorkomi
äberein.
Venerische Krankheiten,
(Redigirt von Prof. Neitfser und Primararzt Jadassohn in Breslau.)
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cut. et syph. 1892. Nr. 3, p. 142.
(1) Nachdem Dohle im Blute von Masemkranken Parasiten gefun-
den hatte, die er für die Erreger der Masern hielt, untersuchte er in der-
Belben Weise Fälle von Scharlach, Pocken und Syphilis. Als Resultat seiner
Untersuchungen bei Syphilis theilt er Folgendes mit: Er untersuchte
1. Das Secret von 4 frischen syphilit. Primäraffecten,
2. bei 3 todtgeborenen Kindern mit congenitaler Lues den Saft der
diffus interstitiell erkrankten Lebern,
3. von einem bald nach der Oeburt verstorbenen Kinde den Saft
von Leber- und Lungengumma und den Inhalt von Pemphigusblasen.
Abgesehen von nicht charakteristischen Bakterien, die sich in den
frischen Geschwuren sehr reichlich, im Safte der Lungengummen sehr
spärlich fanden, sah der Verf. Protozoen sehr reichlich in den frischen
Geschwüren und dem Safte der Lebergummen, spärlich in dem der Lungen-
gummen, ziemlich reichlich im Inhalt der Pemphigusbläschen.
In Bezug auf die genaue Beschreibung muss auf das Original verwiesen
werden. Es handelt sich um '/, m bis 4 /« grosse (Zeiss V„ Immers. Ocul. 2)
theils von kugliger, theils ovaler Gestalt z. Th. sehr beweglich; bei den
der Syphilis. 449
grössten lässt sich eine darch Gontraction des Protoplasmas zu Stande
kommende Gestaltsveranderang nachweisen; im Innern des deutlich ge-
körnten Protoplasmas findet sich zaweilen eine helle vacnolen&hnliche
Stelle. Zar Färbung empfiehlt der Verf. Anilinwasser- Safiraninlösung oder
Methylenblaulösung in saurem schwefelsaurem Kali.
Auch in Schnitten von excidirten Sclerosen, Hoden- und Lebergum-
men, Pemphigusblasen bei congenitaler Lues hat der Verf. die von ihm
als Protozoen angesprochenen Körper stets gefunden und er hält diese be-
weglichen Protoplasmakörperchen für verschiedene Entwicklungsstadien
eines parasitären Protozoen — des Erregers der Syphilis. Lasch.
(2) Dass die Syphilis sich bis in die ältesten Zeiten verfolgen lässt,
geht nach Jelps aus einer Reihe von Thatsachen hervor. So fuhrt J.
aus den Forschungen Buret's, die dieser an den assyrisch-babylonischen
Keilschrifttafeln des britischen Museums gemacht hat, die Krankheitsge-
schichte Nimrods an, womach dieser wegen seiner ihm von der Göttin
der sündhaften Liebe zugefugten Leiden zum Gott der Unterwelt gepilgert
und dem Fährmann zur Heilung mit folgenden Worten übergeben sei »Der
Körper dieses Mannes ist mit Pusteln überdeckt und Schuppen haben die
Schönheit dieses Mannes verändert. . . Kimm ihm seine Häute fort. . .
Die Bedeckung seines Hauptes sovrie seiner Schamtheile lasse erneuern,
damit er verjüngt in seine Heimat zurückkehre." Diese Schilderung des
Körpers Nimrod^s widerholt sich noch mehrmals. J. glaubt, Buret zu-
stimmen zu müssen, dass man dabei wohl nur an eine syphilitische Er-
krankung denken könne.
Femer bezieht J. mit Buret in der biblischen Erzählung, dass
Gott Pharaos Haus um Sarah willen, mit der er in Verkehr getreten war,
mit grosser Plage heimsuchte, auf Lues, die Pharao auf seine anderen
Frauen und diejenigen seiner Officiere übertragt, welche Letztere sie weiter
verbreiteten. Derselbe Vorgang wie bei Pharao wiederholt sich im Ver-
kehre Abimelechs mit Sarah. Auch dieser wird von Lues danach befallen
und überträgt sie auf die Königin und seine Concubinen. Nach Gap. XX
der Genesis heilte Gott den König, seine Frau und Mägde, so dass sie
wieder gebären konnten. Da auch Sarah erst im späteren Alter ihre
Sterilität verlor, glaubt J., dass die Sterilität all dieser Frauen wohl durch
Lues bedinget gewesen sei. Ebenso bezieht J. mit Buret in der biblischen
Erzählung die Erkrankung Davids, nachdem er das Weib des Uriah hei-
ratete, sowie den frühen Tod des aus dieser Ehe geborenen Kindes — 7
Tage nach der Geburt — auf Lues. Auch die Klagen Davids in den Psalmen,
Tag und Nacht wüthen Schmerzen in seinen Gebeinen, Geschwüre trage
er seiner Sünden willen, die ihm zum Gespötte der Menschen machen, nichts
Heiles sei an seinem Körper, das Licht seiner Augen schwinde und dgl. m.
seien keine poetischen Metaphern, sondern deuten auf syphilitische
Dolores osteocopi nocturni, ulceröse Hautsyphilide, syphilit. Iritis im Allge-
meinen und durch Lues entstandene Kachexie. Auch die in den Sprüchen
Salomonis geschilderten Wirkungen des Umganges mit feilen Dirnen,
dessen Folgen bitter wie Wermuth und scharf wie ein zweischneidiges Schwert
ArchiT f. DsnnAtol. n. Syphil. Band XXVII. 20
450 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
und dessen Ende die Zerstörung des Körpers seien, sowie die in Cap.
XIX den Ecclesiasten untergelegten Spruche, die gleichfalls dem König Sa-
lomo zugeschrieben werden und in denen es heisst, dass der Umgang mit
Prostituirten den Menschen unrein mache, ihn dem Brand und den Würmern
überliefere, sowie ihn zum abschreckenden Beispiel mache, werden in
derselben Weise von J. auf Lues bezogen. Der Vers des Leviticus, Cap.
Xm „Wenn ein Geschwür in der Haut oder im Fleisch entsteht und nach
der Heilung eine röthliche Narbe entsteht**, deutet nach J. zweifellos auf
die Bekanntschaft mit syphilitischen Geschwüren. Unter den Ursachen, die
in der biblischen Zeit die Syphilis verbreiten, war es hauptsachlich der
Baal- oder Baal-Peordienst, ein Analogon des Priapus- und PhaUusdienstes
der Römer und Asiaten und unter den Stämmen, bei welchen in jener
Zeit die Baal-Peor-Seuche besonders vorkam, waren die Moabiter und
Midianitcr. Daher griff Moses nach dem Siege über Letztere zu dem radicalen
Mittel, alle der Seuche Verdächtigen hinrichten zu lassen. Von den Bibel-
stellen, welche J. auf Lues deutet, führt er noch folgende an:
„Der Herr wird den Scheitel der Häupter kahl werden oder das Haar
ausfaUen lassen.** Das Ansehen des Antlitzes spricht gegen sie, sie offenbaren
ihre Sünde und können sie nicht verhehlen. Der Herr wird sie mit Ge-
schwüren bedecken vom Scheitel bis zur Sohle. „Der Herr will, dass deine
Geschwüre wachsen und du sie deinen Nachkommen überlieferst.** In diesen
Versen ist nach J. Alopecia syphilitica, pustulöse, ulceröse und hereditäre
Lues deutlich markirt.
Aus dem Werke Dabry's fuhrt J. nach Buret weiterhin an,
dass in China schon 2700 Jahre a. C. Lues geherrscht hat, und dasa
auch Mercur als Heilmittel dort allgemein seit jener Zeit in Ge-
brauch ist.
Alles in Allem kann man sagen, dass die Syphilis, wie noch
heute, ein treuer Begleiter der Prostitution stets und überall vrar.
Buret verfolgt die Lues aber noch viel weiter und behauptet, dass
man an den beit 6000 Jahren Begrabenen, die man in den Gräbern in
Frankreich oder in denen der Inka's in Amerika findet, durch die Exo-
stosen an den Arcus superciliares und den Tubera frontalia und pari-
etalia und an der Tibialkante noch jetzt die einstmalige Lues dia-
gnosticiren kann.
Zum Schluss feiert J. Moses in beredten und begeisterten Worten
als den grössten Sanitätsbeamten, der durch seine genauen und pein-
lichen Vorschriften ein staunenswerthes Mass von Verständniss und ernstem
und kräftigem Wollen in der Bekämpfung der verderblichen Seuche be-
wiesen habe. Loeser.
(3) Buret will durch zwei zu Herculanum und Pompeji gefundene
Inschriften beweisen, dass die Syphilis mit ihren Folgen und Krankheits-
erscheinungen den Römern der damaligen Zeit schon bekannt und bei
ihnen verbreitet gewesen sei. — In dem zweiten Artikel, den er sehr
richtig mit den Worten: „Nihil sub sole novum** schliesst, bringt Buret
den Beweis, dass schon Ullrich von Hütten, genauer aber erst Blankard,
der Syphilis. 451
ein Holländischer Arzt, im Jahre 1684 an die Thiematar (wir sagen heate
Bakteriennatur) des syphilitischen Virus dachten und dass man faktisch
im Jahre 1762 glaubte, diese Wesen, die man Syphilococcen nannte, mit
Hilfe des Mikroskops gefunden zu haben. Paul Neisser.
(4)Westmoreland macht aufmerksam auf die grosse Gefahr der
extragenitalen Infection mit Lues. Koch.
(5) Ledermann bespricht die Bedeutung der Syphilis für das
wirthschaftliche Leben mit besonderer Berücksichtigung der Prophylaxis
und Therapie. Verf. geht ausfuhrlich auf die T dpi y 'sehen Untersuchungen
und die Fournier'sche Arbeit ein. Die Arbeit, welche im Wesentlichen
für den praktischen Arzt geschrieben ist, beschäftigt sich dann mit der
kindlichen Syphilis, deren Behandlung etc. Zum Schluss bespricht Verfasser
die Behandlung der Syphilis, welche er nach dem Fournier-Neisser-
schen Princip ausgeführt wissen will. Galewsky.
(6) Die „Province m^dicale^ theilt einen Fall mit, in welchem
von der „Assistance publique'' ein auf Syphilis nicht untersuchtes, aber
dieser Erkrankung verdächtiges Kind einer bis dahin gesunden Amme
übergeben wurde. — Nachdem diese durch das Kind zweifellos syphilitisch
angesteckt war, wurde die „Assistance publique** zu 7000 Fr. Schadener»
satz verurtheilt; gewiss endlich ein nachahmenswerthes Vorgehen.
Jadassohn.
(7) Dazenko verfugt über 651 von ihm selbst beobachtete Fälle, da-
von waren 53 V^ Syph. g^mm., 35*187o Syph. secnnd., 8'44% Syph. hered.
tarda (D. stellt eine Begründung dieser Diagnose in einer Specialarbeit
in Aussicht), 0*61 Syph. hered. secundaria, Primärsklerosen 1'38%. Nach
der Statistik des Verf. sind im Bauernstande daselbst die Kinder die
Infectionsvermittler. Von seinen 229 Fällen von S. secundaria sind 56
Kinder bis zu 5 Jahren, 28 5 — 10 Jahre, 21 10 — 15 Jahre alt. Die Kinder
inficiren sich gegenseitig beim Spielen, auch die meist 8 — 13 Jahre alten
Wärterinen tragen oft Syph. in die Familien. In einem Fall erfolgte die
Infection durch Schutzpockenimpfung. Die Zahl der an Syphilis leidenden
Frauen übersteigt die der Männer (56,77« • ^^t^Vt)* "was sich durch die
Beschäftigung mit den inficirten Kindern erklärt. Um den schädigenden
£influs8 der Syphilis auf die Fruchtbarkeit zu zeigen, hat D. 56 tertiär-
luetische Frauen ausgefragt, den Zahlen stellt er die von 56 gesunden
Frauen gegenüber.
56 Gesunde gebaren 429 Mal, am Leben sind 214 Kinder, Aborte
nnd Todtgeborene 16.
56 Syphilitische gebaren 213 Mal, am Leben sind 71 Kinder,
Aborte xmd Todtgeborene 40. Strauch.
(8) Von 280 Luesfallen Stellwagon's befanden sich
im Alter von 15 bis 20 Jahren: 23
» 20 „ 30
n
98
« 80 „ 40
II
79
„ 40 „ 50
»
48
über 50 Jahren
13.
29*
452 Bericht über die Leistungen aaf dem Gebiete
Bei den mit Spatsyphilis Behafteten handelte es sich 54 Mal um
tuberöse, 61 Mal nm tnbero-nlceröse, 8 Mal nm gummöse, 1 Mal um ve*
getirende Hautaffeotionen. Der Sita der Spätsyphilis war 43 Mal im Ge-
sicht, 30 Mal an den Beinen, 16 Mal an den Armen, 9 Mal an den Händen,
7 Mal am Rumpf, 4 Mal an der Kopfhaut, 3 Mal am Nacken, 1 Mal je
an den Füssen, den Flachhänden und Fusssohlen, 17 Mal an zwei oder
mehreren Theilen. In 3 Fällen pnstulöser Lues war dieselbe maligne. Die
meisten der Spätluetiker waren, soweit eine genaue Anamnese möglich
war, in der ersten Zeit der Infection nachlässig oder nur kurze Zeit be-
handelt Die Behandlung der Spatlues bestand in Anwendung von Hg.
sugleieh mit JK, oder wo dieses nicht vertragen wurde, JNa und JAm.
Die Combination von Hg mit den Jodsalzen wirkte besser als JK allein.
Ausnahmsweise war ein roborirendes Verfahren mit Leberthran und Eisen-
präparaten erforderlich, bevor eine specifische Behandlung erfolgreicii
wirken konnte. Loeser.
(9) Heller. Zusammenfassender Bericht.
(10) Lesser stellt cunächst den Begriff der tertiären Syphilis fesU
Es handelt sich um Erscheinungen circumscripter, unsymmetrischer Art,
keine universellen Eruptionen. Heilung in der Regel mit Subatanzverlnsü
Bei der Aetiologie der tert. Lues vulgaris kommen 2 Fragen in Betracht
1. In wie vielen Fällen von Syphilis treten tertiäre Erscheinungen
auf? Zur Beantwortung dieser Frage fehlt es an einer genügenden Statistik.
2. Wie gestaltete sich der Verlauf der Fälle mit tertiären Erschei-
nungen in der secundären Periode? Die Erfahrung der besten Syphilis-
kenner geht dahin, dass es sich meist um Fälle handelt, die in der See-
Periode unbedeutende Erscheinungen boten und gar keine oder ungenügende
mercurielle Behandlung genossen haben. Nach einer Statistik von Has-
lund, die 5U Fälle tertiärer Syphilis umfasst, traf das in 867. der
Fälle zu.
Bei der Beantwortung der Frage nach den näheren Ursachen der
tert. Eruptionen bespricht Verf. die Hypothese Lang's, nach welcher die-
selben auf der Entwicklung von Krankheitskeimen, die aus der secundären
Periode hie und da zurückgeblieben seien, beruhen. Diese Hypothese würde
das regionäre Auftreten, das Auftreten nach Trauma erklären ; gegen sie
spricht die enorme Länge der Latenzperioden zwischen Aussaat der Keime
und Ausbruch der Tertiärerscheinungen. Sodann wird die Hypothese
Finger 's besprochen, die einen Unterschied statuirt zwischen den Wir-
kungen der Bacillen selbst (Secundärperiode) und deren Stoffwechselpro-
ducten (Tertiärerscheinungen). Zum Schluss erinnert Verf. an die eminente
Wichtigkeit der intermittirenden Quecksilberbehandlung in der Secondär-
Periode, da wie erwiesen, zumeist unbehandelte Fälle den Gefahren der
tertiären Lues ausgesetzt sind. Stein.
ai) Nach einigen einleitenden Worten über die Begriffe „secundäre"
und „tertiäre** Syphilis, wie sie von Ricord ursprünglich aufgefasst
wurden und wie sie jetzt gebraucht werden, wirft Haslund die Frage
auf: „Ist unbedingt nöthig, dass jedermann, der Syphilis acquirirt hat.
der Syphilis. 453
auch das tertiäre Stadium durokmaehen muss?^ Diese Frage beantwortet
H aal und mit „Nein.*' Nach seiner Statistik, die sich über die Jahre
1882--92 erstreckt, erkrankten von 6864 Patienten an tertiärer Syphilis
454 Männer und 887 Frauen, insgesammt also 791, d. i. 12,47a* »Ist es
nnmöglich,'' fragt Verf. weiter, „bei den einzelnen F&Uen im Yoraos zu
erkennen, ob sich tertiäre Erscheinungen einstellen werden oder nicht? ^
Nach den Symptomen der Krankheit kann man dies nicht beurtheilen,
dagegen finden sich bei den Individuen selbst Verhältnisse, die eine sehr
grosse Hilfe zur Beantwortung dieser Frage gewähren. Der Zeitpunkt des
Erscheinens der tertiären Syphilis nach der Infection variirt von wenigen
Monaten bis mehreren Jahrzehnten. Die bevorzugte Zeit ist indessen
das 2.-4. Jahr. Verf. theilte seine 791 Fälle, um sieh eine bestimmtere
Idee von den Ursachen der tertiären Syphilis zu bilden, in 3 Classen,
nämlich Ä. diejenigen Syphilisfalle, die vorher nicht specifisoh behandelt
worden sind; B. diejenigen, bei denen eine Behandlung im secundären
Stadium vorgenommen, aber mangelhaft ausgeführt wurde, sei es,
dass sie von zu kurzer Dauer war oder zu spät im Verlaufe der Krank-
heit angefangen wurde; C. Patienten, die früher durch mehrmalige
Anwendung von Quecksilber und von Jodkalium oder Decoct. Sarsa-
parillae zweckmässig behandelt worden sind. In die Gruppe A gehören
111 Männer und 120 Frauen; in die Gruppe B 284 Männer und 177 Frauen;
in die Gruppe C 59 Männer und 40 Frauen, mithin 395 Männer und 297
Frauen, die gar nicht oder ungenügend behandelt waren. Verf. ist daher
der Ansicht, dass der Mangel einer richtigen Quecksilbercur
im zweiten Stadium der Syphilis die wichtigste und häu-
figste Ursache der Entwicklung von tertiären Symptomen
abgibt. Daneben aber müssen als Ursachen betrachtet werden — und
dies kommt namentlich bei den 99 Personen der Gruppe C in Betracht:
Chronischer Alkoholismns , das gleichzeitige Vorhandensein anderer
chronischer oder infectiöser Krankheiten, Inficirung im höheren Alter,
Zustände, welche die Widerstandsfähigkeit des Organismus herabsetzen,
z.B. Sorgen, die aus anderen Breitengraden eingeführte Infection, vorher-
gehende oder nachfolgende Infection mit Malaria oder irgend einem an-
deren klimatischen Fieber, Idiosynkrasie oder Intoleranz des Individuums
gegen Quecksilber.
Kur bei 24 Personen der Gruppe C Hess sich eine plausible Ursache
nicht finden. — Unter den 454 Männern mit tertiärer Syphilis litten an
Affectionen der Haut 235, des Nervensystems 144, des Knochensystems
104, der Schleimhaut 72, der inneren Organe 40; bei den 837 Frauen
war die Haut erkrankt 218mal, das Knochensystem lOSmal, die Schleim-
häute 79mal, das Nervensystem 56mal, innere Organe 7mal. Somit ist in
Kopenhagen die Haut der am häufigsten von der tertiären Syphilis be-
fallene Theil und deshalb tritt dort die tertiäre Syphilis in milder Form
auf, indem das Leiden selten Kraftverluste, Arbeitsunfähigkeit oder den
Tod zur Folge hat. — Des Weiteren wirft Verf. die Frage auf: „Wissen
wir denn, warum die tertiäre Syphilis bei den verschiedenen Individuen
454 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Terschiedene Organe befallt? Können wir den Grand angeben, weshalb
die tertiäre Syphilis sich gerade an einer gegebenen Stelle localisirt?' In
vielen Fällen nicht, bisweilen aber doch. Man kann annehmen, dass nach
den vorhergegangenen Attaqnen an gewissen Stellen eine Ablagenmg des
Giftes zurückgeblieben ist nnd dass aus bestimmten GMnden dasselbe von
neuem in Thätigkeit versetzt worden ist. Sehr zu Gunsten dieser Auf-
fassung spricht die Neumann'sche Untersuchung von Hauttheilen, die
lange vorher Sitz eines syphilitischen Ausschlags gewesen waren und die
makroskopisch zwar völlig normal aussahen, mikroskopisch aber im-
zweifelhaft pathologische Veränderungen aufwiesen* Man sieht auch vielfuh
tertiäre Symptome sich genau an denselben Stellen entwickeln, an denen
die secundären Läsionen gesessen hatten. Verf. zeigt als Beweis hiefur einen
Fall von sogenanntem Chancre redux. Vorhergehende andere, nicht sy-
philitische Affectionen der Haut, der Schleimhaut oder Knochen scheinen
ebenfalls zur Entwicklung tert. syphilitischer Processe in den betreffenden
Geweben und an denselben Stellen zu prädisponiren, namentlich die
tuberculösen Erkrankungen dieser Gewebe. Femer ist für Gehimsyphilis
Epilepsie ein prädisponirendes Moment, für syphilitische Sarcocele die
gonorrhoische Epididymitis etc. Auch hereditäre Disposition, namentlich
des Nervensystems, scheint eine Rollo zu spielen. Schliesslich ist oft ein
Trauma das „Etwas**, welches das Gift zur Thätigkeit anfacht^ wenn
es zufälligerweise eine Stelle findet, wo letzteres abgelagert ist.
Sternthal.
(12) Campana hat, von der Erwägung ausgehend, dass die ver-
schiedensten Erkrankungen der Haut mikroskopisch weiter ausgedehnt
erscheinen als makroskopisch, bei Patienten mit Primäraffecten und leichter
Drüsenschwellung Haut vom Penis oder von der Regio pubis — fem vom
Primäraffect — ezcidirt und eine Infiltration mit leucocyten-ähnlichen
Zellen um die Gefasse gefunden, welche er für den Ausdruck der Invasion
des syphilitischen Virus hält. Deswegen hält er eine Abortivbehandlnng
der Lues durch Excision der Sclerose a priori für unmöglich, wenn man
auch nicht das Recht hat zu sagen, dass die Syphilis von Anfang an eine
constitutionelle Erkrankung ist. Jadassohn.
(18) In einer Sitzung der Societe therapeutique bespricht Fanl
2 Fälle junger, an Syphilis erkrankter- Männer, bei denen beiden die
Syphilis einen ungewöhnlich leichten Verlauf genommen hatte; Beider
Väter waren in ihrer Jugend syphilitisch inficirt gewesen. Die Patienten
hatten nie Symptome hereditärer Lues gezeigt. Paul glaubt nun, dass die
Syphilis der Väter bei den Söhnen eine Abschwächung der Erkran-
kung bewirkt hätte. In der Debatte verweist Guelpa auf die schwere
Form der Syphilis der Araber in Algier, unter der auch die Erkrankung
der Söhne syphilitischer Väter verliefe. Blondel dagegen glaubt, dass
die Abschwächung der Krankheit in den Fällen Paul's auf die mikro-
biciden Eigenschaften des vom Vater durch Erbschaft auf den Sohn über-
gegangenen Serums zurückzuführen sei. Lasch.
der Syphilis. 455
(14) Qold's Fälle sind auch in diesem Archiv 1893 publicirt.
(15) Dunoan Bulkley betont die Häufigkeit des „anständigen^
Infectiomnodus der Syphilis, besonders bei Ehefrauen und Kindern
(Heredität), femer die mannigfachen Ansteckungs-Möglichkeiten im Fa-
milien- und öffentlichen Leben. Koch.
(16) 6 r 6 f f i e r hält die Erwerbung der Syphilis im Kindesalter für viel
häufiger, als man gewöhnlich annimmt. Nicht hierher gehörig sind die Fälle,
in denen das scheinbar gesund geborene Kind einer vorher luetisch
inficirten Mutter erkrankt; ebenso ist die Möglichkeit, dass ein gesundes
Kind während des Greburtsactes von der Mutter angesteckt wird, als un-
wahrscheinlich von der Hand so weisen. In beiden Fällen ist das Kind
vielmehr vorher durchseucht; es handelt sich also um hereditäre Lues.
In Bezug auf die eigentliche erworbene Syphilis der Kinder unterscheidet
6. 4 Gruppen von Infectionsarten, solche nämlich, die mit dem Stillen
und der Aufziehung der Kinder im Allgemeinen in Zusammenhang stehen,
und solche, die unsittlichen Attentaten oder medicinischen Massnahmen
ihren Ursprung verdanken. Indem G. an der Hand eigener Beobachtungen
die einzelnen Modi der Ansteckung bespricht, weist er nach, wie sehr
die Kinder aller Stände in Gefahr schweben, syphilitisch inficirt zu
werden, und wie häufig in der That diese Ansteckung ist. Koch.
(17) Der Fat. Pauly's war im Jahre 1877 während seiner Militärzeit
in Algier wegen eines Schankers am Frenulum und eines an der Lippe,
femer wegen Plaques und Alopecia im Militärlazareth 6 Monate in Be-
handlung, wo er antisyphilitisch behandelt wurde. Vor einigen Tagen hat
er den Vortragenden consultirt wegen allgemeiner Drüsenschwellung,
Leucoderma colli, Plaques muqueuses an Lippen, Gaumensegel und Nase,
Papeln am Scrotum und After. Pauly nimmt hier eine sichere Re-
infection an und diagnosticirt als Primäraffect zwei Narben an der linken
Wange, welche seit ungefähr einem halben Jahr bestehen und von denen
die eine sich noch indurirt anfühlt. Auch dieser Fall von Reinfection
scheint nicht ganz einwandsfrei zu sein und begegnet auch in der Lyoner
medic. Gesellschaft lebhaft geäusserten Zweifeln. Paul Neisser.
(18) Pawl ow bespricht einen Fall, in dem ca. 14 — 15 Monate, seitdem
die letzten Symptome der 1. Infection geschwunden waren, nach einem
Coitus ein Ulcus auftrat, welches Verf., nachdem er die Möglichkeit eines
Ulcus moUe und eines gummösen Geschwürs ausgeschlossen hat, für einen
syph. Primäraffect anspricht. Im weitem Verlauf wurden die Leisten-
drüsen afficirt und noch später traten Papeln an der Haut und der
Schleimhaut der Mundhöhle auf. Verf. gründet seine Diagnose hauptsäch-
lich auf folgenden Befund : Knorpelartige Beschaffenheit des Grundes und
der Ränder des Geschwürs, Vergrösserung der Leistendrüsen, welche einen
Monat nach der Infection auftrat und früher nicht bestand, Auftreten
von secundären Erscheinungen an der Haut und der Schleimhaut und
endlich auf die sicher constatirte Anamnese einer früher überstandenen
Syphilis. Letztere war mit Quecksilber behandelt worden. A. Lanz.
456 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
(19) Stonkowenkoff kommt auf Grund seiner Blutuntersuchungen
zu folgenden Schlüssen:
1. Die Ver&ndemngen des Blutes gehen dem Ausbruch der secun-
daren Erscheinungen um etwa 8 Tage voraus. Dieselben bestehen zunächst
in einer Vermehrung der weissen Blutkörperchen, an die sich Abnahme
des Hämoglobingehaltes und spater der Zahl der rothen Blutkörperchen
anschliesst. Zur Zeit des Eruptionsfiebers erreichen die genannten Erschei-
nungen ihre grösste Intensität.
2. In der Eruptionsperiode nimmt Hämoglobingehalt und Zahl der
rothen Blutkörperchen stetig ab. Die Zahl der weissen Blutkörperchen
nimmt bis auf das Doppelte der Norm zu. Besonders pflegen Nachschübe
Ton Exanthem diese Erscheinung zu aocentuiren. 6 — 7 Stunden nach der
ersten Zufuhr von Hg (subcutane I^jection) nimmt bereits der pereentuale
Häraoglobingehalt und die Zahl rother Blutkörperchen zu, die Zahl der
Leueocyten ab, so dass nach einigen Iigectionen normale Verhältnisse
erzielt werden können. Bei länger fortgesetzter Cur kann wieder eine
Abnahme des Hämoglobins und der rothen Blutkörperchen, Zunahme
der Leueocyten stattfinden. Diese geschieht stets bei CJomplicationen
(Stomatitis), Diarrhoe.
8. Während einer intermusculären I^jectionseur nimmt Hämoglobin
und Zahl der rothen Blutkörperchen rasch zu, dann wieder bis zur
nächsten Injection allmälig ab. Die Zahl der Leueocyten nimmt ungleich-
massig, aber constant ab. Finger.
(20) Klein berichtet über einen Fall von secundärer pemiciöser
Anämie in Folge von Syphilis mit sehr günstigem Verlaufe nach An-
wendung einer energischen Inunctionscur.
(21) Fisiohella zieht aus seinen an Ferrari's Klinik gemachten
Blutuntersuchungen bei Syphilitischen in der Frühperiode folgende Schlösse
(die Einzelnheiten müssen im Original nachgesehen werden): 1. In der
Frühperiode der allgemeinen Syphilis besteht constant eine Verminderung
in der Zahl der rothen Blutkörperchen und im Hämoglobingehalt, mit
Vermehrung der Leueocyten und zwar immer im Verhältniss zu der
grösseren oder geringeren Ausbreitung der Exantheme. 2. Die Verminde-
rung der rothen Blutkörperchen ist immer der Verminderung des Hämo-
globins proportional gewesen, aber die gefundenen Ziffern sind nicht we-
sentlich geringer als die normalen. 3. Die morphologischen Veränderungen
der körperlichen Elemente des Blutes stehen im directen Verhältmss zur
Intensität der Allgemeinerscheinungen. 4. Eine nicht lange ausgedehnte
mercurielle Behandlung bringt eine Vermehrung in der Zahl der rothen
Blutkörperchen und der Menge des Hämoglobins mit gleichzeitiger Vermin-
derung der weissen Blutkörperchen hervor und stellt zugleich das normale
A^erhältniss der verschiedenen Formen der Leueocyten wieder her. Wenn
man das Hg immer weiter gibt oder wenn es keinen günstigen Einfloss
auf die Allgemeinerscheinungen hat, so findet man dieselben numerischen
und morphologischen Veränderungen, wie vor dem Beginn der Cur. 5.
Die unter dem Einfluss des Hg. bei syphilitisch^i Individuen eintretenden
der Syphilis. 457
plötzlichen Veränderungen sind nicht so hochgradig, dass sie zur Diagnose
dienen können, sondern sind nur gleichsam ein Index für die Beurthei-
lung der therapeutischen Wirksamlceit des Mercur.
Jadassohn.
(22) Rille findet bei Anwendung der Ehrlich^schen Blutfärbe-
methoden folgende Thatsachen« Bei Syphilis: Bei Vorhandensein derlni-
tialmanifestation allein und bei sonst gesunden Individuen keine Alteration
der morphologischen Bestandtheile des Blutes ; dagegen im Verlaufe mani-
fester secundärer Syphilis: 1. Zunahme der sogenannten Lymphocyten
und zwar sowohl der grossen wie auch der kleinen Lymphocyten. 2. Zunahme
der eosinophilen ZeUen insbesondere bei papulöser Syphilis adäquat der
Anzahl der Efflorescenzen« 8. Beträchtliche Zunahme der Uebergangs-
formen und der diesen zunächst stehenden, genetisch tiefer stehenden,
grossen , mononucleären Leukocyten. 4. Als inconstanten Befund bei
blassen, weiblichen Personen Myeloplaxen oder Markzellen Cornils. Mit
Ablauf der Krankheitserscheinungen, im Verlaufe wirksamer antiluetischer
Medication kehren diese Befunde alhnälig zur Norm zurück. Bei tertiärer
Syphilis sind die Befunde verschieden, z. B. bei Hautgummen conform
mit denen bei secundärer Syphilis. Kernhaltige rothe Blutkörperchen —
wie sie bei Syphilis neonatorum häufig gefunden wurden (Loos) — fanden
sich hier, bei Erwachsenen, niezoals. — Bei Ekzem, Pemphigus und
Prurigo fand R. eine sehr beträchtliche Vermehrung der eosinophilen
Zellen. — Inconstante Befunde ergaben sich bei verschiedenen anderen
Hautaffectionen z. B. Psoriasis universalis, Lupus vulgaris. Sämmtliche
Befunde theilt R. in drei Gruppen. 1. eine ganz isolirt stehende poly-
nucleäre Leukocytose bei Erysipel, 2. verschieden starke Eosinophilie bei
verschiedenen chronischen Dermatosen, 8. die Befunde bei Syphilis. —
Die Erysipelleukocytose kann auf zweifache Weise erklärt werden;
entweder ist es der Reiz des Krankheitsvirus nach Art anderer chemisch
reizender Agentien, welche, wie sorgfaltige Thierversuche ergeben, auch
Lettkoc3rto8e verursachen oder dass primär unter Beihilfe der Chemotaxis
die Emigration von Leukocyten in das erkrankte Gewebe und erst im
Anschlüsse daran, als ein Ausdruck der Regeneration, eine vermehrte
Production von Leukocyten zu Stande kommt. Die geschilderte hoch-
gfradige Vermehrung der eosinophilen Zellen beim Ekzem, Pemphigus u»
s. w. glaubt R. mit Neuss er damit erklären zu können, dass eosionophile
Zellen nicht nur im Knochenmarke (Ehrlich), sondern auch in der Haut
entstehen können. Die Befunde bei Syphilis erklärt K theils durch
Lymphdrüsenreizung, theils aus der Ueberemährung des Organismus.
K. Ullmann.
(28) Zapp er t konnte bei seinen Untersuchungen über die eosino-
philen Zellen im Blute die Angabe Rille's (und Loos'), dass die Zahl
derselben zur Zeit der syphilitischen Exantheme vermehrt sei, nicht be-
stätigen. In den von ihm untersuchten 8 Fällen (macnlöse und papulöse
Exantheme und ulceröse Lues) hielten sich die Werthe im Bereich der
Norm und nur 1 Mal (bei einem Primäraffect) überstiegen sie dieselbe um
458 Bericht über die Leistongen auf dem Gebiete
ein Geringes. Allgemeine Schlüsse will der Verf. aas diesen geringen
üntersnchungsmaterial nicht ziehen. Jadassohn.
(24) Sename kommt za dem Schlosse, dass in der Mehrzahl der
Fälle die während der GraTiditat erworbene Syphilis der Mutter
selbst noch im 8. Monat durch die Placenta auf das Kind übertragen wirdL
Man soll bei einer frisch inficirten Frau eine Frühgeburt einleiten, wenn
die Infection in einen der beiden letzten Monate der Gravidität fallt.
Ernst Bender.
(25) Augagneur behauptet, dass bei der schwangerenFrau der Primär-
affect grosser, reichlicher secemirend und von längerer Daner sei, als bei
Nichtschwangeren, und zwar seien diese Symptome desto auffallender, je
weiter vorgeschritten die Gravidität seL Femer sei in diesen Fallen ein
sehr hartnäckiges, langdauemdes Emptionsfieber bemerkbar nnd auch
die secundären Symptome seien markirter. Verf. will oft bemerkt haben,
dass stets mit einer neuen Gravidität auch ein Neuanffcreten der Secnndär-
Symptome Hand in Hand gegangen sei. Ueber die localen Symptome an
den Genitalien, über den Einfluss der Lues auf Gravidität und Geburt
sagt Verf. nichts Neues. Paul Neisser.
(26) Wal lieh. Nichts Neues.
(27) Einen Fall von sehr frühzeitig eintretender ulcerösen Lues pu-
blicirt Brousse. Er betrifft einen 34jährigen Koch, bei dem sick eine
typische Rupia knapp 20 Tage nach dem Auftreten der Initialsclerose
zeigte. Unter der Behandlung trat vorübergehend Besserung wohl ein«
doch hatte Patient im Zeiträume von 2'/, Jahren 5 Recidive.
Die 2. Incubation war in diesem Falle also bedeutend kürzer, wie
sie sonst zu sein pflegte, doch soll dies nach B.'s Angabe gerade bei der
malignen Lues nicht selten der Fall sein. So führt er eine Statistik
Baudoin's an, nach der in 182 Fällen schwerer Lues 11 mal Symptome
constitutioneller Syphilis vor Ablauf des 1. Monates eintraten. — Be-
merkenswerth ist an dem Fall weiterhin, dass die schweren Symptome
wohl vorübergebend bei einer specifischen und gleichzeitig robonrenden
Behandlung verschwanden, jedoch beim Aussetzen der Therapie hart-
näckig recidivirten. — Diesem Umstände legt B. eine grosse Bedeutung
bezüglich der Prognose bei, die er danach als eine schlechte ansieht. Be-
züglich der Aetiologie dieser Affectionen neigt B. nach Analogie anderer
Infectionskrankheiten zu der Annahme, dass sie von der Qualität und
Quantität des eingeführten Virus herrühre, doch gibt er andrerseits zu,
dass häufig auch die individuelle Disposition (oder wie sich B. ausdruckt,
das Terrain, auf das das Virus geräth) eine Rolle spielt. Nach dieser Rich-
tung hin kommen alle den Organismus schädigenden Diathesen in Betracht
So in dem erwähnten Falle tuberculöse Heredität, im Kindesalter über-
standene Scrophulose und Alkoholismus. Die Initialsclerose — eine sehr
rasch heilende Sclerose am Penis — wies in diesem Falle durchaus nicht
auf einen malignen Verlauf hin. Bezüglich der Therapie ist schon erwähnt,
dass sie eine combinirte specifische und roborirende gewesen.
Ernst Bender.
der Syphilis. 459
(28) Ron 8 sei veröffentlicht die Krankengeschichte eines 40jährigen
kräftigen Patienten ans gesander Familie, der ein Ulcus dumm mit
phagedänischem Charakter acquirirt hatte. 9 Tage später heftiges rheuma-
tisches Fieber, Roseola und Dolores osteocopi. Dann Tumor der rechten
Tibia, Kopfschmerzen, profuse Schweisse. Erhebliche Besserung unter anti-
luetischer Behandlung. Im S. Monat nach der Infection tiefe Ulceration
auf dem Mundboden, gefolgt von Nekrose des harten Gaumens, der oberen
Alveolarfortsätze, der Nasenbeine. Dann allgemeine Cachexie, pustulöses
Exanthem, dabei sehr ausgeprägte Bulimie. Im 9. Monat Verdauungs-
störungen, die die Therapie sehr erschweren, und hochgradige Anämie.
Zuletzt Oesophagusstrictur leichteren Grades, Decubitus und Lähmung
des Sphincter ani. Tod im grössten Marasmus ein Jahr nach der In-
fection. Obduction wurde verweigert. — Dieser Krankengeschichte folgt
eine Zusammenstellung der seltenen, bisher beobachteten, ähnlichen Fälle.
Koch.
(29) Der Patient Fortunato^s bekam schon im 5. Monat seiner
Lues ein über den Körper verbreitetes „Ecthyma'^ und ein tiefes Gumma
der Schulter, welches zu einer Caries des Acromion fahrte. Unter
specifischer und chirurgischer Behandlung trat völlige Heilung ein.
Paul Neisser.
(30) G. Lewin stellt I. einen Kranken vor mit multiplen Gummi-
knoten am Hoden und an verschiedenen Stellen des Körpers ; 2. einen Fall
mit Aplasie der Zungenbalgdrüsen als ein sehr wichtiges welche er far
Criterium zweifelhafter tertiärer Lues hält. Die Beschaffenheit dieser Affection
lasse sicli durch die digitaleUntersuchung und durch denKehlkopfspiegel nach-
weisen ; 8. ein Kind mit hereditärer Lues (Chondritis gummosa). Galewsky.
(31) Die Untersuchungen Lydston's ergeben, dass bei nicht mani-
fester Lues antiseptische chirurgische Eingriffe völlig reactionslos per
primam heilen, während inficierte Wunden oft erst unter einer gleichzeitig
eingeleiteten specifischen Behandlung heilen. Bei gleichzeitigem Vorhanden-
sein von syphilitischen Symptomen sind die Chancen ungünstigere. Einen
günstigeren Einfluss des Erysipels auf die Lues glaubt Verf. leugnen zu
müssen. Fracturen heilen bei Luetischen ebenso wie bei Gesunden; nur bei
kachektischen Luetikem bleibt oft die Consolidation aus und es tritt
^ekrose ein. Paul Neisser.
(32) ImAnschluss anLeloir's bekannte Beobachtungen über Misch-
formen von Lues und Tuberculose und an Schnitzle r's Fälle von
combinirter Larynxphthise und LarynxsyphiUs veröffentlicht Williams
die Krankengeschichte eines 24jährigen Phthisikers, dessen Kehlkopfaffection
sich anfangs auf eine antiluetische Cur besserte, um sich dann stetig zu
verschlimmem. Schliesslich fand W. die Epiglottis stark infiltrirt und mit
ausgedehnten U Icerationen bedeckt, von denen die lateral gelegenen sehr
auf Lues verdächtig schienen. Die Schleimhaut der Aryknorpel und ihrer
Umgebung war typisch tuberculös erkrankt, während andere Stellen mehr
unbestimmten Charakter tmgen. Dem Aufsatz ist eine farbige Abbildung
des Kehlkopfbildes beigegeben. (Man vermisst in der Krankengeschichte
460 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Angaben über die specifisohe Infection nnd frühere luetische Erscheinungen;
das angeführte ist mit Sicherheit nur für das Bestehen der Tubercnlose
zu verwenden). Koch«
(33) Israi publioirt Fall von hochgradiger Larynx-Tuberciilose bei
gleichzeitiger luetischer Afficirung des Kehlkopfs 18 Jahre post infectionem.
Die schwere Lues wurde nach Anwendung einer energischen antilaetischen
Cur wesentlich gebessert, auch das Allgemeinbefinden hob sich; ein Beweis,
dass Yorgeschrittene Tuberculose nicht immer eine Gontraindication für eine
energische Schmiercur ist Galewsky.
(34) St raus und Tessier berichten, dass sie durch Injection von
Tuberculin bei an secundarer Syphilis Leidenden starke Allgemeinreaction
(hohes Fieber, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schwindelgefuhl) und
in einem Falle von Bupia syphilitica locale Beaction erhalten hätten. Da
diese Beaction bei andern Hautkrankheiten fehlte, so sehen die Verff. ein
differential - diagnostisches Hilfsmittel im Tuberculin und betonen zugleich
die Analogie, die in dieser Hinsicht bei den 8 chronischen Injections-
krankheiten: Tuberculose, Lepra, Syphilis besteht. Versuche bei tertiär
Luetischen oder mit dem Primaraffect allein behafteten Patienten sind noch
nicht gemacht worden. Lasch.
(35) Torner berichtet über die Behandlung eines an Lues (Pso-
riasis und Acne syph., Ulcera pharyngis etc.) und Tuberculose erkrankten
24iähr. Mannes mit Tuberculininjectionen, Jodkali und Jodoform innerlich.
Aus der Beschreibung ist nur das bemerkenswerth, dass Jodkali and Jodo-
form, sowie späterhin Hg-Suppositorien die Wirkung des Tuberculin unter-
stützt haben und sowohl Lues als Tuberculose wesentlich gebessert wurden.
Galewsky.
(36) In der „Clinical Society of LouisWlle'' berichtet Krim über
einen Fall von secundarer Syphilis, zu welcher sich typhöses Fieber hinzu-
gesellt hatte. 4 Wochen später waren sämmtliche Erscheinungen der Lues
verschwunden, auch die Drüsenanschwellungen. Die antiluetische Behand-
lung hatte nur 10 Tage gedauert. Krim fragt, ob ähnliche Fälle bekannt
seien. Hierauf erwidert L. N. Bloom, es sei nicht ungewöhnlich, dass
secundäre Erscheinungen der Syphilis beim Ausbruch einer acuten Krankheit -
verschwänden, um später wieder aufzutreten. Im vorliegenden Falle hätten
jedoch die secundären Erscheinungen bereits 3 Wochen gedauert, nach
welcher Zeit sie auch unter gewöhnlichen Verhältnissen verschvrinden
könnten. Die interessanteste Erscheinung sei das Verschwinden der
Drüsenanschwellung. Schliesslich bemerkt Bloom, dass er eine anti-
luetische Cur stets erst nach dem Auftreten secundarer Symptome einleite.
Schaffen
(37) Von dem allgemeinen Gesetz, dass syphilitische Exantheme
nicht jucken, berichtet C off in zwei Ausnahmsfalle. Der eine betrifft ein
acneartiges Syphilid über den ganzen Körper, welches namentlich Nachts
stark juckte. Mit dem Verschwinden des Exanthems hörte auch das Jucken
auf. Im anderen Falle handelte es sich um eine juckende Roseola.
Raff.
der Syphilis. 46 1
(38) Cantrel, Nichts Neues.
(39) Horwitz sah zwei Fälle von aller specifischer Behandlung
trotzender Lues unter dem Linfluss eines Erysipels sehr schnell heilen und
glaubt an einen Antagonismus zwischen den Erysipelstreptococcen und
den SyphilisbaciUen. Paul Neisser.
(40) Lang stellt folgende Statistik auf: Von allen graviden Frauen
haben 8V(o% einfache Albuminurie, von den syphilitischen Graviden
6"/ioo%> '^^^ ^®^ dö^ ersteren lV,,7o> ^^^ ^^^ letzteren 2%y^ Albumin-
urie und Cylinder. Von Graviden, die Albuminurie und Cylinder haben,
erkranken 88 7, an Eklampsie, von syphilitischen Graviden unter denselben
Umständen 96%. Lang schliesst aus seinen Untersuchungen, dass Syphilis
zu Albuminurie und Nephritis prädisponirt und dass syphilitische Gravide
häufiger an Albuminurie und Nephritis und häufiger schwerer an Eklampsie
erkranken.
(41) Z eis 1er hebt in seiner Abhandlung über die Beziehungen der
Lymphdrüsen zur Syphilis im Anschluss an die in Deutschland wohl ge-
nügend bekannten Untersuchungen Dietrichs hervor, dass auf das Fehlen
oder Vorhandensein von geschwollenen Lymphdrüsen für die Diagnose
kein grosser Werth zu legen sei.
(42) Garusi berichtet über einen Fall von gummösen L3nnphomen
in der Inguinalgegend bei einem Patienten, welcher vor 22 Jahren Lues
acquirirt hatte ; diese Symptome verschwanden nach 40tägiger combinirter
antiluetischer Behandlung. Paul Neisser.
(43) Die Patientin Tchaguine's, welche stets gesund gewesen ist
und nur seit ihrer Jugend an Pruritus genitalium gelitten hat, zeigt am
rechten grossen Labium einen 4 Cm. grossen, etwas aufgekratzten Tumor^
welcher für eine Papel angesehen wurde; eine eingeleitete specifische
Cur hatte ungünstigen Erfolg. Die mikroskopische Untersuchung eines
excidirten Stückes ergab ein Papillom. Paul Neisser.
Haut, Schleimhaut, Knochen und Gelenke.
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(1) Fournier nennt die differential-diagnostischen Momente zwi-
schen Ulcus molle und syphilit. Initialsklerose, wie sich dieselben ergeben
ans a) der Zahl der Läsionen, b) dem Aussehen derselben, c) der Infil-
tration resp. Induration der Basis, d) dem Verhalten der Drüsen, e) der
Inoculation, /) der Incubationszeit, g) der Confrontation.
(2) Greffier schildert die Schwierigkeiten, die sich in manchen
Fällen der Diagnose des Primäraffects in den Weg stellen und gibt die
Mittel und differentialdiagnostischen Momente an, die uns diese Schwie-
rigkeiten überwinden helfen. Koch.
(3) Nach B a 1 z e r kann der Chancre mixte zu Stande kommen ent-
weder durch gleichzeitige oder durch nacheinanderfolgende Infection mit
dem Virus des Ulcus molle und der Syphilis. Die synchrone Infection
findet statt a) sehr selten durch Infection mit einem Chancre mixte, b)
dadurch, dass das inficirende Individuum neben seinen infectiösen syphiliti-
schen Symptomen ein Ulcus molle hat, c) dadurch, dass das inficirende
Individuum sich im Frühstadium der constitutionellen Lues befindet und
einen weichen Schanker hat, dessen Secret das Vehikel zugleich für das
syphilitische Virus ist.
Für die nicht gleichzeitige Infection gibt es folgende Entstehungs«^
modi: a) Ein mit einem weichen Schanker behaftetes Individuum verkehrt
mit einem infectiös syphilitischen; dann stellt das Ulcus molle die Ein-
gangspforte für das syphilitische Gift dar: — chancre mou syphilise. b)
Ein bestehender syphilitischer Schanker bildet die Eingangspforte für die
Ulcus moUe-Bacillen. Erfolgt die Infection gleichzeitig, so tritt wenige
Tage post coitum ein Schanker auf mit allen charakteristischen Sympto-
men eines Ulcus molle, bis er sieh am 15. — 20. Tage — oft bereits fast
verheilt — an der Basis zu induriren beginnt und sich zur Sclerose um-
wandelt. Bei der Inoculation auf den Träger entsteht meist ein typischer
weicher Schanker — selten ein Chancre mixte.
Von Complicationen erwähnt der V. nur den Phagedäniemus ; er
fasst jeden phagedänischen Schanker als Chancre mixte auf. In Bezug
464 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
auf Verlauf, Diagnose nnd Therapie bringt der V. nichts Neues — ausser
dass er auf die relativ häufige Vereiterung syphilitischer Bubonen hinweist.
Lasch.
(4) Brown stellt einen Fall von Syphilis vor mit der InitiaUasion
an dem Ringfinger der rechten Hand und macht auf die ungewöhnliche
Thatsache aufmerksam, dass trotz der ausgesprochensten Scleradenitis
universalis eine Schwellung der Epitrochleardrnsen der erkrankten Seite
nicht zu constatiren ist. Goldenberg hat zwei analoge Fälle gesehen
und betont, dass Lewin (Berlin) dieses Fehlen der Cubitaldrüsenschwel-
lung durch die eigenartigen Verhältnisse der Lymphdrüsen erklärt, in-
dem die oberflächlichen Lymphbahnen der Finger nicht mit den Cubital-,
sondern mit der Axillardrüsen zusammenhängen. Key es hält diese Er-
klärung nicht für ausreichend. Ledermann.
(5) Fournier hat unter im Ganzen ungefiihr 10.000 Scleroeen nur
49 an den Händen beobachtet, davon 42 bei Männern, 7 bei Frauen,
keinen bei Kindern. Er unterscheidet 8 Arten der Ansteckung: im ärzt-
lichen Beruf, durch venerische Infection (besonders am Mittelfinger), durch
Biss ; 30 der in der Frivatpraxis beobachteten 49 Fälle gehörten zur ersten
Kategorie (27 Aerzte und Studenten, 8 Hebammen). Meist sind kleine
Verletzungen, Rhagaden oder Ekzeme vorhanden; ob auch unver-
letzte Haut inficirt werden kann, will Fournier nicht entscheiden. Die
Schanker der Hände sitzen öfter an der rechten, als an der linken Hand;
unter 86 Fällen, die F. zusammengestellt hat, waren 78mal die Finger,
12mal der Metacarpus, Imal der Daumenballen be&llen. An dem Meta-
carpus sitzen die Sklerosen fast immer auf der Dorsalseite ; an den Fingern am
häufigsten an den Nägeln (19mal am Zeige-, 16mal am Mittelfinger, 14mii
am Daumen, 4mal am Ringfinger, Imal am kleinen Finger); die „chan-
eres medicaux" betrafen lOmal den Zeigefinger, 7mal den Daumen, 5nuü
den Mittelfinger, 8mal den Metacarpus, 2mal den Ringfinger, Imal den
DaumenbaUen. Die Schanker der Hände stellen sich entweder in der clas-
sischen Form dar ; sie sind dann benigne, oberflächlich, erosiv oder ulcerös.
Sie sind aber oft weniger regelmässig, als an anderen Körperstellen (be-
sonders an den Nägeln), sind nicht immer deutlich indurirt (besonders
nicht an den Nagelgliedem) und sie sind öfters schmerzhaft (ebenfalls
wieder besonders die an den Nagelgliedem). Unter den abnormen Formen
unterscheidet Fournier den hypertrophischen (starke, hoch ansteigende
Erhebung), den „Chancre-panaris^ („Panaritium-like chancre" Taylor'«),
starke Schwellung, Röthung, Infiltration, Schmerzhaftigkeit der Finger,
und den „Chancre fongueux'', nur am Nagelgliede, mit weichen, rothen
oder lividen Vegetationen.
Der Verlauf richtet sich natürlich nach der Form; der Nagel, ja
selbst der Knochen der Nagelphalanx kann verloren gehen und dann bleibt
natürlich eine starke Verstümmelung bestehen. Die Dauer der Aflection
ist oft, besonders bei den atypischen Formen, eine sehr lange; Comph-
cationen, wie Phagedänismus, Lymphangitis, Lymphadenitiden (ev. mit
Suppuration), Phlebitis (nach Taylor auch pyämische Processe) kommen
der Syphilis. 465
selten vor. Die regionäre Drüsenschwellung kann statthaben : am Ellbogen,
in der Achsel oder an beiden Stellen zugleich. Die Prognose der Schanker
an den Händen ist nach der Ansicht vieler Syphilidologen, u. A. auch
Hardys, eine ungünstige. Foumier selbst war erstaunt, als er bei 49 Fällen
4mal tertiäre Syphilide (der Haut?), Imal gummöse Syphilis des Rachens,
Imal Sarcocele, Imal temporale Periostose mit symptomatischer Gesichts-
Hemiplegie, 6mal cerebrale Syphilis, Imal Tabes fand ; also 14mal tertiäre
Symptome bei 49 Fällen, ein auffallend ungünstiger Procentsatz. Foumier
hält also die Thatsache der schlechteren Prognose der Fingerinfectionen für
unbestreitbar, trotzdem er auch eine Anzahl von Fällen mit recht günstigem
Verlauf kennt. Die ungünstigen Fälle betrafen meist Mediciner, und Foumier
glaubt, dass die Prognose von diesen schlechter ist, weil sie: 1. durch
die Syphilis sehr deprimirt, also weniger widerstandsfähig werden ; 2. weil
sie geistig und körperlich überlastet sind ; 3. weil sie sich erfahrungsgemäss
schlecht behandeln. Ob diese Gründe zur Erklärung des au£Pallenden
Factums ausreichen, will F. selbst nicht entscheiden. Foumier räth schliess-
lich zur grössten Vorsicht bei Operationen und Untersuchungen, zur Be-
deckung der kleinsten Risse der Haut, da nachträgliche Desinfection
erfahruDgsgemäss (ein Fall JuUiens beweist das sehr gut) nichts nutzt.
Die Behandlung der einfachen Sclerosen ist die gewöhnliche; bei den
<;ompIicirten und schwereren Fällen mussten absolute Ruhe, häufige Hand-
bäder, Jodoformsalbe und Verbände, ev. Entfernung des Nagels, Cauteri-
-sationen (beim fungösen Schanker) und, sobald die Diagnose sicher ist,
Allgemeinbehandlung eintreten. Jadassohn.
(6) Farlow demonstrirte die Photographie einer Sclerose der
Oberlippe, welche für eine maligne Erkrankung gehalten worden, aber
unter Hg prompt geheilt und dann von secundären Erscheinungen gefolgt
war. Jadassohn.
(7) M a z e t berichtet über einen 24jährigen Patienten, welcher ausser
einer Sclerose am Penis eine zweite exulcerirte am rechten oberen Augen-
lid mit entsprechender Schwellung der Submaxillardrüsen zeigte.
11 Tage später trat das maculöse Exanthem auf. Unter entspre-
<;hender Behandlung nach ca. 4 Wochen Besserung, nach 8 Wochen völ-
liges Verschwinden der Sclerosen. Paul Neisser.
(8) Kirkpatrik berichtet über einen Fall von Lippenschanker.
Ein Hotelbediensteter stellte sich vor mit einer seit zwei Monaten be-
stehenden, ziemlich oberflächlichen länglichen Ulceration auf der linken
Seite der Unterlippe, deren Umgebung in Wallnussgrösse stark infiltrirt
war und sich sehr hart anfühlte. Unter dem Kinn fand sich eine kleine
Drüse, mucöse Plaques und sonstige Erscheinungen fehlten.
Der Patient hatte von Cigarrenmachem, die in seinem Hotel wohn-
ten, häufig Cigarren geschenkt erhalten. Zwei derselben litten, wie sich
später herausstellte, an Syphilis. Der Sitz des Schankers entsprach der
Gewohnheit des Patienten, die Cigarre im linken Mundwinkel zu halten.
Während der antiluet. Behandlung erschien auf der Stirn ein erbsen-
ArchiT f. Dermatol. n. Syphll, Bund XXVII. 80
466 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
grosses pigmentirtes Knötchen, das, wie der PrimärafTect an der Lippe»
nach 8 Monaten völlig verschvninden war. Koch.
(9) Der Patient Boudogov's zeigt eine Sclerose an der Unterlippe
welche er durch die Mitbenutzung einer Yon einem syphilitischen Collegen
geraachten Cigarette acqnirirt hatte. Paul Neisser.
(10) Eros 8 stellte einen 5 Monate alten Säugling mit charaktenst.
Ulcus durum an der Unterlippe und Schwellung der Submaxillardrösen vor.
Eltern gesund. Infection vermuthlich durch einen Kuss.
(11) Vedenski's 15jähr. Pat. zeigt einen Primaraffect an der Ober-
lippe; er raucht nicht und hat noch nie einen Coitus ausgeübt. Im An-
schlnss hieran theilt Tchistiakof 2 Fälle von extragenitalen Primäraf-
fecten mit, von denen der eine auf der Unterlippe bis auTs Zahnfleisch
übergreifend sass, während der andere sich auf dem Bauch vier Finger
oberhalb des Nabels befand. Paul Neisser.
(12) Hechotnikof stallt einen Pat. mit einer Sclerose am Kücken
vor, welche derselbe von einer Frau acquirirt, hatte, welche ihm Schröpf-
köpfe am Kücken setzte. Paul Neisser.
(13) Barjon's erster Fall betraf einen Arbeiter, der mit 10 anderen
in einer Werkstätte inficirt worden ist : Schanker der Lippe. Im 2. Fallo
sass die Sclerose am unteren Augenlid mit Scleradenitis cervicalis und
praeauricularis. Jadassohn.
(14) Hutchinson jun. demonstrirte einen Mann, der bei einem Streit
von einem secundär Syphilitischen in die Wange gebissen worden war.
Ein kleiner Schanker entwickelte sich, der nur leicht erhaben war und
wenig secemirte. Es war ein grosser submaxillärer Bubo vorhanden«
Roseola bestand schon. Besserung unter Inunctionen.
Sternthal.
(15) Montgomery berichtet über einen Patienten, der sich ihm
mit einem fast wallnussgrossen Tumor unter dem linken Mundwinkel
vorstellte. Der Tumor war rundlich, stark vorgewölbt, völlig weich, in
der Mitte etwas eingesunken und mit dünnen Krusten bedeckt. M. dachte
an Sarcom und Sycosis, bis die Untersuchung des übrigen Körpers die
eine regionäre Drüsenschwellung und ein papulo-maculöses Exanthem fest-
stellte, die Diagnose Primäraffect sicherte. Koch.
(16) Die 18jährige Patientin Lennox-Browne's war von einem
mit einer Halsentzündung behafteten Mann in die Wange gebissen worden»
Einen Monat später zeigte sich an der betreffenden Stelle ein PrimärafTect..
Paul Neisser.
(17) Dem Patienten Pauly's war ein Brett auf die Stirn gefallen
und an der dadurch verursachten Wunde war kurze Zeit darauf ein
Primäraffect entstanden. Patient zeigt jetzt (1 '/, Monate später) ansser
secundären Erscheinungen noch eine zweite Sklerose (?) an der recliten
Wange, welche übrigens in der Discussion von Cordicr für eine
Secundärerscheinung gehalten wird, die eine Sklerose vortäusche.
Paul Neisser*
der Syphilie.
(18) Yaughan stellt eineu 36jährigeu Mann vor, der vo
Syphilitischen an einer haarlosen Stelle des Yorderhanptes ]
Fingernägeln gekratzt worden war. In der Kratzwunde etablirte
typischer Schanker ; AUgemeinersoheinungen folgten. Mit Ausnah
Allen nnd Taylor, die ähnliche Fälle beobachtet haben, eikex\
Redner die Seltenheit der Looalisation an und behaupten^, niemali
einen Primäraffect an der Kopfhaut gesehen zu haben.
Ledern
(19) Der Patient BoudougoTs, ein 24jähriger Soldat, zeij
Primäraffect auf der rechten Tonsille und dem hinteren Gaurn
mit Drüseirschwellungen. Im Anschluss theilt Yedenski 11 I'
eztragenitalen Primäraffecten aus dem Ealinkinski-Hospital mit; d
betrafen 4mal die Oberlippe, 2mal die Unterlippe, 2mal c
Tonsille, 2mal die Brustwarzen und Imal den vorderen Ganmenl
Paul Nei
(20) Der kleine, 2 Jahre 10 Monate alte 'Patient £ondr:
zeigte am inneren Blatte des Präputiums eine ^derose, femer Ski« :
inguiualis und ein papulöses Exanthem. Infectionsquelle ist di i
welche syphilitisch ist und bei der Untersuchung Papeln an den C i
aufweist. Was die Art der Infection anbelangt, so lässt Verf. es zv i
ob dieselbe zufallig erfolgt sei, oder durch einen Coitus oder <
bei manchen Ammen Russlands beliebte Art, durch Saugen i i
das Kind zum Einschlafen zu bringen, verursacht sei.
Paul N( i
(21) Rosenthal berichtet über einen Fall von Impüsyph I
12jährige Mädchen war am 16. Juni geimpft worden; 14 Tage, i
die 4 Pusteln eingetrocknet waren, zeigten sich an derselben i ;
Neuem eitergefollte Bläschen, denen bald ein schmerzhafter .
folgte. Das Mädchen war Ende October sehr mager, anämisch, i
Gesicht eine grosse Anzahl Pusteln, die zur Zeit eingetrocknet \ i
Körper Papeln, Plaques der Tonsille und Pharynxwand, Impetigo ;
vergrösserte Drüsen. Im Januar 1892 bot das Kind das Bild einer ;
Rupia. Unter der Behandlung mit Syrupus ferri jodati, Inunct
Ungt. Hydrarg.-Yerbänden heilten die Erscheinungen ab. Für < i
hereditär, tarda ergab die Anamnese keinen Anhalt. Yerfasser hiel
dessen den Fall für Impfsyphilis. Gal '
(22) Oberndorfer berichtet über einen Fall von Prima i
der Unterlippe, in dessen weiterem Yerlauf es zur Entwickj i
I)olymorphen, theils akne'iformen und ekth3rmaartigen, theils i
Exantheme kam. (Wo die Aehnlichkeit mit der Tuberc. verr. cu i
soll, geht aus dem Berichte nicht hervor.) I
(2B) Etienne veröffentlicht einen Fall, in dem sich bei ^
bestehendem Primäraffect an der Portio, nässenden Papeln an ( i
Plaques muqueuses am Yelum palat., Papeln im Nacken an der 1
und sehr starker Alopecie auch eine ausgebildete circinäre R« !
fand. Bemerkenswerth ist an dem Falle, dass diese Form der
468 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
sehr frühem Stadium bestand, dass sie auf Hg-Gebrauch sehr schnell sich
zurückbildete, dass aber bereits 6 Monate später eine Iritis specif. und
eine Gaumenperforation auftrat. Der Verfasser bespricht kurz die DifFe-
rentialdiagnose zur Pityriasis rosea und dann die Frage, zu welcher Periode
der Syphilis die circinäre Roseola zu rechnen sei. War man bisher geneigt,
dieselbe als tertiäre oder als üebergangsform zwischen secundärem und
tertiärem Stadium aufzufassen, so widerspricht dieser Fall einer solchen
Auffassung. Andererseits nimmt der Fall durch die Malignität seines Ver-
laufes überhaupt eine Sonderstellung ein ; doch scheint die Thatsache, dass
die circinäre Roseola hier ohne vorherigen Hg-G«brauch auftrat, Four-
niers u. A. Ansicht, dass dieselbe eine durch Hg. abgeschwächte Form
der S3rphilitischen Hauteruptionen des späteren Stadiums sei, vollkommen
zu widerlegen. Der Verfasser meint, dass die circinäre Roseola ähnlich
wie die Psoriasis palm. und plant, in jedem Stadium vorkommen könne.
Lasch.
(24) V. Zeissl gibt die folgenden vier Krankengeschichten wegen
der Seltenheit der betreffenden Fälle:
L Ein 56jähriger Mann inficirt sich 1856 mit Lues, die nach
interner Calomelbehandlung schw^and. Im Jahre 1884 entdeckte v. Z.
gelegentlich einer Ekzembehandlung, ein grossmaculöses , in Gruppen
angeordnetes Syphilid, reichlicher an der oberen als an der unteren
Körperhälfte. Im Jahre 1886 Schleimhautpapeln des Mundes, im Jahre
1890 einzelne scheibenförmig angeordnete dunkelrothe schuppende Papeln
an der Haut. Ausser zu diesen genannten Zeitpunkten bot Pat. niemals
Erscheinungen von Syphilis dar. Da der Kranke stets unter seiner, be-
ziehungsweise früher unter seines Vaters v. Z e i s s 1 senior, Controle stand,
hält V. Z. eine Reinfection für unwahrscheinlich, ja ausgeschlossen.
Er glaubt, aus diesem Falle sowie aus der Literatur den Schluss
ziehen zu können, dass nicht die Form des Syphilides, sondern die Zeit,
welche von der Infection bis zum Ausbruch des Syphilides verläuft,
der entscheidende Factor für die Inoculabilität der S.-Producte ist. Ein
sehr spät erscheinendes Roseolarrecidiv und andere secundäre Erschei-
nungen dürften weniger wahrscheinlich überimpfbar sein, als ein firnli
erscheinendes Gumma.
n. Die 3 folgenden Krankengeschichten betreffen Fälle von Mast-
darmayphilis.
1. 89jährige Frau U-para mit fibroider Induration des rechten
kleinen Labiums (Sklerosenrest, der sich gummös umgewandelt). Mehrere
(jeschwüre an dem äusseren Genitale, an der hinteren Mastdanxiwand ein
schmutzig belegtes, buchtenreiches Geschwür. Nach mehrfachen Schwan-
kungen kam es zu Perforationsperitonitis und Exitus; der Sectionsbefund
ergab diffuse eitrige Peritonitis von syphilitischer Ulceration im Rectum
und der Flexura sigmoidea ausgehend. Syphilitische Geschwüre der Vagina
und Urethra. Sklerosis des rechten kleinen Labiums. Amyloide Degeneration
der Leber, Milz und Nieren (mikroskopisch nachweisbar). Croupöse Pneu-
monie im r. Oberlappen.
der Syphilis. 469
Die Anamnese za dem Falle ist unverwendbar.
2. Bei einer 2^ ährigen Frauensperson findet sich ein dem vorigen
Krankheitsfalle ganz ähnlicher Rectalbefimd nebst zahlreichen kleinen
Hautgammen. Infection vor 2 Jahren, unter Jodkalitherapie gehen die
Erscheinungen complet zurück.
3. Bei einer 40jährigen, 0 para, zeigten sich Erscheinungen
einer Scheidenmastdarmfistel, unterhalb der Fistelöffnung im Rectum eine
Strictur der Schleimhaut sowie 8 kreuzergrosse Gruppen kleiner Haut-
gummen. Unter Localbehandlung und Jodkaligebrauch gehen alle Er-
scheinungen zurück. K. Ulimann.
(25) L e w i n demonstrirt 3 Fälle von pustulösen Syphiliden im Ver-
laufe von galopirender Syphilis bei nicht ausgebildeter syphilitischer
Sclerose. Lewin bemerkt, dass er 1 — 2 pustulöse Exantheme auf 2000
bis 3000 andere sah. Der 4. Kranke zeigt die Umwandlung einer Roseola
in Liehen ssrphiliticus. Galewsky.
(26) Die Ueberschrift erschöpft den Inhalt des Artikels von Shoe-
maker zur Genüge.
(27) Taylor weicht in seiner Darstellung der Pigmentsyphilis so
wesentlich von den bisher üblichen Schilderungen, vor allem von unseren
Anschauungen über das Leucoderm ab, dass seine Ausfahrungen eingehender
wiedergegeben werden müssen. Er meint, dass die Arbeiten über
das Leucoderm die Frage unklarer gemacht, als sie bis dahin gewesen. Der
Hauptsatz, den er voranstellt und zu dem ihn seine fortgesetzten Be-
obachtungen über Pigmentsyphilis geführt haben, ist: „Die primären
Pigmentanomalien, welche auf der Syphilis beruhen, bestehen wesentlich
in einer Hyperpigmentatiou, welche ganz oder theilweise durch einen
correspondirenden Pigmentverlust oder einen „leucodermatischen Zustand'^
(leucodermatous condition) ersetzt werden kann. Die primäre Hyper-
pigmentatiou ist das eigentliche Pigmentsyphilid ; alle anderen Verfärbungen
sind secundäre Processe und in keiner Weise berechtigt, als Pigment-
Syphilide classificirt zu werden^. Taylor unterscheidet 3 ganz verschiedene
Formen der eigentlichen Pigmentsyphilis: 1. In der Form von Flecken
verschiedener Grösse. 2. Als diffuse, stärkere oder schwächere Pigmentirung,
welche später oder früher der Sitz leucodermatischer Veränderungen in
Form von kleinen, allmälig verschwindenden Flecken wird; „retiform
pigmentary Syphilide," „Syphilide pigmentaire ä dentelles" (Fournier). 3. Als
abnorme Vertheilung des Pigments auf der Haut; das Pigment geht an
einzelnen Stellen verloren, häuft sich an anderen an, daher ein scheckiges
Aussehen, „marmoraceous form'', es besteht kein Ueberschuss von Pigment;
diese Form ist selten und oft sehr unscheinbar, so dass sie der Beobach-
tung entgehen kann. Zu diesen einzelnen Formen macht der Verfasser
noch einige detaillirtere Bemerkungen, deren Hauptinhalt der folgende ist :
Ad 1. Die einzelnen Flecke sind scharf begrenzt, oder die Ränder sind
zackig; Farbe hell- bis tiefdunkelbraun. In einem Falle, nach dessen
Abbildung wir „Leucoderm** diagnosticiren würden, sollen die Flecke am
Nacken, denen keine syphilitischen Efdorescenzeu vorangegangen seien.
470 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
von SteeknadelgT'rtae an bis m liemlicli grosser Anadehnung gewachsen
«ein (in der Figur lind un regelmässige weisse Flecke anf braimem
Grande zu sehen); auch bei dieser Form ist onregelniBasige Tertheilnng'
dea Pigments häufig. Die Flecke können monatalang unverändert bleiben,
allmälig verschwinden sie vom Bande her oder in der gancen Aasdehnnnf
zugleich. Hanchmat bleiben entfärbte Flecke als „ein secnndäres oder
Pseudolencodenn" zurück. In diesem Stadium ist die Dii^^nose als wirk-
liches Leucoderm reratändlich. Im Gegensatz dazn steht die secnndäre
Pignientation nach papuldsen Exanthemen, von der ebenfalls 2 Abbildungen
reproducirt werden. Ad 2. Bei der retiformen Abart der Pigmentsyphüide
werden nach Taylor besonders die Seitentheile des Halse« in kürzerer oder
längerer Zeit braunverfärbt; intelligente Patienten sollen hSnfig angegeben
haben, dass die Braun tarbnng das primäre gewesen sei ; weisse Flecke
aeien zuerst nicht vorhanden ; die Verfärbung erstreckt sich manchmal
auf den Rumpf, bei anderen auf die Vorderseite desselben und unter die
Arme (kein Fall im Gesiebt beobachtet!). Nachdem die Pigmentirun^
mehr oder weniger um sich gegriffen, treten weisse Flecke auf, von meist
un regelmässiger Form, die sieb oft so schnell vergrössem und vermehren.
dass der Patient selbst nur beobachtet, da«« sein Rah weiss wird. Auch
diese Fälle sind nach Taylor fälschlich als Leacoderm l>ezeichnet worden.
Die weissen Flecke sind manchnml wirklich, manchmal nur scheinbsr
weisser als die normale Haut. Kiemals hat Taylor die feine Hrperpigmen-
tirung am Rande, wie bei Vitiligo gesehen, nnd daranf legt er ftr die
ganze Auffassung des Processes besonders Gewicht. Am Ende der Ent-
wickelung ist nur ein Netzwerk brauner Linien mit dazwischen liegenden
unregclmässigi'n weissen Flecken zu sehen, bis dann die Haut zur Korm
zurückkehrt. Manchmal hat Taylor wahrend der „Activität" der Processf
leichte Unil >'nwll^'™>i»>.'l<' H.-™.rfmi(. TMehA» mol,-!,« Ast- Ronhaphtnnir
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der Syphilis.
dritte und seltenste, — die „marmorirte" — Form entwickelt sich lang
natürliche Farbe der Haut wird fleckweise weiss, die Ränder bra
Pigmentverschiebung; Taylor hat diese Form immer nur an den
th eilen des Halses und nur bei Personen mit zarter Haut gest
verschwindet allmälig. Zum Schluss wendet sich Taylor zu di
logischen Untersuchungen, denen er im Allgemeinen einen gering«
beimisst, weil sie nur einzelne Stadien betreffen. Nur Maieffs
weiskys Arbeiten hebt er hervor, welche in ihren Folgeruri
Taylors Darstellung übereinstimmen. Dass die Lehre vom L<!
und der Pigmentsyphilis weder klinisch noch histologisch abgei
ist, ist zweifellos; ob Taylors Anschauungen sich Bahn brechen
müssen neue detaillirte Untersuchungen ergeben. Jadai
(28) Giovanni stellte seine Untersuchungen an Hautstn
die vom Lebenden ausgeschnitten waren. Die Stücke waren 16 v
und 8 männlichen Individuen entnommen; 19 davon hatten ein !
17 — 30 Jahren, 4 von 80—40 und einer war 60 Jahre alt. Be
diesen Personen war das Initialsymptom vor einer zwischen 2'/,
und einem Jahre schwankenden Zeit aufgetreten, bei den anc i
lap: die Infection etwas mehr als ein Jahr zurück. 23 Individu i
den Haarausfall zwischen wenigen Tagen bis sechs Monaten bei i
einem Falle bestand er seit 1 Jahre. Dem Grade nach variirte di«
natürlich ebenfalls. Als Resultat der Untersuchungen dieses Mat< i
Giovanni Folgendes: 1. Bei der secundär-syphilitischen Alup i
der Haut, ohne klinische Veränderung derselben, ein Entzündui i
vorhanden, der vozuprsweise die Follikel an deren unterem Th(
)FolIiculitis pilaris j)rofunda). Infolge dieses Processes finder
Haaren regressive Veränderungen statt, welche deren Ausfall her i
2. Vom histologischen Gesichtspunkte aus bietet die Haari
Zündung der syphilitischen Alopecie, ihrem Sitze und ihrer A i
nach gi'osse Aehnlichkeit mit jener der Alopecia areata dar.
Veränderunoren, die in einem und dem anderen Falle infolge I
foUikelentzündung in den Haaren stattfinden, sind zum grosi
die gleichen. Ste i
(29) H e w i t h. Ein 35j ähriger Maurer, in dessen Anamnese ke i
punkt für eine syphilitische Infection zu finden war, bekam im Ai i
ein Trauma oberhalb der Tuberositas ossis ischii eine la !
Taubeneigrösse wachsende Anschwellung, die schliesslich aufbn '.
eitern begann. Aehnliche Geschwüre fanden sich allmälig in d
gegend beider Seiten ein, ebenso unterhalb der linken Cla\
hinter dem linken Schultergelenk). Chirurgische Behandlung
Erfolsf. Später stellte sich Haarausfall an einer umschriebener
rechten Kopfhälfte ein. — Die Untersuchung des Kranken ergi
bildung, entsprechend den oben beschriebenen Geschwüren. Di
wurde für luetisch erklärt, obgleich anamnestisch eine Infectior
feststellen Hess. — Verfasser weist darauf hin, wie häufig der 1
übersehen wird theils wegen schlechter Beobachtung, theils ii I
472 Bericht über die Leiatnngen auf dem Gebiete
oft uabedentenden localen Eracheinnngen nnd geringen subjectiveii Be-
schwerden, welche die Iiutjakklenne verurMtcht. Eb folgt eine kurze Be>
acbreibnng der bekanat«ii üntencheidungsmerkmale des buten Schankers
gegeoüber dem Ulcus molle und dem Herpes progenitalis. Der oben er-
wäbnte circuu Scripte Uaaraaafall wird als eine Erscheinung der eecandären
Periode der Sypbilis aufgefasst; als Grand wird die ungenügende Er-
nährung der Haarwurzeln angegeben. Im Anecbluss an den beschriebenen
Fall behauptet Shoemaker, dus Traumen bei einem luetiachea In-
dividuum Gelegenheitauraacbe für den Ausbruch specifischer Processa
werden können. Chirurgische Eingriffe bei der Behandlung eines Gumma
■ollen nur dann gemacht werden, wenn deutliche Fluctnation und
RöUinng der Haut vorhanden ist. — Im vorliegenden Falle wurde die
Diagnose per exclusiouem gestellt, da die Äffectionen, welche differential-
diagnostisch in Betracht kommen konnten, nämlich Lepra, Tuberealnse,
Epitheliom und Sarkom ausgeschlossen werden musiten. Das Auasehen
und die Verlaufsweise dar Geschwüre machten es umweifelhait, dasa
et sich um das dritt« Stadium der Lues, um zerfallene gummöse Neu-
bildungen handelte. Unter Jodkalibehandlung trat bald erhebliehe Besserung'
ein. Sc baffer
(30) Kämmerer demonstrirte eine 19jährige Patientin, welche
— ohne persönliche und Familienanaroneie — an einer allraälig immer
grösser werdenden Ulceration am Kopf erkrankte, die auf Jk nicht heilte,
auf chirurgische Behandlung sich besserte, aber doch wieder recidivirte.
Die Diagnose konnte nicht klar gestellt werden. In der Discnssion er-
klftren sich die meisten für die syphilitische Natur des Geschwürs. Lange
und Briddon betonen, das« der Miaserfolg des Jk allein nichts beweise,
sondern dass öfter eine gemieohte Behandlung nothwendig sei.
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schnell.
Buehanzeigen und Besprechungen.
Finger Ernst. Die Blennorrlioe der Sexaalorgane und ihre (
cationen. Nach dem neuesten wissenschaftlichen StandpunI:
zahlreichen eigenen Studien und Untersuchungen dargestellt
wesentlich vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig un :
Franz Deuticke 1893.
Besprochen von Dr. Th. Spietschka in Prag.
Die erste Auflage dieses Buches, welche im Jahre li
schien, wurde in der Vierteljahresschrift für Denn. u. Sy]
1888 p. 486 von Prof. F. J. Pick ausführlich besprochen
seither bereits die III. Auflage des Buches erscheinen mui i
gewiss der beste Beweis für die Güte desselben. Die gegi :
vorliegende Ausgabe zeichnet sich aber vor den frühen i
dadurch aus, dass sie in einigen Theilen wichtige Erweit
erfahren hat. Bereits in der zweiten Auflage war der Bleu i
beim Weibe eine ausführlichere Behandlung zu theil gewor
in der ersten Auflage. Jetzt hat der Verfasser noch die Erfa i
hinzugefügt, welche die neuesten Culturversuche mit dcE
coccus ergeben haben. Die wichtigste Erweiterung bildet
die pathologische Anatomie der chronischen Urethritis, w
zwei Abthoilungen abgehandelt wird, nämlich I. die path
anatomischen Verfinderungen der Pars anterior und 11. di*
logisch- anatomischen Veränderungen der Pars posterior. F
unterscheidet Verfasser wieder eine oberflächliche Form, l
chron. superficialis und eine tiefe Urethritis chron. profund
letztere einerseits zur chronischen Periurethritis und Ci
andererseits zur Prostatitis führt. Die histologischen Untersu
die Verfasser selbst systematisch durchgeführt hat, erm< ;
ihm eine genaue Darstellung der Veränderungen, welche i
der chronischen Urethritis an den Epithelien und den tief
474 Buchanzeigen und Besprechungen.
weben platzgreifen, und tragen wesentlich zor Yervollstfindigang
des so werthvoUen Werkes bei: Dieser Vermehrong des Inhaltes
entsprechen auch zwei hinzugekommene Tafeln (VI und Vn), die
eine vorzügliche Ausführung zeigen. Den Lesern des Archiv's sind
ttbrigens die hervorgehobenen Arbeiten sowie die Tafelabbildnngen
bekannt, da sie vorher in diesem Archiv publicirt wurden.
Dr. C. Kopp. Aüas der-HantkranklLeiten und Aüas der GescUeehts-
krankheiten. Verlag von J. F. Lehmann. München.
Besprochen von Dr. Theodor Spietschka in Prag.
Eine grosse Zahl von Aerzten ist nicht in der Lage, nach
Vollendung der Studien sich noch jene praktische Ausbildung zn
verschaffen, welche für eine fruchtbare Krztliche Thätigkeit unum-
gÄnglich nothwendig ist. Namentlich in solchen Fächern, die wie
die Dermatologie und Syphilis nicht ordentliche Prttfungsgegenstände
sind, werden sich da gewaltige Lücken bemerkbar machen. Wenn
nun auch das beste Buch und die beste Abbildung eine praktische
Ausbildung nie ersetzen können, so werden sie doch einigermassen
Abhilfe schaffen. Ein Buch allein aber, und möge es auch die
besten Beschreibungen enthalten, wird nie dort ausreichen, wo es,
wie in der Dermatologie und bei den syphiltischcn Exanthemen
so ausserordentlich auf die Ausbildung des Auges, auf die Uebung
des Blickes ankommt. Hier muss eine gute Abbildung nachhelfen.
Leider aber scheiterte die Anschafftog von Atlanten bis jetzt bei
den meisten Aerzteu an der Höhe des Preises. Diesem Uebelstande
hat nun die Verlagsbuchhandlung abzuhelfen gesucht, indem sie
eine Reihe von Atlanten schuf, die nach einzelnen Specialf^hem
eingetheilt um den Prein von 6 — 10 Mark eine reiche Sammlung
von Abbildungen bringt.
Die vorliegenden Bände V und VI behandeln recht umfas-
send die Gebiete der Dermatologie und Syphilis. Die Tafeln sind
theils Originalien, theils nach Abbildungen aus bekannten Werken
nachgebildet. Das Streben des Verfassers, das ganze Gebiet gründ-
lich zu behandeln und zweckentsprechende Abbildungen zu bringen,
sowie das des Verlegers, um den geringen Preis das möglichst
Beste zu liefern, sind gewiss im höchsten Grade anzuerkennen. Wenn
man die Werkchen als das betrachtet, was sie sein sollen^
nämlich als Beilage zu einem guten Buche, welche die Voi stellungs-
Buchanzeigen nnd Besprechungen. 475
kraft unterstützen hilft, dann werden sie gewiss ihren Zweck er-
füllen; der Studierende oder Arzt wird mit ihrer Hilfe leichter
üher manche Schwierigkeiten hinwegkommen, die ihm ein Krank-
heitshild bei der Deutung bereitet, oder die sich ihm bei der Vor-
stellung nach einer Beschreibung entgegenstellen. Aus diesen Gründen
könpen wir die Büchlein sowohl dem Studierenden als auch dem
Arzte bestens empfehlen.
Varia.
Die Lepra in Schweden. Zu diesem Gegenstande erhalten wir
folgendes Schreiben:
Hochgeehrter Herr Professor! Ich habe hiemit die Ehre, Ihnen
einen Separatabdruck aus den Verhandlungen des 6. Congresses schwe-
discher Aerzte, gehalten 31. August bis 2. September 1893 in Gefle, zu
senden. Er behandelt die Ausbreitung der Lepra in Schweden. Da seit
1864 nichts über die Lepra bei uns erschienen ist und auch die früheren
Abhandlungen über diesen Gegenstand gar nicht im Auslande gekannt zu
sein scheinen, glaubten wir, dass unsere kleine Darstellung davon vielleicht
von Interesse sein könnte. Wie Sie aus den Verhandlungen der Wiener
dermatologischen Gesollschaft wissen, hat Dr. Lorand (Dieses Ardhiv
Band XXVI, p. 148) während des vorigen Sommers Schweden und Nor-
wegen wegen Leprastudien bereist. Er hat dabei entschieden gute Beob-
achtungen über die Krankheit gemacht, aber wahrscheinlich aus Schwierig-
keiten die Sprache zu verstehen hat er leider auch in einigen Hinsichten
sich geirrt.
So gibt er die Zahl der Leprösen entschieden viel zu hoch an.
Wahrscheinlich hat er die Totalsumme der bei uns während 29 Jahren
beobachteten Fälle mit der Zahl der gegenwärtig vorhandenen Leprafalle
verwechselt und kommt so zu der enormen Summe von 462 Fällen, während
die Zahl der jetzt gekannten Leprösen in Wahrheit wahrscheinlich 80
nicht übersteigt. Auch die Vertheilung der Fälle ist, wie Sie leicht aus
den Tabellen ersehen können, sehr ungenau beschrieben (305 Fälle auf
„übrige" Theile des Landes).
In Wirklichkeit hat man bestimmte Zahlen nur für Helsingland.
Für die übrigen Provinzen entbehrt man ihrer fast ganz. Die Nachfor-
schung, die ich im vorigen Sommer angestellt habe, um doch etwas darüber
kennen zu lernen, sind natürlich gar nicht das letzte Wort. Es war mir
übrigens in der That ganz unmöglich zu erfahren, wie viele der in den
Bapporten gefundenen Fälle jetzt am Leben sind. Doch glaube ich be-
haupten zu können, dass wenigstens 25 ausserhalb Helsingland leben.
476
Varia.
Die meisten dieser befinden sich sicher in Dalecarlien (Dalame), wie es
Lorand ganz richtig nach dem Referat der Congressyerhandlongen angibt.
Wenn Sie die Güte haben werden, die kleinen Abhandlungen im
Archiv referiren zu lassen, bitte ich Sie auch diese Missverständnisse unseres
geehrten CoUegen zu berichtigen.
Ich bin etc.
Edvard Sederboln,
Docent der Demuttologie nnd Syphllidologie
in Stockholm.
Stockholm, den 22. Febr. 1894.
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